Das menschliche Riechvermögen


Referat / Aufsatz (Schule), 2000

5 Seiten


Leseprobe


Patrick Rossbund

Die historische Forschung hat herausgefunden, dass erst im 18. Jahrhundert in unserem Kulturkreis eine sensible und bewusste Einstellung zum menschlichen Riechvermögen entstanden ist. Erörtere auf diesem Hintergrund welche Rolle das Riechen deiner Erfahrung nach in unserer Zeit und unserer Kultur spielt.

Der Geruchssinn (Riechsinn) ist ein, durch niedrig liegende Reizschwellen ausgezeichneter, bei höheren Tieren und beim Menschen in Nasenorganen lokalisierter Feinsinn, der mit Hilfe besonderer Geruchsorgane als chemischer Sinn die Wahrnehmung von Geruchsstoffen ermöglicht. Der Mensch kann mehrere tausend Düfte unterscheiden, welche verschiedene Geruchsempfindungen hervorrufen können. Am bekanntesten sind die sechs Kategorien: würzig (z.B. Ingwer, Pfeffer), blumig (z.B. Jasmin), fruchtig (Fruchtäther, z.B. des Apfels), harzig (z.B. Räucherharz), faulig (z.B. Schwefelwasserstoff) und brenzlig (z.B. Teer)1. Im Gegensatz zu unserem westlichen Kulturkreis wurden sowohl in China als auch in Ägypten duftende Kosmetika gefunden, die 4000 bis 5000 Jahre alt sind. In Europa verbreitete sich demgegenüber z. B. die Verwendung von Parfüm erst mit der höfischen Mode Ludwig des XIV. Noch im 17. und 18. Jh. hielt man Baden und Waschen für ungesund ...2 Seit dieser Zeit hat der Mensch seinen Geruchssinn mehr und mehr sensibilisiert und eine bewusstere Einstellung zu seinem Riechvermögen angenommen.

Generell unterhält der Mensch ,,Riechbeziehungen" zu anderen Menschen, zu seiner Umwelt (z. B. Pflanzen, Tiere, den Elementen Feuer, Wasser, Luft, Holz, Metall und Erde) und zu künstlichen Materialien und den daraus hergestellten Gegenständen.

Heutzutage hat das Riechen einen sehr hohen gesellschaftlichen Stellenwert, die Auswirkungen auf die zwischenmenschlichen Beziehungen eine zentrale Bedeutung. Ob ein Mensch gut riecht oder nicht, ist ein entscheidendes Kriterium geworden für Ablehnung oder Zuneigung. Niemand kann sich einen wohlriechenden ,,Penner" vorstellen und ebenso wenig eine stinkende Queen Elisabeth. Folgende Attribute werden mit positiver Geruchswahrnehmung assoziiert: gepflegt, wohlhabend, hygienisch, frisch, leicht, vital, gesund, usw. und man erfährt dadurch gesellschaftliche Anerkennung und Sympathie. Ablehnung, Ausgrenzung und Isolation sind dementsprechend die negativen Auswirkungen auf das Empfinden von nicht wohlriechenden Gerüchen. Ein anschauliches Beispiel für die Bedeutung des Sich- (und andere) Riechen-Könnens belegen auch allgemein bekannte Redewendungen aus dem Volksmund, wie zum Beispiel ,,den kann ich nicht riechen", ,,das stinkt zum Himmel", ,,das stinkt mir" oder ,,ich habe die Nase voll" und ,,verdufte!". Nicht in unserer Gesellschaft tolerierte, tabuisierte Gerüche wie z.B. Körpergeruch, insbesondere Intim- oder Mundgeruch und starker Schweißgeruch, werden nicht nur auf mangelnde Hygiene zurückgeführt, sondern sogar als gesundheitliche Störung betrachtet. Menschen mit gestörtem Geruchssinn leiden oftmals unter der starken Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität, können jedoch im positiven Sinne auch über gewisse Gerüche einfach ,,hinwegriechen". Ein übersteigertes Geruchsempfinden kann demgegenüber Auslöser für Allergien, Migräne oder Übelkeit sein.

Ganz allgemein urteilen die Menschen heutzutage stärker denn je nach ihrem Geruchsempfinden und lassen sich andererseits dadurch auch mehr beeinflussen.

Die Konsumgüterindustrie macht sich die oben erwähnten gesellschaftlichen Zusammenhänge durch ihre Kommunikationsmaßnahmen wie Werbung, Verkaufsförderung und Public Relations für die Vermarktung ihrer Produkte zu Nutze. Viele Gerüche haben ausgesprochen angenehme, andere unangenehme sogenannte Affektkomponenten, wodurch sie grossen Einfluss auf das emotionale Verhalten ausüben können. Auch haben Düfte häufig einen hohen Gedächtniswert und können als Schlüsselreize wirken. In medienwirksamen Riech- Tests mit verbundenen Augen erkennen treue Kunden ihre bewährten Produkte ...3 Werbebotschaften wie ,,der Duft der großen weiten Welt", ,,atemfrische Mundhygiene" oder der vielstrapazierte ,,Frühlingsduft" sind hierbei nur einige Beispiele. Die Hersteller nutzen Riechstoffe zur Differenzierung ihrer Produkte gegenüber Konkurrenten und um sich gezielt auf ihre Kundensegmente einzustellen. Kommerzielle Interessen treten vor allem in den Bereichen der Kosmetik-, Nahrungs-, Genussmittel- und Textilindustrie auf, wo man Geruchsstoffe schwerpunktmäßig als Verkaufsargument einsetzt.

Die Forschung arbeitet mit Hochdruck an der Herstellung von synthetischen Geschmacks- stoffen. Nicht nur, dass jedes Produkt seinen eigenen Geruch benötigt, die so genannte Geruchsidentität, sondern auch das Kopieren von natürlichen Aromen ist Schwerpunkt der heutigen Forschungs- und Entwicklungsabteilungen grosser Firmen. Weit mehr als 100.000 verschiedene Aromastoffe sind bis heute chemisch synthetisch hergestellt worden4. Grundlagenforschung wird auch im Bereich der Auswirkungen auf das menschliche Empfinden betrieben. Ist es doch entscheidend herauszufinden, welche Gerüche wie und auf welche Weise beim Konsumenten wirken und um daraus folgend eine Kaufentscheidung zu beeinflussen. Es ist verständlich, dass hinter der Forschung nach Aromen und Gerüchen sich nicht nur viele Chancen, sondern auch Gefahren verbergen. Sind wir heute überhaupt noch in der Lage zwischen künstlichen und natürlichen Gerüchen zu unterscheiden, oder sind die künstlich erzeugten Gerüche und Aromen bereits zur Gewohnheit geworden und werden somit als natürlich empfunden?

So werden z.B. in Kaufhäusern Klimaanlagen mit Duftstoffen angereichert, Lebensmitteln Geruchsverstärker beigegeben und Hygiene- und Kosmetikartikel mit hohen Konzentrationen an Duftstoffen angeboten. Geruchsmanipulierte Produkte werden immer wichtiger, mit dem Ziel einerseits für die Industrie möglichst hohe Umsätze zu erreichen und andererseits den Konsumenten eine gesteigerte Lebensqualität zu vermitteln.

Durch die Labor- und Marktforschung werden Gerüche und Aromen entwickelt, welche wir uns heute noch gar nicht vorstellen können. Allerdings werden schon die ersten Trends gesetzt, durch Kombination von konventionellen Produkten mit Geruchsstoffen, wie z.B. mit Duftstoff versetzte Bahntickets (SBB), schlaffördernde, duftende Bettwaren, oder ,,natürlich" duftende Textilblumen. Den Kombinationen in der Zukunft sind keine Grenzen gesetzt, zudem können sie nach individuellen Wünschen erstellt werden. Die Sensibilisierung der Menschen in Bezug auf Gerüche und Geruchsempfindungen wird in Zukunft noch weiter genutzt und auf die verschiedensten Anwendungsbereiche ausgedehnt werden.

Die olfaktorische Begabung jedes Einzelnen und das ebenso individuelle Empfinden von Gerüchen macht die Sache schwierig, aber auch interessant. Genauso wenig, wie sich über Geschmack streiten lässt, lässt sich erst recht nicht über Geruch streiten. Hier greift nicht immer das altbekannte Thema von Qualität und Quantität. Was ich als betörenden Duft empfinde, kann z.B. vom anderen als migräneauslösender Gestank wahrgenommen werden. Für mein Empfinden übelriechendster Käse kann als teure Spezialität gehandelt werden, ein Hochgenuss par excellence. Dem einen genügt ein Hauch von Parfüm um sich gut zu fühlen, der andere schüttet sich davon eine Handvoll über und hat noch nicht das Gefühl, dass es ausreichend ist. Was mich nachdenklich macht, ist gerade dieser Widerspruch von individuellem Empfinden und dem einmaligen Geruch, der jedem Menschen eigen ist. Je mehr wir uns mit den verschiedensten und raffiniertesten Düften umgeben, desto mehr verschwindet eben dieser typische Eigengeruch, der uns zum Individuum macht. Wenn ich ehrlich bin, will ich aber z.B. nicht mehr auf ein Deodorant verzichten und es ist mir wichtig, dass mein Duschmittel angenehm riecht. Provokant wäre die Frage, was mich denn eigentlich von den brasilianischen Straßenkindern unterscheidet, die an Auspuffrohren oder billigem Klebstoff schnüffeln ...

LITERATURVERZEICHNIS

- Meyers Lexikonredaktion; Meyers Grosses Taschenlexikon; Mannheim, Wien und Zürich 1990, Band 2,8 und 16

[...]


1 Meyers Grosses Taschenlexikon, Band 8, S.132 ,,Geruchssinn"

2 Meyers Grosses Taschenlexikon, Band 16, S.268 ,,Parfüm"

3 Meyers Grosses Taschenlexikon, Band 8, S.132 ,,Geruchssinn"

4 Meyers Grosses Taschenlexikon, Band 2, S.151 ,,aromatische Verbindung"

Ende der Leseprobe aus 5 Seiten

Details

Titel
Das menschliche Riechvermögen
Autor
Jahr
2000
Seiten
5
Katalognummer
V99982
ISBN (eBook)
9783638984140
Dateigröße
422 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Riechvermögen
Arbeit zitieren
Patrick Rossbund (Autor:in), 2000, Das menschliche Riechvermögen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99982

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