Funktionsanalytische Interpretation des Personalmanagements der Scientology Organisation


Hausarbeit, 2000

12 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1.Die Scientology Organisation
1.1 Geschichtlicher Hintergrund der Scientology Organisation
1.2 Die Organisationsstruktur der Scientology Organisation
1.3 Die Ideologie der Scientology Organisation

2.Besonderheiten der Personalpolitik der Scientology Organisation
2.1 Theoretische Grundlagen
2.1.1 Die ingenieur-kybernetische Technologielehre
2.1.2 Die verhaltenspsychologische Grundlage
2.1.3 Das „Auditing“
2.2 Organisationsidentität
2.3 Organisationsziele
2.4 Ethikabteilung der Scientology Organisation

3.Funktionen des Personalmanagements im Vergleich
3.1 Personalwerbung
3.2 Personalauswahl und -beurteilung
3.3 Personalanreizgestaltung
3.4 Personalentwicklung
3.5 Personalfreisetzung

4.Fazit

5.Quellenverzeichnis

1. Einleitung

„Sie nutzen nur 10 % ihres geistigen Potentials“, wer hat diesen Satz zusammen mit einem Bild Albert Einsteins noch nicht auf einem der unzähligen Flugblätter der Scientology Organi- sation gelesen, die regelmäßig im Briefkasten liegen oder auf der Straße verteilt werden.

Ich möchte im folgenden nicht die wissenschaftlichen Inhalte oder bestimmte Praktiken der Scientology Organisation untersuchen, sondern werde mich vorwiegend den Mitarbeitern widmen, die hinter der Organisation stehen, d.h. zum Beispiel jene Menschen, welche diese Flugblätter verteilen.

Scientology gibt an, rund 10.000 vertraglich gebundene Mitarbeiter zu beschäftigen (1). Jedoch gilt bei dieser Angabe das generelle Problem aller empirischen Aussagen der Organisation, dass eine wahrheitsgemäße Überprüfung nicht möglich ist.

Ein so großes Wirtschaftsunternehmen, wie es die Scientology Organisation darstellt, bedarf einer eigenen Personalpolitik. Im folgenden werde ich die Besonderheiten der scientologi- schen Personalpolitik aufzeigen, indem ich zu Beginn kurz die bedeutendsten Kennzeichen der von Scientology angewandten Lern- und Verhaltenstheorien und -techniken erkläre.

Anschließend werde ich mich mit der Organisationsidentität und den Scientology-Zielen befassen, die ebenfalls kennzeichnend für die Personalpolitik bzw. das Personalmanagement sind. Im darauffolgenden Abschnitt möchte ich zusammenfassend das scientologische Rechtssystem darstellen, das eine wesentliche Grundlage für das Personalmanagement beschreibt, und kurz mit dem deutschen Arbeitsrecht vergleichen.

Im vierten Teil werde ich jeweils auf die einzelnen Personalmanagementfunktionen eingehen, und zwar auf die Personalwerbung, -auswahl und -beurteilung, -anreizgestaltung, -entwick- lung und -freisetzung. Dabei werde ich die scientologische Vorgehensweise nach möglichen Abweichungen gegenüber eines „normalen“ Managements untersuchen und versuchen, diese Besonderheiten zu interpretieren.

Doch zunächst möchte ich zusammenfassend die Scientology Organisation darstellen, um so allgemeine Hintergrundinformationen für die weitere Analyse zu geben.

2. Die Scientology Organisation

2.1 Geschichtlicher Hintergrund der Scientology Organisation

Den Grundstein der Scientology Organisation stellt das Buch „Dianetik – Der Leitfaden für den menschlichen Verstand“ dar, welches 1950 von Lafayette Ronald Hubbard (1911 – 1986) ver- öffentlicht wurde. Im selben Jahr wurde das erste Dianetische Zentrum in New Jersey gegrün- det, um die Umsetzung der in diesem Dianetik-Buch beschriebenen Selbsthilfemethode zur Verwirklichung der eigenen Fähigkeiten zu ermöglichen. 1954 gründet Ron Hubbard die erste offizielle „Scientology Church“ in Los Angeles, nachdem Probleme mit der amerikanischen Steuerbehörde aufgetreten waren. Fünf Jahre später verlegte er sein Hauptquartier nach Süd- england, auf Schloss Saint Hill Manor in Sussex. Nachdem 1968 Großbritannien ein Einreise- verbot über Hubbard verhängte, wählte er sein neues Domizil auf seinem Flaggschiff „Apollo“ und gründete die „Sea-Org“, eine militärisch organisierte Eliteeinheit. Gleichzeitig wurde die

„Messenger Org“ gegründet, die einzig der Befehlsübermittlung von Ron Hubbard an die Scientology Organisation dienen soll, doch bald schleichend die Macht an sich zieht. 1980 taucht Hubbard unter und zwei Jahre später übernimmt David Miscavige, ein ehemaliges Mit- glied der „Messenger Org“, offiziell die Leitung der Scientology Organisation.

2.2 Die Organisationsstruktur der Scientology Organisation

Die Scientology Organisation ist streng hierarchisch und zentralistisch aufgebaut. Als oberste Befehlszentrale steht das Religious-Technology-Center (RTC), das 1982 in Los Angeles ge- gründet wurde, um die Vermarktung der „Technologien“ (Ideen und Praktiken) von Ron Hubbard zu kontrollieren. Der Chef des RTC ist David Miscavige. Die nächste Hierarchieebene stellt das Internationale Management dar, das für jeden Sektor Strategien, Programme und Empfehlungen entwickelt und die einzelnen Sektoren miteinander koordiniert. In dem Internati- onalen Management ist das „Watchdog Committee“ (WDC) integriert, welches als Inspektions- und Überwachungs-organ der Scientology Organisation gilt. Das WDC leitet das Management mit Hilfe verschiedener Führungskanäle; als Führungskanäle gelten unter anderem die „Sea- Org“ und das World Institut of Scientology Enterprise (WISE), das seit 1979 die oben erwähn- ten Technologien vermarktet.

Die Scientology Organisation ist mit ihren Unterorganisationen wie ein Wirtschaftskonzern or- ganisiert. Es gibt eine Vielzahl von Einzel- und Unterorganisationen, die in ihrem Namen den Begriff „Scientology“ nicht führen, also nicht zum eigentlichen Konzern gehören, aber dennoch von diesem über Kommissions- und Franchising-Verträge(2) streng kontrolliert werden.

Hubbards Erfahrungen aus seiner Dienstzeit bei der Marine spiegeln sich nicht nur im Aufbau, sondern auch im Führungsstil der Scientology Organisation wieder. Aussteiger vergleichen das interne Betriebssystem mit einer „Militärdiktatur“(3). Die einzelnen Mitglieder sind einem stren- gen Kontroll- und Disziplinarsystem unterworfen, das nach den Grundsätzen von Befehl und unbedingtem Gehorsam funktioniert. Die Logik, welche sich dahinter verbirgt, ist einfach: „Da Scientology die totale Freiheit bringt, hat sie auch das Recht, die totale Unterordnung zu for- dern“ (Hubbard). Durch die rigide Aufgabenteilung und die strikten Befehlsmechanismen ist eine Kontrolle der Aktivitäten der Organisation und vor allem ihrer Führungsebenen durch die einfachen Mitglieder und Mitarbeiter nahe zu unmöglich.

2.3 Die Ideologie der Scientology Organisation

Hubbard behauptete, dass der Mensch aus drei Teilen bestehe, und zwar aus Körper, Verstand und dem Geisteswesen „Thetan“, der so etwas wie die Seele des Menschen ist. Der Thetan befinde sich im Körper und besitze den Verstand, der sich in einen „reaktiven“ und ei- nen „analytischen“ Teil aufspalte. Im reaktiven Teil werden alle negativen und schmerzhaften Erfahrungen als sogenannte „Engramme“ in Form elektrischer Ladung gespeichert. Weiter hin- dere der reaktive Teil des Verstandes den analytischen, positiv zu handeln. Folglich zielt die scientologische Methode darauf, den reaktiven Verstand zu eliminieren, damit der Mensch den „clear“-Zustand (d.h. von allen negativen Erfahrungen befreit) erreicht. Die Beseitigung der sich im reaktiven Teil befindenden Engramme erfolgt durch das sogenannte „Auditing“ (das im nächsten Kapitel genauer beschrieben wird).

Im weiteren Verlauf des Verfahrens soll der Thetan seine unbegrenzten Fähigkeiten zurücker-

halten, diese Schritte werden als „OT-Stufen“ bezeichnet (OT steht für „Operierender Thetan“). Ein OT besitze dann – je nach Stufe – unterschiedliche Fähigkeiten; er könne seine Umgebung kontrollieren und unterläge keinen Einschränkungen mehr. Diesen Weg über bestimmte Erfah- rungsstufen bezeichnete Hubbard als „die Brücke zur völligen Freiheit“.

3. Besonderheiten der Personalpolitik der Scientology Organisation

Die Scientology Organisation ist zwar wie ein Wirtschaftsunternehmen aufgebaut und agiert auch als solches, dennoch hat sie den zweifelhaften Status einer Religionsgemeinschaft. Die- ser besondere Status, welcher ihr vor allem rechtliche und steuerrechtliche Vorteile bringt, und das scientologische Menschenbild mit den daraus folgenden Praktiken und Gesetzen unter- scheiden die Scientology Organisation von anderen Wirtschaftsunternehmen.

3.1 Theoretische Grundlagen

3.1.1 Die ingenieur-kybernetische Technologielehre

Die Lehre der „Technologie“, die das Scientology System bestimmt, geht davon aus, dass der Mensch wie eine Maschine zu bedienen sei. Eine Maschine, die umprogrammiert wird (also in den „clear“-Zustand gebracht wird) und durch das scientologische Verfahren zur perfekten Funktion und Stärke gelangt.

Entsprechend diesem Mensch-Maschine-Modell sah sich Ron Hubbard selbst als „Ingeni- eur“(4). Hubbards Lehre zur Veränderung des Menschen, die er in seinem Buch „Dianetik“ be- schrieb, knüpft also unmittelbar an die Kommunikations- und Steuerungstechnik der Kybernetik (Regelungstechnik) an. Er überträgt das ingenieurtechnische Modell der Kontrolle, des Lernens und der Kommunikation auf den Menschen. Dies sieht man zum Beispiel an der Neudefinition aller Wörter der sozialen Fähigkeiten des Menschen durch maschinentechnische Funktions- begriffe (z.B. der scientologische Begriff „downstat“ bezeichnet einen Mitarbeiter, der krank oder verwirrt ist – Grund für diese Definition ist dessen niedrige Produktionsstatistik, die so niedrig ist, weil er sich nicht ausreichend seiner Arbeit widmen kann).

Und mit Hilfe der Kontrolltechnologie sollen alle Abläufe der Scientology Organisation prob- lemlos gesteuert werden; dabei wird bei der Kontrolle nicht differenziert, ob Maschinen oder Menschen auf ihr perfektes Funktionieren geprüft werden. Die Mitarbeiter werden von Ron Hubbard zwar als „live organization“ bezeichnet, wobei jedoch keine Rücksicht auf die persön- lichen Bedürfnisse genommen wird und der Mitarbeiter den Abläufen und Steuerungsmecha- nismen unterworfen ist (HCO PL vom 2.11.1970, neu herausgegeben am 10.10.1980).

Laut Hubbard verdanke eine „gute“ scientologische Organisation ihre Existenz und ihren Erfolg dem richtigen Zusammenwirken von drei Organisationsfaktoren, und zwar der Ethik, der Tech- nik und der Administration. Folgende Gesetzmäßigkeiten seien zu beobachten: Erst wenn die Mitarbeiter sich ethnisch verhalten, d.h. allen Befehle des Systems widerspruchslos gehorchen, ist es möglich die „Technologie“ durchzuführen. Die Technologie ihrerseits gilt als Vorausset- zung, um das administrative Reglement durchzusetzen. Dieses eigene „Managementgrundge- setz“ spiegelt sich in den vielen Richtlinienbriefen aus Hubbards Kommunikationsbüro („HCO PL“) wieder.

3.1.2 Die verhaltenspsychologische Grundlage

Das Dianetikbuch basiert auf den Verhaltens- und Lerntheorien des Behaviorismus, einer na- turwissenschaftlich ausgerichteten Richtung der Psychologie und Pädagogik. Die behavioristi- schen Lerntheorien erklären Lernen als Verhaltensänderung aufgrund eines Ereignisses und beschäftigen sich deshalb mit dem Reiz-Reaktionsschema, das der Verhaltensänderung zugrunde liegt. Gemäß diesem Schemas folgt einem speziellen Reiz unweigerlich eine be- stimmte Reaktion. Weiter lassen sich durch ein konsequentes Feedback, also eine Belohnung oder Bestrafung, die kognitiven Fähigkeiten des Menschen beeinflussen (kognitiver Behavio- rismus). Dieses Lernverfahren erinnert manchmal an eine Dressur. Scientology wendet ein ähnlich verhaltenspsychologisches Verfahren an, um ihre Mitglieder gehorsam zu machen. Durch eine aus scientologischer Sicht geschickten Täuschung fällt es den Mitgliedern schwer, zwischen normaler Pädagogik und Manipulation bzw. Gehirnwäsche zu unterscheiden.

3.1.3 Das „Auditing“

Das Kunstwort „Auditing“ stammt von dem lateinischen Wort „audire“ (=zuhören) ab. Die Scientology Organisation bezeichnet diese psychotechnische Therapie auch als „Beichte“ oder „Seelsorge“. Das Auditing dient dazu, die Engramme zu beseitigen, das sind schmerzhafte Er- fahrungen, welche angeblich zu psychosomatischen Leiden führen sollen. Während des Audi- ting-Verfahrens soll der „zu Klärende“ („Preclear“) dem Auditor von bestimmten Situationen er- zählen, die für ihn unangenehm war und ihn jetzt noch schwer belasten. Um die „Beichte“ zu erleichtern, wird der „Preclear“ zu Beginn der Sitzung in einen hypnotischen Zustand versetzt. Zusätzlich setzt der Auditor das sogenannte „E-Meter“ als Kontrollinstrument ein. Das „E- Meter“-Gerät misst den Hautwiderstand und wirkt wie ein Lügendetektor. Es soll dem Auditor helfen zu erkennen, wo ein Engramm vorliegt, ob es sich abschwächt und wann es gelöscht ist. Alle Aussagen des „Preclear“ werden ausführlich in einem Sitzungsprotokoll festgehalten. Be- gleitend zum Auditing nimmt das Mitglied oft an weiteren Kursen und „Reinigungsprogrammen“ teil. Erst wenn alle Engramme beseitig wurden erreicht der „Preclear“ den ersehnten „Clear“- Zustand.

3.2 Organisationsidentität

Eine andere Besonderheit, welche die Scientology Organisation von den anderen Unterneh- men hervorhebt, stellt ihre stark ausgeprägte Unternehmens- oder Organisationsidentität dar. Unter einer Unternehmensidentität (Corporate Identity) versteht man im allgemeinen „grundle- gende Maßnahmen, mit denen sich die Unternehmung in einem geschlossenen Konzept dem In-, Zwischen- und Umsystem darstellt“(5). Das Identitätskonzept besteht aus dem systemati- schen Einsatz aller Kommunikationsinstrumente und aller visuellen Elemente, wie Firmenzei- chen oder Firmenfarbe (z.B. Coca-Cola-Rot), und einer einheitlichen Ausrichtung der Verhal- tensweisen der Mitglieder nach innen und außen. Ziel dieses Konzepts ist die Bildung eines „Wir-Gefühls“ unter den Mitarbeitern und eine damit verbundene Motivations- und Arbeitszu- friedenheitssteigerung.

Die Scientology Organisation nutzt nicht nur alle allgemein bekannten Kommunikationsinstru- mente (Ausführlicheres dazu im nächsten Teil unter Personalwerbung), sondern wendet die ei- gene Sprache als speziell scientologisches Kommunikationsinstrument an. In der Organisation werden zwei Sprachen nebeneinander benutzt, eine allgemeinverständliche in den für die Öf- fentlichkeit bestimmten Schriften und eine organisationsinterne Sondersprache, die wie bereits erwähnt viele technische Fachbegriffe enthält. Diese Sondersprache dient nicht nur der Ab- schottung, sondern soll auch die Mitglieder enger an die Organisation binden und ermöglicht, ihr Denken zu steuern und kontrollieren. Allgemeine Begriffe wurden neudefiniert und haben für den Scientologen nun einen zum Teil völlig anderen Sinn (siehe z.B. Fachwortsammlung für Dianetics und Scientology), dadurch wird die Kommunikation zwischen Scientologen und Nichtscientologen sehr erschwert, wenn nicht unmöglich. Folglich sind zufriedenstellende Ge- spräche nur unter Scientologen möglich, was den Zusammenhalt und das „Wir-Gefühl“ wesent- lich verstärkt.

Scientology arbeitet ebenfalls sehr stark mit Symbolen und Logos, jedoch werden auch diese vorwiegend organisationsintern verwendet, da sich die Organisation aufgrund ihres schlechten Rufes bei ihren Aktionen nach außen häufig tarnt.

Durch das scientologische Verfahren wird den Mitgliedern nicht nur eine eigene Sprache beige- bracht, sondern auch gelehrt und geübt, wie sie sich gegenüber Kunden, Scientologen und Kri- tikern zu verhalten haben. Somit wird auch das Handeln der Mitglieder steuer- und kontrollier- bar.

3.3 Organisationsziele

Die Scientology Organisation strebt das irrealistische Ziel „Clear World“ an, d.h. eine in ihrer Vorstellung vollkommene neue Welt, in der jeder die scientologischen Ideen und Praktiken an- gewendet. Auf den Weg dort hin gilt es die bestehenden staatlichen und gesellschaftlichen In- stitutionen zu übernehmen und scientologisch umzuprogrammieren.

Allgemein ist zu sagen, dass Scientology nach möglichst viel Geld und dem sich daraus erge- benden Einfluss strebt. Besonders unter der Führung von David Miscavige scheinen allein die Umsätze wichtig zu sein, und die ideologischen Fantasievorstellungen von Ron Hubbard wur- den immer weiter in den Hintergrund gedrängt. So verlangten die Richtlinienbriefe zu Ron Hubbards Zeiten noch Dienstleistungen anzubieten, Preclears zu auditieren und Studenten auszubilden; doch jetzt wird nur noch Verkauf und Expansion gefordert.

Dass sich das Organisationsziel einzig auf Geldverdienen und der Sicherung der Macht be- schränkt, wird auch im Umgang mit den Mitarbeiten deutlich sichtbar. Es wird auf den einzel- nen Mitarbeiter ein hoher psychologischer Erfolgsdruck ausgeübt; ist ein Scientology unpro- duktiv und erfolglos, so drohen ihm Strafen. Dies beweist am besten Ron Hubbards Motto: „Wir haben Sie lieber tot als unfähig“.

Ein wesentlicher Gegensatz zur Personalpolitik anderen Unternehmen, die meist eine kosten- orientierte Operrationalisierung anstreben, stellt die rein ergebnisorientierte Scientology Orga- nisation dar. Da die Personalkosten der Organisation ohnehin niedrig gehalten werden zum Beispiel durch sehr geringe Entlohnung und keine Sozialversicherungsabgaben, konzentriert sich die Personalpolitik einzig darauf, dass die Mitarbeiter erfolgreich verkaufen und viele neue Mitglieder werben. Diese einseitige Zielsetzung ist nur deshalb möglich, da die Scientology Organisation keine externen Einflussgrößen, wie Konkurrenzunternehmen, Arbeit- geberverbände, Gewerkschaften und staatliche Regelungen, beachten muss. Durch die einzig- artige Kombination einer Ideologie und eigener Gesellschaft und einem Wirtschaftsunterneh- men hat sich Scientology eine Monopolstellung geschaffen.

3.4 Ethikabteilung der Scientology Organisation

„Ethik“ im scientologischem Sinn beruht auf zwei wichtigen Begriffen: gut und böse. Gut ist et- was, das mehr nützt als schadet. Und nützen soll es natürlich der Scientology Organisation. Man kann sagen, dass der Zweck von „Ethik“ darin besteht, “Gegenabsichten aus der Umge- bung zu entfernen“(6). Das bedeutet, dass alles Denken und Handeln, das Scientology im Wege steht, bekämpft werden soll. Dieses „Schwarz-Weiß-Denken“ zeigt sich in der gesamten Orga- nisationsstruktur von Scientology wieder, überall werden die „Guten“ von den „Bösen“ unter- schieden und das „Schlechte“ aufgespürt und entfernt. Dieses Verfahren kommt uns bereits aus dem Auditing bekannt vor, wo alle schlechten Engramme ausgelöscht werden sollen. Ein weiteres Beispiel ist, dass schlechte Verkäufer ebenfalls ausgesondert werden, damit sie durch die Teilnahme an weiteren Kursen zu besseren Verkäufern werden.

Die „Ethik“ wird mit Hilfe einer Vielzahl von Vorschriften durchgesetzt, die oft unverhältnismäßig harte Strafen (Zwangsarbeit, etc.) für nur kleine Abweichungen vom Reglement der Scientology Organisation beinhalten. Manchmal kommt es beim Vollzug von Ethik-Sanktionen sogar zu Menschenrechtsverletzungen. Doch die Ethik-Vorschriften verbieten es den Mitarbeitern, eine Zivilklage zu beginnen, ohne zuvor die Ethikabteilung gefragt zu haben. Somit setzt die Scien- tology Organisation den Rechtsstaat für ihre Mitarbeiter außer Kraft.

Ron Hubbards Worte sprechen für sich: „Niemand von uns richtet oder straft gern. Aber wahr- scheinlich sind wir die einzigen Menschen auf Erden, die das Recht haben, zu bestrafen...“(7)

Für die Durchsetzung der Ethik-Vorschriften in der Scientology Organisation sorgen verschie- dene Einrichtungen; für die interne Kontrolle sind „Ethik- Offiziere der Ethik-Abteilung“, ein „Ethik- Gericht und ein „Komitee der Beweisaufnahme“, das mit interner richterlicher Vollmacht ausgestattet ist, zuständig. Die Mitarbeiter müssen regelmäßig Wissensberichte anfertigen, die vom Verhalten anderer Mitarbeiter berichten, d.h. sie müssen die anderen bespitzeln. Abwei- chendes Verhalten der Mitarbeiter wird sofort geahndet. Die Ethikabteilung fungiert als inner Führungsabteilung. Ihre Akten enthalten Informationen, die einer Personalakte nicht beigehef- tet werden dürften. Durch die Informationen, welche die Mitarbeiter über sich selbst und über andere preisgegeben haben, sind sie der Organisation ausgeliefert. Für die Organisation sind diese Berichte dann unerlässlich, wenn ein Scientology aus seiner Sicht vom „unethischen“ Verhalten eines anderen Scientologen erfährt (8).

Doch nicht jede Mitarbeiteraussage zählt vor dem „Ethik-Gericht“ gleich viel, denn dieses rich- tet sich nach der „Produktionsleistung“ des Mitarbeiters, d.h. nach seinen Verkaufszahlen. Sehr produktive Mitarbeiter werden als „KHA-KHAN“ behandelt und bleiben deshalb von Bestrafun- gen verschont (9) (Nach Hubbard wurde bei einem asiatischen Volksstamm einem Soldaten, dem aufgrund einer Heldentat der „KHA-KHAN“-Titel verliehen worden war, zehnmal die To- desstrafe für begangene Verbrechen erlassen.(10) )

Laut dem Bürgerlichen Gesetzbuch müsste der Arbeitsvertrag mit der Scientology Organisation das allgemeine Arbeitsschutzrecht, zum Beispiel eine Arbeitszeitbegrenzung, einen Unfallschutz und Kündigungsschutz, beinhalten. Auch eine betriebliche Mitbestimmung, d.h.

Vertretung der Arbeiterinteressen durch den Betriebsrat im Rahmen der Betriebsverfassung, wäre für die Organisation vom Betriebsverfassungsgesetz vorgeschrieben. Da die Scientology jedoch keine anderen Gesetze anerkennt, gesteht sie ihren Mitarbeitern all diese Rechte nicht zu.

Einen wesentlichen Fortschritt stellt der Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 22. März 1995 (Az. 5 AZB 21/94) dar, nach diesem sich ehemalige Mitarbeiter von Scientology an die Arbeitsgerichte wenden dürfen, obwohl sie Arbeitsverträge abgeschlossen haben, bei denen die arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen nicht gelten. Dadurch stehen der Scientology Organisation hohe Nachzahlungsverpflichtungen bevor.

4. Funktionen des Personalmanagements im Vergleich

Das Personalmanagement umfasst alle Funktionen, die den Menschen in Organisationen betreffen. Die einzelnen Funktionen, Personalbedarfsermittlung, -werbung, -auswahl und - beurteilung, -anreizgestaltung, -entwicklung und -freisetzung, werden nicht als unabhängige Elemente des Personalwirtschaft verstanden, sondern sie sind interdependent und durch Be- ziehungen zu anderen Funktionen des Systems gekennzeichnet, die ebenfalls zur Personalmanagementlehre gehören. Die folgende Gliederung erfolgte vor allem nach Zweckmäßigkeitsgründen.

Im folgenden möchte ich untersuchen, ob und inwiefern sich das Personalmanagement der Scientology Organisation von dem eines „normalen“ Unternehmens differenziert. Um die Ana- lyse zu vereinfachen werde ich als „normales“ Personalmanagement bezeichnen, was in den entsprechenden Lehrbüchern zu finden ist.

Weil die Personalbedarfsermittlung bei der Scientology Organisation keine Rolle spielt, habe ich sie weggelassen, denn die Organisation strebt eine möglichst große Mitglieder- und somit auch Mitarbeiterzahl an.

4.1 Personalwerbung

Das Ziel der Personalwerbung ist es, Bewerber für die in einer Organisation zu besetzenden Mitarbeiterstellen zu gewinnen. Normalerweise ist dem Arbeitgeber dabei der qualitative Erfolg wichtiger als der quantitative, Da die Scientology Organisation aber eine größt mögliche Mitar- beiter- und Mitgliederzahl anstrebt, zählt für sie hauptsächlich der quantitative Zuwachs.

Die Grenze zwischen Scientologymitglied und -mitarbeiter ist fließend; denn der zukünftige Mit-

arbeiter muss natürlich nach der scientologischen Ideologie leben, und das heißt im Normalfall, er muss bereits Mitglied der Organisation sein. Diese Rekrutierung aus Organisationsmitglie- dern stellt ein hervorzuhebendes Kennzeichen der Scientology Organisation dar. Zwar wird da- durch die Mitarbeiterwerbung erheblich erleichtert, doch auf der anderen Seite verringert sich so die Auswahl an qualifizierten Bewerbern.

Die Mitgliederwerbung kann als die wichtigste Aufgabe der Scientology Organisationen be- trachtet werden, weil nur durch sie das Organisationsziel „Clear-World“ zu erreichen ist und durch die neuen Mitglieder hohe Geldsummen für die zu absolvierenden Kurse in die Sciento- logykassen fließen.

Deshalb werden systematisch alle Kommunikationsinstrumente zur Mitgliederwerbung genutzt. Die Scientology Organisation wirbt durch Flugblätter, Broschüren, Plakate, Zeitungsinserate, Internetseiten, Fernsehspots und Straßenaktionen, bei denen die potentiellen Mitglieder per- sönlich zu einem Beratungsgespräch eingeladen werden. Oft entsteht der erste Kontakt zu Scientology über eine ihrer Unterorganisationen, so dass dem interessierten Neuling zunächst nicht klar ist, dass er sich an Scientology wendet. Da sich die Organisation ihres schlechten Rufes in der Bevölkerung bewusst ist, nutz sie die ihr durch die zahlreichen Unter- und Einzel- organisationen gegebenen Tarnmöglichkeiten geschickt aus. Außerdem wechseln die sciento- logischen Unternehmen ebenfalls aus Tarnungsgründen häufig ihre Namen und Standorte, so dass es zunächst kaum möglich ist, sie mit der Scientology Organisation in Verbindung zu bringen.

Außerdem versucht Scientology gezielt Mitarbeiter in hohen Positionen anderer Unternehmen für sich zu gewinnen. Dadurch gelangen sie nicht nur an betriebsinterne Informationen, über welche später gezielt im Auditing gefragt wird, sondern auch an hochqualifizierte Führungs- kräfte für ihr eigenes System.

Doch die meisten Mitarbeiter gewinnen die Scientology Organisationen, indem sie den Mitglie- dern, welche die hohen Gebühren der zu absolvierenden Kurse nicht mehr bezahlen können, anbieten, diese Schulden in der Organisation abzuarbeiten. Dann wird ein Mitarbeitervertrag abgeschlossen, der keine Sozialversicherung, keine Überstundenregelung und bloß eine Nied- rigentlohnung beinhaltet. Gleichzeitig erhält der neue Mitarbeiter ihren persönlichen Ausweis der International Association of Scientologists.

4.2 Personalauswahl und -beurteilung

Die Personalauswahl bezweckt, Informationen über die Bewerber für die Einstellungsent- scheidungen zu gewinnen. Dies erfolgt meist in Form einer Analyse der Bewerbungsunterla- gen und einem Einstellungsgespräch. Oft wünscht der Arbeitgeber, die Bewerber zu beo- bachten bevor er sie einstellt; dies geschieht in Assessment Centern oder durch eine Arbeits- probe oder Probezeit. Manchmal wird auch ein Leistungs- oder Persönlichkeitstest als Aus- wahlkriterium angewandt.

Das ist auch bei der Scientology Organisation der Fall; jedes Mitglied muss zunächst den be- kannten „200-Fragen“-Test machen. Dieser Test wird als kostenlose Dienstleistung von den Scientology-Kirchen angeboten und zählt häufig als Einstieg in die Scientology-Gemeinde.

Der Test wird von Scientology oft auch als „Oxford Capacity Analyse“ (OCA) bezeichnet, das soll offensichtlich Wissenschaftlichkeit und Vertrauenswürdigkeit suggerieren. Der Test ist je- doch in der wissenschaftlichen Psychologie nicht bekannt und wird außer bei scientologischen Unternehmen nicht verwendet.

Der Test umfasst 200 Fragen, deren Sinn und Ziel schwer erkennbar ist; zum Beispiel:

„1. Machen Sie gedankenlose Bemerkungen oder Anschuldigungen, die Sie später bereuen?“, „100. Denken Sie in Bildern?“, „200. Glauben Sie, dass Sie viele gute Freunde haben?“

Die meisten Fragen steuern zum Teil indirekt daraufhin, ein gutes Bild von dem Beantworten- den zu erhalten; was auch durch sehr persönliche Fragen erreicht wird. Scientology behaup- tet, dass jede Persönlichkeit mit diesem Test lückenlos auf Schwachstellen untersucht werden könne.

Die Funktion der Personalbeurteilung ist, die Leistung und das Potential der Mitarbeiter einzu- schätzen. Für Scientology bedeutet das vor allem, den OCA-Test auszuwerten.

Der Test wird mit Hilfe eines Computerprogramms ausgewertet. Das Ergebnis stellt ein Dia- gramm dar, auf welchem ein Negativ- und ein Positivbereich sowie ein Zwischenbereich zu sehen sind. Es ist nicht erstaunlich, dass meist der negative Bereich, der die negativen Eigen- schaften des Beantwortenden beinhaltet, überwiegt und der Testperson sofort geraten wird, die Hilfe der Scientology Organisation anzunehmen. Auch die besonders auffällige Überein- stimmung der Ergebnisse für viele unterschiedliche Menschen führt zu dem Verdacht, dass das Testergebnis vorprogrammiert und somit zumindest weitgehend personenunabhängig ist. Deshalb scheint der Test in erster Linie darauf zu zielen, viele neue Mitglieder zu gewinnen, und bloß nebenbei deren Persönlichkeitsschwächen zu erforschen. Denn beim späteren Audi- ting werden diese viel besser sichtbar.

Der Einsatz des Tests zur Auswahl und Beurteilung von Personal oder Stellenbewerbern ist in Deutschland illegal, da er Fragen enthält, die nach dem deutschen Arbeitsrecht nicht gestellt werden dürfen.(11)

Auch bei dem Unternehmen, die bei der Scientology Organisation WISE eine Lizenz für die Anwendung der Technologien Ron Hubbards erwerben, findet häufig bereits bei den Bewer- bungsgesprächen eine Selektion nach dem Kriterium statt, ob der Bewerber nach scientologi- schem Verständnis ins System passt oder nicht.

Auch für die Lösung des Problems, das passende Personal für die bestimmten Positionen zu bekommen, hatte Ron Hubbard eine Technologie entwickelt, sie heißt die „grüne und rote Tech“. Das ist eine spezielle Zusammenstellung von Hubbards einzelnen Anwendungen in den Druckfarben rot und grün.

4.3 Personalanreizgestaltung

Die Personalanreizgestaltung zielt darauf, die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter zu sichern und wenn möglich zu steigern. Meistens werden von den Unternehmen Lohn, Gewinnbeteili- gung und Zusatzleistungen, wie ein eigener Dienstwagen, als Anreize angeboten. Immer häufi- ger werden auch immaterielle Leistungen verhandelt, wie zum Beispiel eine Beschäftigungsga- rantie, freie Arbeitsgestaltung und Entwicklungsmöglichkeiten (z.B. Aufstieg in die Führungs- etage). Der Anreiz sollte auf die speziellen Bedürfnisse des einzelnen Mitarbeiters zu ge- schnitten sein.

Diese Forderung lässt sich in der extrem zentralistischen Organisationsstruktur des scientolo- gischen Personalmanagements kaum durchsetzen.

Finanzielle Anreize bietet die Scientology Organisation ihren Mitarbeitern kaum an; da sie selbst danach strebt möglichst große Gewinne zu erzielen, werden den Mitarbeitern nur mini- male Löhne bezahlt. Ausnahmen sind voraussichtlich bloß in den oberen Führungsebenen der Organisation zu finden.

Was die Mitarbeiter wirklich reizt, sich mit aller Kraft für die Organisation einzusetzen, ist der durch scientologische Literatur und Training entstandene Wunsch, auf der „Brücke zur völligen Freiheit“ aufzusteigen. Diese „Brücke“ beschreibt einen genauen Klassifizierungs- und Gradie- rungsweg der „OT-Stufen“ (siehe Teil 1). Jedes Mitglied erhält einen „Reisepass“, auf dem alle Stufen und Zertifikate in hierarchischer Reihenfolge aufgeführt sind. Die Stufenhierarchie be- ginnt mit verschiedenen Auditing-Grade, anschließend folgt der „Clear“-Zustand, nach dem wiederum die „OT-Stufen“ anfangen. Die „OT-Stufen“ reichen von OT 1 bis OT 15, jedoch sind zur Zeit nur die Stufen bis OT 8 freigegeben. Dadurch wird auch zukünftig gewährleistet, dass Scientologen in hohen Positionen angespornt werden, weitere Kurse zu belegen. Die auf der anderen Seite des Reisepasses aufgeführten Klassen geben den jeweiligen Ausbildungsstand des Mitarbeiters an. Der Ausbildungsweg beginnt bei der Klasse 0, dem Hubbard ausgebilde- ten Scientologen, und endet mit dem Hubbard-Klasse12-Auditor.

Der scientologische Karriereweg wird somit fest vorgeschrieben und jeder einzelne kann genau ablesen, wo er steht. Um auf der Karriereleiter aufzusteigen, müssen die Scientologen an wei- teren Kursen und Seminaren teilnehmen. Wer vom ersten bis zum letzten Kurs alle Dienstleis- tungen in Anspruch nimmt, muss unter Umständen Beträge von mehreren hunderttausend DM bezahlen, auch wenn für die Mitarbeit in der Organisation Preisnachlässe erstattet werden.(12) Ein weiterer Motivationsgrund ergibt sich aus dem bereits erwähnten Identitätsgefühl zur Orga- nisation der Mitarbeiter. Das durch die gemeinsame Sprache, das gleiche ideologische Ziel und durch die gemeinsaArbeit und oft auch die gemeinsame Wohnung entstandene Zusam- mengehörigkeitsgefühl der Scientologen beeinflusst maßgeblich die Zufriedenheit und das Wohlfühlen am Arbeitsplatz.

Außerdem wird den Mitarbeitern oft nahe gelegt, ihre alten Berufe aufzugeben, sofern sie na- türlich nicht in irgendeiner Weise für Scientology nützlich sein könnten. Auch auf staatliche Unterstützungen, wie das Arbeitslosengeld, soll der Mitarbeiter verzichten. Dadurch wird dieser in eine vollkommende finanzielle Abhängigkeit von der Scientology Organisation versetzt.

4.4 Personalentwicklung

Das Ziel der Personalentwicklung ist, die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter zu sichern und nach Möglichkeit zu steigern. Die Personalentwicklung ist notwendig, um die permanente Anpassung der Mitarbeiter an das sich verändernde System zu sichern, zur Steigerung der Konkurrenzfä- higkeit und zur Ausbildung eigener Führungskräfte mit betriebsinternem Wissen. Ein Personal- entwicklungskonzept besteht aus mehreren unterschiedlichen Methoden, zum Beispiel ein Traineeprogramm, eine Berufsausbildung, Job Rotation (Arbeitsfeldwechsel), Mentoring, Com- puterkurse oder Fachseminare.

Bei der Scientology Organisation beginnt die Personalentwicklung mit einem genau vorge- schriebenen Trainingsweg, um gemäß des oben beschriebenen Reisepasses die oberste „OT- Stufe“ zu erreichen. In der Regel beginnt der Mitarbeiter mit der Teilnahme an einem Kommu- nikationskurs, wo er unter anderem die scientologische Sondersprache lernt. Begleitet wird dieser Kurs von einem sogenannten „Reinigungs-Rundown“, dabei soll der Körper von allen Umwelteinflüssen (angeblich auch Atomstrahlung) befreit werden. Dieser „Reinigungs-Run- down“ besteht aus mehreren stundenlangen Saunagängen und der Einnahme von übertrieben hohen Vitamindosen. Dieses Verfahren ist für die Teilnehmer sehr strapaziös und wirkt auch bei manchen gesundheitsgefährdend. Dass der Teilnehmer sich nach Beendigung dieser Tor- tur wohl fühlt, liegt nicht an der angeblichen Reinigung, sondern offensichtlich daran, dass der Körper sich nun endlich wieder erholen kann. Anschließend wird mit der „seelischen Reini- gung“, d.h. den Auditing-Sitzungen, begonnen.

Wenn der Mitarbeiter selbst den „clear“-Zustand erreicht hat, kann auch er zum Auditor ausge- bildet werden. Zu Beginn der Dianetik durfte das Auditing noch sozusagen privat durchgeführt werden, doch heute kann es nur noch von speziell ausgebildeten Scientologen angewandt werden.

Die Mitarbeiter benötigen unterschiedlich lange Zeit, um diesen Karriereweg zurückzulegen, da das Training von der individuellen geistigen, körperlichen und seelischen Verfassung abhängt. Das heißt es ist entscheidend, wie schnell jemand die neuen scientologischen Wörter lernt und begreift, wie gut er das „Reinigungs-Rundown“ verkraftet und wie viele schlechte Erfahrungen er erlebt hat. Alle Werte werden getestet und nur der zuständige Scientologe entscheidet, ob der Mitarbeiter bereit für die nächste Stufe oder den nächsten Kurs ist.

Jedoch hat es den Anschein, dass einige hoch qualifizierte Mitarbeiter dieses Trainingspro- gramm schneller absolvieren dürfen, damit die Organisation schon früher von ihren Fähigkeiten profitieren kann, d.h. sie zum Beispiel für bestimmte Projekte einsetzen kann.

Das Personalentwicklungskonzept der Scientology Organisation unterscheidet sich vor allem dadurch von dem anderer Unternehmen, dass die Mitarbeiter selbst für die gesamten Kosten der Kurse aufkommen müssen.

Zu Beginn des Trainings erweckt die Scientology Organisation noch den Eindruck, dass es um die Verbesserung der persönlichen Fähigkeiten des einzelnen ginge, doch erst wenn der Mitar- beiter den „Clear“-Zustand erreicht, erfährt er, dass das eigentliche Ziel die Welteroberung dar- stellt. Das ist ein sehr geschickter Zug, denn in diesem Zustand kann die Organisation bereits von einer im scientologischem Sinne erfolgreiche Manipulation des Mitarbeiters ausgehen, so dass dieser widerspruchslos dieses Ziel gut heißen wird.

Da die Mitarbeiter meistens auch fast die gesamte Freizeit mit dem Studieren der scientologi- schen Lehren verbringen, nimmt Scientology nahe zu ihr ganzes Leben ein. Ihnen wird somit keine Zeit gelassen, in Ruhe über Ihr Leben in der Scientology-Gesellschaft nachzudenken. Die Führung mischt sich nicht nur in die tägliche Arbeit, sondern auch in das Privatleben der Mitarbeiter ein, sie strebt also die totale Kontrolle über die Mitarbeiter an.

4.5 Personalfreisetzung

Durch die Personalfreisetzung sollen Mitarbeiterstellen in einer Organisation summarisch redu- ziert werden. Diese Personalmanagementfunktion spielt aufgrund der hohen Personalkosten in allen anderen Unternehmen eine sehr wichtige Rolle. Weil aber bei der Scientology Organisa- tion nur sehr geringe Personalkosten anfallen, und außerdem eine möglichst große Mitarbeiter- zahl angestrebt wird, findet in diesem Sinne keine Mitarbeiterstellenreduzierung statt.

Auch eine Kündigung auf Seiten des Mitarbeiters ist nicht vorgesehen. Der Ausstieg eines Mit- arbeiters aus dem Arbeitsverhältnis, und somit logischerweise auch aus der Organisation, wird von der Scientology Organisation mit allen Mitteln zu verhindern versucht. Sollten die Überre- dungskünste der Scientologymitarbeiter und andere Methoden nicht wirken, so wird der Aussteiger offiziell als „unterdrückerische Person“ erklärt, d.h. er wird somit als vogelfrei einge- stuft: „Eine Person, die in den Ethik-Zustand des Feindes zurückgestuft worden ist, gilt als vo- gelfrei: Man darf ihr Eigentum abnehmen, sie in jeder Weise verletzen, ohne dass man ... be- traft wird. Man darf ihr Streiche spielen, sie verklagen, sie belügen oder vernichten.“ (Richtli- nienbriefe vom 7.März 1965, 17. März1965 und 21. Oktober 1968)

Besonders bei Aussteigern aus höheren Positionen wird die Scientology Organisation mit Hilfe der oben erwähnten Maßnahmen versuchen zu verhindern, dass organisationsinterne Informationen an die Öffentlichkeit gelangen.

5. Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Scientology Organisation sich nicht nur aufgrund ihrer eigenen Ideologie und der darausfolgenden Organisationszielen von anderen Organisationen und Unternehmen absetzt, sondern auch die sich aus diesen Punkten ergebende hierarchische und zentralistische Organisationsstruktur, die extrem ausgeprägte Organisationsidentität und das ungerechte scientologische Rechtssystem stellen Besonderheiten dar.

Das sich aus diesen Besonderheiten ergebende Personalmanagement der Scientology Organisation unterscheidet sich im Wesentlichen durch die entmündigende Stellung und schlechte Behandlung der Mitarbeiter von einem „normalen“ Personalmanagement. Der potentielle Mitarbeiter wird schon vor seiner „Einstellung“ von der Organisation getäuscht, da diese sich meist zu Anfang nicht unter dem Namen „Scientology“ zu erkennen gibt. Das anschließende Verfahren, allem voran die Auditing-Sitzungen, verwandelt den Mitarbeiter in einen willen- und gefühlslosen „Technokraten“, der wie eine „Mensch-Maschine“ in diesem strikten System von Befehl- und Gehorsam funktionieren soll. Der Mitarbeiter wird einem enormen Leistungsdruck ausgesetzt; denn er muss erfolgreich sein, um in dem Scientology- System zu bestehen.

Nicht zu vergessen sind auch die hohen Geldsummen, die ein „guter“ Scientologymitarbeiter durch Kursgebühren an die Organisation zahlt. Genau betrachtet stellt das ein paradoxes Verhältnis dar, da normalerweise zu erwarten ist, dass ein Mitarbeiter bei seinem Arbeitgeber Geld verdient, und nicht wie bei Scientology drauf zahlen muss.

Außerdem werden dem Mitarbeiter faktisch kaum Rechte zugestanden; noch nicht ein mal auf die wesentlichen Grundrechte, wie zum Beispiel die freie Meinungsäußerung oder der Gleichheitssatz, können sie sich berufen.

Aufgrund dieser Kennzeichen des scientologischen Personalmanagements kann man froh sein, dass es sich so sehr von einem normalen unterscheidet.

6. Quellenverzeichnis

[...]


(1) Church of Scientology International: Was ist Scientology?, New Era Publications International ApS, Kopenhagen 1993, S443 ff.

(2) Franchise = Vertriebsform im Handel, bei der ein Unternehmen seine Produkte durch einen Einzelhändler in Lizenz, d.h. aufgrund eines vom Unternehmer auf den Händler übertragenen Nutzungsrechts verkaufen lässt. Hubbard, L. Ron: Modern Management Technology Defined, Church of Scientology of California Publications Organisation United States, Los Angeles 1976, Stichwort: Franchise

(3) Voltz, T.: Scientology und (k)ein Ende, Solothurn, Düsseldorf, 1995, S.40

(4) Hubbard, L. Ron: Dianetik – Der Leitfaden für den menschlichen Verstand, New Era Publications International ApS, Kopenhagen 1992, S.11

(5) Hentze J.: Personalwirt-schaftslehre1, Stuttgart 1994

(6) Hubbard, L. Ron: HCO PL vom 18.6.1968: „Ethik“

(7) Hubbard, L. Ron: HCO Manual of Justice, Hubbard Communications Office, London 1959, S.7

(8) Hubbard, L. Ron: HCO PL vom 22.7.1982: “Wissensberichte”

(9) Hubbard, L. Ron: HCO PL vom 1.9.1965 VIII: „Ethikschutz“

(10) Hubbard, L. Ron: Modern Management Technology Defined, Church of Scientology of California Publications Organisation United States, Los Angeles 1976, Stichwort: KHA- KHAN

(11) Hartwig R.: Scientology- Die Zeitbombe in der Wirtschaft, München 1994, S.68

(12) von Billerbeck, L./ Nordhausen, F.: Der Sekten-Konzern, Scientology auf dem Vormarsch, Berlin 1994, S 47 ff.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Funktionsanalytische Interpretation des Personalmanagements der Scientology Organisation
Hochschule
Universität Konstanz
Veranstaltung
Nicht staatliche internationale Organisationen
Note
1,3
Autor
Jahr
2000
Seiten
12
Katalognummer
V99740
ISBN (eBook)
9783638981774
Dateigröße
480 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Funktionsanalytische, Interpretation, Personalmanagements, Scientology, Organisation, Nicht, Organisationen
Arbeit zitieren
Sonja Ruetzel (Autor:in), 2000, Funktionsanalytische Interpretation des Personalmanagements der Scientology Organisation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99740

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