Prosoziales Konflikthandeln - Ein Beitrag des Religionsunterrichts


Examensarbeit, 2000

128 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


0. Einleitung

,,Die zukünftige Schule stelle ich mir so vor: In den Pausen sieht man mindestens dreißig Schüler, die sich kloppen. Zweiundzwanzig davon verhauen sich ernsthaft. Manchmal fängt auch einer an zu weinen, und es fließt Blut. Sogar am Anfang der Stunde, wenn der Lehrer noch nicht da ist, schlagen sich die Schüler. Meistens ist es so, dass die größeren die kleineren Schüler verdreschen. Die Lehrer haben an dieser Schule nichts mehr zu sagen. Diese Schule ist ein Gewalthaus. Statt Deutschunterricht gibt es Boxunterricht, statt Mathematik Karate. Jeder Schüler hat Waffen. Die Schüler bringen sich wie in den USA gegenseitig um. In so eine Schule, wie ich sie beschrieben habe, will doch keiner gehen. Hoffentlich denken viele Schüler so wie ich: dass Schule ein Ort für wirkliche Kinder bleibt!"1

Diese Vorstellung des 13-jährigen Tobias schildert eine Schule, die aufgrund eines Übergreifens von Gewalt, dem Prinzip des Erziehenden Unterrichts2 nicht gerecht werden kann. Konflikte unter Schülern sowie zwischen Lehrern und Heranwachsenden gehören in der Schule zum Alltag. Oft enden sie in verbal- oder physisch-gewalttätigen Auseinandersetzungen, wie Tobias sie beschreibt. Dass Konflikte aber auch gewaltfrei und konstruktiv sein können und das Verhältnis untereinander möglicherweise verbessern, ist den meisten Schülern und Lehrern nicht bewusst. Daher ist der Umgang miteinander einerseits von einer Scheu vor Konflikten geprägt, andererseits durch gewalttätige Konfliktaustragungen gekennzeichnet. In der Schule gilt es, dem Prinzip des Erziehenden Unterrichts gerecht zu werden, indem die Ursachen für das negative sowie Gründe für gewalttätiges Konfliktverhalten analysiert und entsprechende Konsequenzen gezogen werden, um schließlich im Rahmen des prosozialen Konflikthandelns Handlungsalternativen zu den bekannten (gewalttätigen) Konfliktlösemodellen finden zu können.

Konflikte sind Indikatoren für Störungen im Miteinander und können als Optionen zur Verbesserung der sozialen Beziehung aufgefasst und genutzt werden. Der Weg des prosozialen Konflikthandelns orientiert sich an diesen Optionen und baut auf Erfahrungen im friedlichen Miteinander,3 d. h. an Gemeinschafts-, Kooperations-, an Kommunikations-, Empathie- und an Selbstwerterfahrungen. Dieser Weg bietet die Möglichkeit, gemäß dem Prinzip des erziehenden Unterrichts, in der Schule strukturelle und individuelle Gewaltverhältnisse und somit die Konfliktkultur zu verändern und präventiv zu bearbeiten. Schülern und Lehrern soll deutlich werden, dass nicht Konflikte das eigentliche Problem sind, sondern die Art und Weise des Umgangs mit ihnen sich oft als schwierig erweist.4 Ziel des prosozialen Konflikthandelns soll sein, kurzfristig zur Konfliktlösung beizutragen und langfristig ein positives Element zur Veränderung der Schulkultur sowie des sozialen Miteinanders außerhalb der Schulmauern zu schaffen.

Hinsichtlich der im Lehrplan für Katholische Religionslehre geforderten Erfahrung und Stärkung von Individualität und Sozialität der Schüler kommt der Vermittlung konstruktiver und prosozialer Konfliktbehandlungen im Religionsunterricht eine besondere Bedeutung zu.5 Darüber hinaus besteht im christlichen Vertrauen auf Gott als friedenstiftende Macht die Basis für gewaltfreies Konflikthandeln, indem der Mensch fähig wird, ,,das Böse mit dem Guten zu überwinden" (Röm 12,21),6 so dass prosozialem Konflikthandeln ein Kerngedanke der christlichen Botschaft zugrunde liegt.

Die Darstellungsweise diese Arbeit ist durch persönliche Erfahrungen geleitet, die ich während einer zweimonatigen Arbeitsphase mit Grundschulkindern zum prosozialen Konflikthandeln gewonnen habe. Innerhalb einer Unterrichtsreihe habe ich vielfältige Einblicke in die verschiedenen Facetten des schulischen Konfliktverhaltens und -handelns erhalten. Die von mit zusammengestellten theoretischen und praktischen Ausführungen über das prosoziale Konflikthandeln können allerdings keine umfassende Übersicht der Thematik geben, sondern verfolgen den Schwerpunkt der Darstellung von Notwendigkeit und Wegen des prosozialen Konflikthandelns in der Schule unter besonderer Betrachtung des Religionsunterrichts. Inwiefern der Religionsunterricht einen Beitrag dazu leisten kann, dass ,,Schule ein Ort für wirkliche Kinder bleibt"7, soll im Verlauf dieser Arbeit genauer untersucht werden.

Die theoretischen Ausführungen dieser Arbeit fundieren zum einen auf pädagogischer Literatur zur Sozial- und Konflikterziehung, zum anderen basieren sie auf theologischen und religionspädagogischen Ausführungen, deren Auswahl sich als schwierig erwies. Das Konfliktphänomen in der Schule ist theologisch nicht erschlossen. Daher beruhen meine Aussagen auf biblischen Grundlagen, auf religionspädagogische Darstellungen über Friedenserziehung sowie auf Darlegungen über das Wirken einer friedenstiftenden göttlichen Macht.

Im ersten Kapitel werde ich das Phänomen des prosozialen Konflikthandelns wissenschaftlich beleuchten. Zu diesem Zweck sollen in der Arbeit folgenden Fragen nachgegangen werden:

1. Was bedeutet prosoziales Konflikthandeln?

2. Liegen Konflikte in der Natur des Menschen und ist er veranlagt diese gewaltsam zu lösen oder bietet die Natur dem Menschen Anlagen zum friedlichen Miteinander und somit zum prosozialen Konflikthandeln?

3. Wie entsteht ein Konflikt, wie verläuft er und wie und wann kann er gelöst werden?

4. Welche Konflikte sind im biblischen Kontext dargestellt und was für Lösungswege zeigen das Alte und Neue Testament?

5. Woraus ergibt sich die Notwendigkeit der Vermittlung des prosozialen Konflikthandelns an Schulen im Allgemeinen und im Religionsunterricht im Besonderen und wie kann prosoziales Konflikthandeln vermittelt werden?

Dazu wird zunächst der Begriff des prosozialen Konflikthandelns erläutert (1.1), bevor ich das menschliche Konfliktverhalten aus der Sicht außertheologischer Wissenschaften betrachte (1.2). Daraufhin stelle ich den wissenschaftlichen Verlauf eines Konflikts dar (1.3). Nachdem ich biblische Konflikte und deren Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt habe (1.4), gehe ich auf das prosoziale Konflikthandeln im Religionsunterricht ein (1.5).

Im zweiten Kapitel werde ich die wissenschaftlichen Aussagen anhand der Deskription einer Unterrichtsreihe in einer Religionsgruppe eines vierten Schuljahre pragmatisch beleuchten. Folgende Fragen werde ich dabei berücksichtigen:

6. Gelingt es, in einer Religionsgruppe innerhalb einer Unterrichtsreihe über prosoziales Konflikthandeln ein Konzept zur gruppeninternen prosozialen Konfliktlösung zu entwickeln?

7. Welche Konsequenzen hat die Arbeit am prosozialen Konflikthandeln mit Kindern für deren soziales Verhalten?

Zur Beantwortung dieser Fragestellungen werde ich zunächst auf die Situation in der Gruppe eingehen (2.1) und den Handlungsbedarf an prosozialen Konfliktstrategien aufzeigen (2.2). Anschließend werde ich den Verlauf der Unterrichtsreihe darstellen (2.3) und diese auswerten (2.4).

Die Arbeit ist nach den Regeln der neuen deutschen Rechtschreibung verfasst. Der besseren Lesbarkeit halber sind Zitate, die ursprünglich der alten Rechtschreibung entsprechen, den neuen Regeln angepasst. Ebenfalls aus Gründen der Lesbarkeit verwende ich bei Personenangaben die männliche Form, die jedoch beide Geschlechter in gleicher Weise einschließt.

1. Theoretische Ausführung über prosoziales Konflikthandeln

1.1 Begriffsbestimmung

Das prosoziale Konflikthandeln beinhaltet drei zu klärende Begriffe: ,,Handeln", ,,prosozial" und ,,Konflikt". Eine einfache Übersetzung der Begriffe halte ich an dieser Stelle nicht für ausreichend, so dass ich die Bedeutung der Termini ausführlicher darstellen werde.

1.1.1 Handeln ist Verhalten mit Sinnabsicht

Handeln muss im Unterschied zum Verhalten gesehen werden. Während Verhalten unüberlegt und spontan ist, geschieht Handeln bewusst, überlegt, zweckgerichtet, wertorientiert, kontrolliert und aktiv. Durch die Fähigkeit Verhalten zu reflektieren, entsteht bewusstes Handeln.8 Folglich nennt Egon Spiegel ,,Handeln das Verhalten mit Sinnabsicht"9. Handeln kann bewusst unterlassen oder eingesetzt werden. Zudem kann zum Handeln aufgefordert werden bzw. kann dieses bewusst beeinflusst werden. Daher kommt Klaus Schaller zu dem Entschluss, dass ,,Menschen (...) nicht darauf festgelegt (sind) nur auf Verhaltensebene zu leben, sondern Qualität auf Handlungsebenen (...) zu steigern"10 fähig sind.11

1.1.2 Konflikte sind Chancen

In der Literatur finden sich zahlreiche Definitionen und Bestimmungen über den Konfliktbegriff. Daher möchte ich mich auf Ausführungen über soziale Konflikte beschränken, die eine Übersicht geben sollen:

Bei einem Konflikt12 handelt es sich um eine Interaktion zwischen mindestens zwei Personen oder Instanzen, in denen wenigstens eine von beiden eine Beeinträchtigung erfährt und darauf reagiert.13 Friedrich Glasl definiert den sozialen Konflikt folgendermaßen: ,,Ein sozialer Konflikt ist eine Interaktion zwischen Akteuren (Individuen, Organisationen, Gruppen), wobei wenigstens ein Akteur Unvereinbarkeiten im Denken, Vorstellen, Wahrnehmen und/oder Fühlen und/oder Wollen mit dem anderen Akteur in der Art erlebt, dass im Realisieren eine Beeinträchtigung durch einen anderen Akteur erfolgt."14

Diese Unvereinbarkeiten sind in der Regel zunächst allgemeiner Art, werden aber nach Faller im Laufe des Konflikts immer konkreter.15

Ein Konflikt beinhaltet Komplikationen bzw. Beeinträchtigungen, die rasch zu einem Streit ausarten. Der Duden setzt den Begriff Konflikt mit dem Begriff Streit gleich.16 In dieser Arbeit ist aber nicht ,,von seinen bekannten Fehlformen, von gehässigen Auseinandersetzungen, in denen bloß negative Gefühle zutage treten werden"17 die Rede, sondern die Ausführungen Glasls halte ich als Erläuterung des Begriffes Konflikt für treffender. ,,Nein, es soll gesprochen werden von einer guten und förderlichen Weise, wie man sich entstandenen Konflikten stellt und um Lösungen bemüht sein kann."18

Demnach gehe ich im Rahmen dieser Arbeit von einem positiven Konfliktbegriff aus.19 Das bedeutet, dass Konflikte nicht mit Streit gleichgesetzt, sondern zunächst als konstruktiv und fruchtbar wahrgenommen werden. Im Zusammenleben der Menschen sind Konflikte etwas Normales. Sie treten zwangsläufig auf und liegen in der Natur des Menschen.20 Konflikte sind Indikatoren dafür, dass etwas in der Beziehung zwischen Menschen oder Gruppen nicht stimmt und bieten somit die Möglichkeit zur Entwicklung und Verbesserung der gegenseitigen Beziehung. Folglich ist ein Konflikt also zunächst etwas sehr Positives.

Problematisch sind im Konfliktgeschehen ungelöste Konflikte, ,,die zwar oft in harmlosen Meinungsverschiedenheiten ihren Ursprung haben, aber derart eskalieren können, dass die Beteiligten sehr darunter leiden und keinen Ausweg mehr finden."21 Sie bergen die Gefahr in sich, dass Streit entsteht. Darüber hinaus ist die Art und Weise des Umgangs mit Konflikten häufig prekär.22 Dementsprechend versuchen die Beteiligten oft, Konflikten auszuweichen, da sie von vielen Menschen als störend, bedrohlich, destruktiv und schmerzvoll erlebt werden. Ist dies nicht möglich, eskalieren Konflikte oft in Auseinandersetzungen.

Alternativen zu diesem Weg und der Weg des positiven Konfliktes sollen in dieser Arbeit aufgezeigt werden.

1.1.3 Prosozial - bewusst für die Gemeinschaft

Prosozial geht einher mit dem Agieren für die Gemeinschaft, für andere. Darin steckt die Übernahme von Verantwortung für sich und für die Mitmenschen.23,,Sobald Handeln auf das Verhalten anderer bezogen ist und daran in seinem Ablauf orientiert ist, handelt es sich um ein soziales Handeln."24 Folglich ist jedes Handeln in der Interaktion zweier oder mehrerer Menschen sozial. Ist dieses nicht erzwungen und dient dieses der Beziehung der agierenden Personen, kann man nach Wolfgang Friedelmeier vom prosozialen Handeln sprechen.25 Prosoziales Konflikthandeln ist demzufolge bewusstes, zielorientiertes Bearbeiten von zwischenmenschlichen Störungen, die als Chance zur Besserung der gegebenen Situation genutzt werden.

1.2 Konfliktbetrachtung

Das Phänomen Konflikt ist sehr weit gefächert. Nachdem ich vorab den Begriff erläutert habe, soll er im Folgenden aus soziobiologischer und philosophischer Sicht beleuchtet werden, um die Normalität von Konflikten herauszustellen.

1.2.1 Der Kampf ums Dasein?

Die biologische Untersuchung menschlichen Sozialverhaltens beruht weitestgehend auf der Evolutionstheorie Darwins, deren Kernaussage mit dem Satz ,,Survival of the fittest" beschrieben wird. An seine Theorie des ,,Kampf(es) ums Dasein" knüpft die Soziobiologie an, die vermutet, dass der Mensch zum egoistischen Verhalten determiniert wird.26 Somit ergibt sich für den Menschen Egoismus als einzige Möglichkeit zur Durchsetzung. Der Starke, der Egoistische und Mächtige kann sich durchsetzen, ist überlebensfähig und sicher. Der Schwache ordnet sich oder geht gar gänzlich unter. Bedient sich demnach jeder dieses Verhaltensmusters des ewigen und dauernden Konfrontierens und Drangsalierens, ist das Chaos und demzufolge eine reiche Konfliktlandschaft, gesäumt von Aggressivität und Gewalt, eine Art Naturgesetz des Miteinanders. Folglich ist der Konflikt im Miteinander von Lebewesen - gleich ob Mensch oder Tier - unabdingbar, allgegenwärtig und offensichtlich, wobei davon auszugehen ist, dass Aggressivität dem Menschen angeboren ist. Untersuchungen mit taubblinden Kindern zeigten, dass diese im gleichen Maß Aggressionen aufwiesen wie gesunde Kinder, die derartige Verhaltensweisen durch Modelle gesehen oder gehört haben können.27 Unterstützend wirken dazu Konrad Lorenz Aussagen, der dem Menschen, so wie dem Tier, gar einen ,,angeborenen Mörderinstinkt"28 zuspricht. Thomas Hobbes kommt zu der Annahme, der Mensch führe ein Leben ,,beständigen rücksichtslosen Kampfes"29.

Zu beachten ist, dass Darwins Theorie weitgefasster zu sehen ist als die Kernaussage ,,Survival of the fittest" zunächst besagt und als in der Vergangenheit oft vermutet wurde. Oft wird dieser Kampf ums Dasein als gewalttätiger Kampf verstanden und mit Aggressionen gleichgesetzt.30 Darwin selber vermerkte, dass seine Lehre nicht im zu engen Sinne verstanden werden darf, sondern im übertragenen Sinne als ökologische Abhängigkeit und Konkurrenz um Lebensbedingungen betrachtet werden muss.31,,Die Evolution der Organismen erfolgte vielseitiger und fantasievoller als nur in aggressiven Auseinandersetzungen. Wie ebenfalls Darwin herausstellt, gibt es neben der Konkurrenz auch Beziehungen mit wechselseitigem Nutzen (Symbiosen)."32 Trotz der unübersehbaren Gewalttätigkeiten und Friedlosigkeit unserer Zeit soll aber betont werden, dass der Mensch nicht zur Aggression verdammt ist. Er ist nicht von Natur aus gut, aber er kann prosozial handeln. So teilen zahlreiche Lebewesen aus Tier- und Menschenwelt denselben Lebensraum und verfolgen als Koexistenzen das Prinzip des Zusammenlebens, der auch durch gemeinsamen Nahrungserwerb und Nahrungsteilung in Gruppen gekennzeichnet ist. Die Regeln der Nahrungsteilung erforderten Intelligenz, die die Entwicklung von Sprache und Symbolen gefördert haben können.33

Als Ergänzung zu der bekannten Theorie Charles R. Darwins hat der Biologe Peter Kropotkin die gegenseitige Hilfe und deren Ausmaße unter Lebewesen untersucht. Er betont die enorme Bedeutung der gegenseitigen Hilfe und Unterstützung in der Tier- und Menschenwelt. Nur diese nämlich kann der Erhaltung der jeweiligen Art dienen. ,,Alle organischen Wesen haben zwei wesentliche Bedürfnisse: das der Ernährung und das der Fortpflanzung der Art. Das erste bringt sie zum Kampf (...), während das Bedürfnis, die Art zu erhalten, sie zu gegenseitiger Annäherung und Unterstützung bringt."34 Kropotkin stellt also fest, dass in Tier- und Menschenwelt gleichermaßen prosoziales Handeln zum Zwecke der Selbsterhaltung herrscht.

Der Biologe Owen Lovejoy stellt einen Zusammenhang zwischen (pro-) sozialem Verhalten der Urmenschen und der Entwicklung zum aufrechten Gang her. Er schlussfolgert, dass die Hände nicht mehr für den Einsatz zur Fortbewegung frei waren und die Menschen diese benötigten, um darin Nahrungsmittel für die Mitmenschen zu sammeln und diese mit ihnen teilen zu können. Der Mensch beginnt demnach aufrecht zu gehen um teilen zu können.35

Anders: Die Evolution stellt sich auf die Notwendigkeit oder das Bedürfnis des Menschen ein, prosozial handeln zu können.

Die Soziobiologie beleuchtet also zwei Fassaden des Sozialverhaltens der Lebewesen: Zum einen die Notwendigkeit und Zwanghaftigkeit des stetigen Konkurrierens und Konfliktverhaltens. Dieses ist nötig um sich durchsetzen zu können, um in gewissen Situationen überleben zu können.36 Zum anderen muss das Lebewesen zum Zwecke der Erhaltung seiner Art prosozial handeln. Andernfalls würde es rasch das Ende einer Gattung bedeuten - würde diese sich im ewigen Kampf ums Überleben bald ausrotten.

Biologisch betrachtet ist folglich der Konflikt ein urmenschliches Ereignis. Jedoch liegt auch prosoziale Handeln in der Natur des Menschen.

1.2.2 Homo homini lupus?

In der Philosophie stellt sich seit jeher die Frage, ob der Mensch als friedfertiges oder aggressives, kriegerisches Wesen gilt. Gehören Streit und kriegerische Auseinandersetzungen zum Menschen, ist er von einem urinneren Aggressionstrieb gesteuert, so dass dieser das menschliche Verhalten und Handeln bestimmt? Diesen Fragen werde ich nachgehen, um herauszustellen, ob der Mensch aus philosophischer Betrachtungsweise überhaupt zum prosozialen Konflikthandeln befähigt ist.

In verschiedenen philosophischen Abhandlungen wird die Theorie verfolgt, dass Menschen zum sozialen Handeln, zum Frieden überhaupt nicht fähig sind. Im 17. Jahrhundert war es der englische Staatsphilosoph Thomas Hobbes, der den Menschen den Trieb zur Selbsterhaltung durch asoziales, machtgieriges Verhalten zuschrieb. Kennzeichnend dafür ist der Satz: Homo homini lupus - Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf. Nach Hobbes kann der Kampf aller gegen alle nur dann vermieden werden, wenn die Macht auf ein Individuum übertragen wird und dieses mit Hilfe einer Staatsordnung den Frieden erzwingen und sichern kann. So kann demnach nur der Staat den dauerhaften Frieden sichern, der mit absoluter Macht und struktureller Gewalt37 zum Wohle seiner Untertanen die Einhaltung jener natürlichen Gesetze erzwingt, die der Vernunft entsprechen. Somit billigt Hobbes den Einsatz von Gewalt, Repression und Bevormundung nicht nur, sondern macht ihn zwingend, da von Natur aus ein soziales und friedliches Miteinander der Menschen nicht möglich ist.38 Er versucht seine Thesen anhand der Realität zu beweisen: Jedermann könne ja das ungesellige Verhalten der Menschen untereinander sehen. Bei Bürgerkriegen trete der Naturzustand des Menschen wieder ein.39

Ein anderes, positiveres Bild vom Sozialverhalten des Menschen schildert John Locke. Er geht von der Freiheit, Gleichheit und Unverletzlichkeit von Person und Eigentum als den obersten Rechtsgütern aus. Ihr Bestand war im Naturzustand des Menschen nicht garantiert. Die Menschen aber haben sich gegen die Gefahr eines allgemeinen Kriegszustandes durch eine politische Gemeinschaft gesichert, die auf allgemeiner Zustimmung beruht und die einen obersten Richter, als Monarch oder in demokratischer Vertretung, stellt. Die Umsetzungsform ist jedem Volk selbst überlassen, wobei es notfalls einen Tyrannen beseitigen darf, wenn er sich mit seinem Volk im Kriegszustand befindet - im Vertrauen auf einen himmlischen Richter könne dies gerechtfertigt werden. Diese bürgerlich-liberale Idee eines Staates sollte das heutige Demokratieverständnis enorm mitbestimmen.40

Noch weiter geht der Philosoph Jean-Jaques Rousseau, der einen glücklichen naturhaften Urzustand der Menschheit konstruiert. Übel wie Krieg und Konflikte entspringen der Zivilisation. Aus Protest gegen die Aufklärung mit dem Glauben an Vernunft und Fortschritt entwirft er in dem Roman ,,Emile ou de l´education" sein Prinzip der negativen Erziehung, jene natürliche spontane Entwicklung des Kindes zum Guten. Eine Rückkehr zum glücklichen Urzustand des Menschen ist kaum mehr möglich. Darum haben die ursprünglich freien und gleichen Naturmenschen freiwillig und unterschiedslos ihren Einzelwillen in den Dienst des Gemeinwohls gestellt und somit einen Staatskörper mit einem Gemeinwillen gebildet. Damit hofft Rousseau eine Form des Zusammenlebens zu finden, die auf der Moral des freien Willens gründet und die getragen bleibt von der Hoffnung auf jenen glücklichen Naturzustand von Freiheit, Unschuld und Toleranz.41

Zu sehen ist, dass die Meinungen über die Natur des Menschen, über soziales und asoziales Handeln auseinandergehen. Anknüpfend an die soziobiologischen Ausführungen verlaufen die philosophischen, als ein ganzes betrachtet, parallel. Krieg, Unfrieden, Streit und Konflikte sind den Menschen ureigen, doch er ist ebenso zum sozialen Handeln befähigt.

1.3 Konfliktanalyse

,,Wir sind von Konflikten umgeben. Nicht nur in der Außenwelt, auch in uns Menschen laufen Konflikte ab. Offene, verdeckte, auflösbare, unerkannte, nicht behandelbare, verleugnete, mit aller Kraft ausgefochtene - im Beruf, zu Hause, im Wachbewusstsein und sogar in unseren Träumen."42

Das Konfliktphänomen lässt sich grundsätzlich in drei Phasen einteilen, die im anstehenden Diagramm über den Konfliktverlauf im weiteren Sinne dargestellt und im folgenden Verlauf analysiert werden, um zu verdeutlichen, inwiefern prosoziales Konflikthandeln das Konfliktgeschehen beeinflussen kann.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 143: Konfliktverlaufskurve nach Peschanel

Die in Abb. 1 zu sehende Kurve ist eine Intensitätsskala des Konfliktes. Während die Auseinandersetzung wenig intensiv beginnt und kaum sichtlich ansteigt, schießt die Intensität des Konfliktes in die Höhe, wenn der manifeste Konflikt beginnt. Auf ihrem Höhepunkt ist die Bereitschaft der Konfliktparteien zum Gewalteinsatz sehr hoch, wobei die Gewalt physisch oder verbal sein kann. Ist die Gewalt überwunden, ebbt der Konflikt rasch ab. Diese drei Kategorien beschreiben den Verlauf eines Konfliktes im weiteren Sinne, sind aber nicht obligatorisch.

Ein Stimulus löst einen Konflikt aus, ein Konflikt entsteht folglich und kann als latenter Konflikt existieren. Durch präventive Maßnahmen kann es bereits in dieser Vorphase zu einer Lösung kommen, noch bevor sich ein manifester Konflikt entwickelt.

Während des Konfliktverlaufs im engeren Sinne ist der Konflikt manifestiert. Die Problematik zwischen den Konfliktparteien ist offensichtlich, massive Beeinträchtigungen treten nach der Definition von Glasl44 zu diesem Zeitpunkt auf. Manifeste Konflikte gipfeln in einer Eskalation. Diese kann gewalttätig sein, da die Gewaltbereitschaft im Verlauf des Konfliktes am höchsten ist (im Schaubild durch den Stern gekennzeichnet). Durch Schlichtungsmaßnahmen wie Mediation, Verhandlungen und konfliktlösende Fähigkeiten wie Kooperations-, Kommunikations-, und Empathiegeschick, aber auch durch Selbstwert und Gemeinschaftsfähigkeit kann der Konflikt in dieser Phase beendet werden. Kann es nicht zu einer Lösung kommen, ebbt der Konflikt ab.

Es kommt zum Lösungsprozess. Der verläuft entweder unkonstruktiv, sprich als stillschweigende Ruhephase, so dass es durch den nächsten Stimulus zum Neubeginn des Konfliktes kommen kann.45 Oder aber der Konflikt wird durch eine konstruktive Lösungsfindung abgeschlossen.

Das Diagramm veranschaulicht ergo einen möglichen Konfliktprozess, in dem es bis zur Eskalation zu keiner Lösung kommt, so dass erst nach der Eskalation der Konflikt gelöst werden kann. Wie oben dargestellt sind jedoch vorzeitige Lösungsmöglichkeiten zu beachten. Zu jedem Zeitpunkt kann der Konflikt gelöst werden. Daher hat folgende Graphik Gültigkeit:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Diagramm der Konfliktverlaufsmöglichkeiten

Im folgenden werde ich mich unter besonderer Berücksichtigung von Konflikten unter Kindern mit der Entstehung von Konflikten, auf den Konfliktverlauf im engeren Sinne und auf den Lösungsprozess konzentrieren, wobei berücksichtigt werden muss, dass der Lösungsprozess (gemäß dem Diagramm der Konfliktverlaufmöglichkeiten, Abb. 2) nicht erst in der letzten Phase, sondern zu jedem Zeitpunkt des Konfliktverlaufs durch Elemente des prosozialen Konflikthandelns eintreten kann.

1.3.1 Entstehung von Konflikten

Für eine genauere Analyse der Entstehung von Konflikten ist es im Zusammenhang dieser Arbeit sinnvoll, zwischen Konflikten unter Jungen und Mädchen zu unterscheiden, so dass ich mich im Folgenden auf diese konzentrieren werde. Abzugrenzen sind diese Kinder-Konflikte von Erwachsenen-Konflikten46 und Eltern-Kinder-Konflikten.47

Ein Konflikt entsteht, wenn zwei Parteien Differenzen bezüglich ihres Verhaltens oder Handelns, ihrer Vorstellungen oder Werte haben. Den Stimulus für einen Konflikt stellen Unvereinbarkeiten dar. Dies können unterschiedliche Meinungen, Wünsche, Interessen, Sympathieempfindungen oder dergleichen mehr sein.48 Ein Konflikt beginnt bereits dann, wenn eine Partei die Verhaltenstendenzen der anderen Partei für inkongruent hält.49 Zunächst entwickelt sich ein latenter Konflikt. Die Störungen der Konfliktparteien sind in dieser Vorphase des Konfliktes offensichtlich, allerdings muss der tatsächliche Konflikt zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausbrechen.

Es ist nicht erforderlich, dass die konfliktauslösenden Stimuli sich tatsächlich nicht vereinbaren lassen, sondern ausschlaggebend ist, dass zumindest eine der Parteien der Meinung ist, sie ließen sich nicht vereinbaren. Dass die von den beteiligten Parteien als unvereinbar wahrgenommenen Verhaltenstendenzen Außenstehenden als relativ leicht vereinbar erscheinen, dürfte ein häufig anzutreffender Fall sein. Besonders oft tritt dieses Phänomen bei Kinder-Konflikten auf, die von Erwachsenen als Lappalien abgetan werden. Die Unvereinbarkeit von Verhaltentendenzen im Konflikt ist also kein objektives, sondern ein subjektives Phänomen.50

Bei Betrachtung von Kinder-Konflikten ist feststellbar, dass diese häufig auf einer gereizten Grundstimmung und einer niedrigen Frustrationstoleranz basieren. Kleinigkeiten können Kinder kurzzeitig aus der Haut fahren lassen und sie unsagbar reizen.51 Zudem ist oft eine Unfähigkeit zu beobachten, auftretende Spannungen zu ertragen, ohne diese umgehendst mit Reaktionen, meist mit Aggressionen zu verarbeiten.52 Folgende Auslöser führen bei Kindern möglicherweise zu Konflikten:

- Dinge eines anderen nehmen, ohne zu fragen
- Jemanden ohne oder mit Absicht stoßen oder berühren
- Gegenseitiges ,,Nerven"
- Vorsätzliches Wehtun
- Drangsalieren
- Hänseln und Beleidigen
- Andere verstoßen und nicht dabei haben wollen

Zwei Beispiele für ,,typische" Kinderkonflikte möchte ich darstellen:

Bsp. 1: Beim täglichen Mittagessen in der Schule berührt ein Schüler seinen Tischnachbarn wiederholt mit der Gabel am Arm. Zwar führt der Schüler seinem Mitschüler keine Schmerzen zu, aber dieser ist sehr erbost und es kommt zu einem handfesten Konflikt.

Bsp. 2: Bei demselben Mittagessen kommt es am Nachbartisch zu einem Konflikt, weil ein Mädchen seine Mitschülerin, die für das Auf- und Abdecken dieses Gruppentisches verantwortlich ist, ,,lahm" nennt. Die Beschimpfte bricht in Tränen aus und kontert mit den übelsten Schimpfwörtern.53

Zu unterscheiden ist bei diesen Auslösemomenten zwischen dem Verhalten von Jungen und Mädchen. So sind die gewalttätigen Aktionen, wie gezieltes Wehtun, eher jungentypisch, während Mädchen verstärkt auf der verbalen Ebene agieren. ,,Wie unterschiedlich Mädchen und Jungen (...) Konflikte (beginnen) zeigte sich in einer 3. Klasse, als wir die Kinder darum baten, in Rollenspielen Stärke und Schwäche darzustellen. Zwei Jungen spielten, wie sie einen Dritten drängten und bedrohten. Zwei Mädchen machten sich über eine dritte Schülerin lustig. Die Dynamik bei den Rollenspielen war die gleiche: Man fühlt sich stark, wenn man (gemeinsam) andere bedrängt. Die Mädchen bedrängten aber ausschließlich verbal, die Jungen verbal und physisch."54

Jamie Walker schreibt, Mädchen scheinen weniger Konflikte zu haben als Jungen. Diese Annahme stellt sich allerdings als falsch heraus, sobald die Art des Provozierens und Agierens der Mädchen unsichtbarer und indirekter sind als die offen ausgetragenen Raufereien der Jungen.55 Konflikte bei den Mädchen entstehen, um Freundschaften verdeckt zu bestätigen. Dies geschieht beispielsweise durch das Aufnehmen und Ausschließen in bzw. aus Gruppen. Nicht selten geht es dabei um die Herstellung einer Rangordnung.56

Auch Jungen geht es beim Anstiften zu Konflikten oft um die Herstellung oder Bestätigung einer Rangordnung, die auf Macht in Form von physischer Stärke beruht. Die Auseinandersetzungen werden nicht nur von Stärkeren, sondern auch von Schwächeren innerhalb und außerhalb der Klasse gesucht.57

Intergeschlechtliche Konflikte werden in der Regel durch das Verhalten von Jungen verursacht. Walker hat beobachtet, dass sie Mädchen, in der Schule aus der eigenen Klasse ebenso wie aus anderen Klassen, angreifen. Auch hierbei geht es um die Herstellung einer Rangordnung, ,,bei der das Männliche grundsätzlich höher bewertet wird als das Weibliche".58 Diese Konflikte werden nicht selten durch verbale und auch körperliche Belästigungen initiiert.59

Kommt es bereits in der latenten Konfliktphase zu einer Klärung, kann der Konflikt gelöst werden. Verschiedene Präventionsmaßnahmen wie die Förderung prosozialer Verhaltensweisen, vertrauensbildende Maßnahmen oder Anti-Aggressionsstrategien sind Wege, den latenten Konflikt konstruktiv zu bearbeiten.

Folgende Schlussfolgerungen ergeben sich aus diesen Ausführungen:

1. Kinder-Konflikte können - aus Erwachsenen-Sicht - durch minimale Anlässe und Kleinigkeiten ausgelöst werden.
2. Diese Anlässe sind sehr vielfältig, haben aber gemein, dass eine der Konfliktparteien sich beeinträchtigt bzw. gestört fühlt.
3. Jungen und Mädchen agieren bei konfliktauslösenden Momenten nicht kongruent.

a) Mädchen agieren vornehmlich verbal.
b) Jungen agieren verbal und physisch.

1.3.2 Möglicher Konfliktverlauf

Um die Möglichkeiten des positiven Konfliktverlaufs und der anstehenden Lösungswege von Konflikten zu unterstreichen,60 werde ich, nachdem ich kurz auf die körperlichen Reaktionen in Konfliktsituationen eingehe, zunächst einen Konfliktverlauf nach der Konfliktverlaufskurve nach Peschanel (Abb. 1)61 aufzeigen. Bei den anstehenden Ausführungen handelt es sich um einen negativen Konfliktverlauf ohne vorzeitige Lösungsfindung. Der Verlauf kann allerdings zu jeder Zeit nach dem Diagramm der Konfliktlösemöglichkeiten (Abb. 2)62 mit einer Lösungsfindung abgeschlossen werden kann. Um die späteren Ausführungen über Konflikte in der Schule konkretisieren zu können, werde ich zwischen dem Konfliktverhalten von Jungen und Mädchen differenzieren.

1.3.2.1 Reaktionen als Beginn des Konfliktverlaufs

Eine Reaktion auf einen konfliktauslösenden Stimulus tritt in der Regel bereits nach 50 Millisekunden ein. Reaktive Verhaltensweisen können Flucht, Aggression oder, wenn beides aussichtslos erscheint, Paralyse sein. Erst nach 700 - 1000 Millisekunden tritt ein überlegendabwägendes Verhalten ein.63

[Abb. fehlt]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 364: Körperliche Reaktionen auf konfliktauslösende Stimuli nach Peschanel

Folglich ist ein direktes Handeln beim Eintreten des Konfliktes bzw. beim Auslösen noch nicht möglich. Bei der Art und Weise einen Konflikt zu bearbeiten ist nach Müller-Fohrbrodt eben diese kurzfristige inhaltliche Blockade genauso wie die durch den Stimulus verursachte gestörte Beziehung zwischen den Konfliktparteien von Bedeutung.65

Die erste Reaktion im Konflikt ist immer gefühlsmäßig-reaktiv. Erst dann wird das Verhalten überlegend- abwägend.

1.3.2.2 Streit - manifester Konflikt

,,Ihr seid Kinder Eures Vaters im Himmel. Diese Erinnerung ruft uns aus dem Streit heraus. Wer immer sich auf einen Streit einlässt und einen Konflikt austrägt, steht unter dem Gesetz der Vergeltung. Anders ist das Gleichgewicht im Streit nicht zu halten: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Wer sich aber dem Feind gegenüber auf das Gesetz der Vergeltung einlässt, der tritt in einen Teufelskreis ein, aus dem er nicht mehr entkommt. Er wird seinem Feind zum Feind und seinem Schrecken zur Abschreckung. Er bedroht, was ihn bedroht, und hasst, was ihn hasst. Er wird immer mehr durch den Feind geprägt (...)."66 Moltmann beschreibt einen negativen Konfliktverlauf in Sinne der Konfliktverlaufskurve nach Peschanel (Abb. 2). Die beteiligen Konfliktparteien lassen sich auf eine latente Auseinandersetzung ein. Bereits damit ist für Moltmann der manifeste Prozess der Vergeltung eingeläutet: Wer sich in einen streitigen Konflikt verwickelt, der muss in das Gesetz der Vergeltung einstimmen, um mit dem Gegner mitzuhalten und um überhaupt ein Gegner sein zu können. Moltmann fügt dabei das Bibelzitat ,,Auge um Auge, Zahn um Zahn" an, das eine weitverbreitete Konflikthaltung dokumentiert. Es beschreibt ein Mithalten, ein Hochschaukeln, ein Geben und Zurückgeben, ein Agieren und Reagieren der Konfliktparteien. Dadurch wird eine Entwicklung in Gang gebracht, ein Teufelskreis, der dem Streit freien Lauf gibt. Ein fortschreitender Eskalationsprozess setzt ein, der einen (gegebenenfalls gewalttätigen) Höhepunkt erfährt, da die Gewaltbereitschaft im Verlauf des manifesten Konflikts wächst.67,,Vom gesellschaftlich akzeptierten und als ausgereift empfundenen Streitlösungsverhalten über das Gespräch, das Verhandeln, das Austarieren der Interessen und über den Kompromiss geht der Weg zurück in frühere Phasen und deren Streitformen."68 Der Grund dafür besteht in der Unfähigkeit und auch Unwissenheit vieler, einen Konflikt mit Mitteln des individuellen Entwicklungsstandes zu lösen.69 Gemeint sind damit eigene soziale Kompetenzen wie Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit, die Bereitschaft empathisch zu denken, Gemeinschaftsfähigkeit und auch das Vertrauen auf eigene Stärken.70 Aus dem Konflikt, der unter Zugrundelegung des positiven Konfliktbegriffs eine Option zur Verbesserung der Situation gibt und ein Indikator für Störungen ist, entsteht ein Streit.71 Schlichtungsverfahren, wie die Mediation,72 die Option zu Lösung des Konflikts bieten, werden beim Konfliktverlauf ohne vorzeitige Lösungsfindung nicht genutzt, so dass der Konflikt in der manifesten Phase nicht beendet wird.

Glasl betont, dass mit Zuspitzung der Konfliktsituation ein Ableiten von einem Regressionsniveau zu einem noch niedrigerem Regressionsniveau stattfindet, einhergehend mit einer Verminderung der möglichen Handlungsalternativen.73,,Gleichzeitig gilt: Je mehr ein Konflikt sich ausweitet, desto geringer wird die Palette der Handlungsmöglichkeiten der Beteiligten."74 Die Zuspitzung findet in der Eskalation statt. Glasls Modell ergänzt die Ansätze von Moltmann und verfeinert die Konfliktverlaufskurve nach Peschanel (Abb. 2).75

Im Stadium des manifesten Konfliktverlaufes ist ein Konflikt aus der Perspektive einer Partei immer eine Störung. ,,Das macht verständlich, warum viele Menschen nach Möglichkeit versuchen, Konflikten aus dem Weg zu gehen. Das ist allerdings prinzipiell nicht möglich, da Menschen, wenn wir ihnen das Recht einräumen ihre Anliegen zu benennen, dabei auch immer wieder konfligierende Anliegen äußern werden. Ob die Störung und ihre Folgen klein gehalten werden kann, oder ob sich gar aus der Störung letztlich eine Chance für die zukünftige Interaktion der Parteien ergeben kann, hängt von der Art der Bearbeitung des Konflikts ab."76

Die manifeste Phase des Konfliktverlaufs beschreibt eine Vertiefung in die Konfliktsituation mit der eine Verminderung der Handlungsmöglichkeiten zur Konfliktlösung einhergeht. Daher kann es zur Eskalation kommen.

1.3.2.3 Geschlechtliche Differenzierung - Streiten Jungen mehr?

Wie bereits bei der Entstehungsanalyse aufgezeigt, bestehen auch im Konfliktverlauf elementare Differenzen zwischen dem Konfliktverhalten beider Geschlechter, wobei Jungen oft aggressiver als Mädchen reagieren. Mädchen sind weniger gewalttätig, sie beginnen zu petzen, zu schreien oder zu nörgeln. Ihre Aggressionen sind verdeckt und indirekt. Daher werden die Konflikte unter Mädchen objektiv wesentlich seltener wahrgenommen, als die der Jungen. Die Jungen schlagen, boxen, kratzen oder beißen eher.77,,Die Körper von Jungen sind besser zum Prügeln geeignet. Sie sind kräftiger, Muskeln und Fett sind anders verteilt, und sie haben einen anderen Hormonstoffwechsel. Heranwachsende Jungen haben fünf bis sieben Testosteronschübe am Tag, in der späten Pubertät kann der Testosteronspiegeln bei ihnen zwanzigmal so hoch sein wie bei gleichaltrigen Mädchen."78 Das Konfliktverhalten von beiden Geschlechtern hängt eng zusammen mit der sozialmoralischen Entwicklung derselben.79 Ein weiterer entscheidender Faktor für das Konfliktverhalten ist das soziale Klima, das zwischen den Parteien herrscht und das mit dem Vertrauensverhältnis der Parteien zusammenhängt. Unter Geschwistern werden ergo Konflikte anders ausgetragen als in der Clique, in der Schule anders als im Verein oder der Nachbarschaft. Wenn also das Konfliktverhalten verbessert werden soll, ist es wichtig, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. 80

Auch bei den später noch intensiver betrachteten Lehrer-Schüler-Konflikten81 und bei Erwachsenen-Kinder-Konflikten im Allgemeinen spielt das Geschlecht der Konfliktparteien ein Rolle: Männer haben es einfacher, sich Achtung zu verschaffen. Gründe sind die gesellschaftliche Vormachtstellung des Mannes und in physischer Hinsicht der in der Regel kräftigere Körperbau und die tiefere Stimme.82

Frauen haben vor allem mit ausländischen Jungen bei Konflikten enorme Schwierigkeiten, da diese an sich als Autoritätsperson in Frage gestellt werden. Im Generellen sind Frauen eher bereit, über Konflikte zu sprechen. Zudem legen sie viel Wert auf die Entwicklung eines positiven sozialen Klimas, so dass ihr Konflikthandeln häufiger prosozial orientiert ist als das der Männer.83

Zusammenfassend hängt der Verlauf eines Konfliktes demnach von dem Geschlecht der Konfliktparteien ab. Frauen agieren in Konflikten eher verbal, Männer eher physisch. Zudem ist das Vertrauensverhältnis zwischen den Konfliktparteien relevant. Je besser das Vertrauensverhältnis ist, desto größer ist die Option, den Konflikt konstruktiv lösen zu können.

1.3.3 Lösungsmöglichkeiten von Konflikten

,,Aus solchen Teufelskreisen wird man nur befreit, wenn die Orientierung am Gegner aufhört und ein anderer wichtiger wird. Ihr seid Kinder Eures Vaters im Himmel. Das ist die neue Orientierung. Es klingt zwar nach kindlicher Geborgenheit und Harmonie, ist hier aber ganz wörtlich zu nehmen. Seid ihr Kinder des himmlischen Vaters, dann löst euch aus der Feindschaft und richtet euch allein nach ihm! Entwürdigt euch nicht länger. Verliert euch nicht in der Feindschaft. Ihr habt noch eine Bestimmung und ein anderer sorgt für euch."84

Moltmann spricht sich für eine Neuorientierung im Konfliktverhalten aus, für einen Ausbruch aus und einer Alternative zu dem bekannten und verbreiteten Eskalationsweg. Dabei plädiert er auf das Vertrauen auf Gott. Dies soll auch in dieser Arbeit der Leitfaden der Konfliktlösungen sein: Das Vertrauen auf Gott, das Vertrauen auf die Kraft der Wahrheit und Nächstenliebe, auf Ideenreichtum und schöpferisches Handeln.85 Dieses sind die Grundvoraussetzungen für den im Folgenden vorgestellten Weg des konstruktiven Konfliktlösens. Nachdem ich einen Konfliktverlauf ohne vorzeitige Lösungsfindung beschrieben habe, will ich nun auf mögliche Lösungswege von Konflikten eingehen, die den bisher beschriebenen Verlauf durchbrechen können. Die zentrale Rolle spielt dabei die göttliche force vitale, auf die ich mich zunächst konzentrieren werde.

1.3.3.1 Die force vitale als friedensstiftendes Konfliktmoment

Die force vitale ist das Wirken einer Macht, ,,die Menschen in allen Kulturen und durch alle Zeiten hindurch als friedenstiftend, als göttlich vorgegebenes Fundament gewaltfreien Zusammenlebens erfahren durften"86. Demnach ist es zweckmäßig und bedeutungsvoll, das Wirken der force vitale in den Zusammenhang des prosoziales Konflikthandelns zu stellen und zu untersuchen:

,,Die Aufmerksamkeit im Rahmen dieses Unternehmens gilt Erfahrungen und Experimenten, die offensichtlich nicht ohne das Axiom einer Dritten Macht, einer geheimnisvoll wirkenden göttlichen Größe zu denken sind (...) An vielen Orten und in vielen Bereichen (...) wird bereits von der Voraussetzung einer göttlichen, lebensstiftenden Größe her gedacht und gehandelt (praktisch also: ,,gegottet") (...), ohne dass die dort favorisierten Versuche gewaltfreien Zusammenlebens ausdrücklich auf eine göttliche Macht hin reflektiert werden."87 Zum individuellen Entdecken dieser force vitale kann es durch die bewusste Wahrnehmung positiver Erfahrungen im Miteinander kommen, aus dem die Frage nach Gott entsteht und Gott als Macht in Beziehung wirkt, wobei nicht Gott als Du, sondern Du als Gott vorausgesetzt wird.88 Wie kann sich also diese force vitale auf das Konflikthandeln im Alltag auswirken? Verdeutlicht werden soll diese Frage zunächst mit Hilfe eines Schaubildes nach Egon Spiegel.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 489: Konfliktverhalten ohne Vertrauen auf die force vitale nach Spiegel

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 590: Konflikthandeln mit Vertrauen auf force vitale nach Spiegel

Der in der Darstellung des Konfliktverhaltens ohne Vertrauen auf die force vitale (Abb. 4) veranschaulichte Fall verdeutlicht das von Moltmann gezeigte gewalttätige Konfliktlöseverhalten. Die Konfliktparteien versuchen sich zu überzeugen, zu überreden, sich gegenseitig die aus ihrer Sicht richtige Lösung eines Konflikts beizubringen. Dies kann gegebenenfalls auch mittels Gewalt (sei diese nun verbal oder gar physisch) geschehen. Sie stehen ,,unter dem Gesetz der Vergeltung. Er wird immer mehr durch den Feind geprägt (...). "91

In der Darstellung des Konflikthandelns im Vertrauen auf die force vitale (Abb. 5) tritt ,,mindestens eine Partei (hier B) bewusst zurück, senkt ihre Arme ab und schafft dadurch ein Vakuum und darin einen Handlungsspielraum für eine ,,dritte Macht". Damit ist im Grunde das zentrale Prinzip gewaltfreien Handelns, die unverzichtbare theo-anthropologische bzw. sozio-theologische Grundlage gewaltfreier Aktion beschrieben."92 Natürlich ist das Absenken der Arme als Bild zu sehen. Gemeint ist das Zurücknehmen vom Überzeugen, Überreden und Aufzwingen.

Das prosoziale Konflikthandeln ist ein Weg, die force vitale walten zu lassen, da beim konstruktiven Konfliktlösen gemeinsam die Lösung des Konfliktes gesucht wird, sobald eine Konfliktpartei im Stande ist, den Konfliktvorgang im Vertrauen auf die göttliche dynamis zu unterbrechen und die Auseinandersetzung prosozial zu behandeln. Der Streit wird nicht nur unterbrochen, sondern vor seiner Entstehung kann er im Idealfall vorgebeugt werden. Es besteht Platz für die Möglichkeiten des prosozialen Konflikthandelns. Die Wege der konstruktiven Konfliktlösemöglichkeiten, ein bereitwilliges Annehmen der Störungen, die ein Konflikt aufzeigt, das Gespräch über die Emotionen bei diesen Störungen, das Recht des Wortes für jeden Teilnehmer an der Konfliktrunde, Chancen zu Kommunizieren,93 eine gemeinsame Reflexion des Konfliktes und schließlich die kollektive Lösungssuche mit der Möglichkeit für Humor und der Chance auf eine Besserung der Lage, ein Vertrauensverhältnis untereinander und Toleranz füreinander ,,tragen grundlegend dazu bei, dass in (einer Gemeinschaft) die schalomstiftende force vitale hineinzuwirken vermag, ja sind bereits selbst Werke jener geheimnisvollen dynamis, von der Menschen in ihrer jüdischen Muttersprache prägnant und bündig sagen: JHWH, d.h. sie ist da."94 Die beziehungsstiftende force vitale wirkt konfliktlösend, wenn sich eine Partei im Konflikt bewusst zurücknimmt und der göttlichen dynamis Raum gibt, so dass der Konflikt prosozial behandelt werden kann.

1.3.3.2 Umsetzungswege force-vitale-geleiteten Konfliktlösens

Bisher verbreitete traditionelle Konfliktlösestrategien sind vielfach Zwangs-, Einschüchterungs- und Drohstrategien. Selbige wollen erzwingen, dass Gegner unter Ankündigung von Sanktionen ihre Feindseligkeiten einstellen. Beliebt sind Strafen, Appelle an ethische Werte, Trennung der Konfliktparteien oder Tätigung gemeinsamer Aufgaben. ,,Diese Sanktionen mögen zwar eine situative Abkehr von der offenen Konfliktaustragung bewirken, sie leisten jedoch keinen Beitrag, um die Konfliktursache zu bearbeiten."95

Um Konflikte als Chance und Option zur Besserung der Situation und der Beziehung zueinander nutzen zu können, helfen keine kurzfristigen Sanktionen. Noch nutzloser sind zusammenhanglose Strafen. Lediglich konstruktive Konfliktlösestrategien im Vertrauen auf die göttliche dritte Macht können helfen, Störungen in Beziehungen dauerhaft zu beheben. Konstruktiv heißt dann, Konflikte gemeinsam zu beschreiben, zu analysieren und zu lösen.96

Das konstruktive Konfliktlösen ist ein Weg des prosozialen Konflikthandelns, bei dem neue, z. T. unkonventionelle Strategien zum Schlichten und zum konstruktiven Nutzen des Konfliktes gefunden werden. Inwiefern diese angenommen werden können, ist allerdings stark abhängig von jeweiligen individuellen Konflikterfahrungen.97 Hat ein Mensch Konflikte in der Vergangenheit immer nur als etwas Negatives erlebt, fällt es diesem schwer, Konflikte positiv nutzen zu können, sie als Option zu erfassen. ,,Konflikte zuzugeben, ein heißes Eisen anzufassen fällt uns häufig schwer. Nicht eigentlich deshalb, weil wir es nicht wollten, es nicht für nützlich, ja notwendig erachteten, sondern einfach deshalb, weil wir darin so wenig Übung haben. Wir sind im Streiten etwas ungeschickt und auch wenig darauf vorbereitet. Unsere Erziehung hat uns nicht gerade zu eleganten Streitern herangebildet. Wie hieß es schon: Der Klügere gibt nach."98 Folglich beeinflusst dieses Wissen über Konflikte die Konfliktlösestrategien eines jeden.

Etliche Konzepte zur positiven, konstruktiven oder prosozialen Konfliktlöseverfahren sind in der Literatur zu finden: Kommunikations- und Mediatorenmodelle sowie Kooperationsprogramme.99,,Konflikt ist ein sehr vielfältiges Thema mit einer nicht übersehbaren und noch nie gezählten Anzahl von Facetten."100 Alle Konzepte vorzustellen würde den Rahmen sprengen und den Sinn der vorliegenden Arbeit verfehlen. Daher wird im Folgenden ein Modell zur Lösung persönlicher Konflikte beschrieben.101 Ich werde zunächst die Konfliktanalyse nach Gugel und Jacob vorstellen, um zu beschreiben, was beim Konfliktlösen geklärt werden soll. Danach gehe ich innerhalb der Konfliktbehandlungsstrategie auf die äußere Form des Konfliktlösens ein, um zu zeigen, wie Konflikte bearbeitet werden können. Bezug nehme ich dabei auf eine Methode von Walter Kern102 zum Umgang mit Konflikten auf der persönlichen Ebene sowie auf ein Konzept von Schwäbisch und Siems103 zur Konfliktbehandlungsanalyse auf Gruppenebene.

Ziel dieser Verfahren ist, sich friedlich zu einigen, um Konflikte einfach und rasch aber auch prosozial und konstruktiv bearbeiten zu können.104 Die Konfliktparteien sollen dem Konflikt nicht ausweichen, sondern mit dem Konflikt konstruktiv umgehen. Denn durch diesen kann das Verhältnis der Konfliktparteien wachsen und sie können voneinander profitieren.105,,Die Methode der (konstruktiven) Konfliktlösung geht davon aus, dass in jedem Mensch etwas Positives steckt, das ans Licht gebracht werden soll."106

Die Beweggründe zum prosoziales Konflikthandeln und somit eine konstruktive Konfliktlösung sind abhängig von Empathie, Sympathie und den Schuldgefühlen des Täters bzw. beider Konfliktparteien.107

Das folgende Modell setzt zunächst ein Verständnis und Bewusstsein der Konfliktparteien hinsichtlich der Thematik des Konfliktes voraus. Denn nicht selten sind die Konfliktsituationen derart verzettelt, dass im Verlauf der Auseinandersetzung der eigentliche Grund für den Konflikt sekundär wird. Eine Lösungsfindung ist also erst dann möglich, wenn die Teilnehmer sehen, worum es geht. Schwäbisch und Siems legen die gegenseitige Akzeptanz der individuellen Verschiedenheit beider Konfliktparteien und Verständnis für verschiedene Interessen zugrunde.108 Leitfaden für die konstruktive Konfliktlösung sollte sein, dass die Konfliktparteien oft bereits die Lösung in dem mitbringen, was sie erwarten.109

Für die Konfliktanalyse macht es Sinn, einige relevante Fragen im Hinblick auf den Umgang mit dem expliziten Konflikt bereits im Vorfeld zu klären, damit die Konfliktpartner schon vor dem Konfliktgespräch subjektiv zur Kenntnis nehmen, was die Kern- und Leitpunkte des Konflikts sind. Relevant für die Konfliktanalyse sind Fragen nach dem Wer, Wie, Was und Warum.110

Wer sind die Konfliktparteien, wie sind ihre Beziehungen zueinander, ihre Machtverhältnisse, Unterstützungen und Einflussmöglichkeiten? Wo gibt es bei den Parteien Gemeinsamkeiten, die ausgenutzt und aufgegriffen werden können? Wichtig sein kann auch die Übereinkunft über das Hinzuziehen eines Mediators als unabhängige Schlichterpartei, der den Konfliktparteien helfen kann, Lösungen zu finden und Wege zu vereinbaren, um diese einhalten zu können.111

Was ist der konkrete Streitgegenstand, der zur Entstehung des Konflikts führte? Ist dieser lediglich durch den Stimulus ausgelöst worden, oder bahnte derselbe sich bereits lange an? Lässt der Streitpunkt sich in Teilprobleme auflösen, die zusammen für den Konflikt verantwortlich sind? Was soll ganz konkret geklärt werden? Es ist zu unterscheiden, ob der ganze Konflikt oder ein Problem von vielen geklärt werden soll. Zu beachten sind zudem insbesondere die jeweiligen Interessen der einzelnen Konfliktparteien.

Der bedeutendste Punkt ist die Frage nach dem Wie. Zunächst muss selbstverständlich geklärt werden, wie der Konflikt überhaupt entstehen konnte. Anschließend sollten die Zielvorstellungen aller Parteien überdacht werden, so dass in diesem Zusammenhang über mögliche und sinnvolle Umsetzungsmöglichkeiten entschieden werden kann. Dazu ist es notwendig, einen gemeinsamen Weg zu finden: Es sollte gelingen, die Kommunikationskanäle112 der Konfliktparteien zu öffnen, so dass es zu einer symmetrischen und gleichwertigen Kommunikation kommen kann, die Formen der Kooperation113 zulässt und freilich auch fördert. Zu achten ist auf ein angemessenes Maß an Konfrontation, denn auch diese kann in gut dosierter Form durchaus hilfreich sein. Anhand dieser Wege und Anweisungen sollten die Parteien in der Lage sein, die möglichen Lösungen zu besprechen und den Konflikt konstruktiv zu nutzen.

Warum der Konflikt gelöst werden soll, ist verkoppelt mit der Frage, wodurch der Konflikt überhaupt entstanden ist. Eben diese Frage entscheidet, ob überhaupt Handlungsbedarf für die Konfliktlösung besteht. Dieser besteht nicht in jedem Fall. Vor allem nach Ablauf einer geraumen Zeitspanne macht es eventuell keinen Sinn mehr, den bereits vergessenen und unbedeutend gewordenen Konflikt zu lösen. Dies sollte demnach vorab überlegt werden.

Die W-Fragen sind relevant, da die konkrete Benennung des Konfliktes die Lösung vereinfacht. ,,Die Art und Weise, wie wir einen Konflikt definieren, steht in engem Zusammenhang damit, wie wir ihn lösen. Je genauer wir den Konflikt benennen, desto wahrscheinlicher werden wir eine Lösung für den Konflikt finden."114 Denn bereits diese gemeinsame Analyse kann der erste Schritt zur Konfliktlösung sein.115

Die Konfliktbehandlungsstrategie schließt sich an die Konfliktanalyse an. ,,Sind Konflikte ,,erkannt" bzw. ,,verstanden", besteht auch die Basis für gezielte Konfliktbehandlung."116 Voraussetzung für einen derartigen Konfliktlöseweg ist die Schaffung einer vertrauten Atmosphäre,117 wo der persönliche Wert eines jeden Individuums respektiert wird und soziale, kulturelle, religiöse und familiäre Hintergründe irrelevant werden, so dass jede Partei den Wunsch und die Fähigkeit hat, sich mitzuteilen und kritisch zu denken, um gemeinsam auf eine Lösung des Problems hinzuarbeiten. Elementare Bedingungen für diese Konfliktbehandlungsstrategie stellen Kommunikationsfähigkeit, Kooperationsfähigkeit, Empathie, Selbstwert und Gemeinschaftsfähigkeit dar.118 Folgende Handlungsanweisungen nach Walter Kern sowie Schwäbisch und Siems unterstützen die Umsetzung der konstruktiven Konfliktlösung und deren inhaltliche Fragen:

1. Der erste Schritt zum Umgang mit Konflikten besteht darin, das Problem sofort anzusprechen. Langes Abwarten, Taktieren oder Hoffen verstärkt oder verzerrt die Problematik unnötig. Daher ist es ratsam, möglichst bereits nach Eintritt der latenten Konfliktphase, sprich nach dem Stimulus, eine Gelegenheit zu schaffen, das Problem anzusprechen.

2. ,,Je mehr ich bei Konflikten von meinen Gefühlen und meinen Empfindungen spreche, um so besser lernt mich mein Gegenüber kennen und verstehen."119 Der Ausdruck der Emotionen ist bedeutungsvoll, um die Empathiefähigkeit der Zuhörer zu erhöhen.120 Zudem sollte der Sprecher in der Ich-Form reden, um selber intensiv über seine Gedanken und Gefühle bezüglich des Konflikts nachdenken zu können. Die Artikulation darf keinen Vorwurf beinhalten und ebenso wenig an das schlechte Gewissen der Gesprächspartner appellieren. Der Sprecher muss Farbe bekennen und artikulieren, was er erreichen möchte. Eigene Offenheit fördert die Offenheit anderer.

3. Danach kommt es zur additiven Nennung der verschiedenen Meinungen der Konfliktparteien bezüglich des Streitpunktes. Dies geschieht ohne jegliche Wertung.

Selbstverständlich sind Beschuldigungen und Verletzungen zu vermeiden. ,,Gegenseitige Vorwürfe bringen keine (...) Lösung des Problems, sondern verhärten die Fronten."121 Elementar ist, sich gegenseitig nicht zu unterbrechen.122 Dadurch kann jede Partei konzentriert die jeweiligen Belange artikulieren. Bezieht sich der Konflikt bzw. das zu besprechende Problem explizit auf eine Person, wird diese direkt angesprochen und dabei angeschaut.123

4. Hinzu kommt, dass eine gemeinsame Problemsicht gefunden werden sollte. Jede Konfliktpartei hat sich die Frage nach dem Was zu stellen: Was ist der konkrete Streitgegenstand? Es sollten subjektive und objektive Ursachen gesucht und darauf abzielt werden, das Problem aus der gleichen Perspektive zu betrachten. Dazu erhält Konfliktpartei A die Gelegenheit, seine Bedürfnisse weitergreifend zu erklären. Daran schließen sich Reaktionen des bzw. der anderen Beteiligten an. Dieser Schritt dient nach Schwäbisch und Siems keinesfalls bereits der Lösungsfindung. Er unterstützt lediglich das Hören und Verstehen des Konfliktthemas und dessen Hintergründe, Motive und Interessen.

5. Es folgt die Formulierung von Wünschen: Zunächst formuliert Konfliktpartei A, dem folgend das bzw. die andere(n) Mitglied(er), das Problem bzw. die Störung und den Ärger in Wünsche um. ,,Diese Wünsche müssen ganz konkret sein, so dass die anderen auch Stellung dazu nehmen können."124 Die Teilnehmer bringen oft schon die Lösung bereits in dem mit, was sie erwarten.125

6. Alle Mitglieder benennen spontan in einem Brainstorming die Lösungsmöglichkeiten, die ihnen einfallen. Dabei werden alle Lösungsmöglichkeiten aneinandergereiht, ohne dass sie auf ihre Praktizierbarkeit untersucht werden. ,,Es soll (...) kein Vorschlag kritisiert werden und so viele Vorschläge wie möglich aufgezählt werden. Diese können lustig oder unsinnig sein; dadurch wird die Phantasie angeregt. Die Gruppe erlebt, dass es auch bei unterschiedlichen Interessen entspannt zugehen kann - auf diese Weise können kreative Lösungen gefunden werden."126

7. Die Konfliktparteien bemühen sich, anhand der gesammelten Vorschläge, eine Lösung zu finden, die zufriedenstellend, im Idealfall sogar bereichernd ist. ,,Die Wahrscheinlichkeit für ,,gute" Lösungen ist jetzt recht groß, da die Gruppenmitglieder sich verstanden fühlen und im Laufe des Konfliktgespräches gemerkt haben, dass die anderen ihr Interessen wichtig nehmen und darüber nachdenken. Sie sind deswegen auch selbst bereit, sich auf Kompromisse zu einigen - zumal jetzt die sachlichen Gesichtspunkte realistischer aufgenommen werden können."127 Zudem fühlen Gruppenmitglieder, ,,die bei Entscheidungen mitwirken, (...) die Verpflichtung und Verantwortung, diese Entscheidung auch zu realisieren."128

Gekoppelt mit den W-Fragen nach Gugel und Jäger sind diese sieben Handlungsanweisungen sinnvolle Punkte, die zur konstruktiven Lösung eines Konfliktes führen können.

Insgesamt muss jedoch festgestellt werden, dass der Prozess des konstruktiven Konfliktlösens vor dem Dilemma (steht), dass (er) in (der) Verwirklichung von Bedingungen abhängt, die erst zu schaffen sind, und die, wären sie gegeben, (konstruktives Konfliktlösen) überflüssig machen würden."129

Schlussfolgernd ist prosoziales Konflikthandeln ausgezeichnet durch einen vorgegebenen eng gegliederten Ablauf, bestehend aus Konfliktanalyse und Konfliktbehandlungsstrategie. Zunächst soll die Störung aufgezeigt und erfasst werden und daraufhin der Konflikt durch eine Lösung in eine Option zur Besserung der Situation und der Beziehung innerhalb der Konfliktparteien umgewandelt werden.

1.4 Konfliktlösungen im biblischen Kontext

In der Bibel wird laufend von Konflikten berichtet, die oft von Graultaten und grausamer Gewalt, insbesondere im AT geleitet sind, aber auch vorbildhaft geführt und gelöst werden und Anregungen für das prosoziale Konflikthandeln geben können, so dass es notwendig ist, diese genauer zu betrachten. Daher gehe ich zunächst auf das Ausmaß von biblischen Konflikten im AT und NT ein, die ich anhand ausgesuchter Beispiele vorstellen werde. Daraufhin folgt die Betrachtung von alt- und neutestamentlichen Vorgehensweisen zur Konfliktlösung bzw. zur Friedensvorstellung. Abschließend werden die biblischen Konfliktbeispiele auf das prosoziale Konflikthandeln bezogen, um einen eventuellen Zusammenhang zu überprüfen.

1.4.1 Konflikte vom ersten Brüderpaar bis zum Streitgespräch

An über 600 Stellen geht es in der Bibel um Vernichtung zum Teil unglaublichen Ausmaßes. Kein Thema ist im biblischen Kontext so dramatisch ausgemalt.130

1.4.1.1 Kain und Abel - Gescheiterte Konfliktaustrag

Exemplarisch für gescheitertes Konfliktaustragen steht die Geschichte um das erste Brüderpaar Kain und Abel (Gen 16,12). Da Kain bei gleichen Bedingungen - beide bringen ein gutes Opfer - benachteiligt wird bzw. sich benachteiligt fühlt, kommt es zum Konflikt zwischen den beiden, an dem Kain scheitert. Er erschlägt seinen Bruder und muss zur Strafe als Unbehauster, fern vom Ackerboden, sein Leben verbringen. ,,Seitdem es das erste Brüderpaar gibt, gibt es Mord (...) stellt die Bibel mit einer gewissen Bitterkeit fest."131 Der Text provoziert die Frage, wieso Gott die beiden Brüder ungerecht behandelt. Jedoch ist der Text nicht historisierend zu deuten, sondern als Gleichnis eines zentralen Menschheitskonflikts (der gierige Besitzende ängstigt sich vor dem Landlosen, weil er ihm etwas wegnehmen könnte und ermordet ihn) und vom versöhnenden Gott zu sehen. Denn der will die Menschen zu gewaltfreiem, eigenverantwortlichem und konfliktbearbeitendem Handeln führen, indem er aufzeigt, dass aus Neid und Aggressionen Konflikte untereinander ausgelöst werden und er ,,versöhnte Zukunft" durch das Wirken der göttlichen force vitale gibt.132

1.4.1.2 Jesuanische Streitgespräche - Vorbildhaft?

Eine friedlichere Dimension der Konfliktaustragung zeigt das NT, das allerdings bei weitem nicht frei von Auseinandersetzungen ist. Jesu selber hat nicht nur Frieden gestiftet, sondern durch sein Handeln auf Konflikte hingewiesen, aber auch Konflikte provoziert und Unruhe gestiftet. Gewaltlosigkeit und Friedfertigkeit kennzeichnen jedoch diese Konflikte.133 Beispiele stellen die Streitgespräche Jesu dar. Diese beginnen meist mit einer Frage oder einem Protest der Gegner und erreichen den Höhepunkt in einer pointierten Stellungsnahme Jesu: In diesem Zusammenhang sind Streitgespräche mit den Pharisäern über das Abreißen von Ähren am Sabbat (Mk 2, 23-28), über die Heilung eines Mannes am Sabbat (Mk 3, 1-6) und über ist die Überlieferung von Jesus und der Ehebrecherin (Joh 8, 1-11) zu nennen. Obgleich Jesus die Sünde des Ehebruchs auf das Schwerste anprangert (Mt 5, 28), zeigt er Erbarmen gegenüber der Ehebrecherin. Sein Ziel ist, in einer christliche Lebensweise Missstände aufzudecken, bewusst zu machen und zu verändern und nicht einen ,,faulen Frieden" herzustellen.134

Konflikte sind infolgedessen in der Bibel permanent präsent und werden im AT in der Regel gewaltsam ausgetragen, während das NT durch die wortgewandte jesuanische Art des Konfliktaustragens geprägt ist .

1.4.2 Schalom - Konfliktlösungen in der Bibel

Ebenso, wie die Bibel Krieg und Gewalt darbietet, liefert sie Erzählungen über die Bewältigung von Auseinandersetzungen. Biblische Konfliktlösungen werde ich im Folgenden zunächst aus alttestamentlicher, dann aus neutestamentlicher Sicht aufzeigen, um Möglichkeiten darzustellen, ,,das Gute mit dem Bösen zu überwinden (Röm 12,21) und die Lösungen auf die Tauglichkeit als Handlungsanweisungen für das prosoziale Konflikthandeln im 20. Jahrhundert zu prüfen.135

Eine überaus zentrale Bedeutung kommt in der heiligen Schrift der Friedfertigkeit zu. Die Bibel verwendet in diesem Zusammenhang immer wieder den Begriff Schalom und versteht darunter das gute Leben unter Gottes Hand in ganzheitlichen, gerechten und menschenwürdigen Verhältnissen. Dieser Friedensbegriff kann auf allen Ebenen verwendet werden und reicht von Gesundheit und Wohlbefinden des Einzelnen bis zum Frieden aller, so dass der Begriff Schalom auch die Tätigkeit des prosozialen Konflikthandelns bezeichnet, da dieses dem Wohl des Einzelnen und der Gemeinschaft dienen kann und soll. ,,Der Schalomfriede des lebendigen Gottes steht im Zentrum des alt- und neutestamentlichen Evangeliums."136 Die Heilige Schrift formuliert damit einen Friedensbegriff, der weiter und tiefer geht, als die Sicherung der Systeme permanenter Konkurrenz durch die Abwesenheit von Krieg.137 Hervorzuheben ist allerdings, dass der Friede ,,in der Bibel keine Selbstverständlichkeit ist. Die Welt der Bibel ist die wirkliche Welt des Menschen und seiner Geschichte, und da wundert es einen dann nicht, wenn in der Bibel auch Gewalttaten vorkommen, Verbrechen und Kriege. Man versteht die biblische Friedensvorstellungen erst richtig, wenn man zuerst einmal die Kehrseite zur Kenntnis genommen hat."138,,Der Friede, von dem die Bibel redet, ist ein integraler Friede, in dem der Konflikt nicht verdrängt wird, sondern einbezogen wird in die Gesamtheit des spannungsvollen Lebens."139 Das wird nicht erst durch die jesuanische Botschaft der Nächstenliebe deutlich.140

1.4.2.1 Leiste dem Feind Hilfe

Bereits im AT sind Elemente des Schalomfriedens, des friedlichen Miteinanders aufgezeigt.141 Exemplarisch dafür steht die Josefsgeschichte (Gen 37-50), die erzählt, wie Josef von seinen Brüdern nach Ägypten verkauft wird und dort zu höchsten Ehren gelangt, aber dennoch seine Familie nicht vergisst. Trotz widriger Umstände handelt Josef in Konfliktsituationen beherrscht und klug: Zunächst widersteht er mit kühnem und klugem Kopf der Frau seines Herrn (Gen 39, 7-9), bewährt sich im Gefängnis (Gen 39, 22 - 40, 23) und letzten Endes beweist er seine Stärke, indem er seinen Brüdern und seiner Familie in der Not hilft (Gen 45-46) und so den Konflikt mit ihnen überwindet, da seine Liebe zu seiner Familie stärker ist, als der Hass über die Untaten derselben.

Des weiteren steht in den Rechtsvorschriften des Bundesbuches geschrieben: Lass deinen Feind nicht im Stich, sondern leiste ihm Hilfe (Ex 23, 5).142 Das Buch Exodus gibt hier konkrete Handlungsanweisungen für das prosoziale Konflikthandeln. Es wird eine Grundlage für dieses geschaffen, indem die Bibel den Christen zur aktiven Hilfe im Umgang mit dem Feind auffordert. Soziales Handeln wird demzufolge postuliert und das neutestamentliche Gebot der Feindesliebe vorweggenommen. In Konfliktsituationen sollen sich die gegnerischen Parteien demnach nicht nur um sich selber und ihre Miesere kümmern, sondern die Situation des Feindes mit einbeziehen und ihm helfen.

Als klassischer Beleg für das Gebot der Nächstenliebe gilt im AT Lev 19, 18: ,,Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst." Dabei stellt sich die Frage wer der Nächste sein kann. ,,Mein Nächster ist der, der mir - erwartet oder unerwartet als nächster begegnet und mich braucht. (...) Sodann ist mein Nächster jeder der mir in böser Absicht zu Leibe rückt (mir nahe kommt!), der mir Gehässigkeiten entgegenschleudert und mich mit Gewalt bedroht. Sein Anspruch auf Nächstenliebe ergibt sich aus seiner Nähe zu mir und daraus, dass er meine Liebe braucht, um aus der Verstrickung seiner Gehässigkeit und Feindschaft herauszufinden. Nächstenliebe meint auch und gerade Feindesliebe."143 Im Bezug auf Konfliktsituation besagt Lev 19, 18, dass die Liebe unter den Konfliktparteien füreinander stärker sein soll, als der bestehende Konflikt bzw. als die belastende Konfliktsituation.144

In Jes 60, 17 sollen Gerechtigkeit und Frieden als Wächter über die so wenig friedfertigen Menschen eingesetzt werden. ,,Ich setzte den Frieden als Aufsicht über dich ein und die Gerechtigkeit als deinen Vogt." Dabei handelt es sich um einen Grundgedanken, um auf die göttliche force vitale vertrauen zu können. Denn mit der Sicherheit eines friedensstiftenden, wachenden Gottes wächst das Vertrauen auf die göttliche dynamis.

Es wird deutlich, dass die neutestamentliche Feindesliebe keine Entdeckung Jesu war, sondern bereits die Schriften des AT von der Nächsten- bzw. Feindesliebe als Grundlage menschlichen Miteinanders berichten. ,,Es ist (...) einfach falsch, eine alttestamentliche Ethik durch Furcht einer neutestamentlichen Ethik der Liebe gegenüberzustellen. Die Gottes- und Nächstenliebe sind wichtige Gebote des Alten Testaments (Dtn 6, 5; Lev 19, 18) und sie werden von Jesus einfach aus dem AT übernommen."145 Doch die jesuanische Frohe Botschaft knüpft an eben diese Botschaften des AT an: Sein Handeln und seine Botschaft basieren auf Gottesvertauen und auf die göttliche force vitale.146

Dass der Friedensbegriff und das Element der Nächstenliebe nicht erst im NT entstehen, sondern in den Schriften des AT ihren Ursprung haben, beweisen zahlreiche Textbeispiele. Diese zeigen, wie elementar das Vertrauen auf Gott als friedenstiftende Macht ist.

1.4.2.2 Selig die Frieden stiften

Das neutestamentliche Evangelium widerspricht nicht nur allen Gewaltelementen, sondern vertraut ganzheitlich auf Gottes friedensstiftendes Handeln in der Geschichte.147 Das Evangelium des Friedens beginnt nicht erst mit dem Wirken Jesu, sondern mit der Proklamation des Reiches Gottes (Lk 2, 14; Mk 1, 4). Mit der Verkündigung des Friedens durch die Geburt Jesu wird der Indikativ und Imperativ ,,Friede auf Erden" zur Zukunftsvision, die die Menschen auffordert, den gegebenen göttlichen Frieden auch zu verwirklichen, damit Gottes Friede sich ausbreiten kann.148 Durch die Botschaft Jesu erfährt die Verkündigung von dem Frieden Gottes eine Zuspitzung. ,,Der in Jesus Christus geschaffene und verkündete Friede (Eph 2, 14-17) (ist) in allen seinen sozialen, politischen, seelischen und kosmischen Dimensionen das einzige Thema des NT"149 Es überschreitet die ,,Auge um Auge und Zahn um Zahn Philosophie" und ergänzt diese durch einen neuen Geist der Gerechtigkeit, so dass der Schalombegriff durch Jesu Taten und Worte verwirklicht wird und eindeutig macht, dass die Herrschaft Gottes in Friedensstiftung, Sanftmut und Gerechtigkeit besteht. Klassisches Beispiel dafür ist das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10, 5-37). Hier beschreibt der Evangelist den Inbegriff von prosozialem Handeln. ,,Mensch helfen, sogar unter Inkaufnahme massiver eigener Nachteile, anderen Menschen."150

Die jesuanische Friedenspredigt zentriert sich in den Worten der Bergpredigt (MT 5, 1 - 7, 29), die eine Liebe Gottes als Kraft vermittelt, die zur Nächstenliebe ermutigt.151 Im Zusammenhang dieser Arbeit sind drei Textstellen der Bergpredigt bedeutungsvoll:

- MT 5, 9 ,,Selig die Frieden stiften, denn wie werden Söhne Gottes genannt werden." Zum einen wird hier deutlich, dass der Wunsch nach Frieden damals ebenso akut war wie heute.152 Zum anderen unterstreicht die Aussage die enorme christliche Bedeutung prosozialen Konflikthandelns. Diejenigen die sich für den Frieden miteinander und für gegenseitiges Verständnis einsetzen sind selig.
- Mt 5, 5 ,,Selig, die keine Gewalt anwenden, denn sie werden das Land erben." Hier wird betont, wie bedeutungsvoll der Gewaltverzicht ist - er ist so bedeutungsvoll, dass Egon Spiegel zu dem Schluss kommt, Gewaltgebrauch ist atheistisch. ,,Wo immer Gewalt angewandt wird, wird nicht mit Gott als einer lebensfördernden Macht gerechnet, ja wird ein Eingreifen Gottes dadurch verhindert, dass die Konfliktpartner die Lösung des Konflikts eigenmächtig in allein ihre Hand zu nehmen versuchen."153
- ,,Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen!" (Mt 7, 12). Die als Goldene Regel bekannt gewordene Ausführung unterstreicht ein Element der Feindesliebe. Das gesamte Handeln der Menschen soll dadurch bestimmt sein, den eigenen Wunsch auf andere zu transferieren - praktisch also empathisch zu handeln.

Diese Textstellen der Bergpredigt sind zur Grundlage der Friedensidee geworden. Daher rühren Stimmen wie die Dietrich Bonhoeffers, der den Frieden als Kerngehalt des Evangeliums und als verpflichtende Aufgabe der Nachfolge Jesu und seines Daseins für andere bezeichnet.154 Sätze der Bergpredigt lassen die göttliche Dimension der Worte Jesu erkennen. Diese gipfeln in seinen Worten über die Feindesliebe (Mk 12, 28-34), die an die alttestamentlichen Forderungen nach der Nächstenliebe anknüpfen. Dieses Gesetz der Feindesliebe zeigt den Frieden Gottes an, der bereits bei Lk 2, 14 als imperative Zukunftsversion angedeutet wird,155 und zielt auf eine Veränderung der Gewalt-Gegengewalt geprägten menschlichen Verhältnisse und Beziehungen ab. ,,Jesu Forderung gilt aber auch überall dort, wo die Verhältnisse zwischen Menschen, gesellschaftlichen Gruppen oder Völkern dem Freund-Feind-Denken unterworden sind und eine Lösung der Probleme vom Vergeltungsdenken her betrieben wird. (...) Die Forderung Jesu kann dafür keine konkrete Anweisung geben; sie verlangt jedoch vom Christen, sich diesen Problemen zu stellen; sie macht es ihm unmöglich, Lösungen zu übernehmen, welche die Freiheit und das Recht des Menschen nicht ausreichend zur Geltung bringen."156 Relevant erscheint dabei die Tatsache, dass der Frieden, den Jesus vermittelt, schon präsent ist und darauf wartet als göttliche force vitale wahrgenommen und situativ realisiert zu werden, damit er zur leitenden Perspektive in Konfliktsituationen werden kann.157 Bedeutsam ist mithin, dass der Frieden des Herrn durch Jesus konkretisiert wird und dass die Menschen die Option haben, diesen zu nutzen, indem sie auf die göttliche force vitale bauen.

1.4.3 Prosoziales Konflikthandeln ist Feindesliebe

Betrachtet man die Ausführungen über das prosoziale Konflikthandeln und die über das Gebot der Nächsten- bzw. Feindesliebe, muss die These aufgestellt werden, dass prosoziales Konflikthandeln ein Akt der Nächsten- bzw. Feindesliebe ist. Diese gilt es nun zu belegen:

Zunächst lässt sich festhalten, dass prosoziales Konflikthandeln mit dem kurzfristigen Ziel der konstruktiven Lösungsfindung sowie dem langfristigen Ziel der Verbesserung der Beziehung aller Konfliktparteien geschehen soll. Bedeutungsvoll ist dabei der Mikroaspekt, dass allen Konfliktparteien geholfen werden soll und es nicht zu einem ,,Nullsummenspiel"158 kommt. Das Ziel auf Makroebene stellt eine friedvolle Gesellschaft dar, sei dies im Klassenverband in der Schule, in der Familie, oder im Freundeskreis, aber auch in größeren Dimensionen, sprich als friedvolle Staaten- und Völkergemeinschaft. Dabei spielen zwei Grundvoraussetzungen eine Rolle. Zum einen sind Fähigkeiten wesentlich, die im weiteren Verlauf der Arbeit als die fünf Grundsäulen des prosozialen Konflikthandelns bezeichnet werden.159 Des weiteren ist das Vertrauen auf eine unbekannte konfliktlösende Macht relevant, die dann wirkt, wenn eine Konfliktpartei sich bewusst zurücknimmt und somit Raum für dieselbe schafft.

Nächstenliebe soll mit dem Ziel des friedvollen Miteinanders geschehen, um den Frieden Gottes auf Erden aufzunehmen und wirken zu lassen. Dass lässt sich nur dann realisieren, wenn ein bestimmtes Grundvertrauen auf die friedenstiftende Liebe Gottes besteht, die hilft, Differenzen, Konflikte, Auseinandersetzungen und Feindschaften zu überwinden, so dass die Konfliktparteien durch diese Gewissheit bereit sein können, sich aufeinander einzulassen, einander zu helfen und schlussendlich zu ,,lieben". Durch das Vertrauen des Menschen auf Gott ist er fähig, den Frieden des Herrn wahrzunehmen und punktuell - situativ zu realisieren.

Die Grundsäulen des prosozialen Konflikthandelns, d. h. Gemeinschaftsfähigkeit bzw. Vertrauen, Kommunikationsfähigkeit, die Fähigkeit von Empathie, Selbstwert und Kooperationsbereitschaft, sind zugleich Grundfähigkeiten, um den Nächsten, bzw. den Feind lieben, ihn respektieren und ihm helfen zu können. Es kann nicht eine bedingungslose Liebe ohne eine Interaktion der Akteure vorausgesetzt werden. Das zeigen die vorangegangenen Textbeispiele aus der Heiligen Schrift. Dort sind Elemente der Kommunikation und Kooperation gewählt, dort wird Empathie gemahnt, dort wird Vertrauen gefordert und geschätzt und Selbstwert zur Bedingung gemacht. Dabei muss es selbstverständlich zu einer Wechselwirkung der Fähigkeiten des prosozialen Konflikthandelns und dem Vertrauen auf die dynamis Gottes kommen.

Es zeigt sich, dass die Elemente der Feindesliebe und des prosozialen Konflikthandelns kongruent sind. Beide setzten dieselben Fähigkeiten voraus, die Zielvorstellungen stimmen ebenfalls überein. Es kann folglich festgestellt werden, dass der Akt des prosozialen Konflikthandelns sehr wohl ein Akt der Nächsten- bzw. Feindesliebe ist. Prosoziales Konflikthandeln ist Nächsten-, bzw. Feindesliebe.

1.5 Prosoziales Konflikthandeln im Religionsunterricht

,,Kinder und Jugendliche machen ethische Lernfortschritte primär unter dem Einfluss Gleichaltriger und erst sekundär unter dem Erwachsener. Als Konsequenz daraus ergibt sich: Hauptaufgabe des Erziehers ist nicht, Frieden zu schaffen, sondern die Friedensbereitschaft zu fördern."160 Daher kommt der Schule und insbesondere dem Religionsunterricht beim Vermitteln des prosozialen Konflikthandelns eine wichtige Bedeutung zu. Infolgedessen möchte ich erläutern, warum und wie das prosoziale Konflikthandeln in besonderer Weise im schulischen Rahmen, unter spezieller Betrachtung des Fachs Religion, stattfinden muss. So werde ich auf die Verankerung des Themas in den Lehrplänen und Richtlinien eingehen, bevor ich die Konfliktsituation und das Ausmaß von Gewalt in der Schule und die daraus resultierende Notwendigkeit des prosozialen Konflikthandelns erläutere, Ziele und Wege aufzeige und die konkreten Vorgehensmöglichkeiten im schulischen und fachlichen Rahmen beleuchte, um schließlich die Bedingungen zur Umsetzung und resultierende Forderungen zu beschreiben.

1.5.1 Bedeutung prosozialen Konflikthandelns in der Schule - neue Alternativen des sozialen Lernens

,,Der Umgang miteinander ist oft rüde und ruppig. Wir brauchen in der Schule Regelungen, wie wir miteinander umgehen sollten und Verfahren, wie solche Regeln entwickelt, verstanden bzw. akzeptiert und umgesetzt werden können (...) Über Fairness, Toleranz und Solidarität wird belehrt, über den Sinn demokratischer Verfahren wird diskutiert. Die tätliche Erfahrung zeigt, wie folgen- und wirkungslos dies für Werteorientierung und soziales Lernen tatsächlich ist."161

Bisher verbreitete Formen des sozialen Lernens in der Schule durch ausgiebige Strafsysteme, Mahnrunden, Machteinsätze, Drohgebärden und ,,erzieherische Maßnahmen", die ich an dieser Stelle nicht beschreiben werde, da diese zum einen als bestens bekannt vorausgesetzt werden und zum anderen eben nicht Gegenstand dieser Arbeit sind, sind immer weniger effektiv und den gesellschaftlichen und sozialen Strukturen, die sich wohl oder übel in der Schule widerspiegeln, nicht mehr gewachsen. Die zu leistende Friedenserziehung geht über die ,,Aufgabe, über Bedingungen und Forderungen des Friedens(handelns) zu informieren (zu belehren)"162 hinaus, es geht um eine Erziehung zum sozialen, friedfertigen Handeln, um eine ,,Realisierung von Friedensgeboten auf allen Ebenen des zwischenmenschlichen Zusammenlebens."163

Offensichtlich sind Störungen im sozialen Handeln von Heranwachsenden durch alle Kulturen und Zeiten zu beobachten: So gab es in der Kultur der alten Ägypter bereits Probleme, die Heranwachsenden sozial zu erziehen: ,, Die Jugend achtet das Alter nicht mehr, zeigt bewusst ein ungepflegtes Aussehen, sinnt auf Umsturz, zeigt keine Lernbereitschaft und ist ablehnend gegen übernommene Werte."164 Und das Frankfurter Polizeiamt schrieb 1816: ,,Der ausgelassene Mutwille und Unfug, welchen die Knaben besonders nach den Schulstunden verüben hat bisher den allgemeinen Unwillen erregt und die lautesten Beschwerden veranlasst. Ihr Herumlaufen, Schreien und Lärmen, hauptsächlich auch das Werfen mit Steinen, womit sie sich und andere beschädigen, oder wenn sie in ganzen Haufen gegeneinander losgehen, sind ihre gewöhnlichsten Unarten, die schon lange jedermann zur größten Belästigung und Ärgernis gereicht haben."165 Hartmut von Hentig äußert sich in diesem Zusammenhang 1975: ,,Die heutigen Kinder sind ganz offensichtlich die Kinder ihrer Zeit und ihrer Umwelt, sie sind ihr entlarvendster Spiegel. Sie sind nicht nur nervös, ungeordnet (...), vitalgestört - sie terrorisieren einander, sie streiten sich untereinander, sie vandalisieren das Gemeingut, sie sind weitgehend unfähig, anderen und sich selbst Freude zu bereiten, sie scheinen unfähig, tiefere und anhaltende Beziehungen zu Menschen oder Sachen einzugehen, ihre Sprache ist arm und im doppelten Sinne des Wortes barbarisch und sie müssen ununterbrochen schreien."166 Und das Magazin ,,Der Spiegel" titelt 1995: ,, Noch nie war es für Eltern und Lehrer so schwierig, aus Kindern Erwachsene zu machen."167

Differenzen zwischen dem Verhalten Heranwachsender und Erwachsender sind demnach schon immer bekannt und Merkmal des Wachstums. Der Weg, ein gemeinschaftsfähiger und prosozial handelnder Mensch zu sein, ist noch nie ein ebener und gerader gewesen. Soll der Weg ein ebener und gerader werden, so wächst der Bedarf an neuen Formen der Sozialerziehung vor allem in der Schule enorm.

Zusammenfassend lässt sich folgern:

1. Der soziale Umgang unter Schülern ist problematisch. Bisherige Formen der schulischen Sozialerziehung sind unzulänglich.
2. Störungen im Sozialverhalten von Heranwachsenden sind schon immer bekannt und verhaltenstypische Merkmale derselben.
3. Neue Formen der Sozialerziehung sind vonnöten.

1.5.2 Erziehungsziel soziales Handeln - Aufgabe des Religionsunterrichts

Die Bindung des prosozialen Konflikthandelns an den schulischen Rahmen ist in den Richtlinien und Lehrplänen verankert. Welche Stellung die soziale Erziehung dort hat, werde ich zunächst anhand der Richtlinien der 16 Bundesländer verdeutlichen und anschließend am Beispiel des Lehrplans katholische Religionslehre für die Grundschule unterstreichen. Schließlich werde ich die tatsächliche Umsetzung in der Praxis beleuchten.

1.5.2.1 Konfliktbewältigung in den Richtlinien

,,Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor der Würde des Menschen und Bereitschaft zu sozialem Handeln zu wecken, ist vornehmstes Ziel der Erziehung."168 So schreibt die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen. Die Richtlinien des Landes fordern, die Schule ,,muss sich verstärkt darum bemühen, vielfältige Möglichkeiten zu Eigentätigkeit und zwischenmenschlichem Umgang zu schaffen", die Schüler in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und sozialen Verhaltensweisen zu bestärken um bei auftretenden Konflikten nach gewaltfreien Lösungen zu suchen.169 Das soziale Handeln als Erziehungsziel wird in den meisten bundesdeutschen Lehrplänen aufgegriffen und betont. In elf der sechzehn Bundesländer halten die Richtlinien die Erziehung zur Konfliktbewältigung fest:

In den bayrischen Richtlinien liegt der ,,Schwerpunkt (...) nicht auf dem Austragen von Konflikten, sondern auf der Notwendigkeit, im Nachhinein ,,einander zu verzeihen, sich zu versöhnen, nicht nachzutragen und wieder gut zu machen."170 Hier wird ein starker christlicher Anspruch bei Konfliktlösungen betont.

Häufig ist in den bundesdeutschen Richtlinien die (gewaltfreie) Forderung der Lösungssuche im Konfliktfall zu finden. Sachsen-Anhalt und Thüringen setzen das Ziel, Streit zu vermeiden. Sachsen legt Wert auf die Bewältigung von Konflikten mit interkulturellem Hintergrund und mit größeren Schülern, während Bremen das Einüben von Rücksichtnahme betont. Die Richtlinien der Bundesländer Berlin, Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland betonen die Erziehung zur Konfliktbewältigung nicht explizit.171 Demnach ist das Konflikthandeln als Auftrag der Schule zu sehen, die - als Spiegelbild der Gesellschaft - als gerechte Gemeinschaft empfunden werden muss, so dass die Schüler dort eine Kategorisierung von Verhaltenweisen nach Maßstäben erfahren können.

1.5.2.2 Verantwortungsvolle Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens

Konkretisiert wird die Forderung nach sozialer Erziehung in den Lehrplänen des (katholischen) Religionsunterrichts.172 Dort wird nach dem Sinn des menschlichen Lebens und der Welt gefragt, indem im Religionsunterricht ,,Mensch und Welt in ihrem Bezug zu Jesus Christus (ins) Licht des kirchlichen Glaubens und Lebens (gesetzt werden). Auf diese Weise leistet er Hilfe zur verantwortlichen Gestaltung des eigenen wie des gesellschaftlichen Lebens."173 Da es dem Religionsunterricht vornehmlich nicht um die bloße Vermittlung von Wissen geht, richtet dieser eine besondere Akzentuierung auf das Verhalten und die innere Haltung von Menschen, indem er ein ,,Angebot zu Bewältigungsmustern des Lebens"174 macht, so dass sich Modelle und Motive für ein gläubiges und zugleich humanes Leben ergeben. Dies geschieht, indem nicht nur der Sinn des Lebens hinterfragt wird, sondern auch die im Miteinander der Menschen geltenden Regeln und Verhaltensweisen in Frage gestellt werden. Diese (positiven) Erfahrungen sollten in einem Religionsunterricht gemacht werden können, der den Schülern Raum lässt, ihr Verhalten zu reflektieren und infolgedessen nachdenklich zu handeln,175 dadurch dass der Religionsunterricht kontextuell Normen für das Handeln176 der Menschen weckt und reflektiert, die Fähigkeit zu Verständnis und Toleranz fördert und zu verantwortlichem Handeln in Gesellschaft und Kirche motiviert. Geschehen soll dies durch die Entfaltung der kindlichen Individualität, durch die Steigerung und Entdeckung des Selbstwertgefühls177 sowie durch die Entwicklung von Gemeinschaftsfähigkeit, indem ,,auf die Bedeutung der zwischenmenschlichen Beziehungen für die eigene Entwicklung und Entfaltung aufmerksam"178 gemacht wird.179 Dem Gemeinschaftsgefühl kommt dabei im Religionsunterricht selbstredend eine besondere Bedeutung zu.180 In diesem Zusammenhang müssen Kinder aus ihrer eigenen Biographie erfahren und entdecken, so dass im Religionsunterricht der erzieherische Imperativ eine untergeordnete Rolle spielen soll.

Die Zielsetzungen werden im Lehrplan durch sechs Bereicht verfolgt. Der Religionsunterricht soll die Erfahrungen von Individualität und Sozialität aufgreifen und vertiefen, Zeichenhaftigkeit und Weltsicht vermitteln181, auf die Bibel und deren Botschaft eingehen, zu Jesus und Gott hinführen, Erfahrungsräume in Kirche und Gemeinde erschließen und die Möglichkeiten von Umkehr und christlichem Leben verdeutlichen.182 Das prosoziale Konflikthandeln ist dem Bereicht des Erfahrens von Individualität und Sozialität zuzuordnen. Im Religionsunterricht soll an Grunderfahrungen und -bedürfnisse der Schüler angeknüpft werden. ,,Dabei kommt dem Anspruch von Unverwechselbarkeit der eigenen Person zentrale Bedeutung zu. Erfahrungen der Zuwendung und Sorge, das Verwiesensein auf andere, aber auch die Bewältigung von Leid und Not werden aus der Glaubenerfahrung Israels und der Kirche ansatzhaft als Für-Sorge Gottes gedeutet."183 Zentrale Aspekte sind in diesem Kontext die Einsicht und die Haltung der Schüler, so dass ,,die Schülerinnen und Schüler aller Schularten und Schulstufen zum Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden sowie (...) zu einem verantwortlichen Konflikt-, Gemeinschafts- und Versöhnungshandeln angehalten werden."184 So entsprechen die Lehrpläne den Erwartungen an einen Religionsunterricht, der zu einer differenzierten Konfliktkultur beiträgt und die Forderung nach sozialer Erziehung in der Schule unterstützen soll, indem er die soziale Einsicht und Haltung des Schülers zu sich und anderen behandelt.

1.5.2.3 Und die Praxis?

Die Notwendigkeit unterrichtlicher Akzentuierung prosozialer Handlungsstrukturen ergibt sich nicht nur aus dem Auftrag der Lehrpläne, sondern vor allem aus der häufigen Konfrontation von Kindern mit Alltagkonflikten, deren Lösung die Einübung adäquater Handlungsstrategien erfordert.185

Zu beachten sind die Umsetzungsproblematiken der Theorie in die Praxis. Zahlreiche Lehrpläne greifen den Erziehungsauftrag zum Konflikthandeln in mehr oder weniger breiter Differenzierung auf186 und beinhalten Aspekte ,,von demokratischen Standards über die selbständige Urteilsfähigkeit bis zur persönlichen Entfaltung in sozialer Verantwortung. Dies ist sicherlich konsensfähig, aber aus Sicht der Praxis erscheint es vielen eher als deklamatorische Pflichtübung, die weder Orientierung noch Hilfe bietet. Offensichtlich tut man sich auch in den Lehrplänen schwer, in einer ähnlichen Weise konkret zu werden, wie es im Hinblick auf die fachlichen und methodischen Anregungen und Hinweise problemlos gelingt."187 Dabei wäre eine Konkretisierung von großer Bedeutung, im Hinblick auf das - erst seit kurzer Zeit - aufkeimende Interesse seitens der Lehrer für die konstruktive Vermittlung prosozialer Verhaltensweisen. Exemplarisch dafür steht die rasche Verbreitung von Mediatorenprogramme zur Streitschlichtung. Gründe für das plötzliche Interessen an prosozialen Konflikthandelsmöglichkeiten mag es zahlreiche geben, sei es aus Selbstschutz, dass viele Lehrer ,,einfach nicht mehr können" und eine Sehnsucht nach sozial handlungsfähigen Schülern entwickelt haben, sei es im Zusammenhang mit den spektakulären Schülerübergriffen auf ungeliebte Lehrer zu sehen oder aber im Konsens mit der immer schwieriger werdenden Schülerschaft, die teilweise vor Aggressivität und Ignoranz nur so strotzt. So ergibt sich die von Egon Spiegel formulierte Forderung: ,,Die allgemeine Erwartungen an den Religionsunterricht, zu einer Konfliktkultur beizutagen, die durch eine Kombination von Konfrontation und Toleranz bestimmt ist, entspricht einem - noch zu realisierendes - sequentielles, in allen Jahrgangstufen begegnendes Friedenslernen (...), das nicht nur unterrichtsintern mit anderen Lernbereichen, sondern auch fächerübergreifend und interdisziplinär vernetzt ist (...)."188

Somit lässt sich feststellen, dass das soziale Handeln eine Pflichtaufgabe nicht nur des Religionsunterrichts, sondern der Schule ist, die in den meisten Lehrplänen und Richtlinien verankert ist. Verbesserungsbedürftig sind diese allerdings im Hinblick auf konkrete Umsetzungsvorschläge für die an Konfliktlösungsmöglichkeiten interessierten Lehrer.

1.5.3 Konflikte sind in der Schule allgegenwärtig

Konflikte sind ein Thema, das im Schulalltag allgegenwärtig ist und somit auch ein Thema, das Schüler bewegt und sie in ihrer Schulzeit und darüber hinaus immer wieder betrifft. Frustration, Mangel an Übereinstimmung zwischen der Schule, Lehrern und Schülern, aggressive Rollenmodelle,189 das Verhalten des Lehrpersonals, kleinliche Regeln,190 übertriebener Druck, Ärger mit den Schulkameraden, Langeweile: Gründe ebenso wie Arten von Konflikten in der Schule gibt es zahlreiche.191

In diesem Zusammenhang werden die möglichen Konflikte in der Schule im weiteren Verlauf beschrieben und analysiert. In der Schule relevante Konflikte sind Schüler-Schüler-Konflikte und Lehrer-Schüler-Konflikte.192 Zwischen diesen werde ich im weiteren Verlauf differenzieren, da nicht nur die jeweiligen Ursachen, sondern auch der Verlauf und die Interventionsmöglichkeiten andere sind.

1.5.3.1. Schüler-Schüler-Konflikte : Unfreiwilliges Miteinander versus effektiver Gruppe

In Gruppen spiegelt sich die gesellschaftliche Wirklichkeit wie in einem Brennglas vergrößert und doch in einem überschaubaren und bearbeitbaren Rahmen wider.

In der Schule gibt es drei klar erkennbare Gruppen: Zum einen die Schulgemeinschaft, zum anderen die Klassengemeinschaft, die in der Regel konfliktreiches Potential bietet, so dass es sich lohnt, diese genauer zu betrachten und schließlich sich in dieser befindende einzelne Cliquen. Soziologisch gesehen kann eine Schulklasse als Primärgruppe bezeichnet werden. Klassen sind demnach formelle bzw. organisierte Gruppen, deren Mitglieder theoretisch in direkter Kommunikation zueinander stehen und viele Gefühle austauschen, in denen ein hohes Maß an Vertrautheit besteht.193,,Erschwerend wirkt sich in der Klassensituation (jedoch) die Tatsache aus, dass wir es mit einer unfreiwilligen Gemeinschaft zu tun haben. Trotzdem müssen alle miteinander auskommen - und das über mehrere Stunden täglich."194

Für Kinder und Jugendliche ist die Schulklasse nach der Familie und der Freizeitgruppe der wichtigste soziale Ort. Dort bringt jedes Mitglied nicht nur Spannungen, Interessen und Bedürfnisse mit in die Gruppe, sondern auch die Art und Weise damit umzugehen. Denn bevor ,,aus der Schulklasse eine Primärgruppe wird, vergeht einige Zeit, in der Machtkämpfe stattfinden und Distanzen und Sperren überwunden werden müssen. Wenn diese anfängliche Kontaktphase vorbei ist, kristallisiert sich ein festes Interaktionsgefüge heraus. In ihm spiegelt sich das Spiel der sozial-emotionalen Kräfte wider."195 Dadurch entstehen neue Beziehungen aber auch Konflikte, durch die das eigene soziale Verhalten und das der anderen besonders deutlich und unmittelbar erfahrbar wird. Nichtsdestoweniger erleben Klassenmitglieder über kurz oder lang ein gruppendynamisches Wir-Gefühl, durch das die Gruppe nach Konformität in Einstellungen und Verhaltensweisen, aber auch zu Abgrenzungen gegen andere Gruppen, beispielsweise andere Schulklassen, strebt.196 In diesem Fall ist die Idealsituation gegeben, um die göttliche force vitale wirken zu lassen. Im Idealfall entwickelt sich also eine effektive Gruppe, die nach Standford197 folgende Merkmale aufweist:

1. Die Gruppenmitglieder verstehen und akzeptieren sich.
2. Die Kommunikation ist offen.
3. Die Mitglieder fühlen sich für ihr Lernen und Verhalten verantwortlich.
4. Die Mitglieder kooperieren miteinander.
5. Es gibt festgelegte Verhaltensregeln bei einer Entscheidungsfindung.
6. Es besteht die Fähigkeit der offenen Problemabsprache und konstruktiven Konfliktlösefähigkeit.

Der von Standford beschriebene Idealfall ist allerdings sehr theoretisch und in der Praxis wohl eher selten. Zu beachten ist, dass eine effektive Gruppe und das Auftreten von Konflikten einander nicht ausschließen.198 Entscheidend ist die Fähigkeit, Konflikte lösen und darüber hinaus konstruktiv nutzen zu können. Das Missachten oder Unterdrücken dieser Konflikte führt leicht zur Stabilisierung von Missständen und ungerechten Strukturen. Ihre Bearbeitung aber trägt die Chance der Reflexion und der Veränderung in sich. Solche Konflikte in Gruppen beziehen sich häufig auf Fragen von Macht und Konkurrenz, Positionen innerhalb der Gruppe, Kooperation, Zusammenhalt und Offenheit.199

Die Harmonie und Disharmonie, das Konfliktverhalten und -handeln in einer Klasse hängt von mannigfaltigen Faktoren ab:

Zum einen ist die Größe der Gruppe relevant. Das Verhalten in Großgruppen ist anders als das in überschaubaren Situationen. Je größer eine Gruppe ist, desto größer ist auch die Unfähigkeit eines Menschen zur differenzierten Wahrnehmung Einzelner, so dass es rasch zu einem Kontrollverlust kommen kann. Je größer die Angst vor eben diesem Kontrollverlust ist, desto größer ist auch die Bereitschaft zu aggressivem Konfliktverhalten. Hier ist ein Wirken der göttlichen force vitale, der dynamis Gottes, nicht mehr möglich, da kein Raum dafür gelassen wird.200

In einer Schulklasse unterliegt das Tun der Schüler dem ,,Publikumseffekt".201 Die ständige Präsenz der Mitschüler, unter denen stets neu eine Rangordnung hergestellt wird, die ein immer wieder neues und wiederkehrendes Behaupten vor der Klasse erfordert, beeinflusst das Verhalten, ja sogar das Handeln der Schüler. Den stärksten Einfluss in der Lerngruppe stellt die Wechselwirkung zwischen den Mitschülern dar. Sie haben Rollen als Publikum, Koagierende und Interagierende.202 Die differenzierte Rollenübernahme entsteht, da den Heranwachsenden Freundschaften mehr als wichtig sind, Egon Spiegel nennt sie sogar heilig.203 Darum haben diese in der Gruppe gegenüber dem Lernen Vorrang. Schule ist für die Schüler nicht nur ein Nährboden pädagogischen Wirkens, sondern in erster Linie ein Ort der Begegnung, ein beziehungsstiftendes Begegnungsfeld,204 in dem Freundschaften geschlossen werden, so dass für die Schüler die Qualität und Quantität der Beziehungen bedeutungsvoll ist.205

Relevant sind zudem die sozialen Hintergründe der willkürlich zusammengesetzten Schülerschaft. Diese setzt sich aus Kindern unterschiedlichster sozialer Herkunft, Nationalität, Familienstand und auch differenzierten Leistungsniveaus zusammen. Um ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln zu können, ist es für die Gruppe wichtig, Gemeinsamkeiten zu schaffen.

Eine wichtige Rolle spielt auch das Lehrerverhalten, welches das Verhalten der Schüler elementar beeinflusst.206 Ein aggressiver, übelgelaunter Lehrer wirkt sich negativ auf das Verhalten der Schüler aus, stimmt auch diese übelgelaunt und aggressiv. Ausschlaggebend sind ebenso die Lehrmethoden desselben: Offene Lernphasen, Gruppen- oder Partnerarbeit fördert die Kooperation das soziale Miteinander der Schüler, Sitzkreise regen die Kommunikation an, Spiele und Gespräche schaffen Vertrauen.

Grundphilosophie eines Konzeptes für einen kreativen Umgang der Kinder mit Konflikten ist es, eine Atmosphäre zwischen Kindern und Erwachsenen zu schaffen, die warm, bestärkend sowie unterstützend ist. Nur in einer solchen Atmosphäre können Kinder lernen, auf eine menschliche und konstruktive Art und Weise miteinander und mit Konflikten umzugehen.207 Die Stimmung in der Klasse wirkt sich nicht nur auf die Beziehungsgeflechte der Schüler untereinander aus, sondern auch auf den Lernprozess. ,,Zur Dynamik der vielfältigen Unterrichtprozesse, insbesondere der Beziehung in der Klasse (trägt) wesentlich die jeweils in der Lerngruppe herrschende Stimmung bei".208 Konflikte zwischen einzelnen Schülern schaden der Atmosphäre in einer Klasse, sie führen zu einer Verkürzung der Lehr-Lern-Zeit und stören das Zusammenleben aller Schüler. Der Wunsch nach einem völligen Verschwinden solcher Konflikte wäre unrealistisch, weil Jugendliche jeder Altersstufe unweigerlich verschiedene Meinungen vertreten, sich streiten und schlagen. ,,Normalerweise versuchen Lehrer, solche Konflikte durch ihre Autorität zu beenden, indem sie Gewalt anwenden, mit Strafen drohen oder sie tatsächlich verhängen. Wie viele Lehrer zugeben, fühlen sie sich angesichts solcher Konflikte zwischen Schülern ziemlich hilflos."209 So lässt sich zusammenfassen:

1. Klassengemeinschafen sind unfreiwillige Gruppen.
2. Merkmale einer effektiven Gruppe sind: Verständnis, Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Regeln und Konfliktlösefähigkeit.
3. Schülerverhalten hängt ab von der Gruppengröße, dem Publikumseffekt, der sozialen Zusammensetzung sowie der Klassenatmosphäre und dem Lehrerverhalten.

1.5.3.2 Schüler-Lehrer-Konflikte: Machtmissbrauch versus Vertrauen

,,Sie scheinen jetzt das Wohlleben zu lieben, haben schlechte Manieren und verachten die Autorität, sind Erwachsenen gegenüber respektlos (...) und tyrannisieren ihre Lehrer."210 So beschreibt Sokrates bereits um 400 v. Chr. die problematische Beziehung zwischen Schülern und ihren Lehrern. Ebenso altbekannt wie mannigfaltig sind die die Beziehung kennzeichnenden Konflikte, die beidseitig hervorgerufen werden können.

Auslöser für Lehrer-Schüler Konflikte können von Seiten der Schüler u. a. Konflikte unter Schülern, gewalttätiges Verhalten von Schülern, Missachtung, Ignorieren oder bewusstes Provozieren des Lehrers und dessen Anweisungen aber auch die Leistungen der Schüler sein.

Vom Lehrer provozierte Konflikte können z. B. folgende Auslöser haben: Zu hohe Leistungsanforderungen an die Klasse, harte Interventionsmaßnahmen, wenig oder keine Verständnis für das Verhalten und Auftreten der Schüler, Machtmissbrauch, mangelnde Kommunikation zu den Schülern, kein wirkliches Interesse an diesen oder Druck von offizieller Seite, d.h. von dem Schulleiter oder dem Schulamt.

Gewaltorientierte Lösungsmöglichkeiten dieser Diskrepanzen zwischen beiden schulrelevanten Gruppierungen sind häufig von Lehrern gewählte Wege. Spiegel behauptet, im normalen Lehrerverhalten steckt Gewalt.211 Lehrer setzen bewusst ihre Macht ein, demonstrieren sie und reagieren mit harten Maßnahmen auf Konflikte: Dazu zählen ,,die körperliche Züchtigung, die zeitweilige Ausgrenzung von Schülerinnen und Schülern aus dem Unterricht, der Klasse oder der Schule, ihr Ausschluss von Klassen und Schulveranstaltungen, die Relegation, erzwungener Wechsel in eine andere Klasse. Des Weiteren sind zu nennen: Lächerlichmachung, Verspottung und Stigmatisierung einzelner SchülerInnen oder der ganzen Klasse durch die Lehrerin oder den Lehrer, Anbrüllen, Elternbriefe oder die Einschaltung der Polizei (...), das Drohen, Anziehen mit dem Stoff, (...), Hinauskomplimentieren (...), zum Rektor/Direktor schicken, Klassenfestabsagen. Nicht unproblematisch sind auch Versuche der Verhaltensmodifikation auf der Belohnungsebene, Versprechen, Beschwörungen, moralische Appelle oder ein alle emotionalen Vorgänge ignorierendes technokratisches Klassenmanagement."212

Derartige Verhaltenweisen provozieren Lehrer-Schüler-Konflikte, anstatt diese sowie Schüler-Schüler-Konflikte zu bereinigen oder zu lösen. Zu beachten ist, dass die Beziehung zwischen Lehrer und Schüler sowohl zur Lösung von Konflikten als auch zur Vermittlung des Lernstoffes eine immanente Rolle spielt.213 Jedoch steht diese nicht selten im Widerspruch zu den oben genannten Methoden eines Lehrers, da dieser sich an ein enggestricktes Regelsystem zu halten hat, während der Ausbildung lernt, zu den Schülern eine gewisse Distanz zu wahren und sich einem vorgegebenen Zeit- und Zielrahmen anpassen hat. Will er dies Vorhaben einhalten, so ist es schwer, eine durch eine Konfliktminimierung gekennzeichnete Beziehung zu den Schülern zu entwickeln. Zudem besteht die Gefahr, dass der Schüler zu hohe Erwartungen in den Lehrer setzt und eine Enttäuschung vorprogrammiert ist. Sinnvoll und möglich ist eine Beziehung auf Minimalbasis: Der Lehrer bietet regelmäßige Beziehungsangebote, deren Absicht es nicht ist, zu einem Schüler eine persönliche, niveaugleiche Beziehung aufzubauen. Korczak ist es wichtig, dass der Lehrer das Vertrauen der Kinder findet, neben ihnen steht - nicht als Kind, sondern als Erzieher. Nur dann wird er bereit sein, aus seinen Fehlern zu lernen214 und in ein wechselseitiges Verhältnis eintauchen können. Denn auch Lehrer können erzogen werden durch das Kind.215 In einer sich so ergebenen positiven Beziehung zwischen Lehrkraft und Schülerschaft sind die Voraussetzungen für ein angenehmes Klassen- und Lehr- Lernklima geschaffen, da, Beziehungen das beste Instrument zum Lehren und Lernen sind.216 Aufgebaut werden kann diese positive Beziehung durch Offenheit und Transparenz, Anteilnahme, gegenseitige Abhängigkeit, nötige Distanz und schließlich durch ein gegenseitiges Austauschen und Bemühen der jeweiligen Bedürfnisse.217 Denn Konflikte können nach Kurt Singer nur dann völlig gewaltfrei geregelt werden, wenn Lehrer-Schüler - Konflikte als Beziehungskonflikte218 behandelt werden.

Ein konstruktives Lehrer-Schüler-Verhältnis ist aus zweierlei Gründen wichtig: Zum einen ist es zum Selbstschutz des Lehrers erforderich. ,,Es dürfte allgemein bekannt sein, dass nur etwa 10 % aller Lehrerinnen und Lehrer bis zum Erreichen der Altersgrenze von 65 Jahren im Schuldienst arbeiten. Umgekehrt werden bereits ungefähr 40 % der Pädagogen deutlich vor ihrem 60. Geburtstag amtsärztlich für berufunfähig erklärt."219 Der Grund ist ein Teufelskreis mehrerer struktureller Begebenheiten,220 dessen Teilbestand auch die Beziehung zwischen Lehrer und Schüler ist. ,,Der entnervte Lehrer (...) verhält sich im Schulalltag nicht unbedingt so, wie es wünschenswert wäre. Die Schüler reagieren auf einen unruhigen Unterricht mäßiger Qualität verständlicherweise mit Unlustgefühlen. Sie langweilen sich, treiben Unfug, passen nicht auf. Die Leistungen verschlechtern sich; die Konflikte spitzen sich zu; eines bedingt das andere."221 Hat der Lehrer allerdings zu den Schülern ein positives und konstruktive Verhältnis, ist der Teufelskreis zumindest an dieser Stelle unterbrochen und die Arbeit, die gegebenenfalls gar gesundheitliche Schäden hervorrufen kann, angenehmer.

Zum anderen hängt - wie bereits erwähnt - der Lernerfolg der Schüler stark von der Beziehung zwischen Lehrer und Schüler ab. ,,Schüler sind erst dann zum Lernen motiviert, wenn die Lehrer-Schüler-Beziehung gut ist. Erst dann können sie auf Verteidigungsstrategien und Überlistungsmanöver verzichten. Ohne das Bemühen, bessere zwischenmenschliche Beziehungen herzustellen, sind die hervorragendsten Lehrtechniken nutzlos."222 Denn sobald der Schüler Schwierigkeiten hat, fällt es ihm schwer zu lernen. ,,Die Förderung signifikanten Lernens hängt von bestimmten einstellungsbedingten Qualitäten ab, die in der persönlichen Beziehung zu dem Faciliator223 und dem Lernenden existieren."224 Hat der Lehrer ein Problem durch das Verhalten des Schülers, fällt es dem Lehrer schwer, sich aufs Lehren zu konzentrieren. Gordon nennt eine problemfreie Atmosphäre zwischen Schülern und Lehrern Lehr-Lern-Zone.225

Schüler und Lehrer bedürfen folglich gegenseitiger Hilfe, auch auf anderen Gebieten als dem der Wissensvermittlung. ,,Die meisten Lehrer sind sensibel genug, Stichworte und Hinweise aufzufangen, die Schüler mit Problemen in ihren Botschaften senden. Es genügt jedoch nicht, das Problem zu erkennen; Lehrer müssen auch wissen, wie sie effektiv reagieren sollen."226 Durch ein offenes Verhältnis geben sie den Schülern Orientierungshilfen, indem sie sozialintegrativ handeln und klare Grenzen setzen.227 Ein Weg ist die zu erlernende Kompetenz des prosozialen Konflikthandelns.

Zusammenfassend wird deutlich:

1. Der von Lehrern gewählte Lösungsweg von Konflikten stützt sich in der Regel auf verbale und strukturelle Gewalt und Macht.
2. Ein gutes Lehrer-Schüler-Verhältnis wirkt sich positiv auf ihre Konfliktlösefähigkeit aus.
3. Ein konstruktives Lehrer-Schüler-Verhältnis ist für das Lehrverhalten und Wohlergehen des Lehrers und für den Lernerfolg der Schüler wichtig.

1.5.4 Gewalt als Ergebnis von Konflikten

Ein besonderes Augenmerk werde ich im Zusammenhang von Schule und prosozialem Konflikthandeln auf die Rolle von Gewalt in der Schule legen, da diese im engen Zusammenhang mit Konflikten und deren Behandlung zu sehen ist. Das prosoziale Konflikthandeln bietet nicht nur Interventionsmöglichkeiten, sondern auch die so wichtigen Präventionschancen, so dass im Endeffekt die Unverzichtbarkeit von prosozialem Konflikthandeln in der Schule deutlich sein wird. Ich werde auf mögliche Ursachen von Gewalt, auf das Ausmaß und auf Interventions- und Präventionsmaßnahmen seitens der Schule eingehen. Unter Gewalt in der Schule versteht man ,,das gesamte Spektrum von Tätigkeiten und Handlungen, die physische und psychische Schmerzen oder Verletzungen bei den im Bereich der Schule handelnden Personen zur Folge haben oder die auf die Beschädigung von Gegenständen im schulischen Raum gerichtet sind."228 Zu berücksichtigen ist, dass Gewalt in der Schule in der Regel das ,,Ergebnis von Konflikten (ist), nicht die Ursache (derselben). Das Hauptproblem in der Diskussion um Gewalt (...) ist daher nicht die zunehmende Gewaltbereitschaft von Kindern und Jugendlichen, sondernd die Tatsache, dass unsere Lösungen für Konflikte und unser Herangehen an Konfliktlösungen unzulänglich sind."229

1.5.4.1 Ursachen für Gewalt in der Schule

Die Gründe für gewalttätiges Verhalten in der Schule sind zahlreich.230 Ich werde mich auf die wichtigen strukturellen und individuellen Gründe und deren Konsequenzen für das jeweilige Verhalten konzentrieren .

1.5.4.1.1 Individuelle Ursachen für gewalttätiges Verhalten

Drei Erklärungsmodelle für die Entstehung von Gewalt stehen im Bezug zum Gewaltverhalten von Kindern in der Schule:

1. Soziale Desintegration ist die wachsende Vereinzelung und Isolation von Individuen ohne feste soziale Bindungen und Verankerungen. Diese gelingen aufgrund einer sozialen Desorganisation nicht. Ein Verlust und Verfall sozialer Ordnung, Bindung und Kontrolle entsteht, so dass von einem Nichtgelingen von Sozialisations- und Erziehungsprozessen in der pluralistischen, multikulturellen und fortschrittsorientierten Mediengesellschaft gesprochen werden kann.231

- ,,Gewalttätiges Verhalten von Kindern und Jugendlichen muss auf diesem Hintergrund als soziales Anschlussverhalten verstanden werden (...). Es offenbart Defizite, Verzögerungen und Verletzungen auch in der emotionalen Entwicklung"232 Konsequenterweise fällt es Heranwachsenden schwer oder es gelingt nicht, eine eigene persönliche Handlungsfähigkeit aufzubauen. Damit einhergehend sind fehlende familiäre Bedingungen, Deprivationserfahrungen, soziale Isolation, mangelhafte oder nicht existierende außermediale Freizeitangebote und daraus resultierende Langeweile.

2. Modell-Lernen: Gewaltbereite Heranwachsende kommen überdurchschnittlich häufig aus Familien, in denen ebenfalls Aggressionen und Gewalt existieren. ,,Gewalttätiges Verhalten wird durch bewusste und unbewusste Lernprozesse erzeugt - z. B. negative Vorbilder, Gewalt im Fernsehen - und ist nicht etwa auf angeborene Instinkte zurückzuführen."233 Diese Modelle dienen als Handlungsmuster, das sich entweder erfolgreich bewährt hat oder zu dem noch keine Alternative bekannt ist. Die aggressiven und gewalttätigen Handlungsmuster werden durch visuellen Gewaltkonsum via TV unterstützt und bekräftigt.234

- Das zu Hause und im TV erfahrene Verhalten bietet den Kindern wenig Handlungsalternativen. Sie lernen rasch, dass Gewalt ein erfolgreiches Mittel zur Durchsetzung eigener Interessen ist. Eigen erfahrene Gewalt begünstigt paradoxerweise auch die eigene Gewaltbereitschaft. ,,Gewaltfreie Erziehung (dagegen) fördert den aufrechten Gang. Mutige und sozial engagierte Menschen wachsen am besten in Familien, in dienen die Eltern liebevoll und nicht schlagend mit ihren Kindern umgehen."235

3. Urteilskompetenz-Defizit: Das Verhalten wird mehr durch spontane, emotionale und affektive Faktoren gesteuert als durch eine moral-kognitive Reflexion. Infolgedessen gelingt es nicht unbedingt, eine Reflexionsphase zwischen Gewaltmotiv und geplanter Aktion einzuschieben, das eigene Verhalten zu begründen und dieses an der Allgemeinheit zu messen.

- ,,Es sollte deutlich werden, dass die Entwicklung moral-kognitiver Urteilskompetenz eine besonders schwierige, gleichwohl notwendige Leistung ist, die gerade von der Schule erwartet werden muss."236

Diese drei Erklärungsmodelle sind insofern von Bedeutung, als dass sie durch gezieltes Gegensteuern seitens der Schule kompensiert werden können. Sie sind ,,durch Lernen und durch Aufarbeitung von neuen Erfahrungen bearbeitbar."237

Ausschlaggebend ist auch das individuelle Rollenverhalten und die jeweilige Rollenerfahrung: Sowohl Schüler in Außenseiterrollen neigen zu Aggressivität als auch Schüler in einflussreichen Positionen. Beides begründet sich durch die Herstellung einer Rangordnung in Gruppen, welche durch das Umfeld - Freundeskreis und Familie - beeinflusst wird.238

Gewaltbegünstigende Mängel in der Institution Schule sind durch das Lehrerverhalten ausgedrückte Gewaltverhältnisse.239 Dem Verhalten des Lehrers kommt im Zusammenhang mit dem Gewaltverhalten von Schülern eine bedeutende Rolle zu. Einsatzbereitschaft, Einstellung, Stress sind nur einige Faktoren, die die Schüler unmittelbar beeinflussen.240 Der Umgangs- und Unterrichtston den Schülern gegenüber, den Schüler zu akzeptieren gewohnt sind, ,,einige mit offen zutage tretendem Widerwillen"241, zeigt nicht selten die deutlichen Machtdifferenzen zwischen Schülern und Lehrern und entspricht meistens nicht dem Umgangston einer normalen Unterhaltung. Im Regelfall dürfen Schüler ihre Gefühle von Wut und Unsicherheit in der Schule nicht ausdrücken. Es wird in diesem Zusammenhang wenig diskutiert, vor allem nicht darüber, wie Probleme ohne Gewalt gelöst werden können.242

Folgende Aspekte stellen individuelle Ursachen für Gewalt in der Schule dar:

1. Die Vereinzelung von Schülern, die Gewalt als soziale Anschlussmöglichkeit verstehen.
2. Ein gewalttätiger Familienhintergrund.
3. Die fehlende Reflexionskompetenz des eigenen Verhaltens.
4. Die Charakterstruktur und Rollenverhalten von Schülern.
5. Das jeweilige Lehrerverhalten.

1.5.4.1.2 Strukturelle Ursachen für gewalttätiges Verhalten

Gründe für die zunehmend schwierigere Sozialerziehung der Heranwachsenden sind zum einen in der strukturellen Veränderung der Gesellschaft zu finden. Zum anderen liegen sie in der veränderten Familienform in der Kinder aufwachsen, welche unter dem Schlagwort ,,Veränderte Kindheit" erfasst werden kann. Nicht außer Acht gelassen werden darf zudem die Struktur der Schule.

Unsere Gesellschaft ist durch folgende strukturelle Veränderungen gekennzeichnet: Bei der Überwindung sozialer Entwicklungsschwierigkeiten Heranwachsender war in der Vergangenheit sicherlich hilfreich, dass Kinder und Jugendliche häufig und klar allgemein verbindliche Normmuster verdeutlicht und vermittelt bekamen.243 Das Wertesystem war transparent und manifest. ,,Heutzutage haben wir es mit einem flexibleren Wertesystem zu tun, das aber zu sehr als Angebot und zu wenig als verpflichtend erlebt wird. In der wertpluralen Gesellschaft ist die sozialmoralische Entwicklung der Kinder und Jugendlichen wesentlich schwieriger geworden. Es gibt wenig Konsens über den zwischenmenschlichen Umgang und hilfreiche soziale Ordnungen. Dabei ist zu beobachten, dass ,,die Wertorientierung der Eltern von denen der Schule oft abweichen."244 Ungenaue Regeln und fehlende Orientierungsmuster führen zu tendenziell höherer Gewaltbereitschaft.

,,In einer großen Zahl von Familien ist heute eine zuverlässige physische, psychische und soziale Pflege der Kinder mit einem stabilen emotionalen Kontakt und einer umfassenden Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse ohne zuverlässige Hilfe von außen nicht sicher gewährleistet."245 Innerfamiliäre Familienbetreuung ist häufig nicht gegeben. Die soziale Instabilität der heutigen Familie besteht zum einen aufgrund der hohen Scheidungsziffer - seit 1950 ist diese um das Dreifache auf 35 % alle deutschen Ehen gestiegen.246 Die Konsequenzen sind Verunsicherungen im primären Beziehungskreis der Vertrauenspersonen des Kindes. ,,Die psychische und soziale Belastung durch die Trennung der Eltern ist nachweislich außerordentlich groß und hat eine langfristige Beeinträchtigung des sozialen und psychischen Vertrauens der Kinder zur Folge."247 Die Zahl der zum Teil durch Scheidungen entstehenden Ein-Eltern-Familien steigt: In Ballungsgebieten liegt sie bei 30 %.248 Derartige Familienformen bergen häufig wirtschaftliche und organisatorische Probleme in sich. Zum anderen kann durch die Berufstätigkeit beider Elternteile bzw. der Tatsache, dass beide tagsüber außer Haus sind, eine soziale Instabilität innerhalb der Familie entstehen. Es muss registriert werden, dass die Zahl der Familien wächst, in denen beide Elternteile berufstätig sind, wobei es an außerfamiliären Betreuungsinstitutionen, wie Übermittagbetreuungen und vor allem Ganztagsangeboten an Schulen dramatisch mangelt. ,,Die Hilfe von außen fehlt (...) oft, weil die Tradition der Kinderbetreuung in unserem Kulturraum fast ausschließlich auf die inzwischen weit zurückgedrängte ,,Hausfrauen-Familie" abgestellt ist."249 Da aus den genannten Gründen die soziale Erziehung von Kindern in der Familie oft zu kurz kommt, fällt ein Blick auf das Beziehungsgeflecht, in dem Kinder zu Beginn des 21. Jahrhunderts aufwachsen. ,,Im sozialen Bereich fällt uns auf, wie unsicher die Beziehungen und Kontakte von Kindern und Jugendlichen geworden sind. (...) Sie tragen ganz offensichtlich (...) die psychosozialen Kosten der modernen Lebensweise. (...) sie leiden zugleich unter den sozialen Unsicherheiten und psychischen Irritationen, die hiermit einhergehen. Nach aktuellen Überblickstudien müssen wir davon ausgehen, dass 10 - 12 % der Kinder im Schulalter an psychischen Störungen vor allem in den Bereichen Leistung, Emotion und Sozialkontakt leiden."250

Auch die Struktur der Schule beinhaltet teilweise gewaltbegünstigende Formen, so dass an dieser Stelle von struktureller Gewalt gesprochen werden kann: Damit sind Verhältnisse gemeint, die Menschen an ihrer möglichen Entwicklung hindern und die bis zur sozialen Ungerechtigkeit führen können.251 Dadurch entsteht eine Kluft zwischen den realen Lebensbedingungen und alternativen Möglichkeiten der Selbstentfaltung, so dass vorhandene Probleme verstärkt werden.252,,So wie Schule zur Zeit organisiert und strukturiert ist, bietet sie eher geringe Möglichkeiten, Gewaltphänomene aufzuarbeiten."253 Gewaltbegünstigende Faktoren innerhalb der Schule können die Klassen- und auch Schulgröße sein. In immer seltener werdenden kleinen Klassen kann auf auffällige, verhaltengestörte und sozial- schwache Kinder bedeutend besser eingegangen werden. Zudem bestehen bessere Förderungsmöglichkeiten als in großen Klassen, in denen unter Umständen mehrere förderungsbedürftige Schüler sitzen. Auch die baulichen Gegebenheiten und deren Nutzung sind von Bedeutung für das Sozialverhalten der Kinder. Ständig wechselnde Klassenräume machen es den Schülern schwer, sich in der Schule wohl und heimisch zu fühlen, ebenso kalte, leere, natur- und lebensferne Ausstattungen.254 Nur von Frauen verrichteter Unterricht (wie er vor allem in Grundschulen die Regel ist) ist ebenso wenig positiv wie ständig wechselnde Fachlehrer. Des Weiteren hinderlich bezüglich der Sozialentwicklung des Kindes sind (um-) weltfremde Schulen, die sich vom gesellschaftlichen Umfeld abschotten, so dass Schüler zwischen der Realität zu Hause, ihrer Freizeit und dem, was sie in der Schule lernen, kaum Zusammenhänge erkennen können.255 Auch besteht zwischen den meisten Unterrichtsfächern keinerlei Zusammenhang. Es existiert eine 45-minütige Sprunghaftigkeit, dem die Schüler ausgesetzt werden und die die Schule zusammenhanglos, uninteressant und undurchschaubar und den klassischen Unterricht, in dem, anders als im Alltag, jeder alleine lernt, abstrakt-logisches Denken verlangt wird, allzu oft symbolische Handlungen eine Rolle spielen und generalisierendes Lernen praktiziert wird, passiv, reaktiv und langweilig machen.0 Rasch besteht durch diese Umstände die Gefahr eines gleichgültigen Verhältnisses von Schülern und Lehrern zur Schule.

Demzufolge sind folgende strukturelle Ursachen gewaltbegünstigend:

1. Veränderte Gesellschaftsstrukturen
2. Veränderte Familieformen, die zu unsicheren Beziehungen und Kontakten führen.
3. Strukturen in der Schule, wie große Klassen und Zusammenhanglosigkeit der Schulfächer.

1.5.4.2 Raufereien und Vandalismus - Das Ausmaß von Gewalt

Gewalt, so ist der prophetischen Kritik zu entnehmen, ist praktizierter Atheismus.1 Das Ausmaß an Gewalt ist jedoch im biblischen Zusammenhang enorm, wie bereits in den Betrachtungen des biblischen Konfliktverhaltens angeschnitten wurde. Ebenso präsent ist das Gewaltphänomen im schulischen Raum.

Zwei Drittel aller Lehrer sind der Meinung, dass Schüler heute egoistischer, rücksichtsloser und aggressiver als früher sind.2 Die Formen ihres Verhaltens sind vielseitig und bekannt: Konflikte führen rasch zu Raufereien, Schlägerein, verbalen Übergriffen, Vandalismus, Mobbing, Bullying, Drangsalieren. Doch die Stimmen zur Gewaltbereitschaft sind widersprüchlich: ,,An deutschen Schulen explodiert die Gewalt. Aggressive Kinder bedrohen Klassenkameraden mit dem Tod, sie prügeln, rauben, erpressen. Schwere Verletzungen sind an der Tagesordnung. Lehrer und Polizei stehen der Brutalität von bisher nie erlebtem Ausmaß hilflos gegenüber. Experten suchen die Schuld bei den Eltern", so war es im Oktober 1992 im Magazin ,,Der Spiegel" zu lesen,3 während ,,Heinz Steinert, Soziologe an der Frankfurter Universität und Leiter des Wiener Instituts für Rechts- und Kriminalsoziologie, (...) zu dem Ergebnis (kommt), ,,dass die Gewalterfahrungen der heutigen Generation in allen Schichten geringer geworden" sind. Nach Steinert stehen die Kriminalstatistiken im Widerspruch zur gegenwärtigen ,,Gewalt-Panik-Propaganda".4 Empirische Erhebungen bestätigen die Hypothesen von epidemiehaftem Verbreiten von Gewalt und Aggressionen nicht.5 Das Auftreten von Gewalt und Aggressionen und deren Ausmaß sind folglich nicht objektiv zu beschreiben und können kontrovers diskutiert werden. Die Tatsache, dass es Gewalt im Raum Schule überhaupt gibt, ist allerdings ebenso offensichtlich wie die sich mehrenden Klagen der Lehrer über wachsende Aggressions- und Gewalthandlungen.6 Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, ,,dass Gewalt in der Schule auch deshalb ein Themenrenner geworden ist, weil gesellschaftliche Gewaltwahrnehmung sensibler, feiner ausgeprägt geworden ist."7

Das Ausmaß von Gewalt ist von verschiedenen Faktoren abhängig: Es spielt eine Rolle, was überhaupt von Lehrern und auch Schülern als Gewalt aufgefasst wird. Nur wenige Lehrer machen sich ernstlich Sorgen, wenn Kinder und Jugendliche ihre Mitschüler hänseln, über sie bösartige Gerüchte verbreiten, sie mit beleidigenden Sprüchen ärgern oder mit Missachtung strafen.8 Schikanieren scheint als ein ,,Kavaliersdelikt" auf dem Schulhof zu gelten - eine Bagatellisierung, die zu Unrecht geschieht. Dazu erklärt Mechthild Schäfer vom Max-Planck- Institut in einer eigenen Studie: ,,Zwar sind 67 % der Formen des Schikanierens nicht direkt aggressiv, d. h. es wird niemand verletzt oder körperlich angegriffen. Doch auch die subtilen Angriffe hinterlassen tiefe Spuren bei den Schikanierten. Die betroffenen Kinder leiden unter einem geringen Selbstwertgefühl, sind einsam, ziehen sich sozial zurück, klagen über Magen- und Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Alpträume und Angstattacken. Im Extremfall sehen manche Jugendliche nur noch im Selbstmord einen Ausweg, wie eine englische Studie berichtet. (...) Die Schüler der 6. Klasse neigen (...) weniger zum Schikanieren als die Schüler der 8. Klasse, wobei es deutliche Geschlechtsunterschiede gibt: Mädchen schikanieren in beiden Altersgruppen weniger als Jungen. Sie reagieren mitfühlender als Jungen, wenn sie sehen, dass ein Mitschüler oder eine Mitschülerin schikaniert wird."9 Gewalt in der Schule wird nicht selten nur dann als solche definiert, wenn der Lehrer unmittelbar mit ihr in Kontakt tritt, sprich selber die Gewalt wahrnimmt. Ein Zusammenhang ist mit dem tatsächlichen Auftreten von Gewalt in der Schule zu sehen. ,,Wir haben den klaren Befund, dass die Gewalt an der Schule umso höher ist, je höher der Prozentsatz der Lehrer liegt, die nach Angeben der Schüler bei gewalttätigen Konflikten wegschauen und sich nicht kümmern."10

Ferner ist das Ausmaß von Gewalt stark schultyp- und einzugsgebietabhängig. So ist die Gewalt an Sonder-, Förder- und an Berufsvorbereitungsschulen dreimal so hoch wie an Gesamt- und Hauptschulen, danach folgen Grundschulen, Realschulen, Gymnasien und Berufsschulen.11 Aggressionen und Gewalt sind in großstädtischen Regionen häufiger anzutreffen als an Landschulen und in sozialen Brennpunkten mit multikultureller Schülerschaft häufiger als in Schulen, die vorwiegend von Schülern einer Nation besucht werden.12

Insgesamt bedeutungsvoll ist, dass Kinder unter einer aggressiven Atmosphäre in der Schule leiden.13 Sie entwickeln Ängste, die zu einem regressivem und aggressivem Verhalten führen können, die wiederum einen Teufelskreis in Gang setzen. Es entstehen soziale Kontakt- und Lernschwierigkeiten, die zu psychosomatischen Symptomen führen können.

Betrachtet man das Ausmaß von Gewalt in der Schule wird Folgendes deutlich:

1. Es ist nicht bewiesen, dass Gewalt in der Schule tatsächlich zugenommen hat. Gewachsen sind die Klagerufe der Lehrer und die gesellschaftliche Gewaltwahrnehmung ist sensibler geworden.
2. Gewalt in der Schule wird oft von Lehrern nur dann beachtet, wenn diese selber oder ihr Unterricht direkt davon betroffen sind.
3. Das Ausmaß ist stark schultyp- und einzugsgebietabhängig.
4. Schüler leiden unter einer Atmosphäre von Gewalt.

1.5.4.3 Schulische Maßnahmen reichen über die Schule hinaus

Maßnahmen gegen Aggressions- und Gewaltverhalten in der Schule können ein zentraler Baustein, eventuell gar der Grundstein für prosoziales Konflikthandeln sein. Interventionsmaßnahmen und Präventionen stehen in einer Wechselwirkung zu prosozialem Konflikthandeln: Anknüpfend, aufbauend, ableitend.

Um aggressives Konfliktverhalten und Gewaltverhältnisse in der Schule sinnvoll bearbeiten zu können, darf die Gewaltsituation nicht isoliert betrachtet werden. Ein Netzwerk vieler Faktoren, individueller und struktureller Art, muss hinzugezogen werden, um aufarbeitend und präventiv mit dem Aggressions- und Gewaltphänomen in der Schule umgehen zu können. Gewalt in der Schule ist immer ein Spiegelbild, eine Fieberkurve14 der Gewalt in der Gesellschaft.15

Das Ziel muss sein, die Ursachen zu bearbeiten, gewaltbegünstigende Strukturen in Schule und Gesellschaft zu verändern, um eine Schule als gesellschaftliche Zone des Gewaltverzichts zu gestalten. Die Schüler müssen lernen, mit ihren eigenen Aggressionen bewusst umzugehen, so dass sie auch außerhalb der Schule gewaltlos agieren. Mit Gewaltverzicht ist nicht bloß Gewaltfreiheit und Gewaltlosigkeit gemeint, sondern ein Handeln ,,aus souveräner Stärke. Denn dem echten Verzicht auf Gewalt ge- hen die Potenz und der Impuls der Gewalt voraus."16 Das Prinzip untersagt die Anwendung von Gewalt in jeglicher Form, zwischenmenschlich, sozial und politisch, so dass beim Austragen von Konflikten aktiv nicht gewaltsame Handlungsweisen entwickelt werden. Geschehen kann das durch ein Vertrauen auf die göttliche friedenstiftende dynamis. Denn der Mut zum Gewaltverzicht setzt voraus, dass eine unbekannte Macht zwischen den Konfliktparteien vermittelt, so dass die frei gewählte, vernünftig motivierte Unterlassung von Gewalt die Gewissheit stärkt, zu können, was man begründet nicht tut.17

Die Rolle des Lehrers ist im Besonderen gefragt: Er muss zunächst selber ein Muster gewaltfreier Konfliktlösungen darstellen und zeitgleich bekannte und eingesetzte Muster gewaltsamer Konfliktlösungen hinterfragen und ersetzbar machen,18 so dass dem Schüler im Endeffekt eine breite Palette an Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen und er seine aggressiven Impulse unter Kontrolle halten kann. Zudem müssen die Aggressoren gehindert werden, dem aus ihrer Sicht erfolgversprechenden Gewaltweg zu gehen. Geht der Lehrer konsequent vor, macht er die Regeln fair und verständlich, werden seine Verhaltensweisen konsequent und einstufbar und Gewalt tritt in der Regel seltener auf.19

Die Ziele von Maßnahmen gegen Gewalt in der Schule sind folgende:

1. Die Ursachen der Gewalt müssen behoben werden.
2. Die Schüler (und Lehrer) sollen zum Gewaltverzicht erzogen werden, so dass sie bewusst gewaltfrei handeln.
3. Der Lehrer muss selber als Beispiel für Gewaltverzicht stehen können.

1.5.4.3.1 Interventionen - Schlichten statt Richten

Bei den folgenden Ausführungen ist zu beachten, dass zwischen den von Egon Spiegel hervorgehobenen harten Interventionen wie Repressionen, Sanktionen, Vergeltungsmaßnahmen und Strafen sowie sanften Interventionen wie die Integrationsmaßnahmen Wiedergutmachung und Feedback unterschieden werden kann. Bei harten Interventionen setzt der Lehrer bewusst seine Macht über die Schüler ein.20 Im Folgenden wird exemplarisch auf die Interventionsmaßnahmen Strafe, Wiedergutmachung und Feedback eingegangen.

Die wohl verbreiteste Interventionsmaßnahme gegen Gewalt, vor allem im Bereich der Schule, ist die Strafe, obgleich ihr Einsatz fragwürdig und die Wirksamkeit nicht bewiesen ist. ,,Die Bestrafung von SchülerInnen (ist) unter praktischen und pädagogischen Gesichtspunkten in ihrer Zweckmäßigkeit zu hinterfragen: Fördern Strafarbeiten nicht erst recht Lustlosigkeit? Wird durch Bestrafung (wie übrigens auch durch Belohnung) nicht das verhindert, was eigentlich bezweckt werden sollte, das nämlich etwas aus freien Stücken und gerade nicht um des Lohnes oder einer drohenden Strafe willen getan wird? Und werden nicht durch ultimative Drohung und Bestrafung Machtbeziehungen entwickelt, aber keine Sozialkräfte?"21 Sicherlich gibt es Situationen, in denen Strafen Sinn machen. ,,Was die Vorstellungen von Kindern betrifft, hat Piaget (...) bereits 1932 festgestellt, dass sie, im Stadium der heteronomen Moral, das Konzept der gerechten Strafe favorisieren, die dem Unrecht gleichsam automatisch folgt. (...) Auch neuere Untersuchungen zeigen, dass Kinder noch im frühen Grundschulalter gerechte Strafen - im Sinne von Vergeltung - fordern, dass sie aber vielfach schon über pädagogische Strafkonzepte verfügen, wonach es besser ist, von einer Wiederholung der Untat abzuhalten als diese bloß zu vergelten."22

Eine Alternative zur Bestrafung bietet die Wiedergutmachung: Damit ist das aktive und kreative Mitwirken der Täter an der Behebung der von ihnen verursachten Schäden nach dem Motto ,,schlichten statt richten"23 gemeint, ,,wobei es freilich weder um einen einfachen finanziellen Schadenersatz noch um ein paar leicht dahingeworfene Worte der Entschuldigung gehen könne."24 Es geht um eine soziale Persönlichkeitsleistung, die dem Täter Aufrichtigkeit und Reue abverlangt. Dies kann mittels der Hilfestellung des Lehrers geschehen, der den Täter bestärkt, den Schaden wahrzunehmen, diesen zu veröffentlichen, vor Augen zu führen und schlussendlich eine Wiedergutmachung zu ermöglichen. Wichtiges Element des Wiedergutmachungsprozesses ist die Entschuldigung des Täters, die eine Täter- Opfer-Konfrontation erfordert. Danach erst kommt es zu einem Konsens über die Entschädigungsleistungen des Täters.25

Zu diesem Verständigungsprozess gehört auch ein Feedback, indem das Gewaltverhalten zum Gegenstand gemacht wird und Klassenkameraden mit dem Lehrer und dem Täter das Verhalten diskutieren, um dadurch gewaltverzichtende Handlungsspektren offen zu legen.26

Interventionsmaßnahmen gegen Gewalt in der Schule beschränken sich in der Regel auf Strafen. Diese Form kann angebracht sein, oft sind aktive Formen der Intervention effektiver, wie der Prozess der Widergutmachung und ein anschließendes Feedback, die dem TäterOpfer-Verhältnis dienen.

1.5.4.3.2 Präventionen - Die Chancen der Schulpädagogik

Präventionen sind die Möglichkeiten, aggressions- und gewalttätige Handlungsstränge vorzubeugen, sie sind die Chance der Schulpädagogik, Gewalt einzudämmen und das soziale Lernen zu fördern.27 Indikatoren für Missstände, die präventive Maßnahmen erfordern können, sind Störungen. ,,Störungen sind Chancen, haben informativen Gehalt. Störenfriede sind die sensibeln MitarbeiterInnen der LehrerInnen, signalisieren unter Umständen noch rechtzeitig, wo das Unterrichtsarrangement seine Schwächen hat, bevor der Unterricht (...) in ein einziges (...) Chaos abgleitet."28 Die Störungen sind ein Indikator vielfach lügnerisch verdeckte Konflikte und Gewalttätigkeiten zu erkennen, um sie dann offen zulegen und zu bearbeiten.29 Der Lehrer kann mit Maßnahmen rasch reagieren und intervenieren, indem er gewaltpräventive Möglichkeiten innerhalb des Unterrichts wie offenere Lernphasen, Stilleübungen oder Bewegungsphasen nutzt. Auch indem der Lehrer immer wieder das Klassen- und Einzelgespräch sucht, ebnet er sich den Weg zu einem gewalt- und weitgehendst störungsfreiem Klassenzimmer.

Mit der beziehungsstiftenden force vitale ist ein weiterer Präventionsaspekt verbunden. ,,Die Physiognomie einer Klasse und einer Schule verliert gewiss an vielen Gewaltzügen, wenn Schule, Klasse, Unterricht bereits aus der Überzeugung einer wirkmächtigen force vitale, aus der dynamis JHWHs, (...), unter der Voraussetzung eines geheimnisvoll präsenten konstruktiven Potentials so organisiert wird, dass der wie auch immer begrifflich angenäherten ,,Quelle des Lebens" (Ps 36, 10) bewusst Aktionsspielraum gegeben wird."30 Eben dieser force vitale kommt die zentrale Bedeutung bei prosozialem Konflikthandeln zu: Lehrer und Schüler schaffen aktiv Platz, Raum, Zeit und Ruhe für die schalomstiftende Macht in Beziehungen.

Bedeutungsvoll ist zudem eine schülerfreundliche, und von Schülern getragene Lernumwelt, die Ruhe- und Aktionsflächen bietet und kinderfreundlich ist. Schule ist Lebensraum, in dem Lehrer und Schüler sich begegnen. Hubertus Halbfaß formuliert dazu die Idee über die Beheimatung des Kindes in der Schule und knüpft damit an die Ideen der Freinet- und Montessoripädagogik an.31,,Ich teile (...) Montessoris Erfahrung, dass es nirgendwo wirkungsvolle und befriedigende Ergebnisse geben wird, wenn die Lernumgebung nicht mit größter Sorgfalt eingerichtet und gepflegt wird. Das Unbehaustsein der Kinder, ihre Fahrigkeit, ihr fluchtartiges Verlassen der Schule, ihr Benehmen und die Rücksichtslosigkeit sowohl gegenüber Sachen wie Mitschülern, das alles hängt mit davon ab, ob der Klassenraum ein unwirtlicher, hässlicher Warteraum ist oder eine anheimelnde Stätte, zwischen Stube und Werkstatt angesiedelt, in der sich die Kinder (...) regelrecht einhausen können."32 Es ist paradox, Schülern vor der bedrückenden Kulisse karger kaputter Klassenräume die Schönheit der Schöpfung und des Miteinanders nahezubringen.33 Daher können Schüler und Lehrer gemeinsam für eine freundliche Lernumwelt sorgen, um zu einem gelingenden Schulleben beizutragen.

Ebenso kommt einem klaren Regelsystem in der Schule eine besondere Bedeutung zu. Durch die force vitale vertraut der Lehrer nicht nur auf sein pädagogisches Wissen: Er ermöglicht Erfahrungen, schafft bewusst Probierfelder, Suchphasen und Experimentierräume, ermöglicht offene Unterrichtsformen und Differenzierungsmaßnahmen, die für die Kinder durchsichtig und verständlich sind und die sie vor allem selber aktiv mitgestalten können. ,,Nur sehr wenige Bildungsbehörden haben feste Regeln für den Umgang mit Gewalt an der Schule"34 Diese sind insofern bedeutungsvoll, da sofort bei einem Regelverstoß deutlich wird, dass etwas falsch war, so dass unmittelbar Konsequenzen, die bekannt und gemeinsam beschlossen werden, eingeleitet werden können sowie Grenzen deutlich erkennbar werden, welche sowohl den Schülern als auch den Lehrern Orientierungshilfen bieten.35 Einer gemeinsamen Ideenfindung zu diesem Regelsystem von Lehrern und Schülern kommt dabei eine zentrale Rolle zu.36,,Die übliche Rationalisierung, dass Lehrer ein größeres Wissen und mehr Erfahrung hätten und daher beurteilen könnten, was für die Schüler ,,am besten" sei, mag für einige wenige Problemfälle zutreffen. Aber selbst dann kann Wissen und Erfahrung eines Lehrers allein gar nicht besser sein als das Wissen und die Erfahrung von Lehrern und Schülern gemeinsam."37 Grundsätzlich gilt: ,,Lehrer und Schüler treten als handelnde Subjekte zueinander in Beziehung, als Personen, d. h. sie müssen sich in ihrer personalen Würde als gleichwertig erkennen. Keiner kann den anderen zu etwas zwingen oder ihn von außen bestimmen wollen"38 Denn Schüler, die bei Entscheidungen mitwirken, fühlen die Verpflichtung und Verantwortung, diese Entscheidung auch zu realisieren.39 Grundsätzlich gilt: ,,JHWH-orientierter Unterricht geht davon aus, dass Kinder, Jugendliche und Erwachsene in dialogischer Auseinandersetzung, gesprächsweise zu wirklich tragfähigen Konfliktlösungen kommen"40 und selbständig in der Lage sind, gewaltpräventiv zu handeln. Präventive Maßnahmen sind folgende:

1. Aggressives Verhalten ist als Indikator für eine zu bearbeitende Störung zu betrachten.
2. Der Unterricht soll force-vital-orientiert gestaltet werden, so dass Raum und Zeit für eine beziehungsstiftende dynamis geschaffen wird.
3. Die Schulatmosphäre sollte freundlich gestaltet werden.
4. Ein klar strukturiertes, gemeinsam verfasstes Regelwerk innerhalb der Schule und Klassen verpflichtet offenkundig für Schüler und Lehrer zu Handlungsanweisungen.

1.5.5 Notwendigkeit des schulischen prosoziales Konflikthandelns

In Anbetracht des Ausmaßes an Gewalt, dem Sozialverhalten von Schülern und der Aufgabe der Schule und des Religionsunterricht ergibt sich die unbedingte Notwendigkeit, Wege zu gehen, die zum einen den Schulen und Lehrern ein effektives Unterrichten und Erziehen ermöglichen und die zum anderen den Schülern elementare Formen des sozialen Handelns anbieten und erfahrbar machen.

In den vorangegangenen Ausführungen habe ich gezeigt, wie dringlich der Handlungsbedarf an Schulen ist. Die Situation des Lehrers, die der Schüler und letzten Endes der Lernerfolg hängen vom sozialen Klima in der Schule ab. Nun soll die Notwenigkeit aus pädagogischer und theologischer Sicht beleuchtet werden und gezeigt werden, warum die Schule der richtige Ort für prosoziales Konflikthandeln ist. Vorab möchte ich kurz auf die Notwenigkeit des prosozialen Konflikthandelns in Beziehungen eingehen.

1.5.5.1 Notwendigkeit für das Gelingen von Beziehungen

Es besteht Grund für die Annahme, dass zwischen der Häufigkeit von Konflikten und der Qualität der Beziehung41 kein Zusammenhang besteht.42 Der Weg dazu, dass eine Beziehung trotz zahlreicher Konflikte funktioniert, dass die Gruppe, das Paar, die Klasse oder die Familie eine gute Beziehung führen kann, ist der Weg des prosozialen Konflikthandelns. Da wir ein Leben in und aus Beziehungen führen, ergibt sich die Notwendigkeit, diesen Weg zu wählen. Der Mensch kann nicht aus sich selbst heraus Sinn schöpfen, ,,Sinn ist nur als Ergebnis von Beziehungen denkbar"43. Die Menschen sehen nicht im Individualismus und im eigenen Erfolg ihre Ökologie.44 Der Mensch ist demnach nie nur ein Individuum, sondern ein Sozialwesen, dass andere Menschen zum Leben braucht. Das Gelingen dieses Lebens hängt vor allem von positiven aber auch von negativen Beziehungserfahrungen ab.45 Infolgedessen besteht eine Wechselwirkung zwischen der Notwendigkeit des prosoziales Konflikthandeln und dem Leben mit Beziehungen. Somit ist prosoziales Konflikthandeln für jede Beziehung, für die Lehrer-Schüler-Beziehung, für Schüler-Schüler-Beziehungen und für das Beziehungsgeflecht innerhalb der Klasse von immenser Bedeutung und notwendig.

Gruppen, Gemeinschaften, Paare, Klassen - jede Art von Beziehung kann Konflikte konstruktiv zur Verbesserung ihrer jeweiligen Situation nutzen - den Weg dazu ebnen Momente des prosozialen Konflikthandelns.

1.5.5.2 Schule als soziales Forum

,,Konfliktlösetechniken (im positiven wie im negativen Sinne) sind erlernbar. Die jeweils typischen Verhaltensmuster, die in Konfliktsituationen realisiert werden, entstehen in beträchtlichem Ausmaße im Verlauf des Sozialisationsprozesses."46 Dieser findet zum Großteil in der Schule statt, die infolgedessen ihren Einfluss auf die soziale Erziehung des Kindes nutzend machen kann.

Bereits Bertold Brecht sinnierte darüber, was passiert, wenn Schüler in der Schule prosoziale Erziehung erfahren. Er kam zu folgender Schlussfolgerung: ,,Alles, was sie in der Schule, im Verkehr mit den Lehrern gelernt hätten, müsste sie draußen im Leben, das so sehr anders ist, zu den lächerlichsten Handlungen verleiten. Sie wären kunstvoll darüber getäuscht, wie sich die Welt ihnen gegenüber benehmen wird. Sie würden fair play, Wohlwollen, Interesse erwarten und ganz und gar unerzogen, ungerüstet, hilflos der Gesellschaft ausgeliefert sein."47 Um dieser Vision Brechts vorzubeugen, besteht für die bundesdeutschen Schulen Handlungsbedarf, eine realitätsbezogene Kultur des Hinschauens und der effektiven Konfliktbearbeitung, für Schüler und Lehrer zu entwickeln. Die Einbeziehung der Lehrer ist notwendig, da der Befund besteht, ,,dass die Gewalt an der Schule umso höher ist, je höher der Prozentsatz der Lehrer liegt, die nach Angaben der Schüler bei gewalttätigen Konflikten wegschauen und sich nicht kümmern."48 Demnach ist die Vermittlung von Handlungsanweisungen für Lehrer bedeutsam, in interne (d. h. Lehrer-Lehrer-Konflikte bzw. Lehrer-Rektor-Konflikte), aber vor allem in Schülerkonflikte konstruktiv helfend und begleitend einzugreifen, um den Schülern prosoziale Bearbeitungshilfen geben zu können.

Die individuelle Fähigkeit eines Schülers, sich mit Anforderungen auseinander zu setzen und diese zu verarbeiten, wird enorm durch das soziale Umfeld, geprägt. Und wer in der Schule beim Wettlauf und Ringen in der Klassen- und Schulhierarchie nicht mithalten kann, hat viel zu verlieren ,,und lässt, meist kalkuliert, soziale Spielregeln außer Acht, um sich über Aggressionen und Gewalt neue, alternative Formen von öffentlicher Aufmerksamkeit zu sichern."49 Wie aus den vorangegangenen Ausführungen deutlich geworden ist, sind ,,Verhaltensauffälligkeiten und auch Aggressivitäten als Ergebnis einer spezifischen Form der Auseinandersetzung eines Jugendlichen mit den heute aktuell gegebenen Lebensanforderungen, den Entwicklungsaufgaben und psychischen und sozialen Belastungen zu verstehen (...) Sie sind ein vielleicht subjektiv befreiendes, aber doch langfristig ungünstiges Ergebnis der Auseinandersetzung, weil sie zu Hinderungen der weiteren Entwicklung der Persönlichkeit und/oder zu Störungen der Beziehungen zur sozialen Umwelt führen."50 Da ein Schüler durchschnittlich 15 000 Stunden51 seines Lebens in der Schule verbringt, ist sie eine Institution mit der Möglichkeit effektiver Einflussnahme auf die geschlechtlich differenzierten sozialen Ressourcen eines Schülers.52 Die Schule wird zum sozialen Forum, zum anregenden Teil des Alltags, indem sie die Möglichkeit nutzt, ,,soziales Lernen als wichtiges Ziel und Ergebnis des Unterrichts anzusehen, also Formen der Streit- und Verständigungskultur zu entwickeln."53 Dabei müssen analytische Erörterungen von Konflikten und Gewalt miteinbezogen werden. Aufgabe des Religionsunterricht und der Schule ist demzufolge, den Gewaltkreislauf zu unterbrechen, um den Schülern andere Formen der Aufmerksamkeit, bzw. Selbstbestätigung anzubieten, beizubringen und erfahrbar zu machen. Die Notwendigkeit ergibt sich, da der Schule mehr und mehr Erziehungsverantwortung zukommt.54

Um Schülern eine Erziehung zum gewaltfreien Handeln zu ermöglichen, dürfen wichtige Faktoren wie familiäre Erziehungsfehler und Belastungen, frühkindliche und aktuelle Entwicklungsprobleme, schulische Erziehungsfehler, reale und mediale Gewaltmodelle und gesellschaftliche Faktoren nicht außer Acht gelassen werden.55 Diese Notwendigkeit ergibt sich, da die Schule nicht - wie Brecht befürchtet - als Insel in der Gesellschaft gesehen werden kann und darf. Denn der Nutzen sozialer Erziehung und Atmosphäre in der Schule wird durch eine gewaltsame, außerschulische Gesellschaft gemindert.56

Die schulische Notwenigkeit ergibt sich, neben ihrem Erziehungsauftrag, aus den gesellschaftlichen Umständen: Grundkenntnisse im sozialen Handeln können bei vielen Schülern nicht vorausgesetzt werden. Daher ist die Schule der Ort der sozialen Handlungsmodelle, der Alternativen zu bisher gelebten und erfahrenen sozialem Handeln vermittelt und erfahrbar machen kann.

1.5.5.3 Theologische Notwendigkeit: Prosoziales Konflikthandeln ist unumgänglich

,,Der Hauptunterschied zwischen Gewaltlosigkeit und Gewalt besteht darin, dass die letztere sich ganz auf ihre eigene Berechnung verlässt und die erstere verlässt sich ganz auf Gott und sein Wort."57

Im Vorfeld habe ich aufgezeigt, in welcher Form und in welchem Ausmaß sich Gewalt und eigene Berechnung der Gewalttäter in der Schule zeigen und welche Formen und Möglichkeiten es für aktiven Gewaltverzicht in der Schule gibt. Dass dieser die unweigerlich theologische Konsequenz ist, soll nun deutlich werden.

In der Gefangenschaft Ägyptens ist dem israelitischen Volk gezeigt worden, dass JHWH alle Formen der Herrschaft von Menschen über Menschen zutiefst verabscheut und immer auf der Seite derer steht, die sich gegen strukturelle Gewalt, ungleiche und ungerechte Machtstrukturen und Formen der Bevormundung und Unterdrückung einsetzen und bemühen.58 Demnach steht Gewalt im Widerspruch zum Vertrauen auf Gott. ,,Wer Gewalt vertraut, vertraut nicht auf Gott."59 Wer mittels Gewalt Konflikte löst, wer Gewalt als Mittel der Annerkennung und zwecks Bestätigung seiner selbst - bewusst oder weil er keine anderen Möglichkeiten kennt - wählt, lässt keinen Raum für Gottes Wirken. Egon Spiegel zieht daraus die Konsequenz, Gewaltanwendung generell sei atheistisch.60

In Schulen als Orte der (strukturellen) Gewalt, wo Lehrer in strukturellen Formen an unzusammenhängende Themen, fest eingeteilte Zeiten und kalte, lernunfreundliche und kinderferne Räume gebunden sind, wo diese im militaristischen Ton der teils tobenden teils eingeschüchterten Schülerschaft Befehle geben, ihre Macht missbrauchen und selber krank werden, wo Schüler sich gegenseitig drangsalieren, physisch und psychisch die Schwachen schikanieren und den Lehrern nicht zuhören, an diesem Ort ist für die dynamis Gottes, für das Wirken einer dritten Macht, schwer Platz zu finden, obgleich diese dort dringlichst gebraucht wird. Um in der Schule zu ,,gotten", um auf Gottes Wegen zu gehen, müssen alternative Wege als die bekannten der strukturellen Gewalt, des Machtmissbrauchs und des gewaltvollen Streitens her: Der Weg Gottes, in der Schule produktiv, gemeinsam und in einer angenehmen Atmosphäre arbeiten zu können ist für alle Mitarbeiter und Einflussnehmende der Schule, für Eltern, Rektoren, Lehrer, Erzieher, außerpädagogische Mitarbeiter und Schüler der des prosoziales Konflikthandelns.

Daraus ergeben sich folgende Konsequenzen für die Schule, wenn Wirkfelder für die dynamis Gottes geschaffen werden sollen:

1. Die Überwindung von Ungleichheiten der Schulgemeinschaft, zwischen Rektoren und dem Lehrerkollegium, innerhalb des Kollegiums, zwischen Lehrern und Schülern, in den Klassen und in und zwischen den dort bestehenden Gruppen. Die ungleichen Machtverhältnisse und strukturellen Gewaltformen sollen überwunden werden, um ein Klima der Prosozialität schaffen zu können. Als biblisches Beispiel dient die Josefsgeschichte (Gen 37-50).
2. Das Anbieten, Erfahren und Einüben von prosozialen Handlungsanweisungen wird realisiertes Erziehungsziel der Schule. Die Kultur des Wegschauens und Vergeltens soll überwunden werden, zu Gunsten eines aktiven Hilfeangebots seitens der Schule. Biblische Beispiele sind die Heilungsgeschichten (Ex 15, 26)61, das Gebot der Nächstenliebe (Mk 12, 28-31) und das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10, 30 -37).
3. Die gesellschaftlichen Strukturen und egalitäre Formen, die prosoziales Konflikthandeln in der Schule negativ beeinflussen, müssen aufgebrochen und verändert werden. Der Gewaltverzicht darf sich nicht einzig auf den Ort der Schule beziehen, sondern muss auch außerhalb derselben stattfinden. Der richtige Weg ist es dabei, die Schüler zur Selbständigkeit zu erziehen. Biblische Beispiele sind Jesu Widerstand gegen die Aristokratie (Mk 10, 42 f)62 und Konfliktlöseverfahren im Vertrauen auf JHWH (Jes 7, 9).
4. Das Prinzip der Toleranz muss allumfassend und weit gestreut werden. Es soll nicht nur gelebt, sondern für jeden einzelnen erfahrbar gemacht werden, so dass es zu einem selbstverständlichen Grundelement des menschlichen Miteinanders innerhalb (und selbstverständlich somit auch außerhalb) der Schule wird. Biblische Handlungsbeispiele gibt das Handeln und Wirken Jesu (v. a. Lk 9, 49 f). Er orientiert sich am liebenden, barmherzigen Gott und motiviert zum Gewaltverzicht im Vertrauen auf die göttliche dynamis.

Der Gewaltverzicht Jesu, der beispielhaft ist, wendet sich gegen das Kollektive und ist absolut.63 Er steht exemplarisch für das christliche Handeln, das der Schule einen Weg zu einem effektiveren, angenehmeren und besseren Umgang miteinander bietet. Schlussfolgernd kann zusammengefasst werden, dass aus theologischer Sichtweise prosoziales Konflikthandeln in der Schule unumgänglich ist. Es ist die Konsequenz des Handelns und Wirkens JHWH und Jesu.

1.5.6 Ziele des prosozialen Konflikthandelns

Die Notwendigkeit des prosozialen Konflikthandelns im Religionsunterricht ergibt sich aus dem Auftrag der Erziehung in der Schule und im Religionsunterricht, aus der momentanen Situation in den Schulen, aus Sicht der Lehrer, Schüler und nicht zuletzt aus gesellschaftlicher und theologischer Sicht. Daraus lassen sich die Ziele formulieren, da die Notwendigkeit deutlich macht, wo im schulischen Raum Anhaltspunkte bestehen, die prosoziale Methoden zur Konfliktbewältigung fordern und bieten. Demnach werde ich mich im Folgenden auf die schulischen Ziele des prosozialen Konflikthandelns, auf die für die Entwicklung der Schüler relevanten Ziele und auf die konkreten Ziele im Religionsunterricht konzentrieren. Im Mittelpunkt steht dabei stets die christliche Botschaft der Nächsten- und Feindesliebe. Dadurch soll das Individuum lernen, mit Konflikten positiv umzugehen, um diese rational erfassen zu können und sie friedlich und vor allem konstruktiv ausagieren zu können, so dass Konfliktparteien gewaltfrei zu einem Konsens gelangen und die Gemeinschaft untereinander gestärkt wird.64

1.5.6.1 Ziele für das schulische Lernen und Leben

Die Ziele des prosozialen Konflikthandelns in der Schule beziehen sich zunächst nur auf den innerschulischen Handlungsrahmen und betreffen vier Bereiche: Das effektive Lernen, die gute Zusammenarbeit zwischen Lehrern und Schülern, das innerschulische bzw. klasseninterne Gemeinschaftsgefühl und die Fähigkeit zur prosozialen, produktiven Konfliktlösung.

1. Das effektive Lernen ist abhängig von dem internen Schul- und Klassenklima. In einer zerstrittenen Atmosphäre ist der Kopf nicht für den Unterrichtsstoff frei. Besteht ein Konflikt zwischen Lehrern und Schülern, so ist das Lehr-Lern-Verhältnis unterbrochen, die Kommunikation stimmt häufig nicht mehr und der Lerneffekt sinkt. Der Prozess des Lernens ist wichtiger als der Inhalt, so dass es der heimliche Lehrplan ist, der zählt und nicht der veröffentlichte Lehrplan. In Forschungen über politische Sozialisation taucht ein Ergebnis immer wieder auf: Das Klassenklima ist der kritische Faktor bei der demokratisch, politischen Erziehung in der Schule.65
2. Vorangegangene Ausführungen haben die Belastungen durch den Lehrerberuf und deren Konsequenzen aufgezeigt. Um ein angenehmes Arbeiten zu ermöglichen ist eine gute Zusammenarbeit zwischen Lehrern und Schülern, eine wechselseitige Beziehung, von Bedeutung. Für den Schüler spielt diese aufgrund der Lerneffizienz eine Rolle.
3. Schüler sollen lernen, schul- und klassenintern Kontakte untereinander aufzunehmen, eigene und auch andere Gefühle wahrzunehmen und zu artikulieren,66 soziale Beziehungen zu stabilisieren und zu pflegen, eine Fähigkeit und Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit schulischen Sozialanforderungen zu entwickeln und zu stärken und somit ein dynamisches Gemeinschaftsgefühl zu entwickeln.67
4. Ziel der Konflikterziehung sollte sein, durch Förderung einer immer konfliktfreieren, konfliktverarbeitenden und gewaltfreieren Kommunikationsfähigkeit68 zur Einsicht in die Möglichkeit gewaltloser Konfliktbewältigung hinzuführen und dem Glauben an die Zwangsnotwendigkeit eines gewaltsamen Konfliktaustrages entgegenzuwirken. Die Schüler müssen lernen, in Konflikten gewaltfrei vorzugehen und die Schule muss ihnen dazu die Möglichkeiten geben. ,,Die Schulen müssen die Schülerinnen und Schüler zu einem Verständnis darüber verhelfen, wie Konflikte zwischen Individuen, zwischen Gruppen und zwischen Staaten in der Vergangenheit entstanden und wie sie heute entstehen, was die Ausgangspunkte für Konflikte sein können, wie Konflikte vermieden und wie sie gelöst werden können."69

Für alle vorangegangenen Punkte ist relevant, Lehrer, und alle, die mit Kindern arbeiten, zu veranlassen, sich nicht allein mit der aktuellen Krisensituation zu beschäftigen, sondern eine positive Dynamik in Gang zu setzen, durch die Kinder motiviert werden, konstruktiv auf Konflikte zu reagieren. Vergleichbar ist diese Situation mit einem Bild: Es nutzt wenig, Unkraut kurz über dem Boden abzuschneiden, anstatt es zu entwurzeln.70 Um effektiv in der Schule zusammen leben und arbeiten zu können, sind Methoden des prosozialen Konflikthandelns relevant.

1.5.6.2 Ziel: Soziale Denk- und Handelsstrukturen

Ziel des prosozialen Konflikthandelns in der Schule ist es nicht allein, das Lehren, Lernen und Zusammenleben innerhalb der Schulgemeinschaft zu beeinflussen, sondern ein besonderes Augenmerk liegt ebenfalls auf dem Aspekt der Erziehung der Schüler, die auch außerhalb der Schulmauern prosozial mit Konflikten umgehen müssen. In der konfliktgekennzeichneten Gesellschaft des 21. Jahrhunderts ist es notwendiger denn je, bei Schülern die Fähigkeit zu entwickeln, sich in andere hineinzuversetzen71 sowie das eigene Verhalten zunächst erkennen und dieses kritisch reflektieren zu können. Daher kann auf die Vermittlung entsprechender Wahrnehmungs- und Denkstrukturen nicht verzichtet werden, die den Umgang mit Andersdenkenden und Andersartigen sowie die Fähigkeit zur friedlichen Konfliktlösung fördern. Egon Spiegel nennt eine Liste von Verben, die diese Fähigkeiten umschreiben: kommunizieren, kooperieren, austauschen, diskutieren, debattieren, erörtern, begegnen, sich einfügen, sich eingliedern, anpassen, sich öffnen, gelten lassen, akzeptieren, tolerieren, sich einfühlen, sich engagieren, einsetzen, Welt gestalten, sich solidarisieren, sich emanzipieren, verändern, verteidigen, einstehen für, gerade stehen für, bezeugen, bekunden, argumentieren, unterstützen, beschützen.72 Vor diesem Hintergrund ist die Schule nicht nur Lernraum im Sinne des Curriculums, sondern sie stellt sich unter veränderten gesellschaftlichen Bedingungen als ein wichtiger Erziehungs- und Lebensraum für Kinder und Jugendliche dar. Die Schule als soziales System ist gemeinschafts- und persönlichkeitsbildend. Demnach sind folgende Aspekte von Bedeutung:

1. Die Schüler sollen zu einem positiv ausgerichteten Konfliktverhalten befähigt werden, so dass sie Möglichkeiten zu gewaltsamen Konfliktlösestrategien hinterfragen und neue Handlungsalternativen suchen,73 Konsequenzen abschätzen und zudem die Option nutzen, Konfliktlösungen zu finden, die nicht dem Prinzip des Nullsummenspiels entsprechen, sondern, bei der beide Parteien gewinnen. Dazu gehört die Fähigkeit, Konflikte, ihre Ursachen und die beteiligten Interessen erkennen und artikulieren zu können, wobei eine Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit von Bedeutung ist. Zu beachten sind bestimmte Elemente im Konfliktverhalten, die im Individuum verankert sind und insbesondere auf reaktiven und physiologisch begründeten Verhaltensweisen beruhen. Sie bezeichnen den archaischen Teil des menschlichen Konfliktverhaltens. Jeder Mensch trägt diese in sich. Höhere menschliche Qualität liegt darin, zu lernen, mit diesen archaischen Verhaltensweisen umzugehen, sprich sie zu erkennen, zu überwinden und letztendlich zu steuern.
2. Bedeutungsvoll ist die Auseinandersetzung mit eigenen und mit Gefühlen der Konfliktpartner. Gefühle spielen in Konflikten eine enorme Rolle, da durch diese rasch eine Dynamik entstehen kann, die das Konfliktgeschehen steuert. Die Wahrnehmungsfähigkeit und das Denk- und Vorstellungsleben wird durch Emotionen beeinflusst, so dass eine objektive Sichtweise häufig nicht mehr möglich ist. Für die Konfliktparteien besteht die Gefahr, den Überblick zu verlieren, die Konfliktführenden können nicht mehr abwägen und das Risiko unüberlegten oder gar falschen Handelns wächst. Die Chance dem zu entkommen liegt darin, Gefühle zu erkennen, zu artikulieren, sich darauf einzulassen und sie zu bearbeiten, sich also nicht nur selbst zu behaupten, sondern auch selbst zu kontrollieren.74
3. Eine bedeutende Rolle für das individuelle Konflikthandeln spielt ein Mindestmaß an Bereitschaft auf gegenseitiges Vertrauen.75 Ohne ein Vertrauensverhältnis ist der Prozess des prosozialen Konflikthandelns nicht möglich. In einer Atmosphäre des Misstrauens versucht jede Konfliktpartei, sich taktisch möglichst geschickt zu präsentieren, um dem Gegner keine Angriffsflächen zu bieten. In einer Atmosphäre des Vertrauens soll jeder Schüler die Gewissheit haben, dass seine Offenheit, die Bereitschaft aus Konflikten positiven Nutzen zu ziehen und Gefühle zu zeigen nicht zu einem späteren Zeitpunkt gegen ihn verwandt wird. Ein Vertrauensverhältnis innerhalb von Gruppen kann durch Kooperation, aktive Kommunikation, Empathiebereitschaft, Gemeinschaftsfähigkeit und ein gewisses individuelles Selbstwertgefühl76 langsam aufgebaut werden. Gemeinsames Bewältigen von Problemen und Konflikten schafft günstige Voraussetzungen für eine Intensivierung des Vertrauens.

Der Sinn prosozialen Konflikthandelns in der Schule zielt also zum einen auf die innerschulischen Verhaltenmuster von Lehrern und Schülern ab, zum anderen auf die soziale Entwicklung der Schüler, d. h. auch auf ihr außerschulisches Verhalten, so dass es das Ziel ist, jeden Schüler zur kooperativen Konfliktlösungen zu befähigen: Lernen in angenehmer und konstruktiver Atmosphäre, Zusammenarbeit zwischen Schüler und Lehrer, Gemeinschaftssinn, die Fähigkeit zur gemeinsamen Konfliktlösung sind Ziele des prosoziales Konflikthandelns in der Schule; konstruktives Konfliktverhalten, bewusstes Wahrnehmen von Gefühlen und ein Mindestmaß an Vertrauen sind Ziele des prosoziales Konflikthandelns, die der Persönlichkeit des Schülers dienen.

1.5.6.3 Religionsunterricht: Vermittler zwischen Tun und Gott

,,Weil (!) da etwas ist, das konfliktlösend und beziehungsstiftend wirkt (...), kann ich zurücktreten, bin ich veranlasst, die Würde des anderen zu achten und zu prosozialem Handeln bewegt."77 Der Schüler muss daher im Religionsunterricht lernen, diese sozialwirksame Existenz Gottes durch die Verhaltensweisen des prosozialen Konflikthandelns zu nutzen, um nicht nur stiller Teilhaber friedvoller Bewältigungsmuster zu sein, sondern Subjekt zu werden. Denn jede Bereitschaft zum Diskurs, zur Kooperation und Kommunikation, zum gegenseitigen Vertrauen beruht im Grunde auf einen Verlass darauf, dass ein anderer vermittelt.78 Infolgedessen muss der Religionsunterricht dem Ziel folgen, das konfliktreiche Zusammenleben der Schüler mit Hilfe einer vernunftstiftenden göttlichen und jesuanischen Botschaft zu thematisieren, um auf eine Realisierung gewaltfreien Handelns und Zusammenlebens hinzuarbeiten.79 Den Schülern soll die Option geboten werden, zu lernen, sich zurückzunehmen und zu öffnen, gewaltfrei und konstruktiv Konfliktsituationen und Auseinandersetzungen zu bearbeiten und zu ,,gotten", indem sie ihr Vertrauen auf eine konfliktlösende dritte Macht setzen. Um diesen Zusammenhang zwischen dem prosozialen Konflikthandeln und dem Wirken Gottes herzustellen, ist der Religionsunterricht sicherlich der richtige Ort.

Die Chancen einer Beteiligung an der sozialmoralischen Erziehung Heranwachsender liegt weniger in den traditionellen Formen der Religionsgemeinschaften, sondern eher im Religionsunterricht, da er mehr Kinder und Jugendlicher erreicht.80 Das Fach Religion beschäftigt sich mit dem Menschen, seinen Beziehungen und seiner spezifischen Lebenssituation und soll den Kindern unter anderem zu Bewältigungsmustern des Lebens verhelfen.81 Daher ist vor allem dieses Fach dazu verpflichtet, die (zwischenmenschlichen) Probleme der Kinder aufzugreifen.82 Die Schüler sollen dadurch befähigt werden, Konflikte auszutragen und zu bewältigen, so dass sie Konflikte im Bewusstsein der Ursachen und der eigenen Bedürfnisse und derer anderer, sowie im Vertrauen auf Gottes Wirken beenden können. So muss Konflikterziehung nicht nur ein zentrales Thema des Religionsunterricht sein, sondern der Religionsunterricht muss Konflikterziehung im Ganzen sein.

Zu berücksichtigen ist die differenzierte Wahrnehmung verschiedener Alterstufen der göttlichen force vitale. In der Elementarerziehung kann eine ausdrückliche Reflexion derselben nicht erwartet werden und ist wenig sinnvoll. ,,Hier darf darauf vertraut werden, dass die vermittelten Erfahrungen für sich sprechen, dass die unter beziehungstheologischer Vorgabe zusammengetragenen Erfahrungen eindeutig sind, dass ihre unausgesprochene innere Wahrheit durchaus das Handeln im weiteren zu bestimmen vermag. Die Kinder dieser Jahrgänge sollen fasziniert sein vom Relief tradierter und gegenwärtig erlebter Beziehungen, ihnen genügt die Oberfläche einer Uhr, das Ziffernblatt."83 In den Sekundarstufen ist ein gesteigertes Interesse für tiefere Reflexionsschichten - für das Uhrwerk - vorauszusetzen, so dass die force vitale eingehend thematisiert werden kann.84

Der Religionsunterricht sollte somit das Ziel verfolgen, Schüler unter christlichen Aspekten des Zusammenlebens durch das entwicklungsgemäße Aufzeigen der göttlichen dynamis und dem Aufgreifen eigener Erfahrungen konfliktfähig zu machen.

1.5.7 Die fünf Säulen des prosozialen Konflikthandelns

Hinter den fünf Säulen des Konflikthandelns stecken achtenswert Inhalte, die Grundvoraussetzungen für das prosoziale Konflikthandeln darstellen. Daher stelle ich nun die fünf Grundsäulen vor, die ich für die Voraussetzungen zum prosozialen Konflikthandeln halte: Gemeinschaftsfähigkeit, Kommunikation, Empathie, Selbstwert und Kooperation.

Da der Weg des prosozialen Konfliktlernens hierarchisch ist, müssen zunächst bei den Schülern Grundvoraussetzungen geschaffen werden, die es ihnen ermöglichen, Erfahrungen im prosozialen Handeln zu gewinnen. Dazu müssen vorerst Grundkenntnisse im sozialen Verhalten, daraufhin im sozialen Handeln, später im prosozialen Handeln geschaffen, erprobt und erfahren werden, bevor schließlich im prosozialen Konfliktverhalten und letzten Endes Fähigkeiten im prosozialen Konflikthandeln ermittelt und erfahren werden können.85 In diesem Zusammenhang sind Lernwege in elementaren Bereichen der Gemeinschaftsfähigkeit, der Kommunikation, der Empathie, des Selbstwertes und der Kooperation erforderlich. Aktiv zuhören können, eigene Interessen vertreten können ohne den anderen anzugreifen, Verständnis für andere Positionen und Personen entwickeln zu können, sind Grundfertigkeiten, die erlernbar sind und die erlernt werden müssen.86 Die Fähigkeiten des prosozialen Konflikthandelns sind keineswegs nur Einzelaspekte im Erziehungsprozess, sondern stehen im Mittelpunkt der aktuellen bildungspolitischen und schuldidaktischen Debatte. Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit, Toleranz und Kontaktfähigkeit sind Fähigkeiten, die heute und in Zukunft im Berufsleben gefragt sind.

Eben diese werde ich im Folgenden darstellen, wobei ich mich zunächst zu der jeweiligen Eigenschaft an sich äußere, daraufhin die Bedeutung derselben für das prosoziale Konflikthandeln aufzeige und schließlich Umsetzungswege für die Praxis darstelle.87

1.5.7.1 Säule 1: Gemeinschaftsfähigkeit

,,Erschwerend wirkt sich in der Klassensituation die Tatsache aus, dass wir es mit einer unfreiwilligen Gemeinschaft zu tun haben. Im Gegensatz etwa zu Freundschaftsbeziehungen suchen sich Schülerinnen weder ihre Klassenkameraden noch ihre Lehrerinnen aus, und auch die Lehrerin hat sich häufig nicht gerade diese Klasse gewünscht. Trotzdem müssen alle miteinander auskommen - und das über mehrere Stunden täglich."88 Die Charaktere in der Klasse können unterschiedlichster Art sein: Es kann zwischen dem Ausgestoßenen, dem Abgelehnten, dem Unbeachteten, dem Unauffälligen, dem Anerkannten, dem Beachteten und dem Star differenziert werden.89 Diese Individuen müssen im Schulalltag zusammen arbeiten, lernen, reden und spielen. Ist dies aufgrund nicht vorhandenen Gemeinschaftsgefühls nicht gegeben, kann es zu keiner angenehmen und konstruktiven Klassenatmosphäre kommen. Ein Ziel sollte es demzufolge sein, eine Umgebung zu schaffen, die es Kindern ermöglicht, Gemeinschaftsgefühle zu entwickeln. Denn der Gemeinschaftssinn hängt mit der Bedeutung des Wortes Schalom zusammen. Nur wo Gemeinschaft entsteht, kann Schalom erfahren werden.90 Ausgehend von Gemeinschaft ist eine Interaktion auf emotionaler Ebene, die zu Kooperation, Kommunikation und zu Vertrauen führen. ,,Ein gutes Gemeinschaftsgefühl vermittelt Geborgenheit und verbessert die Fähigkeiten der Kinder, sich selber und andere einzuschätzen"91 und sich selber und anderen zu vertrauen.

Der Zusammenhang zwischen einem Gemeinschaftsgefühl sowie dem wichtigen Vertrauen in der Klasse und der Fähigkeit zu prosozialem Konflikthandeln wird deutlich anhand eines Bildes, das Jamie Walker zeigt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6:92 Gemeinschaft und Vertrauen - Eselbild nach Walker

Die Esel sind zunächst nicht fähig, gemeinsam zu handeln, sie vertrauen einander nicht und gehen beide ihren eigenen Weg. Sie merken allerdings, dass sie gezwungen werden, zusammen zu überlegen, wie ihr Problem, dass beide von den Sträuchern fressen können, zu lösen ist. ,,Die Esel können ihr Problem nur für beide Seiten zufriedenstellend lösen, wenn sie bereit sind, zusammenzuarbeiten. Das gleiche Prinzip gilt für menschliche Problemlösungen. Das Schwierige dabei ist, dass die Beteiligten so lange ihre vorrangigen Bedürfnisse oder Wünsche zurückstellen müssen, bis eine gemeinsame Lösung gefunden werden kann. Das kann eigentlich nur geschehen, wenn sie das Vertrauen haben, dass der andere nicht nur seine eigenen Bedürfnisse und Wünsche sieht, sondern bereit ist, auch die des anderen zu berücksichtigen."93 Nur so können positive Beziehungen in der Schule und in der Klasse geschaffen werden.94 Es wird deutlich, dass ,,friedensfördernde und intelligente Feindesliebe (damit) beginnt (...), die Angst voreinander zu nehmen."95

Geschehen kann dies auf vielfältigste Weise. Zahlreiche unterrichtstaugliche Spiele und Übungen fördern das Gemeinschaftsgefühl der Gruppe und auch die Gemeinschaftsfähigkeit des Einzelnen.96 Anzumerken ist, dass das Spiel im Besonderen für Vor- und Grundschüler eines der wichtigsten Medien ist, in denen sie leben und lernen.97 Aber ,,wohl die direkteste Form, soziale Kompetenz unter Schülern zu entwickeln, liefern der Gruppen- und Projektunterricht."98 Damit wird, neben dem Gemeinschaftsgefühl, nicht nur die Selbständigkeit der Gruppe und der Schüler gefördert, auch die individuelle Lernfähigkeit steht dabei im Vordergrund, ebenso wie die Schulung in der Anwendung sachgemäßer Arbeitsmethoden. Dies ist aber nur dann möglich, wenn in der Gruppe, d. h. im Verbund mit Gleichaltrigen ohne eine Lehrer-Schüler-Gegenüberstellung, die Fähigkeit besteht, etwas gemeinsam zu tun und dementsprechendes Vertrauen herrscht, Aufgaben abgeben zu können.99

Gemeinschaftsfähigkeit und Vertrauen sind für schulisches prosoziales Konflikthandeln aus folgenden Gründen von Bedeutung:

1. Klassen sind eine unfreiwillige Gemeinschaft, in denen zusammen gearbeitet und gelebt werden muss.
2. Gemeinschaftsfähigkeit ist für das Vertrauen innerhalb der Klasse verantwortlich.
3. Gemeinsame Konfliktlösungen können ohne eine grundlegende Vertrauensbasis nicht gefunden werden.
4. Gruppenarbeit und gemeinsame Aufgabenbewältigung können einen Weg zu einer guten, konstruktiven Gemeinschaft ebnen.

1.5.7.2 Säule 2: Kommunikation

,,Man kann nicht nicht kommunizieren."100 Sobald Menschen miteinander in Beziehung treten, entsteht Kommunikation. Auch wenn nicht gesprochen wird, spricht man von Kommunikation, da diese ebenso mittels nonverbaler Zeichen passieren kann. Der Kommunikationsprozess ist kreisförmig:101 A sendet eine Botschaft, B entschlüsselt diese und reagiert darauf, mit Schweigen, Ignoranz, Gesten oder Worten.

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Abb. 7: Kreisförmiger Kommunikationsprozess

Bedeutungsvoll dabei ist, dass Kommunikation immer eine Inhalts- und Beziehungsebene hat.102 Die Beziehungsebene bestimmt die Vermittlung des Inhaltes. Der Schwerpunkt der Kommunikationsinhalte bei Schülern liegt im Emotionsbereich: Schüler sprechen über Erlebnisse, Freuden, Sorgen gegebenenfalls auch über Ängste. Dies geschieht meist in sehr direkter Form, die sowohl positiver - beispielsweise als Freundschafts- oder Liebesbekundung - als auch sehr negativer Form, beleidigend, bedrohend oder auch verletzend sein kann.

Betrachtet man dabei die Inhaltsebene und die Beziehungsebene, zeigt sich, dass der Inhalt dem Gefühls- bzw. Beziehungsbereich entsprechen kann. Die Beziehungsebene der beiden Kommunikationspartner A und B verdeutlich anhand der Art der Reaktionen, in welcher Form das Gespräch geführt wird. Abhängig ist die Reaktion auch von der jeweiligen Entschlüsselung des Kommunikationspartners. Botschaften können verschieden aufgenommen und aufgefasst werden: Als Selbstmitteilung des Senders, als Mitteilung, wie der Sender zum Empfänger steht, also wie deren Beziehung aussieht, als rein inhaltlich- sachliche Information oder als Appell des Senders an den Empfänger.103 Je nachdem, wie der Empfänger dem Sender zuhört bzw. wie verständlich der Sender die Informationen vermittelt, kann die Kommunikation einen völlig anderen Verlauf nehmen, als vom Sender beabsichtigt. Zeigt der Empfänger eine Haltung des Nichteinmischens, des Zuhörens, des Akzeptierens, des Seinlassens, des Hineinfühlens, des Aufgeschlossenseins oder Nachvollziehens, symbolisiert er die Annahme des Gesprächspartners durch Worte, Schweigen, Mimik und Gestik. Diese Annahme ist für die Beziehung beider Gesprächspartner fruchtbar, so dass es zu einem Vertrauensverhältnis untereinander, aber auch zu Mut zum Vertrauen auf eine dritte Macht kommen kann.104

Hinsichtlich der Schüler-Schüler-Kommunikation besteht im verbalen (ebenso wie im nonverbalen) Umgang großes Potential zu destruktiven Gewaltbotschaften. Dabei muss zwischen einem freundschaftlich gemeinten aggressiv wirkenden Ton und bösartiger Kommunikation unterschieden werden, die gezielt psychischen Schaden anrichten will. Oft sind bei Schülern Defizite an positiven sozialen Kommunikationsritualen wie dem Begrüßen, Verabschieden, Entschuldigen, Verzeihen, Bitten oder Fragen zu verzeichnen.105

Problematisch ist auch die Schüler-Lehrer-Kommunikation. Sie ist asymmetrischer Natur: Der Lehrer hat das Recht, Anweisungen zu geben und Sanktionen zu verteilen, der Schüler hat eine ausführende Rolle. Dabei ist der kreisförmige Kommunikationsprozess (Abb. 7) gestört.106 Eine Seite reagiert bei asymmetrischer Kommunikation häufig mit Verbalaggressionen, Unhöflichkeit, Überempfindlichkeit, mangelnder Gesprächsbereitschaft und Ablehnung. Die Reaktion des Kommunikationspartners ist darauf abgestimmt ist. Schüler und Lehrer sind aber auf ein gutes Kommunikationsklima angewiesen, da keiner von beiden in einer Atmosphäre, in der ein Kommunikationspartner nicht als Mensch geachtet wird, wo keine Empathie oder emotionale Wärme herrschen, sinnvoll arbeiten kann. Daher sind für die Lehrer-Schüler-Kommunikation ein Verzicht auf Machtmissbrauch seitens des Lehrers, Ent- schuldigungen und vorbildhaftes Verhalten beider Seiten maßgebend.107

Gelingende Kommunikation in der Schule kann durch das Einüben von Kommunikationsregeln kompensiert werden, da die Schule an der Förderung des Kommunikationsverhaltens von Schülern (und auch von Lehrern) enorm beteiligt ist. Demnach sollten Kommunikationsregeln in der Schule, in der Klasse und auch im Kollegium erarbeitet und eingeübt werden.108 Eine Rolle kann dabei das folgende Modell von Gordon spielen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.109: Kommunikationsmodell nach Gordon

Das Modell zeigt: Gelungene Lehrer-Schüler-Kommunikation zeichnet sich durch wechselseitige, gleichwertige Kommunikation und gegenseitigen Respekt aus. Sind diese Faktoren gewährleistet, können beide Gesprächsparteien sich auf einen Lösungsweg in Problemsituationen einigen. Verbale Aggressionen oder Konflikte sind Abweichungen, bzw. Störungen dieses Kommunikationsmodells.

,,Es ist schwierig, mit einem Problem angemessen umzugehen, wenn wir es nicht verstehen - und es zu verstehen fällt uns schwer, wenn wir nicht in der Lage sind zu hören, was andere dazu sagen."110 Dementsprechend besteht eine Wechselwirkung aus Kommunikation und Konflikten: Kommunikation ist zum einen Grundvoraussetzung, um Konflikte lösen zu können, zum anderen können durch Kommunikation Konflikte entstehen.111 Jeder Kommunikationspartner verhält sich als Reaktion auf das Fehlverhalten des anderen. ,,Nach diesem Muster verlaufen die meisten menschlichen Konflikte. Jeder behauptet, der andere habe angefangen."112

Anleitungen zum Konfliktaustrag basieren sehr häufig auf den grundlegenden Erkenntnissen der Kommunikationsforschung und wenden diese konsequent für Konfliktsituationen an.113 Zu diesen Anleitungen gehören:

1. Probleme sofort ansprechen.
2. Motivation für den Konflikt-, Kommunikationspartner geben.
3. Ich-Botschaften senden.114
4. Den Gesprächspartner nicht unterbrechen und aktiv zuhören.115
5. Den Gegner direkt ansprechen.
6. Eine gemeinsame Problemsicht finden.
7. Beim Thema bleiben.
8. Gefühle konstruktiv und ehrlich ausdrücken.
9. Beschuldigungen und Verletzungen vermeiden, d. h. schlechte Kommunikation korrigieren und nonverbale Kommunikation unterlassen.

Schritte zur Konfliktlösung sind folglich oft Parallelen zur Kommunikationserziehung. Umsetzungswege für eine bessere Kommunikation müssen auf die individuelle Klassensituation zugeschnitten sein. ,,Der Lehrer kann diese Entwicklung der Kommunikationsfähigkeit fördern, indem er Gelegenheiten schafft, bei denen es zu echten Dialogen kommen kann. Verstärkt wird dies durch sorgfältiges Notieren und Dokumentieren von Sprachbeispielen aus den alltäglichen Erfahrungen der Kinder (...) Beobachtungen von fünf bis zehn Minuten, die sich auf ein oder zwei Kinder oder Vorfälle konzentrieren, zeigen den Beobachtendem sehr oft ein Kommunikationsmuster, das sie nie zuvor bemerkt haben."116 Grundlegende Maßnahmen zur Förderung der Kommunikation können folgendermaßen aussehen: Schüler und Lehrer müssen lernen, Botschaften genau zu entschlüsseln. ,,Viele Botschaften sind mehrdeutig, lassen zu viel Spielraum für Missverständnisse und gelangen ins falsche Ohr."117 Erschwerend kommt noch hinzu, dass Menschen, vor allem Schüler, hauptsächlich in einer Art Botschaften aufnehmen, z. B. als Beziehungsbotschaften. Jede Kritik, auch wenn sie noch so sachlich ist, führt dann zu Kommunikationsstörungen. Klären lassen sich solche Störungen nur, wenn der Empfänger dem Sender rückmeldet, wie er die Botschaft verstanden hat und welche Gefühle sie bei ihm ausgelöst hat. Ein Weg dazu kann das Aktive Zuhören sein. Das ist die Fähigkeit, am Gesprächspartner so Anteil zu nehmen, dass er sich verstanden fühlt, indem dem Kommunikationspartner Aufmerksamkeit gezeigt und Konzentration vermittelt wird.

Das Aktive Zuhören kann in der Schule sinnvoll mittels Rollenspielen in Kleingruppen geübt werden.118 Kommunikationsfördernd sind auch Wort- und Schweigespiele, wie Stille Post oder gemeinsames Geschichtenerfinden.

Kommunikation ist aus folgenden Gründen für das schulische prosoziale Konflikthandeln von Bedeutung:

1. Kommunikation unter Schülern und zwischen Lehrern und Schülern beinhaltet häufig verbale Aggressionen. Grundlegende Regeln der Kommunikation fehlen.
2. Es besteht eine Wechselwirkung zwischen Kommunikation und Konfliktlösen.

1.5.7.3 Säule 3: Empathie

,,Zu den typischen Eigenschaften des Menschen, die ihn - soweit wir bisher wissen - von allen anderen Lebewesen auszeichnen, gehören nicht nur die symbolvermittelnde Tradition und Schrift (...), sondern auch die Fähigkeit, sich an die Stelle eines anderen zu denken, sich in den anderen hineinzuversetzen. Dadurch wird uns aber nahegelegt, auch zur Nächstenliebe über die Eigenliebe zu gehen. Sicherlich nicht so, dass man zuerst an sich selbst denkt, und dann, falls man noch Zeit und Lust hat, auch an andere; sondern so, dass man sich ständig bemüht, sich in die Rolle jedes anderen hineinzudenken, so als sollte man sie selbst übernehmen."119 Empathie besteht, wenn Menschen sich in andere hineinversetzen können, wenn sie mitempfinden und mitleiden können, wenn es Mitmenschen gut oder schlecht geht, so dass eine Motivation entsteht, für andere zu sorgen, ihnen zu helfen, für andere Verantwortung zu übernehmen. Dem gemäß ist Empathie die Fähigkeit zur interpersonalen Perspektivübernahme und bildet eine Grundlage zum gegenseitigen Verstehen und Gelten lassen und ist folglich die Fähigkeit um Frieden mit anderen herzustellen. Fehlende Empathie ist häufig begründet in der Nichtexistenz eigener bedrohlicher, schwieriger oder auch außerordentlich schöner Lebenssituationen, durch das Abstumpfen gegenüber denselben aufgrund medialer Einflüsse sowie durch überzogenen Egoismus.120 Für die Entwicklung von Empathie sind ein gutes Gewissen und sozio-moralische Urteilsfähigkeit von Bedeutung. Diese Faktoren entwickeln sich vom Kindesalter an und sind stark vom familiären Modellverhalten abhängig.121,,Gefühlsmäßige Verbundenheit mit anderen Menschen und Solidarisierung hängen zusammen mit Selbstvertrauen und Selbstakzeptierung, woraus ein Gefühl der Sicherheit und Entspanntheit im Umgang mit Sozialpartnern entsteht. Zugleich handelt es sich dabei um eine Fähigkeit, die gelernt werden kann, indem sich der Schüler z. B. auf die Gesamtheit verbaler und non-verbaler Botschaften konzentriert, die von anderen kommen, und seine Sensitivität dafür erhöht."122 Es geht darum, Verständnis gegenüber einer Person und den Gründen für besondere Haltungen und Verhaltensweisen zu wecken.123

Für prosoziales Konflikthandeln ist Empathie insofern von Bedeutung, als dass Schüler auch auf Menschen Rücksicht nehmen müssen, die sie nicht mögen. Sie müssen gerade mit diesen fähig sein, Konflikte auszustehen und dabei den Perspektivwechsel wagen, um bereit zu sein, den anderen zu verstehen und ihm (und somit auch sich selber) in dem Konfliktgeschehen zu helfen.

Rollenspiele sind die ideale Form der Einübens von Empathie. Innerhalb dieser Unterrichtsmethode sollen Schüler Rollen von Andersartigen, von Mitschülern oder auch vom Lehrer einnehmen und fiktive oder reale Situationen nachspielen. Bedeutend ist die anschließende Reflexion, in der Spieler ihre Schwierigkeiten in ihrer Rolle und die daraus resultierenden Gefühle ausdrücken sollen.124

Empathie ist für das schulische prosoziales Konflikthandeln aus folgenden Gründen bedeutungsvoll:

1. Oft mangelt es an Empathie durch wenige eigene Erfahrungen, mediale Einflüsse, familiäre Hintergründe und Egoismus.
2. Der interpersonale Perspektivenwechsel ist wichtig, um den Konfliktpartner verstehen und Frieden schaffen zu können.

1.5.7.4 Säule 4: Selbstwert

Eine wesentliche Ursache von Konflikten kann ein zu schwaches Selbstwertgefühl sein, das durch die familiäre Sozialisation die die Erfahrungen im Kindergarten schon beim Schuleintritt weitgehend geprägt ist.125 Menschen ohne egopositive Gefühle, fällt es schwer, positive Gefühle für andere Individuen zu entwickeln. Somit entsteht das Gefühl, andere nicht verstehen zu können, also nicht empathisch zu sein, sowie der Drang, andere auf negative Weise zu kontaktieren.126 Daher ist es von Bedeutung, Achtung vor sich, den eigenen Gefühlen und vor anderen und deren Gefühlen zu entwickeln. Bevor Kinder lernen können, ihre Wut zu beherrschen, müssen sie lernen, ihre Emotionen, positivier und negativer Art, zu erkennen und auszudrücken und gegebenenfalls diese zu zeigen oder zu kontrollieren. Dies gilt als unabdingbare Voraussetzung zur Etablierung offener, ehrlicher und nicht hierarchischer Beziehungen.127 Rogers geht so weit zu sagen, wer Gefühle sich und anderen gegenüber zeigt, dem fällt es leichter, andere zu achten. Gerade Kinder haben wenig Hemmungen, ihre Gefühle spontan zu äußern , auch wenn manche es noch nicht gelernt haben, diese differenziert zu artikulieren. Es muss gelernt werden, ohne Wertungen, Gefühle anzunehmen, um Vertrauen schaffen zu können.128

Konsequenzen einer Nichtbeachtung der eigenen Gefühle und eines negativen Selbstbildes äußern sich bei Jungen oft mit Gewalt, bei Mädchen mit Schüchternheit und Verschlossenheit, so dass es zu Konflikten kommen kann. Um diesen Prozess unterbrechen zu können, ist es notwendig, Strategien zu lehren, wie sich Kinder gewaltfrei und aktiv selbst behaupten können. Ergo die ,,eigenen Bedürnisse und Wünsche durchsetzen zu können, ohne anderen dabei zu schaden."129 Durch Spiele und Übungen können Kinder ihren eigenen Wert als Individuum und den Wert anderer erfahren. Das heißt, sie lernen, Anerkennung, unabhängig von schulischer Leistung zu geben und anzunehmen. Was vor allem für leistungsschwache Schüler bedeutungsvoll sein kann.130,,Natürlich kann die fehlende Bestätigung, die ein Kind zu Hause erfährt, nicht durch einige Spiel- und Übungsstunden ersetzt werden. In diesem Sinne ist die Wirkung der Spiele und Übungen sicherlich begrenzt. Es kommt darauf an, auch im sonstigen Unterricht regelmäßig die Gelegenheit zu geben, sich in der Gruppe darzustellen und von den anderen Anerkennung zu bekommen. Der Unterschied zwischen ,,zu den eigenen Stärken stehen" und ,,Angeben" sollte deutlich gemacht werden. Problematisiert werden sollten außerdem Verhaltensweisen der Kinder untereinander, die das Gegenteil von Bestätigung vermitteln, z. B. Ausschluss aus der Gruppe, was gerade unter Mädchen typisch ist."131

Das Verhalten des Lehrers hat eine Vorbildfunktion, da es im engen Zusammenhang mit dem Selbstbild und den eigenen Gefühlen des Kindes und dem Bild, das sich ein Kind von seinen Mitschülern auf- oder abbaut, steht. Bestätigende Vorgehensweisen für Schüler können sein: Gute Noten, Lob, Kritik in Einzelgesprächen, Akzeptanz der Persönlichkeit eines Schülers, Vertrauen, körperliche und verbale Zuwendung, Zuhören, Gefühle zeigen, Erfolgserlebnisse, Ehrlichkeit, Wünsche zu äußern, Schwächen zu zeigen, gemeinsamer Spaß.

Selbstwertgefühl und Gefühle spielen aus folgenden Gründen eine Rolle für prosoziales Konflikthandeln in der Schule:

1. Für Schüler ohne positives Selbstwertgefühl ist es schwer, positive Gefühle für andere zu entwickeln.
2. Schüler ohne positives Selbstwertgefühl reagieren oft aggressiv und provozieren dadurch Gewalt und Konflikte.

1.5.7.5 Säule 5: Kooperation

Der Mensch ist zur Kooperation veranlagt. Er hat Freude am Kooperieren, an der Hilfsbereitschaft und am Altruismus. Der Mensch kooperiert eher, als zu konkurrieren.132 Allerdings spielt ,,wie in der übrigen Gesellschaft (...) Konkurrenz auch in der Schule eine wichtige Rolle: Schüler konkurrieren um Noten, um die Aufmerksamkeit ihrer Lehrerinnen, um Ansehen in der peer group. Statt die eigenen Leistungen an sich selber zu messen, werden Normen verinnerlicht, die von außen, von anderen gesetzt wurden. Diese verinnerlichten Normen, das Konkurrenzdenken und Machtstreben hindern viele Schülerinnen und Schüler daran, ihre potentiellen emotionalen, kognitiven und kreativen Fähigkeiten zu entwickeln."133 Um diese optimal nutzen zu können, sind Kommunikationsfähigkeit, Vertrauensbildung in der Gruppe, Respekt vor sich und anderen, Toleranz, demokratische Entscheidungsfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein für sich und andere, Kontrolle der eigenen Gefühle und gewaltfreies Konfliktlösen - alles Bestandteile kooperativen Verhaltens - gefragt.134

Nur durch Kooperation sind Menschen in der Lage, sich auf prosoziale gemeinsame Konfliktlöseprozesse einzulassen. Wer Konflikte konstruktiv und gewaltfrei austragen möchte, muss bereit und fähig sein, mit seinen Konfliktpartnern zu kooperieren, um zusammen einen Lösungsweg für die Konfliktproblematik zu finden. ,,Das Schwierigste dabei ist, dass die Beteiligten so lange ihre vorrangigen Bedürfnisse oder Wünsche zurückstellen müssen, bis eine gemeinsame Lösung gefunden werden kann."135 Darauf können sie sich erst dann einlassen, wenn sie Erfahrungen mit gelingenden Kooperationsprozessen haben. Ohne Kooperation ist prosoziales Konfliktlösen nicht möglich, gleichermaßen ist Kooperation ohne die Fähigkeit aller Kooperationspartner Konflikte gemeinsam lösen zu können unmöglich.

Zwischen dem Prozess der Kooperation und dem prosozialen Konflikthandeln besteht demnach eine Wechselwirkung.

Kooperation ist aus folgenden Gründen für prosoziales Konflikthandeln in der Schule relevant:

1. Der Mensch ist eigentlich kooperationsfähig, Gesellschaft und Schule sind allerdings konkurrenzorientiert ausgerichtet.
2. Kooperation und Konfliktlösen wirken wechselseitig. Kooperation entsteht nicht von alleine, sondern der Lehrer muss Situationen der Zusammenarbeit schaffen. Frontalunterricht ist nicht kooperativ. Erst wenn der Lehrer selber zu Kooperation bereit ist, kann er dies Forderung auch an seine Schüler stellen. Kooperatives Lehrerverhalten beinhaltet Interesse an den Schülern, partnerschaftlichen Umgang mit ihnen, Rücksicht auf die Bedürfnisse und Wünsche dieser, Geduld, Verzicht auf Macht und Dominanz und Unterstützung der Schüler. Mögliche Umsetzungswege stellen Unterrichtsgespräche, Gruppenarbeit, Partnerarbeit und Klassenkooperationsaufgaben dar.136 Zu beachten ist, dass es einer entspannten, vertrauten Atmosphäre bedarf, um Kooperation und Gemeinschaft erleben zu können, wobei ein gutes Gemeinschaftsgefühl Geborgenheit vermittelt und die Fähigkeit verbessert, sich selbst und andere besser einschätzen zu können.137 Bei einer negativen Klassenatmosphäre, können Kooperationsspiele den Klassen- und Gruppenzusammenhang stärken, da solche Spiele die Möglichkeit bieten, aktiv Kooperation zu erfahren.138,,Mit Kooperationsübungen wird eine positive Gruppenatmosphäre erzeugt, das Selbstbewusstsein einzelner Gruppenmitglieder gestärkt und persönliches Wachstum ermöglicht. In einer kooperativen Umgebung können kreative Konfliktlösungen ermöglicht werden."139

1.5.7 Wege prosozialen Konflikthandelns in der Schule

Wege zum konstruktiven Konflikthandeln sollen nicht nur ein Leitfaden für die Einübung zum Konflikthandeln sein, sondern darüber hinaus eine Handlungsorientierung, die die Fähigkeit des christlich-inspirierten und orientierten Friedenshandelns stärkt.140 In Anlehnung daran werde ich im Folgenden Umsetzungsformen des prosozialen Konflikthandelns im Unterricht, insbesondere im Religionsunterrichts aufzeigen, um die bisherigen Ausführungen zu unterstreichen. Bevor ich zwei Praxismöglichkeiten - ein Mediatorenprogramm und den Klassenrat - vorstelle, werde ich mich zunächst auf die bisherige Stellung des prosozialen Konflikthandelns im Religionsunterricht konzentrieren. Die möglichen Wege prosozialen Konflikthandelns in der Schule sind vielfältig, so dass ich mich auf ein denkbares Projekt und Organisationsformen zum prosoziales Konflikthandeln beschränke. Dem Idealfall entspricht ,,ein noch zu realisierendes - sequentielles, in allen Jahrgangsstufen begegnendes Friedenslernen, das nicht nur unterrichtsintern mit anderen Lernbereichen, sondern auch fächerübergreifend und interdisziplinär vernetzt ist."141

Es gibt zwei Formen der Vermittlung von prosozialem Konflikthandeln im Unterricht: Zum einen kann der idealistisch-appellative Weg gewählt werden. Er zielt auf die Änderung der individuellen Gesinnung der Schüler, dient der Bewusstseins-, Wert- und Gewissensbildung als Grundlage für soziales Handeln. Es gilt, Kooperations- und Gesprächsbereitschaft zu fördern, Vorurteile und Stereotypen abzubauen und Kenntnisse über sich selbst und andere zu erlangen, so dass in den Köpfen der Schüler ein Gefühl der Verantwortung gegenüber sich und den Mitschülern entsteht. In der Vergangenheit war soziale Erziehung oft mit Friedenserziehung in der Form von Vermittlung von ,,Todesmechanismen und Todesstrukturen (...), um sie unter dem Aspekt des Friedensschaffens zu kritisieren und schließlich zu überwinden, (wobei ihr) gerade dadurch eine gewisse Stabilität verliehen (wurde): in Friedlosigkeit kann, bei einem didaktischen Ansatz dieser Art eine vorrangige anthropologische Konstante gesehen und damit ein unrealistisches (pessimistisches) Weltbild sowie in Folge dessen Resignation gefördert werden."142

Zum anderen kann der individuell-einübende Weg gewählt werden, der sich am Verhalten des Schülers orientiert, das es zu ändern gilt. So werden Verhaltensweisen eingeübt, die soziales Handeln als Ziel von Gemeinschaft ansehen.143 Diese sollen ,,hermeneutisch an lebensförderndem, gelingendem Konflikthandeln ansetzten und vornehmlich daran eine Handlungsperspektive (entwickeln)."144 Die im folgenden aufgezeigten Möglichkeiten basieren sowohl auf dem idealistisch-appellativen, als auch auf dem individualistisch- einübenden Weg, wobei der Schwerpunkt auf dem letzteren liegt.

1.5.8.1 Stellung des prosozialen Konflikthandelns im Religionsunterricht

Das prosoziale Konflikthandeln ist in der Form, wie sie in dieser Arbeit vorgestellt wird bisher im Religionsunterricht völlig ausgeklammert. Die religiöse Bedeutung der fünf Grundsäulen des prosozialen Konflikthandelns fehlen in den Religionsbüchern. Was in den Religionsbücher zu finden ist, sind einigen wenige Seiten zur Friedenserziehung, die sich - idealistisch-appellativ - auf politische Aspekte der Gewaltfreiheit konzentrieren, diese rudimentär anreißen und Zustände des Kriege und Frieden ansprechen. ,,Von einer Profilierung der religiösen Erziehung (...) kann also nicht die Rede sein. Im Gegenteil: Friedenserziehung spielt eine beiläufige Rolle."145 Zu finden sind auch Ausführungen über Freundschaft und Streit, jedoch keine Konzeptionen über das Zusammenleben und über Konfliktbewältigung.146 Was dem Lehrer eine Konzeptionshilfe sein kann, ist die soziologische, psychologische und pädagogische Literatur über Konfliktprogramme. Problematisch bei Konfliktprogrammen im Unterricht ist sicherlich, dass das Fach Religionsunterricht unter Bedingungen einer Schule arbeitet, die Elemente struktureller Gewalt aufweist.147 Unter diesen gegebenen Bedingungen ist es der Schule kaum möglich, sozial zu erziehen, ohne aktiv Voraussetzungen für das soziale Lernen zu schaffen. Die Auseinandersetzung mit der gegebenen Situation in der Schule und im Religionsunterricht führt dazu, ,,auch über strukturelle Schwächen unserer jetzigen Unterrichtsschule nachzudenken. Daraus wird dann erkennbar, wie Perspektiven und Innovationen aussehen könnten, die sich individualistisch-einübend stärker als bisher an den Voraussetzungen und Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler orientieren."148 Heinz Schirp postuliert daher, dass gewaltpräventive Konzepte in der Schule neuer Gestaltungsformen von Schule bedürfen.149 So ist eine Neukonzeption des Unterrichts hin zu konfliktansetzenden und -bearbeitenden Maßnahmen bedeutungsvoll. Daher bedarf es der Forderung nach einem unbeschwerten, ursprünglichen, realitätsaufgreifenden Religionsunterricht, der der Selbsttätigkeit der Kinder im Beobachten, Erarbeiten, Urteilen und Entscheiden entspricht und lebensrelevanten Stoff anbietet, ohne komplexe Voraussetzungen zu erwarten.150 Drei geeignete (in Lehrplan und Richtlinien verankerte) und vernetzbare Elemente, um im Religionsunterricht auf Konfliktphänomene einzugehen, sind :

- Die Öffnung der Schule zur Außenwelt: Die Idee liegt darin, die Bildungs- und Lernressourcen des schulischen Umfeldes zu nutzen, um die lebensweltlichen Erfahrungen der Schüler durch die Kooperation mit außerschulischen Institutionen und Personen mit den schulischen Erfahrungen zu verknüpfen. Im Zusammenhang mit prosozialem Konflikthandeln könnte die Kooperation mit Jugendeinrichtungen und -verbänden, die Konfliktprogramme anbieten oder mit Richtern oder Anwälten geschehen.151
- Die Gestaltung des Schullebens als Modell lebensweltlicher und sozialer Orientierung: Die Gestaltung des Lebens- und Arbeitsraums Schule kann mithelfen, Konflikte zu unterbinden und Alternativen zum gewalttätigen Umgang miteinander zu bieten. Möglichkeiten stellen neben einer angenehmen Lernumwelt auch Elemente wie der Morgenkreis, Freiarbeit und Wochenplan, soziale und sachliche Helfersysteme, Kooperationsarbeiten, Projekte und projektorientierte Arbeitsformen, Rollenspiele oder erlebnisorientierte Alternativen dar.152
- Die Erziehung zur Verantwortung: ,,Weil es keine einfachen Rezepte für vernünftiges und soziales Verhalten für alle Situationen und Lebensbereiche gibt und weil wir alle daran mitwirken müssen, dass Kinder und Jugendliche lernen, sich selbst über ihr Verhalten und dessen Begründbarkeit Rechenschaft abzulegen, geht es letztlich nicht ohne das Element der Reflexion."153 Die Reflexion ist von Bedeutung, da gelernte Modelle in jeder Situation anders sein können und so in der Praxis immer wieder auf ihre Funktion überprüft werden müssen. Dabei soll den Schülern Gelegenheit gegeben werden, den Lebensraum Schule verantwortlich mitzugestalten und Begründungen für Werte, Normen und soziale Orientierungen zu entwickeln.154

Es besteht ein pädagogisch, didaktisch und lerntheoretisch definierter Zusammenhang zwischen der Gestaltung, Öffnung und Reflexion, da sie aufeinander aufbauen und ergänzbar sind. Zudem gehören Öffnung der Schule, Gestaltung als Lebensraum und Reflexion der Werte zur religionspädagogischen Aufgabe der Schule.155 Und schließlich zeigen die drei Ansätze Arbeitsfelder, Aktivitäten und Initiativen auf, die Gegenmodelle zu unzulänglichen, gewalttätigen oder aggressiven Konfliktlöseverhalten aufbauen können.156

Vorgegebene religionspädagogische Konzepte zum prosozialen Konflikthandeln im Religionsunterricht fehlen bislang. Daher bedarf die Durchführung entsprechender in Lehrplan und Richtlinien verankerter Projekte im Unterricht dem Einfallsreichtum des Lehrers und der Entwicklung professioneller religionspädagogischer Konzepte, damit es zu der Etablierung des prosozialen Konflikthandelns im Religionsunterricht kommen kann.

1.5.8.2 Mögliche Umsetzungsformen im Religionsunterricht

Die Erziehung zum prosozialen Konflikthandeln ist schwer als Schulfach vorstellbar, also mit gegebenen Lernzielen, operationalisierten Lernsequenzen und schließlich mit einer Leistungsprüfung, die mit einer Note abgeschlossen wird. Zunächst ist die Schule als Bereich institutionalisierten Lernens eingebunden in die Gesellschaft, und wird in ihrer gesellschaftlichen Reproduktionsfunktion bestimmt durch die gesellschaftlichen Strukturen. Zwar gibt es einen Gestaltungsspielraum von Schule und Unterrichtsfächern, aber die zentralen gesellschaftlichen Regelmechanismen, wie das Leistungsprinzip und konkurrierenden Mechanismen sind einflussreich. So besteht ein gewisser Widerspruch zwischen den Zielen des prosozialen Konflikthandelns und der Schule als Institution: Das Schul- und Klassenklima ist relevant für effektives Lernen.157 Um eine positive Atmosphäre des Gemeinschaftsgefühls schaffen zu können sind prosoziale Konfliktlöseprozesse von Nöten. Im Widerspruch dazu steht aber der Störfaktor des Leistungsprinzips, welches Konkurrenzdenken und -verhalten mit sich bringt. Notengebung, Machtmissbrauch, Druck von den Eltern und Rektoren können die Beziehung zwischen Lehrern und Schülern negativ beeinflussen. Diese aber ist aber für eine angenehme Arbeitsatmosphäre in den Klassen relevant.158 Derartige Widrigkeiten und strukturelle Gewaltelemente der Schule sind für den Lehrer allein schwer zu überwinden. Dies bedeutet nicht, dass prosoziales Konflikthandeln in der Schule nicht möglich wäre. Aufgabe der Schule ist es vielmehr, diesen Widerspruch selber zu thematisieren und den Spielraum zu nutzen, den Schule trotz der Einbindung in gesellschaftliche Strukturzusammenhänge bietet. Dem Religionsunterricht kommt dabei besondere Bedeutung zu: Der Religionsunterricht, der sich im besonderen Maße mit den Menschen und ihren Erfahrungen auseinandersetzt, kann ein idealer Ort für das prosoziale Konflikthandeln sein. Jedoch sollte prosoziales Konflikthandeln nicht ausschließlich Ziel eines Faches, sondern Unterrichtsprinzip aller Fächer sein. Und zwar ist die Erziehung zum sozialen Handeln mit dem Lehr-Lernprozess nicht auseinander zu dividieren und findet parallel statt. Daher kann prosoziales Konflikthandeln nie nur an ein Fach, d. h. an den Religionsunterricht gebunden sein.

Sozialerziehung und ein erfolgreicher Unterricht können nur dann förderlich sein, wenn sie in eine befriedigende emotionale Beziehung eingebettet sind. Somit erfordert ein effektives Unterrichtsgeschehen auch Wege des Miteinanders, die gestaltet und geplant werden müssen, zumal diese hierarchischer Struktur sind. Bevor ein Schüler wichtige prosoziale Handlungsanweisungen zur Konfliktlösung lernen kann, muss er zunächst Fähigkeiten im sozialen Verhalten erlernt haben. Beispielsweise kann keine Kooperation von jemandem vorausgesetzt werden, der keine Frustrationstoleranz entwickelt hat. Der Verlauf vom Erlernen des prosozialen Konflikthandelns in der Schule ist mithin dialektisch.159

Dementsprechend muss der Lehrer ein differenzierungsfähiges Konzept entwickeln, das den individuellen Entwicklungsständen der Schüler entspricht und die Sozialanforderungen der Schüler stärkt: Das kann durch Trainieren von Situationen wie Kontaktaufnahme, Gefühlswahrnehmung und -ausdruck, dem Erlernen bestimmter Verhaltens- und Höflichkeitsformen, durch Kommunikationstraining und Wertevermittlung und schlussendlich durch das Sensibilisieren für Konflikte und das Erlernen von Konfliktlösemodellen geschehen.160 Zu beachten ist dabei, dass Kinder vor allem in den ersten beiden Schuljahren die Grundlagen von sozialen und prosozialen Konflikthandlungsmustern lernen sollten, da Schüler in der ersten und zweiten Klasse sehr auf Mitschüler fixiert sind.161

Die Umsetzungsformen prosozialen Konflikthandelns im Religionsunterricht lassen sich auf zwei Weisen realisieren. Zum einen kann prosoziales Konflikthandeln konkret und direkt, sprich fachintern behandelt werden, zum anderen bietet sich die Möglichkeit, prosoziales Konflikthandeln unterrichtsbegleitend durchzuführen. Sinnvoll ist eine Kombination beider Arbeitsformen. Eine AG oder aber eine ausführliche Unterrichtseinheit bieten sich als eine effektive Einführung in die Thematiken des prosozialen Konfliktlernens an. Später können die Themen und Ansätze durch regelmäßige Aktivitäten im Schulalltag weitergeführt, und durch Lernprojekte unterstützt werden.

1.5.8.2.1 Direkte Umsetzung - Unterrichtsreihe oder Projekt

Es macht Sinn, den Schülern die Fähigkeiten des prosozialen Konflikthandelns in einer intensiven Serie von Stunden nahe zu bringen. Die intensive Auseinandersetzung miteinander durch gemeinschaftsfördernde Spiele, Übungen und Gespräche schafft einen gelungenen Einstieg, um die Gruppenmitglieder für sich selber und für andere zu sensibilisieren. Die ideale Form bietet dafür eine Aktionswoche, in der den Kindern verschiedene Aktivitäten zur Vermittlung von Gemeinschaftsfähigkeit, Kommunikation, Kooperation, Selbstwert und Empathie angeboten werden.

Möglich ist auch die Organisation einer Unterrichtsreihe. Vorteilhaft gegenüber der Aktionswoche ist dabei die Unabhängigkeit gegenüber anderen Klassen bzw. anderen Religionsgruppen der Klasse.162 Eine Unterrichtsreihe kann ohne Absprache mit der Schulleitung und anderen Klassen problemlos durchgeführt werden. Problematisch bei der Durchführung einer Unterrichtsreihe im Religionsunterricht kann die konfessionelle Trennung der Schüler sein. Oft sind Religionsgruppen zusammengesetzte Gemeinschaften mit einigen Kindern aus zwei oder mehr Klassen, die sich nur zu den zwei Religionsstunden in der Woche zusammenfinden. Für diese Gruppe sind die Fähigkeiten des prosozialen Konflikthandelns selbstverständlich bedeutungsvoll und die Schüler lernen in der Konstellation mit weniger vertrauten Schulkameraden auch Fähigkeiten wie Selbstwert, Kommunikation, Kooperation und Empathie oder Gemeinschaftsfähigkeit. Allerdings sind die Voraussetzungen der Arbeit mit einer Klasse andere, da Klassenkameraden untereinander in der Regel ein qualitativ und quantitativ intensiveres Verhältnis zueinander haben müssen. Von daher könnte das Argument aufkommen, prosoziales Konflikthandeln wäre im Religionsunterricht weniger sinnvoll als in den Fächern, in denen im gesamten Klassenverband gearbeitet wird. Dieser Vorwurf muss jedoch zurückgewiesen werden. Erstens kann der Religionsunterricht den Sinn prosozialen Konflikthandelns mit dem Hintergrund der Nächsten- und Feindesliebe verdeutlichen und die Option der konfliktlösenden force vitale aufzeigen, erkennend und erfahrbar machen.163 Zweitens ist das prosoziale Konflikthandeln in den Richtlinien unter Individualität und Sozialität aufgezeigtes Ziel, das zu verantwortlichem Denken und Handeln befähigt.164 Drittens kann besonders durch die konfessionelle Trennung und das seltene Aufeinandertreffen der Religionsgruppe Streit entstehen. Die Schüler kennen sich weniger gut als im Klassenverband und haben von daher seltener Gelegenheiten Fähigkeiten des prosozialen Konflikthandelns während des ,,regulären" Religionsunterrichts zu erlangen. Eben deswegen kann prosoziales Konflikthandeln für die Religionsgruppe von besonderer Bedeutung sein.

Eine Alternative zur Aktionswoche und Unterrichtsreihe kann ein Projekt zur Förderung prosozialer Konfliktbewältigung sein. Zu Beginn eines Projekts steht der Auftrag, wünschenswerterweise durch aktuellen Anlass ausgelöst, die Konfliktsituation der Religionsklasse zu verbessern. Die Projektmethode basiert darauf, dass die Gruppe selber das Problem bearbeitet, die Vorgänge plant und ausführt, so dass bestenfalls am Ende eine Lösung oder ein Produkt zu sehen ist. Projektunterricht lässt sich inhaltlich bestimmen ,,als Unterricht, in dem Lehrer und Schüler ein echtes Problem in gemeinsamer Anstrengung und in handelnder Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit zu lösen suchen, und zwar besser als dies in Schule und Gesellschaft üblicherweise geschieht."165 Der Projektverlauf erstreckt sich über längere Zeit, so dass regelmäßig zusammenhängend gearbeitet werden kann. Bestandteile eines Projektes zur Verbesserung der Konfliktfähigkeit einer Religionsgruppe sind zunächst die Auseinandersetzung mit dem ausschlaggebenden Moment, die Auswahl der konkreten Themengebiete, die die Konfliktfähigkeit verbessern sollen, eine gemeinsame Entwicklung des Betätigungsgebietes und bildende Elemente, die den Lernprozess beeinflussen sollen. Dies können beziehungsstiftende Spiele und kooperative Aufgaben sein. Elementar ist, dass die Lerngebiete des Projektes dem Erfahrungsbereich der Teilnehmer entstammen, so dass das Element des Realitätsbezugs gewährleistet ist.166 Ideal ist es, wenn das Projekt mehrere Fächer umspannen kann, so dass eine regelmäßige, gegebenenfalls tägliche Auseinandersetzung mit dem prosozialen Konflikthandeln gewährleistet ist. Relevant sind die Bedürfnisse der Teilnehmer, ihre Neigungen und Interessen, so dass die Mitarbeit freiwillig ist. Es ist positiv, wenn das Projekt über prosoziales Konflikthandeln auf der Basis von konstruktiver Zusammenarbeit abgeschlossen werden kann, so dass am Ende ein vorzeigbares Endprodukt steht, sprich die Verbesserung des Umgangs miteinander in Konfliktsituationen.167

Die Projektmethode ist sinnvoll, da die Schüler bereits an der Initiative zum Projekt beteiligt sind, indem sie die Dringlichkeit und Durchführbarkeit des Projektes diskutieren und die Gebiete benenne, die sie bearbeiten möchten. ,,Danach versuchen die Teilnehmer, sich über die Vorhaben und Vorschläge zu verständigen. Pläne werden entworfen, Varianten skizziert. Häufig legen die Beteiligten einen Rahmen fest, in dem diese Beratungen ablaufen sollen. Das sind Gesprächsregeln, Zeitlimit und ähnliches. Es findet eine Verständigung über die Form der Beratungen statt."168 Im weiteren Verlauf werden die Elmente des Projektes gegebenenfalls gemeinsam durchgeführt, wenn nicht, werden regelmäßig Absprachen gehalten. Dadurch treten die Projektteilnehmer in eine Auseinandersetzung, in eine Interaktion, die Kommunikation, Kooperation, Gemeinschaftssinn - dialogische Prozesse fordert und fördert.169 Infolgedessen ist auch die Durchführung eines Projekts zu einem beliebigen Thema denkbar, da die Schüler allein durch die Projektmethode für das prosoziale Konflikthandeln förderliche Fähigkeiten schulen.170

1.5.8.2.2 Unterrichtsbegleitende Umsetzungsmöglichkeiten

Die Integration prosozialen Konflikthandelns in den Lehrplan kann unterrichtsbegleitend, also während des regulären Unterrichts geschehen. Diese Form weist Erfolge in der Werteerziehung und im sozialen Lernen auf und gilt als nachhaltig. Sie orientiert sich am Modell-Lernen, wobei der Lehrer und die Mitschüler Vorbilder sein können und Rollenvorstellungen prägen können.171 Dabei ist das Prinzip des Erziehenden Unterrichts grundlegend, so dass prosoziale Fähigkeiten gefördert werden, indem ,,sachorientiertes und sinnstiftendes Lernen mit der Förderung von Handlungsbereitschaft und sozialer Verantwortung verbunden ist."172 Herbart stellt in diesem Zusammenhang fest, Erziehung ohne Unterricht sei ebenso undenkbar wie Unterricht ohne Erziehung, denn ,,aus Gedanken werden Empfindungen und daraus Grundsätze und Handlungsanweisungen."173 Gruppen-, Partnerarbeit und Erfolgserlebnisse sind einige Möglichkeiten, die prosoziale Fähigkeiten innerhalb des Unterrichts fördern. ,,Im Rahmen dieser Arbeitsform kann man z. B. eine schriftliche Aufgabe planen, die den Aufbau des Selbstwertgefühls fördert oder ein wissenschaftliches Experiment, das der Entwicklung der Kooperation untereinander dient. Wenn es darum geht, kreativen Umgang mit Konflikten in den Lehrplan zu integrieren, sind der Phantasie nur durch Beschränkung der eigenen Vorstellungskraft Grenzen gesetzt. Eine Reihe von Übungen zur Stärkung des Selbstbewusstseins stehen in direktem Zusammenhang mit dem Erwerb der Lese- und Schreibfähigkeiten"174 Die Reihenfolge der Aktivitäten, Wechsel der Aktionsphasen, verschiedene soziale Arbeitsphasen, Möglichkeiten auch für wenig redegewandte Schüler zu Wort zu kommen, Bewegungsfreiheit, Raum für Eigeninitiativen, Spaß und die Zeiteinteilung unterstützen diese Formen.175

Zudem können regelmäßige Aktivitäten zum prosozialen Konflikthandeln in den Schulalltag integriert werden. Dabei fließen verschiedene Themen und Aspekte in die fortlaufenden Aktivitäten des Tages, der Woche oder des Jahres ein. ,,Es gibt viele Wege, kreative Ansätze zur Konfliktlösung in den Schulalltag zu integrieren. Eine Möglichkeit besteht darin, eine tägliche Runde zu einem Thema zu machen, das die Kinder selbst aussuchen. Die Zeit kann von allen dazu genutzt werden, ein bestimmtes Problem miteinander zu besprechen oder den anderen etwas Positives über sich selbst mitzuteilen."176 Andere Möglichkeiten sind Spiele, die den Unterricht auflockern und zur Kommunikation, Kooperation oder zum Vertrauen beitragen können. Ruheübungen bieten ebenso Wege zum prosozialen Konflikthandeln im Schulalltag, wie Übungen zur Stärkung des Selbstvertrauens.

Umsetzungsformen des prosozialen Konflikthandelns im Religionsunterricht können demzufolge in Form von Unterrichtseinheiten oder Projekten, aber auch parallel zu anderen Unterrichtsinhalten durch sozial-förderliche Unterrichtsformen und Elemente geschehen.

1.5.8.2.3 Schlussfolgerung für das prosoziale Konflikthandeln im Religionsunterricht

Das prosoziale Konflikthandeln ausschließlich im Religionsunterricht zu behandeln, widerspricht dem Konzept von Erziehendem Unterricht. Es kann nicht allein in einer zehnstündigen Unterrichtsreihe über Kommunikation, Kooperation, Selbstwert, Vertrauen, Gefühle und Gemeinschaft all das vermittelt werden, was für den Prozess des konstruktiven Konfliktlösens von Bedeutung ist. Diese Fähigkeiten können nicht von heute auf morgen entwickelt werden, sondern bedürfen regelmäßiger und langfristiger Übung und Pflege. Problematisch an der Durchführung des prosozialen Konflikthandelns im Religionsunterricht ist, dass dieser in der Regel in einer ausgewählten konfessionellen Gruppe stattfindet und nicht alle Klassenmitglieder einspannt. So kann für die Religionsgruppe natürlich sinnvoll konstruktiv gearbeitet werden, jedoch sollte dies auch im Klassenverband geschehen, damit auch dort die Schüler die Fähigkeiten untereinander voraussetzen können. Auch die Vorbildfunktion des Lehrers darf nicht außer acht gelassen werden und sich nicht ausschließlich auf die Figur des Religionslehrers belaufen. Ebenso haben die anderen Fachlehrer Vorbildfunktion und müssen die Regeln des Modelllernens sowie des prosozialen Konflikthandelns geltend machen, um dem Schüler die Möglichkeit zu geben, Konflikte konstruktiv und friedlich lösen zu können.

Das prosoziale Konflikthandeln sollte im Religionsunterricht thematisiert werden. Dies kann allerdings sicherlich nur ein Beitrag zur prosozialen Konflikterziehung in der Schule sein. Auch in anderen Fächern darf das prosoziale Konflikthandeln nicht außer acht gelassen werden.

Schlussfolgern lässt sich zusammenfassen, dass die Wege prosozialen Konflikthandelns im Unterricht durch folgende Punkte gekennzeichnet sind:

1. Einen parallelen Verlauf von Lehr-Lernprozess und sozialem Lernen.
2. Einem hierarchischen Verlauf von sozialem Lernen.
3. Durch den sinnvollen Weg, prosoziales Konflikthandeln bei aktuellem Anlass direkt im Unterricht einzuführen und anschließend im Unterricht anhand von prosozialen und fördernden Ritualen und Spielen, aber auch anhand von Lernprojekten regelmäßig fortzusetzen.

Daher kann sich der Prozess des prosozialen Konflikthandelns nie ausschließlich auf den Religionsunterricht konzentrieren, sondern muss in allen Fächern praktiziert werden. Der Religionsunterricht kann lediglich einen konstruktiven Beitrag zum prosozialen Konflikthandeln leisten.

1.5.8.3 Ein Weg für die Praxis

Nachdem ich Fähigkeiten zur Hinführung zum prosozialen Konflikthandeln in der Schule gezeigt und deren Grundvoraussetzungen vorgestellt habe, werde ich mich zunächst auf ein Programm zur konstruktiven Konfliktlösung konzentrieren, das in den letzten zwei Jahren mehr und mehr Fuß an deutschen Schulen gefasst hat und offenbar zahlreichen Pädagogen die Möglichkeit bietet, die Schreie nach neuen Wegen der Sozialerziehung der Schüler zu beantworten: Sogenannte Streitschlichterprogramme, im Folgenden als Mediatorenprogramme bezeichnet. Anschließend werde ich auf den Klassenrat eingehen, eine klasseninterne Institution, die den Schülern in Zusammenarbeit mit allen Mitschülern die Gelegenheit bietet, Konflikte konstruktiv zu bearbeiten.

1.5.8.3.1 Mediatorenprogramme

Mit Mediation sind aus Bereichen der amerikanischen Wirtschaft und Politik stammende Streitschlichtungsverfahren gemeint, die durch den Einsatz eines neutralen Vermittlers als

Interventionsmethode zur Versöhnung dienen. Es geht darum, eine für alle Konfliktparteien akzeptable Lösungen zu finden, um ein erneutes Problem zu verhindern.177 Dabei handelt es sich um einen vertraulichen Prozess, den die neutralen Mediatoren begleiten und die den Beteiligten, die sich freiwillig zur Teilnahme bereiterklären sollen, helfen, die Konflikte zu lösen und ein Nullsummenspiel zu vermeiden.178

In schulischen Mediatorenprogrammen werden zunächst Ausbildungen zu Streitschlichtern, in Form von Workshops und regelmäßigen Arbeitskreisen, für interessierte Schüler angeboten, in denen die fünf Pfeiler des prosozialen Konflikthandelns kennen gelernt, eingeübt und erfahren werden. Zudem werden mögliche Schlichtungskonzepte entwickelt. Die Schüler sollen die Mediation als formalisiertes, nicht strafendes Verfahren kennenlernen, bei dem Konflikte mit Hilfe einer neutralen dritten Person, die prosozial intervenieren soll, unter gleichwertigen Teilnehmern eigenverantwortlich geklärt werden.179 Bedeutsam ist dabei, dass soziale Kompetenzen und Verantwortung von Schülern aktiv genutzt werden, um Konflikte zu bearbeiten. Unabdingbar sind in diesem Zusammenhang Kooperations-, Kommunikations-, Selbstwert-, Empathie- und Vertrauensfähigkeit. ,,Die Erfahrungen aus den USA und Großbritannien, wo vor allem seit den 80er Jahren ,,Peer-mediation" in breitem Umfang an Schulen und anderen pädagogischen Einrichtungen eingeführt wurde, sind überwiegend positiv. Auch die ersten Erfahrungen, die in Deutschland in Berlin, Bielefeld, Offenbach und einigen anderen Orten gesammelt wurden, entkräften die skeptischen Fragen und zeigen, dass SchülerInnen oft sogar sehr viel schneller und effektiver in Konflikten unter Gleichaltrigen vermitteln können."180 Sie verstehen in der Regel die Positionen der einzelnen Konfliktbeteiligten besser als Erwachsene, können sich besser in ihre Mitschüler hineinversetzen und verstehen und sprechen ihre Sprache. Keinesfalls aber ist die Unterstützung durch Gleichaltrige ein Ersatz für professionelles Einschreiten der Lehrkräfte. Zum einen ist es unabdingbar, dass der Schülerbeitrag akzeptiert wird. ,,Entscheidend ist dabei die Haltung der Lehrkräfte. Es muss gesichert sein, dass Schulleitung, Lehrerkollegium, Elternbeirat und Schülervertretung über die Tätigkeit der Schreitschlichter (...) informiert sind und ihrer Arbeit positiv gegenüberstehen."181 Zum anderen sind die Lehrkräfte nach wie vor für das soziale Verhalten in der Schule und vor allem in ihrer Klasse, ebenso wie im Lehrerkollegium verantwortlich - als Ansprechpartner, Vorbild und gegebenenfalls selbst als Mediator.182

Zum Einsatz kommen die Mediatoren dann, wenn Bedürftige sie aufsuchen. Voraussetzung ist die freiwillige Teilnahme der Konfliktpartner. Diese vereinbaren unter Aufsicht des Schlichters die Regeln für das Schlichtungsgespräch. Daraufhin kommt es unter Anleitung des Schlichters zu einer Konfliktanalyse183, die mit konstruktiven Lösungsgesuchen abschließen sollte. ,,Das gelingt dann, wenn beide Parteien bereit sind, gemeinsam daran zu arbeiten."184 Oft kann es wichtig sein, die gefundenen Lösungsmöglichkeiten noch einmal zu überdenken und eventuell zu bewerten. Im Idealfall endet das Schlichtungsgespräch mit einer Übereinkunft zur Umsetzung der Lösung, die vom Mediator schriftlich fixiert wird. Ist eine Lösungsfindung zu dieser Phase noch nicht möglich, sollte eine vorläufige Übereinkunft festgelegt werden, um zu einem späteren Zeitpunkt erneut ein Mediationsgespräch zu führen mit dem Ziel, dann eine endgültige Lösung des Konfliktes zu vereinbaren.185 Bedeutend kann es sein, nach der Lösungsfindung reflektiv auf das Mediationsgespräch zurückzublicken.

Durch Mediation kann in der Schule ein Klima der Verantwortung und des Selbstvertrauens der Schüler erzielt werden. Sie sind eigenverantwortlich für eine sichere und kooperative, vertrauenswürdige Atmosphäre in ihrer Schule. Infolgedessen wird eine Haltung des Desinteresses zunächst gegenüber den Mitschülern, darüber hinaus gegenüber der Institution Schule verdrängt und letzendlich gegebenenfalls ausgespart. Die Mediation stellt in Eigenverantwortung ein entscheidendes emotionales und gesellschaftliches Sicherheitsnetz für junge Menschen bereit.186

Insbesondere für die Mediatoren bieten die Programme durch eine gezielte Ausbildung prosozialer Verhaltensweisen, durch immense Erfahrungen im Umgang mit ihren Mitschülern und nicht zuletzt durch die sich so entwickelnde optimale Konfliktfähigkeit enorme Stärken für das Leben innerhalb sowie außerhalb der Schulmauern.

Die Mediation ist somit ein freiwilliger und vertraulicher Prozess, den neutrale Personen begleiten, um den Konfliktparteien konstruktiv und prosozial bei der Konfliktbehandlung zu helfen, indem der Konflikt erkannt, bearbeitet, überdacht wird, Kompromisse gesucht werden und niederlagenfreie Lösungen gefunden werden können. Beim Mediationsprozess verliert keiner der beteiligten Parteien, es kommt zu einer Lösung, von der alle profitieren können.

1.5.8.3.2 Der Klassenrat

Der Klassenrat wirkt als Element des friedlichen Zusammenlebens innerhalb der Schulklasse. Er findet als festgelegtes Ritual immer zur gleichen Zeit am gleichen Wochentag statt. Bei Bedarf werden Sondersitzungen einberufen. Im Klassenrat üben sich die Kinder in Zusammenarbeit mit ihrem Klassenlehrer, Konflikte zu thematisieren und sie konstruktiv zu bearbeiten, Gesprächsregeln einzuhalten und so den Umgang miteinander einfacher zu machen.187 Ein Klassenratbuch, das immer für jeden zugänglich ist, fungiert als Speicher für Ärger der Kinder, aber auch als Ableiter für Wut und Aufregung. In Konfliktsituationen, die nicht auf Anhieb gelöst werden können, schreiben die Kinder die Begebenheit in das Buch, so dass der Streit in der nächsten Klassenratsitzung besprochen werden kann. Oft ist die Wut über die Auseinandersetzung dann schon verflogen und die Schüler bezeichnen die Sache als erledigt. Manchmal, wenn der Konflikt schwerwiegend ist, zeigen die Schüler noch Tage oder Wochen später ihren Ärger und können sich genau an Details erinnern. Dann wird im Klassenrat, unter der Leitung des Klassenlehrers und unter Mithilfe aller Klassenkameraden versucht, eine Lösung zu finden und entsprechende Folgen für die Übeltäter zu bestimmen.188

Sinnvoll ist innerhalb des Klassenrats genaue Regeln für die Durchführung herauszuarbeiten, damit Schüler und Lehrer sich an einem äußeren Orientierungsrahmen für den Ablauf orientieren können.189 Im Idealfall nutzen die Schüler den Klassenrat als Institution, die ihnen Sicherheit gibt, unter Mithilfe ihrer Klassenkameraden Konflikte konstruktiv zu bearbeiten. Der Klassenrat erweist sich als eloquente Übung des qualifizierte Umgangs unter Schülern innerhalb der Klasse.

1.5.9 Bedingung: Konstruktive Teilnahme aller

Sämtliche im vorliegenden Kapitel aufgezeigten Möglichkeiten des prosozialen Konflikthandelns können nur dann auch zu Wegen des prosozialen Konflikthandelns werden, wenn Bedingungen seitens der Lehrer erfüllt werden. Demzufolge werde ich mich nunmehr auf eben diese konzentrieren.

Die persönliche Betroffenheit des Lehrers ist von großer Bedeutung, wenn es um die soziale Erziehung der Schüler geht. ,,Da zählt das Gefühl, die innere Teilnahme, das Brennen."190 Emotionen und Anteilnahme vermitteln in Lehrer-Schüler sowie Schüler-Schüler-Konflikten zwischen Lehrern und Schülern und können zu gewaltfreiem Konfliktaustragen befähigen, bevor sie zu Konfliktlösungen hinführen. Vermittelt werden Gefühle durch persönliche Gespräche, durch eine Beziehung zwischen Schüler und Lehrer, auch durch Zurückhaltung und Vertrauen. Die Schüler können in einem force vital-geleiteten Unterricht, der durch Probierfelder, Suchphasen und Experimentierräume gekennzeichnet ist, eigene Erfahrungen machen. Ein Leitsatz könnte dabei folgender Satz von Jannus Kroczak sein: Das Kind gehört nur sich selber. Demgemäss kann der Lehrer sich selbst und anderen gegenüber verantwortungsbewusste Menschen erziehen. In diesem Zusammenhang notwendige Handlungsanweisungen sind Geduld, Energie, Austausch im Kollegium, Ruhe im Unterricht, Zurücknahme und vor allem eine eigenes gewaltfreies, vorbildhaftes Handeln. Letztenendes muss der Lehrer einfach für die Schüler da sein, so dass die Schüler ihre soziale Kompetenz durch Fragen, Rückmeldungen und Kritik erlangen können.191

Indes liegt es nicht allein am Lehrer, die Rahmenbedingungen für prosoziales Konflikthandeln zu schaffen: Gemeinsam können Lehrer, Schulleitung, Schüler und Eltern durch Kooperation und Kommunikation untereinander, einen Grundkonsens, aktive Elternarbeit, Offenheit sowie demokratische Verhältnisse in allen Instanzen für ein positives Schulklima sorgen, denn wo sich ein Schüler wohlfühlt, demoliert und randaliert er nicht.192 Schule kann die aggressiven, asozialen und gewalttätigen Geschehnisse nicht ignorieren, die sich im schulischen und außerschulischen Bereich ereignen, sondern muss kontroverse gesellschaftliche Themen und Ereignisse als Fieberkurve der Gesellschaft aufgreifen, intervenieren und letztenendes präventiv handeln. Die Schule muss ihre Chancen nutzen, bestehende problembegünstigende Missstände und Strukturen zu beeinflussen und gegebenenfalls zu unterbrechen.193

Prosoziales Konflikthandeln in der Schule ist mithin nur dann möglich, wenn Lehrer, Schüler und Schulleitung konstruktiv an dem Prozess des Miteinanders beteiligt sind und diesen vorbildhaft unterstützen.

1.5.10 Forderungen und Folgerungen: Zum Vertrauen auf die force vitale anleiten

Es ist aufgezeigt worden, dass Kinder und Jugendliche soziale Lernfortschritte primär unter dem Einfluss Gleichaltriger und erst sekundär unter dem Erwachsener machen. Als Konsequenz für den Religionsunterricht ergibt sich daraus, dass es die Hauptaufgabe des Lehrers ist, die Konflikthaltung, sprich die Haltung sich selber und anderen gegenüber zu fördern und nicht etwa, Konflikte zu unterbinden. Das bedeutet, dass er nicht Konflikte unter Kindern und Jugendlichen lösen oder Lösungsmöglichkeiten vorgeben, sondern zur Selbstlösung von Konflikten in gleichaltrigen Gruppen anleiten und Hilfestellung anbieten sollte. Weg ist zunächst das Erkennen, Erfahren und Lernen der Grundfähigkeiten des prosozialen Konflikthandelns: Der Gemeinschaftsfähigkeit, der Kommunikation, des Selbstwertgefühls, der Empathie und der Kooperationsfähigkeit. Aufgabe des Lehrers ist also keineswegs die Setzung moralischer Normen von oben, sondern Gruppenprozesse sozialen Lernens anzuregen.

Das Ziel des prosozialen Konflikthandelns im Religionsunterricht sollte es sein, durch dir Förderung eines immer konfliktfreieren, konfliktverarbeitenden und gewaltfreieren Umgangs untereinander, zur Einsicht in die Möglichkeit gewaltfreier Konfliktbewältigung unter dem Vertrauen auf eine beziehungsstiftende göttliche force vitale hinzuführen und dem Glauben an die Zwangsnotwendigkeit eines gewaltsamen Konfliktaustrages entgegenzuwirken.

Dazu müssen Heranwachsende positive Erfahrungen innerhalb der Konfliktbewältigung gewinnen, um selbst Fortschritte im Konflikthandeln machen zu können. Eine Schlüsselrolle spielen beim prosozialen Konflikthandeln im Religionsunterricht die selbstgemachten Erfahrungen, die erinnert, bewusst und tiefenzugänglich gemacht werden sollten.194 Situationen und Erfahrung können medial vermittelt werden, um die Wirklichkeit exemplarisch, elementar und fundamental zum Vorschein kommen zu lassen. ,,Ohne

Friedenserfahrung keine Konfliktbewältigung!"195 Dabei müssen die Medien und Übungen zum Erfahren und Erfassen des prosozialen Konflikthandelns dem jeweiligen Entwicklungsstand des Schülers angepasst sein.

Beim prosozialen Konflikthandeln kommt dem kognitiven Lernen eine qualitativ vorrangige Bedeutung gegenüber Emotionen zu. Daher müssen affektive Konfliktlösungsstrategien immer von kognitiven Einsichten und Erkenntnissen begleitet werden, indem Spiele, Rollenspiele, Erfahrungen immer in Gesprächen reflektiert und festgehalten werden.

Spezifische Aufgabe des Religionsunterricht ist es, das göttliche Versöhnungshandeln zu vermitteln und dem Drang, Konflikte zu überwinden fruchtbar werden zu lassen, indem vermittelt wird, dass mit der Grundlage der göttlichen Macht die Konfliktfähigkeit gestaltet werden kann.

Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich nunmehr, dass das prosoziale Konflikthandeln im Religionsunterricht zum selbständigen Konfliktlösen im Vertrauen auf eine göttliche dritte Macht heranführen und befähigen soll.

2. Praktische Umsetzung: Beispiel einer Lerneinheit zu prosozialem Konflikthandeln im Religionsunterricht

Um die Ausführungen über die Notwendigkeit, Ziele, Wege und Voraussetzungen, über die Bedingungen und Möglichkeiten des prosozialen Konflikthandelns im Religionsunterricht zu veranschaulichen und um die Problematik des Transfers anhand eines Beispiels aus der Unterrichtspraxis näher zu beleuchten, werde ich eine von mir konzipierte und durchgeführte Unterrichtsreihe über das prosoziale Konflikthandeln vorstellen und unter Berücksichtigung der genannten Aspekte auswerten. Die neunstündige Unterrichtsreihe fand in einer katholischen Religionsgruppe, bestehend aus Schülern zweier vierter Klassen, im März und April 2000 in der Gemeinschaftsgrundschule Berg Fidel in Münster statt.196

2.1 Die Situation in der Gruppe - Konflikte statt Kommunikation

Anstehend werde ich die Situation und die Voraussetzungen der Religionsgruppe beschreiben, um zu verdeutlichen, auf welche Grundlagen eine Unterrichtseinheit über prosoziales Konflikthandeln in der Gruppe baut.

Die Religionsgruppe setzt sich aus 12 Kindern zweier unterschiedlicher Klassen zusammen. Sieben Schüler (davon drei Jungen und vier Mädchen) stammen aus einer Ganztagsklasse,197 fünf Schüler aus einer Vormittagsklasse (ein Junge und vier Mädchen). Von den zwölf Schülern sind sechs ausländischer Herkunft. Sie kommen aus Vietnam, Polen, Weißrussland, Algerien und Sri Lanka. Aufgrund des hohen Ausländeranteils des Stadtteils und in der Grundschule Berg Fidel198 fällt den meisten Kindern die Besonderheiten des ,,Ausländerseins" nicht auf und es bestehen keine Nationaliätenkonflikte zwischen Kindern unterschiedlicher Herkunft.

Nicht alle Kinder der Religionsgruppe sind katholisch getauft. Drei Kinder sind nicht getauft, die Eltern haben sich allerdings für die Teilnahme am katholischen Religionsunterricht entschieden.199

Vorerfahrung der Schüler beider Klassen mit Elementen des prosozialen Konflikthandelns sind vorhanden aufgrund eines einmal wöchentlich200 in beiden Klassen stattfindenden Klassenrates.201 Dieser besteht jedoch nur für die jeweilige Klasse, nicht für die Religionsgruppe, so dass es dort keine Institution zum konstruktiven Streitschlichten gibt. Darüber hinaus haben die Schüler der Ganztagsklasse im zweiten Schuljahr ein Theaterprojekt zum Thema ,,Konflikte zwischen Kindern" durchgeführt, indem sie simulierte Konfliktsituationen dargestellt haben.

Die sozialen Beziehungen der Kinder untereinander sind differenziert. Ein sehr intensives Verhältnis besteht unter den sieben Kinder aus der Ganztagsklasse.202 Zwar sind nicht alle untereinander eng befreundet, jedoch gehen sie miteinander sehr ungezwungen und vertraut um, sicherlich aufgrund der langen gemeinsamen Zeit die sie täglich miteinander verbringen. Dagegen sind die Kontakte zwischen den fünf Kindern der Vormittagsklasse zum Teil freundschaftlich, aber auffallend distanzierter. Die Beziehung der Schüler beider Klassen untereinander ist ebenfalls distanziert, was unter anderem die Sitzordnung im Religionsunterricht verdeutlicht.203 Vier Kinder der Vormittagsklasse sitzen an einem von drei Gruppentischen, der einzige Junge aus der Klasse sitzt an einem Einzeltisch und die Ganztagsschüler verteilen sich auf zwei weitere Gruppentische. Obwohl die Kinder in dieser Konstellation seit Beginn ihrer Schulzeit zusammen den Religionsunterricht besuchen, bilden sich bei Gruppenarbeiten nie freiwillig klassenübergreifende Teams. Es gibt also in der Religionsgruppe zwei interne Gruppierungen. Ein Gemeinschaftsgefühl innerhalb der Gruppe existiert nicht. Wenn auch der Religionsunterricht stets von offenen Phasen bestimmt ist, die Kommunikation, Kooperation und Gemeinschaftssinn stärken sollen, kommt es zu immer wieder zu Protesten, wenn der Lehrer mehrmals hintereinander Schüler aus einer Klasse zu Wort bittet. Obgleich die Kinder regelmäßig miteinander singen und spielen, wird bei Spielen und Gruppen- oder Partneraufgaben der Kontakt zu Schülern aus der anderen Klasse vermieden. An Kooperationsbereitschaft innerhalb der Gruppe mangelt es. Ebenso finden vor oder nach den Stunden keine Gespräche untereinander statt - einmal abgesehen von dem Streit um die Tischtennisplatte. Eine klassenübergreifende Kommunikation findet also in der Religionsgruppe kaum statt. Bei Betrachtung der Merkmale effektiver Gruppen nach Standfort204 wird deutlich, dass die Religionsgruppe trotz bestehender Verantwortung für ihr Lernen und Verhalten205 und gemeinsamer Entscheidungsabsprachen im Plenum aufgrund fehlender Kooperations-, Kommunikations- und Gemeinschaftsfähigkeit nicht als effektive Gruppe bezeichnet werden kann.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Religionsgruppe nicht den Merkmalen einer effektiven Gruppe nach Standfort entspricht. Eine positive Beziehung innerhalb der Gruppe fehlt. Die Kinder verstehen ihre Zusammensetzung nicht als eine Gemeinschaft, sondern als Zweck zum gemeinsamen Unterricht.

2.2 Der Handlungsbedarf für prosoziales Konflikthandeln

Im Folgenden will ich zeigen, warum eine Unterrichtsreihe über prosoziales Konflikthandeln in der beschriebenen Gruppe von Bedeutung ist.

Neben der fehlenden Kommunikation und Kooperation unter den Schülern in der Gruppe kommt es immer wieder zu kleinen Streitereien. Auffallend ist, dass die Konflikte ins Gewicht fallen, die unter Schülern verschiedener Klassen stattfinden.206 Verursacht werden diese durch objektive Kleinigkeiten:

- A. nimmt ohne zu fragen den Stift von J. Die Aufregung ist rasch groß, zunächst
beschimpfen sie sich, bald schon beginnen die beiden zu boxen. Erst das Einschreiten des Lehrers bringt die Streithälse auseinander.
- M. wippt mit dem Stuhl und tickt dabei A. an, der ihr den Rücken zuwendet. Der dreht sich um und boxt das Mädchen in den Arm, woraufhin diese zu weinen beginnt.
- N. soll mit T. zusammen eine Partneraufgabe lösen. N. weigert sich und beginnt M. zu beschimpfen und zu beleidigen. Mädchen aus M.´s Klasse kommen hinzu und drohen N. ,,Das wirst du noch bereuen."207

Die Frustrationstoleranz untereinander ist also niedrig, die Empathiefähigkeit füreinander ist gering. Die Schüler reagieren gereizt aufeinander. Erst das Einschreiten Dritter bringt sie zur Ruhe. Diese kleinen Konflikte sind die einzigen Kommunikationsmomente zwischen beiden Gruppen. Es ist davon auszugehen, dass diese mangelnde Kommunikation, der fehlende Sinn für die Gemeinschaft und die Kooperations- und Empathieunfähigkeit für die Konflikte verantwortlich sind.

Zu beachten ist, dass alle Schüler der Religionsgruppe als selbstbewusst eingestuft werden können. Der Entwicklung eines positiven Selbstwertgefühls wird sowohl in der Vormittags- als auch in der Ganztagsklasse eine große Bedeutung beigemessen. Im Unterricht wird enormer Wert darauf gelegt, den Schülern Anerkennung und Erfolgserlebnisse zu verschaffen.

Demzufolge besteht in der Gruppe Handlungsbedarf an zusammenführenden Methoden, die den Schülern Möglichkeiten bieten, miteinander offen und positiv in Kontakt treten zu können.

2.3 Die Unterrichtsreihe über prosoziales Konflikthandeln

Aufgrund der problematischen Situation in der Gruppe soll eine Unterrichtsreihe über prosoziales Konflikthandeln nach Absprache mit dem Fachlehrer von mir vorbereitet und durchgeführt werden. Die Schüler kennen mich bereits durch eine frühere Unterrichtsreihe, die ich in ihrer Gruppe gehalten habe sowie durch Hospitationen und die Schüler aus der Ganztagsklasse durch meine Arbeit als freie Mitarbeiterin in ihrer Klasse. Auf die Unterrichtsreihe werde ich nun näher eingehen. Bevor ich mich auf den Verlauf konzentriere, bestimme ich die Lernziele, die Verortung im Lehrplan und erläutere ein theologisches Element der Unterrichtsreihe - die Fantasiegestalt Fridolin Frieden.

2.3.1 Lernziele der Reihe

Die Unterrichtsreihe soll das Prinzip des Erziehenden Unterrichts ergänzen.208 Ziel der Einheit ist, ein gruppenspezifisches Konzept zu entwickeln, das den Schülern in den Religionsstunden die Möglichkeit zum friedlichen und prosozialen Miteinander bietet, indem sie Konflikte untereinander selbständig und prosozial lösen können. Geschehen soll dies vor dem Hintergrund der beziehungs- und friedenstiftenden force vitale.

Innerhalb der Unterrichtsreihe wird an bereits bestehende Formen prosozialen Konflikthandelns in den Klassen angeknüpft.209 Die Unterrichtseinheit soll als Einstieg für die konkrete Auseinandersetzung mit Konflikten gelten, so dass Elemente der Unterrichtsreihe im Religionsunterricht immer wieder aufgegriffen und in den beiden Klassen als Rituale weitergeführt werden können.

2.3.2 Verortung im Lehrplan

Der Religionsunterricht in der vierten Klasse soll an Lebenssituationen wie Streit, Leiderfahrungen und Grenzsituationen anknüpfen. Dabei sollen die Schüler lernen, Bedrängnis und Unglück im eigenen und mitmenschlichem Leben wahrzunehmen, sich dieser Not zu stellen und sich von ihr herausfordern zu lassen.210 Für den Themenbereich prosoziales Konflikthandeln bedeutet dies, eigene und andere Konflikte zu erkennen und konstruktiv zu erarbeiten. Verknüpft wird diese Erfahrung mit der christlichen Hoffnung auf die friedenstiftende force vitale.

2.3.3 Die Figur Fridolin Frieden

Aufhänger der Unterrichtsreihe ist die Figur Fridolin Frieden. Es handelt sich um eine selbstkreierte Fantasiegestalt, die in jeder Stunde auftaucht. Sie durchläuft die Unterrichtsreihe wie ein roter Faden.

Fridolin ist ein lustig aussehender Kerl, der allerlei Späße mag. Er ist friedliebend, dickköpfig, ohne seine Freunde oft aufgeschmissen und manchmal ein Rabauke, der vor handgreiflichen Auseinandersetzungen nicht zurückschreckt. Er meldet sich bei den Kindern durch Briefe und Arbeitsaufträge, ist auch Akteur in Geschichten und Hörspielen, die in den neun Unterrichtsstunden verwandt werden. Zudem ist sein Kopf das Zeichen der Unterrichtsreihe, mit dem alle Arbeits-, Lied- und Laufzettel gekennzeichnet sind. Ziel ist mit Hilfe dieser Figur nicht nur Unterrichtsinhalte zu vermitteln, sondern zusätzlich einen Anreiz zur Auseinandersetzung mit der Thematik zu schaffen. Die Schüler mögen Comic- und Fantasiegestalten aus den Medien und der Literatur. Sie identifizieren sich gerne und oft mit ihnen. In Rollenspielen geben sie sich beispielsweise Namen von Figuren aus einer populären Zeichentrickserie. Darum soll die Figur Fridolin Frieden Identifikationswert haben, mehr aber noch den Kinder eine Orientierungshilfe sein. Denn die Figur tritt immer dann auf, wenn es um Gemeinschaft und Beziehungen geht. Die Kinder sollen schlussendlich die Figur Fridolin nicht nur als ein Zeichen für die Unterrichtsreihe, sondern als ein Zeichen für gelingende Gemeinschaft sehen.

Die göttliche force vitale wirkt in glückenden Gemeinschaften.211 Die Erfahrung gelingender Gemeinschaft sollen die Kinder innerhalb der Unterrichtsreihe erlangen. Dabei lernen sie als Gemeinschaftsfigur die Fantasiegestalt Fridolin Frieden kennen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass in der Elementarerziehung im Grundschulbereich nicht ausdrücklich die Thematik der göttlichen force vitale reflektiert werden kann.212 Spiegel betont die Bedeutung der Erfahrung der göttlichen dynamis. Daher wird die göttliche force vitale als konfliktlösende und friedenstiftende dritte Macht im Zusammenhang der Unterrichtsreihe nicht ausdrücklich reflektiert und thematisiert.

Ergo personifiziert Fridolin Frieden die göttliche force vitale.

2.3.4 Übersicht über die Unterrichtsreihe

Die Schüler haben zwei Stunden pro Woche Religionsunterricht, donnerstags in der fünften und freitags in der vierten Stunde. Für die Unterrichtsreihe sind neun Stunden vorgesehen, die in drei Bereiche einzuordnen sind. Der erste Themenbereich behandelt die Erfahrung und Thematisierung von Gemeinschaft. Der zweite Themenbereich zielt auf das Erkennen von Konflikten in Gemeinschaften ab und im dritten Teil geht es um prosoziales Handeln in Konfliktsituationen.

Die Unterrichtsreihe wird zunächst anhand eines Verlaufplanes (Abb. 9) dargestellt, der nach den drei Themenbereichen strukturiert ist. Bei den folgenden Ausführungen der Unterrichtreihe werde ich mich jeweils zuerst auf das Thema der Stunde konzentrieren, dann das Ziel benennen, bevor ich den geplanten Stundenverlauf aufzeige. Anschließend berichte ich über den tatsächlichen Stundenverlauf und reflektiere diesen. Zu beachten ist, dass ich bei der Darstellung des tatsächlichen Verlaufs ausschließlich auf die das prosoziale Konflikthandeln betreffenden Aspekte der Stunden eingehe und, um Längen zu vermeiden, auf die Unterrichtselemente, die mir für den entsprechenden Lernprozess weniger wichtig erscheinen, verzichte. Aus diesem Grund fallen die Darstellungen der Stunden unterschiedlich lang aus. Den für die Aufzeichnung der Unterrichtsreihe angewandten beschreibenden Stil habe ich bei diesem Punkt übernommen, damit der intensive Eindruck, den ich gewonnen habe, bestehen bleibt und dem Leser deutlich wird.

Die Arbeitsblätter, Ergebnisse und Fotos der Unterrichtsreihe befinden sich, anstelle eines Anhangs, direkt hinter den schriftlichen Ausführungen der jeweiligen Unterrichtsstunde, um deren Darstellung zu veranschaulichen. Zu beachten ist, dass die Auftrags- und Aufgabenblätter weiß sind, während die Ergebnisblätter auf gelbem Papier gedruckt sind.

Verlaufsübersicht der Unterrichtsreihe - Von Gemeinschaftserfahrung zum prosozialen Konflikthandeln

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[Tabele mu ß te in der Online-Ansicht in zwei Teile aufgeteilt werden - der untere Teil geh ö rt normalerweise rechts neben den oberen.]

Abb. 9:213 Übersicht Unterrichtsreihe ,,Prosoziales Konflikthandeln"

2.3.4.1 Gemeinschaft erfahren

Die Religionsgruppe hat Probleme, miteinander zu leben und zu lernen. Daher liegt der erste Schwerpunkt der Unterrichtsreihe darin, den Schülern die Möglichkeit zu geben, in der Gruppe Gemeinschaft zu erfahren, über diese zu staunen und diese zu begreifen mit dem Ziel, die Schüler miteinander zur Gemeinschaftsfähigkeit hinzuführen. Gemeinschaftsfähigkeit ist eine Grundvoraussetzung, prosozial denken und handeln zu können und somit eine Grundlage für das prosoziale Konflikthandeln. Erst in einer Gruppe, die sich als Gemeinschaft fühlt, kann eine Atmosphäre des gegenseitigen Vertrauens entwickelt werden, in der Schüler bereit sind, Konflikte zu bearbeiten.214

2.3.4.1.1 Stunde 1: Gemeinschaft erleben

Ziel der Stunde ist, den Schülern die Möglichkeit anzubieten, Gemeinschaft innerhalb der Gruppe zu erleben. Durch Gruppenaufgaben wird die Gemeinschaftsfähigkeit gefördert.215 Bisher haben die Schüler Gruppenaufgaben immer in frei gewählten, klasseninternen Gruppen gelöst. Nun sollen sie die Bedeutung von gemeinschaftlicher Kooperation selber entdecken, ohne dass diese vorgegeben ist. Dazu soll jedes Kind ein Puzzle lösen. Einige Teile passen jedoch nicht zusammen, das Puzzle ergibt nur einen Ausschnitt eines Bildes. Die Schüler können selber auf die Idee kommen, die einzelnen Bilder zusammen zu legen, so dass die kleinen Puzzle ein großes Bild ergeben. Die Aufgabe kann infolgedessen nur in Kooperation gelöst werden.

2.3.4.1.1.1 Geplanter Stundenverlauf

Der Einstieg erfolgt im Sitzkreis.216 In der Mitte liegt als stummer Impuls ein buntes Paket, adressiert an die Kinder der katholischen Religionsgruppe der vierten Klasse. In dem Paket befinden sich ein Brief und zwölf Tütchen mit Puzzleteilen. Der Absender ist der bisher unbekannte Fridolin Frieden. Eines der Kinder öffnet das Paket und der Brief, in dem die weiteren Instruktionen stehen, wird vorgelesen. In dem Schreiben stellt sich die fiktive Figur Fridolin Frieden zunächst vor. Er stellt den Schülern die Aufgabe, ein Puzzle zu lösen. Daraufhin nimmt jeder Schüler ein Tütchen mit Puzzleteilen und puzzelt zunächst allein am Sitzplatz. Die Schüler sollen dann selber herausfinden, dass die jeweiligen Puzzleteile zusammengehören und somit die Aufgabe gemeinsam lösen. Gelingt dies, ist das ganze Bild zu sehen: Ein großes Foto aller Schüler, Lehrer und Mitarbeiter der Grundschule. Danach besteht einige Minuten Zeit zur Bildbetrachtung (jeder Schüler kann sich selber auf dem Foto suchen). Abschließend wird wieder im Sitzkreis das Lied ,,Zieh den Kreis" mit Gitarrenbegleitung gesungen und das Kooperationsspiel ,,Schneckenlauf"217 gespielt.

2.3.4.1.1.2 Tatsächlicher Verlauf

Als die Schüler im Sitzkreis sitzen, stelle ich das Paket in die Mitte. Es ist für die Kinder offensichtlich sehr interessant zu erfahren, woher das Paket kommt. Mit der Bestätigung, es komme von mir, sind sie dann alle mehr oder weniger einverstanden. Ich lasse das so stehen und erkläre, Fridolin - der Absender - sei eine von mir ausgedachte Figur.

Die Kinder äußern sich mehrere Minuten über das geschlossene Paket. In den Äußerungen steckt viel Spannung und eine gewisse Erwartungshaltung. Alle Aufmerksamkeit gilt dem geschlossenen weißen Paket in der Mitte des Kreises. Eine derartige Aufmerksamkeit im Sitzkreis ohne störende Ablenkungen ist selten.

Das Ausharren vor dem Paket kommt mir relativ lang vor. Es dauert einige Minuten, bis das erste Kind den Vorschlag macht, den Karton zu öffnen. Daraufhin stürzen sich K., N. und Na. auf das Paket und alle zwölf Kinder gucken neugierig hinein, woraufhin gleich der Brief auffällt. Den zieht K. heraus und fragt, ob sie ihn öffnen dürfe. Ich bekräftige sie. den Brief zu öffnen und vorzulesen. Sie liest und ich bin erstaunt, dass alle Kinder gut zuhören, obwohl K. keine gute Leserin ist.

Als ich nachfrage, ob das Bedürfnis bestehe, dass ich den Brief noch einmal vorlese, verneinen dies alle. Durch den Brief ist ja bereits geklärt, was jetzt folgen sollte und alle Kinder stürzen sich auf die Kiste, um sich ein Tütchen mit den Puzzleteilen herauszunehmen. Rasch laufen alle Schüler auf ihre Plätze. Dort beginnen sie zügig mit dem Zusammenlegen der Teile. Dabei sind die meisten sehr erfolgreich, lediglich zwei Kinder haben Probleme ihr Puzzle richtig zusammenzulegen. Dass es sich bei den Puzzleteilen um das Schulfoto handelt, erkennen die Schüler rasch. Schon bald laufen die Kinder in der Klasse herum, um sich die Teile der Mitschüler anzusehen und um zu gucken, wohin die Teile passen, die sie nirgendwo unterbringen können.

Die Erkenntnis, dass alle Puzzelteile irgendwie zusammengehören, kommt schnell. Bald beginnen einige Schüler, ihre ,,falschen" Teile anderswo anzulegen. J. macht den Vorschlag, man müsse das Puzzle auf dem Boden weitermachen, damit alle zusammen die Teile aneinanderlegen können. Dieser Vorschlag bleibt allerdings zunächst ungehört. Das kann damit zusammenhängen, dass J. ein eher unbeliebtes Mädchen ist. Anstelle dessen legen einige Schüler ihre Teile mit anderen zusammen und versuchen so, das Puzzle zusammenzustellen. Nach meiner Aufforderung macht J. ein zweites Mal den Vorschlag und zunächst folgen Ma. und Ni. ihr. Wenig später kommen alle Schüler hinzu und puzzeln auf dem Teppich im Sitzkreis. Zwei Schüler stehen daneben und können nicht mitmachen, weil der Platz nicht ausreicht. Der Kreis wird dann auf Carstens218 Anraten hin größer gemacht, so dass diese zwei Schüler auch um das Puzzle herumsitzen können. Allerdings rücken die Schüler rasch wieder zusammen, so dass zwei andere Kinder sich an den Rand setzen, noch einmal den Fridolin-Brief lesen und das Paket betrachten. Folglich sind rund zehn Kinder an dem Zusammensetzen des Bildes beteiligt. Davon legen zwei oder drei die Teile zusammen, die anderen reichen Teile an, geben Hinweise oder erklären, was auf dem bereits zusammengesetzten Bild zu sehen ist. Die Atmosphäre beim Puzzeln ist sehr friedlich. Es werden wenige der sonst im Umgang der Kinder untereinander üblichen Kraftausdrücke gebraucht, auch wird niemand absichtlich oder aktiv ausgeschlossen. Kinder aus beiden Klassen arbeiten konstruktiv miteinander.

Als das Puzzle fertiggestellt ist, sucht jedes Kind sich selber auf dem Bild. Auch dies geschieht ohne die Anweisung eines Erwachsenen. Das Puzzeln dauert cirka 25 Minuten, so dass noch Zeit bleibt. Ich erkläre, ich hätte ein gut zu dem Puzzle passendes Lied gefunden. Wir üben und singen das Lied ,,Zieh den Kreis". Ich habe den Eindruck, alle Schüler beteiligen sich beim Singen. Zum gemeinsamen Spielen stellen sich die Kinder hin und bilden einen, wie im Lied bereits gesungenen, Kreis. Alle Kinder machen mit und fassen sich dabei an den Händen bis auf A. und Na. Beim Spiel beteiligen sich alle Kinder, jedoch stehen sie im Kreis klassenweise. Abschließend wird auf Wunsch der Kinder das Lied noch einmal gesungen.

2.3.4.1.1.3 Reflexion

Positiv an der Stunde war die Beteiligung aller Schüler. Niemand hat die Gruppe gestört, beide Klassen haben dynamisch und aktiv zusammengearbeitet. Die Kooperation verlief also wie geplant und sehr gut, so dass das Puzzle sogar schneller als erwartet fertig gestellt wurde. Zudem war zu beobachten, dass die Kinder Interesse an der Figur Fridolin gezeigt haben, obwohl deutlich war, dass diese fiktiv ist. Problematisch war, dass zwei Kinder an dem Zusammenlegen der Puzzleteile nicht beteiligt waren. Reflektierend kann festgehalten werden, dass für das gruppenspezifische Konzept zum friedlichen Miteinander durch die Entwicklung der Idee des gemeinsamen Problemlösens und durch das Kooperieren ein erster Schritt getan ist. Die Schüler haben dadurch innerhalb der Gruppe Gemeinschaft erfahren können.

2.3.4.1.2 Stunde 2: Wir haben etwas gemeinsam geschafft

Ziel der Stunde ist, die in der letzten Unterrichtsstunde erlebte Gemeinschaft aufzudecken und darüber zu staunen. Die Gemeinschaft soll gefestigt werden, so dass bei den Schülern Interesse für ihre Gemeinschaft geweckt wird. Gemeinschaftsfähigkeit ist für ein grundlegendes Vertrauen innerhalb der Klasse unabdingbar, ohne das ein prosozialer Konfliktlösungsprozess nicht möglich ist.219 Damit die Schüler ein Vertrauensverhältnis untereinander aufbauen können, müssen sie erkennen, wie konstruktiv sie durch gemeinschaftliche Kooperation eine Aufgabe gelöst haben.

2.3.4.1.2.1 Geplanter Stundenverlauf

Um an die letzte Stunde zu erinnern und anzuknüpfen, aber auch um die Atmosphäre wieder aufzunehmen, liegen der Brief und das Puzzle zu Beginn der Stunde in der Mitte des Sitzkreises. Als Einstieg und Erinnerung wird das Lied ,,Zieh den Kreis" gesungen. Danach liest ein Schüler den Brief von Fridolin Frieden noch einmal vor, um dessen Frage nach der Lösung des Puzzles aufzunehmen. Schon dabei soll die Kooperation als der einzig richtige Lösungsweg deutlich werden. Nach einer ersten Ideensammlung werden die Vorschläge auf einer Folie am Overheadprojektor festgehalten. Mit der Intention den Gemeinschaftsbegriff zu festigen, werden anschließend Neigungsgruppen gebildet, die sich mit dem Gruppenphänomen intensiver auseinander setzen sollen. Aufhänger dafür ist die Beantwortung Fridolin Friedens Fragen. Die Gruppen sollen selbständig zusammenfinden. Daran kann erkannt werden, ob die Bereitschaft besteht, mit Kindern der anderen Klasse zusammen zu arbeiten.

Die drei Gruppen sind vom Anspruchsniveau differenziert. Die ,,Schreibergruppe" verfasst einen Antwortbrief an Fridolin, in dem sie erklärt, wie das Puzzle gelegt wurde und was die Kinder dabei erlebt haben. Die Schüler dürfen selber entscheiden, wie und womit sie den Brief schreiben. Zur Auswahl stehen Computer und Füller. Die ,,Malergruppe" hält das gemeinsame Puzzeln im Bild fest. Sie können entscheiden, womit (Wasserfarbe, Bunt- und Wachsmalstift oder dicke Filzmaler) und worauf (Zeichenblock, Plakatwand, bunte Blätter) sie malen wollen oder ob sie eine Collage ausschneiden möchten. Die ,,Zeichengruppe" denkt sich ein spezifisches Zeichen für die Religionsgruppe aus, wobei sie sich bei Bedarf als Hilfestellung mögliche Zeichen und Symbole ansehen kann. Abschließend sollen die Ergebnisse im Sitzkreis vorgestellt und an einer Pinnwand im Klassenraum ausgestellt werden.

2.3.4.1.2.2 Tatsächlicher Verlauf

Vor der Stunde stelle ich die Tische zu drei Gruppentischen zusammen und lege auf jeden Tisch ein Schild- Schreibergruppe, Malergruppe und Zeichengruppe sowie die jeweiligen Materialien. Zudem habe ich den Overheadprojektor aufgestellt und in den Sitzkreis das jetzt fertig gestellte Puzzle, den Karton und den Brief gelegt. Einige Kinder streiten im Sitzkreis über ihre Plätze. Ansonsten werden die Schilder auf den Tischen sehr wohl beachtet, aber nicht weiter kommentiert. Ziemlich rasch beginnen wir mit dem Lied ,,Zieh den Kreis", das alle noch gut aus der letzten Stunde kennen. Die Schüler singen begeistert mit; erfinden eigene Strophen (wenn du kämpfst, kämpf nicht allein; wenn du murmelst, murmel nicht allein...).

Ich erinnere an die letzte Stunde und die Schüler sollen erzählen, was gemacht worden ist. Alle sprechen zunächst vom Puzzle - dann wird der Brief noch einmal vorgelesen. Auf die Frage, was jetzt zu tun sei antworten die Schüler, sie wollen einen Brief schreiben. Ich frage nach, was denn nun die Lösung der kniffeligen Knobelaufgabe von Fridolin gewesen sein könnte. Daraufhin lege ich die Folie auf: ,,Wie wir das Puzzle so schnell lösen konnten". Drei Schüler schreiben mit Folienstiften an: Weil wir uns in den Kreis gesetzt haben; alle zusammen; Gruppenarbeit.

Dann werden die Interessengruppen erklärt. Die Gruppen haben sich schnell zusammengefunden. Die Malergruppe setzt sich aus drei Mädchen aus der Vormittagsklasse zusammen. Auch die vier Mädchen aus der Ganztagsklasse wollen unbedingt zusammenarbeiten und entscheiden sich für die Zeichengruppe. Übrig bleiben ein Mädchen und ein Junge aus der Vormittagsklasse und ein Junge aus der Ganztagsklasse.220 Die einzig gemischte Gruppe (sowohl Geschlecht als auch Klasse) weigert sich zunächst, willigt dann aber ein, den Brief an Fridolin schreiben.

Alle Gruppen bekommen einen farbigen Umschlag, in dem ihr Arbeitsauftrag genau formuliert ist. Obwohl die Malergruppe als erstes zu arbeiten beginnt, kommt sie sehr schlecht voran. Da ich sehe, dass die Schüler Probleme haben, lese ich ihnen den Auftragsbrief noch einmal vor. Es stellt sich als problematisch heraus, zu dritt ein gemeinsames Bild zu malen. Ständig wird rumradiert oder gemeckert, weil zweien das Gemalte der Dritten nicht gefällt. Zudem wird anfangs unspontan und überlegt gearbeitet. Schließlich wechseln sie sich mit dem Malen ab - sie haben ihren Weg der gemeinsamen Kooperation gefunden! Das Motiv des Bildes ist unsere Gruppe im Sitzkreis mit dem Puzzle in der Mitte.

Konflikte, Wortgefechte und Beschimpfungen aufgrund der Zusammenarbeit gibt es ebenso in der Schreibergruppe: N. und J. können sich nicht einigen, wer von beiden schreiben darf. Allerdings ist der Brief trotz dieser Probleme ganz in Ordnung. Sie haben die Folie zur Hilfe genommen. Diese Neigungsgruppe hat die Möglichkeit, positive Gruppenerfahrungen innerhalb dieser Arbeitsphase zu gewinnen, nicht nutzen können.

Nach anfänglichen Verständnisschwierigkeiten arbeitet die Zeichengruppe effektiv: Fehlverstanden haben sie zunächst, dass ich ein spielendes Männchen auf ihre Arbeitsanweisung gemalt hatte. Sie versuchen dies abzumalen. Erst als ich den Arbeitsauftrag erneut erläutere, beginnen sie mit konstruktiven Beratungen. Ihr Zeichen für eine Gemeinschaft ist super geworden.

Bei der abschließenden Sammelrunde stellen die Schüler ihre Ergebnisse dar und reflektieren ihre Kooperation. Dabei findet das Zeichen besondere Beachtung, das von jetzt an für die Religionsgruppe stehen soll. Es wird beschlossen, dass dies mit entsprechender Beschriftung an die Tür des Religionsraums geklebt werden soll.

2.3.4.1.2.3 Reflexion

Insgesamt war die Stunde konstruktiv, allerdings hätte die Gruppenarbeit intensiver sein müssen. Die Arbeit und die Ergebnisse wären sicherlich besser gewesen, wenn die Schüler alleine gearbeitet hätten. Jedoch wäre damit ein wichtiges Element der Unterrichtsreihe, nämlich das prosoziale Element missachtet worden. Effektiver wäre eventuell gewesen, die Ergebnisse in Partnerarbeit auszuarbeiten.

Sehr gefallen hat mir das gemeinsame Singen - die Kinder scheinen das Lied zu mögen. Auch Singen kann Brücken überwinden und zusammenführen. Positiv waren auch die Folie, auf die sie gute Vorschläge geschrieben haben und die Ergebnisse der Zeichengruppe. Toll war die Idee, das Zeichen als Türschild zu verwenden. Die Schüler wollen sich offenbar - trotz der Widrigkeiten in den Neigungsgruppen - als eine Gruppe benennen und dies auch zeigen. Für die Entwicklung eines gruppenspezifischen Konzepts zum prosozialen Konfliktlösen hat die Stunde insofern beigetragen, als dass die Schüler sich aktiv miteinander beschäftigen mussten. Auch wenn es dabei zu Streitereien gekommen ist, haben die Schüler versucht zu kooperieren und dabei auch das Konfliktphänomen erfahren können. Der Begriff der Gemeinschaft ist dabei zum Teil aufgedeckt und gefestigt worden. Zwar fehlte teilweise in den Neigungsgruppen der Gedanke, diese Gemeinschaft als die eigene zu begreifen, aber die Schüler haben sich letztendlich als Gruppe benannt, was als ein Schritt zu einem Vertrauensverhältnis innerhalb der Gruppe zu sehen ist.

2.3.4.1.3 Stunde 3: Wozu ist Gemeinschaft da?

Ziel der Stunde ist, die Zweckmäßigkeit und den positiven Aspekt des Gemeinschaftsbegriffs zu erfassen, so dass die Schüler die Notwendigkeit des Zusammenseins begreifen können. Dabei soll jeder Schüler erarbeiten, wozu andere Menschen in seinem Leben wichtig sind.

2.3.4.1.3.1 Geplanter Stundenverlauf

Der Einstieg erfolgt mit dem Einüben des ,,Kindermutmachlieds"221 im Sitzkreis. Wahrscheinlich ist das Lied den meisten Kindern unbekannt - einige könnten es aus dem Kommunionunterricht kennen. Das Lied soll bereits in den positiven Aspekt der Gemeinschaft einstimmen, indem es Gemeinschaftsaspekte wie einander mögen, einander brauchen, zusammen sein und schlussendlich Gottes Liebe anspricht.

Zu Beginn der ersten Erarbeitungsphase wird eine Geschichte vorgelesen. Diese handelt von dem Jungen Fridolin. Der hat viele gute Freunde, jedoch hat er ohne diese Langeweile. Die Figur Fridolin Frieden taucht bewusst in dieser Geschichte auf, um eine Stringenz innerhalb der Unterrichtsreihe zu erreichen. Die Intention ist ein Wiedererkennungswert des Gemeinschaftsbegriffs mit der Figur Fridolin. Um die Fiktivität der Fantasiegestalt zu unterstreichen, ist die Figur in eine fiktive Geschichte eingebettet. Zwar haben die Schüler bereits verstanden, dass der Brief der ersten Stunde nicht von einer leibhaftigen Person verfasst worden ist, jedoch soll dies noch einmal betont werden. Die Geschichte wird besprochen und erste Bezüge der Schüler zu Erfahrungen mit Freunden sollen in einer kurzen Blitzlichtrunde erfasst werden. Festhalten sollen die Kinder diese auf einem Arbeitsblatt. ,,Ich und die anderen" überschreibt darauf vier Rubriken zu denen die Schüler sich schriftlich äußern können: Ihre Freunde und die gemeinsamen Tätigkeiten sowie andere Gemeinschaften in denen die Schüler verkehren und die gemeinsamen Tätigkeiten. Absicht der Aufgabe ist die Verdeutlichung der Gemeinschaften, in denen Schüler verkehren und die Bedeutung dierselben. Vertieft wird dies durch das gemeinsame Sammeln von Ideen über den Sinn von Gemeinschaft Die Einfälle werden als kurzer Überblick an der Tafel festgehalten. Abschließend soll jedem Schüler die Gelegenheit geboten werden, seine persönliche Bedeutung von Gemeinschaft zu erkennen und festzuhalten. Dazu werden in Partnerarbeit Hände gestaltet, auf die jeder Schüler schreiben kann, wozu andere Menschen für ihn wichtig sind. Das Symbol Hand ist dabei gewählt worden, um zum einen die Individualität eines jeden Schülers zu unterstreichen - jeder schreibt auf seine eigene, einmalige Hand. Andererseits ist die Hand auch Element des Verbundenseins, ausgedrückt durch das Händehalten und einander festhalten. Die fertig gestellten Hände werden an der Pinnwand ausgestellt.

Abgerundet werden soll die Bedeutung von Gemeinschaft und Kooperation mit dem Spiel ,,Maschine", bei dem die Kinder durch einzelne selbstkreierte Bewegungen eine Maschine entwickeln, die nur durch das korrekte Zusammenspiel aller funktioniert.

2.3.4.1.3.2 Tatsächlicher Verlauf

Als ich in die Klasse komme, sind bereits einige Kinder anwesend, um vor der Pause ihre Taschen abzustellen. Dabei höre ich ein Gespräch zwischen A. (Vormittagsklasse) und J. (Ganztagsklasse) mit an. Es geht um die Benutzung der Tischtennisplatte in der folgenden Pause.222 Zunächst streiten die Jungen, welche Klasse an der Platte spielen darf, dann fragt A. plötzlich, ob er nicht mit den Schülern der Ganztagsklasse mitspielen dürfe. J. antwortet: ,,Warum nicht, schließlich sind wir ja fast zusammen in einer Klasse - jetzt hier in Reli." Ich finde das Gespräch eindrucksvoll. Offenbar herrscht doch ein gewisses Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen den Schülern. Vielleicht entwickelt sich da langsam was... Überraschenderweise kennen fast alle Kinder das Kindermutmachlied. Die evangelischen Schüler haben es nämlich im Religionsunterricht gesungen und ihren Klassenkameraden beigebracht. So singen wir laut und froh zusammen. Die Mädchen fangen sogar von alleine zu klatschen an. Es kommt richtig Stimmung auf. Das Element Singen ist wirklich verbindend - es tut unserer Gemeinschaft gut.

Nach dem Vorlesen der Geschichte erzählen einige Schüler, sie hätten manchmal Langeweile, wenn sie keine Verabredung hätten. Na. sagt, sie kann es nicht leiden mit anderen etwas zu machen - sie sehe am liebsten fern und da stören andere nur. Und außerdem müsse man alleine auch nicht teilen ... Die Kinder sind bei der Runde unruhig - viele unterhalten sich und hören nicht zu. Daher löse ich die Runde rasch auf und gebe die Instruktionen für das Arbeitsblatt ,,Ich und die anderen". Dies sollen sie alleine an ihrem Platz ausfüllen. Dazu mache ich leise Hintergrundmusik an. Das kennen die Schüler und ich hoffe, dass ihre Unruhe dadurch nachlässt. Leider sind viele Kinder unkonzentriert. Trotzdem sind die Arbeitsblätter rasch ausgefüllt, so dass wir kurz einige Ergebnisse zusammentragen. Danach öffne ich die Tafel und die Kinder schreiben an, wozu andere Menschen wichtig sein können. Jeder darf soviel schreiben, wie ihm einfällt. Die Kinder schreiben gern an der Tafel und benutzen viele verschiedene Farben, so dass die Tafel schließlich voll geschrieben ist. Dabei wechseln sie sich gut ab - Rangeleien bleiben aus. Angeschrieben wird: Andere Menschen sind wichtig, zum Spielen (4x), damit man nicht alleine ist (3x), zum Reden (3x), zum Verabreden (2x), gegen Langeweile (2x), für gar nichts, zum Fußball spielen, zum Tischtennis spielen, zum Pokemon tauschen, zum Fangen spielen, zum Verlieben, damit man küssen kann, zum Kinder machen, um zusammen zu singen. Ich lasse die Tafel offen, so dass die Ergebnisse eine Anregung für die anstehende Beschriftung der gebastelten Hände sein können.

Die Kinder lassen ihre Hände von ihrem Sitznachbarn zeichnen und schneiden sie aus. Darin sind sie sehr geübt und geschickt. Ohne lange zu überlegen, beschriften sie die Hände und hängen sie selbständig zu den bisherigen Ergebnissen an die Pinnwand. Die Aufschriften der Hände sind: Andere Menschen sind mit wichtig zum Spielen (4x), damit man keine Langeweile hat (3x), damit man nicht alleine ist (2x), zum Verabreden und zum Garnichts machen. Die Pinnwand ist schon richtig voll. Dort hängt das Puzzle, der Brief von Fridolin, das Bild, das Gruppenzeichen, der Brief an Fridolin und jetzt die Hände.

Eigentlich sollte abschließend das Spiel ,,Maschine" gespielt werden. Doch sind die Proteste groß und J. schlägt vor, das Lied ,,Unserer Hände sollen eine starke Brücke sein" zu singen.

Die Schüler singen das Lied manchmal im Religionsunterricht. Die Idee ist sehr passend zur Thematik. Nach der ersten Strophe schellt es und die Kinder springen auf. Eigentlich wissen sie, dass sie nicht gehen dürfen, bevor Carsten oder ich sagen, dass die Stunde beendet ist. Ich lasse sie aber gehen - für heute ist es wohl genug gewesen.

2.3.4.1.3.3 Reflexion

Die Kinder haben interessiert gearbeitet. Die Ergebnisse sind positiv ausgefallen. Das Singen wird zum schönen Element unserer Stunden, an dem sich alle offenbar freuen. Die Bearbeitung des Arbeitsblattes verlief oberflächlich: Einige Schüler haben kaum zwischen dem ersten Teil - meine Freunde - und dem zweiten Teil - andere Gemeinschaften - differenziert. Die Tafelaufzeichnungen dagegen waren sehr differenziert und ideenreich. Gelungen war auch der Vorschlag, abschließend das passende Lied ,,unsere Hände" zu singen.

Reflektiere ich den Verlauf der Stunde, muss ich festhalten, dass die Schüler zu vielen Ergebnissen gekommen sind, wozu Gemeinschaft wichtig sein kann. Interessant auch, dass eine Schülerin betonte, für sie habe Gemeinschaft keine Bedeutung. Allen ist die Grenze zwischen Alleinsein und Gemeinschaft klar. Sie haben den positiven Gemeinschaftsaspekt erkannt, was durch das Tafelbild widergespiegelt wurde. Mit ihren verschiedenen Ideen haben sich die Schüler in vorbildhafter Kooperation ergänzt, so dass schlussendlich ein gemeinsames Bild des Sinns von Gemeinschaft entstand.

2.3.4.1 Konflikte in Gemeinschaften erkennen

In der Religionsgruppe gibt es oft Auseinandersetzungen. Die Kinder sollen die Normalität und Notwendigkeit von Konflikten in einer Gemeinschaft erfassen. Im Vordergrund steht dabei, den Konflikt gemeinsam fair und gewaltfrei zu führen. Einige Möglichkeiten und ein Weg dazu sollen entwickelt werden. Konflikte anzunehmen und konstruktiv behandeln zu können, ist ein Weg des prosozialen Konflikthandelns.

2.3.4.1.2 Stunde 4: Konflikte und Zusammenarbeit

Zwischen Kooperation und Konflikten besteht ein Zusammenhang. Als Übergang zwischen dem Gemeinschaftsgedanken und dem Konfliktgeschehen soll diese Stunde dazu dienen, die Beziehung zwischen Kooperation und Konfliktlösung aufzuzeigen. Die Schüler sollen erkennen, dass Kooperation den Konfliktprozess vereinfacht und lösen kann. Mit diesem Wissen können sie in späteren Konfliktsituationen auf Kooperation zurückgreifen und diese nutzen.

2.3.4.2.1.1 Geplanter Stundenverlauf

Die Stunde beginnt mit dem Kindermutmachlied im Sitzkreis. Anschließend wird ein Bild betrachtet. Dabei handelt es sich um die Abbildung Gemeinschaft und Vertrauen - Eselbild nach Walker (Abb. 7).223 Die Esel tragen (deutlich sichtbar) die Namen Fridolin und Basti. Sie sind durch ein Seil verbunden und können somit nicht beide gleichzeitig an zwei entgegengesetzten Sträuchern fressen. Das Bild besteht aus vier Teilbildern, die das Problem der Esel darstellen: Beide wollen gleichzeitig fressen, werden aber durch das Seil daran gehindert.224 Die Esel können nur dann beide satt werden, wenn sie bereit sind zusammen zu arbeiten. Das Bild verdeutlicht den Zusammenhang zwischen Kooperation und gewaltfreier Konfliktaustragung. Die Kinder werden aufgefordert, in Kleingruppen zu überlegen, wie die Geschichte weitergehen könnte und welche Lösungsmöglichkeiten bestehen.

Die Kleingruppen bestehen aus jeweils vier Kindern und dürfen nicht nur aus Schülern einer Klasse bestehen. Die Zusammensetzung erfolgt eigenständig. Sinn einer derartigen Zusammensetzung ist, die Kinder der beiden Gruppen innerhalb der Religionsgruppe zur Kooperation und Kommunikation untereinander anzuhalten, um die Gemeinschaft untereinander zu stärken.

Die folgenden vier Lösungsmöglichkeiten sollen erkannt und auf einem Schema eingetragen werden: Basti gewinnt, Fridolin verliert; Fridolin gewinnt, Basti verliert; beide verlieren; beide gewinnen. Die Übung wird weitergeführt, indem die Kinder einen Alltagskonflikt aus ihrer Umwelt nach dem gleichen Schema analysieren.225 Anschließend werden die Ergebnisse im Sitzkreis gesammelt und notiert.

Als Abschluss der Stunde wird das Kooperationsspiel ,,Gewitterregen"226 gespielt, das die Kooperationsfähigkeit untereinander stärken soll, zudem die Gruppenbildung anspricht und vor allem Spaß macht.

2.3.4.2.1.2 Tatsächlicher Verlauf

Die Unterrichtsstunde beginnt mit etwas Trubel. Aufgeregt trudeln die Religionskinder nach und nach in den Klassenraum ein. In der Stunde zuvor haben einige Lehrer und Eltern in der Aula das Theaterstück ,,Schneewittchen" für die Schüler aufgeführt. So startet die Stunde nicht wie geplant mit dem Lied, sondern mit einer Blitzlichtrunde über das Theaterstück. Weil die Kinder sehr unruhig sind, halte ich an dieser Stelle eine ruhebringende Einheit für wichtig, so dass wir ,,Stille Post" spielen und das Einstiegsritual des gemeinsamen Singens auf eine Strophe verkürzen. Die Aufregung legt sich durch diese stille Phase.

An ihren Tischen sitzend betrachten die Schüler das Eselbild und kommentieren es lautstark mit Bemerkungen wie ,,Dumme Esel", ,,pah, kenn ich schon", ,,Nix mit Eseln." Die Begeisterung hält sich offensichtlich sehr in Grenzen. Als mehr Ruhe eingekehrt ist, beschreiben die Kinder die Bilder der Reihenfolge nach.

Nach der kurzen Bildbetrachtung gebe ich die Anweisungen für die Gruppenarbeit und zur Zusammensetzung der Gruppen. Dabei wird es laut in der Klasse - die Instruktion zur Gruppenzusammensetzung regt die kleinen Gemüter auf. Ich höre Rufe und Stimmen, die gegen die Zusammenarbeit mit Kindern aus der anderen Klasse wettern. In Absprache mit Carsten greife ich in den Trubel ein und setze die Gruppen selber zusammen. Gleichzeitig zweifle ich, ob die gezwungene Kooperation sinnvoll ist und sage, dass wir ausprobieren, ob auch Kinder aus anderen Klassen zusammenarbeiten können. Widerwillig setzen die Schüler sich zusammen und beginnen zögernd, das Arbeitsblatt zu bearbeiten. Fragwürdig ist, ob der Inhalt der Eselthematik oder die Kooperation untereinander relevanter ist. Denkbar ist, dass die Ergebnisse in freiwilliger Gruppenzusammensetzungen effektiver erarbeitet werden würden. Die Bearbeitung leidet unter der gezwungenen Zusammensetzung - die Gruppen zeigen ihr Desinteresse an dem Arbeitsauftrag. Da die Kooperation untereinander und auch die Thematik des Eselbildes wichtig sind und in besonderer Weise auch zusammenhängen, gehe ich nach der Gruppenarbeit darauf ein. Die Kinder betonen, es falle ihnen leichter mit Freunden zusammenzuarbeiten. Einige merken aber an, dass neue Leute neue und andere Ideen als die eigenen haben und befürworten diese Art der Zusammensetzung. Bei dem Versuch, Parallelen zwischen der Problematik des Eselbildes und der des Zusammenarbeitens zu finden, werden die Schüler aufmerksam: Sie entdecken selbständig Gemeinsamkeiten zwischen ihrer Kooperation und dem Eselbild. L. schlussfolgert: Wenn jetzt der Fridolinesel unsere Klasse ist und der Bastiesel die andere Klasse, dann bedeutet dass doch, dass wir uns immer zusammen absprechen müssen, damit wir nicht streiten und es gut wird. Perfekt L. - sie hat wunderbar zusammengefasst, worum es geht! Ich bin erleichtert und frage, ob die Bereitschaft bestehe, regelmäßig in einer derartigen Zusammensetzung zu arbeiten. Die Kinder stimmen ab und mit sieben zu fünf Stimmen votieren die Schüler dafür, wiederholt die Gruppen gemischt zusammen zu setzen.

Die Ergebnisse des Lösungsschemas der Eselproblematik sind bei den meisten Gruppen korrekt. Diskutiert wird darüber, welche Möglichkeiten bestehen, dass beide Esel verlieren. Wir einigen uns auf zwei Varianten: Ein Jäger kommt und schießt beide Esel tot oder durch das Seil erwürgen sich die beiden Esel gegenseitig. Die Beispiele zu einem Alltagskonflikt aus der Welt der Kinder fallen bei zwei Gruppen ähnlich aus. Sie beschreiben den Streit um einen Gegenstand. Eine Gruppe schlüsselt die Möglichkeiten einer gewalttätigen Auseinandersetzung auf. Die Ergebnisse des Schemas werden auf einer Wandzeitung festgehalten, die an die Pinnwand geheftet wird. Das Spiel ,,Gewitterregen" kennen die Kinder, so dass sie selbständig die Geräusche imitieren. Nach Ende der Stunde bleiben einige Mädchen vor der Pinnwand stehen und betrachten die bisherigen Unterrichtsergebnisse. Sie fragen sich, was die Unterrichtsreihe mit Religionsunterricht zu tun hat. Ich werde in der nächsten Stunde darauf eingehen.

2.3.4.2.1.3 Reflexion

Obwohl die Atmosphäre während der Unterrichtsstunde zeitweise angespannt war, ist ein gutes Ergebnis erzielt worden. Eben weil die Kinder zur Kooperation verpflichtet waren, haben sie erkannt, dass dadurch Konflikte behoben werden können. Sie haben einen Grundpfeiler des prosozialen Konflikthandelns begriffen. Das gemeinsame Spielen halte ich für überaus förderlich für die Gruppe.

In interessanter und zufälliger Weise hat sich in dieser Stunde das Unterrichtsziel eher durch die Situation in der Klasse als durch den Unterrichtsinhalt ergeben. Die situative Kooperationsproblematik hat das Eselbild ergänzt, so dass die Schüler erkannt haben, wie Konfliktsituationen durch Kooperation gelöst werden können.

2.3.4.2.2 Stunde 5/6: In einer Gemeinschaft entstehen Konflikte

Die fünfte und sechste Stunde bilden eine Einheit, in der Lernen an Stationen stattfinden soll.227 In den beiden Stunden sollen die Schüler zu zweit maximal sieben Stationen besuchen. Die Kinder kennen die Arbeitsform Stationslernen228 aus dem Unterricht in den beiden Klassenverbänden. Ich habe diese Arbeitsform gewählt, da sie Vorteile bietet: Das Stationslernen bringt die Möglichkeit zur distanzierten Beobachtung der Schüler. Bezüglich des Sozialverhaltens können dadurch Rückschlüsse auf den bisherigen Gehalt der Unterrichtsreihe gezogen werden. Durch die (weitestgehend) freiwillige Wahl der Stationen und der unbeobachteten Arbeit daran kann von einem wachsenden Interesse an der Auseinandersetzung mit den zu bearbeitenden Inhalten ausgegangen werden. Des Weiteren wird der Unterrichtsstoff, der den Schülern im Regelunterricht nach und nach angeboten bzw. aufgetragen wird, beim Stationslernen parallel bearbeitet. Dadurch erhöht sich die Bandbreite der Konfrontationsmomente der Schüler mit der zu behandelnden Konfliktthematik.229

Durch die sieben Stationen sollen die Schüler erkennen, dass Konflikte in einer Gemeinschaft entstehen können. Sie sollen Möglichkeiten des Konflikthandelns überdenken.

2.3.4.2.2.1 Geplanter Stundenverlauf

Die Stunden finden nicht im Klassenraum, sondern in der großen Aula der Schule statt.230 Diese bietet bessere Möglichkeiten als der Klassenraum, die sieben Stationen getrennt voneinander aufzubauen. Die Paare für die Zusammenarbeit bilden sich freiwillig mit der Bedingung, einen Partner aus der jeweils ,,anderen" Klasse zu wählen. Dadurch soll die Kommunikations-, Kooperations- und Gemeinschaftsfähigkeit der Schüler aus den unterschiedlichen Klassen gefördert werden.

Der Einstieg in beide Stunden erfolgt mit dem gemeinsamen Singen der Lieder ,,Zieh den Kreis" und dem ,,Kindermutmachlied". Danach möchte ich auf die Frage einiger Mädchen der letzten Stunde eingehen, die sich über den Zusammenhang zwischen der Unterrichtsreihe und dem Religionsunterricht wunderten. Anschließend werden, nach einer kurzen Klärung über den weiteren Verlauf der nächsten beiden Unterrichtsstunden, die Paare für das Stationslernen gebildet und ich werde kurz Instruktionen zu den Stationen gegeben. An jedes der sechs Paare wird ein Laufzettel verteilt, auf dem gekennzeichnet werden kann, welche Stationen bereits bearbeitet worden sind. Der Besuch der Stationen eins, drei und sieben ist obligatorisch.

Folgende Stationen sind Bestandteil des Stationslernens:

1. Station: Fridolin und der Streit.

Die Schüler hören ein Hörspiel. Darin geht es um einen Konflikt zwischen Fridolin und zwei Freunden, die zusammen ein Geschenk machen wollen, sich aber zu dritt nicht einigen können. Die Kinder sollen zunächst überlegen, was gut daran sein kann, dass die drei Freunde sich streiten. Danach sollen sie einen konstruktiven Lösungsweg für die Auseinandersetzung der Drei entwickeln und ihre Ideen festhalten. Das Ziel ist die Erkenntnis, dass Konflikte auch konstruktiv sein können. Ziel ist darüber hinaus das Überdenken von konstruktiven Konfliktlösungen auf individueller Ebene.231 Der Besuch dieser Station ist verpflichtend, da die Auseinandersetzung mit konstruktiven Konfliktlösungen elementar für den Prozess des prosozialen Konflikthandelns ist.

2. Station: Buchstabenkette

Auf einem Arbeitsblatt232 sind Kinder abgebildet, die Plakate hochhalten. Die Schüler sollen auf jedes Plakat einen dazugehörigen Buchstaben schreiben. Als Lösungssatz erscheint auf den Plakaten: Jeder ist wichtig. Das Buchstabenzuordnen soll motivationsfördernd wirken, da derartige Rätsel den Kindern Spaß machen.

3. Station: Was hat diese Prügelei bewiesen?

Hier lesen die Schüler eine Geschichte,233 in der es um destruktives Konfliktlösen durch eine Prügelei geht. Aufgabe ist zunächst die Diskussion über den Beitrag der Prügelei zur Lösung der Auseinandersetzung und die schriftliche Fixierung der Ergebnisse. Anschließend sollen alternative Lösungsansätze gefunden werden. Dazu sollen sich die Schüler in die Lage eines neutralen Dritten versetzen, der den Streit schlichten soll. Ziel ist zum einen die Erkenntnis, dass Gewalt keine Konflikte lösen kann, sondern Probleme verstärkt. Zum anderen sollen die Kinder lernen, Streit anderer als neutrale Beobachter einschätzen und schlichten zu können, so dass es zu einer konstruktiven Konfliktlösung in Gruppen kommen kann.234 Die Erkenntnis und Fähigkeit ist für den Prozess des prosozialen Konflikthandelns enorm bedeutungsvoll, so dass auch die Bearbeitung dieser Station Pflicht ist.

4. Station: Du spinnst wohl!

An dieser Station können die Schüler unterschiedliche mündliche Ausdrucksweisen ausprobieren.235 Die Kinder lesen eine Reihe von Kärtchen, auf denen kritisierende Aussagen in verletzend umgangssprachlicher Form geschrieben stehen. Aufgabe der Schüler ist die Gestaltung äquivalenter Kärtchen, in denen die gleiche Aussage in freundlicher Ausdrucksweise zu lesen ist. Gegebenenfalls können auch neue Kartenpaare entworfen werden. Das Ziel soll sein, dass die Kinder Varianten zu dem oft rüden Umgangston untereinander finden, damit sie lernen, Kritik in Konfliktsituationen freundlich zu äußern.

5. Station: Partnermalen

Hier geht es darum, nonverbale Partnerarbeit zu üben. Die Schüler haben die Aufgabe, zusammen einen Stift anzufassen und - ohne miteinander zu sprechen, einige vorgegebene Gegenstände zu zeichnen.236 Das Ziel ist die Verbesserung der Kooperation innerhalb der Religionsgruppe.

6. Station: Zieh den Kreis

Die Schüler sollen eine eigene Strophe zu dem Lied ,,Zieh den Kreis" erfinden. Dabei wird an erste entsprechende Versuche der Kinder angeknüpft. Das Lernziel ist die Kooperation beider Partner, wobei zunächst Fantasie und Kreativität angesprochen werden und beim späteren Singen der eigenen Strophen die Gemeinschaft untereinander gefestigt werden soll.

7. Station: Konflikte spielen

In Rollenspielen werden reale Situationen simuliert, mit der Zielvorstellung, für Realitätssituationen zu ,,proben". ,,Spielen ist hier Probehandeln. Die Spielerfahrung soll in Realitätssituationen genutzt werden. Rollenspiel soll die Belehrung ersetzen bzw. ergänzen und die unter Umständen schmerzlichen Folgen, die wirkliche Lebenserfahrung mit sich bringt, ausschalten."237 Daher bietet sich die Methode des Rollenspiels an, Konfliktsituationen zu simulieren und Prozesse des prosozialen Konflikthandelns zu erproben. Die Schüler der Religionsgruppe kennen das Medium des Rollenspiels aus dem Klassenrat. Dort werden Problemsituationen anhand von kurzen Darstellungen erläutert und überdacht. Ein angemessenes Konfliktverhalten sollen die Schüler, zusammen mit einem Partner, anhand der Darstellung eines selbst erlebten (gegebenenfalls auch erfundenen) Konflikts einstudieren. Raum bietet dafür eine kleine Bühne, zusammengebaut aus mehreren Tischen, auf denen die Schüler spielen können. Diese Erfahrung des Einübens halte ich für elementar für das Erfahren des prosozialen Konflikthandelns - daher ist der Besuch dieser Station Pflicht.

Die letzten zwanzig Minuten der zweiten Stunde des Stationslernens dienen dem Zusammentragen der Ergebnisse und einer gemeinsamen Reflexion des Rundlaufes. Dabei sollen im Besonderen die Ergebnisse der Station 1 (Fridolin und der Streit), der Station 3 (Was hat diese Prügelei bewiesen?) und der siebten Station (Konflikte spielen) vorgetragen werden. Abschließend werden die selbstgedichteten Strophen des Liedes ,,Zieh den Kreis" gesungen.

2.3.4.2.2.2 Tatsächlicher Verlauf

Der Stationslauf findet in beiden Teilen der Aula statt. An einzelnen Tischen habe ich verschiedene Stationen für den Rundlauf aufgebaut: Die Aula bietet sich besonders für die Durchführung an, da sie recht groß ist und durch die Teilung Möglichkeiten zur Abgrenzung bietet. Einige Stationen benötigen eine ruhigere Atmosphäre. Diese sind auf der Bühne und hinter einigen Stellwänden platziert.

Damit sich der Beginn der ersten Stunde nicht unnötig verzögert, habe ich ein Schild aufgehängt, um die Schüler zu informieren, dass der Unterricht in der Aula stattfindet. Dadurch sind rechtzeitig alle Kinder da. Der Einstieg findet in einem Sitzkreis statt, den ich vorher aus Stühlen und Sitzkisten zusammengestellt habe. Zunächst singen wir ,,Zieh den Kreis". Dabei fällt mir auf, dass einige Kinder einen anderen Text singen: Sie singen: Wenn du kloppst ... Ich finde das passend, da diese Aufgabe sich in einer der Stationen wiederfindet. Wir singen allerdings nur eine Strophe, damit noch reichlich Zeit für den restlichen Verlauf der Stunden bleiben kann. Das Lied zu Beginn bietet wieder einen gemeinsamen Einstieg, zudem ist es eine Vorbereitung auf die Liederstation.

Nach dem Singen bitte ich ein Mädchen über ihre Frage nach dem Zusammenhang zwischen der Unterrichtsreihe und dem Religionsunterricht zu sprechen. Ich frage in die Runde, ob jemand eine Idee hätte, worin der Zusammenhang liegen könne. Aber niemand kann ihr weiterhelfen. Als ich an die letzte Stunde erinnere, sagt J.: Wir sollen uns nicht streiten, wenn wir was zusammen machen. Und der liebe Gott will auch nicht, dass man sich streitet. Ich lasse das so stehen und ergänze, Gott kann helfen, eine Gemeinschaft zu sein und sich zu vertragen.

Nach dem Singen erkläre ich, dass wir einen Rundlauf238 machen wollen. Die Kinder aus der Ganztagsklasse reagieren positiv darauf. Sobald der Begriff Stationslernen fällt, beginnen die Schüler per Blickkontakt Partner zu suchen Die Partnersuche unterbreche ich mit dem Kommentar: ,,Ihr braucht gar keine Partner zu suchen, dass haben wir schon gemacht." Im selben Moment denke ich, die Stimmung kippt jetzt und die Schüler haben keine Lust mehr auf einen Stationslauf. Doch die Kinder bilden die Gruppen überraschen schnell und vor allem unkompliziert.

Drei Schüler fehlen am Donnerstag, so dass nicht sechs, sondern nur fünf Gruppen zustande kommen. Es bilden sich zunächst drei Zweiergruppen und eine Gruppe mit drei Jungen. Am folgenden Tag sind zwei Schüler aus verschiedenen Klassen wieder da, die zusammen ein Team bilden.

Die Zweiergruppen arbeiten gut miteinander. Die Dreiergruppe dagegen, arbeitet weniger kooperativ, was daran liegen kann, dass das Gruppenmitglied M. schlecht kooperieren kann und lieber alles alleine macht, da er weiß, dass er oft besser als die meisten anderen ist. Die Schüler arbeiten also konstruktiv zusammen und kommunizieren miteinander, so dass es in den einzelnen Zweiergruppen keine nennenswerten Komplikationen gibt. Ki. und K. sind in der zweiten Stunde so vertraut miteinander, dass sie Arm in Arm laufen und gemeinsam lachen. Die Stunden haben den Sinn der Unterrichtsreihe - hinsichtlich des Gemeinschaftsgefühls innerhalb der Gruppe - unterstrichen. Die Kinder der beiden Klassen können auf jeden Fall zusammenarbeiten und auch zusammen Spaß haben. Super!

Ich werde nun die Bearbeitung und Ergebnisse der wichtigsten Stationen beschreiben:

Die Station 1 - Fridolin und der Streit - ist für die Kinder ein beliebter Anlaufpunkt weil das Medium Hörspiel anziehend wirkt.239 Die Schüler bearbeiten, ohne das entsprechende Vorwissen, die Fragen nach dem Wer, Was, Wie und Warum des Konfliktlösens nach Gugel und Jäger.240 Die wesentlichen Elemente des Streits werden erkannt, so dass konstruktive Lösungsvorschläge gemacht wurden. Ebenfalls wird aufgedeckt, warum Konflikt zwischen den drei Freunden positiv sein könnte. Vier der fünf Gruppen kommen zu einem positiven Ergebnis: Man dürfe sich nicht alles gefallen lassen (2x); Fridolin könne nur durch einen Konflikt lernen, weniger zu bestimmen; manchmal müsse man streiten. Eine Gruppe folgert, Konflikte können nie gut sein, da eine Konfliktpartei immer verliere. Diese Schüler gehen von der weit verbreiteten Nullsummentheorie aus.

Station 3 - Was hat diese Prügelei bewiesen? Die Schüler kommen hier zu der Übereinstimmung, dass die Prügelei keinen Sinn gemacht hat. Eine Gruppe ist der Ansicht der Unsinn dieser Auseinandersetzung liege darin, dass es keinen Sieger gebe.241 Die anderen Gruppen gehen vom Unsinn des gewalttätigen Konfliktlösens aus und finden rasch Lösungsvorschläge als Mediatoren: Es wird vorgeschlagen die Konfliktparteien sollen sich entschuldigen und beide sollen zusammen spielen und den Streit vergessen; die Streithälse sollen eine Zeit voneinander Abstand halten und dann versuchen wieder Freunde zu sein; beide sollten sich einfach die Hand geben und den Streit vergessen; beide könnten ein Eis zusammen essen und nicht mehr an den Konflikt denken. Der Aspekt der Entschuldigung taucht in allen fünf Gruppen auf - den Schülern scheint das Entschuldigen als Akt des Reuezeigens wichtig zu sein. Zudem bestätigen alle Gruppen den Sinn von Mediatoreneinsätzen. ,,Es ist einfacher sich zu vertragen, wenn einer kommt und uns auseinander bringt, als von alleine den Streit zu lösen", schlussfolgert Ki.. Das Lernziel dieser Stunde wird insofern teilweise erreicht, dass einige - nicht alle - Schüler den Unsinn von gewalttätiger Konfliktaustragung erkennen. Zum anderen sind die Schüler in der Lage, Lösungsvorschläge aus der Position eines neutralen Schreitschlichters zu finden und erkennen die Zweckmäßigkeit dieser Form des Konflikthandelns. Daran ist in den folgenden Unterrichtsstunden anzuknüpfen.

Die Station 3 - Das Rollenspiel - ist außerordentlich beliebt bei den Schülern. Positiv ist die Entscheidungsfreiheit der Schüler hinsichtlich dessen, was sie spielen. Eine Gruppe spielt eine Konfliktsituation nach, die ein Kind am selben Tag auf dem Schulhof erlebt hat, die anderen Teams bauen auf ihre Fantasie und denken sich Konflikte aus, die sie nachspielen und für die sie eine Lösung entwickeln. Interessant ist, dass die Dreiergruppe die Option der Mediation aufgreift. Um den gewalttätigen Streit zwischen zwei Jungen zu schlichten, kommt ein Dritter hinzu und hilft ihnen bei der Lösungsfindung.

2.3.4.2.2.3 Reflexion

Das Stationslernen ist positiv zu bewerten. Einige Elemente wie die kleineren Arbeitsaufträge und das Rollenspiel haben Spaß gemacht, andere Elemente wie die beiden Streitstationen (eins und drei) waren effektiv, so dass in den kommenden Stunden daran angeknüpft werden kann.

Erste Ideen des konstruktiven Konfliktlösens haben die Schüler entwickelt. Dabei haben sie Elemente des konstruktiven Konfliktlösens angewandt. Auch das Element der Mediation ist erfasst worden. Darüber hinaus hat sich die Kooperations- und Kommunikationsbereitschaft der Schüler untereinander positiv entfaltet.

2.3.4.3 Konflikthandeln

Die Kinder der Religionsgruppe sind oft in Auseinandersetzungen verwickelt. In der Regel werden diese in der Schule im Klassenrat besprochen, jedoch besteht für die Religionsgruppe keine derartige Institution. Daher ist ein Verfahrung von Nöten, das den Kindern ermöglicht, für die Auseinandersetzungen eigenmächtig eine Lösung zu finden. Die Entwicklung eines angemessenen Verfahrens soll in den letzen drei Unterrichtsstunden erfolgen. Der Schwerpunkt des Verfahrens soll auf dem Prozess des Konfliktlösens durch neutrale Streitschlichter liegen.

2.3.4.3.1. Stunde 7: Lösungsstrategien von Konflikten

In dieser Stunde sollen die Ergebnisse des Stationslernens gefestigt werden. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Einüben von Konfliktlösestrategien durch den Einsatz von Mediatoren. Ziel ist es, den Sinn von Konfliktlösungen durch neutrale Schlichter zu erkennen bzw. den Begriff zu festigen.

2.3.4.3.1.1 Geplanter Stundenverlauf

Der Einstieg in die Stunde erfolgt rituell mit dem Singen der neuen Strophen des Liedes ,,Zieh den Kreis". Die Schüler bekommen dazu neue Liedzettel, auf denen die selbst gedichteten Liedtexte und deren Verfasser vermerkt sind. Weiterhin wird an das Stationslernen angeknüpft, indem die Geschichte um den gewalttätigen Streit zwischen Fridolin und Basti wiederholt wird. Anhand dieser Geschichte sollen die Kinder in Dreiergruppen Rollenspiele entwickeln. Zunächst werden dabei die Charaktere Basti und Fridolin dargestellt und der Streit wird simuliert. Dann soll ein dritter Darsteller auftauchen, der den Streitenden helfen soll, eine Lösung für ihr Problem zu finden. Für das Einüben haben die Gruppen cirka zehn Minuten Zeit. Im Anschluss daran sollen die Ergebnisse auf einer kleinen Bühne (einem umfunktionierten Gruppentisch) vorgetragen werden.242 Zur Analyse jedes Rollenspiels bekommen die Kinder einen Beobachtungsbogen, auf dem sie die Ergebnisse notieren und abschließend bewerten sollen. Insbesondere soll das Agieren des Streitschlichters von den Kindern erkannt und bewertet werden. Die Bögen dienen der Aufmerksamkeit der Schüler. Dadurch konzentrieren sie sich intensiver auf das Spiel der darstellenden Kinder, so dass der Gefahr vorgebeugt wird, dass die Darsteller ausgelachen und verunsichert werden. Im Plenum werden die unterschiedlichen Ergebnisse diskutiert. Verbesserungsvorschläge können dann darstellerisch sofort umgesetzt werden.

Als Abschlusselement wird das Spiel ,,Spiegelbild" gespielt.

2.3.4.3.1.2 Tatsächlicher Verlauf

Vor Beginn der Stunde baue ich eine kleine Bühne, indem ich einen Gruppentisch vor den Sitzkreis schiebe und eine der Bänke aus dem Sitzkreis, die als Treppe zur Bühne fungieren soll. Die restlichen drei Bänke dienen als Zuschauerreihen. Auf denen sitzend beginnt die Stunde mit dem Singen der selbstgedichteten Strophen. Die Kinder sind sichtlich stolz - schon als sie die gedruckten Liedzettel sehen, wächst ihre Aufregung. Das Singen als gemeinschaftlicher Aspekt wird immer deutlicher - unserer kleinen Gemeinschaft tut dieses Ritual gut. Die Schüler wissen, dass damit die Stunde beginnt und sind zudem gleich motiviert. Nach dem Singen bitte ich die Kinder, sich an die Geschichte von Fridolin und Basti und ihrer Prügelei zu erinnern. Die Erinnerung ist noch gut, so dass es nicht notwendig ist, die Geschichte noch einmal vorzulesen. Allerdings wird sie später als Folie an die Wand geworfen, falls während der Rollenspiele Bedarf besteht, etwas nachzulesen. Ich erkläre, dass die Geschichte in Rollenspielen nachgespielt und aufgeführt werden soll und die Schüler eigene Lösungen (wobei sie auf die Lösungen der letzten Stunde zurückgreifen können) schaffen sollen - mit Hilfe einer dritten Person, die Fridolin und Basti wieder zusammenbringt. Die Kinder wollen gleich Gruppen bilden, doch ich wende ein, dass wieder klassenübergreifende Dreiergruppen zusammenarbeiten sollen. Wieder klappt die eigenständige Zusammensetzung einwandfrei und rasch. Die vier Gruppen sollen sich Ecken suchen, in denen sie relativ ungestört üben können. Als Hilfestellung zum Spiel werfe ich die Folie mit der Geschichte an die Wand.

Das Einstudieren der Spiele erweist sich als schwierig. Den Schülern fällt es schwer, sich auf eine Festlegung der Rollen zu einigen. In zwei Gruppen helfe ich und teile den Schülern Rollen zu, biete aber an, diese bei Bedarf zu tauschen. Daher ist die Zeit zum Einstudieren knapp bemessen, so dass die Probe letztendlich zwanzig Minuten dauert. Auch das erneute Sammeln im Sitzkreis - den Zuschauerbänken - erfolgt zögerlich. Bei einer kurzen Reflexion stellt sich heraus, dass einige Schlichter ihre Aufgabe nicht richtig verstanden haben. Ich hätte offenbar die Rolle des neutralen Dritten eingehender erklären müssen. Dies versuche ich nachzuholen. Nun versichern die Schüler, die Aufgabe verstanden zu haben - Gewissheit wird aber erst ihr Spiel bringen. Zunächst verteile und erkläre ich die Beobachtungsbögen. Darauf sollen die Zuschauer, gruppenweise, notieren, worum es in dem Streit geht, wie Fridolin und Basti den Konflikt austragen und insbesondere, wie der Streit gelöst wird. Damit es keine Auseinandersetzungen gibt, soll jedes Gruppenmitglied bei einer Aufführung mitschreiben, so dass bei vier Gruppen mit jeweils drei Schülern und drei Darstellungen aus der Zuschauerperspektive jeder einmal schreiben darf.

Die erste Gruppe (drei Mädchen) meldet sich freiwillig, um den Anfang zu machen. Sie spielen rasch und aussagestark: Zunächst prügeln zwei Kinder, dann schreitet ein drittes Kind ein und unterbricht die Auseinandersetzung. Er fragt nach dem Auslöser für die Prügelei und schlägt vor, sich doch einfach zu vertragen und zu dritt Volleyball zu spielen. In der zweiten Gruppe schlägt der Schlichter vor, sich zu vertragen. Die dritte Gruppe befragt erst die beiden Streithälse nach den jeweiligen Motiven, um dann vorzuschlagen, die beiden sollen sich erst einmal aus dem Weg gehen. Die vierte Gruppe möchte ihre Ergebnisse nicht aufführen, da sie sich nicht auf einen gemeinsamen Lösungsweg einigen konnte. Die Schüler beobachten die Rollenspiele interessiert, besonders die Schreiber sind aufmerksam und schreiben fleißig ihre Eindrücke auf.

Die Besprechung der Ergebnisse erfolgt knapp und präzise, bevor das bekannte Spiel ,,Spiegelbild" in klassenübergreifenden Zweierpaaren die Stunde abrundet.

2.3.4.3.1.3 Reflexion

Die drei Rollenspiele haben mir gut gefallen. Die Beobachtungsbögen bieten den Schülern gute Möglichkeiten, die Darstellung zu verfolgen. Daher waren die Schüler aufmerksame und faire Zuschauer. Gut für die Kinder ist das gemeinsame Spiel. Die Schüler erleben zusammen positive Gemeinschaft und Kooperation.

Das Ziel der Stunde lag darin, den Sinn von Konfliktlösungen durch neutrale Schlichter zu erkennen. Anhand der Rollenspiele bewiesen die Schüler, die Aufgabe des Mediators verstanden zu haben. Unwahrscheinlich ist zu diesem Zeitpunkt allerdings die Einsicht der Funktionalität des Streitschlichters in eigenen Streitsituationen. Dafür sind Praxiserfahrungen mit dem Mediatorenprogramm vonnöten.

2.3.4.3.2 Stunde 8: Streitschlichterkonzept entwickeln

In der vorletzten Unterrichtsstunde sollen die Schüler dazu angeleitet werden, selber ein Konzept zu entwickeln, wie sie einen Streit schnell und ohne die Hilfe eines Erwachsenen schlichten können.

2.3.4.3.2.1 Geplanter Stundenverlauf

Als Einstieg in die Stunde wird auf dem Schulhof das Spiel ,,Spiegelbild" gespielt. Im Anschluss daran treffen sich die Schüler im Sitzkreis des Klassenzimmers: In der Mitte liegt ein Brief von Fridolin Frieden, der vorgelesen wird. Fridolin Frieden schreibt von seiner Aufgabe als professionellem Streitschlichter und schlägt vor, die Schüler zu seinen Partnern zu machen. Diese ,,Ausbildung" nimmt ihren Lauf mit dem tonlosen Zeichentrickfilm ,,Der Platz an der Sonne".243 Das Medium Film wurde gewählt, da die Kinder zum einen sehr gerne fernsehen und dieses Medium daher Interesse weckt. Zum anderen vermitteln die Bilder des Films einen Streit, der leicht verständlich, nachvollziehbar und auf Situationen in der Alltagswelt der Kinder übertragbar ist. In dem Film werden zwei Strichmännchen gezeigt, zwischen denen es zu einem Konflikt kommt.244 Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung wird der Film gestoppt. Nach einer kurzen Zusammenfassung des Inhalts sollen vier (gemischte) Kleingruppen Bearbeitungsvorschläge zur Lösung des Konflikts als Mediator entwerfen. Dies geschieht anhand der Fragestellung: Was müsstest du machen, um den Streit der beiden Männchen aus dem Film zu schlichten? Als Hilfestellung zur Bearbeitung stehen auf der Rückseite der Tafel Hinweise auf mögliche Handlungsanweisungen. Dort darf bei Bedarf ein Kind jeder Gruppe nachsehen. Die Ergebnisse werden auf Plakaten festgehalten und abschließend mittels eines Rollenspiels auf einer kleinen Bühne vorgestellt und hinsichtlich ihrer Realisierbarkeit diskutiert.

2.3.4.3.2.2 Tatsächlicher Verlauf

Das Spiel auf dem Schulhof, wo wir uns bereits gegen Ende der großen Pause treffen, verläuft chaotisch, aber die Kinder amüsieren sich prächtig. Die Spiegelpaare sind klassenübergreifend und ärgern sich gegenseitig, lachen aber auch zusammen - zu Streitereien kommt es nicht. In der Klasse geht die Unruhe weiter. Das Spiel hat die Nerven aufgerieben und kaum ein Schüler ist imstande zuzuhören. Um die quirligen Kinder zu beruhigen, singen wir in alter Tradition zunächst ,,unser" Lied, bevor der Brief von Fridolin geöffnet und von A.. vorgelesen wird. Um zu wissen, inwieweit die Kinder den doch recht langen Brief verstanden haben und um zu sehen, ob sie begreifen, dass sie als Streitschlichterkollegen von Fridolin Frieden ausgebildet werden sollen, frage ich nach, was denn jetzt wohl passieren würde: Konsens ist, dass wir einen Film gucken werden. Ich lese daraufhin den bedeutenden Abschnitt, in dem es um die Streitschlichterei geht,vor und frage noch einmal. Diesmal haben die Schüler Ideen, was Fridolin meinen könnte. ,,Wir sollen andere zum Beispiel beim Kloppen auseinander bringen."

Zunächst sehen wir den Film: Während es bisher relativ unruhig war, sind die Schüler beim Film sehr aufmerksam und ruhig. Es ist faszinierend und erschreckend, wie still sie vor dem Fernseher sitzen. Danach folgt ein reges Gespräch über den Film, das zeigt, dass die Kinder den Inhalt rasch verstanden haben.

Ich gebe Anweisungen zur klassenübergreifenden Gruppeneinteilung und zum Arbeitsauftrag. Jede Gruppe bekommt dazu ein großes Plakat, auf dem steht: Wie ein Streitschlichter den beiden Streithälsen helfen kann. Drei der vier Gruppen arbeiten konstruktiv und nutzen zunächst wenig die Hilfe an der Tafel. Eine Gruppe benötigt die Unterstützung von Carsten, der mit ihnen zusammen einige Anweisungen erarbeitet. Nach 10 Minuten beende ich die Erarbeitungsphase, da drei Gruppen Ergebnisse konzipiert haben. Im Sitzkreis gesammelt führen diese drei Gruppen ihre Vorschläge vor, die vierte Gruppe möchte ihre Ergebnisse nicht darstellen. Die Ideen sind gut und auch stufenweise logisch aufgebaut. Die drei Gruppen arbeiteten unterschiedlich: Die erste Gruppe spielt zunächst stumm den gesehenen Streit nach. Dabei sind sie sehr lebendig und haben Spaß. M. als Streitschlichter handelt erst auf mein Auffordern hin. Er ist verunsichert und wenig konsequent. Die beiden Mädchen können seinen ersten Lösungsvorschlag nicht akzeptieren, beim zweiten Vorschlag willigen die Streitenden ein.

Die zweite Gruppe spielt ebenfalls den Konflikt aus dem Film ausgiebig und mit viel Freude nach. Zur Hilfe nehmen die Mädchen eine Schreibtischunterlage, die den Platz an der Sonne symbolisieren soll. T. als Streitschlichterin wirkt eher hilflos als entschlossen - sie kann sich nicht durchsetzen, so dass es zunächst zu keiner Lösung kommt. Erst als sie genau auf ihr Plakat mit den Handlungsanweisungen schaut, verständigen sich Mediator und die Streitenden auf einen Lösungsweg.

Gruppe drei konzentriert sich auf den Prozess des Streitlösens. Der Mediator schlichtet konsequent und die Akteure vertragen sich rasch, so dass schlussendlich alle drei miteinander spielen.

Die vierte Gruppe hat offenbar den Arbeitsauftrag nicht richtig verstanden. Zunächst rätseln sie, was überhaupt zu machen ist. In Zusammenarbeit mit Carsten wird M. als Streitschlichterin gewählt, die beiden Jungen sollten die Streitenden sein.. M. hat Schwierigkeiten mit ihrer Aufgabe als Streitschlichterin. So kommt es in dieser Gruppe zu Streitereien, die nicht nachgespielt, sondern echt sind. Nur unter strenger Anleitung durch Carsten wurden einige Anweisungen notiert.

Die Schüler sind an den Rollenspielaufführungen der anderen Gruppen wenig interessiert. Sie signalisieren ihr Desinteresse durch laute Zwischenrufe, wiederholtes Aufstehen und Gespräche mit dem Nachbarn. An den Reflexionen nach den jeweiligen Rollenspielen beteiligen sie sich kaum. Daher fallen diese kurz aus, so dass Zeit bleibt, die Ergebnisse der einzelnen Gruppen am Overheadprojektor festzuhalten, um in der nächsten Stunde darauf zurückgreifen zu können.

2.3.4.3.2.3 Reflexion

Obwohl die Schüler gute Konzepte zur Handlungsanweisung für die Mediation mit den Figuren des Films erstellt und das Ziel der Stunde erreicht wurde, habe ich die Stunde als sehr anstrengend und wenig strukturiert empfunden. Die Gruppenarbeit ist also nicht ausschließlich positiv zu bewerten. In drei Gruppen hatten die Kinder Spaß am Nachspielen des Streits und am Darstellen der Mediation - die vierte Gruppe ist durch die Gruppenarbeit lustlos und unmotiviert geworden. Sie haben wenig Interesse und Begeisterung - vor allem an den Rollenspielen - gezeigt. Hier war eine Sperre hinsichtlich mediativer Konfliktlösungen zu beobachten. Vielleicht war die Aneinanderreihung zweier Konzentrationsphasen zu anstrengend.

Abschließend kann trotz der Schwierigkeiten geschlussfolgert werden, dass es den Schülern gelungen ist, ein Konzept für ein Mediationsgespräch mit zwei fiktiven Figuren zu entwickeln, das bearbeitet auf reale Situationen übertragbar sein kann.

2.3.4.3.3 Stunde 9: Streitschlichter im Namen Fridolin Friedens

Das Ziel der neunten und letzten Stunde der Unterrichtsreihe ist es, die Handlungsanweisungen zur konstruktiven Konfliktbewältigung durch Streitschlichter zu konkretisieren. Die Schüler sollen sich abschließend der Möglichkeit bewusst sein, einen Streit innerhalb der Religionsgruppe zu unterbrechen, um einen dritten, neutralen Mitschüler rufen zu können, der bei der Schlichtung des Konfliktes helfen kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Schüler innerhalb einer neunstündigen Kennenlernphase einer derartigen Methode nicht imstande sein können, derartige Handlungsanweisungen selbstverständlich anzuwenden. Dazu bedarf es einer längeren Gewöhnungsphase, die nach der Unterrichtsreihe im Religionsunterricht fortgesetzt werden wird.

2.3.4.3.3.1 Geplanter Stundenverlauf

Das Lied ,,Unsere Hände sollen eine starke Brücke sein" eröffnet die letzte Unterrichtsstunde. Es unterstreicht zum Abschluss der Reihe den Zusammenhalt innerhalb der Gemeinschaft. Anhand der zusammengefassten Handlungsanweisungen für Streitschlichter soll nun im Plenum ein konkretes kurzschrittiges Konzept für die Schüler zusammengestellt werden. Dazu gibt es Kärtchen, auf denen jeweils eine in der letzten Stunde erarbeitete Handlungsanweisung festgehalten ist. Diese liegen im Sitzkreis auf dem Boden. Zunächst wird festgelegt, welche Handlungsanweisungen sich überschneiden, so dass lediglich einige wenige Kärtchen bleiben. In Kooperation aller zwölf Schüler soll dann festgelegt werden, in welcher Reihenfolge die Handlungsanweisungen sinnvoll sind. Diese festgelegte Reihenfolge wird auf ein Plakat geklebt, um für die Zukunft ein Leitfaden für die Streitschlichtung innerhalb der Religionsgruppe zu sein. Anschließend bekommt die Gruppe ein Paket, in dem für jedes Kind ein Ansteckbutton mit dem Motiv Fridolin Frieden und der Aufschrift ,,Streitschlichter - Fridolin Frieden" ist. Diese Anstecknadel soll das Ende der Einführung in den Prozess des prosozialen Konflikthandelns kennzeichnen. Die Kinder sollen dadurch erkennen, dass sie von nun an die Möglichkeit haben, intern Konflikte innerhalb der Gruppe zu lösen. Abgeschlossen werden soll die Unterrichtstunde und Reihe mit einer Blitzlichtrunde über den individuellen Lernerfolg. Die Ganztagskinder kennen derartige Reflexionen, so dass diese den Vormittagskinder zeigen können, in welcher Art Statements gegeben werden können.

2.3.4.3.3.2 Tatsächlicher Verlauf

Nach dem gemeinsamen Singen und einer kurzen Erinnerung an die letzte Stunde lege ich die Kärtchen mit den Handlungsanweisungen für Streitschlichter in die Mitte. Die Schüler sind neugierig und lesen einige Minuten. Ich bitte gleiche oder ähnliche Kärtchen zusammenzulegen. Bereits bei dieser Handlungsanweisung bricht der erste Konflikt aus. Die Schüler können sich nicht einigen, wer die Kärtchen nehmen und legen darf. Daher geschieht dies jetzt der Reihe nach. Es bleiben fünf Anweisungen, die die Schüler nun sortieren sollen. Ich bin sehr gespannt und skeptisch, ob und wie diese Kooperation zwischen zwölf so unterschiedlichen und eigensinnigen Kindern funktioniert. Um nicht einzugreifen, ziehe ich mich aus dem Kreis zurück und beobachte. Die Absprachen zwischen den Schülern sind rau, aber funktional. M. und J. stellen sich als Wortführer heraus - A. und N. sitzen am Rand und beteiligen sich nicht. Bei der Arbeit ist es laut; es wird fast ausschließlich über die Karten gesprochen. Die Gespräche sind zum Teil richtige Fachsimpelei. ,,Der Streitschlichter kann erst dann schlichten, wenn er beide Meinungen eingeholt hat." Als die Schüler sich mehr schlecht als recht auf eine Reihenfolge geeinigt haben, rufen sie mich. Das Resultat ist logisch aufgebaut: Der Streitschlichter befragt zunächst beide/alle Streitenden nacheinander was passiert ist, dann fragt er jede Konfliktpartei nach Lösungsvorschlägen, schlägt selber einen Mittelweg daraus vor und fragt nach dem Einverständnis der Streitenden. Sind diese nicht einverstanden, muss ein neuer Termin für ein Gespräch vereinbart werden. Das Resultat ist in Ordnung und auch praktikabel. So kleben wir die Karten in richtiger Reihenfolge auf ein Plakat und hängen dies an unsere Pinnwand. Im Sitzkreis verteile ich zum Abschluss die Ansteckbuttons - Orden als Streitschlichter. Die meisten freuen sich über die Nadeln. Mit dem Orden als Streitschlichter und Fridolin Frieden an der Brust und der Gewissheit, dass nur noch wenige Minuten Zeit sind, können einige Schüler sich noch sammeln, um eine reflektierende Bewertung über den eigenen Lernerfolg abzugeben:

M.: Ich fand es gut, weil ich gelernt habe, wie ich anderen helfen kann.

Na.: Ich finde streiten gut, weil ich mir nicht alles gefallen lasse aber ich weiß wie ich aufhören kann.

T.: Ich fand gut, dass ich gelernt habe wie ich, wenn welche streiten, helfen kann.

A.: Jetzt können wir ja, wenn wir streiten, selber das lösen, wenn wir zum Beispiel einfach J. dazuholen, dass der helfen soll. Dann muss man nicht mehr gleich bei den Erwachsenen petzen.

2.3.4.3.3.3 Reflexion

Die Stunde ist gut verlaufen. Obwohl die Schüler unruhig und teilweise wenig konzentriert waren, ist es ihnen gelungen, in Zusammenarbeit fast aller Gruppenmitglieder kooperativ und kommunikativ für die Gemeinschaft zu arbeiten. Das Zusammenstellen des Konzeptes erwies sich dabei als überaus positiv, so dass ein Endprodukt - der Leitfaden zur gruppeninternen Mediation entstanden ist.

Die Stunde hat ihr Ziel erreicht. Die Schüler haben eigenständig in Kooperation ein fünfschrittiges Konzept entwickelt, anhand dessen eine neutrale dritte Person in der Lage sein kann, Konflikte anderer zu lösen.

2.4 Auswertung der Unterrichtsreihe

Die Auswertung der unterschiedlichen Erfahrungen und Ergebnisse, die die Schüler während der neunstündigen Unterrichtsreihe über prosoziales Konflikthandeln gemacht haben, lassen sich wie folgt zusammenfassen.

Das beschriebene Sozialverhalten, das die Schüler vor Beginn der intensiven Beschäftigung mit dem Gruppen- und Konfliktphänomen gezeigt haben, hat sich während der vier Wochen verändert. Während die Gruppensituation anfangs als nicht effektiv bezeichnet worden ist und durch fehlende Gemeinschaftsfähigkeit untereinander, durch mangelnde Kommunikation und Empathie sowie durch Kooperationsunfähigkeit geprägt war, sind während und nach der Unterrichtsreihe Veränderungen im Sozialverhalten zu beobachten.

Ein Nachweis dafür ist die neue Sitzordnung, die nach der Unterrichtsreihe in der Religionsgruppe eingeführt worden ist. Jede Stunde dürfen die Schüler sich einen neuen Platz an den vier Gruppentischen im Klassenraum suchen. Zu beachten ist dabei jedoch, klassenübergreifende Tische zu bilden. Die Sitzordnung ist in Absprache zwischen dem Religionslehrer und den zwölf Schülern entstanden, um an die verbesserte Gemeinschaftsfähigkeit, Kommunikation und Kooperation anzuknüpfen. Die Schüler halten sich an die Sitzordnung und akzeptieren das Konzept und ihre regelmäßig wechselnden Tischnachbarn. Das Gelingen der neuen Sitzordnung ist ein Indikator für die Veränderungen in drei Bereichen des Sozialverhaltens.

- Durch die Unterrichtsreihe sind die Schüler der Religionsgruppe gemeinschaftsfähiger geworden. Zum einen können sie innerhalb ihrer Gruppe jedes Mitglied so akzeptieren, dass sie bereit sind, mit ihm in Kontakt zu treten. Zum anderen haben die Kinder ihr Gemeinschaftsbewusstsein gezeigt, indem sie sich als eine Gruppe zeigen wollen. Sie haben ein selbst entworfenes Gruppenzeichen an der Tür ihres Religionsraum angebracht, um sich nach außen als Gruppe zu bezeichnen und zu zeigen.
- Durch die Unterrichtsreihe sind die Schüler der Religionsgruppe kooperationsfähiger geworden. Sie haben ihre Kooperationsfähigkeit bereits in der ersten Unterrichtsstunde über prosoziales Konflikthandeln unter Beweis gestellt, indem sie gemeinsam eine Aufgabe (das Puzzle) gelöst haben. Durch Aufdecken, Erkennen und Thematisieren dieser Kooperation haben die Schüler schließlich die Bereitschaft entwickelt nicht nur zusammen in klassenübergreifenden Zweier- oder Kleingruppen zu arbeiten, sondern auch zu kommunizieren.
- Durch die Unterrichtsreihe sind die Schüler der Religionsgruppe kommunikationsfähiger geworden: Sie haben durch das Entwickeln von Rollenspielen, das Lösen kooperativer Aufgaben sowie durch das Miteinander vor und nach den Unterrichtsstunde gezeigt, dass sie miteinander kommunizieren wollen und können.
- Durch die Unterrichtsreihe hat sich die Empathiefähigkeit untereinander verändert: Während der Unterrichtsreihe gab es keine Vorkommnisse, die von Empathieunfähigkeit zeugten, wie dies im Vorfeld der Fall war.245 Durch die wachsende Bereitschaft und Fähigkeit, miteinander zu kooperieren und kommunizieren und durch das Zusammenwachsen zu einer Gemeinschaft ist die Toleranz untereinander gewachsen.

Während der Unterrichtsreihe hat sich das eingangs beschriebene Konfliktverhalten246 innerhalb der Gruppe verändert. Zwar bestanden auch nach der Unterrichtsreihe noch Konflikte zwischen Schülern der Vormittags- und der Ganztagsklasse, jedoch waren diese nicht länger Streitereien verursacht durch Kleinigkeiten, sondern Konflikte über die Vorgehensweise zur Lösung von Aufgaben. Der Stimulus für Auseinandersetzungen war nicht länger fehlende Empathie, sondern es waren verschiedene Auffassungen über Kooperationswege zu beobachten. Irrelevant erscheinende Stimuli spielten im Umgang miteinander keine relevante Rolle mehr.

Durch die verbesserte Gemeinschafts-, Kooperations-, Kommunikations- und Empathiefähigkeit ist eine Basis für ein gruppeninternes Vertrauensverhältnis entstanden, auf der ein Konzept zum prosozialen Konflikthandeln entwickelt worden ist. Die Schüler haben selbständig Handlungsanweisungen entwickelt, wie sie in Zukunft gruppeninterne Konflikte behandeln und lösen können. Die Kinder haben also den Auftrag Fridolin Friedens, als Streitschlichter zu wirken, erfüllt. Somit bezeugt eine zukünftige Anwendung der Handlungsanweisungen das Vertrauen auf die Fantasiefigur Fridolin Frieden und damit Vertrauen auf die göttliche force vitale, die durch Fridolin personifiziert worden ist.

Somit ist das Lernziel der Unterrichtsreihe, ein gruppenspezifisches Konzept zu entwickeln, das den Schülern in den Religionsstunden die Möglichkeit zum friedlichen und prosozialen Miteinander bietet, zunächst erreicht worden.

Nicht erwartet werden konnte, dass die Schüler, ohne Praxiserfahrungen hinsichtlich der Handlungsanweisungen für Konfliktsituationen zu haben, sofort nach Abschluss der Unterrichtsreihe auf das Konzept vertrauen und es selbstständig anwenden können. Daher bedurfte es in den folgenden Stunden in Konfliktsituationen der Erinnerung des Lehrers und wiederholter Rollenspiele, bis zwei Schüler nach vier Wochen das erste Mal selbständig in einer Konfliktsituation einen neutralen Dritten als Schlichter zu Rate riefen. Die Routine im Prozess des Konflikthandelns hatte sich durch die Unterrichtsreihe folglich noch nicht eingestellt. Dazu bedarf es des Aufgreifens prosozialer Konflikthandlungsprozesse und deren Grundlagen in weiteren Religionsstunden und anderen Fächern. Wird diese Notwendigkeit erfüllt, bin ich zuversichtlich, dass die sich positiv geänderte Situation innerhalb der Religionsgruppe bestehen bleibt und dass die Schüler nach einer gewissen ,,Einübungsphase" selbständig mit Konflikten umgehen können.

Die Unterrichtsreihe kann abschließend positiv bewertet werden. Gemeinschaftssinn, Kooperation und Kommunikation sowie das Empathieverhalten haben sich in der Klasse gut entwickelt. Das Konfliktverhalten hat sich somit verändert. Zukünftig entstehende Konflikte können mit Hilfe des selbsterstellten Konzeptes bearbeitet werden.

3. Schlussbetrachtung

Hingezielt hat diese Arbeit auf die Darstellung von Notwenigkeit und Wegen des prosozialen Konflikthandelns im Religionsunterricht.

Die vorangegangen Ausführungen haben aufgezeigt, dass prosoziales Konflikthandeln das bewusst zielorientierte Bearbeiten von zwischenmenschlichen Störungen ist, das darauf abzielt, diese als Chance zur Besserung der gegebenen Situation nutzen zu können. Der Bedarf an alternativen Konfliktlösestrategien besteht für jedes Individuum zu jeder Zeit. Denn Konflikte treten auf, sobald Lebewesen aufeinandertreffen. Sie liegen in der Natur des Menschen. Beachtenswert ist, dass das prosoziale Handeln ebenso in der Natur des Menschen liegt. Daher ist der Mensch in der Lage, Konflikte zu überwinden und sich zu Nutzen zu machen.

Der Konfliktverlauf ist dreigeteilt: Ausgelöst durch einen Stimulus gipfelt die Auseinandersetzung im weiteren Verlauf mit einer Eskalation. Die Gewaltbereitschaft ist dann besonders hoch, gleichermaßen sind die Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt. Schließlich kommt es zum Lösungsprozess, der den Konflikt abschließen kann, oder aber einem Waffenstillstand gleichkommt, so dass durch einen erneuten Stimulus der Verlauf wieder beginnt. Relevant ist, dass der Konfliktverlauf in jeder der drei Phasen durch eine (vorzeitige) Lösungsfindung abgeschlossen werden kann. Den Weg zur Konfliktlösung ebnet die beziehungsstiftende force vitale. Durch das bewusste Zurücknehmen eines Agierenden in der Konfliktsituation entsteht Raum für das Wirken der göttlichen dritten Macht, so dass es zu einem prosozialen Konfliktbehandlungsprozess kommen kann. Dieser sollte im Zuge der konstruktiven Konfliktlösung aus einer Konfliktanalyse und der Konfliktbehandlungsstrategie bestehen.

Beispielhaft für Konfliktlösungen im Vertrauen auf Gottes Wirken sind biblische Textstellen. Dort wird belegt, wie elementar das Vertrauen auf Gott als friedenstiftende Macht sein kann. Die prosozial ausgerichtete Botschaft Jesu der Nächsten- und Feindesliebe konkretisiert den Schalombegriff des AT, so dass schlussgefolgert werden kann, dass prosoziales Konflikthandelns ein Akt der Nächsten- bzw. Feindesliebe ist.

Das Konfliktpotential an Schulen ist enorm. Klassen- und Schulgemeinschaften sind unfreiwillige Gruppen in denen Auseinandersetzung auf der Tagesordnung stehen. Gewalt, verbaler oder physischer Art, Machtmissbrauch, Strafen und Drohgebärden sind nicht selten die von Schülern und Lehrern gewählten Antworten auf Konfliktsituationen, da Handlungsalternativen fehlen. Diese Formen des Konfliktverhaltens sind unzulänglich. Sie provozieren neue Konflikte, beeinflussen das Klassen- und Schulklima negativ, wirken sich nachteilig auf den Lehr-, Lernprozess aus und enden schlimmstenfalls in einer Schule, wie der dreizehnjährige Tobias sie eingangs beschrieben hat - als ein Gewalthaus, das kein Ort für ,,wirkliche" Kinder ist.247

Die Vermittlung neuer Formen zur Konfliktbehandlung in der Schule als Spiegelbild der Gesellschaft ist infolgedessen erforderlich. Die in den Richtlinien formulierte Aufgabe des Religionsunterrichts, den Schülern ein ,,Angebot von Bewältigungsmustern des Lebens"248 zu bieten sowie die existentiellen Probleme der Kinder zu thematisieren, entspricht der genannten Forderung. Somit muss sich die Schule im allgemeinen und der Religionsunterricht im besonderen gemäß dem Prinzip des Erziehenden Unterrichts mit der Vermittlung neuer Formen der Sozial- bzw. Konflikterziehung auseinandersetzen.

Umsetzungen des prosozialen Konflikthandelns im Religionsunterricht können in Form von Unterrichtseinheiten oder Projekten, aber auch parallel zu anderen Unterrichtsinhalten durch sozial-förderliche Unterrichtsformen und Elemente geschehen. Hinzielen müssen diese auf die Verbesserung der Gemeinschafts-, Kommunikations-, Kooperations- und Empathiefähigkeit sowie auf ein positives Selbstwertgefühl der Schüler. Diese fünf Elemente bilden die Grundsäulen des prosozialen Konflikthandelns - sie stellen den Prozess von unzulänglichen Formen des Konfliktverhaltens zum prosozialen Konflikthandeln dar.

Die Durchführung einer Unterrichtsreihe über prosoziales Konflikthandeln in einer vierten Klasse hat die theoretischen Ausführungen belegt. Während die Schüler sich über vier Wochen mit dem Gemeinschafts- und Konfliktphänomen auseinandergesetzt und eine Stärkung in ihren Fähigkeiten der Grundsäulen des prosozialen Konflikthandelns erfahren haben, ist es den Kindern gelungen, selbständig ein prosoziales Konzept zur Schlichtung von Konflikten zu verfassen.

Inwiefern sich das Konfliktverhalten der Schüler langfristig verändert hat und in welcher Weise tatsächliche Veränderungen im Sozialverhalten der Schüler erzielt worden sind, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht geklärt werden. Jedoch sind während und in den Wochen nach der Unterrichtsreihe Veränderungen im Sozialverhalten der Schüler beobachtet worden. Gemeinschaftssinn, Kooperation und Kommunikation sowie das Empathieverhalten haben sich verbessert, und das Konfliktverhalten hat sich verändert. Infolgedessen hatten die Schüler nach der Unterrichtsreihe die Möglichkeit und Fähigkeit Konflikte intern anhand des selbstentwickelten Konzeptes zur Streitschlichtung zu lösen. Die Umsetzung bedarf jedoch einer langfristigen Erprobungs- und Gewöhnungsphase, in der die Mädchen und Jungen durch positive Erfahrungen Vertrauen in ihren Weg des prosozialen Konflikthandelns entwickeln müssen.

Die Ausführungen haben mir gezeigt, dass der Religionsunterricht einen furchtbaren Beitrag für die Hinführung zu prosozialen Konfliktprozessen leisten und den schwierigen Weg für den Prozess zu einer gewaltfreien Schule als ,,Ort für wirkliche Kinder"249 ebnen kann. Jedoch, darf der Religionsunterricht nicht isoliert an dem Konfliktverhalten der Schüler arbeiten, sondern das gesamte Schulleben muss auf ein prosoziales Zusammenleben und - lernen ausgerichtet sein, um Schüler und auch Lehrer zu prosozial denkenden und handelnden Konfliktpartnern erziehen zu können. Halbfaß fordert: ,,Was immer der Religionsunterricht thematisiert - die Beziehung zu sich selbst und zu anderen, die Suche nach Sinnerfüllung und nach Glück - die erste und grundlegende Beglaubigung all dieser Bezüge geschieht im Schulleben selbst."250

[...]


1 Marlie, Tobias: Die Schule der Zukunft? In: Rusch, Regina (Hrsg.): Gewalt. Kinder schreiben über Erlebnisse, Ängste, Auswege, München 1994, S. 154 f.

2 Vgl. Kultusministerium des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Richtlinien und Lehrpläne für die Grundschule in Nordrhein-Westfalen. Katholische Religionslehre, Düsseldorf 1992, S. 12 f.

3 Vgl. Spiegel, Egon: Friedenserziehung. In: Rickers, Folkert; Mette, Norbert (Hrsg.): Lexikon der Religionspädagogik. Im Druck, Manuskript, S. 1 und 4.

4 Vgl. Faller, Kurt: Mediation in der pädagogischen Arbeit. Ein Handbuch für Kindergarten, Schule und Jugendarbeit, Mühlheim an der Ruhe 1998, S. 6.

5 Richtlinien, S. 21.

6 Vgl. Spiegel: Friedenserziehung, Manuskript S. 2.

7 Marlie, Tobias, S. 155.

8 Vgl. Spiegel, S. 380.

9 Spiegel, Egon: In Beziehungen Gott erfahren und Gott vertrauen. Grundlagen einer Religionspädagogik der Beziehung, Habilitationsschrift, Münster 1997, S. 377 f.

10 Schaller, Klaus: Einführung in die kommunikative Pädagogik, Freiburg im Breisgau 1978, S. 195

11 Weitere und präzise Ausführungen über das Handeln sind zu finden bei: Büschges, Günther; Abraham, Martin; Funk, Walter: Grundzüge der Soziologie, München, Wien, 1995, S. 25ff, S. 103f. und Homans, Georg Casper: Elementarformen sozialen Verhaltens, Köln und Opladen 1968.

12 Um zwischen den vielfältigen Konflikten und den von verschiedenen Seiten angebotenen, teils widersprüchlichen Handlungsanweisungen konstruktiv differenzieren zu können, unterscheidet die Konfliktforschung fünf generelle Konflikttypen. Walter Moore hat eine Typologie von Konflikten entwickelt, die hilfreich für die Untersuchung verschiedener Konflikte, ihrer Auslöser und Interventionsmöglichkeiten sein kann. Er unterscheidet zwischen Sachverhaltskonflikten, Interessenkonflikten, Beziehungskonflikten, Wertekonflikten und Strukturkonflikten. Vgl. dazu Moore, Christopher W.: The Mediation Process, San Francisco 1986, S. 12-56.

13 Vgl. Faller, S. 12 f.

14 Glasl, Friedrich: Konfliktmanagement. Ein Handbuch für Führungskräfte und Berater, Stuttgart 1994, S. 14. Weitere Definitionen und Ausführungen über Konflikte finden sich bei: Gordon, Thomas: Lehrer-Schüler-Konferenz. Wie man Konflikte in der Schule löst, Hamburg 19773, S. 152; Becker, Georg E.: Lehrer lösen Konflikte. Ein Studien- und Übungsbuch, Weinheim und Basel 19832, S. 19.

15 Faller, S. 13.

16 Vgl. Der kleine Duden. Fremdwörterbuch, Mannheim; Wien; Zürich 19913, S. 337.

17 Schaller, Hans: Wenn Vergeben schwer fällt, Mainz 1999, S. 11.

18 Ebd., S. 11.

19 Vgl. dazu auch Sander, Beate; Sander, Uwe: Schwierige Schüler - Schwierige Lehrer? Neue Wege des Konfliktmanagements im Schulalltag, Darmstadt 1997, S. 19 - 21.

20 Genauere Ausführungen dazu unter der biologischen Betrachtung von Konflikten · 1.2.1.

21 Sander, S. 15.

22 Vgl. ebd., S. 16.

23 In einigen europäischen Ländern wie der Schweiz, England oder Irland ist die Übernahme von Verantwortung für sich und andere ein offizielles pädagogisches Ziel des Lehrplans. Vgl. Walker, Jamie: Gewalt und Konfliktlösungen in Schulen. Eine Studie, Berlin 1989, S. 25.

24 Weber, Max: Soziologische Grundbegriffe. In: Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft, Grundriss der verstehenden Soziologie, Tübingen 19725, 1-30, S. 1.

25 Friedelmeier, Wolfgang: Entwicklung von Empathie, Selbstkonzept und prosozialem Handeln in der Kindheit, Konstanz 1993, S. 12.

26 Dawkins, Richard: Das egoistische Gen, Berlin; Heidelberg; New York 1978, S. 92.

27 Vgl. Eigel-Eibesfeldt, I.: Die Biologie des menschlichen Verhaltens. Grundriss der Humanethologie, München 1984, S. 24-32.

28 Herbing, Jost: Im Anfang war das Wort. Die Evolution des Menschlichen, München; Wien, 1984, S. 18.

29 Kropotkin, Peter: Gegenseitige Hilfe in der Tier- und Menschenwelt, Leipzig 1910, S. 71.

30 Kattmann, Ulrich: Sind Menschen von Natur aus zum Frieden fähig? In: Calließ, Jörg; Lob, Reinhold, E. (Hrsg.): Handbuch Praxis der Umwelt und Friedenserziehung. Band 3: Friedenserziehung, S. 7-14, S. 8.

31 Vgl. Kropotkin, S. 5. In diesem Zusammenhang gibt es auch die Theorie der Notwendigkeit der Aggression durch Konkurrenz um Lebensbedingungen. Vgl. dazu Wilson E. O.: Biologie als Schicksal. Die soziobiologischen Grundlagen des menschlichen Verhaltens, Frankfurt a. M. 1980, S. 90; Meyer, P.: Evolution und Gewalt. Ansätze zu einer biosoziologischen Synthese, Hamburg 1981, S. 28 ff, S. 38 ff.

32 Kattmann, S. 8.

33 Ebd., S. 8.

34 Vgl. Kropotkin, S. 5.

35 Kropotkin, S. 41.

36 Vgl. ebd. S. 41.

37 Siehe dazu die Ausführungen über strukturelle Gewalt · 1.5.4.1.2.

38 Vgl. Gawlick, Günther (Hrsg.): Hobbes, Thomas: Vom Menschen - vom Bürger, Hamburg, 1959, S. 54.

39 Vgl. Mayer, Jakob-Peter; Diesselhorst, Malte: Hobbes, Thomas: Leviathan, Stuttgart 1980.

40 Vgl. Locke, John: Essays on the law of nature, Oxford 1954.

41 Vgl. Vossier, Otto: Rousseaus Freiheitslehre, Göttingen 1963.

42 Peschanel, Frank D.: Phänomen Konflikt. Die Kunst erfolgreicher Lösungsstrategien, Paderborn 1993, S. 17.

43 Vgl. dazu Peschanel, S. 17.

44 Vgl. die Definition von Glasl · 1.1.2

45 Dann beginnt das Schema aus Abb. 1 von vorn, bis es durch eine Lösungsfindung unterbrochen wird.

46 Erwachsenen-Konflikte weisen Parallelen zu denen der Kinder auf, lassen sich allerdings genauer in fünf Konflikttypen einordnen, die Walter Moore unterscheidet. Er definiert den Sachverhalts-Konflikt, den Interessen-Konflikt, den Beziehungskonflikt, den Werte-Konflikt und den Struktur-Konflikt. Vgl. dazu Moore, Christopher, W.: The Mediation Process, San Francisco 1986, S. 27 ff. Vgl. auch: Deutsches Jugendinstitut (Hrsg.): Familienalltag. Ein Report des Deutschen Jugendinstituts, Reinbek 1989; Honig, M.: Verhäuslichte Gewalt. Frankfurt am Main 1986; Galtung, J.: Strukturelle Gewalt. Beiträge zur Friedens- und Konfliktforschung. Reinbek bei Hamburg 1975.Galtung, J.: Strukturelle Gewalt. Beiträge zur Friedens- und Konfliktforschung, Reinbek bei Hamburg 1975; Gugel, Günther; Jäger, Uli: Gewalt muss nicht sein. Eine Einführung in friedenspädagogisches Denken und Handeln, Tübingen 1994.

47 Interessant ist auch die Betrachtung von Erwachsenen-Kinder-Konflikten. Diese können an vielen verschiedenen Orten in der Welt des Kindes passieren. Denkbar sind Situationen in der Schule (Lehrer-Schüler-Konflikte) sowie zu Hause (Eltern-Kinder-Konflikte). Auslöser für derartige Auseinandersetzungen sind häufig Situationen, in denen das Verhalten des Kindes nicht den Erwartungen des Erwachsenen entspricht. Diese können auf der Ebene der Lehrer- Schüler-Konflikte Leistungs- und Verhaltensdefizite sein. Auf das Phänomen der Lehrer- Schüler-Konflikte werde ich in dem Kapitel 1.5.3.2 eingehen. Eltern-Kinder-Konflikte entstehen durch: ·Ungleiche Interessen: Diese sind verursacht durch angenommene oder tatsächliche Konkurrenz von inhaltlichen Interessen, von Verfahrensinteressen oder von psychologischen Interessen. Dabei handelt es sich um einen Interessen-Konflikt. Als Beispiel kann die ungleiche Auffassung über die Freizeitnutzung von Kindern stehen: Der Sohn möchte Skateboard fahren, die Eltern dagegen, dass er zur Messdienerstunde geht. ·Informationsdefizite: Diese können unterschiedliche Einschätzungen darüber, was wichtig ist oder unterschiedliche Vorgehensweisen zur Bewertung auslösen. Hierbei spricht Faller von einem Sachverhalts-Konflikt. Beispielsweise fehlt Eltern oft das Verständnis für die regelmäßig wechselnde Sammelleidenschaft ihrer Kinder, mit der diese soziale Anerkennung anstreben. ·Mangelnde oder gar fehlende Kommunikation: Diese hängt mit wiederholt negatives Verhalten einer Partei gegenüber der anderen zusammen und führt in Eltern-Kinder- Situationen oft zu Konflikten, welche als Beziehungs-Konflikte eingestuft werden. So kommt es in einer Familie nach dem Zuspätkommen der Tochter zu einer verbalen Auseinandersetzung, woraufhin Eltern und Tochter nicht mehr miteinander sprechen. ·Verschiedene Wertvorstellungen, wie Einstellungen zu Lebensformen, Ideologien oder Religion: Ist dies der Fall, entsteht ein Werte-Konflikt. Als klassisches Beispiel kann dabei das mangelnde Interesse von Jugendlichen am sonntäglichen Kirchgang dienen, während den Eltern dieser außerordentlich wichtig ist. Das von Natur aus gegebene ·Ungleichgewicht der Autorität und Machtverhältnisse zwischen Kind und Eltern: Die natürliche Überordnung der Eltern über ihre Kinder verursacht nicht selten Struktur-Konflikte. Zum Beispiel ist der heranwachsende Sohn davon überzeugt, alleine in den Urlaub fahren zu können. Die Eltern sorgen sich aber und verbieten dies. Das Konfliktpotential in der Eltern- Kinder - Beziehung ist demzufolge enorm. Die Auslösemomente für Konflikte untereinander sind aber nicht kongruent. Eltern ärgern sich über andere Dinge als Kinder dies tun, im Mittelpunkt steht in der Regel allerdings die differenzierte Auffassung über den Individualisierungsprozess des Kindes. Vgl. Faller, S. 26; Moore, Christoph W.: The Mediation Process, San Francisco 1986, S. 27 ff.

48 Vgl.: Müller-Fohrbrodt, Gisela: Konflikte konstruktiv bearbeiten lernen. Zielsetzungen und Methodenvorschläge. Opladen 1999, S. 17.

49 Müller-Fohrbrodt betont, dass dies vor allem in frühen Phasen der Konfliktentwicklung häufig der Fall ist. Denn dann ist eine der Parteien meist sehr sicher, ihre Verhaltensweisen o.ä. durchsetzen zu können. Vgl. dazu ebd., S. 17.

50 Vgl. ebd., S. 17 f.

51 Vgl. dazu die Ausführungen über den Handlungsbedarf für prosoziales Konflikthandeln in der praktischen Umsetzung. · 2.2.

52 Vgl. Walker, Jamie: Gewaltfreier Umgang mit Konflikten in der Grundschule. Grundlagen und didaktisches Konzept. Spiele und Übungen für die Klassen 1-4. Frankfurt a. M. 20005, S. 11. Vgl. hierzu auch die Ausführungen über Gewalt in der Schule · 1.4.4.

53 Diese Beispiele entstammen meinen Beobachtungen in einer 4. Klasse der Gemeinschaftsgrundschule Berg Fidel in Münster.

54 Walker, S. 101.

55 Vgl. Walker, Jamie: Gewaltfreie Konfliktaustragung lernen - aber wie? Erfahrungen an einer Grundschule in Berlin-Kreuzberg. In: Spreiter, Michael (Hrsg.): Waffenstillstand im Klassenzimmer. Vorschläge, Hilfestellungen, Präventionen. Weinheim und Basel, 1993, S. 213.

56 Vgl. Walker: Gewaltfreie Konfliktaustragung, S. 213. Ausführliche Erläuterungen über die Bedeutung von Rangordnungen und Gruppenzugehörigkeit für Konflikte zwischen Mädchen in: Besag, Valerie E.: Bullies and Victims in Schools, Philadelphia 1989, S. 15 ff.

57 Ebd., S. 214.

58 Ebd., S. 214.

59 Diese Belästigungen sind, auch bereits in der Grundschule, nicht selten sexueller Art. Jungen heben die Röcke der Mädchen hoch oder fassen sie, trotz Protesten von Seiten der Mädchen und Lehrer, an. Bereits in der Grundschule stehen sexuelle Ausdrücke auf der Tagesordnung und Jungen holen sich offensichtlich durch sexuelle Übergriffe vermeintliche Bestätigung ihrer männlichen Dominanz. Mädchen wehren sich in der Regel kaum. Derartige Angriffe von Jungen können auch Ausdruck für Sympathie sein. Vgl. dazu ebd., S. 215 f.; Barz; Monika: Körperliche Gewalt gegen Mädchen. In: Enders-Dragässer, Uta; Fuchs, Claudia (Hrsg.): Frauensache Schule, Frankfurt a. M. 1990, S. 92 ff; Spender; Dale: Frauen kommen nicht vor. Frankfurt a. M. 1984, S. 89 ff.

60 Lösungsmöglichkeiten von Konflikten · 1.3.3.

61 siehe 1.3.

62 siehe 1.3.

63 Peschanel, Frank D.: Phänomen Konflikt. Die Kunst erfolgreicher Lösungsstrategien, Paderborn 1993, S. 59.

64 Peschanel, S. 67.

65 Müller-Fohrbrodt, S. 19.

66 Moltmann, J.: Angstpolitik ist eigensüchtig. In: Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt 5 (1981), S. 2.

67 Vgl. Peschanel, S. 21.

68 Moltmann, S. 80.

69 Vgl. Peschanel, S. 54.

70 Vgl. dazu die Bedeutung dieser Fähigkeiten für das prosoziale Konflikthandeln · 1.5.7.

71 Vgl. Sander, S. 19-21.

72 Vgl. dazu die Ausführungen über Mediationsprogramme · 1.5.8.1.

73 Vgl. Glasl, S. 216.

74 Faller, S. 24.

75 siehe 1.3.

76 Ebd., S. 19.

77 Ebd., S. 12.

78 Werner Hinzpeter: Harte Jungs, weiche Seele. In: Stern 24 (2000), S. 56.

79 Die sozialmoralische Entwicklung von Kindern ist in sechs Stufen eingeteilt:

Vormoralische Ebene:

1. Kleinstkinder orientieren sich an Bestrafung und Gehorsam. Die Regeln des Zusammenlebens sind noch nicht, oder nur spärlich verinnerlicht. Konfliktverhalten orientiert sich an Strafe und Zuwendung, an den Sanktionen einer Autorität.
2. Instrumentelle Orientierung: Positives Sozialverhalten als Mittel zum Zweck. Kinder handeln als Mittel zum Zweck von Belohnung, Befriedigung, Annerkennung und Vorteilen. Konventionelle Ebene:
3. Guter Junge - liebes Mädchen. Handeln orientiert sich an dem Interesse anderer Personen, mit denen man sich identifiziert.
4. Gesetz und Ordnung. Positives Sozialverhalten erfolgt aus Einsicht von Gesetzen und Regeln. Postkonventionelle Ebene
5. Sozialverträgliche Orientierung: Soziale Verhaltensweisen sind wichtig, aber revidierbar. rientierung an universellen ethischen Prinzipien. Die Richtigkeit eines Sozial- und Konfliktverhaltens wird über das persönliche Gewissen in Übereinstimmung mit selbst gewählten ethischen Grundsätzen definiert.
6. Orientierung an universellen ethischen Prinzipien: Das persönliche Gewissen definiert das Sozialverhalten - ethische Grundsätze sind selbst gewählt. Vgl. dazu Kohlberg, Lawrence: Die Psychologie der Moralentwicklung. Frankfurt a. M. 1996; Keller, Gustav; Hafner, Karlo: Soziales Lernen will gelernt sein. Lehrer fördern Sozialverhalten, Donauwörth 1999, S. 18 ff.

80 Vgl. Walker: Gewaltfreier Umgang, S. 18.

81 Vgl. dazu 1.4.3.2

82 Vgl. Walker, Waffenstillstand, S. 217 f.

83 Ebd., S. 217 f.

84 Moltmann, S. 12.

85 Vgl. http://www.eirene.org/fs02

86 Spiegel, Egon: Gewaltverhältnisse und Gewaltverhalten in der Schule. Theologische Grundlegung und Erörterung gewaltfreier Gegenmaßnahmen. In: Schmälzle, Udo (Hrsg.): Mit Gewalt leben. Arbeit am Aggressionsverhalten in Familie, Kindergarten und Schule, Frankfurt am Main 1993, S. 277.

87 Ebd., S. 278. Vgl. dazu auch Buber, Martin: Ich und Du, Heidelberg 19748.

88 Spiegel, Habilitationsschrift, S. 454 ff.

89 Spiegel, Gewaltverhältnisse, S. 307.

90 Vgl. Spiegel: Gewaltverhältnisse, S. 307.

91 Moltmann, S. 12.

92 Spiegel: Gewaltverhältnisse und Gewaltverhalten, S. 306.

91 Wobei zwischen den Gesprächspartnern die dritte Kraft wirkt und eine Lösung heranwächst, die nicht vorhersehbar war. Vgl. dazu Spiegel, Habilitationsschrift, S. 126.

94 Ebd., S. 318.

95 Gugel, Günther; Jäger, Uli: Gewalt muss nicht sein. Eine Einführung in friedenspädagogisches Denken und Handeln, Tübingen 1994, S. 74 f.

96 Vgl. Keller, S. 34.

97 Walker, S. 95.

98 Schaller, Hans, S. 12.

99 Vgl. v. a. Prutzman, Priscilla u. a.: Das freundliche Klassenzimmer. Gewaltlose Konfliktlösungen im Schulalltag, Kassel 19992, S. 96 ff; Jamie Walker: Gewaltfreier Umgang mit Konflikten, Berlin 2000, S. 43-105. Peschanel, Frank D.: Phänomen Konflikt. Die Kunst erfolgreicher Lösungsstrategien, Paderborn 1993, S. 213-322. Gratzer, Werner: Mit Aggressionen umgehen, Braunschweig 1996, S. 107; Walter Kern: Friedenserziehung heißt: Streiten lernen. In: Suchtprävention der Stadt Zürich (Hrsg.): Leben hat viele Gesichter. Lausanne 1993.

100 Peschanel betont: ,,Selbst wenn man systematisch zu Werke geht (...), gibt es eine beachtlich große und trotzdem noch sehr unvollständige Anzahl von Modellvorstellungen, die bei der Betrachtung von Konflikten Hilfe geben. Und alle diese Modellvorstellungen sind in ihrer Art weitgehend selbständig, d.h. nicht auf einem gemeinsamen ,,Übermodell" abzubilden. Mit anderen Worten: Es gibt keine einheitliche Theorie der Konflikte, aus der man sozusagen im Einzelfall ableiten kann, was gerade zu tun sei." Vgl. Peschanel, S. 22. Vgl. die Ausführungen über die Bedeutung von Kommunikation · 1.5.7.2, Kooperation · 1.5.7.5 für das prosoziale Konflikthandeln sowie die Darstellung von Mediatorenprogrammen · 1.5.8.3.1.

101 Es gibt eine Vielzahl von Anleitungen zum Konfliktaustragen, die nach wissenschaftlicher Orientierung der Autoren eher verhaltenstherapeutisch, psychoanalytisch oder interaktionistisch gestaltet sind und in der Regel aus den Bereichen Partnerschaftstraining bzw. Ehe- und Familienberatung stammen. Solche Anleitungen basieren sehr häufig auf den grundlegenden Erkenntnissen der Kommunikationsforschung und wenden diese für Konfliktsituationen an. Vgl. Walter Kern: Friedenserziehung heißt: Streiten lernen. In: Suchtprävention der Stadt Zürich (Hrsg.): Leben hat viele Gesichter. Lausanne 1993, S. 25 ff.

102 Kern, S. 25 ff.

103 Schwäbisch, Lutz; Siems, Martin: Anleitung zum sozialen Lernen für Paare, Gruppen und Erzieher. Kommunikations- und Verhaltenstraining. Reinbek 1974, S. 135 ff; Kern, S. 80-91.

104 Vgl. Keller, S. 34.

105 Vgl. Prutzman, S. 96.

106 Walter: Waffenstillstand, S. 211. Ein Mensch mit einem negativen Selbstbild bzw. jemand, der positive Zuwendung und Erlebnisse nicht erfährt, verhält sich im Alltag häufig negativ, um auf sich aufmerksam zu machen, da auch negative Aufmerksamkeit eine gewisse Bestätigung darstellen kann.

107 Vgl. Spiegel: Habilitationsschrift, S. 117.

108 Schwäbisch; Siems, S. 135.

109 Vgl. Spiegel: Gewaltverhältnisse und Gewaltverhalten, S. 300.

110 Vgl. Gugel; Jäger, S. 81.

111 Vgl. dazu Kapitel 1. 5. 8.3.1.

112 Vgl. die Ausführungen über die Bedeutung von Kommunikation für den Prozess des prosozialen Konflikthandelns · 1.5.7.2.

113 Vgl. die Ausführungen über die Bedeutung von Kooperation für den Prozess des prosozialen Konflikthandelns · 1.5.7.5.

114 Vgl. Prutzman u. a., S. 97.

115 Vgl. Faller, S. 16 ff.

116 Peschanel, S. 26.

117 Vgl. Walker: Waffenstillstand, S. 220. Vgl. dazu auch die Ausführungen über die Relevanz von Vertrauen für den Prozess des prosozialen Konflikthandelns · 1.5.7.1 und 1.5.7.3.

118 Vgl. dazu 1.5.7.

119 Gugel; Jäger: S. 80.

120 Vgl. die Ausführungen über die Bedeutung von Empathiefähigkeit für den Prozess des prosozialen Konflikthandelns · 1.5.7.3.

121 Gugel; Jäger: S. 81.

122 Ebd., S. 80.

123 Zu der ganzen Gruppe zu sprechen, schürt lediglich neue Probleme, denn dadurch wird ein Zweierkonflikte zu einem Gruppenkonflikt generalisiert. Vgl. dazu ebd. S. 85.

124 Gugel; Jäger, S. 84.

125 Spiegel, Gewaltverhalten, S. 300. Von Bedeutung ist dabei, nicht abzuschweifen. Zunächst ist stets lediglich ein Problem zu lösen. Es ist nicht zulässig, von einem Problem zum Nächsten zu springen. Dadurch wird die Konfliktlösung unübersichtlich und unnötig erschwert.

126 Gugel; Jäger: S. 84.

127 Ebd., S. 84.

128 Gordon, S. 207.

129 Mettner, Matthias; Thiele; Johannes: Entwaffnender Glaube. Frieden als Thema in Religionsunterricht, Jugendarbeit und Erwachsenenbildung, München 1983, S. 21.

130 Vgl. dazu Lohfink, N.: AT - Die Entlarvung der Gewalt. In: Ders.; Pesch, R.: Weltgestaltung und Gewaltlosigkeit. Ethische Aspekte des Alten und Neuen Testaments in ihrer Einheit und in ihrem Gegensatz, Düsseldorf 1978, S. 45-61, S. 49 f.

131 Stubhann, Matthias u. a.: Die Bibel von A-Z. Das aktuelle Lexikon zur Bibel. Salzburg 1985, S. 402.

132 Interessant ist auch die Bedeutung, die hinter den Namen Kain und Abel steckt: Kain enthält das Wortspiel kana, was erwerben bedeutet, und die Gier des Besitzenden widerspiegelt. Er ist besitzgierig und mordet auch noch obwohl er ohnehin erbt. Des weiteren entsteht die Assoziation mit dem Wort Schmied. Der erfindet als Besitzender das Schwert, um seinen Besitz zu verteidigen und wird so zum Krieger. Im Namen Abel schwingt die Bedeutung Nebel, Nichtigkeit, Vergehen mit. Abel weiß, dass der Mensch vergänglich ist, dass er eines Tages sterben muss. Vgl. Stork, Dieter: So wird die Welt zum Gotteshaus: Bibelprojekte für Schule und Gemeinde. München 1989, S. 68-70.

133 Als Gegenbeispiel könnte an dieser Stelle die ,,Tempelreinigung" (Joh 2, 15 f) dienen. Der synoptischer Vergleich macht Jesus Gewaltauftreten allerdings fragwürdig. Es ist davon auszugehen, dass er nicht ,,alle" Händler und Käufer aus dem Tempel trieb, sondern alle Rinder und Schafe. Zudem wird die Geißel als Viehtreiberinstrument eingesetzt, so dass man von der Tempelreinigung wohl eher als prophetische Demonstration sprechen sollte, die als gewaltfreie Aktion Jesu gegen den Missbrauch des Tempels interpretiert werden kann. Vgl. Spiegel: Gewaltverzicht, S. 85-90; S. 238.

134 Vgl. Verband Evangelischer Ausbildungsstätten für Sozialpädagogik; Comenius-Institut: Religionspädagogische Studieneinheit IV. Konflikt. Didaktische Planung und Materialien, Münster 1981, S. 9.

135 Vgl. dazu Comenius-Institut: Konflikt, S. 10. Dort wird der Frage nachgegangen, ob Christen in Konfliktsituationen nachgeben, aushalten, leidensbereit sein müssen und keinen Widerstand leisten dürfen.

136 Mettner, Matthias; Thiele; Johannes: Entwaffnender Glaube. Frieden als Thema in Religionsunterricht, Jugendarbeit und Erwachsenenbildung, München 1983, S. 12.

137 Vgl. Loh: Frieden auf Erden, S. 75.

138 Blank, J.: Die Entscheidung für den Frieden. In: Eicher, P. (Hrsg.): Das Evangelium des Friedens. Christen und Aufrüstung, München 1982, S. 13-26, S. 14.

139 Vierzig, S.: Frieden und Konflikte: Produktiver Streit. In: Religion heute 3(1985), S. 135- 138, S. 138.

140 Vgl. Lohfink, Norbert: Altes Testament - Ethos der Weltgestaltung. In: Ders.; Pesch, R.: Weltgestaltung und Gewaltlosigkeit. Ethische Aspekte des Alten und Neuen Testaments in ihrer Einheit und ihrem Gegensatz, Düsseldorf 1978, S. 9-24, S. 10.

141 Der alttestamentliche Schalombegriff besagt, dass Frieden ursprünglich mit Gemeinschaft, also dem Zusammenleben in kleinen, über schaubaren Einheiten zusammenhängt. Vgl. dazu Spiegel, Egon: Gewaltverzicht. Grundlagen einer biblischen Friedenstheologie, Kassel 19892, S. 208.

142 Vgl. Spiegel: Gewaltverzicht, S. 213.

143 Ebd., S. 121.

144 Vorbildhaft geschieht dies in der Josefsgeschichte (Gen 37-50).

145 Vgl. dazu Lohfink, Norbert: Altes Testament - Ethos der Weltgestaltung, S. 10.

146 Vgl. Spiegel: Gewaltverhältnisse und Gewaltverhalten, S. 277.

147 Mettner, M.; Thiele, J.: Entwaffnender Glaube, S. 14.

148 Vgl. dazu Loh, Johannes: ,,...Frieden auf Erden..." will gelernt sein. Theologische und psychologische Aspekte der Erziehung zum Frieden. In: Der evangelische Erzieher, 1 (1997), S. 74-87, S. 74.

149 Ebd. S. 12; Vgl. auch Eph 6, 15 und Röm 6, 24.

150 Spiegel, Habilitationsschrift, S. 475. Dabei vermutet Spiegel, dass Menschen durch einen Impuls der göttlichen force vitale veranlasst werden, anderen Menschen zu helfen und ihr eigens Wohlergehen kurzfristig zu vergessen.

151 Die Bergpredigt beginnt mit einer kurzen Situationsangabe (Mt 5, 1-2), bevor im Auftakt die Seligpreisungen, das Wort vom Salz der Erde, vom Licht der Welt, von der Stadt auf dem Berge und von der besseren Gerechtigkeit gesprochen werden (Mt 5, 3-20). Daraufhin folgen die Antithesen vom Töten, Ehebrechen, Schwören und von der Feindesliebe (Mt 5,21-48), danach die Instruktionen über das Almosengebet, das Vater unser und über das Fasten (Mt 6, 1-18), bis die Bergpredigt in den Einzelanweisungen über Reichtum, Sorgen, Richten und das Gebet in der Goldenen Regel ihren Höhepunkt findet (Mt 6, 1-18). Darauf folgen die Schlussmahnungen und Gleichnisse über die weite und enge Pforte, über den guten und faulen Baum, über das Haus auf dem Felsen sowie auf Sand (Mt 7,18-27) und das Nachwort (Mt 7,28-29).

152 Borné, Gerhard: Bergpredigt und Frieden, Olten 19822, S. 62.

153 Spiegel: Gewaltverzicht, Klapptext.

154 Vgl. Ringhausen, Gerhard: Religionsunterricht und Friedenserziehung. In: Calließ, Jörg; Lob, Reinhard (Hrsg.): Handbuch Praxis der Umwelt- und Friedenserziehung, Band 3. Düsseldorf 1988, S. 253-257, S 253.

155 Vgl. dazu Loh, Johannes: ,,...Frieden auf Erden...", S. 74.

156 Hoffmann, P; Eid, Volker: Eschantologie und Friedenshandeln, Freiburg; Basel; Wien 1984, S. 134.

157 Vgl. Mettner, S. 42; Loh, S. 75; Röm 5, 1. Hier wird deutlich, dass Paulus den Friede Gottes als Versöhnung sieht und sich elementar davon leiten lässt. Weitere Beispiele für Realisierungsbeispiele des allumfassenden Frieden Gottes sind: 2. Thess 3, 16; Gal 3, 28; 1. Kor 12; Eph 2, 14.

158 Thomas Gordon bezeichnet eine Konfliktsituation, bei der jeweils die eine Konfliktpartei jeweils immer das gewinnt, was der andere verliert als Nullsummenspiel. Dabei gibt es bei einem Konflikt nur Sieg oder Niederlage. Vgl. Peschanel, S. 55 - 57; Vgl. Walker: Waffenstillstand, S. 220.Vgl. Gordon, Familienkonferenz S. 258.

159 Vgl. dazu die fünf Säulen des prosozialen Konflikthandelns · 1.5.7.

160 Harr, Dorothea: Alle reden vom Frieden. In: Christenlehre - Religionsunterricht - Praxis 49 (1996), S. 54.

161 http://www.forum-schule.de/fs02/magang.shtml

162 Spiegel: Friedenserziehung, Manuskript, S. 4

163 Ebd., S. 4.

164 Keller, Hafner: S. 7.

165 Ebd., S. 7.

166 Ebd., S. 7.

167 Ebd., S. 7.

168 Artikel 7 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen. Vgl. Richtlinien, S. 9.

169 Ebd., S. 9.

170 George, Siegfried; Prote, Ingrid (Hrsg.): Handbuch zur politischen Bildung in der Grundschule, Schwalbach /Ts. 1996, S. 253.

171 Vgl. dazu George; Prote, S. 254.

172 Im Folgenden untersucht anhand der Lehrpläne des Landes NRW für die Grundschule. Vgl. Kultusministerium des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Richtlinien und Lehrpläne für die Grundschule in Nordrhein-Westfalen. Katholische Religionslehre, Düsseldorf 1992.

173 Ebd., S. 21 f.

174 Ebd., S. 21.

175 Vgl. Haag, Karl Friedrich: Nachdenklich Handeln. Bausteine für eine christliche Ethik, Göttingen 1995, S. 85.

176 Vgl. die Ausführung über das Handeln · 1.1.2.

177 Richtlinien, S. 21. Vgl. dazu auch die Ausführungen über die Bedeutung von Selbstwertgefühl für das prosoziale Konflikthandeln · 1.4.8.4.

178 Ebd., S. 22. Vgl. dazu auch die Ausführungen über die Bedeutung von Gemeinschaftsfähigkeit und Kooperation für das prosoziale Konflikthandeln · 1.4.8.1 und 1.4.8.5.

179 Vgl. ebd., S. 21.

180 Denn über die anderen Fächer hinausgehend liegt die Chance des Religionsunterricht in der Möglichkeit, den im Unterricht und Schulleben experimentellen Zusammenhang zwischen der schulischen Situation und der force vitale zu thematisieren und zu reflektieren. Vgl. Spiegel, Habilitationsschrift, S. 435.

181 Dabei wird im besonderen auf das Fragebedürfnis der Kinder Wert gelegt, um ihnen die Mehrdimensionalität der Wirklichkeit zu verdeutlichen. Vgl. ebd., S. 21 f.

182 Vgl. ebd., S. 21 f.

183 Richtlinien, S. 28.

184 Spiegel, Egon: Friedenserziehung. In: Rickers, Folkert; Mette, Norbert (Hrsg.): Lexikon der Religionspädagogik. Im Druck, Manuskript S. 2.

185 Vgl. dazu Weger, Norbert H. (Hrsg.): Frieden. Theoretische Ansätze und didaktische Vorschläge zur Friedenserziehung in Grundschule und Sekundarstufe 1, Berlin 1982, S. 46.

186 Vgl. dazu 1.4.2.1.

187 http://www.forum-schule.de/fs2/magtma.shtml

188 Spiegel: Friedenserziehung, Manuskript S. 4.

189 Vgl. die Ausführungen über die Ursachen von Aggressivität und Gewalt · 1.5.4.1.

190 Vgl. die Ausfürhungen über Regeln als Präventionsmaßnahmen · 1.5.4.3.2.

191 Vgl. Walker, Jamie: Gewaltfreier Umgang mit Konflikten in der Grundschule. Grundlagen und didaktisches Konzept, Frankfurt a. M. 20005, S. 28.

192 Eine dritte Art sind Lehrer-Lehrer-Konflikte. Vgl. dazu Sander; Sander, S. 35 - 71; Faller, S. 8 - 70.

193 Vgl. Keller, S. 38f.

194 Walker, Jamie: Gewaltfreier Umgang mit Konflikten in der Sekundarstufe I. Frankfurt/Main 1996, S. 36.

195 Keller; Hafner, S. 38. Einblicke in diese Gruppenstruktur verleihen sorgfältige Verhaltenbeobachtungen, die durch regelmäßige geheime Interviews mit den Schülern über ihre Beziehungen in der Klasse unterstützt werden können. Es gibt auch Messmethoden mittels eines soziometrischen Testes, die Aufschluss über die Kontakte der Schüler geben. Vgl. dazu: Großmann, C.: Projekt: Soziales Lernen. Mülheim 1996, S. 108.

196 Vgl. Keller; Hafner, S. 39. Vgl. auch das Praxisbeispiel · 2.2.

197 Vgl. Standford, G.: Gruppenentwicklung im Klassenraum und anderswo. Praktische Anleitung für Lehrer und Erzieher. Braunschweig 1980, S. 13.

198 Gordon betont die Annahme, dass kein Zusammenhang zwischen der Qualität einer Beziehung und der Quantität von Konflikten besteht. Vgl. Gordon: Lehrer-Schüler- Konferenz, S. 152.

199 Vgl. dazu Gugel; Günther; Lange-Feldhahn, Klaus (Hrsg.): Mit brennender Geduld. Gedanken, Einblicke, Arbeitshilfen für die Praxis der Friedenserziehung. Bd. 2: Kommentierte Literaturübersicht Friedenserziehung, Tübingen, 1985, S. 111.

200 Vgl. Spiegel, Habilitationsschrift, S. 525.

201 Vgl. Gratzer, S. 114 f.

202 Vgl. Gramman, C.F.: Die Klasse als Gruppe. In: Psychologie 1, Frankfurt 1980, S. 475.

203 Spiegel, Egon: Gott erfahren und ,,Gott handeln" in Beziehungen. Theologische und didaktische Überlegungen zur interaktiven Dimension religiösen Lernens im Religionsunterricht der Grundschule. In: Dimensionen religiösen Lernens. Religionsunterricht im Zeichen einer veränderten Kindheit, Bensberg, (Bensberger Protokolle 95) 1998, S. 29-60, S. 58.

204 Vgl. Schmälzle, Udo: Miteinander Leben und Glauben lernen. Grundlagen der Evangelisation in der Schule. In: Groß, Engelbert u.a.: Nicht nur Unterricht - pastorales Engagement in der Schule, Bensberg 1992, S. 9, 49-54, 65-74.

205 Spiegel: Habilitationsschrift, S. 520.

206 Vgl. dazu 1.5.3.2.

207 Vgl. Prutzman u. a., S. 15.

208 Spiegel: Habilitationsschrift, S. 503.

209 Gordon, Thomas: Lehrer-Schüler-Konferenz. Wie man Konflikte in der Schule löst, Hamburg 19773, S. 222.

210 Gratzer, S. 7.

211 Spiegel: Gewaltverhältnisse und Gewaltverhalten, S 289.

212 Ebd., S. 308. Vgl. dazu auch: Günther, Manfred: Disziplinierte Schüler durch Verhaltenmodifikation? In: Demokratische Erziehung 3/1977, S. 35 - 37.

213 Buber verlangt vom Erzieher, dass dieser die Einmaligkeit des Kindes anerkennt und seine Anlage zur Personwerdung akzeptiert. Zu beachten ist aber, dass die Beziehung zwischen Lehrer und Schüler nie ein dialogisches ist. ,,Die Umfassung kann hier keine gegenseitige sein. Er erfährt das Erzogenwerden des Zöglings, aber der kann das Erziehen des Erziehers nicht erfahren. Der Erzieher steht an beiden Enden der gemeinsamen Situation, der Zögling nur an einem." Vgl. dazu Buber, Martin: Elemente des Zwischenmenschlichen. In: Ders.: Das dialogische Prinzip, Heidelberg 1962, S. 271-298, S. 288.

214 Vgl. Oelkers, Jürgen: War Korczak Pädagoge? In: Beiner, Friedhelm (Hrsg.): Janusz Korczak. Zeugnisse einer lebendigen Pädagogik. Vierzig Jahre nach seinem Tod. Referate des Ersten Wuppertaler Korczak-Kolloquiums, Heinsberg 1982, S. 42-57, S. 50.

215 Korczak fragt deswegen mahnend: ,,Obwohl ein jeder gewinnt, der mit einem Kinde Schach spielt?" Vgl. Kroczak, zit. nach Sauer, Ralph: Die Pädagogik von Janusz Korczak und ihre Bedeutung für die Religionspädagogik und Katechese. In: Religionspädagogische Beiträge 28 (1991), S. 76-87, S. 82.

216 Vgl. Spiegel, Habilitationsschrift, S. 520 f.

217 Vgl. Gordon, S. 35.

218 Beziehungskonflikte sind verursacht durch starke Gefühle, Fehlwahrnehmungen oder Stereotypen, mangelnde Kommunikation oder Fehlkommunikation und wiederholtes negatives Verhalten. Interventionsmaßnahmen können u. a. kontrolliertes Ausdrücken von Gefühlen, das Aufbauen positiver Wahrnehmungen, eine verbesserte Kommunikation sein. Vgl. Faller, S. 28.

219 Singer, Kurt: Lehrer-Schüler-Konflikte gewaltfrei regeln. Erziehungsschwierigkeiten und Unterrichtsstörungen als Beziehungs-Schwierigkeiten bearbeiten, Weinheim und Basel 19965, S. 85 ff.

220 Singer, Kurt: Lehrer-Schüler-Konflikte gewaltfrei regeln. Erziehungsschwierigkeiten und Unterrichtstörungen als Beziehungs-Schwierigkeiten bearbeiten, Weinheim und Basel 19963, S. 85 ff. Effektiver Unterricht ist vielen Pädagogen zur Zeit kaum mehr möglich: Die Klassen werden zahlenmäßig ständig größer (30 und mehr Schüler sind mittlerweile die Regel) und das Lehrerkollegium ist stark überaltert (das Durchschnittsalter liegt bei 45 Jahren). Die Pflichtstundenzahl wird höher, die Altersgrenze der Pensionierung wird nach oben gezogen, die Schüler schwieriger und der Stress als zunehmend stärker und unangenehmer empfunden. Vgl. Sander; Sander, S. 57-58.

221 Singer. S. 58.

222 Gordon, S. 34.

223 In diesem Fall der Lehrer

224 Roger, Carl R.: Lernen in Freiheit. Zur Bildungsreform in Schule und Universität, München 19793, S. 107.

225 Gordon, S. 46.

226 Ebd., S. 49.

227 Gratzer, S. 102.

228 Walker, Jamie: Gewaltfreier Umgang mit Konflikten, S. 18.

229 Faller, S. 15. Interessant ist die ursprüngliche Bedeutung von ,,Aggression" als ,,zugehen auf einen anderen", was durchaus positiv sein kann. ,,Das aggressive Lebenspotential sorgt dafür, dass der Mensch in seiner Entwicklung nicht in der Symbiose, der Abhängigkeit und Fremdbestimmung stecken bleibt, sondern sich trennt, seine Autonomie entfaltet und auf andere zugeht." Vgl. Frielingdorf, Karl: Aggression stiftet Beziehung. Wie aus destruktiven Kräften lebensfördernde werden können, Mainz 1999, S. 94.

230 Viele Gründe für aggressives oder gewalttätiges Verhalten stehen nicht im direkten Zusammenhang zur Gewalt in der Schule, sondern erklären das Phänomen Gewalt an sich. Das Erklärungsmodell für das Entstehen von Gewalt gibt es nicht. Einige (neben den oben genannten) wichtige Erklärungsansätze sind:

1. Das physiologische Erklärungsmodell (Delgado, van Horst): Gewalt ist das Ergebnis physiologischer Fehlfunktionen im Nerven- oder Hormonsystem.
2. Das Trieb-Instinkt-Erklärungsmodell (Freud; Lorenz): Gewalt ist das Ergebnis virulenter Aktivitäten in Abhängigkeit von latenten, fundamentalen Trieben und/oder angeborenen Instinkten des Menschen.
3. Frustrations-Aggressions-Erklärungsmodell (Dollard; Doop; Miller; Mowrer; Sears): Gewalt ist das Ergebnis von Frustration und die Reaktion auf unbefriedigte Bedürfnisse.
4. Charakter-Defizit-Modell (Fromm): Fehlendes oder pervertiertes ethisches Bewusstsein führt zu Gewalt als Ergebnis nicht vorhandener Wertorientierung.
5. Bedrohung-Aggressions-Erklärungsmodell (Hovland, Sears): In subjektiv als bedrohlich empfundenen Situationen reagieren Menschen mit Gewalt als Abwehrreaktion.
6. Aggression-Attributions-Erklärungsmodell (Dodge): Gewalt ist das Zusammenwirken von psychischen Prozessen und sozialen Situationen. Dem Gegenüber werden feindselige Absichten unterstellt, bei sozialen Situationen sind besonders die spezifisch gewaltauslösend, die sich durch Uneindeutigkeit auszeichnen.
7. Segregation-Aggressions-Erklärungsmodell (Newcomb, Sherif): Gewalt ist das Ergebnis sozialer Ausgrenzung und reduzierte Kommunikation und Interaktion.

Vgl. dazu: Hurrelmann: S. 28-30 und: Staatliches Schulamt für die Stadt Frankfurt a. M.: Die Gewaltdiskussion in der Öffentlichkeit und die Situation an Frankfurter Schulen. Bestandsaufnahme und Handlungsperspektiven, Frankfurt a. M. 1991.

231 Vgl. Staatliches Schulamt für die Stadt Frankfurt a. M, S. 59.

232 Hurrelmann, S. 31.

233 Sander; Sander, S. 47. Aggressivität ist nicht biologisch vorgegeben, sondern kulturell bedingt. Sie ist auch weder sozial noch biologisch ein ureigenes Verhalten des Menschen. Vgl. Rattner; Adler: Ethik der Mitmenschlichkeit in Tugend und Laster, Frankfurt a. M. 1991, S. 25 - 30.

234 Obwohl der direkte Zusammenhang zwischen dem Konsum von gewalttätiger TV-Kost und gewalttätigem Verhalten nicht eindeutig bewiesen ist, kann man davon ausgehen, dass diese zumindest Angstzustände, Verunsicherungen, Nervosität und emotionale Störungen provozieren. Vgl. Groebel, J.: Mit Gewaltszenen buhlen TV-Anstalten um Einschaltquoten. Täglich werden im deutschen Unterhaltungsprogramm etwa 70 Menschen ermordet. In: Frankfurter Rundschau, 25.04.1992.

235 http://www.forum-schule.de/fs02/magang.shtml/

236 Hurrelmann, S. 34.

237 Ebd., S. 34. Es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass ein Zusammenhang zwischen dem Sozialverhalten eines Schülers und der wirtschaftlichen Stellung der Familie besteht. Eine besonders bedrückende finanzielle Situation, oft einhergehend mit elterlicher Arbeitslosigkeit, kann durchaus Einfluss auf das Verhalten von Schülern haben. Diejenigen, die sich von der Gesellschaft betrogen fühlen, haben wenig Hemmungen, Gewalt oder Vandalismus auszuüben. Für manche ist es eine Möglichkeit, es der Gesellschaft heimzuzahlen, für andere einfach ein Ausdruck ihrer Frustration und ihres Mangels an Idealen oder realistischen Zielen. Zudem hängt das Verhalten von der jeweiligen Charakterstruktur, Veranlagungen, dem Selbstkonzept des Kindes oder Jugendlichen, der individuellen Frustrationstoleranz, einer eventuellen Behinderung, Neurose oder Entwicklungsstörung ab. Vgl. Eich, Franz X.: Soziale Umweltstruktur und aggressiv delinquente Jugendliche. Lerntheoretische Erklärungsansätze, funktionale Analyse sozialer Netzwerke und Verhaltentherapie bei gewalttätigen Jugendlichen, Weinheim und Basel 1982. Vgl. Walker, Jamie: Gewalt und Konfliktlösungen in Schulen, S. 15 f. Außerdem haben Lehrer und Lehrerinnen, die in einer sozial schwachen Umgebung arbeiten, im Allgemeinen Schwierigkeiten ihre Schülerinnen und Schüler zu motivieren.

238 Vgl. Walker, S. 21.

239 Vgl. Spiegel: Gewaltverhältnisse und Gewaltverhalten, S. 284 f.

240 Vgl. dazu Fletes, Thomas: Gewalt in der Schule. In: Schwind, H. D.; Baumann, J.(Hrsg.): Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt, Bd. 3, Berlin 1990, S. 327 - 341; Bäuerle; Siegfried: Die Schule der Zukunft. Schwerpunkt der Erziehung. In: ders. (Hrsg.): Der gute Lehrer. Empfehlungen für den Umgang mit Schülern, Eltern und Kollegen, Stuttgart 1989, S. 272 - 280; Walter, Paul: Lehreraggressionen. Der Diskurs von Sonderschulreferendaren über Strafe, Frankfurt a. M. 1990.

241 Spiegel: Gewaltverhältnisse und Gewaltverhalten, S. 289.

242 Walker, Jamie: Gewaltfreier Umgang mit Konflikten in der Grundschule, S. 12.

243 Vgl. Keller; Haffner, S. 8.

244 Hurrelmann, S. 8. So sind von oft Eltern unterstützte und geschürte Verhaltensweisen wie Konkurrenzdenken, Feindseeligkeit als Antwort auf Aggressionen, Angst und Erniedrigung gewaltfördernd. Vgl. Prutzman u. a., S. 16.

245 Hurrelmann, S. 18.

246 Vgl. Nave-Herz, R.: Wandel und Kontinuität der Familie in der BRD. Stuttgart 1998.

247 Hurrelmann, S. 16 - 17.

248 Ebd., S. 18.

249 Ebd., S. 18.

250 Vgl.: Baacke, D.: Die 13- bis 18jährigen. Einführung in die Probleme des Jugendalter. Weinheim und Basel 1983.

251 Vgl. Walker, Jamie: Gewaltfreier Umgang mit Konflikte in der Grundschule, S. 18.

252 Vgl. Hurrelmann, S. 35.

253 Hurrelmann, S. 36.

254 Vgl. Spiegel: Gewaltverhältnisse und Gewaltverhalten, S. 293.

255 Vgl. dazu die Ausführungen über die Relevanz des Realitätsbezugs von Schule · 1.5.8.

256 Vgl. Hurrelmann, S. 36-39.

1 Vgl. Spiegel: Gewaltverhältnisse, S. 302.

2 Vgl. Bohnsack, F./Leber, S. (Hrsg.): Sozial-Erziehung im Sozial-Verfall. Grundlagen, Kontroversen, Wege. Weinheim-Basel 1996; Korte, J.: Sozialverhalten ändern! Aber wie? Ideen und Vorschläge zur Förderung sozialen Verhaltens an Schulen. Weinheim und Basel 1996.

3 Der Spiegel, 42 (1992).

4 Schmälzle, Udo (Hrsg.): Mit Gewalt leben. Arbeit am Aggressionsverhalten in Familie, Kindergarten und Schule, Frankfurt am Main, 1993, S. 15. Vgl. Skalnik, Ch; Rollin, M.: Böse Krümelmonster? Das Bild in den Medien ist falsch: Jugendliche waren schon immer gewalttätig. In: Die Woche, Heft 12, Jg. 1993, S. 35.

5 Vgl. Keller; Hafner, S. 23.

6 80 % der Lehrer fühlen sich durch aggressives Verhalten seitens der Schüler überfordert; 90 % der Lehrer haben mit aggressivem Verhalten zu kämpfen, 30 % erleben keine Unterrichtsstunde ohne aggressives Schülerverhalten. Vgl. Spreiter, Michael (Hrsg.): Waffenstillstand im Klassenzimmer. Vorschläge, Hilfestellungen , Prävention, Weinheim und Basel, 1993, S . 133.

7 Spiegel: Gewaltverhältnisse und Gewaltverhalten, S. 285.

8 Vgl. Sander; Sander, S. 49.

9 Mechthild Schäfer: ,,Schikanieren - Kavaliersdelikt des Schulhofes"? In: Psychologie Heute, Heft 12 1996, S. 9 f.

10 Ebd, S. 10.

11 Vgl. Keller; Hafner, S. 23. Die Auflistung basiert auf einer Untersuchung in BadenWürttemberg.

12 Vgl. ebd., S. 23.

13 Vgl. Spiegel: Gewaltverhältnisse und Gewaltverhalten, S. 290; Walker, Jamie: Gewalt und Konfliktlösungen in Schulen. Eine Studie über die Vermittlung von zwischenmenschlichen problemlösenden Fähigkeiten an Grund- und Oberschulen in den Mitgliedsstaaten des Europarates, Berlin 1989, S. 26.

14 Vgl. http://www.forum-schule.de/fs02/magang.shtml

15 Spiegel: Gewaltverhältnisse und Gewaltverhalten, S. 297.

16 Spiegel, Egon: Gewaltverzicht. Grundlagen einer biblischen Friedenstheorie, Kassel 19892, S. 20. Im Gegensatz zu den Begriffen Gewaltlosigkeit und Gewaltfreiheit beinhaltet der Begriff Gewaltverzicht ein aktives Handeln aus Stärke heraus. ,,Wer nicht zuschlagen kann, wird es auch gar nicht erst versuchen". Der Verzicht setzt Fähigkeit und Freiwilligkeit voraus. Vgl. dazu die Ausführungen von Beutter, F.: Christliche Ethik in der pluralen Gesellschaft. In: Theologische Zeitschrift Bd. 34, Jg. 1978, S. 212 - 220.

17 Vgl. Hammer, F.: Macht. Wesen - Formen - Grenzen, Königstein /Ts. 1979, S. 50.

18 Vgl. Spiegel: Gewaltverhältnisse und Gewaltverhalten, S. 197.

19 Gottfredson, D.: An empirical test of school-based environmental and individual intervention to reduce the risk of delinquent behaviour. Criminology Bd. 24, Jg. 1986, S. 705 - 729.

20,,Macht über" drückt ein Verhältnis zwischen einzelnen Menschen oder Gruppen aus, das durch ein Gefälle, durch ungleiche Positionen gekennzeichnet ist, so dass der stärker positionierte für andere handeln kann, bestimmen kann und Herr der Situation ist. ,,Macht über" unterscheidet sich zu ,,Macht zu". Das ist die Minimalvoraussetzung, um sich mit anderen auseinander zu setzen, um sich behaupten zu können, um den eigenen Untergang zu vermeiden. Vgl. dazu Spiegel: Habilitationsschrift, S. 170.

21 Spiegel: Gewaltverhältnisse und Gewaltverhalten, S. 308 f.

22 Bucher, Anton A.; Oser, Fritz: Kind und Moral. In: Schweitzer, Friedlich; Faust-Siehl, Gabriele (Hrsg.): Religion in der Grundschule. Religiöse und moralische Erziehung. Beiträge zur Reform der Grundschule - Bd. 92, Frankfurt a. M. 1990, S. 60.

23 Vgl. Gratzer, S. 106.

24 Spiegel: Gewaltverhältnisse und Gewaltverhalten, S. 317.

25 Ebd, S. 317.

26 Vgl. Gratzer, S. 141. In diesem Zusammenhang haben auch Rollenspiele große Bedeutung. Dieses wird im weiteren Verlauf der Arbeit genauer beschrieben werden. Vgl. dazu: 2.3.4.2.2.2.

27 Vgl. Keller; Hafner, S. 32 f.

28 Spiegel: Gewaltverhältnisse und Gewaltverhalten, S. 312.

29 Vgl. dazu Lohfinks Ausführungen über die Bedeutung von Gewalt im AT: ,,Die Typik des AT liegt darin, die gesellschaftliche festgemachte Gewalt des Menschen, die als solche vielfach lügnerisch und verhüllt ist, offenzulegen und zu enthüllen." Lohfink: Entlarvung der Gewalt, S. 52.

30 Ebd, S. 318

31 Halbfaß, Hubertus: Religionsunterricht und Allgemeinbildung in der Grundschule. In: Wittenbruch, Wilhelm; Sorger, Peter (Hrsg.): Allgemeinbildung und Grundschule, Münster 1990, S. 58-67, S. 60.

32 Halbfaß, Hubertus: Das dritte Auge. Religionsdidaktische Anstöße, Düsseldorf 19894, S. 196.

33 Krombusch, Gerhard: Zum Religionsunterricht in der Grundschule. In: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.): Religionsunterricht. Aktuelle Situation und Entwicklungsperspektiven. Kolloquium 23. - 25. Januar 1989, S. 144-155, S. 150.

34 Walker, Jamie: Gewalt und Konfliktlösungen in Schulen. Eine Studie, S. 11.

35 Vgl. Keller; Hafner, S. 32 ff.

36 Vgl. Schmälzle: Mit Gewalt leben, S. 176 - 180; Ein schulinterne Institution, um zum einen gemeinsame Regeln und auch Interventionsmaßnahmen beschließen zu können, ist ein regelmäßig stattfindender Klassenrat. Dabei fungiert zunächst ein Klassenratbuch als Speicher für Ärger der Kinder und zugleich als Ableiter für Wut und Aufregung. In einer gemeinsamen Runde werden die dort festgehaltenen Störungen dann besprochen, so dass es bei Bedarf zu einer gemeinsamen Regelfindung kommt. Dort können auch in einer Täter-Opfer-Zeugen Runde Interventionsmaßnahmen bei Regelstößen beschlossen werden. Vgl. dazu Kiper; Hanna: Kinder üben den qualifizierten Umgang miteinander. Die Arbeit im Klassenrat. In: Grundschule Heft 11, Jg. 1999, S. 24 - 26. Vgl. · 1.5.8.3.2.

37 Gordon, S. 207 f.

38 Spanhel, Dieter; Hüber, Heinz-Georg: Lehrersein heute - berufliche Belastungen und Wege zur deren Bewältigung, Bad Heilbronn 1995, S. 127.

39 Vgl. Gordon, S. 207 f.

40 Spiegel: Gewaltverhältnisse und Gewaltverhalten, S. 318.

41 Nach einem Schema Egon Spiegels bestehen neun Schritte zur Auseinandersetzung mit dem Phänomen Beziehung. Dabei benennt er auch die Schnittstelle zwischen der force vitale und dem Beziehungsphänomen:

Sehen:

1. Beziehung gelingt.
2. Aufdecken der gelingenden Beziehung.
3. Staunen über diese gelingende Beziehung. Urteilen:
4. Reflektieren der Beziehung.
5. Austausch über die Beziehung.
6. Benennung der beziehungsstiftenden Kraft (· force vitale). Handeln:
7. Einsicht, dass Vertrauen auf diese force vitale gut ist.
8. Spirituelle Vergewisserung.
9. Existenzielles Vertrauen auf diese beziehungsstiftende Kraft.

Vgl. dazu Spiegel: Habilitationsschrift, S. 462.

42 Vgl. dazu Gordon Lehrer-Schüler-Konferenz, S. 152.

43 Gergen, Kenneth: Sinn ist nur als Ergebnis von Beziehungen denkbar. In: Psychologie heute, 10 (1984), S. 38.

44 Vgl. Ebd. S. 38.

45 Vgl. Spiegel, Habilitationsschrift, S. 453; Martin Buber: Ich und Du, Heidelberg 19748, S. 12 f. Der Philosoph und Schriftsteller Martin Buber entwickelte in seinem philosophischen Hauptwert Ich und Du bereits 1923 eine Philosophie der Begegnung. Buber unterscheidet in seiner Philosophie das menschliche Sein in zwei Grundarten: In das Ich-Es und das Ich-Du. Das Ich ist nie getrennt vom Es und Du, aber ein jeweils differenziertes Ich. Das Ich-Es bezieht sich auf die Welt der Erfahrung, alles was nicht in direkten Bezug zum Ich steht gehört zu der Welt des Es. Dieses wird vom Ich wahrgenommen ohne dass es eine direkte Beziehung gibt. Wichtiger ist für Buber das Ich-Du. Dieses stiftet die Welt der Beziehung und zeigt sich im Dialog, in Beziehungen in Begegnungen. Sie sind gnadenhaft und begegnen einem nicht gezielt. Da diese nicht beständig sind, werden sie nach Beendigung Teil der Ich-Es-Welt. Vgl. dazu auch: Anton, Christel: Religionspädagogische Annäherung an eine ,,Feministische Theologie der Beziehung", Münster 1999, S. 23-24.

302 Stange, E. und W.: Training des Konfliktlöseverhaltens. In: Hilscher, H.: Materialien zur sozialen Erziehung im Kindesalter, Heidelberg 1974, S. 54-79, S. 54.

47 Brecht, Berthold: Flüchtlingsgespräche. Frankfurt a. M. 1961, S. 35.

48 http://www.forum-schule.de/fs02/magang.shtml.

49 Hurrelmann, S. 15.

50 Hurrelmann, S. 18. nicht der Fall, können sie zu psychosomatischen Krankheiten führen. ,,Konfliktgefühle sind, wie alle Gefühle, mit dem Hormonsystem verbunden und wirken so indirekt auf unseren Denkprozess ein und steuern dabei oft unbewusst und noch nach Jahrzehnten unser Verhalten. Das Ausmaß der Beeinflussung durch den Hormonpegel steigt dabei mit der Intensität der früher bzw. aktuell ausgelösten Gefühle." (Peschanel, S. 45) Besonders betroffene Körperregionen sind das Herz, der Kreislauf, der Magen und das Atem - Sprachsystem. Daher kennen viele auch Stress als Begleitfaktor von Gefühlen und Konflikten. Schwere Konflikte können so auch nach mehreren Jahren noch wirken, die Gefühle kommen mit ganzer Intensität hoch und es kann ggf. zu dauerhaften psychischen und auch körperlichen Belastungen kommen. Vgl. Peschanel, S. 45-48.

51 Vgl. Keller; Hafner, S. 57.

52 Die geschlechtsspezifische Differenzierung des prosozialen Handelns ist relevant: Die meisten Gewalttäter sind männlich, Die Jungen lernen immer noch am Modell von Vätern, Brüdern und Helden gewalttätiges Verhalten, so dass Pädagogen ihr eigenes Verhalten als Vorbildverhalten in frage stellen müssen. Vgl. Walker: Gewalt und Konfliktlösungen in Schule, S. 17.

53 http://www.forum-schule.de/fs02/magang.shtml.

54 Vgl. die Ausführungen über die Gründe für die zunehmende Erziehungsverantwortung der Schule · 1.5.4.1.2.

55 Vgl. Keller; Hafner, S. 28 f.

56 Walker: Gewalt und Konfliktlösungen in Schulen, S. 15.

57 Merton, Thomas: Selig sind die Sanftmütigen. Die Wurzeln der christlichen Gewaltlosigkeit. In: Der Christ in der Welt 6 (1966), S. 47 - 57, S. 56.

58 Vgl. Spiegel: Gewaltverzicht, S. 207.

59 Ebd., S. 168.

60 Spiegel, Gewaltverzicht, S. 169.

61 Vgl. dazu im AT Ex 15, 26 (JHWH heilt alle Krankheiten); Gen 21, 1 (JHWH lässt eine unfruchtbare Frau gebärfähig machen); Sir 38, 1-15 (JHWH vermittelt durch einen Arzt); Jer 38; 2 Kön 5; 2 Kön 5, 7; Lev 14, 26 (JHWH heilt durch Propheten oder Priester). Auch das Evangelium berichtet von zahlreichen Heilungen Jesu: Lk 7, 22; 11, 20 (Jesu begegnet konkreter menschlicher Not heilend, um das für die Endzeit erwartete Heil-Werden der ganzen Schöpfung vorwegzunehmen; Mk 6, 7. 13 (Jesus gibt den Jüngern die Vollmacht zu heilen); Apg 3, 6; 9, 34 (Heilungen werden im Namen Jesu durchgeführt). Vgl. Stubhann, Matthias u. a.:Die Bibel von A-Z. Das aktuelle Lexikon zur Bibel. Salzburg 1985, S. 280.

62 Vgl. Lk 1, 52 und Lk 13, 32.

63 Gewalt beginnt für Jesus mit dem Zorn des anderen. Vgl. Mt 5 ,37; Lk 22, 50; Mt 5, 22; Mt 39-42; Mt 5, 44; Joh 18, 23; Spiegel, Egon: Jesus und die Macht. Ein Beitrag zur GewaltGewaltlosigkeits-Diskussion. In: Junge Kirche. Eine Zeitschrift für europäische Christen 2 (1977), S. 62 - 66, S. 64.

64 Vgl. Bäumler, Christof; Lämmermann, Godwin; Wagner, Falk; Walter, Alfred: Friedenserziehung als Problem von Theologie und Religionspädagogik, München 1981, S. 25.

65 Lister, Jan: Issues in teaching and learning about human rights, York 1981, S. 6.

66 Die Bedeutung des Ausdrückens von Gefühlen dient zum einen einer besseren, d. h. aktiveren und ehrlicheren Kommunikation, zum anderen tauchen intensive Gefühle im Körper auf und werden in der Regel wahrgenommen, so dass sie beschrieben werden können. Ist dies

67 Vgl. Hurrelmann, S. 23. Vgl. die Ausführungen über Gemeinschaftsfähigkeit · 1.5.7.1.

68 Vgl. die Ausführung über Kommunikationsfähigkeit · 1.5.7.2.

69 Swedish National Board of Education: The 1980 compulsory School Curriculum, S. 39.

70 Vgl. Pruztman u. a., S. 16.

71 Vgl. die Ausführungen über Empathie · 1.5.7.3.

72 Vgl. dazu Spiegel, Habilitationsschrift, S. 459.

73 Spiegel: Gewaltverhältnisse und Gewaltverhalten, S. 298.

74 Peschanel hat eine Emotionsskala erstellt, auf der er zwischen emotionslosen und emotionsgeladenen Menschen unterscheidet. Emotionslose Personen haben nicht gelernt, oder verlernt, sich die schmerzhaften Gefühle der Betroffenheit bei Konfliktpartnern vorzustellen. Vgl. Peschanel, S. 56-62.

75 Vertrauen seitens der Schüler zu ihrem Lehrer ist von Bedeutung, da sich so die Gefahr einer Diskrepanz zwischen dem vorgegebenen und tatsächlichem Denken und Verhalten von Schülern verringert. Besteht ein Vertrauensverhältnis zu ihrem Lehrer, wissen die Schüler, dass sie sich auf ihn stützen und verlassen können.

76 Vgl. die Ausführungen über Selbstwert · 1.5.7.4.

77 Spiegel: Habilitationsschrift, S. 457.

78 Vgl. ebd., S. 501.

79 Vgl. Spiegel: Friedenserziehung, Manuskript S. 1.

80 Vgl. Keller; Hafner, S. 13.

81 Vgl. dazu die Ausführungen über die Aufgaben des Religionsunterricht · 1.5.2.

82 Vgl. Albrecht, W.: Glaube, der im Spielen steckt. Religionspädagogische Anliegen zum Thema Spiel und Spielen. In: Katechetische Blätter Albrecht, W.: Glaube, der im Spielen steckt. Religionspädagogische Anliegen zum Thema Spiel und Spielen. In: Katechetische Blätter 3 (1987), S. 657-664, S. 658.

83 Spiegel: Habilitationsschrift, S. 481.

84 Ebd., S. 481.

85 Vgl. dazu den Praxisentwurf · 2.3.4.

86 Die Fähigkeiten des prosozialen Konflikthandelns werden auf drei Ebenen verfolgt: Auf der kognitiven, der affektiven und der konativen, wobei der dritten besondere Bedeutung beim prosozialen Handeln zukommt, weil die kognitiven und affektiven Ziele nur dann Gewicht gewinnen, wenn sie für das lernende Subjekt handlungsrelevant werden und so zur Handlung anleiten können. Vgl. Faller, S. 64.

87 Vgl. dazu die Ausführungen über die praktische Umsetzung anhand einer Unterrichtsreihe über prosoziales Konflikthandeln im Religionsunterricht · Kapitel 2.

88 Walker: Gewaltfreier Umgang mit Konflikte, S. 21.

89 Petillon, H.: Soziale Beziehungen in Schulklassen. Weinheim und Basel 1980, S. 104 f.

90,,Schalom kommt weder zustande durch einen Friedensschluss (...), noch kommt er dadurch zustande, dass Gott in einem besonderen Akt den Frieden gibt oder spendet; dieser Schalom ist vielmehr der Gemeinschaft der Menschen in den kleinen Kreisen eingestiftet, er ist da, wo eine solche kleine Gemeinschaft existiert, er ist das Heilsein dieser Gemeinschaft." Vgl. Westermann, Claus: Der Frieden (Schalom) im Alten Testamen. In: Picht, G.; Tödt, H. E. (Hrsg.): Studien zur Friedensforschung, Band 1, Stuttgart 1969, S. 150-169, S. 154.

91 Prutzman u. a., S. 20.

92 Walker: Gewaltfreier Umgang mit Konflikten, S. 22.

93 Ebd., S. 21. Vgl. dazu die praktische Umsetzung der Eselthematik über Konflikte und Zusammenarbeit · 2.3.4.2.1.

94 Die Bedeutung derselben zeigt Egon Spiegel auf: ,,Dass das Leben gelingt, hängt erheblich von positiven Beziehungserfahrungen ab." Vgl. Spiegel: Habilitationsschrift, S. 453. Bildung, Stuttgart 1976, S. 110. Vgl. dazu auch die Ausführungen über Umsetzungsformen prosozialen Konflikthandelns · 1.5.8.2.

95 Loh, Johannes: ,,...Frieden auf Erden...", S. 85.

96 Vgl. dazu Walker, Jamie: Gewaltfreier Umgang mit Konflikten, S. 43-49; Keller; Hafner, S. 66-69; Prutzman u. a., S. 36-40; S. 75-85; S. 116-121.

97 Vgl. Büttner, Christian: Einübung zum Frieden: Im Spiel Toleranz und Kooperation Lernen. In: Calließ, Jörg; Lob, Reinhard (Hrsg.): Handbuch Praxis der Umwelt- und Friedenserziehung, Band 3, Düsseldorf 1988, S. 450-455, S. 450.

98 Bohnsack, Fritz. In: Kellner; Hafner, S. 52. Horst Hörner definiert Gruppenarbeit folgendermaßen: ,,Gruppenarbeit ist eine zeitlich begrenzte Unterrichtsform, in der sich alle Gruppenmitglieder einem gemeinsamen Ziel verpflichtet fühlen und in polyvalenten Interaktionen entsprechend miteinander kommunizieren." Hörner, Horst: Lernen durch Gespräche im Gruppenunterricht. In: Benz, B.: Beiträge zur Pädagogik in der beruflichen

99 Vgl. Klafki, Wolfgang: Die Methode des Unterrichts in der Erziehung. In: Ders.: Erziehungswissenschaft 2, Weinheim 1980, S. 145. ,,Gruppenarbeit ist der erste Schritt, um auf der Ebene der Schüler Selbständigkeit und Kooperationsfähigkeit zu fördern. Aktivität, Arbeitstempo und -rhytmus werden von den Schülern selbst bestimmt. Leistungsschwächere Schüler werden entlastet, leistungsstärkere werden gefördert, auch in dem sie andere unterstützen. Die Schüler lernen sich besser kennen, lernen gegenseitiges Zuhören, Helfen und Aufeinanderzugehen." Keller; Hafner, S. 53.

100 Watzlawick, Paul; Beavin, J. H.; Jackson, D. D.: Menschliche Kommunikation. Bern 19857, S. 259..

101 Vgl. dazu Keller; Hafner, S. 55.

102 Beziehungsebene: Die Art zu kommunizieren; Inhaltsebene: Kommunikationsstoff.

103 Miller, R.: ,,Das ist ja mal wieder typisch": Kommunikation und Dialog in Schule und Schulverwaltung. 25 Trainingsbausteine. Weinheim-Basel 1995, S. 56-58.

104 Vgl. Spiegel: Habilitationsschrift, S. 181.

105 Abhängig sind diese Rituale der Kommunikation oft von der Beziehung der Kommunizierenden A und B untereinander. In einer symmetrischen Kommunikationsbeziehung sind beide Gesprächspartner gleichberechtigt und verhalten sich kongruent. In der komplementären Kommunikationsbeziehung ist das Verhalten, das A gegenüber B zeigt, B nicht erlaubt, da B A untergeordnet ist. In einer metakomplementären Kommunikationsbeziehung begibt sich A in eine scheinbar untergeordnete Position, behält aber auf der Metaebene dennoch die Oberhand über B. Vgl. Keller; Hafner, S. 59 f.

106 Vgl. die Ausführungen über Lehrer-Schüler-Konflikte · 1.5.3.2.

107 Lehrerbotschaften entsprechen häufig den von Gordon aufgezeigten 12 Straßensperren der Kommunikation. Das sind unangenehme Botschaften, die weiterführende Gespräche blockieren. Sie verlangsamen, hindern und unterbinden den notwendigen Kommunikationsprozess zwischen Lehrern und Schülern:

1. befehlen, kommandieren, anordnen
2. warnen, drohen
3. moralisieren, predigen, ,,müsstest-/solltest-Argumente
4. raten, Lösungen oder Vorschläge machen
5. belehren
6. verurteilen, kritisieren, widersprechen, beschuldigen
7. beschimpfen, Klischees verwenden, etikettieren
8. interpretieren, analysieren, diagnostizieren
9. loben, zustimmen, positiv bewerten
10. beruhigen, mitfühlen, trösten, unterstützen
11. fragen, sondieren, Kreuzverhör-Fragen stellen
12. zurückziehen, ablenken, sarkastisch werden, aufheitern, zerstreuen, Thema wechseln.

Diese 12 Kommunikationssperren sind verbreitete Kommunikationsreaktionen. Vgl. Gordon, S. 51-53.

108 Vgl. Keller; Hafner, S. 60.

109 Vgl. Gordon, S. 194.

110 Prutzman u. a., S. 64.

111 Vgl. Keller; Hafner, S. 62.

112 Ebd., S. 56.

113 Gugel, S. 80. Vgl. Walker: Gewaltfreier Umgang mit Konflikten, S. 50-52; Für den Unterricht sind dazu die Kommunikationsaxiome interessant: Wesentliche Bestandteile der Kommunikation im Unterrichtsgeschehen, an die kommunikationsfördernde Wege ansetzen können sind die Permanenz der Kommunikation, die Beziehungsrelevanz eines jeden kommunizierten Inhaltes, die Festlegung der Kommunizierenden auf bestimmte Rollen, die ökonomische Aufwandesentscheidung der Kommunikationspartner, die Institutionalisierung von Kommunikation, die identitätsbezogene Erwartbarkeit in der Kommunikation, die Ausbildung von Regeln und symmetrischen oder komplementären Rollen, die Unterscheidung von Inhaltsbedeutung und Beziehungsbedeutung einer bestimmten kommunizierten Botschaft, die Kontrollmechanismen von Kommunikation, die Störanfälligkeit und die Zweckorientierung von Kommunikation.

114 Wer sich den Ich-Botschaften anvertraut, vertraut auf einen interaktiven Dritten, eine zwischen den Parteien wirkende Macht. Der Sender übernimmt bei Ich-Botschaften die Verantwortung für das Gesagte und für das Verhalten des Empfängers, sie machen den Empfänger aber auch frei und unabhängig von dem Sender. Du-Botschaften dagegen senden Schuldzuweisungen und negative Wirkungen, der Sender mischt sich dadurch in das Verhalten des Empfängers ein. Ich-Botschaften fördern die Bereitschaft des Senders, sich zu ändern, erhalten keine negative Bewertung des Empfängers und verletzen Beziehungen nicht, sie sind verantwortungsübernehmend Botschaften des Empfängers. Vgl. dazu Spiegel: Habilitationsschrift, S. 57, S. 181; Gordon: Familienkonferenz, S. 112-115; Fittgau,Bernd; Müller-Wolf, Hans-Marin; Schulz von Thun, Friedemann: Kommunizieren lernen (und umlernen). Trainingskonzeptionen und Erfahrungen, Aachen-Hahn 19947, S. 358-362. Dem Hören, bzw. Zuhören kommt in Zusammenhang mit der Kommunikation eine bedeutende Rolle zu: Hören, Zuhören bedeutet, mit jemandem in Kontakt treten, jemanden wahrnehmen und mit jemandem eine Verbindung aufzunehmen. Durch das Hören werden Stimmungen aufgefangen. Bedeutungsvoll ist auch das aktive Zuhören. Damit wird die Fähigkeit bezeichnet, am Mitmenschen so Anteil zu nehmen, dass er sich vom Zuhörer verstanden fühlt. Vgl. Rogers, Carl R.: Lernen in Freiheit. Zur Bildungsreform in Schule und Universität, München 19793.

115 Prutzman u. a., S. 151.

116 Ebd., S. 150.

117 Keller; Hafner, S. 71.

118 Das soll auch durch die Körperhaltung verdeutlicht werden. Der Gesprächspartner darf ausreden, es sollen Verständnisfragen gestellt werden, kurze Zusammenfassungen vom Zuhörer sind sinnvoll und Empathie ist gefragt. Vgl. Keller; Hafner., S. 71 f.

119 Wickler; Wolfgang: Die Biologie der zehn Gebote, München 1971, S. 216.

120 Vgl. Spiegel: Habilitationsschrift, S. 119.

121 Vgl. Keller; Hafner, S. 18 f.

122 Fittkau, u. a.: Kommunizieren lernen, S. 27.

123 Walker: Gewaltfreier Umgang mit Konflikten, S. 20.

124 Die Empathie ist eine bedeutende Eigenschaft, die im Rollenspiel entwickelt, erfahren und geübt werden kann. Der Rolleninhaber muss in der Lage sein, zu prüfen, welche Formen des Verhaltens sich angesichts der jeweiligen Interaktionsbedingungen noch mit den gängigen Interpretationsmustern vereinbaren lassen. Vgl. Krappmann, Lothar: Lernen durch Rollenspiele. In: Kochan, Barbara (Hrsg.): Rollenspiel als Methode sprachlichen und sozialen Lernens, Kronberg 1977, S. 173-193, S. 174.

125 Ebd., S. 50.

126 Vgl. Prutzman u. a., S. 75.

127 Vgl. Walker: Gewaltfreier Umgang mit Konflikten, S. 17.

128 Rogers, S. 114-116.

129 Walker: Gewaltfreier Umgang mit Konflikten, S. 21.

130 Spiele und Übungen siehe in: Walker: Gewaltfreier Umgang mit Konflikten, S. 54-57, Keller; Hafner, S. 69 f.; Prutzman u. a., S. 75-84; S. 158.

131 Vgl. Walker: Gewaltfreier Umgang mit Konflikten, S. 51. ,,Die Bestätigung von sich selbst und anderen steht in engem Zusammenhang mit der Kommunikationsfähigkeit der Kinder. Wer nicht in der Lage ist, andere überhaupt wahrzunehmen, wird sie auch schlecht bestätigen können. In manchen Fällen wird es deshalb sinnvoll sein, die Übungen (...) mit denen zum Thema ,,Kommunikation" abzustimmen.

132 Vgl. Spiegel: Habilitationsschrift, S. 58.

133 Walker: Gewaltfreier Umgang mit Konflikten, S. 75.

134 Ebd., S. 8 f.

135 Walker: Gewaltfreier Umgang, S. 21.

136 Keller; Hafner, S. 52 f.

137 Prutzman u. a., S. 20.

138 Ebd., S. 23; S. 51-63; Walker: Gewaltfreier Umgang mit Konflikten, S. 78-84; Faller; Hafner, S. 66.

139 Ebd., S. 51.

140 Mettner, Matthias; Thiele, Johannes: Entwaffnender Glaube. Frieden als Thema im Religionsunterricht, Jugendarbeit und Erwachsenenbildung, München 1983, S. 19.

141 Spiegel, Egon: Friedenserziehung. In: Rickers, Folkert; Mette, Norbert (Hrsg.): Lexikon der Religionspädagogik. Im Druck, Manuskript S. 4.

142 Spiegel: Friedenserziehung, Manuskript S. 4.

143 Die beiden Formen entstammen der Friedenserziehung in den 50er und 60er Jahren und wurden von F. Hamburger geprägt. Man war bemüht, idealistisch-appellativ völkertrennende Hindernisse abzubauen und die Gemeinschaft zu fördern. Wege waren Austauschprogramme, z. B. zwischen deutschen und französischen Jugendlichen. Der individualistisch-einübende Weg der Friedenserziehung setzte auf die Didaktik des Konfliktes und macht Frieden vom individuellen Verhalten abhängig. Vgl. dazu: Bäumler, Christof; Lämmermann, Godwin; Wagner, Falk; Walter, Alfred: Friedenserziehung als Problem von Theologie und Religionspädagogik, München 1981, S. 25 -28; Hamburger, F.: Friedenspädagogik. Zur Deformation politischer Bildung. In: Bosse, H.; Hamburger, F.: Friedenspädagogik und Dritte Welt. Voraussetzung einer Didaktik des Konflikts, Stuttgart u. a. 1973, S. 10-40, S. 17.

144 Spiegel: Friedenserziehung, Manuskript S. 4.

145 Mette, Norbert: Friedenshandeln erziehen. Thesen zu einer religionspädagogischen Aufgabe. In: Eicher, P. (Hrsg.): Das Evangelium des Friedens. Christen und Aufrüstung, München 1982, S. 165-188, S. 169.

146 Vgl. die Ausführungen über Freunde und Feinde in Rehm-Stephan, Rosmarie: Religionsunterricht im 4. Schuljahr, Freiburg; Basel; Wien, S. 26-41; die Unterrichtsreihe über Recht und Unrecht in Eggers, Theodor; Lange, Günter: Exodus - Religionsunterricht, 3. Schuljahr, München 19845, S. 66-75; Trutwin, Werner; Breuning, Klaus: Zeit der Freude. Unterrichtswerk für den katholischen Religionsunterricht der Jahrgangsstufen 5/6, Düsseldorf 198810, S. 116-132; die Ausführungen über Schuld und Vergebung und Freundschaft in Trutwin, Werner; Breuning, Klaus: Wege des Glaubens. Unterrichtswerk für den katholischen Religionsunterricht der Jahrgangsstufen 7/8, Düsseldorf 198510,S. 93-105 und 159-168; die Reihe über Frieden in Kluge, Jürgen (Hrsg.): Entdeckungen machen, Unterrichtswerk für den evangelischen Religionsunterricht in der Sekundarstufe 1, Band 7/8, Düsseldorf 19915, S. 20- 25; die Ausführungen über Freundschaft in Halbfaß, Hubertus: Religionsbuch für das siebte und achte Schuljahr, Teil 1, 7. Schuljahr, Düsseldorf 1993,, S. 91-98; die Ideen von Krieg und Frieden in Halbfaß, Hubertus: Religionsbuch für das neunte und zehnte Schuljahr, Teil 1, 9. Schuljahr, Düsseldorf 19944, S. 271-278;

147,,So wie Schule z. Z. organisiert und strukturiert ist, bietet sie eher geringe Möglichkeiten, Gewaltphänomene aufzuarbeiten; an vielen Stellen konterkariert die ,,Organisation Schule" sogar entsprechende Bemühungen von Lehrerinnen und Lehrern." Vgl. Schirp, Heinz: Schule und Gewalt. Gestaltung - Öffnung - Reflexion - drei Ansätze zur Gewaltprävention in der Schule. In: Hurrelmann: Gewalt in der Schule, S. 27-58, S. 36.

148 Ebd., S. 27.

149 Ebd., S. 36.

150 Vgl. Spiegel: Habilitationsschrift, S. 413.

151 Vgl. Schirp, S. 50 f.

152 Vgl. ebd., S. 49 f.

153 Ebd., S. 52.

154 Vgl. ebd., S. 52 f.

155 Aufgebe des Schule ist es erziehenden Unterricht durch Selbst- und Welterkenntnis, Urteilsfähigkeit und die Hinführung zum verantwortungsvollem Handeln zu praktizieren. Theologisch-didaktische Grundlage des Religionsunterrichts ist es anhand der Erfahrungswelt der Schüler die christliche Kultur zu erschließen, auf Beispiele gelebten Glaubens zu verweisen und zu christlich-motivertem Handeln anzuleiten. Vgl. Richtlinien S. 12, S. 23.

156 Ideen, die diesen drei Elementen innewohnen, können sein: Authentizität statt medialer Erfahrung, Ernstcharakter des eigenen Lernens und Arbeitens statt folgenlosen Inhalten im Unterricht, Kontinuität von Arbeitsabläufen, Identitätsfindung durch Anbindung an schulische Aktivitäten, Kooperation, Orientierung an Modellen zur Gruppendynamik, Angeboten und Anreize für Handlungsmöglichkeiten, Übernahme von Verantwortung, Aufarbeitung aktueller Probleme, Umgang mit Muli-Kulturalität, Ganzheitlichkeit von Zusammenhängen, Auseinandersetzung mit Beründungen und Modellen sozialen Handelns. Vgl. Schirp, S. 46.

157 Walker: Gewaltfreier Umgang, S. 12.

158 Vgl. dazu die Ausführungen über Konflikte in Beziehungen · 1.5.5.1 und über LehrerSchüler-Konflikte · 1.5.3.2.

159 Vgl. Bucher u. a., S. 20-34.

160 Vgl. Gratzer, S. 27 f.

161 Vgl. Spiegel: Habilitationsschrift, S. 258; Petillon, Hannes: Wie gehen Kinder in den ersten Schuljahren miteinander um? In: Pädagogik und Schule in Ost und West, 40 (1992) S. 65-74; S. 68.

162 Die konfessionelle Trennung erweist sich dabei als Problem, zumal die Religionsgruppe nicht mit der Klasse kongruent ist. Daher besteht ein organisatiorisches Problem, im Religionsunterricht eine Aktionswoche durchzuführen. Diese muss dann entweder klassenintern oder in der gesamten Schule stattfinden, da die Beziehungen und Konstellationen in der Religionsgruppe nicht denen der Klasse entsprechen. Eine Möglichkeit bietet eine fächerübergreifende Aktion zum Thema prosoziale Konflikthandelns. In diesem Zusammenhang erscheint ein ökomenischer Religionsunterricht sinnvoll.

163 Vgl. dazu die Ausführungen über die force vitale als friedensstiftendes Element · 1.3.3.1, über den Zusammenhang zwischen prosozialem Konflikthandeln und dem Gebot der Feindesliebe · 1.4.3 und der Aufgabe des Religionsunterrichts · 1.5.2.

164 Vgl. Richtlinien, S. 21.

165 Hänsel, Dagmar: Was ist Projektunterricht, und wie kann er gemacht werden? In: Ders. : Das Projektbuch Grundschule, Weinheim und Basel 1995, S. 15-50, S. 33.

166 Vgl. dazu die Ausführungen über die Stellung des prosozialen Konflikthandelns im Religionsunterricht · 1.5.8.1

167,,Die Projektmethode fördert eher Zusammenarbeit, Rücksichtnahme und gemeinsames Schaffen als Konkurrenzverhalten." Frey, Karl : Die Projektmethode, Weinheim und Basel 19903, S. 53; Vgl. ebd., S. 12; Gudjons, H.: Was ist Projektunterricht? Begriff - Merkmale - Abgrenzung. In: Westermanns Pädagogische Beiträge 36 (1984), S. 260-266, S. 262 ff.

168 Frey: Projektmethode, S. 25.

169 Vgl. Frey, S. 25 f.

170 Frey betont den Beitrag der Schule zur individuellen Entfaltung und zur gesellschaftlichen Entwicklung. Sie soll das konkrete Verantwortungsbewusstsein der Schüler einüben und entwickeln und das Mitgestalten von Situationen im täglichen Leben als Möglichkeit und Aufgabe erfahrbar machen. Sie soll zudem eine produktive Fantasie fördern, um die Schüler an ihre Bürgerpflichten und -rechte heranzuführen. Gerade dafür scheint ihm die Projektmethode ein geeignetes Mittel, dann mit ihr kann man lernen, ich einem größerem Rahmen selbständig zu handeln. Außerdem sieht er im Projektunterricht die Möglichkeit, Schule und Realität miteinander zu verbinden, die Schule zu öffnen, um so die Kluft zwischen der Welt von Schule und der Welt von Nicht-Schule an einigen Orten zu überbrücken. Vgl. ebd., S. 53.

171 Vgl. http://www.forum-schule.de/fs02/magtma.shmtl

172 Richtlinien, S. 12.

173 Herbart, J. F.: Allgemeine Pädagogik. Hrsg. von H. Hostein, Bochum 1983, S. 63.

174 Prutzman u. a., S. 21; 34 f.

175 Prutzman u. a., S. 24.

176 Ebd., S. 34.

177 Vgl. Walker, Jamie: Gewalt und Konfliktlösungen in Schulen, S. 13 f.

178 Vgl. Keller, S. 62.

179 Vgl. http://www.bildungsserver-nrw.de/mediation3

180 Faller, S. 57.

181 Ebd., S. 57.

182 Vgl. http://www.mediation.Eu/GB/HelenCowie.com

183 Wie bereits in Kapitel 1.2.2 aufgezeigt geht es auch in der Mediation nach folgendem Schema: 1. Klärung der Streitpunkte; 2. Auslösende Konfliktmomente; 3. Kernpunkte und Abhängigkeiten; 4. Ziele aller Parteien; 5. Lösungsvorschläge. Vgl. dazu Gugel; Jäger, S. 76; http://www.konflikte.de.

184 Faller, S. 54.

185 Vgl. zum Verfahren der Mediation auch Faller, S. 33-35, S. 56-61, S 79-81; Keller; Hafner, S. 62-64; Jefferys, K.; Noack, U.: Streiten, Vermitteln, Lösen: Das Schüler-Streit- Schlichterprogramm für die Klassen 5 bis 10 Lichtenau 1995. Die Ursprünge der Mediation gehen zurück auf Fisher, Roger; Ury, William: Das HarvardModell, Frankfurt a. M./New York 1984.

186 Vgl. http://www..mediation.Eu/GB/HelenCowie.com

187 Kiper, Hanna: Kinder üben den qualifizierten Umgang miteinander. Die Arbeit im Klassenrat. In: Grundschule 11 (1999), S. 24-26, S. 24.

188 Kiper sieht den Klassenrat als Element des Kommunizierens. ,,Im Gegensatz zum einfachen Erzählen im Gesprächskreis ist Kommunikation im Klassenrat anspruchsvoll, weil dabei Konflikte unter den Kindern angesprochen werden, in die sie oftmals emotional involviert sind." Vgl. ebd., S. 25.

189 Ebd., S. 4.

190 Harr, Dorothea: Alle reden vom Frieden. In: Christenlehre-Religionsunterricht-Praxis, 3 (1996), S. 53 ff.

191 Spiegel: Gewaltverhältnisse und Gewaltverhalten, S. 319-325.

192 Vgl. Gratzer, S. 103.

193 Vgl. Walker: Gewalt und Konfliktlösungen in Schulen, S. 15.

194 Vgl. Spiegel, Habilitationsschrift, S. 420.

195 Vgl. Harr, Dorothea: Alle reden vom Frieden. In: Christenlehre-Religionsunterricht- Praxis, 3 (1996), S. 54.

196 Ich selber arbeite seit Beginn des Schuljahres 1998/1999 in einer Ganztagsklasse der Schule als freie Mitarbeiterin. Sieben Kinder aus der Religionsgruppe kommen aus dieser Klasse.

197 Der Ganztagszweig an der Grundschule Berg Fidel besteht seit 1992 und ersetzt in dem multikulturellen Stadtteil einen Hort. In jedem Schuljahr gibt es eine Ganztagsklasse, die jeweils von einem Klassenlehrer, einem Erzieher, einem Fachlehrer (bzw. einem Referendar) und drei freien Mitarbeitern betreut wird. Die hohe Mitarbeiterzahl und räumliche Gegebenheiten (neben einem Klassenraum gibt es einen Spieleraum, einen großen Flur, der auch zum Arbeiten und Spielen genutzt wird und als Ausweichmöglichkeit eine große Küche), machen es möglich, ganz anders zu arbeiten als in Vormittagsklassen. In der Zeit von 7. 45 Uhr bis 15. 30 Uhr durchleben die Schüler eine regelmäßige Abwechslung von Spannung und Entspannung, von gelenktem Lernen und freiem Spiel, so dass ein täglich wiederkehrender Rhythmus stattfindet. Gleitender Unterrichtsbeginn, Freie Arbeit, Klein- und Großgruppenarbeit, Projektarbeit, Stationsläufe sind gängige Elemente des differenzierten Lernens im Ganztag.

198 Dieser beträgt über fünfzig Prozent.

199 Neben dieser Möglichkeit gibt es eine evangelische Religionsgruppe, die ca. gleich groß ist sowie eine Ersatzgruppe für die Kinder, die an keinem konfessionellen Religionsunterricht teilnehmen. Diese Gruppe misst die höchste Teilnehmerzahl. Dort werden während der zwei Stunden Religionsunterricht Übungen mit einer Rechtschreibkartei gemacht.

200 Der Klassenrat findet als festgelegtes Ritual immer zur gleichen Zeit am gleichen Wochentag statt. Bei Bedarf werden Sondersitzungen einberufen. Vgl. dazu die Ausführungen über den Klassenrat · 1.5.9.3.2

201 Der Klassenrat besteht als Institution in der Grundschule Berg Fidel in allen Klassen.

202 Eine Ausnahme bildet ein Junge, der erst zu Beginn der Unterrichtseinheit in die Ganztagsklasse gekommen ist. Er hat in der Klasse eine Außenseiterrolle und wird gehänselt In der Religionsgruppe wird er stillschweigend geduldet.

203 Vgl. dazu die Ausführungen über die Abgrenzung einer Gruppe gegenüber anderen Gruppen · 1.5.3.1.

204 Vgl. dazu die Merkmale effektiver Gruppen · 1.5.3.1.

205 Die Schüler der Religionsgruppe, sowohl Ganztagskinder als auch Vormittagsschüler verhalten sich hinsichtlich des Lernens verantwortlich. In offenen Unterrichtsphasen arbeiten die Schüler meist überaus engagiert und interessiert.

206 Vgl. dazu die Ausführungen über das Entstehen von Kinder-Konflikten · 1.3.1.1

207 Die aufgeführten Beispiele entstammen meinen Beobachtungen in der Religionsgruppe im Januar und Februar dieses Jahres.

208 Vgl. dazu die Ausführungen über Erziehenden Unterricht als Aufgabe der Grundschule · 1.4.4.2.

209 Bereits bestehende Elemente sind der Klassenrat, aber auch gemeinschaftsfördernde Elemente in den Klassen, wie Gruppen- und Partnerarbeit, Projekte, offene Unterrichtsphasen, die den Selbstwert ansprechen usw.

210 Vgl. Richtlinien, S. 44.

211 Vgl. dazu die Ausführungen über die force vitale unter 1.3.3.1.

212 Vgl. Spiegel: Habilitationsschrift, S. 479-481.

213 Vgl. Abb. 29a und 29b in Spiegel: Habilitationsschrift, S. 464 f.

214 Vgl. dazu die Ausführungen über die Bedeutung von Gemeinschaft für das prosoziale Konflikthandeln · 1.5.7.1.

215 Vgl. Bohnsack, Fritz. In: Keller; Hafner, S. 52.

216 Der Sitzkreis (aus vier Turnbänken zusammengestellt) ist eine feste Einrichtung der Gruppe, in der jede Religionsstunde beginnt.

217 Es wird ein Handkreis gebildet und an einer Stelle geöffnet. Die letzte Person bleibt stehen und die erste Person zieht die Kette hinter sich her und wickelt die Gruppe so auf, dass eine enge Spirale entsteht. Der Spieler in der Kreismitte sucht sich einen Weg aus der Schnecke heraus und zieht die anderen hinter sich her. Vgl. Pöllinger, Martina; Dickert, Hans- Ludwig: Spielträume. Das Spielebuch für Allrounder, Band 1, Düsseldorf 1955, S. 41 f.

218 Carsten ist der Religionslehrer der Gruppe.

219 Vgl. dazu die Ausführungen über Gemeinschaftsfähigkeit · 1.5.7.1.

220 Zwei Kinder fehlten.

221 Das Lied spricht die Gefühlsebene in gelingenden Beziehungen und Gemeinschaften an. ,,Religiöse Deutungen, die religiöse Überhöhung, die Heilig-Sprechung einer gelingenden Beziehungserfahrung ereignen sich bei Kindern dieses Altern auf der Ebene des Gefühls, gehen über den ,,Bauch", wie in den ersten drei Strophen des Kindermutmachliedes deutlich wird". Spiegel: Habilitationsschrift, S. 481.

222 Es gibt keine Regelung für die Benutzung der Tischtennisplatte, da die Kinder zusammen spielen sollen. Doch kommt es dadurch häufig zu Konflikten - vor allem zwischen den Schülern der vierten Klassen.

223 Vgl. dazu die Ausführungen zu dieser Abbildung im Zusammenhang mit Gemeinschaftsfähigkeit · 1.5.7.1 Dieser Stundenverlauf ist angelehnt an einen Vorschlag von Jamie Walker. Vgl. Walker: Gewaltfreier Umgang, S. 21 f, S. 106 f.

224 Das ursprüngliche Bild besteht aus sechs Teilbildern, jedoch bleiben die letzten beiden Bilder, die die Lösung des Eselkonfliktes darstellen, bedeckt.

225 Walker, S. 107.

226 Bei dem Kreisspiel ,,Gewitterregen" ahmen die Kinder die Geräusche des Gewitterregens nach. Der Spielleiter beginnt und reibt beide Hände gegeneinander. Das Kind neben ihm ahmt dies nach und so geht das Händereiben im Kreis herum. Währenddessen schnippt der Spielleiter mit den Fingern und sobald der Spielleiter ein Kind anschaut, macht dies das Schnippen nach, so dass auch dieses Geräusch im Kreis herum geht. Dabei setzt der Spielleiter mit einem Klatschen auf die Oberschenkel ein und der Höhepunkt des Gewittersturms ist erreicht, wenn die Runde mit dem Füßen stampft. Dann legt sich der Sturm wieder und die Geräusche ebben der Reihenfolge nach ab, bis zum Schluss Stille einkehrt. Vgl. dazu Prutzman u. a., S. 60.

227 Der Stationslauf erstreckt sich über zwei Unterrichtsstunden, damit eine intensive Auseinandersetzung mit den Stationen gewährleistet ist. Der erste Teil findet am Donnerstag, der zweite am darauffolgenden Freitag statt. In der Freitagsstunde sollen die Schüler nach einem gemeinsamen Einstieg selbständig dort weiterarbeiten, wo sie Donnerstag aufgehört haben.

228 Bei Stationslernen besuchen die Kindern Stationen mit verschiedenen Aufgaben und Angeboten, an denen sie selbständig und in beliebiger Reihenfolge arbeiten können. Die Schüler wählen in einem zeitlich festgelegten Rahmen die Stationen, die sie interessieren. ,,Oberstes Ziel ist , den Kindern ein optimales Lernen zu ermöglichen, indem die Aktivität beim Lernen auch vom Lernenden, also vom Kind, ausgehen soll." Bauer, Roland: Lernen an Stationen in der Grundschule. Ein Weg zum kindgerechten Lernen, Berlin 20005, S. 27 f.

229 Vgl. ebd., S. 28 f.

230 Die Aula ist zweigeteilt: In einem Teil ist vorübergehend eine Klasse mit albanischen Kindern untergebracht, so dass dieser Teil zur Zeit als Klassenraum genutzt wird . Dieser provisorische Klassenraum ist mit Stellwänden von dem übrigen Teil der Aula getrennt. Dort stehen Sitzkisten, der Boden ist mit Teppichboden ausgelegt und es gibt eine kleine Bühne hinter einem Vorhang.

231 Vgl. dazu die Ausführungen über Konfliktlösen auf individueller Ebene · 1.3.3.2.1

232 Steinwede, Dietrich, Ryssel, Ingrid: Freundschaft spielen und erzählen. Kinder begleiten in Schule, Gemeinde und Familie, Gütersloh 1996, S. 35.

233 siehe Anhang

234 Vgl. dazu die Ausführungen über Konfliktlösen · 1.3.3.2.

235 Vgl. Walker, Jamie: Gewaltfreier Umgang, S. 67 und S. 70.

236 Vgl. ebd., S. 82.

237 Kochan, Barbara (Hrsg.): Rollenspiel als Methode sprachlichen und sozialen Lernens, Kronberg 1977, S. 7.

238 Die Kinder kennen die Unterrichtsform Stationslernen unter dem Begriff Rundlauf.

239 Alle Gruppen haben sich den kurzen Wortwechsel auf der Kassette mehrmals angehört Dies nicht nur, um dem Inhalt zu folgen, sondern auch um herauszufinden, wer die Sprecher auf der Kassette sein könnten, nachdem ich erwähnt habe, dass ich das Hörspiel selber aufgenommen habe. Dadurch wurde der eigene Tatendrang der kleinen Zuhörer beflügelt und innerhalb der nächsten Woche brachten zwei Schüler selbst ausgedachte aufgenommene Hörspiele mit in die Schule.

240 Vgl. 1.3.3.2.

241 Diese Schüler gehen also vom Sinn der Nullsummentheorie aus.

242 Als Signal für den Beginn und das Ende eines jeden Rollenspiels lässt die Gruppe einen Gong erklingen. Die Zuschauer wissen dann genau, wann es los geht. Dadurch wird vermieden, dass die Vor- und eventuelle Zwischenbesprechung der Darsteller nicht vom eigentlichen Rollenspiel unterschieden werden kann.

243 Vystrcil, Frantisek: Ein Platz an der Sonne; Zeichentrickfilm, 16 mm, 9 Minuten, CSSR 1959.

244 Inhalt des tonlosen Zeichentrickfilms (der letzte kursiv gedruckte Teil wurde in der Unterrichtsstunde nicht gezeigt): Eine weiße waagerechte Linie auf rotem Grund bewegt sich in Spiralen und Schlangen. Sie wird schließlich zu einer senkrechten Geraden aus der sich zwei Wolken und Umrisse einer Sonne bilden. Von ihr stammt auf dem Erdboden ein roter runder Fleck. Bald entstehen aus der weißen senkrechten Linie zwei Strichfiguren. Die rechte Figur entkleidet sich und macht einige Turnübungen. Die linke Figur macht es ihr nach. Mit einer Geste bieten beide einander einen Platz auf dem Sonnenfleck an. Sie setzen sich. Wenig später tauschen sie ihre Plätze. Als die eine Figur einen Platzwechsel versucht, wird er von der anderen verweigert. Daraufhin beginnt der Streit um den Sonnenfleck. Beide Männchen übertreffen einander mit Gehässigkeiten. Schließlich reißen die beiden einander den Sonnenfleck weg. Um sich zu verteidigen, nimmt eine Strichfigur schließlich eine Wolke als Stock und droht damit. Als die vertriebene Figur sich zögernd dem Sonnenplatz nähert und ihre Füße auf den äußeren Rand schiebt, schlägt die andere mit dem Stock zu, ohne zu treffen. Daraufhin holt sich die geärgerte Figur die zweite Wolke als See und badet genüsslich, während die andere zuschaut. Vorsichtig will er auch in den See steigen, doch das Gegenüber hat den See inzwischen weggenommen. Weitere Attacken beiderseits führen zur Eskalation. Die Wellenlinie, die den See markiert, wird zur Abdunkelung der Sonne benutzt. Der Sonnenfleck verschwindet - beide Figuren zerren an der Sonne, bis diese in zwei Stücke zerreißt. Darauf zieht einer der beiden einen schwarzen Vorhang vor die Sonne, so dass der andere im Dunkeln steht. Der macht dies nach - es wird ganz dunkel. (Nach anfänglicher Freude und Erstaunen stellen die beiden Akteure die Dunkelheit und Kälte um sich herum fest. Sie zittern vor Kälte und rücken einander näher. Sie weinen und streicheln sich. Endlich wird ein blauer Strahl in der Mitte der schwarzen Bildfläche sichtbar. Mit vereinten Kräften schieben sie die erste Hälfte des schwarzen Vorhangs beiseite. Der linke Sonnenfleck wird zunächst sichtbar, bald darauf auch der rechte. Die beiden schlagen vor Freude Rad, rücken die zwei Sonnenflecke zu einem großen zusammen und stellen so die ursprüngliche Situation wieder her. Zur Versöhnung reichen sie sich die Hände. Vergnügt setzen sie sich nebeneinander in die Sonne.) Vgl. Brockmann, Gerhard; Veit, Reinhard: Mit Kurzfilmen arbeiten 1. Analysen, Methoden, Arbeitsblätter zu acht Kurzfilmen, Einsiedeln 1981, S. 60- 61.

245 Vgl. 2.2. 246 Vgl. 2.2.

247 Vgl. Marlie, Tobias, S. 154 f.

248 Vgl. Richtlinien, S. 21.

249 Marlie, Tobias, S. 155.

250 Halbfaß: Das dritte Auge, S. 165 f.

Ende der Leseprobe aus 128 Seiten

Details

Titel
Prosoziales Konflikthandeln - Ein Beitrag des Religionsunterrichts
Hochschule
Universität Münster
Note
1,0
Autor
Jahr
2000
Seiten
128
Katalognummer
V99820
ISBN (eBook)
9783638982566
Dateigröße
991 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Prosoziales, Konflikthandeln, Beitrag, Religionsunterrichts
Arbeit zitieren
Maya Gaupels (Autor:in), 2000, Prosoziales Konflikthandeln - Ein Beitrag des Religionsunterrichts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99820

Kommentare

  • Gast am 15.4.2003

    Prosoziales Konflikthandeln.

    Gelungene Anregungen und tolle Formulierungen. Hat mir sehr geholfen. Danke! Ede

  • Gast am 15.4.2003

    Frau.

    super arbeit. tolle ideen und gut umzusetzen! Vor allem die theoretischen ausführungen über gewalt und deren entstehung sowie der praxisteil sind gelungen.

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Titel: Prosoziales Konflikthandeln - Ein Beitrag des Religionsunterrichts



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