Die Treuhandanstalt


Forschungsarbeit, 2001

23 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einführung

2 Die Gründung der Treuhand zur Wahrung des Volkseigentums
2.1 Ende eines Wirtschaftssystems
2.2 Die Entstehung der Treuhandanstalt
2.2.1 Die Entwicklung der Ur-Treuhandanstalt
2.2.2 Das Treuhandgesetz
2.2.3 Der Neubeginn der Treuhandanstalt

3 Die Aufgaben der Treuhand

4 Das Ende der Treuhand und ihre Nachfolger

5 Fazit

Literaturverzeichnis

1 Einführung

Mit der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten am 3. Oktober 1990 war der Weg zur politischen und wirtschaftlichen Transformation in der ehemaligen DDR offen. Das totalitäre System der DDR wurde mit Inkrafttreten des Einigungsvertrages durch die demokratische Ordnung der Bundesrepublik ersetzt.1 Die ökonomische Transformation ist allerdings, zehn Jahre nach der Vereinigung, auch heute noch im Gange und wird voraussichtlich noch Jahre dauern.

Die ökonomische Einheit Deutschlands zu verwirklichen ist deshalb so schwierig und langwierig, weil nicht nur graduelle Entwicklungsdifferenzen zwischen den alten und neuen Bundesländern auszugleichen sind, sondern weil die Überbrückung von Systemunterschieden und deren in vier Jahrzehnten entstandenen Auswirkungen zu bewerkstelligen ist. Die bestehende Ökonomie Ostdeutschlands musste dementsprechend nicht nur einen zeitlichen Abstand aufholen, sondern grundsätzliche Veränderungen vornehmen. Die bestehenden Produktionskapazitäten mussten saniert und modernisiert oder, wenn dies nicht möglich war, stillgelegt werden.2 Neue, im internationalen Maßstab wettbewerbsfähige Industrieanlagen und eine moderne Infrastruktur mussten entstehen.3 Dies konnte allerdings nur geschehen, wenn sich Unternehmer aus Westdeutschland und dem Ausland zu Investitionen in den neuen Bundesländern entschlossen. Außerdem mussten die Menschen in Ostdeutschland genügend Eigeninitiative und Motivation aufbringen um unternehmerisches Handeln zu zeigen.4

Grundlegende Voraussetzung für all diese Schritte war eine Umwälzung der von der DDR hinterlassenen Eigentumsordnung durch Privatisierung. An dieser zentralen Aufgabe arbeitete die noch in der DDR gegründete Treuhandanstalt, denn ihr oblag die Überführung des als ,,Volkseigentum" bezeichneten Staatseigentums der DDR in privates Eigentum.5

Ziel dieser Arbeit ist es den historischen Hintergrund zur Entstehung der Treuhandanstalt, im Rahmen wirtschaftlicher Gesichtspunkte, noch einmal kurz zu rekapitulieren, bevor auf die Ur-Treuhand eingegangen werden soll. Als nächstes soll kurz das Treuhandgesetz vorgestellt werden um dann die Folge daraus, die Gründung der neuen Treuhandanstalt genauer zu betrachten. Diese soll auch im Hinblick auf ihre Aufgaben untersucht werden, bevor noch ein letzter Blick auf den Abschluß der Treuhand und ihre Nachfolger, sowie die Folgen der Privatisierung geworfen werden soll.

2 Die Gründung der Treuhand zur Wahrung des Volkseigentums

Die Entstehung der Treuhandanstalt nach der politischen Wende in der ehemaligen DDR im November 1989 geschah vor dem Hintergrund einer ostdeutschen Wirtschaftskrise.6 Das die sozialistische Planwirtschaft der DDR ohne Reformen nicht überleben konnte, war bereits zur Mitte der 80er Jahre verschiedenen Wirtschaftwissenschaftlern an diversen Lehr- und Forschungseinrichtungen der DDR bewusst.7

Der Zusammenbruch des Sozialismus in der DDR war das völlige Scheitern eines radikalen Versuchs, der Gesellschaft in Ostdeutschland, nach dem zweiten Weltkrieg, gegen ihren Willen, das ökonomische System der Sowjetunion aufzuzwingen.8 Das Programm des Staates DDR beinhaltete eben diesen den Sozialismus, weshalb ein Scheitern dessen auch zwangsläufig zu einem Scheitern der selbstständigen DDR führen musste und somit zur Aufhebung der deutschen Teilung.9

2.1 Ende eines Wirtschaftssystems

Bei der Gründung der DDR im Jahr 1949 erhielt die Konzeption der zentralen Planwirtschaft Verfassungsrang. Bereits in den 50er Jahren fiel in der DDR jedoch aufgrund systemimmanenten Restriktionen der Lebensstandard der Bevölkerung deutlich hinter den der Bundesrepublik zurück. Als Zeichen der Unzufriedenheit wuchs die Flüchtlingsbewegung in die BRD immer mehr an. Zur Unterbindung dieser Fluc htbewegung wurde am 13. August 1961 die Berliner Mauer gebaut. Trotz des in der DDR stets bekundeten Optimismus, merkte die Staatsführung bald, das die Wachstumschancen des Sozialismus nicht groß genug waren, um nach der Maxime des ,,Einholen und überholen" des Westens zu handeln und den Wettlauf zu gewinnen.10

Von Juli 1963 bis 1971 beschloß die Regierung unter Walter Ulbricht wirtschaftspolitische Reformen. Ziel der Reformen war es, durch die Integration einzelner marktwirtschaftlicher Elemente, die fehlenden Leistungsanreize und die Ineffizienz der zentralen Planung zu überwinden. Nachdem zu Beginn dieses Zeitraums die vorhandenen Wachstumsschwächen teilweise überwunden werden konnten, traten im Verlauf der sechziger Jahre allerdings immer größere Probleme auf. Das nunmehr geförderte Gewinnstreben der Betriebe führte angesichts eines nicht funktionierenden Preissystems und eines nicht existierenden freien Wettbewerbs, zu einem harten Verteilungskampf um die knappen Ressourcen und zu stark von den Plänen abweichenden Produktionsergebnissen. Auch jetzt gelang es nicht, an den Lebensstandard der BRD anzuschließen.11

Mit Regierungsübernahme durch Erich Honecker im Mai 1971 wurden die vorherigen Reformversuche abrupt beendet und die Entwicklung der Wirtschaft in der DDR folgte wieder strikt zentralen Entscheidungen. Alle bis dahin noch privaten Betriebe wurden nun verstaatlicht. Interne Fehlentwicklungen und exogene Einflüsse sorgten für sich immer mehr vergrößernde Versorgungsengpässe und ein abnehmendes Wirtschaftswachstum.12 In den 80er Jahren war die wirtschaftliche Entwicklung der DDR charakteristisch für falsche wirtschaftliche Zielvorstellungen und einem höheren Verbrauch, als es den Leistungen der Volkswirtschaft entsprach.13

Es wurden Feiern abgehalten und Statistiken erstellt, die das wirtschaftliche Verhältnis beschönigten, während das Alltagsleben in einem krassen Gegensatz dazu stand.14 Der technologische Rückstand der DDR wurde immer größer, die ökologische Katastrophe weitete sich aus, die industriellen Anlagen veralteten zusehends und Kommunikationsnetze und Verkehrssysteme blieben unzulänglich. Dennoch war die ostdeutsche Regierung nicht bereit ihren Rückstand einzugestehen. Honecker selbst beantwortete die Frage eines westlichen Journalisten ob die DDR nicht in Gefahr sei, den Zug der internationalen technologischen Entwicklung zu verpassen, selbstherrlich mit den Worten: ,,Wir können ihn nicht verpassen, wir sitzen im Zug drin".15

Nach dem Fall der Mauer wurde endgültig klar in welcher wirtschaftlichen Misere die DDR sich befand. Allerdings führte die DDR-Regierung eine gezielte Täuschungsstrategie durch, die zur Verschleierung der realen Wirtschaftslage führte.16 Nach und nach kamen aber die realen Daten ans Licht und die zeigten folgende Tatsachen:17

- das Bruttoinlandsprodukt (BIP) je Erwerbstätiger lag im Verhältnis zur BRD bei nur 27,1%,
- durch Planungs- und Organisationsüberhang wurde ein Personalüberhang in den Volkseigenen Betrieben verursacht, der einer verdeckten Arbeitslosigkeit entsprach · erste Schätzungen ergaben einen Überhang von 15% Beschäftigten,
- durch veraltete Industrieanlagen mussten bereits 1987 die Hälfte aller Investitionsausgaben für die Reparatur dieser Anlagen genutzt werden,
- Investitionen in die Grundstoffindustrie und in einzelne ineffiziente und ressourcenintensive Renommierprojekte wie der Mikroelektronikindustrie führten zur Vernachlässigung von potentiell wettbewerbsfähigen Bereichen, wie zum Beispiel dem Maschinenbau,
- Ausgaben im Bereich Forschung und Entwicklung wurden für Imitationen und Diffusionen von Neuerungen aus dem Westen anstatt für eigene Innovationen genutzt,
- durch Handelsbeschränkungen, Staatsverschuldungen etc. geriet die Versorgung der Bevölkerung mit wichtigen Gütern wie Wohnungen und Autos um Jahrzehnte hinter dem quantitativen und qualitativen Niveau der Bundesrepublik zurück und
- die starke Umweltverschmutzung beeinträchtigte die Gesundheit der Menschen in der DDR so stark, dass die Lebenserwartung weit unter der der BRD lag.

Weitere Leistungs mängel zeigten sich in der Exportbilanz. Die DDR nannte sich zwar selbst eine Exportnation, aber die meisten Exporte in den Westen waren zum größten Teil mit Subventionen verbunden damit sie international wettbewerbsfähig und absetzbar blieben. Auch die Schulden im ,,Nicht-Sozialistischen Wirtschaftsgebiet", also den westlichen Staaten, waren sehr hoch. Die Kreditaufnahme der DDR im Westen lag bei ca. acht bis zehn Milliarden Valuta-Mark jährlich.18

Mehrere Gutachten belegten 1990 dass die SED-Führung auch ohne die kurz darauf von der Bevölkerung erzwungene Wende in der DDR den völligen Kollaps der Volkswirtschaft wegen Zahlungs- und Produktionsunfähigkeit nur noch für kurze Zeit hätte aufschieben können. Im Jahr 1991 kam Günter Mittag, der ehemalige führende Lenker des Wirtschaftssystems in der DDR, ebenfalls zu der Erkenntnis, dass die DDR ökonomisch nicht mehr sehr viel länger überlebt hätte.19

2.2 Die Entstehung der Treuhandanstalt

In ihrer ursprünglichen Gestalt wurde die Treuhandanstalt von der letzten sozialistischen Regierung unter Hans Modrow gegründet. Durch einen Gesetzgebungsakt der ersten freigewählten Volkskammer, während der Regierungszeit Lothar de Maizières, erhielt sie ihre, bis 1994 anhaltende Form.20

Die Gründung der Anstalt beruhte auf verschiedenen Ideen. Die eine sah sie als Mittel für einen ,,besseren Sozialismus" ohne zentrale behördliche Lenkung und mit marktwirtschaftlichen Elementen, aber unter Bewahrung des Grundprinzips des Sozialismus, der Vergesellschaftung der Produktionsmittel in allen zentralen Gebieten der Volkswirtschaft. Die andere sah sie als Mittel zur Gestaltung einer ,,sozialen und ökologischen Marktwirtschaft". Erst mit der Verabschiedung des Treuhandgesetz setzte sich die dritte Idee durch, die auf eine Umwandlung der Plan- in eine Marktwirtschaft mit möglichst umfangreichem Privateigentum zielte.21

Die ursprüngliche Treuhandanstalt erhielt ihren Status am 15.März 1990 und sie nahm ihre Arbeit mit geringer Ausstattung auf. Bis zur Formulierung neuer Aufgaben konnte sie etwa 3.600 Unternehmen in Kapitalgesellschaften umwandeln und 2.800 kleinere Unternehmen reprivatisieren. Weitere 4.400 Unternehmen wurden per Gesetz in ,,Kapitalgesellschaften im Aufbau" umgewandelt. Erst unter der Regierung von Lothar de Maizière wurde die Treuhandanstalt mit dem Ziel beauftragt, welches die kommenden Jahre bestimmte.22

Nur wenige Monate nach der Gründung der Treuhandanstalt wurde am 17. Juni 1990 das Treuhandgesetz, zur Privatisierung und Reorganisation der Volkseigenen Betriebe, von der Volkskammer der DDR verabschiedet. Mit der Wiedervereinigung wurde die Treuhand eine bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts und stand unter der Fach- und Rechtsaufsicht des Finanzministeriums.23

2.2.1 Die Entwicklung der Ur-Treuhandanstalt

Mit den Volkskammerwahlen am 18. März 1990 veränderte sich die politische Konstellation in der DDR grundlegend. Während sich die Krise in der ostdeutschen Wirtschaft weiter fortsetzte, beschleunigte sich mit dem Amtsantritt de Maizières am 12. April 1990 die Entwicklung hin zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der DDR und der Bundesrepublik. Im Gegensatz zu der neuen Regierung unter Modrow verzichtete die de Maizière-Regierung auf weitere wirtschaftspolitische Reformversuche.24

Der Regierung Modrows wurde allerdings bald klar, dass eine Institution geschaffen werden musste um das Volkseigentum der DDR in Privateigentum zu überführen. Trotz der noch nicht vollständig erreichten Handlungsfähigkeit der Regierung wurde mit dem Aufbau der Treuhandanstalt im Sinne des Gründungsbeschlusses, der Umwandlungsverordnung und des Status begonnen. Im Zusammenhang mit dem Staatsvertrag arbeitete man parallel zum Geschehen der Treuhandanstalt an einer neuen, auf die Privatisierung des Volkseigentums ausgerichteten, gesetzlichen Grundlage. Das Ergebnis war das Treuhandgesetz, das gleichzeitig mit dem Staatsvertrag über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion in Kraft trat.25

In den vier Monaten, die zwischen der Gründung durch den Beschluß vom 1. März 1990 und dem Inkrafttreten des Treuhandgesetzes lagen, entstand eine Treuhandanstalt, die als Organisation für die Wahrung des Volkseigentums, mit der Treuhandanstalt, die sich nach dem 1. Juli 1990 entwickelte, nur wenig gemeinsam hatte. Die Personal- und Organisationsstrukturen dieser beiden Treuhandanstalten waren so unterschiedlich, dass sie als zwei getrennte Organisationen gesehen werden konnten. In der Literatur findet man deshalb auch öfters für die Ur-Treuhandanstalt die Bezeichnung ,,Modrow- Treuhand" oder ,,Genossen-Treuhand".26

2.2.2 Das Treuhandgesetz

Am 17. Juni 1990 wurde das Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz) von der Volkskammer der DDR verabschiedet. Es legte den Grundstein für eine veränderte, neue Treuhandanstalt und wurde von der Absicht getragen die unternehmerische Tätigkeit des Staates durch die Privatisierung so rasch und so weit wie möglich zurückzuführen.27 Außerdem sollte es die Wettbewerbsfähigkeit möglichst vieler Unternehmen herstellen und damit Arbeitsplätze sichern und Grund und Boden für wirtschaftliche Zwecke bereitstellen. Zum Schluß wurde es noch von der Absicht getragen, dass nach einer Bestandsaufnahme des volkseigenen Vermögens und seiner Ertragsfähigkeit sowie nach seiner vorrangigen Nutzung für Strukturanpassung der Wirtschaft und die Sanierung des Staatshaushaltes, den Sparern zu einem späteren Zeitpunkt für den bei der Währungsumstellung am 2. Juli 1990 reduzierten Betrag, ein verbrieftes Anteilsrecht an volkseigenem Vermögen eingeräumt werden konnte.28

Das Gesetz beinhaltet 24 Paragraphen, die wie folgt eingeteilt sind:29

- 1: Vermögens übertragung
- 2: Stellung und Aufgaben der Treuhandanstalt
- 3: Vorstand der Treuhandanstalt
- 4: Verwaltungsrat
- 5: Einnahmen und ihre Verwendung
- 6: Jahresabschluß und Lagebericht
- 7: Treuhand-Aktiengesellschaft
- 8: Aufgaben der Treuhand-Aktie ngesellschaften
- 9: Rechte und Pflichten der Treunhand-Aktiengesellschaften
- 10: Organe der Treuhand-Aktiengesellschaften
- 11: Umwandlung der Wirtschaftseinheiten in Kapitalgesellschaften
- 12: Inhaberregelungen
- 13: Pflicht der Registereintragung
- 14: Benennungspflicht des Firmennamens
- 15: Pflicht zur Eintragung in das Handelsregister
- 16: Bestellungspflicht eines Vorstands und Geschäftsführer der Aktiengesell schaften und Gesellschaften
- 17: Festlegung des Aktiennennbetrages
- 18: Festlegung des Geschäftsjahres
- 19: Maßnahmenpflicht bei Gründung einer Aktiengesellschaft oder Gesell schaft mit beschränkter Haftung
- 20: Übergabebestimmungen für die Kapitalgesellschaften
- 21: Eintragungspflicht der Maßnahmen in das Handelsregister
- 22: Auflösungsbestimmungen bei Nichteinhalten der §§ 19 und 21
- 23: Definition weiterer Geltungsbereiche für die §§ 11 Abs. 2 und a 15 Abs. 3
- 24: Übergangs- und Schlussbestimmungen.

Durch dieses Gesetz erhielt die neue Treuhandanstalt die Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts, eine Rechtsform, die zwar auch die Ur-Treuhand inne hatte, jedoch mit anderer Zielsetzung. Mit der Bildung dieser Rechtsform hielt man sich an einen westdeutschen Vorschlag, dem ,,Bielefelder Konzept vom 20. Mai 1990 zur Organisation der Treuhandanstalt der DDR".30

2.2.3 Der Neubeginn der Treuhandanstalt

Der 1. Juli 1990 bedeutete in der Geschichte der Treuhand eine Zäsur und zugleich ein Neubeginn. An diesem Tag wurden die noch verbliebenen 4.400 Betriebe der Rechtsform VEB in Kapitalgesellschaften umgewandelt. Die bis dahin vorrangige Aufgabe war somit vollendet. Die nun in Kraft tretende neue rechtliche Grundlage, das Treuhandgesetz, enthielt ein komplexes Aufgabenbündel, und aus der als Organisation für die Wahrung des Volkseigentums gegründeten Treuhandanstalt musste nun eine Organisation für die Privatisierung der Volkseigenen Betriebe entwickelt werden.31

Der Neubeginn der Treuhandanstalt fand vor dem Hintergrund einer sich zunehmend verschlechternden ostdeutschen Wirtschaftsleistung statt. Dies war vor allem deshalb der Fall, weil die großen Kombinate der DDR nach der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion sich nun dem weltweiten Wettbewerb ausgesetzt sahen, aber weder in preislicher, noch in qualitativer Hinsicht, diesem gewachsen waren.32 Das Resultat war eine ostdeutsche Wirtschaftsdepression. Die Industrieproduktion fiel schon im Juli 1990 auf 60 Prozent des Durchschnittsniveaus vom ersten Halbjahr 1990, und am Jahresende betrug sie nur noch 49 Prozent des Ausgangswertes.33 Demgegenüber stieg die effektive Arbeitslosenquote von knapp Null zu Anfang des Jahres 1990 auf über 7,2 Proze nt im Juli 1990 bis auf 24 Prozent im Frühjahr 1991.34

Die unmittelbar nach der WWSU35 gravierend und dauerhaft auftretende Liquiditätskrise in den verwalteten Betrieben musste nun von der Treuhand überwunden werden. Um flächendeckende Finanzzusammenbrüche aufgrund von Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden, musste ein System der Liquiditätsversorgung organisiert werden. Auf diese Weise wurde vorübergehend der größte Teil der noch geringen Kapazitäten der Treuhandanstalt für die Bekämpfung von Symptomen der Anpassungskrise gebunden und stand noch nicht für die Beseitigung ihrer eigentlichen Ursachen zur Verfügung.36

Eine weitere wichtige Aufgabe war die Bestandsaufnahme der zu privatisierenden Vermögenswerte. Die ungefähre Zahl der verwalteten Betriebe war zwar im Großen und Ganzen bekannt, zuverlässige Informationen über ihren physischen und betriebswirtschaftlichen Zustand fehlten allerdings fast vollständig. Die Treuhand konnte deshalb weder zu einem an der langfristigen Überlebensfähigkeit der Betriebe orientierten und entsprechend differenzierten Einsatz der Liquiditätshilfen, noch zu fundierten Entscheidungen über Maßnahmen der Privatisierung, Sanierung und Stillegung von Betrieben kommen.37

Der am 29. September 1990 in Kraft getretene Einigungsvertrag berücksichtigte die Treuhandanstalt ausführlich und machte sie zu einer der wenigen Einrichtungen der DDR, deren Bestehen nach der Wiedervereinigung festgeschrieben wurde. Das Treuhandgesetz wurde nach Artikel 25 des Einigungsvertrages zu Bundesrecht und die Treuhandanstalt zu einer bundesunmittelbaren Anstalt, in etwa vergleichbar dem rechtlichen Status der Kreditanstalt für Wiederaufbau.38 Die Rechtsaufsicht übernahm der Bundesminister für Finanzen, der die Fachaufsicht gemeinsam mit dem Bundesminister für Wirtschaft und jeweils zuständigen Fachministern ausüben sollte. Die Beteiligungen der Treuhandanstalt wurden künftig zu mittelbaren Beteiligungen des Bundes.39

Die Neugestaltung der Treuhand bedurfte auch eine personelle Umwandlung. Diese organisatorische Konsolidierung, die im Frühjahr 1991 einsetzte, war allerdings ständig besonderen Belastungen ausgesetzt. Zunächst musste die Anstalt die außerordentliche Dynamik ihres eigenen Wachstums verkraften. Der Personalbestand wuchs zwischen dem 1. Juli 1990 und dem 30. Juni 1991 allein in der Zentrale von 114 auf 1.678 Mitarbeiter40. Hinzu kamen zum 30. Juni 1991 noch 1.044 Mitarbeiter in den Niederlassungen.41 Gleichzeitig musste das auf hohe Wachstumsraten orientierte operative Geschäft der Anstalt bewältigt werden. Und zuletzt stand die Treuhand, spätestens seit einer Krise im Frühjahr 1991 unter ständigem politischen Druck, der bewältigt werden wollte.42 Dennoch gelang es ihr trotz vielerlei Probleme, diesen Belastungen im Großen und Ganzen stand zu halten.

3 Die Aufgaben der Treuhand

Bereits während der Verhandlungen über den Einigungsvertrag hatte Ministerpräsident de Maizière die Einrichtung eines sogenannten ,,Aufbauministeriums" gefordert. Dieses sollte sich speziell um die Förderung der Entwicklung in den neuen Bundesländern kümmern. Als ein zentraler Bestandteil dieses Ministeriums war dann die Treuhand gedacht43. Aus diesen Überlegungen heraus resultierte letztendlich die Regelung im endgültigen Vertrag. Diese besagte, dass Erlöse aus der Privatisierung des Volkseigentums ausschließlich zugunsten von Aufbaumaßnahmen im Gebiet der DDR verwendet werden dürften.44

Durch den Einigungsvertrag wurde die Zuständ igkeit der Treuhand auch noch weiter ausgeweitet. Sie übernahm nun auch die Verwaltung der volkseigenen Güter und staatlichen Forste, sowie das Vermögen von Parteien, Massenorganisationen und dem Ministerium für Staatssicherheit. Auch die Kommunalisierung, also die Übertragung von Vermögenswerten, an die Kommunen der neuen Bundesländer, wurde ihr zusätzlich aufgetragen.45

Das Treuhandgesetz und die fünf dazu ergangenen Durchführungsverordnungen sowie die Satzung der Treuhandanstalt vom 18. Juli 1990 und ihre Geschäftsordnung vom 18. September 1990 formulieren die Aufgaben der neuen Treuhand genau.46

- Privatisierung: Die entsprechenden Maßnahmen zur Privatisierung, zu der sich der Gesetzgeber bekennt, obliegen der Treuhand. Die Übertragung des öffentlichen, der Treuhandanstalt anvertrauten Vermögens auf private juristische oder natürliche Personen soll so rasch und so weit wie möglich durch Verkäufe erfolgen.
- Sanierung: Die zweite Aufgabe der Treuhandanstalt besteht in der Durchführung von Maßnahmen, die der (Wieder-) Herstellung der Existenzfähigkeit ihrer Beteiligungsunternehmen dienen. Neben finanzwirtschaftlichen Maßnahmen zählt hierzu auch die Neuordnung der Unternehmensstrukturen.
- Stillegung: Kann ein Unternehmen nicht mehr saniert werden muß die Treuhand dieses stilllegen.
- Strukturanpassung der Wirtschaft: Es sollen wettbewerbsintensive Marktstrukturen erschaffen werden.
- Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen: Bestehende Arbeitsplätze sollen gesichert und neue geschaffen werden.
- Reprivatisierung: Es müssen die Entscheidungen über die Ansprüche auf
Rückübertragung von Vermögenswerten getroffen werden und bei Vorhandensein dieser, müssen Regelungen zur Klärung der Ansprüche getroffen werden.
- Kommunalisierung: Auf Antrag der Kommunen kann die Treuhand ein Verfahren mit dem Ziel durchführen, den Gemeinden, Städten und Landkreisen das Eigentum an bis dahin volkseigenem Vermögen, das zu kommunalen Aufgaben und Dienstleistungen diente, zu verschaffen.
- Vermögenszuordnung: Der Präsident der Treuhandanstalt hat die gesetzlich erfolgte Zuordnung von Grundvermögen an Kapitalgesellschaften durch einen Verwaltungsakt festzustellen.
- Erteilung von Investitionsvorrangbescheiden: Die Treuhand entscheidet über die Veräußerung, Vermietung oder Verpachtung von restitutionsanspruchbehafteten Grundstücken, Gebäuden oder Unternehmen, an denen sie verfügungsberechtigt war oder die im Eigentum eines ihrer Beteiligungsunternehmen stehen.
- Erstellung von Grundstücksverkehrsgenehmigungen: Sie ist berechtigt, solange sie oder ein Treuhandunternehmen verfügungsbefugt ist, hinsichtlich eines Grundstücks das veräußert werden soll, eine solche Genehmigung zu erteilen, solange nicht vermögensrechtliche Ansprüche dieser entgegenwirken.
- Verwaltung des Sondervermögens: Das Vermögen von Parteien und den ihnen verbundenen Organisationen, juristischer Personen und Massenorganisationen der DDR ist der Treuhandanstalt übertragen. Dieses Vermögen ist an früher Berechtigte zurückzuführen und, bei keiner Anspruchsberechtigung, den Parteien und Massenorganisationen im Falle des nach rechtsstaatlichen Maßstäben rechtmäßigen Erwerbs wieder zur Verfügung zu stellen oder andernfalls zu gemeinnützigen Zwecken zu verwenden.
- Finanzierung des Kreditabwicklungsfonds und der Staatlichen Versicherung der DDR in Abwicklung: Diese Aufgabe beinhaltet die Beteiligung an den Kosten des ,,Kreditabwicklungsfonds" sowie der vollständigen Übernahme der Kosten, die im Zusammenha ng mit der Verwaltung und Abwicklung der Staatlichen Versicherung der DDR abgewickelt werden.
- Einräumung verbriefter Sparer-Anteilsrechte: Den Sparern in der ehemaligen DDR soll zu einem späteren Zeitpunkt für den bei der Währungsumstellung reduzierten Betrag ein verbrieftes Anteilsrecht am volkseigenen Vermögen eingeräumt werden.

Eine weitere Aufgabe ergab sich im Rahmen des Umweltrahmengesetz. Die Umweltschäden in der ehemaligen DDR waren sehr gravierend, weshalb Umweltsanierungsmaßnahmen beschlossen wurden, die in den Aufgabenbereich der Treuhand eingeflochten wurden. Auf Basis neuer gesetzlicher Regelungen nahm man in den Privatisierungsverträgen regelmäßig sogenannte Altlastenklauseln auf, die eine Kostenbeteiligung des Investors sowie ein Mitsprache-, Kontroll- und Prüfrecht bei der Konzeption, Planung und Umsetzung der vom Erwerber vorgeschlagenen Maßnahmen, bestimmten47. Diese Altlastenklauseln führten allerdings des öfteren zu Problemen, da Investoren sich nicht selten von diesen ,,abgeschreckt" fühlten.

4 Das Ende der Treuhand und ihre Nachfolger

Die Treuhandanstalt sollte für die Privatisierung und Wettbewerbsfähigkeit der vormals etwa 8000 Volkseigenen Betriebe48 in der ehemaligen DDR sorgen. Wenn dies nicht gelang, sollte sie für die Stillegung dieser sorgen. Darüber hinaus verwaltete sie noch etwa 30.000 Einzelhandelsgeschäfte, Hotels und Gaststätten, landwirtschaftliche Nutzflächen und Liegenschaften. Sie war damit für ca. vier Millionen Beschäftigte verantwortlich. Sie stand vor der Mammutaufgabe, binnen vier Jahren eine Volkswirtschaft vollständig umzuwandeln.49 Dies führte zu massiven Problemen, die letztendlich zu einer Teilscheiterung führten.

Über Nacht wurden aus den Volkseigenen Betrieben automatisch Kapitalgesellschaften ohne dass nach der Währungsumstellung ein angemessenes Kapital vorhanden und marktwirtschaftliches Verhalten eingeübt worden war. Verselbstständigte Wirtschaftseinheiten sollten sich nun am Markt etablieren. Die finanzielle Eigenverantwortung der Unternehmen war, im Vorgriff, vom Gesetzgeber unterstellt worden, obgleich die Ausplünderung der Unternehmen durch den Staat eine Mentalität des ,,linke Tasche - rechte Tasche"50 gezüchtet hatte. Der natürliche Gegensatz der Betriebspartner wurde nicht wahrgenommen, und doch sollte die Autonomie der Betriebsverfassung funktionieren und es sollten vernünftige, der wirtschaftlichen Lage angemessene Sozialpläne und Interessensausgleiche zustande kommen.51

Schon zu Beginn gab es große Probleme, war doch die Umwandlungsverordnung und das Treuhandgesetz von Anfang an revolutionär gehandhabt worden. Der Wille zur Zerschlagung der überladenen Großunternehmen und Kombinate, die hoffnungslos ineffizient waren, war so groß, dass man sie begeistert splittete.52 Ohne große Strukturanalysen teilte man die großen Betriebe in mehrere kleine Unternehmen, obwohl weder die Umwandlungsverordnung, noch das Treuhandgesetz, nach ihrem Wortlaut und nach dem Willen der westlichen Ratgeber eine solche Spaltung ermöglichten. Hunderte solcher ab- und aufgespalteten Gesellschaften gab es bereits und die Treuhand verkaufte sie schon,53 obwohl meistens nicht einmal eine Kapitalbasis vorhanden war, geschweige denn ein aufnahmebereiter Markt. Diese, wie sich bald herausstellen sollte, personelle Fehlbesetzung führte zu gravierenden Fehlentscheidungen, die allerdings auch mit der Hektik der politisch gewollten Vorhaben zusammenhing.

Die Privatisierungsaufgabe der Treuhandanstalt war im Hinblick auf ihren Umfang und ihre Komplexität einmalig. Weltweit waren zwischen 1980 und 1987 insgesamt nicht einmal 1.000 Privatisierungen54 durchgeführt worden. Diese hatten vor allem in westlichen Ländern und damit in einem meist stabilen marktwirtschaftlichen Umfeld stattgefunden. In der DDR hingegen herrschten die erschwerenden Rahmenbedingungen des Überganges von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft. Darüber hinaus waren die Voraussetzungen der Treuhandanstalt für die marktwirtschaftliche Umstrukturierung, dieses inhomogenen Vermögens anfangs schlecht. Eine neue Organisationsstruktur musste erschaffen werden.55 Die damalige Politik der Bundesregierung schätzte die vorhandenen und kommenden Wirtschaftsmöglichkeiten falsch ein. Sie maß ihre politischen Vorgaben an wirtschaftlichen Kriterien der Bundesrepublik und zeigte damit große Defizite in volkswirtschaftlicher Hinsicht auf. Man hatte nämlich im Hinblick auf die Wiedervereinigung die marktwirtschaftliche Bindung an den zusammenbrechenden Ostblock übersehen.

Also strukturierte man die Treuhandanstalt um und aus der Ur-Treuhand wurde die neue Treuhandanstalt unter Detlev Karsten Rohwedder. Für die Durchführung der Privatisierung der Betriebe, Nutzflächen und Hotel und Gaststätten sowie Einzelhandelsgeschäften errechnete dieser zu Beginn einen möglichen Verkaufserlös von 600 Milliarden Mark.56 Diese Summe war offenbar nacht reduzierten wirtschaftlichen Gesichtspunkten westlicher Prägung errechnet worden, und konnte zu keiner Zeit den tatsächlichen Gegebenheiten standhalten. Nach dessen Tod57 übernahm Birgit Breuel die Leitung der Treuhand und versuchte, die der Treuhand gestellten Aufgaben zu erfüllen. Hierbei gab es allerdings allerhand Probleme, die auf die schlechte Wirtschaftslage der ehemaligen DDR zurückzuführen sind. Trotz inständiger Bemühungen fanden viele Unternehmen keinen Käufer. Nur mit erheblichen Zuschüssen konnte die Treuhand die großen Kombinate verkaufen. Zahlreiche kleine und mittlere Firmen fielen in die Hände von dubiosen Geschäftemacher58 und die Treuhand verschuldete sich in den viereinhalb Jahren ihres Bestehens sehr stark

Am 31. Dezember 1994 wurde die Treuhandanstalt aufgelöst. Die verbliebenen Aufgaben übernahmen mehrere Gesellschaften: Die Beteiligungs-Management-Gesellschaft mbH (BMG), zuständig für unternehmensbezogene Aufgaben und Beteiligungen und die Bodenverwertungs- und verwaltungsgesellschaft mbH (BVVG), zuständig für land- und forstwirtschaftliche Aufgaben. Der Bund übernahm die Liegenschaftsgesellschaft der Treuhandanstalt (TLG). Die restlichen Abwicklungen, Reprivatisierungen und hoheitlichen Funktionen wurden Aufgabe der Bundesanstalt für Vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS). Die Schulden der Treuhand, die sich aus Krediten, Altkrediten und Ausgleichsforderungen zusammensetzten, gingen in den Erblastentilgungsfond des Bundes über, der am 1. Januar 1995 errichtet wurde.59

Privatisierungsergebnisse per 31.12.1994

Anzahl

- Unternehmensprivatisierungen 15.102

Vollständige Privatisierungen (Share deal von 100% der Anteile) 6.321

Mehrheitliche Privatisierungen (Share deal von >50% der Anteile) 225

Privatisierte Betriebsteile (Asset Deal) 8.054

Bergwerksrechte 502

Reprivatisierungen (Voll- und Teilreprivatisierungen) 4.358

Sog. ,,Kleine Privatisierungen" (vereinfachtes Verfahren) 25.030

Gaststätten/Hotels/Ladengeschäfte bis 03.10.1990 9.300

Gaststätten/Hotels/Ladengeschäfte bis 30.06.1991 13.040

Apotheken 1.734

Buchhandlunge n 475

Kinos 481

Liegenschaftsverkäufe der TLG 36.845

Liegenschaftsverkäufe der THA 9.707

Summe der Privatisierungen 91.042

Weitere Privatisierungsergebnisse:

Land- und forstwirstchafftliche Flächen Größe in ha

Verpachtungen 1.211.373

Reprivatisierte landwirtschaftliche Flächen 324.225

Reprivatisierte forstwirtschaftliche Flächen 248.189

Verkaufte landwirtschaftliche Flächen (durch THA) 48.048

Verkaufte forstwirtschaftliche Flächen (durch THA inklusive TFG) 2.179

Verkaufte landwirtschaftliche Flächen (durch BVVG) 8.622

Verkaufte forstwirtschaftliche Flächen (durch BVVG) 8.861

Privatisierungserlöse (Mrd. DM) 66,6

Investitionszusagen (Mrd. DM) 211,1

Arbeitsplatzzusagen 1.508.000

Abbildung 1: Abschlussstatistik der Treuhandanstalt, Eigene Darstellung in Anlehnung an Lüken, S.13.

Die BvS startete als Nachfolgerin der Treuhand mit einem größeren Aufgabenpensum als zunächst erwartet wurde. Aus der Privatisierungstätigkeit der Treuhandanstalt waren 30.000 Privatisierungsverträge übernommen worden, deren Zahl stetig anstieg, sowie 205.000 Kommunalisierungsanträge.60 Auch jetzt blieben die Probleme, die bereits die Treuhand hatte, präsent. Ursprünglich wollte die BvS ihren Auftrag bis Ende 1998 erfüllt haben, aber bis zum Jahre 2000 war sie immer noch mit diesen Aufgaben beschäftigt.

Im Februar 2000 wurde allerdings vom Bundesfinanzministerium beschlossen die BvS bis zum Ende 2000 ,,faktisch zu beenden". Der Plan war, da keines der verbliebenen Aufgabengebiete abgearbeitet war, das die Treuhand-Nachfolgerin vom Jahr 2001 an bis auf einen Einpersonenvorstand (Präsident) keine Mitarbeiter mehr beschäftigen würde. Die bis dahin unerledigten Aufgaben sollten auf die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau, eine Oberfinanzdirektion, das Bundesvermögensamt sowie die ostdeutsche Länderverwaltungen übertragen werden. Ein ,,Treuhandschlussgesetz" sollte zu gegebener Zeit die Auflösung der BvS feststellen.61

Tatsächlich schloß die BvS am 14.12.2000 ihre Arbeit ab. Zu dem Zeitpunkt waren ca. 90% der Aufgaben erfüllt62, und nur noch eine Privatisierung stand auf der Agenda: der Chemiepark Bitterfeld. Des weiteren waren am Jahresende noch ca. 3000 laufende Privatisierungsverträge zu überwachen, die die Tochter der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) übernommen hat. Die BvS bleibt ab diesem Jahr nur noch als Rechtsträger mit Präsident und Verwaltungsrat bestehen. Über das endgültige Ende der Behörde entscheiden dann die Parlamente in Bund und Länder.63

5 Fazit

Wenn auch die operative Arbeit zum letzten Jahresende eingestellt wurde, blieb ein Erbe zurück. Die Umwandlung der Plan- in die Marktwirtschaft hinterlässt einen Schuldenberg von ca. 225 Milliarden Mark. Demgegenüber war zu Beginn der Arbeit mit einem Plus von 600 Milliarden Mark gerechnet worden. Dies ist allerdings nicht der einzige Negativposten in der Bilanz der vormals größten Staatsholding der Welt.64

Ob nun Energiewirtschaft, Medienbranche oder Schiffbau, die Liste der strukturpolitische fragwürdigen Entscheidungen ist lang. Statt mehr Wettbewerb wurde bestehende Marktmacht häufig noch konzentriert, die Arbeitsplatzeffekte waren dabei allerdings eher gering. Zudem versickerten Subventionen in dunklen Kanälen, während anderswo die notwendigen Mittel für Zukunftsinvestitionen fehlten.65 Durch diese immensen Fehler wurde aus einem gedachten und erhofften Gewinngeschäft ein horrendes Verlustgeschäft, welches in der neuen deutschen Geschichte nur noch mit der EXPO 200066 zu vergleichen ist, wenngleich es sich hier um viel geringere Summen handelt.

Wenn man nachträglich eine Bilanz ziehen will, so muß man feststellen, dass die Vorgaben der Politik ein ökonomisches Handeln der Treuhand nicht zuließen. Durch die gravierende Fehleinschätzung des Ostmarktes (bis hin zum Zusammenbruch) kam es zu Marktzusammenbrüchen, die vielen staatliche n Betrieben die wirtschaftliche Basis entzogen. Somit war es den privatisierten Teilen oder Resten nicht mehr möglich am offenen Markt zu überleben, zumal seitens der Treuhand vielfach nur wirtschaftliche ,,Flickschusterei" betrieben wurde. Die Fachleute der Treuhand waren in ihrem Metier sehr häufig überfordert, trafen falsche Entscheidungen und sahen sich nicht in der Lage die ,,neuen" Firmen weltmarkttauglich zu privatisieren. Es ist davon auszugehen, dass bei behutsamerer Vorgehensweise wirtschaftlich eine größere Effizienz zu erreichen gewesen wäre.

Literaturverzeichnis

- Breuel, Birgit: Treuhand intern. Tagebuch, Frankfurt/ Berlin, 1993.
- Der Spiegel Online: Der Weg zur Einheit. Die wirtschaftlichen Grundlagen für das wieder vereinigte Deutschland e http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,96919,00.html, Ausgabe 40 Hamburg, 2000, Abrufdatum: 28.01.2001.
- Der Spiegel Online: Ende der Treuhand-Nachfolgerin BvS http://www.spiegel.de/spiegel/vorab/0,1518,67420,00.html, Ausgabe 10 Hamburg, 2000, Abrufdatum: 28.01.2001.
- Deutsches Historisches Museum (Hg): Treuhandanstalt, http://www.dhm.de/lemo/html/WegeInDieGegenwart/FolgenInDieDeutscheEinheit/tre uhandanstaltBody.html, Berlin, ohne Jahr, Abrufdatum: 02.01.2001
- Die Welt online: BvS sieht Licht am Ende des Tunnels. Treuhand-Nachfolgerin will Arbeit 1998 beenden, e http://www.welt.de/daten/1996/09/19/0919wi106661.htx, 19.09.1996, Hamburg, Abrufdatum: 28.01.2001
- Die Welt online: Privatisierung Ost kostet Steuerzahler 230 Milliarden. Angehäufte Schulden fallen niedriger aus als erwartet, http://www.welt.de/daten/2000/07/21/0721un181008.htx, 21.07.2000, Hamburg, Abrufdatum: 28.01.2001
- Die Welt online: Treuhand-Nachfolgerin BvS schließt ihre Arbeit ab, http://www.welt.de/daten/2000/12/14/1214wi209155.htx, 14.12.2000, e Hamburg, Abrufdatum: 28.01.2001
- Fischer, Wolfram und Schröter, Harm: Die Entstehung der Treuhandanstalt in Fischer, Wolfram u.a. (Hg): Treuhandanstalt. Das Unmögliche wagen, Berlin, 1993.
- Juristische Fakultät der Universität Saarbrücken (Hg): Einigungsvertrag. Artikel 25, http://www.jura.uni-sb.de/Vertraege/Einheit/ein1_a25.htm, Saarbrücken, ohne Jahr, Abrufdatum: 28.01.2001
- Juristische Fakultät der Universität Saarbrücken (Hg): Einigungsvertrag. Artikel 21, http://www.jura.uni-sb.de/Vertraege/Einheit/ein1_a21.htm, Saarbrücken, ohne Jahr, Abrufdatum: 28.01.2001
- Juristische Fakultät der Universität Saarbrücken (Hg): Einigungsvertrag. Artikel 22, http://www.jura.uni-sb.de/Vertraege/Einheit/ein1_a22.htm, Saarbrücken, ohne Jahr, Abrufdatum: 28.01.2001
- Kemmler, Marc: Die Entstehung der Treuhandanstalt. Von der Wahrung zur Privatisierung des DDR-Volkseigentums, Frankfurt/ New York, 1994
- Kloepfer, Michael und von Unger, Jobst-Friedrich: Öffentlich-rechtliche Vorgaben für die Treuhandanstalt in Fischer, Wolfram u.a. (Hg): Treuhandanstalt. Das Unmögliche wagen, Berlin, 1993.
- Lüken, Reinhard D.: Treuhand/ BvS. Unternehmenspolitik und Organisationsentwicklung in der Transformation, Leer, 1998.
- Müller, Uwe: Kein Lehrstück. Kommentar in Die Welt online, http://www.welt.de/daten/2000/12/14/1214wi209151.htx, 14.12.2000, Hamburg, Abrufdatum: 28.01.2001
- Seibel, Wolfgang: Die organisatorische Entwicklung der Treuhandanstalt in Fischer, Wolfram u.a. (Hg): Treuhandanstalt. Das Unmögliche wagen, Berlin, 1993.

[...]


1 Vgl. Kemmler, S.13.

2 Ebd.

3 Ebd.

4 Ebd.

5 Ebd, S.13f.

6 Vgl. Kemmler, S.23.

7 Vgl. Breuel, S.25.

8 Vgl. Kemmler, S.23.

9 Ebd.

10 Vgl. Kemmler, S.25.

11 Ebd.

12 Ebd., S.26.

13 Ebd.

14 Ebd.

15,,Interview Erich Honeckers für finnische Journalisten", 29.9.1987, vgl. Kemmler, S.27.

16 Erst später gab der langjährige Vorsitzende der staatlichen Plankommission beim Ministerrat der DDR Gerhard Schürer die gezielte Fälschungen der Tatsachen zu: ,,Ich und meine Planungsbehörde haben einseitig berichtet. Erfolge wurden übertrieben, Negatives weggelassen Nehmen sie das Wachstum des DDR-Nationaleinkommens von zuletzt drei Prozent. Das hatten wir tatsächlich erreicht, aber wir haben die Verschuldung unterschlagen. Das heißt: In unseren Bilanzen stand eine Wachstumsrate, die wir real nie erwirtschaftet haben.", vgl. Kemmler, S.27.

17 Ebd., S.27 ff.

18 Vgl. Kemmler, S.31.

19,,Ohne die Wiedervereinigung wäre die DDR einer ökonomischen Katastrophe mit unabsehbaren sozialen Folgen entgegengegangen, weil sie auf Dauer nicht allein überlebensfähig war.". Vgl. Kemmler, S.32.

20 Vgl. Fischer, S.17.

21 Ebd.

22 Vgl. Lüken, S.11.

23 Vgl. Deutsches Historisches Museum, S.1.

24 Vgl. Kemmler, S.110.

25 Ebd., S.111.

26 Ebd., S.112.

27 Vgl. Breuel, S.48.

28 Ebd.

29 Ebd., S.48 ff.

30 Vgl. Kloepfer, S.42.

31 Vgl. Kemmler, S.175.

32 Ebd., S.176 f.

33 Ebd., S.177.

34 Ebd., S.177 f.

35 Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion.

36 Vgl. Kemmler, S.182.

37 Ebd.

38 Ebd.

39 Vgl. Einigungsvertrag, Art 25, Abs. 1.

40 Vgl. Seibel, S.137.

41 Ebd.

42 Ebd.

43 Vgl. Kemmler, S.183.

44 Vgl. Einigungsvertrag, Artikel 25, Abs. 3.

45 Ebd., Art. 21 und 22.

46 Vgl. Kloepfer, S.50 ff.

47 Vgl. Lüken, S.134.

48 Vgl. Deutsches Historisches Museum, S.1.

49 Ebd.

50 Zitat nach Breuel. Vgl. Breuel, S.59.

51 Ebd.

52 Ebd.

53 Ebd, S.59 f.

54 Vgl. Kemmler, S.176.

55 Ebd.

56 Vgl. Der Spiegel 40/2000, S.1.

57 Rohwedder kam 1991 bei einem Anschlag der RAF ums Leben.

58 Ebd.

59 Vgl. Deutsche Historische Museum, S.2.

60 Vgl. Die Welt online vom 19.09.1996, S.1.

61 Vgl. Der Spiegel 10/2000, S.1.

62 Vgl. Die Welt online vom 14.12.2000, S.1.

63 Vgl. Die Welt online vom 21.07.2000, S.1.

64 Vgl. Müller, S.1.

65 Ebd.

66 Der Verlust der EXPO beläuft sich auf etwa 2,4 Milliarden DM, während man zu Beginn mit einem höheren Gewinn gerechnet hatte.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Die Treuhandanstalt
Hochschule
Philipps-Universität Marburg
Veranstaltung
Hauptseminar Die deutsche Vereinigung im internationalen Kontext
Autor
Jahr
2001
Seiten
23
Katalognummer
V99954
ISBN (eBook)
9783638983877
Dateigröße
509 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Treuhandanstalt, Hauptseminar, Vereinigung, Kontext
Arbeit zitieren
Ute Kreibaum (Autor:in), 2001, Die Treuhandanstalt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99954

Kommentare

  • Gast am 31.12.2001

    Im ganzen sehr ordentliche Arbeit. Hinsichtlich der Passagen über die Auflösung der THA und ihrer Nachfolgeorganisationen nicht ganz korrekt. Die THA wurde 1994 in BvS umbenannt. Die TLG z.B. war bereits neben der THA tätig - Aufgabengebiet: Immobilienverwaltung und -vermarktung.
    Als Mitarbeiter der THA / BvS war ich für beide Einrichtungen tätig.

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Titel: Die Treuhandanstalt



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