Leseprobe
Gliederung
Sachverhalt
Literaturverzeichnis
A. Strafbarkeit des V gemäß §§ 222, 13 I StGB
I. Objektiver Tatbestand
1.) Eintritt des tatbestandlichen Erfolges
2.) Nichtvornahme der Erfolgsabwendung
3.) Kausalität
4.) Garantenstellung
5.) Objektive Fahrlässigkeit
a.) Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt
b.) Objektive Vorhersehbarkeit
6.) Objektive Zurechnung
7.) Entsprechensklausel
8.) Zwischenergebnis
II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld
IV. Ergebnis
B. Strafbarkeit des V gemäß §§ 229, 13 I StGB
Gesamtergebnis
A. Strafbarkeit des G gemäß §§ 222, 13 I StGB
I. Objektiver Tatbestand
1.) Eintritt des tatbestandlichen Erfolges
2.) Nichtvornahme der Erfolgsabwendung
3.) Kausalität
4.) Garantenstellung
5.) Objektive Fahrlässigkeit
a.) Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt
b.) Objektive Vorhersehbarkeit
6.) Objektive Zurechnung
7.) Entsprechensklausel
8.) Zwischenergebnis
II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld
IV. Ergebnis
B. Strafbarkeit des G gemäß §§ 229, 13 I StGB
C. Strafbarkeit des G gemäß § 222 StGB
I. Tatbestandsmäßigkeit
1. Erfolgseintritt
2. Kausalität
3. Objektive Sorgfaltspflichtverletzung
a) Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt
b) Voraussehbarkeit des Erfolges
4. Objektive Zurechnung des Erfolges
II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld
1. Subjektive Sorgfaltspflichtverletzung
2. Subjektive Vorhersehbarkeit
IV. Persönliche Schuldausschließungsgründe
V. Ergebnis
D. Strafbarkeit des G gemäß § 229 StGB
I. Tatbestandsmäßigkeit
1. Erfolg
2. Tathandlung
3. Kausalität
4. Sorgfaltspflichtverletzung
5. Pflichtwidrigkeitszusammenhang
II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld
IV. Persönliche Schuldausschließungsgründe
V. Ergebnis
VI. Gesamtergebnis
E. Strafbarkeit des G nach § 249 StGB
F. Strafbarkeit des G nach §§ 263 I, II, 22, 23 I, 25 II StGB
0. Vorprüfung
1.) Nichtvollendung
2.) Strafbarkeit des Versuchs
I. Tatbestand
1. Tatentschluss
a) Tatbestandsvorsatz
b) sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale
II. Objektiver Tatbestand
1.) Gemischt subjektiv-objektive Theorie
2.) Unmittelbares Ansetzen
III. Rechtswidrigkeit
IV. Schuld
V. Persönliche Schuldausschließungsgründe
VI. Ergebnis
G. Strafbarkeit des G gemäß § 265 I StGB durch das Ansichnehmen der Münzen.
VII. Gesamtergebnis
Gesamtergebnis / Konkurrenzen
A. Strafbarkeit des A gemäß §223 I StGB
I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
a. „körperliche Misshandlung“
b. „Gesundheitsschädigung“
c. Kausalität
d. Objektive Zurechnung
2. Subjektiver Tatbestand
II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld
IV. Entschuldigungsgründe
V. Ergebnis
B. Strafbarkeit des A gemäß § 224 I, Nrn. 2, 3, 5 StGB
1. Objektiver Tatbestand
a. „mittels eines gefährlichen Werkzeugs“ § 224 I, Nr. 2 StGB
b. „mittels eines hinterlistigen Überfalls“ § 224 I, Nr. 3 StGB
c. „mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung“ § 224 I, Nr. 5 StGB
d. Kausalität
e. Objektive Zurechnung
2. Subjektiver Tatbestand
II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld
IV. Ergebnis
A. Strafbarkeit des P nach § 323c StGB
I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
a. Tatsituation
aa. Unglücksfall
bb. Gemeine Gefahr
cc. Gemeine Not
b. Unterlassene Hilfeleistung
aa. Erforderlichkeit
bb. Zumutbarkeit
cc. Möglichkeit
2. Subjektiver Tatbestand
II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld
IV. Ergebnis
A. Strafbarkeit des B gemäß § 222 StGB
I. Tatbestandsmäßigkeit
1. Erfolgseintritt
2. Kausalität
3. Objektive Sorgfaltspflichtverletzung
a) Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt
b) Voraussehbarkeit des Erfolges
4. Objektive Zurechnung des Erfolges
a) Schutzzweck der Norm
b) Pflichtwidrigkeitszusammenhang
c) Eigenverantwortlichkeitsprinzip
II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld
1. Subjektive Sorgfaltspflichtverletzung
2. Subjektive Vorhersehbarkeit
IV. Persönliche Schuldausshließungsgründe
V. Ergebnis
Sachverhalt
Die Stadt S betreibt eine Eissporthalle, deren Dach beschädigt war. Da nicht ganz ersichtlich war, um was für Schäden an der Dachkonstruktion es sich handelt, beauftragte der Verantwortliche der Stadt - der V – den Gutachter G. Der Auftrag an G lautete, dass er (G) die Träger des Daches umfassend aus nächster Nähe „handnah“ betrachten solle. Beim Ortstermin untersuchte G das Dach, allerdings nicht aus unmittelbarer Nähe; eine „handnahe“ Untersuchung nahm er aus Bequemlichkeit nicht vor und ging davon aus, dass das Holz schon stabil sein werde. Hätte er aus unmittelbarer Nähe untersucht, dann wären ihm die Verfärbungen an der Holzkonstruktion aufgefallen, die auf eine erhöhte Feuchtigkeit und somit auf ein instabiles Dach hindeuteten. Das Kondenswasser aus der Eishalle führte nämlich dazu, dass das Holz morsch wurde. In seinem später an V überreichten Gutachten gab G an, dass die Dachkonstruktion der Eishalle in Ordnung sei. Einige Wochen nach dem Gutachten stürzte das Hallendach ein, wobei drei Menschen zu Tode kamen und vier weitere verletzt wurden. V wirft G vor, für den Schaden verantwortlich zu sein, da er sich nicht an die Vorgaben für die Begutachtung gehalten habe. G steht auf dem Standpunkt, dass V die Verantwortung gegenüber den Gästen der Eissporthalle habe und dafür Sorge zu tragen habe, dass diese nicht zu Schaden kommen. Weiter meint G: die Eishalle sei bereits mehrere Jahrzehnte alt und V habe es in der Vergangenheit stets unterlassen, diese zu erneuern. Daher läge es aus Sicht des G nicht nahe, dass V auf G gehört hätte, selbst wenn er eine „handnahe“ Untersuchung vorgenommen und den Wasserschaden attestiert hätte. V wäre also in jedem Fall untätig geblieben, so G.
A, der durch den Absturz des Daches verletzt wurde, sinnt auf Rache. Er recherchiert die Hintergründe und macht aus seiner Sicht schnell den G für die gesamte Situation allein verantwortlich. A wurde von einem Dachbalken nach hinten geworfen und hat sich dabei verletzt. Frei nach dem Motto Auge und Auge, will er G dieselbe Verletzung zufügen. Er findet also heraus, wo sich G aufhält, lauert ihm auf und schubst ihn mit bloßen Händen gegen eine (unbewegliche) Hauswand. Dabei verletzt sich G am Kopf und blutet stark. Der Polizeibeamte P, der einen sehr schweren Tag hatte und nun endlich seinen Feierabend genießen möchte, beobachtet das gesamte Geschehen und hat genau gesehen, wie A den G verletzt hat. Während seines Arbeitstages hatte er heute aber genug mit Verbrechen zu tun und will jetzt einmal abschalten. Daher schaut P schnell weg und schlägt einen anderen Weg nach Hause ein, um den G und seine klaffende Wunde nicht mehr vor Augen zu haben.
Einige Zeit später will G mit der ganzen Angelegenheit um die Eishalle abschließen und den Kopf frei bekommen. Aus diesem Grund möchte er campen fahren. Mit seinem vollbepackten Auto begibt er sich auf die Autobahn. Während er in Gedanken seine Route noch einmal durchgeht, fällt ihm nicht auf, dass seit mehreren hundert Metern eine Baustelle mit Schildern angekündigt wird und die Geschwindigkeit zu drosseln war, da die Spuren sich verengen. Als er diesen Umstand bemerkt, ist es bereits zu spät und er kracht mit hoher Geschwindigkeit gegen das Auto vor sich; dessen Autofahrer O wird lebensgefährlich verletzt. Um sich aus dem zerquetschten Fahrzeug zu retten, müht O sich mit letzter Kraft aus dem Auto und befindet sich nun direkt auf der Straße. B, ein weiterer unachtsamer Autofahrer, hat ebenfalls nicht gut aufgepasst und die Geschwindigkeitsbegrenzung zu spät bemerkt. B schafft es nicht mehr zu bremsen und überrollt den O; dieser stirbt noch vor Ort. Später ergibt ein gerichtlich eingeholtes Gutachten, dass O ohnehin an den Verletzungen durch den Aufprall des G gestorben wäre.
G hat die Nase voll von seiner Pechsträhne und bricht seinen Urlaub ab. Eine Campingtour kann ihm jetzt auch nicht mehr helfen, er möchte stattdessen lieber zwei Wochen am Strand in der Karibik liegen. Dazu fehlt ihm aber das nötige Kleingeld. G klagt seinem Freund F seine Sorgen und dieser hat sofort eine Lösung parat. F erzählt G von dem Münzhändler M, der seine Versicherung betrügen möchte. Hierzu soll ein Raubüberfall bei M vorgetäuscht werden, den M anschließend melden soll. F erzählt, M sei eingeweiht und G bekomme€70.000 für sein Mitwirken. G ist begeistert und erklärt sich zu dem Raubüberfall bereit. Am Abend bedroht er den M mit einer Pistole und steckt dann seine Münzsammlung ein. In Wirklichkeit wusste M überhaupt nichts von der ganzen Aktion und hatte auch nie vor, seine Versicherung zu täuschen. M meldet seiner Versicherung den Fall, der in den nächsten Wochen bearbeitet werden soll.
Strafbarkeit von V, G, A, P und B?
Literaturverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
A. Strafbarkeit des V gemäß §§ 222, 13 I StGB
V könnte sich wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen in drei tateinheitlichen Fällen gemäß §§ 222, 13 I StGB strafbar gemacht haben, indem er es unterließ die Halle zu sanieren.
I. Objektiver Tatbestand
1.) Eintritt des tatbestandlichen Erfolges
Drei Menschen sind in der Eissporthalle ums Leben gekommen, somit ist der tatbestandliche Erfolg eingetreten.
2.) Nichtvornahme der Erfolgsabwendung
Der tatbestandliche Erfolg muss durch die Nichtvornahme der Erfolgsabwendung objektiv gebotenen Handlung realisiert worden sein.[1] Fraglich ist, ob das Verhalten des V als Tun oder Unterlassen zu bewerten ist. Es kommen sowohl positives Tun, Beauftragung eines Gutachters, als auch ein Unterlassen, die Nichtschließung der Halle, als auch das Unterlassen die Halle zu sanieren in Betracht. In dem vorliegenden Fall könnte von einem positiven Tun des V ausgegangen werden, da er gerade aufgrund des beschädigten Daches einen Gutachter beauftragte, um eventuell eine Sanierung vorzunehmen, beziehungsweise die Schäden zu entfernen. Jedoch war es dem V physisch-real und rechtlich möglich den eingetretenen Erfolg abzuwenden, da er Kenntnis von den Schäden im Dach hatte, um welche genau es sich handelte kommt hierauf nicht an. Er hatte die Möglichkeit die Halle zu schließen, oder zu sanieren.[2] Deshalb ist von einem Unterlassen auszugehen, V hat nicht alles getan um den Erfolg, den Tod von drei Menschen abzuwenden.
3.) Kausalität
Das Unterlassen des V müsste für den Erfolgseintritt ursächlich geworden sein. Die Rechtsprechung verlangt in Umkehrung der Conditio-sine-qua-non Formel, dass die vom Täter erwartete Handlung den Tatbestandsmäßigen Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert hätte. Danach ist der hypothetische Kausalzusammenhang gegeben, wenn der reale Taterfolg nicht oder nicht so eingetreten wäre. Ob er zu einer anderen Zeit oder Weise eingetreten wäre, ist nicht relevant.[3] V hat es in der Vergangenheit stets unterlassen die Jahrzehnte alte Eissporthalle zu sanieren. Auch hätte er aufgrund der Schäden im Dach der Halle, sie vorsorglich schließen können, um Gefahren abzuwenden. Fraglich ist jedoch, ob das Unterlassen des V ursächlich für den Tod der drei Menschen geworden ist, da der Gutachter G es unterließ eine handnahe Untersuchung durchzuführen und der Halle einen guten Zustand bescheinigte, ist davon auszugehen, dass der V sich auf das Gutachten verließ und deshalb nichts weiter unternahm. Fahrlässig handelnde Nebentäter können ihre Verantwortlichkeit für den von ihnen herbeigeführten Taterfolg nicht mit dem Hinweis auf das pflichtwidrige Verhalten des jeweils anderen von sich abschieben, vielmehr haften beide für die Verwirklichung des in Betracht kommenden Straftatbestandes.[4] Somit kann V die Verantwortung nicht auf G abschieben und ist somit auch kausal für den eingetretenen Erfolg, durch sein Unterlassen.
4.) Garantenstellung
Gemäß § 13 I StGB ist eine Person trotz Nichthandelns strafbar, wenn sie rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt. Man spricht von einer Garantenstellung des Unterlassungstäters.[5] V müsste eine Garantenstellung inne haben, welche die Pflicht umfasst, bestimmte Rechtsgutsverletzungen zu verhindern.[6] In Betracht kommt V als Überwachungsgarant, deshalb weil er als Verantwortlicher der Stadt auch die Aufgabe hatte, Dritte zu beaufsichtigen, dazu gehören die Besucher der Halle, als auch der Gutachter G. Die Verantwortlichkeit für bestimmte Gefahrenquellen als Grundlage von Garantenpflichten kann sich ergeben aus, der Pflicht zur Abwehr von Gefahren.[7] Außenstehende dürfen auf Gefahrenquellen in fremden Herrschaftsbereichen nicht einwirken und müssen sich darauf verlassen, dass derjenige, dem die Verfügungsgewalt und die Verantwortung innerhalb des eigenen Herrschaftsbereich obliegt, die daraus herrührenden Gefahren unter Kontrolle hält und wirksame Sicherungsvorkehrungen gegen eine Schädigung seiner Mitmenschen trifft. V hatte eine Garantenstellung als Verantwortlicher der Stadt S, die Eissporthalle zu überwachen und alles dafür zu tun, dass keine Gefahren entstehen.
5.) Objektive Fahrlässigkeit
V müsste auch fahrlässig gehandelt haben.
a.) Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt
V hätte als Verantwortlicher für die Eissporthalle noch ein weiteres Gutachten einholen können, da die Schäden im Dach ersichtlich waren. Auch hätte er vorsorglich die Halle schließen können bis geklärt ist, um welche Schäden es sich genau handelt. V hat die im Verkehr erforderlich Sorgfalt durch Unterlassen verletzt.
b.) Objektive Vorhersehbarkeit
Weiterhin muss der Erfolgseintritt auch objektiv vorhersehbar gewesen sein. Es muss Anlass und Möglichkeit bestanden haben, die konkret drohende Tatbestandsverwirklichung zu erkennen. Da das Dach offensichtlich beschädigt war, konnte man mit einem Einsturz rechnen, sodass V insgesamt fahrlässig handelte.
6.)Objektive Zurechnung
Fraglich ist, ob der eingetretene Erfolg dem V auch objektiv zuzurechnen ist. Objektiv zurechenbar ist ein tatbestandlicher Erfolgseintritt beim Unterlassungsdelikt, wenn er gerade auf die Pflichtwidrigkeit des Unterlassens beruht.[8] Der eingetretene Erfolg beruht auf die Pflichtwidrigkeit des V und ist ihm auch objektiv zuzurechnen.
7.) Entsprechensklausel
Nach § 13 I Hs. 2 StGB hängt die strafrechtliche Haftung des Garanten davon ab, dass sein Unterlassen hinsichtlich der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein aktives Tun entspricht.[9] Die Tatbestandsverwirklichung entspricht auch durch aktives Tun, da es sich bei dem § 222 StGB um ein schlichtes Erfolgsdelikt handelt.
8.) Zwischenergebnis
V handelte insgesamt tatbestandsmäßig.
II. Rechtswidrigkeit
V handelte rechtswidrig.
III. Schuld
V müsste auch schuldhaft gehandelt haben. V handelte insgesamt fahrlässig und schuldhaft. Es sind keine Entschuldigungs- oder Schuldausschließungsgründe ersichtlich.
IV. Ergebnis
V hat sich gemäß §§ 222, 13 I StGB wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassenin drei tateinheitlichen Fällen strafbar gemacht. Der erforderliche Strafantrag gemäß § 230 I StGB ist gestellt.
B. Strafbarkeit des V gemäß §§ 229, 13 I StGB
Auch hat sich V wegen fahrlässiger Körperverletzung durch Unterlassen gemäß § 229, 13 I StGB in vier tateinheitlichen Fällen strafbar gemacht.Der erforderliche Strafantrag ist gestellt.
Gesamtergebnis
V hat sich wegen fahrlässiger Körperverletzung nach §§ 229, 13 I StGB in Tateinheit, sowie §§ 222, 13 I StGB in Tateinheit durch Unterlassen strafbar gemacht, da alle Tatbestände durch eine einzige Tat verwirklicht wurden, besteht Handlungseinheit. V ist gemäß §§ 222, 13 I StGB zu bestrafen, §§ 229, 13 I StGB tritt aufgrund des Strafmaßes hinter §§ 222, 13 I StGB zurück.
A. Strafbarkeit des G gemäß §§ 222, 13 I StGB
G könnte sich wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen in drei tateinheitlichen Fällen gemäß §§ 222, 13 I StGB strafbar gemacht haben, indem er keine handnahe Untersuchung der Dachkonstruktion der Eissporthalle vornahm.
I. Objektiver Tatbestand
1.) Eintritt des tatbestandlichen Erfolges
Der Tod von drei Menschen durch den Einsturz der Eissporthalle und damit der tatbestandliche Erfolg ist eingetreten.
2.) Nichtvornahme der Erfolgsabwendung
Der tatbestandliche Erfolg muss durch die Nichtvornahme der zur Erfolgsabwendung objektiv gebotenen Handlung realisiert worden sein.[10] Fraglich ist, ob das Verhalten des G als Tun oder Unterlassen zu bewerten ist. Als Anknüpfungspunkt für eine strafrechtliche Verantwortung des G kommt sowohl positives Tun, die Einreichung des Gutachtens, als auch Unterlassen, die Nichtvornahme der handnahen Untersuchung der Dachkonstruktion in Betracht.[11] Hier ist von einem Unterlassen des G auszugehen, durch die Nichtvornahme der zur Erfolgsabwendung objektiv gebotenen Handlung, trotz physisch-realer Handlungsmöglichkeit.[12] Rechtlich gefordert ist nur, was dem Unterlassungstäter physisch-real, beziehungsweise rechtlich möglich ist.[13] Es war dem G physisch-real und auch rechtlich möglich ein vollständiges und handnahes Gutachten zu erstellen, gerade auch aufgrund seiner Kenntnisse. Die Einreichung des unvollständigen Gutachtens, worin keine Schäden aufgeführt wurden, ist eine Folge der unterbliebenen handnahen Untersuchung des Daches aus Bequemlichkeit.[14] Im Hinblick darauf, dass der an G erteilte Auftrag die Vornahme einer umfassenden Begutachtung aus nächster Nähe ausdrücklich umfasste, liegt der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit auf dessen Unterlassen und nicht auf der anschließenden Einreichung des Gutachtens.[15]
[...]
[1] Rolf Schmidt,Strafrecht AT, Rn. 769
[2] Wessels/Beulke, Strafrecht AT, Rn. 708
[3] Wessels/Beulke, Strafrecht AT, Rn. 776
[4] BGH NJW 10, 1087, 1092
[5] Rolf Schmidt, Strafrecht AT, Rn. 780
[6] Wessels/Beulke, Strafrecht AT, Rn. 780
[7] BGHst 53, 38, BGH NstZ 12, 319
[8] Wessels/Beulke, Strafrecht AT, Rn. 713
[9] Wessels/Beulke, Strafrecht AT, Rn. 730
[10] Rolf Schmidt, Strafrecht AT, Rn. 769
[11] Wessels/Beulke,Strafecht AT, Rn. 700, Rolf Schmidt, Strafrecht AT, Rn. 769
[12] Freund, Strafrecht AT, Rn. 7
[13] Rolf Schmidt, Strafrecht AT, Rn. 772
[14] Rolf Schmidt, Strafrecht AT, Rn. 771
[15] BGH 1 StR 272/09 – Urteil vom 12.Januar 2010, LG Traunstein
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- Charis-Maria Kruppa (Autor:in), 2016, Gutachterliche Prüfung von 4 Fällen, angelehnt an den Münzhändlerfall, Einsturz einer Eissporthalle, Unterlassene Hilfeleistung eines Polizisten und Fahrlässige Tötung durch einen Autounfall, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/340713
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