Big Brother Stars - Stardefinitionen und praktische Anwendung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2001

47 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Leitfrage
1.2 Methodik
1.3 Forschungsausblick

2 Stars - Eine theoretische Annäherung
2.1 Medienwissenschaftliche Definitionen
2.1.1 Janet Staiger: Schauspieler, Prominente, Stars und Image
2.1.2 Werner Faulstich: Stars und Kontinuität
2.1.3 Ulrich Saxer: Mediensystematische Funktionen von Stars
2.2 Kommunikationswissenschaftliche und sozialpsychologische Definitionen
2.2.1 Gerhard Maletzke: Starkult
2.2.2 Carlo Sommer: Star, Idol und Zeitgeist
2.2.3 John Fiske: Fantum
2.3 Historische und soziologische Definitionen
2.3.1 Knut Hickethier: Stars in der Zeit vor Film und Fernsehen
2.3.2 Francesco Alberoni: Stars als gesellschaftlicher Moment und Zeitlichkeit
2.3.3 Peter Ludes: Soziale Funktionen von Stars
2.4 Interdisziplinäre Definition
2.5 Kategorien des Starphänomens - Eine Zusammenfassung

3 Das Starphänomen bei „Big Brother“ - Eine Bilanz
3.1 „Big Brother“ und Medien
3.2 „Big Brother“ und Image und Inszenierung
3.3 „Big Brother“ und Nähe und Distanz
3.4 „Big Brother“ und Rezipienten und Fans
3.5 „Big Brother“ und Zeitgeist und Zeitlichkeit
3.6 „Big Brother“ und Talent und Persönlichkeit

4 Fazit - Eine Erklärung warum es zu Ende ist

5 Forschungsausblick

Literatur

Webseiten

Anhang

Anhang 1 - Stars des frühen 20. und 21. Jahrhunderts

Anhang 2 - Charakterprofil der Big Brother-Bewohner

Anhang 3 - Empirische Untersuchung zur Bekanntheit der Big Brother-Stars

Hinführung

Bis Ende 1999 bedeutete der Begriff „Big Brother“ in der öffentlichen Diskussion nicht viel. Für Leute, die Orson Welles Buch gelesen hatten, war es eine literarische Schreckensversion der Zukunft, für die anderen vielleicht ein weiterer englischer Begriff mit dem schwierigen „th“.

Aber ab Dezember 1999 sollte sich das ändern: „Big Brother“ war von diesem Zeitpunkt an in aller Munde. Die Medien diskutierten über Medienethik und Menschenwürde, das Publikum rätselte wie viel man wohl tatsächlich zu sehen bekäme. Und Tausende von Neugierigen bewarben sich für eine Show, die Fernsehgeschichte schreiben sollte. Wer oder was aber ist „Big Brother“?

„Big Brother“ ist eine Fernsehsendung, die am 1. März 2000 auf Sendung ging und abwechselnd von RTL II und RTL präsentiert wurde. Zehn sorgfältig ausgewählte Kandidaten bezogen an diesem Abend in einer spektakulären Show einen geräumigen Container in Köln-Hürth, der für die nächsten Tage, Wochen, Monate - längstens aber 100 Tage - ihr Zuhause werden sollte.

Da es eigentlich nichts Neues ist, Menschen beim gemeinsamen Bewältigen des WG-Alltags mit der Kamera zu beobachten - die Daily Soaps versorgen uns täglich mit neu-en Ereignissen aus dieser bunten Welt - hatten sich die Produzenten etwas wesentlich - und das ist wörtlich zu nehmen - Aufregenderes ausgedacht. Die fünf weiblichen und fünf männlichen Teilnehmer des Projekts waren, unterbrochen von einer einstündigen Pause in den beiden Schlafräumen, den ganzen Tag mit Mikrofonen ausgestattet und genauso lang dem unerbittlichen Auge der Kamera ausgesetzt. Über das Internet konn-te das begeisterte Publikum jederzeit fast jedes Wort, jeden Schritt und jede Geste beo-bachten. Das Material, welches sich so im Laufe des Tages ansammelte, wurde von ei-nem vielköpfigen Regieteam für die allabendliche Zusammenfassung der Geschehnisse auf RTL II, ähnlich einer sich ständig fortsetzenden Doku-Soap, aufbereitet.

Der Alltag im Container war geprägt von weiteren Herausforderungen, die den Bewoh-nern psychische und physische Stärke abverlangten: Der Einzug bedeutete die Tür zum eigenen unbekannten Leben hinter sich zu schließen. Vor ihnen lag eine unbestimmte Anzahl an Tagen fern ab von Freunden, Familie und sonstigen persönlichen Gewohn-heiten und Gemütlichkeiten. Kräftezehrende und nervenaufreibende Wochenaufgaben, keine Massenmedien, nur begrenzt warmes Wasser und Lebensmittel und vor allem die rund-um-die-Uhr Gesellschaft von neun bis dato unbekannten Personen. Hinzu kommt, dass alle zwei Wochen jeder Bewohner zwei Mitbewohner nominieren musste, mit denen er nicht mehr Tisch, Bett und Herausforderungen teilen wollte. Jeweils in der Woche dazwischen ist es dann Aufgabe des Publikums, einen der beiden meistno-minierten öffentlich für nicht mehr unterhaltsam und interessant genug zu deklarieren und aus dem Container hinauszuwählen. Für ihn oder sie endet damit nicht nur die Teilnahme an diesem kontrovers diskutierten Fernsehereignis, sondern auch die Hoffnung auf die 250.000 DM Siegprämie, mit der die Produzenten die Gruppendynamik bei „Big Brother“ anzukurbeln versuchten.

Ein angekündigter Tabubruch, zehn nach Konfliktpotential gecastete Teilnehmer und eine perfide Marketingstrategie sollten den Zuschauern immer wieder Anlass geben, jede einzelne Folge der insgesamt sechs unterschiedlichen, regelmäßigen Sendung zu „Big Brother“ aufmerksam zu verfolgen. Und sie haben!

Bereits am Abend des Einzuges verfolgten 3,33 Millionen Menschen die 90-minütige Show; in der Hauptzielgruppe der 14 - 29 Jährigen waren es im Durchschnitt sogar bis zu 40% täglich (vgl. Feige 2001: 87, 128). RTL II konnte dank „Big Brother“ und den fleißigen Zuschauern seinen Gewinn im Jahr 2000 gegenüber dem Vorjahr nahezu verdreifachen und stellte einen neuen Zuschauerrekord auf.

Es lässt sich diskutieren ob „Big Brother“ eine Absage an die Menschenwürde, quoten-bedingte Missachtung der Medienethik, kommerzielle Instrumentalisierung des ange-borenen Voyeurismusinstinkts oder schlichtweg eine weitere langweilige Fernsehsen-dung ist.

Eines steht jedoch jetzt schon fest: A Star was born!

1 Einleitung

Diese Arbeit soll zeigen, was aus denen geworden ist, die trotz - oder gerade wegen? -der öffentlichen Diskussion zu den mehr als 20.000 Bewerbern für die erste Staffel gehörten und den Produzenten am geeignetsten schienen „den öffentlichen Menschen-versuch“ (Körfer 2000: 160) ohne große Schäden für sich selbst, aber vor allem mit einer quotentreibenden Publikumswirkung zum erhofften Erfolg für den Sender zu bringen.

„ Erh ä ngt hat sich am Ende zwar keiner, trotzdem brach der kleine Sender RTL II Zuschau errekorde, kaum dass er mit der Spanner-Show ü ber den Ä ther ging. Und das, obwohl ei gentlich gar nichts passierte in dem » verkameraten « und » verwanzten « Wohncontainer in K ö ln-H ü rth. Dummschw ä tzende, langweilende und bisweilen furzende Gestalten rannten mit Sonnenbrillen und Pyjama durchs grelle Scheinwerferlicht.

» Na toll « , mag so mancher Zuschauer nach der herben Diskussion, die Politik und Kirche wiederholt anregten, gedacht haben, » das ist ja fast wie bei mir daheim! «“

(Feige 2001: 11)

Die erste Staffel von „Big Brother“ war ein voller Erfolg - für die Macher, für den Sender, aber - und das wurde in der doch so zahlreich erschienenen Literatur bisher kaum beachtet - auch für einige der Teilnehmer.

Zlatko, Jürgen, Alex - aus Ihnen wurden Stars im Schnellverfahren. CDs wurden pro-duziert, T-Shirts und Bierflaschen bedruckt, Fernsehshows und Filmdrehbücher ge-schrieben. Das alles für Menschen wie Du und ich, die den Mut hatten, ihre Brusthaare ins Scheinwerferlicht zu halten, bewusst fast 100 Tage lang den Komiker zu spielen oder unter den Augen der Nation erste zärtliche Küsse auszutauschen. Kurz vor seinem Auszug am 09. April 2000 wurde Zlatko Trpkovskis Marktwert von Experten bereits auf fünf Millionen DM geschätzt (vgl. Streck 2000: 48ff) - kein schlechter Anfang für 39 Tage in der Öffentlichkeit. Circa 6.000 Zuschauer jubelten dem neu ge-borenen „König von Deutschland“ (ebd.) vor Ort zu, bevor er von Bodyguards beschützt in eine Limousine stieg, um sich den Fragen des Moderators Percy Hoven und einem Publikum von 4,7 Millionen Zuschauern zu stellen. Der Fernsehsender RTL II hatte damit alle eigenen Quotenrekorde gebrochen.

Betrachtet man diese Ereignisse näher, zeigt sich folgendes Szenario:

„Big Brother“ zeigte durchschnittliche Menschen, die nichts anderes machten, als das, was alle zuhause machen. Einziger Unterschied: ihre Handlungen wurden von Kameras und Mikrofonen rund um die Uhr dokumentiert und jedem, der es sehen möchte zu-gänglich gemacht. Dieser medial vermittelte Alltag hatte schon nach kürzester Zeit ei-nen großen Kreis begeisterter Zuschauer, die die dokumentierten Personen wie Stars umjubeln.

Die Medien und die Fans haben hier etwas geschaffen, das es in dieser Form bisher noch nicht gab: Ein Star, der nicht wegen seines Talents, seiner Fähigkeiten gefeiert wird, sondern ausschließlich für seine Persönlichkeit - und die Tatsache, dass er so ist wie Du und ich.

1.1 Leitfrage

Im Gegensatz zu vielen anderen Aspekten von „Big Brother“ ist das Starphänomen um die Teilnehmer noch relativ wenig betrachtet worden. Die zentrale Fragestellung dieser Arbeit wird also sein, wie die Big Brother-Stars entstanden sind, um welche Art von Stars es sich also folglich handelt, und ob es sich überhaupt um Stars im wissenschaftli-chen Sinne handelt.

1.2 Methodik

Dazu müssen in einem ersten Schritt aktuelle wissenschaftliche Definitionen von Startum untersucht werden, um aus ihnen relevante Kategorien zur Beschreibung des Starphänomens abzuleiten. Diese Kategorien gilt es dann in einen aktuellen Kontext zu setzen und so soziale, ökonomische und psychologische Entwicklungen und Voraussetzungen in diesen Bereichen aufzuzeigen. Anschließend gilt es das Phänomen der Big Brother-Stars unter Berücksichtung der definierten Kategorien greifbar zu machen, und so eine Erklärung auf die Fragen „Zlatko der Superstar - Wie konnte das passieren?“ (Stern 16/2000) und „Warum ist es schon vorbei?“ zu finden.

Als Ausgangspunkt soll dabei hauptsächlich die erste Staffel dienen, da bei ihr weder die Kandidaten noch die Teilnehmer wissen konnten, welches Potential in dem Format steckt.

1.3 Forschungsausblick

Mit Rücksicht auf den Umfang dieser Arbeit ist leider keine empirische Überprüfung der aufgestellten Thesen zu den Eigenarten der Big Brother-Stars möglich. Dennoch soll die vorerst rein theoretische Beschäftigung mit „Big Brother“ dazu dienen, ab-schließend weitere Forschungsansätze zu „Big Brother“ und zur Startheorie im Allge-meinen zu definieren.

2 Stars - Eine theoretische Annäherung

Das Starphänomen - seine Voraussetzungen, seine Eigenschaften und seine Folgen -greifbar zu machen, bedeutet an erster Stelle zu bestimmen, was überhaupt ein Star ist. Da keine kommunikationswissenschaftliche Definition existiert, muss auf verschiedene Blickwinkel zurückgegriffen werden. Aus diesen unterschiedlichen, zum Teil deutlich veralteten Ansätzen lassen sich, noch relativ ungeordnet, einzelne Kategorien des Starphänomens ableiten, die das Umfeld, in dem die Big Brother-Stars erschaffen wurden, greifbar machen. Ziel ist es, die verschiedenen Ergebnisse zu systematisieren und in einen aktuellen, kommunikationswissenschaftlichen Kontext zu stellen. Dass dies dringend nötig ist, darauf wies Ulrich Saxer bereits 1997 hin:

„ Eine kursorische Durchsicht des publizistikwissenschaftlichen Schrifttums hinsichtlich des Starph ä nomens f ü hrt rasch zur ern ü chternden Einsicht, dass dieses im Rahmen dieser Dis-ziplin in keiner Weise systematisch gew ü rdigt und gar theoretisch erhellt worden ist. “ (Saxer 1997: 204)

Erneute Literaturrecherchen haben ergeben, dass sich daran bis heute nicht viel geän-dert hat.

2.1 Medienwissenschaftliche Definitionen

2.1.1 Janet Staiger: Schauspieler, Prominente, Stars und Image

„ Stars bilden den Schnittpunkt zwischen Schauspielern und Prominenten. [ … ] Nicht alle Schauspieler sind Stars, aber alle Filmstars m ü ssen Schauspieler sein. [ … ] Nicht alle Pro minente sind Stars, aber alle Stars geh ö ren zur Kategorie der Prominenten. “

(Staiger 1997: 48f)

Dieses Modell zeigt gleich vorab eine der größten Schwachstellen in der Startheorie. Bisher ist nicht umfassend geklärt, aus welchen Bereichen der Unterhaltung Stars rek-rutiert werden und ob der Begriff Stars überhaupt auf Unterhaltung beschränkt sein muss. Nach Meinung der Autorin ist eine Abgrenzung von spezifisch für Stars prädesti-nierten Bereichen - wie sie sich z.B. auch bei Maletzke wiederfindet (vgl. Kap. 2.2.1) -heute nicht mehr aufrecht zu erhalten. Mittlerweile gehören auch Sportler, Models, Künstler, aber auch Politiker oder Schriftsteller zur Gruppe der Stars. Für sie gelten die gleichen gesellschaftlichen Funktionen, individuellen Effekte und zeitlichen Vorausset-zungen, wie sie im Laufe dieser Arbeit bei der Beschäftigung mit dem Starphänomen an sich noch eingehender diskutiert werden.

So hat Hans Mathias Kepplinger herausgefunden, dass Fernsehperformanz und Kompetenzvermutung bei Starpolitikern direkt zusammenhängen:

„ Fernsehperformanz ist eine Voraussetzung f ü r Starruhm, Starruhm eine Ursache von Kompetenzvermutungen. Dies gilt generell, trifft jedoch auf Politiker ohne herausragendes Amt noch st ä rker zu. “ (Kepplinger 1997: 188)

Auch Politiker müssen sich also ihrer Stellung in den Medien bewusst sein. Es sind nicht ihre Reden im Bundestag, auch keine intellektuellen Beiträge in Tageszeitungen anhand derer das Publikum über Kompetenz oder Gerede entscheidet, sondern es ist das Fernsehen - und sicher in näherer Zukunft auch das Internet.1 Die Medien sind zentraler Bestandteil der Imagebildung von Stars:

„ Das „ Starimage “ ist eine ö ffentliche Repr ä sentation , die f ü r das Publikum bedeutsam ist und sich in verschiedenen Texten finden l ä sst: in Promotion, Werbung, Filmen, Kritik und Kommentaren . Daher muss man das Image als etwas betrachten, das sich m ö glicherweise st ä ndig ver ä ndert und wahrscheinlich in sich widerspr ü chlich ist. Zus ä tzlich erkl ä rt die Mehrdeutigkeit, die Polysemie, des Images, warum Stars so unterschiedliche Bedeutungen f ü r verschiedene Zuschauer haben und sehr disparate Bed ü rfnisse und W ü nsche erf ü llen. “

(Staiger 1997: 49)

(Hervorhebungen durch die Autorin)

Image, das öffentliche Bild von Stars, wird also sowohl durch die Aktivitäten der Stars selbst entworfen als auch durch die Berichterstattung, die sich daran anschließt. Es nimmt im Verhältnis zwischen Star und Fan eine konstituierende Rolle ein: die Fans nehmen ihre Stars meist medial vermittelt wahr, sie identifizieren sich mit dem dort konstruierten Image und benutzen es als Orientierung, Vor- und Leitbild. Daraus erge-ben sich spezifische psychologische Modelle der Identitätskonstruktion, die später Er-wähnung finden werden.

Werner Faulstich hat definiert, welchen Einfluss das Image und dessen Kontinuität auf den Erfolg eines Stars haben.

2.1.2 Werner Faulstich: Stars und Kontinuität

Werner Faulstich nennt vier Dimensionen des Starphänomens (vgl. Faulstich u.a. 1997: 11f):

(1) Erfolg

(2) Image

(3) Kontinuität

(4) Multimedialität

Erfolg beschreibt eine immer wiederkehrende Präsenz von Fernsehpersönlichkeiten. Nur wer das richtige Image und genügend Talent, Witz, Charme und die nötigen Kon-takte besitzt, kann sich über lange Zeit immer wieder auf dem Bildschirm zeigen und so erfolgreich werden. Ohne das richtige Image hätte selbst die ausgefeilteste Marketing-strategie keine Zielgruppe, die teuerste Produktion keine Käufer für die Merchandi-seprodukte und die Medien niemanden für den sie berichten könnten. Vor allem der letzte Aspekt ist seit den Anfangszeiten mit der Stargeschichte verbunden. Seitdem Namen von Schauspielern und Künstlern öffentlich wurden, gibt es eine Zweiteilung in der Berichterstattung. Einerseits ist die Rolle, die Aufgabe, der Beruf, das Talent - also die öffentlichen Erscheinung - des Stars Grund für die Bildung von Fangruppen, ande-rerseits ist gerade die private Person dahinter ein interessantes Äquivalent zum medial vermittelten Image.

Die Gestaltung dieses Spannungsverhältnis definieren Faulstich u.a. als diachrone und synchrone Kontinuität des Starimages: Die diachrone Kontinuität bezeichnet eine Ähnlichkeit des Images und des Erfolges über einzelne Rollen, öffentliche Erscheinungen oder ganze Zeitabschnitte hinweg. Die synchrone Kontinuität dagegen bezieht sich auf das Spannungsverhältnis zwischen Starfigur und realer Person dahinter, welches meist durch die Aura des Geheimnisvollen, Unbekannten begründet ist (vgl. Faulstich u.a. 1997: 12). Es gilt also ein stimmiges Bild zu erzeugen oder geschickt mit Widersprüchlichkeiten zu spielen, um so Interesse zu erzeugen.

Die diachrone Kontinuität lässt sich auch auf das Medium, das den Star vermittelt, ausweiten. Seit Beginn der Stargeschichte stehen Stars mit ihrem Image für das Medi-um ebenso wie das Image eines Mediums einen Star auf seinem Weg begleitet. Dies hat eine besondere Bedeutung bei Fernsehstars: Die „hauseigenen“ Stars sind Identifikati-onspunkte und Aushängeschilder der Fernsehsender, sie stehen mit ihrem Namen für das Produkt an sich, für Themen, Qualität und für ihre Kollegen. Deren Erfolg und Image, die sich wiederum in ihrer Kontinuität manifestieren, bilden das Umfeld in de-nen sie wahrgenommen und sich jedes Mal aufs Neue positionieren können.

Damit diese Spirale jedoch überhaupt in Gang gesetzt werden kann, bedarf es einiger einfacher Voraussetzungen: Talent oder die Nervenstärke zu seiner Talentlosigkeit zu stehen, die richtigen Kontakte zur richtigen Zeit und Ausdauer - beim Warten auf den richtigen Moment ebenso wie bei der endlosen Vermarktung auf allen Medien. Die Multimedialität - die vierte Dimension in Faulstichs Modell - gewinnt in den letzten Jahren immer größere Bedeutung. Sänger liefern zu ihren Liedern gleich das passende Video und den Handyklingelton, die neuen Kollektionen von Designern können im In-ternet virtuell anprobiert werden und über Harry Potter gibt es nicht nur vier Bücher sondern auch die passende Bettwäsche, ein Computerspiel, Gesellschaftsspiele und einen Kinofilm. Daran schließt sich das Modell von Ulrich Saxer an, der das Konzept des medial kreierten Images durch die Funktion von Stars innerhalb des Mediensys-tems ergänzt.

2.1.3 Ulrich Saxer: Mediensystematische Funktionen von Stars

„ Stars sind Personen von exzeptionell hoher Medienpr ä senz und Publikumsakzeptanz dank spezifischen Merkmalen. Startum ist zugleich ein attribuierter Status , der in wech-selnden Konstellationen von Medienorganisationen, entsprechenden Spezialisten von Ö f- fentlichkeitsarbeit und Medienrezipienten mehr oder weniger lang verliehen wird. Funkti- onal ist das Startum als Mechanismus und Struktur hinsichtlich aller vier elementaren Systemprobleme von Medienorganisationen relevant, also bez ü glich deren Integration , Zielsetzung und -verwirklichung , Identit ä tserhaltung und Umweltanpassung . “

(Saxer 1997: 207)

(Hervorhebungen durch die Autorin)

Saxer stellt in seiner Definition die enge Verbundenheit von Stars und Rundfunkme-dien - unter anderem repräsentiert in einem beidseitig dienenden Imagetransfer - in den Vordergrund. Wie auch schon in den vorherigen Kapiteln formuliert, kann es ohne die Existenz des Rundfunks und seiner Zuschauer nicht die Stars geben, die wir heute kennen. Startum ist ein Attribut einer Person, das durch die Kommunikation seitens des Mediums und das Verständnis des Publikums verliehen wird und sich auf bestimm-te Merkmale der Starperson bezieht. Es ist demnach ein zeitlich begrenztes Phänomen

- das Interesse am Star wird sich verändern, wenn er diese Merkmale verliert, sie im gesellschaftlichen Kontext unrelevant werden oder eine andere Person sie besser ver-mitteln kann. Andererseits lässt sich aber beobachten, dass die Stars selbst einen gro-ßen Einfluss auf die Medienlandschaft haben. Sie stehen mit ihrem Namen für ihren Sender und beeinflussen so direkt dessen Image in der Öffentlichkeit. Stars können zusätzlich durch ihr Auftreten im Programm zur Integration verschiedener Zuschauer-gruppen beitragen, oder mit ihrem Auftritt das Image des Senders modifizieren. Daraus ergeben sich mehrere Strategien, wie Stars für ihren Sender wirken können: stellt das Image, das öffentlich mit dem Star assoziiert wird, einen Gegensatz zum bisherigen Programm dar, kann dies dazu beitragen, neue Zuschauergruppen anzusprechen oder bestimmte Zuschauergruppen - im Sinne der Werbekunden - noch stärker an sich zu binden. Auch der umgekehrte Prozess ist möglich: der Sender strahlt ein neues Format aus und kreiert damit einen Star, der dann wiederum mit dem Sender identifiziert wird und so zu dessen Wettbewerbssituation beitragen kann. Denn: Stars haben Fans, Fans bedeuten Zuschauer, Zuschauer bedeuten Quoten und Quoten garantieren Werbeein-nahmen.

Der Imagetransfer zwischen Star und Medium zeigt sich letztendlich in ökonomischen Größen. Verkaufte Merchandiseprodukte auf der einen Seite, Zuschauerquoten und Werbekunden auf der anderen Seite. Grund für die Aktivitäten der Fans sind die engen Beziehungen, die sie zu ihren Stars aufbauen. Dieses Verhältnis drückt sich materiell im Sinne von Kapitalakkumulation, psychologisch im Sinne von Identifikation und Ori-entierung, sozial im Sinne von Gruppenbildung und kreativ im Sinne von Produktivität aus. Die angesprochenen Punkte sollen anhand der folgenden Modelle erörtert werden.

2.2 Kommunikationswissenschaftliche und sozialpsychologische Definitionen

Sozialpsychologische Definitionen zum Starphänomen beschäftigen sich mit den Prozessen, die zwischen den Stars und ihren Fans, respektive der die Stars erschaffenden Gesellschaft, stattfinden. Das kommunikationswissenschaftlich orientierte Modell von Maletzke integriert diese Prozesse in eine massenkommunikative Situation, weswegen diese beiden Blickwinkel hier zusammengefasst sind.

2.2.1 Gerhard Maletzke: Starkult

„ Werden bestimmte Kommunikatoren, vor allem Schauspieler und Schlagers ä nger von einer gro ß en Zahl von „ Fans “ total und unkritisch als Vorbild und Leitbild ü bernommen und treten au ß erdem intensive Gef ü hlsbindungen sowie eine hochgradige Identifikation hinzu, so entsteht der Starkult; der Kommunikator wird zum Idol. Besondere Beachtung ver-dient dabei die von der Unterhaltungsindustrie bewusst und systematisch ausgenutzte Tat-sache, dass Idole sich kreieren und manipulieren lassen . “ (Maletzke 1963: 120)

(Hervorhebungen durch die Autorin)

Gerhard Maletzke definiert mit diesem Modell nicht den Star an sich, sondern das Phänomen, das zu der Schaffung eines Stars führt: den Starkult. Als konstituierende Kategorien benennt er dabei den Kommunikator und die Fans, wobei der Kommunika-tor meist aus dem Bereich der Unterhaltung stammt. Die, sehr emotional geprägten, psychologischen Prozesse zwischen diesen beiden Eckpunkten definiert er einseitig als Identifikation und Orientierung im Sinne eines Vor- und Leitbildes.2 Durch diese psy-chische Aktivität seitens der Fans transformiert der Kommunikator zum Idol. Ohne allerdings näher auf die Wesensart des Idols einzugehen, weist Maletzke lediglich noch darauf hin, dass die Möglichkeit einer künstlichen Konstruktion oder einer, von Dritt-interessen gelenkten, Manipulation dieser Idole besteht. Da er allerdings offen lässt auf welchem Weg diese Beeinflussung passiert, ist es nötig, einen Blick auf Maletzkes Feld-schema der Massenkommunikation zu werfen, aus dem es entstanden ist (vgl. Maletzke 1963: 37ff). Daraus wird deutlich, dass weitere Bestandteile des Verhältnisses von Kom-munikator / Idol und Fans, nämlich das Medium und die Aussage, zwei geeignete An-satzpunkte für Manipulation sind. Mit diesem Modell wird auch das Konzept des Kommunikators deutlicher, der in der oben genannten Starkult-Definition relativ inak-tiv, lediglich über seinen Beruf als Schauspieler oder Schlagersänger definiert, er-scheint. In seinem Feldschema definiert Maletzke allerdings, „die Entscheidung dar-über, welche Aussagen produziert und angeboten werden und wie sie gestaltet sind, liegt beim Kommunikator“ (ebd.: 40). Daraus lässt sich entnehmen, dass die Aktivitäten der Fans sich also nicht nur auf den Kommunikator an sich beziehen, sondern auch auf dessen Aussagen, die sie meist vermittelt durch ein Medium wahrnehmen. Damit lässt das Modell dennoch einige wichtige Fragen offen: So fehlt zum Beispiel eine Einschätzung der Folgen, die die Transformation zum Idol mit sich bringt. Auch die Möglichkeiten der Manipulation und deren Effekte, sowie die Funktion des Mediums werden nicht erwähnt. Schwachstellen zeigen sich deutlich bei der Eingrenzung der Kommunikatoren. Diese Auswahl lässt sich in der heutigen Medienlandschaft nicht mehr aufrecht erhalten und bedarf dringend einer Aktualisierung.

Damit wird ein ganz wesentlicher Aspekt der Starforschung deutlich: der Star, das Idol - wie auch immer das Produkt der Fanaktivitäten bezeichnet wird - unterscheidet sich von der reinen Kommunikatorfunktion. Das Idol nimmt im Verhältnis zum Star eine andere, vom medialen Umfeld losgelöste Position ein. Wie diese Position bestimmt sein könnte, darauf gibt Carlo Sommer eine Antwort.

2.2.2 Carlo Sommer: Star, Idol und Zeitgeist

„ Der Star ist ein soziales Konstrukt , das von der spezifischen Perspektive der jeweiligen Konstrukteure [ … ] oder vom je relevanten soziokulturellen Kontext abh ä ngt. Dieses Kon- strukt [l ä sst] sich sozialpsychologisch als soziale Vorstellung, als Image fassen [ … ]. “ (Som-mer 1997: 114)

„ Image-Zentrum [des Stars ] ist seine „ Darstellungskunst “ . Seine Verehrung st ü tzt sich auf das Geheimnis seines Talents , seiner Virtuosit ä t, gegebenenfalls auf die f ü r das Publikum attraktive spezifische Auspr ä gung seiner „ Pers ö nlichkeit “ . Im Unterschied zu diesem Schauspieler-Star geht beim Idol die biographische Person direkt und weitgehend im Rollen-Image auf. F ü r das Publikum spielt das Idol nicht eine Rolle, es ist diese Rolle und kann gar nicht anders. “ (ebd.: 115)

„ Stars, Idole verk ö rpern die zentralen Werte einer Gruppe , ihrer Anh ä nger. [ … ] Der Star erscheint als Gruppenmitglied, das alle anderen repr ä sentiert und zugleich als einzigartig herausgehoben wird. “ (Sommer 1997: 117, 118)

(Hervorhebungen durch die Autorin)

Carlo Michael Sommer beschäftigt sich in seinem Aufsatz mit der Identitätskonstruktion in Bezug auf einen Star, bzw. auf ein ‚starhaftes’ Image. Dabei gibt es für ihn zwei Arten von Image. Einmal das eines echten Stars, welches von Talent oder Persönlichkeit geprägt ist und im Spannungsverhältnis zur realen Person dahinter steht. Auf der anderen Seite gibt es das des Idols, bei dem das Verständnis der Biographie mit dem Rollenimage übereinstimmt. Hier kommt es also zu einer gewollten Vermischung von Rolle und realer Person, die dazu führt, dass ein Mythos, eine Legende, eine repräsentative Größe auch außerhalb der medialen Erscheinung, entsteht.

Die Beschäftigung mit dem Image der idealisierten Person führt zu einer Auseinander-setzung des Fans mit sich selbst, mit seinen Wertvorstellungen und seinen Handlun-gen. Er geht also sogar noch einen Schritt weiter als Maletzke und stellt die These auf, dass das ultimative Ziel eines Fans ist, selbst wie sein Star zu werden. Dieses Bestreben findet in der heutigen Zeit, wissenschaftlich auch die „reflexive Moderne“3 genannt, eine vereinfachte Befriedigung. Die Struktur der Medienlandschaft, die sich durch die Konkurrenz zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern auszeichnet, hat in den letzen Jahren zu der Entwicklung von „performativem Realitätsfernsehen“ geführt, das reale Menschen, also keine von Schauspielern verkörperten Figuren, zeigt, die sich in einer für das Fernsehen inszenierten Umgebung zurechtfinden müssen. Talkshows, Gewinn- und Quizshows sind Beispiele dafür. Hier können bis dato Unbekannte für eine bestimmte Zeit zum Interessensmittelpunkt einer Gruppe werden. Dadurch findet eine Annäherung an die Position statt, die Carlo Sommer für einen Star definiert hat: durch ihre - wenn auch nur kurzzeitige - hervorgehobene Position, können sie selbst als Orientierung, Identifikations- und Projektionsfläche für andere dienen und so zu deren Identitätskonstruktion beitragen. Diese Entwicklung zieht eine weitere für das Starphänomen konstituierende Erkenntnis nach sich:

“ Wenn sich Gruppenwerte wandeln, m ü ssen sich auch die Idole wandeln. Jede Epoche hat die ihr entsprechenden Idole. “ (Sommer 1997: 121)

Damit ist eine zeitliche, oder vielmehr gesellschaftliche Komponente in die Überlegungen zum Starphänomen eingeführt.

Als problematisch an diesem Modell erweist sich, dass die Trennung von Star und Idol nicht durchgängig aufrecht erhalten werden kann. Der Grund dafür liegt in der Tren-nung selbst: Sommer definiert Stars und Idole als die Repräsentation der „zentralen Werte“ (Sommer 1997: 117) einer Gruppe. Sie stehen mit ihrem Handeln, ihrem Talent, ihrer Persönlichkeit, ihrer Rolle also für bestimmte Werte, die in den Augen ihrer Fans verehrungswürdig sind. Nach Meinung der Autorin ist das Spannungsverhältnis zwi-schen Rolle und Person jedoch sowohl in einer Starfigur als auch in einem Idol vorhan-den. Sommer nennt als Beispiel James Dean, der vollkommen in seiner Rolle als junger Rebell und tragischer Held aufgeht, und daher seiner Definition nach zum Idol für eine ganze Generation wird. Gleichzeitig ist er aber auch ein Schauspieler, der für sein Ta-lent - die Schauspielerei- und seine Persönlichkeit - der junge Rebell - verehrt wird. Die Idolisierung, das vollständige Verschmelzen von Rolle und Person muss daher nicht eine Alternative zum Star, sondern dessen Weiterentwicklung sein, die ultimativ zur Bildung eines Mythos, einer Legende, eines Wertes an sich, führt.

Die folgenden Ausführungen zum Fantum verdeutlichen, welche aktiven Prozesse auf Seiten der Fans bei der Starkonstruktion ablaufen.4

2.2.3 John Fiske: Fantum

„ Fantum ist ein Ph ä nomen, das sich in allen Popul ä rkulturen industrialisierter Gesell- schaften findet. Es greift aus dem Repertoire eines massenhaft produzierten und verbreite-ten Unterhaltungsangebots bestimmte K ü nstler, Darstellungsformen oder Genres heraus und ü berf ü hrt diese in die Kultur einer eigens zu diesem Zweck konstituierten Kleingruppe “

(Fiske 1997: 54)

(Hervorhebungen durch die Autorin)

Die Gesellschaft und in ihr vor allem die Fans - oder ökonomisch übersetzt: Käufer, Quoten, Konzertbesucher - sind das Ziel aller kommunikativen Anstrengungen der Kommunikatoren. Ohne die Fans würde niemand die Poster, Tassen, T-Shirts, CDs, Videofilme, Computerspiele, Bettwäsche und noch vieles mehr, kaufen, die die Marke-tingstrategen der Stars produzieren lassen, um ihren Arbeitgeber ständig in den Köpfen der Zielgruppe präsent zu halten. Die Fans sind es auch, die die Berichterstattung in den Medien aufmerksam verfolgen und durch ihr Interesse weitere Recherchen ansto-ßen. John Fiske hat drei Kategorien des Fantums identifiziert (vgl. Fiske 1997: 58ff):

(1) Abgrenzung und Unterscheidung

(2) Produktivität und Partizipation

(3) Kapitalakkumulation

Die Kategorisierung zeigt deutlich, dass Fantum nicht, wie bei Maletzke definiert, allein emotional im Sinne von Bewunderung, sondern im Gegenteil ein äußerst aktiver Pro-zess ist. Fans schaffen nicht nur den Star im allgemeinen, jeder Fan schafft sich auch seinen eigenen Star. Über Abgrenzung und Unterscheidung wird dabei sehr spezifisch definiert, wer zu der Gruppe der Fans zählt und wer nicht. Beide Seiten - die innerhalb und die außerhalb der Gruppe - achten dabei darauf, dass diese Grenze deutlich er-kennbar bleibt. Die Fans einerseits sind stolz auf ihren Expertenstatus und akzeptieren gewissermaßen nur ihresgleichen in den eigenen Reihen, die Nicht-Fans belächeln ein wenig die häufig auch stark emotional geprägte Beziehung der anderen zu den Stars und legen Wert darauf, nicht so zu sein. Weitere Ansätze zur Konstitution von Fanwel-ten finden sich bei Rainer Winter (1997).

„ Die Entwicklung jugendlicher Fanwelten zeigt, dass Medien eine bedeutende Rolle als Kris-tallisationspunkte kultureller Differenzierungen spielen. Die Zugeh ö rigkeit zu einer Fanwelt ist Teil der jugendlichen Lebensbew ä ltigung in der Postmoderne, denn in der Gemeinschaft der Fans k ö nnen Jugendliche emotionale Allianzen eingehen, au ß erallt ä glichen Besch ä fti- gungen nachgehen, expressive Identit ä tsmuster gemeinschaftlich realisieren und sich mit ihrer Lebenssituation als Heranwachsende auseinandersetzen. Sie k ö nnen sich f ü r ihren Alltag st ä rken, indem sie Strategien erlernen, die ihnen eine gewisse Kontrolle ü ber ihr Le- ben, ihre Gef ü hle und ihre pers ö nliche Identit ä t verleihen. “ (Winter 1997: 51f)

Rainer Winter spricht hier vor allem die zweite Kategorie „Produktivität und Partizipa-tion“ an. Fans setzen sich aktiv und intensiv mit ihren Stars auseinander, sie suchen Identifikationspunkte und Vorbilder und gleichen ihre eigenen Leitbilder mit dem von ihnen wahrgenommenen Lebenswandel der Starpersönlichkeiten ab. Diese geistige und emotionale Partizipation am Leben der Berühmtheit führt in vielen Fällen auch zu kre-ativer Produktivität. Fanclubs werden gegründet, Webseiten gebastelt, Fanmagazine herausgegeben und Themenpartys veranstaltet.5 Daran schließt sich die dritte Katego-rie an: Kapitalakkumulation. Fans sammeln alles, was mit ihrem Star zu tun hat: Wis-sen, Erlebnisse und materielle Dinge. Je nach Star und Fangruppe handelt es sich bei diesen materiellen Dinge um hochwertige, einzigartige Produkte oder auch Massenwa-re, die lediglich dazu dient, „einen Teil seines Lieblings zu Hause zu haben“.6

Bis jetzt sind die Stars als Teil des Mediensystems, die Funktion ihres Images und die Aktivitäten der einzelnen Fans näher betrachtet worden. Anschließend soll dem noch eine gesamtgesellschaftliche Perspektive hinzugefügt werden.

2.3 Historische und soziologische Definitionen

Die soziologischen Definitionen des Startums legen ihr Hauptaugenmerk auf die Rolle der Gesellschaft bei der Erschaffung von Stars und darauf, welche Effekte diese wiederum in ihr erzielen. Die historische Definition nach Hickethier zeigt auf, dass diese Effekte nicht erst seit der Existenz der elektronischen Medien bestehen.

2.3.1 Knut Hickethier: Stars in der Zeit vor Film und Fernsehen

„ Als ‚ Star ’ ist [ … ] eine Person zu verstehen, die durch ihre k ö rperliche Pr ä senz , ihr Auftre-ten , ihre Gestik und Mimik nicht nur eine Rolle glaubhaft verk ö rpern kann, sondern dar- ü ber hinaus auch noch ein Publikum zu faszinieren und auf seine Person zu fixieren wei ß . Der Star ist einerseits an ein Medium , an eine Institution der Ö ffentlichkeit gebunden, fo-kussiert diese mediale Ö ffentlichkeit durch seine Person und stellt damit eine integrative Kraft dar, indem sich das Publikum durch ihn an diese Ö ffentlichkeit binden l ä sst. “ (Hi-ckethier 1997: 31)

(Hervorhebungen durch die Autorin)

Hickethier postuliert in seinen Ausführungen, dass das Konzept „Star“ nicht als ein Produkt der Filmindustrie verstanden wird, sondern dass die für einen Star relevanten Voraussetzungen bereits bei den Theaterstars des neunzehnten Jahrhunderts gegeben sind:

[...]


1 Glaubt man dem Internet, scheint die Bundesregierung die Möglichkeit einer Bundeskanzlerin derzeit noch nicht in Betracht zu ziehen. Die Domain http://www.bundeskanzlerin.de gehört dem 26-Jährigen Studenten Lars Heitmann. „Frauen wird in diesem Land nicht zugetraut, dass sie einmal Macht ausüben können“ (FAZ, 23.10.2001: 13) - dieses Image erzeugt in seinen Augen die Tatsache, dass die Adresse zum Zeitpunkt seines Antrags ohne Probleme für ein Nicht-Regierungsmitglied zu reservieren war.

2 Weitere psychologische Überlegungen dazu finden sich bei Ruth Rustemeyer (1997) S. 100ff.

3 Der Soziologe Ulrich Beck prägte diesen Begriff ursprünglich als „reflexive Modernisierung“, bezeichnete damit also eher den Prozess als einen bestimmten Zeitgeist (vgl. Beck 1986). Lothar Mikos u.a. führen den Begriff als „reflexive Moderne“ in die Big Brother-Diskussion ein (vgl. Mikos u.a. 2000: 46ff).

4 Bei Peter Vorderer (Hrsg.) (1996) finden sich weitere Betrachtungen zu medialen Identitäten, parasozialen Beziehungen und Bildschirmwelten.

5 Im Internet - dem ultimativen Medium für weltweite Fankultur - finden sich unzählige Dokumentationen dieser Produktivität. Ein besonders professionelles Beispiel ist z.B. http://www.heathbaby.com, das dem Schauspieler Heath Ledger gewidmet ist. Das Portal Fanclubs.de (http://www.fanclubs.de/) bietet eine Übersicht über verschie- denste Fanclubs, die im Internet vertreten sind.

6 Auch Sammler von exklusiven, hochpreisigen Bildern (z.B. Rembrandt) oder alter Dramen (z.B. Shakespeare) können durchaus als „Fans“ verstanden werden. Auch, wenn die gängige Definition der Gesellschaft dies gerne übersieht.

Ende der Leseprobe aus 47 Seiten

Details

Titel
Big Brother Stars - Stardefinitionen und praktische Anwendung
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Kommunikationswissenschaft)
Veranstaltung
Big Brother - Format ohne Format?
Note
2,0
Autor
Jahr
2001
Seiten
47
Katalognummer
V9998
ISBN (eBook)
9783638165648
Dateigröße
817 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Big Brother, Stars
Arbeit zitieren
Martina Korff (Autor:in), 2001, Big Brother Stars - Stardefinitionen und praktische Anwendung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/9998

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