Machiavelli - Von der Macht der Vernunft zur Vernunft der Macht


Hausarbeit, 2000

15 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.)Einleitung S.

2.) Zusammenfassung „Il Principe“ S. 3-

3.) Vernunft und Macht S.
3.1.) Die Auseinandersetzung um Vernunft und Macht S. 5-
3.2.) Vernunft und Macht bei Machiavelli S. 6-
3.3.) Machiavellis Verständnis der Geschichte S. 7-
3.4.) Die Rolle der Religion S. 8-
3.5.) Mythos versus Realität S.

4.) Macht- die treibende Kraft in der Geschichte S.
4.1.) Macht, ein menschlicher Trieb und eine soziale S. 9-11 Notwendigkeit
4.2.) Macht- Die Geschichte und ihre Persönlichkeiten: S. 11-13 ein Kommentar zu Machiavelli

5.) Fazit/Schluß S. 13-

Literaturverzeichnis

1.)Einleitung

Machiavelli besitzt in der politischen Philosophie eine Sonderstellung, nicht nur weil seine Schriften immer wieder neu entdeckt und interpretiert werden, sondern weil er als erster dem abendländischen Verständnis von Politik widersprach. In dieser Arbeit möchte ich darstellen, wie sich bei Machiavelli ein Politikverständnis bildete, welches auf Macht beruht. Beginnen werde ich mit einer Zusammenfassung des „Principe“, wohl Machiavellis bekanntestes und vielfach kritisiertes Buch. In dieser Schrift spaltet sich Machiavelli am deutlichsten von dem klassischen Verständnis der Politik ab. Im dritten Punkt wird dargestellt, wie sich Machiavelli von dem klassischen Denken unterscheidet. Punkt 3.1 soll darlegen, welche Probleme zwischen Vernunft und Macht auftreten, und welche Funktion die Vernunft besitzt. Danach zeige ich das Verhältnis von Vernunft und Macht bei Machiavelli auf, und stelle dar wieso Machiavelli zu einem anderen Verständnis der Politik gelangt. Anschließend wird das Verständnis der Geschichte und die Rolle der Religion dargestellt, weil sie einen wichtigen Bestandteil für das grundlegende Verständnis seiner Theorien ausmacht. Darauffolgend möchte ich nur kurz die Unterschiede zwischen dem moralischen und dem von Machiavelli sehr realistischen Verständnis der Politik zusammenfassen. Weitergehend wird die Macht als treibende Kraft der Menschen im vierten Punkt aufgeführt. Dann zeige ich die soziale Notwendigkeit der Macht auf, um dann aufzuzeigen, daß viele Menschen versuchten Machiavellis „Principe“ zu widerlegen, aber von der Geschichte eines Besseren belehrt wurden.

Als fünften und letzten Punkt möchte ich meine Erfahrungen, die ich während der Auseinandersetzung mit der Thematik sammelte, darlegen.

2.) Zusammenfassung „Il Principe“

Die Leitgedanken im „Principe“ sind die Fertigkeiten des Machterwerbs und Machterhalts, um erfolgreich ein Gemeinwesen zu gestalten. Machiavelli leitet das Buch mit einer Widmung an Lorenzo di Medici ein. Der Aufbau des „Principe“ läßt sich in vier Haupteile untergliedern:

1.) Die Klassifikation der verschiedenen Arten der Fürstenherrschaft, bezogen auf die Möglichkeiten, sie zu erwerben (Kap.1-11).

2.) Die kritische Analyse der im damaligen Heerwesen angewandten Organisations- und Rekrutierungsformen (Kap. 12-14).

3.) Die Erörterung amoralischer Methoden im Dienst politischer Krisenbewältigung (Kap. 15-18).

4.) Ratschläge, um Ansehen bei den Untertanen zu gewinnen und die Gunst der Umstände sie zu nutzen (Kap. 19-25). (Machiavelli, N.,1995, S. 242) Zum Abschluß richtet sich das 26. Kapitel an die Familie Medici, welche, laut Machiavelli Italien an sich reißen solle, um es von den Barbaren zu befreien. Im ersten Teil des „Principe“ (Kap. 1-11) dient die von Machiavelli vorgenommene Klassifikation der verschiedenen Arten der Fürstenherrschaft dem Aussortieren aller Herrschaftsformen, die für die folgende Untersuchung nicht mehr von Bedeutung sind.

Von der ererbten Herrschaft ausgehend, gelangt Machiavelli über die gemischte, zur neu errichteten Herrschaft, welche entweder mit eigenen Waffen und durch Tüchtigkeit, oder aber mit fremden Waffen und durch Glück erworben wird.

Dieses Muster dient Machiavelli um im folgenden die Maßnahmen darzulegen, welche zur Erhaltung der Herrschaft erforderlich sind . Dabei handelt es sich um das Problem, die durch fremde Waffen und durch Glück erworbenen Herrschaft nachträglich umzuwandeln. Das Glück (fortuna) soll durch die eigene Tüchtigkeit (virtu) ersetzt werden. Das Ziel ist eine geeignete Ausgangslage zu verwenden, um so schnell wie möglich unabhängig zu werden, und um gegen ungünstige Zeitpunkte bestehen zu können. Als Beispiel benutzt Machiavelli das mustergültige politische Verhalten des Papstsohnes Cesare Borgia. Bei der Unterwerfung der Romagna setzte dieser nicht auf das Glück und väterliche Hilfe, sondern tauschte rechtzeitig das in seinem Dienst stehende Söldnerheer gegen eigene Truppen aus. Eine gegen ihn angezettelte Verschwörung der Söldnerführer nutzte Cesare Borgia, um diese mit Versöhnungsversprechungen in eine tödliche Falle zu locken. Damit bewies Borgia die unentbehrliche Fähigkeit für den politischen Erfolg eine geeignete Gelegenheit (occasione) wahrzunehmen.

Für Machiavelli gehört Cesare Borgia nicht zu Personen der Geschichte, welche durch ein Verbrechen die Herrschaft erlangten, da er eine im Zerfall begriffene Feudalherrschaft niederwarf, um sie zu einem starken Gesamtstaat zu verschmelzen. Hier wird der doppelte Begriff von Gewalt bei Machiavelli deutlich. „Tadel verdient nicht, wer Gewalt braucht, um aufzubauen, sondern um zu zerstören.“(Machiavelli, N.,1995, S.244,). Machiavelli erkannte die wesentliche Voraussetzung für die Schaffung eines neuzeitlichen Staates.

Im zweiten Teil (Kap. 12-14) erweitert Machiavelli die am Beispiel von Cesare Borgia entwickelten theoretischen Überlegungen über die Armee durch eine allgemeine Untersuchung des gegenwärtigen Heerwesens.

Politische Macht aufgebaut auf einer militärischen Herrschaft läßt sich nicht mit einem gemietetem Söldnerheer begründen. Aus zwei Gründen ist ein gemietetes Söldnerheer nichtig. Erstens sind sie militärisch unzuverlässig, da sie nur durch den Sold und nicht durch Loyalität motiviert sind. Zweitens sind sie politisch gefährlich, da sie von ihren Kommandeuren auch gegen die Interessen ihres Dienstherren eingesetzt werden können. Riskant ist es auch sich auf verbündete Hilfstruppen zu verlassen. Man gerät sehr einfach in ihre Gewalt.Für Machiavelli besitzt ein eigenes Heer eine größere Zuverlässigkeit, und eine höhere Schlagkraft. Die Finanzierung einer eigenen Bürgerwehr ist die Basis für die Bewahrung des Gemeinwesens.

Der dritte Teil des „Principe“ (Kap.15-18) gibt Vorschläge für Herrschaftstechniken, die der geltenden Moral widersprechen. Um ein kritische Situation abzuwenden sind Täuschung, Wortbruch und Grausamkeit notwendig. Eine für begrenzte Zeit amoralische Handlungsweise hält Machiavelli für zwingend, jedoch nicht um eine Diktatur zu schaffen, sondern um bessere Zustände hervorzurufen.

Machiavelli idealisiert nicht das Böse, sondern gibt Instruktionen es zweckmäßig zu gebrauchen. Er begründet es aus einem negativen Menschenbild, da Menschen nur unter Zwang und Not bereit sind moralisch zu handeln. Da die Mehrzahl der Menschen böse ist hat der tugendhafte keine Chance, daher muß der Fürst sich als hinterlistiger „Fuchs“(Machiavelli, N.,1995, S.137) oder gewalttätiger „Löwe“(Machiavelli, N., 1995, S.137) verhalten, um sich so zu behaupten. Als zweiten Grund um moralische Wertvorstellungen der politischen Notwendigkeit unterzuordnen ist die Grausamkeit des Fürsten, wenn er so innere Auseinander-setzungen verhindern kann. „Er erweist sich als milder, wenn er nur ganz wenige Exempel statuiert, als diejenigen, die aus zu großer Milde Mißstände einreißen lassen, woraus Mord und Raub entstehen; denn hierdurch wird gewöhnlich einem ganzen Gemeinwesen Gewalt angetan, während die Exekutionen auf Befehl des Fürsten nur gegen einzelne Gewalt üben.“(Machiavelli, N., 1995, S.129)

Im vierten Teil der Schrift (Kap.19-25) geht es um die bedeutende Aufgabe des neuen Herrschers politischen Einigkeit herzustellen, um Ansehen, Ehre und Ruhm zu erhalten. Hier verdeutlicht Machiavelli wieder seine zweckrationale Art. Die Kriterien politischer Psychologie entscheiden, ob sich das Volk anschließt. Der Fürst darf nicht durch zögernde Entscheidungen Verachtung schaffen oder durch ein übermäßiges Verlangen nach Reichtum Haß erzeugen. Er soll sich für öffentliche Auszeichnungen und gemäßigte Besteuerungen, besonders für das wirtschaftlich aufstrebende Bürgertum engagieren. Die wichtigste Grundvoraussetzung aber um hohes Ansehen zu erlangen, ist die richtige Einschätzung des historischen Augenblicks. Der Fürst muß in der Lage sein die historische Gelegenheit (occasione) zeitig zu erkennen und zu nutzen. Dieser historische Moment wird nicht nur vom Glück (fortuna) geleitet, sondern ist erzwingbar. In Kapitel 25 schildert Machiavelli, „daß Fortuna zwar zur Hälfte Herrin über unsere Taten ist, daß sie aber die andere Hälfte oder beinahe so viel unserer Entscheidungen überläßt.“ (Machiavelli, N.,1995, S. 193). So schließt Machiavelli den freien Willen nicht aus. Um Fortuna zu bezwingen muß der Fürst Sachverstand und Tatkraft sein eigen nennen. Machiavelli legt diese beiden Fähigkeiten mit den Begriff virtu zusammen. Der Fürst kann sich seine virtu nur sichern, wenn er allein den Geboten der politischen Notwendigkeit (necessita) folgt. Die ideale Voraussetzung wäre die Befähigung, mit den jeweiligen Zeitumständen (qualita di tempi) in Harmonie zu stehen. Folglich könnte der Fürst entweder langsam und besonnen oder stürmisch und kühn vorgehen. Da aber niemand sein naturell völlig ändern kann, sind die Erfolge des Fürsten begrenzt.

3.) Vernunft und Macht

In diesem Kapitel möchte Ich zuerst von Platon ausgehend, die zwei Prinzipien Vernunft und Macht darstellen. Als klassisches Beispiel stelle ich die Auseinandersetzung von Sokrates und Kallikles in Platons Dialog „Giorgias“ vor. Die Diskussion zwischen Vernunftspoltik und Machtpolitik benutze ich als Basis, für folgendes Problem. Besitzen der Philosoph, welcher die Macht der Vernunft annimmt, und der Sophist verschiedene Machtbegriffe oder vermischen sie sich? Sind Vernunft und Macht mal zwei Prinzipien und dann wieder ein einziges? Dieses Problem wird durchaus schwieriger, wenn Machiavelli herantritt. Machiavelli stellt sich zwar mit seiner Machtpolitik gegen die Vernunftspolitik, versetzt die Macht aber in die Vernunft hinein. Platons Macht der Vernunft wird von Machiavelli durch die Vernunft der Macht ersetzt. Weiterhin ist das Verständnis der Macht bei Machiavelli nur möglich, wenn man sich sein Geschichtsverständnis und die Rolle der Religion anschaut.

3.1.) Die Auseinandersetzung um Vernunft und Macht

Der Dialog „Giorgias“ handelt davon, daß vernünftige Menschen miteinander sprechen, aber mächtige Menschen sich durchsetzen ohne Diskussion .

Sokrates sucht nach der Rede des Giorgias den Dialog. Er weiß, daß Sophisten Zuschauer von der Rede ausschließen und so eine Gegenrede verhindern. Zwischen dem Dialog von Sokrates und den gezwungenen Giorgias drängt sich der Sophist Kallikles. Dieser schafft es Sokrates in den Widerspruch zwischen Dialog und Monolog zu bringen, teils durch die Mitteilung er verstehe Sokrates nicht und teils durch Fragen, welche verursachen, daß der Philosoph länger redet. Der Dialog schließt mit den Hinweis auf die homonoia (die Einheit der Vernunft). Die Menschen nehmen sich wahr, kommunizieren miteinander und bilden mit dem Logos (Vernunftgabe) die Gemeinschaft. „Die Vernunft sucht Begegnung, Vereinigung, Einheit.“ (Baruzzi, A.,1983, S.9)

Die politischen Tugenden zielen auf Gemeinschaft und Gerechtigkeit, der Sophist aber will nur für sich mehr haben. Der Mensch ist für den Sophisten in sich zentriert und nimmt die Welt beschränkt durch die menschlichen Sinne wahr, und versucht nicht sie durch eigenes Denken zu überschreiten. Den Vortrag benutzt der Sophist als Mittel zur Macht. Platon richtet die Politik auf das tugendhafte und glückliche Leben ein. Politik bedeutet für ihn, daß jeder Mensch den anderen braucht, und durch politische Tugenden wie Gerechtigkeit, Tapferkeit und Solidarität vollkommen wird. Die Politik verbessert den Menschen, weil dieser in der Lage ist nun auf die Vernunft zu hören. Die Vernunft entspringt bei Platon den Ideen. Die Ideen sind der Ursprung für eine neue humane Gesinnung.

3.2.) Vernunft und Macht bei Machiavelli

Machiavellis kritischer Geist, ist nur zu verstehen, wenn man sich die historische Situation Italiens im ausgehenden Mittelalter anschaut. Politisch ist Italien in größere und kleinere Fürstentümer und Republiken zerstückelt. Die Gewaltherrschaften befinden sich ständig in kriegerischer Auseinandersetzung. Um sich politisch und persönlich zu behaupten, zählt nur wer effektiv ist. „Legitim herrscht, wer Erfolg und Gehorsam findet.“(Schmitt, E., 1986, S. 165). Machiavellis These ist, daß die Einigung Italiens nur durch einen absoluten Herrscher erreicht werden kann, „da die öffentliche Moral verdorben und der selbständige Mittelstand durch ein drohnenhafte Aristokratie geschwächt und ausgeschaltet sei“ (Bergstrasser, A., 1962, S.106ff.) Hinzu kommt eine Individualisierung, die kräftiger als anderswo in Europa dazu führte, sich von moralischen Verpflichtungen zu befreien. Das Zeitgeschehen und Machiavellis eigene politische Erfahrungen prägten sein moralfreies und sehr technisches Bild der Politik.

Dies wird durch ein pessimistisches Menschenbild unterstützt. In der Renaissance erwacht erneut das Interesse an der Psychologie des Menschen. Die Aufmerksamkeit gilt dem Antrieb des menschlichen Handelns mit seinen Leidenschaften und Tugenden, um daraus Erkenntnisse für die Verhaltensweisen des Individuums in der Gesellschaft zu ziehen. Das Menschenbild im italienischen Humanismus ist allgemein positiv, doch ist man sich seit Petrarca bewußt, daß die menschliche Natur durchaus negative Aspekte besitzt. Als Grundlage für ein aussichtsreiches politisches Handeln ist die Kenntnis über die Natur des Menschen nötig. Da Menschen „undankbar, wankelmütig, unaufrichtig, heuchlerisch, furchtsam und habgierig“ (Machiavelli,N.,1995, S. 129) , muß der Fürst schlecht sein, um gegen sie bestehen zu können. Die unveränderliche Natureigenschaft des Menschen ist die Bösartigkeit. Sie sind eine ständige Bedrohung für den Herrschenden und die politische Ordnung. Zu beachten ist aber, daß Machiavelli nicht eine ontologische Erklärung gibt, sondern dieses Bild des Menschen auf den „homo politicus“ bezieht. Im politischen Kalkül muß die egoistische menschliche Natur berücksichtigt werden.

Wenn es die Situation ergibt, kann der Anschein von Tugenden wie „Milde, Treue, Aufrichtigkeit; Menschlichkeit und Frömmigkeit“ (Machiavelli, N., 1995, S. 139) hilfreich sein. Nur darf der Fürst nie vergessen, wann er diese Rolle wieder fallen lassen muß. Weiterhin kann es den Fürsten helfen das Recht zu schätzen, doch muß ihm bewußt sein, daß es „zweierlei Kampfweisen gibt“ (Machiavelli, N.,1995, S. 135). Benutzt der Fürst das Gesetz, so übernimmt er die Rolle des Menschen, tritt er mit der Gewalt entgegen, findet er sich in der Rolle des Tieres wieder. Der Fürst muß diese Unterschiede vereinen um erfolgreich zu sein. An den vom Fürsten getroffenen Entscheidungen, darf das Volk nicht zweifeln. Die Bestimmungen des Fürsten sind richtig, nicht weil er sich auf Gott beruft, sondern weil es schon allein ausreicht die Macht errungen und behauptet zu haben.

Die Vernunft ist für Machiavelli eine Attrappe, von denen die Menschen enttäuscht worden sind. „Der antike Glaube an die Macht der Vernunft über das Menschengeschlecht ist verloren. Die wilde, hemmungslose Gewalt der Leidenschaften, der Urtrieb menschlicher Selbstsucht ist in seiner politischen Bedeutung erkannt.“ (Ritter, G.,1948, S. 39). Das aus der Vernunft politische Tugenden entstehen besitzt für Machiavelli keine Gültigkeit. Da die Vernunft im klassischen Sinne versagt hat, in einer Welt voller Krieg und Not, entwickelte sich die Auseinandersetzung mit der Macht. Hieran knüpft Machiavelli, er ersetzt Vernunft durch Macht. Macht ist die neue Vernunft des Menschen. Für Machiavelli stellt der Fürst die Vorstellung von der Vernunft der Macht dar und gibt Handlungsanweisungen, um in der Realität zu bestehen. Die einzige politische Tugend ist die „virtu“ (Machiavelli,N.,1995, S. 41). Diese Tugend setzt sich aus Macht, Tapferkeit und Tüchtigkeit zusammen. Diese virtu ist eine sehr bestimmte Art von Macht. Sie stellt die Gewalt des Fürsten dar und muß immer mit den drei anderen Merkmalen der necessita (Notwendigkeit), occasione (Situation) und fortuna (Glück) betrachtet werden. Der Besitzer der virtu weiß, wie und wann er sich verhalten soll und wie er sich das Glück zu nutzen machen kann. Das Glück liegt in der Hand des Menschen. Die necessita ergibt sich durch Krisen, Not und Verbrechen in denen sich die Menschen befinden. Wer sich mit der Macht mit all ihren Schrecken und Verbrechen auseinandersetzt, muß die Einsicht zur Notwendigkeit der Macht besitzen. Die Notwendigkeit als wesentliche Vernunft der Macht, um „dem Bösen mit der bösen Tat“ (Baruzzi, A.,1983, S. 31) zu antworten.

Der günstige Augenblick (occasione) ist die besondere Gelegenheit für die politische Tat des Fürsten.

3.3.) Machiavellis Verständnis der Geschichte

Geschichtsphilosophie und politische Handlungsweisen sind bei Machiavelli sehr eng miteinander verbunden. Die Geschichte dient ihm, sich mit den Grundfragen der gegenwärtigen Politik auseinanderzusetzen.

Machiavelli übernimmt von Polybios die antike Zyklus- Theorie. Die Weltgeschichte ist ein ewiges Wechselspiel von Fortschritt und Rückschritt. Der Kreislaufgedanke, „die Geschichte ist ein Wechsel von Leben und Tod, von Gütern und Übeln, von Glück und Elend, von Glanz und Niedergang“ (Croce, B., in Münkler, H., 1984, S. 51f.) steht unter dem Eindruck der niedergegangenen griechischen und römischen Welt, die gerade in der Renaissance wieder entdeckt wird. Die logische Vorbedingung für die Kreislauftheorie ist der Naturprozeß. Die Gesetze der Geschichte, verbunden mit den Gesetzen der Natur bilden mit Machiavellis Theorie der Unveränderlichkeit der menschlichen Natur die Basis für seine Ausführungen über die Geschichte und seinen Gedanken über die politischen Handlungen.

Machiavelli versucht so, als einer der ersten, nach einer wissenschaftlichen Erklärung für den Niedergang der Antike und des römischen Reiches zu suchen. Die Entdeckung der Gesetzmäßigkeit der Geschichte führt nicht zur Resignation, sondern wird bei Machiavelli zur Grundlage, nämlich, daß der Mensch in die Geschichte eingreifen kann und so kontrolliert zu einem positiven Ergebnis gelangt.

Die Kenntnis über die Handlungsanweisungen Machiavellis sollen es ermöglichen, „ihre Staaten möglichst lange auf den Gipfelpunkt der Geschichte zu halten.“ (Münkler, H., 1984, S.42)

Der politische Vorsatz ist bei Machiavelli optimistisch, der Staat kann auf dem Höhepunkt seiner Macht für einen gewissen Zeitraum stabilisiert werden.

Grundvoraussetzung ist die Kenntnis über die Gesetzmäßigkeit der geschichtlichen Abläufe und die genaue Betrachtung der individuell gegebenen Situation. „Der Umbruch der äußeren Lebensumstände, der Erziehung und besonders der Religion“ (Fuhr, A., 1985, S.150) muß einbezogen werden, um so die Gegenwart von der Vergangenheit zu unterscheiden.

Die Gesamtperspektive hingegen wird von Machiavelli pessimistisch angesehen.

Kein Staat wird ewig in der Lage sein an der Macht zu bleiben. Die Zeitspanne, um auf dem Höhepunkt der Macht zu bleiben, kann politisch beeinflußt werden, doch der Niedergang ist historisch unabwendbar.

Machiavelli befreit sich mit einer nüchternen, analysierenden und leidenschafts-losen Art von der Begeisterung der Renaissance, die sich selbst als die Wiederkehr der Antike begreift.

Schaut man sich Machiavellis Geschichtsverständnis genauer an, verneint Machiavelli die göttliche Führung, damit der Mensch als politisches Wesen aus der Geschichte lehren ziehen kann. Machiavelli verbindet die Tatsachen und Er-fahrungen aus der Geschichte mit der Fähigkeit über diese nachzudenken.

Wichtig für den Zusammenhang der Geschichte ist die necessita. Mit dem Überblick über die Gesetze der Geschichte kann der Mensch seine eigenen Ziele erkennen, um sie zu erreichen benötigt er die virtu. Machiavelli stellt sich gegen die Renaissance, welche gewohnt war der fortuna und dem Zufall die Macht zu überlassen. Nur derjenige, welcher die necessita in der Geschichte nicht erkennt, ist der launigen fortuna ausgeliefert. Politik ist für Machiavelli eine Kunst, befreit von der Übernahme der Ethik und Religion. Die Kunst verschiedene geschichtliche Zusammenhänge zu erkennen und daraufhin zu handeln.

3.4.) Die Rolle der Religion

Die Bedeutung der Religion ist mit Machiavellis Denken über die Politik verbunden. Das Interesse gilt der Frage, inwieweit die Religion soziale Funktionen für die Politik besitzt.

Machiavellis Darstellung über die Natur des Menschen ist eng verbunden mit der Religion. Gegen die Zerstörungskraft der Natur hilft nur die Angst. Diese erreicht durch Abschreckung, daß die Gesetze eingehalten werden und ist somit eine Grundlage der Religion. Die Furcht vor der Religion ist größer als vor Gesetzen. Deshalb ist es für den Fürsten ratsam sich bei seiner Gesetzgebung auf Gott zu berufen. Machiavelli ist bewußt, daß die Religion ein wichtiges stabilisierendes Instrument für die Ordnung ist. Die Neigung zur antiken Religion der Römer gegenüber des Christentums wird deutlich, wenn man die verschiedene Art und Weise der Erziehung in beiden Religionen betrachtet. „Die antike Religion erzieht zur Grausamkeit, also zu einem harten Menschen, während das Christentum zur Milde führt. Dadurch ist ein Menschenschlag entstanden, der die politischen Tugenden der Römer nicht mehr besitzt“.(Fuhr, A., 1985, S.157)

Machiavelli nimmt der Religion die transzendente Besonderheit, er setzt sie in die Realität des politischen Lebens. Der unwissende Teil der Bevölkerung soll über die untergeordnete Stellung der Religion nicht Bescheid wissen. Die Wissenden „sollen den Wunderglauben des Volkes fördern“ (Münkler, H., 1984, S. 278)

Machiavelli zieht diese Konsequenzen, weil er sich genau mit der Politik des Papstes und dem Handelskapitalismus der Florentiner auskennt, welche den tiefen Glauben der armen Bevölkerungsschicht ausnutzten, um ihre Einnahmen zu steigern.

3.5.) Mythos versus Realität

Um die in 3. 1 gestellten Fragen zu klären, ist es nötigt sich die verschiedenen Begriffe und Funktionen der Politik anzuschauen. Machiavelli begreift Politik als reinen Machterwerb und -erhalt. Platon hingegen glaubt an ein Jenseits der Vernunft. Ziel und Aufgabe der politischen Ordnung der antiken Philosophie ist die „Glückseligkeit“ (Eudaimonia). Das Ziel menschlichen Handelns ist dies zu erreichen. Bei Machiavelli besitzt die Politik keine moralische Funktion, da in einer von Bürgerkriegen geprägten Zeit der Mythos der Glückseligkeit verloren gegangen ist und nun selbst als Instrument des Machterwerbs und -erhalts benutzt wird. Welche Vernunft nun angewendet wird liegt im unterschiedlichen Verständnis von Politik. Machiavelli spricht vom Herrscher nicht von einer Verfassung, er zeigt die Macht und beschreibt nicht Institutionen oder Gesetze, er zeigt die Unternehmungen und Verfahrensweise des Machthabers auf und formuliert nicht den Sinn des menschlichen Zusammenlebens. Denn auch einem Platon würde es einleuchten, daß in einer politischen Welt, wie Machiavelli sie darstellt, der gute Mensch keine Chance besitzt. Der philosophische Mensch besteht im diesseits nicht gegen den politischen Menschen.

Der politische Mensch befindet sich in der paradoxen Situation zwischen Macht und Moral. Dieser sollte bei seinen Handlungen an das Gemeinwohl denken, doch sind die wahren Gründe oft die eigenen Interessen.

4.) Macht- die treibende Kraft in der Geschichte

In diesem Kapitel möchte ich darstellen, daß Machiavellis Thesen nie an Bedeutung

verloren haben. Machiavelli betrachtete die politische Realität, doch bemerkt man in

seinen Schriften, daß er die Macht aus verschiedenen Blickwinkel anschaut. Viele seiner Ansichten wurden im Laufe der Geschichte durch verschiedene Persönlichkeiten, welche in Kontakt mit Macht gerieten, geradezu bestätigt.

4.1.) Macht, ein menschlicher Trieb und eine soziale Notwendigkeit

Für die Entwicklung der Menschen gehört Macht zu den wichtigsten Erscheinungen. Macht ist tief mit der menschlichen Erfahrung verwurzelt und gilt als universelle Beobachtung. Fast alle Menschen nehmen Macht wahr, ob sie nun unterworfen werden oder umgekehrt ihre Macht benutzen. Eine weitere Besonderheit der Macht ist es, daß gerade Macht eine subjektive und objektive Gegebenheit ist. Macht besitzt Einfluß auf die persönliche und gesellschaftliche Situation, „sie gewinnt Gestalt“ (Berle, A., 1973, S. 70). Gerade die menschliche Individualität steht mit dem Erwerb der Macht in enger Verbundenheit. Schon Platon wies in der „Politeia“ auf die Gefahren einer zunehmenden Individualisierung hin, in der individuelle Freiheit in Willkür umschlägt. Hinzu kommt der Drang nach Selbstdarstellung und die Sehnsucht sich vor anderen Menschen zu beweisen und zu beeindrucken. Besonders diese Form der Macht wird oft als negativ bewertet, obwohl sie gerade in der heutigen Zeit verlangt wird. Mit der Selbstdarstellung beginnt die Macht. Schon der erste Eindruck zeigt die Grenzen der eigenen Macht auf. Vor allem war Machiavelli die Notwendigkeit der Darstellung bewußt. Die Taten des Herrschers sind gleichzeitig Selbstdarstellungen. Besonders die Kunst den Anschein zu erwecken, daß man z.B. moralisch handelt ist eng mit der Darstellung verbunden.

Ein weitere Funktion der Macht ist, daß zwischen Chaos und Ordnung Fortschritt entsteht. Die Angst Platons vor der Demokratie liegt im Begehren der Macht. Die durch die individuelle Freiheit verursachte Willkür führt zur Anarchie, die von einzelnen Aufrührern oder einer kleinen Minderheit ausgenutzt wird, um so die Tyrannis aufzubauen. Machiavelli hingegen hebt die Funktion der Ordnung, welche die Macht besitzt hervor. Wer skrupellos Territorium erobert, oder Konflikte löst und mit seiner tyrannischen Herrschaft Ordnung schafft, ist immer noch besser als der Zustand der Anarchie. Gerade Machiavellis Verständnis der Geschichte belegt, daß die Veränderung von Machtverhältnissen Zustände verändert, und so die Menschheit fortschreitet.

Macht ist zeitlich begrenzt. Die historische Notwendigkeit, daß ein Herrschaftssystem untergeht und eine neue Führerschaft entsteht, ist eng mit der Gier nach Macht verbunden. „Jedes Machtvakuum in der menschlichen Gesellschaft wird unweigerlich gefüllt“ (Berle, A., 1973, S. 55). Ein grundlegendes menschliches Begehren ist die Sehnsucht nach Ordnung. Damit Frieden in der Gemeinschaft herrscht, akzeptiert der Mensch eine höhere Instanz, welche die Bestimmung besitzt den Friedenszustand aufrechtzuerhalten. Das Zusammenbrechen der Macht führt dazu, daß Einzelne oder Mehrere versuchen mit ihren Mitteln die Herrschaft zu erlangen. Dieser Machtinstinkt liegt in jedem Menschen in verschiedenem Maße verborgen.

Obwohl verschiedene Gruppen am Prozeß beteiligt sind, werden immer nur einzelne Personen zum Machtinhaber. Macht ist notwendigerweise an Personen gebunden. Das Streben nach Macht besitzt verschiedene Motive, die sich oft überlagern. Neben den instinktiven Aggressionstrieb kann das Streben nach Macht aus rein idealistischen Beweggründen erfolgen. Machiavelli warnt davor, daß derjenige welcher Macht besitzt, sich von ihr blenden lassen kann. Ein zu großes Maß an Grausamkeit macht verhaßt, und deshalb muß der Fürst sich selbst beschränken und die Intelligenz besitzen, um kalkuliert Grausam zu sein, um andere nicht gegen sich aufzubringen. Denn im Erfolg vergißt der Machthaber seine Grenzen. Macht hat Einfluß auf die Persönlichkeit, gerade weil sie als emotionale Erfahrung wirkt. Für kurze Zeit kann ein Herrscher von seiner ideellen Grundlage abweichen, doch darf er nie vergessen, daß er dieser Ideologie verpflichtet ist. Wird die Vernachlässigung erkennbar, kann dies zu einer Rebellion führen. Der Anführer ist in seiner Ideologie begrenzt. Seine Handlungen dürfen die Normen der Ideologie nicht deutlich überschreiten. Den Anschein sich an die Gebote der Tugend und Moral zu halten ist für Machiavelli einer der grundlegendsten Aspekte, um Macht zu erobern und zu behaupten. Die Angst die Macht zu verlieren und sie nicht mehr zu bekommen spielt eine wesentliche Rolle. Gerade der Machtverlust wird bei Machiavellis eigener Biographie deutlich. Nach der Entlassung aus dem Staatsdienst stürzte Machiavelli in eine tiefe Krise.

4.2.) Macht- Die Geschichte und ihre Persönlichkeiten: ein Kommentar zu Machiavelli

Der Entwicklungsgang der Menschen mit allen ihren geschichtlichen Persönlich-keiten ist ein Beispiel für Macht, wie Machiavelli sie darstellt. Die Brisanz, die Machiavellis Gedanken besitzen wird durch die Geschichte bestätigt. Macht und Unmoral sind eng verbunden. Diese Bestätigung vollzogen durch Könige, Fürsten, Führern, Präsidenten, Politiker und Wirtschaftler. Schaut man sich z. B den ausgeprägten Nationalismus an, der sehr deutlich machiavellistische Grundzüge besitzt. Der Nationalismus ist für Herrschaftssysteme ein wichtiger Faktor. Den eigenen Einflußbereich zu schützen und zu vergrößern wird z. B durch eine konsequente Außenpolitik erreicht. Als Exempel gilt der britische Nationalismus, welcher schon im 17. Jahrhundert Indien zu einem von England abhängigen Reich erklärte. Schon Machiavelli war die Wichtigkeit der Expansion des eigenen Reiches bewußt. Die USA erreichten den Status einer Weltmacht durch eine stetige Vergrößerung des Territoriums, seit der Trennung vom Mutterland Großbritannien 1783. Jede Gelegenheit zur Expansion wurde genutzt. Gerade durch eine nationalistische politische und wirtschaftliche Organisation erreichte die USA ihren heutigen Status als Supermacht. Obwohl in der heutigen Zeit Staaten in verschiedenen Organisationen und Verbänden tätig sind, stehen doch immer noch die eigenen Interessen in Vordergrund. Mit Hilfe anderer Nationen soll der eigene Wirkungsbereich vergrößert werden.

Man darf aber nicht vergessen das Machiavellis Sonderstellung in der politischen Theorie nicht darauf beruht ein Handbuch für Machthaber zu schreiben, in denen sie nachschauen können. Vielmehr liegt sie darin, daß er neben dem Mechanismus der Macht offen über unmoralische, hinterlistige und revolutionäre Mittel der Macht spricht. Sie stellen im Kampf der Existenz ein konstitutionelles, politisches Mittel dar. Diese werden gerade in unruhigen Zeiten benötigt. In diesem Jahrhundert zeigten z. B Personen wie Mussolini, Hitler und Lenin, daß sie die „kleinen Tricks“ (Faul, E., 1961, S. 197) beherrschten. Gerade diese Personen hinter der Ideologie, sei es nun Kommunis-mus oder Faschismus/ Nationalsozialismus, entschieden je nach Zweck und Nützlichkeit, ob sie legale oder illegale Mittel benutzten. Gerade der Kommunismus existiert als politische Philosophie seit Platon, welcher die Idee eines idealen Gemeinwesens begründete. Ein Gemeinwesen, welches nicht von Macht und Reichtum regiert wird, sondern in dem Weisheit, Vernunft und Gerechtigkeit herrscht. Weitere Verfechter und Wegbereiter eines idealen Gemeinwesens waren Thomas Morus (1478- 1535), welcher „eine an Platons „Staat“ erinnernde Eigentumslosigkeit der Einzelnen zugunsten des Staates forderte“ (Schischkoff, G., 1991, S. 493) und Thomas Campanella (1568- 1639) , der sich einen christlich- kommunistischen Staat wünschte, in denen Priester- Philosophen herrschten. Beiden, Morus und Campanella errichteten die Bolschewisten nach der Revolution 1917 ein Denkmal an der Kremlmauer. (vgl. Courtois, S., 1998, S. 14)

Der Kommunismus benutzte nur aus Verzweiflung machiavellistsiche Methoden, um bestimmte Ziele zu verwirklichen. Die Grundidee des Faschismus/ National-sozialismus hingegen ist machiavellistisch. Gerade der Nationalsozialismus hinterließ mit einer machiavellistischen Vorstellung der Politik und einem modernen technokratischen und zentralisierten Staat schreckliche Spuren. Hitler entdeckte früh den starken Verdruß über die Demokratie und die Schwächen der anderen Parteien in Deutschland. Hinter der Ideologie konnte Hitler den Anschein geben, an das Wohl des Volkes zu denken. Mit zur Hilfe von negativen Menschenbildern, Schenkungen, Propaganda und dem Erschaffen einer gemeinsamen besseren Identität in der Bevölkerung konnte Hitler die Macht ergreifen und eine Zeitlang behaupten. Deshalb besitzt wohl gerade Hitler eine Faszination, da er in einer unruhigen Zeit deutlich mit machiavellistischen Praktiken an die Macht kam. Hitler unterstrich Machiavellis Theorie, daß man nur vertrauen aufbringen kann, wenn man Herr der Lage bleibt. Machiavellis berühmte, beherrschbare Fortuna und ein technisches, emotionsloses Wissen, auf welche Weise die Politik funktioniert konnte Hitler sein eigen nennen. „Der Staatsmann, der nicht sofort eingreift, wenn er die Massen apathisch werden sieht, gehört vor den Staatsgerichtshof. Ich habe die Masse fanatisiert, um sie zum Werkzeug meiner Politik machen zu können“ (Faul, E., 1961, S. 314). Die Macht über die Masse, und das Potential der Masse sind eng miteinander verbunden. Die Masse wird benötigt um die Macht zu erhalten. Sie kann den Herrscher und seiner Ideologie folgen, aber ihn auch stürzen. In der Masse verliert das Individuum die Furcht vor Anderen, vor Unbekannten. Jeder ist gleich in der Masse, „keine Verschiedenheit zählt“ (Canetti, E., 1994, S. 10)

Inwieweit die modernen totalitären Staaten dieses Jahrhunderts Machiavellis Gedanken in die Praxis umsetzten, läßt sich an Hand der Furcht zeigen. Furcht ist der Liebe vorzuziehen. Denn Liebe kann man nicht erzwingen, Furcht kann hingegen künstlich erzeugt werden. Der Machthaber/ Staat erreicht diese Furcht durch eine totale Kontrolle und wohldosierten, unvorhersehbaren und unberechenbaren Terror. Die Angst vor dem Machthaber schafft Respekt. Keiner wagt es sich gegen den Staat aufzulehnen, da eine vollkommene Beobachtung stattfindet. Stalin ließ politische Gegner in Schauprozessen liquidieren. (vgl. Roth, K., 1989, S. 329). Weiterhin wird durch künstlich erzeugte Emotionen und Leidenschaften die Kontrolle der Menschen übernommen. Die Furcht vor dem Staat wird verstärkt durch verängstigende Bilder und Nachrichten, wie schlecht es den Menschen ohne diesen Staat gehen würde. Die Abgabe der vollkommenen Freiheit geschieht, wegen der Angst vor anarchistische Zuständen. Die erzwungene Anerkennung legitimiert sich durch die Notwendigkeit der Macht. Das Zusammen- brechen der UdSSR und der Verlust der totalen Kontrolle verdeutlicht dies. Das entstanden Machtvakuum wird permanent von anderen versucht aufzufüllen. Der Verlust der Ideologie mit ihrem totalen System bringt Auflehnung und Unsicherheit. Machiavelli begründete sein politisches Denken aus der Krise der Republik Florenz, auf der Suche nach dem uomo virtuoso (den außerordentliche Mann), welcher mit bestimmten Maßnahmen die Krise bewältigt. Es zeigt, daß die Geschichte ein Kreislauf ist, in denen sich die verschiedenen, von Menschen geschaffenen Gemeinwesen verändern. Stabile Gemeinschaften wechseln sich zu ungeordneten und instabilen Gesellschaften, um dann wieder neu reorganisiert zu werden.

Der Verlust der Identität wirkt auf die Stabilität des Herrschaftssystem. Schaut man sich die französische Revolution , die beiden Weltkriege und das Ende des kalten Krieges an, bemerkt man, daß eine verlorene Identität soziale Konflikte aufzeigt, welche zu Auseinandersetzungen führen. Neue Identitäten entstanden durch verschiedene politische und militärische Verschiebungen von Grenzen.

Der Wandel vom Feudalismus zu einer bürgerlich- kapitalistischen Gesellschaft ist die Folge von Klassenkämpfen. Die verschiedenen Perioden bis zum heutigen modernen Staat ist durch eine Hohe Anzahl von Aufständen charakterisiert, welche die momentanen Herrscher mit Hilfe von Gewalt zerschlagen wollten. Auch hier wird wieder Machiavellis Weitblick deutlich. Die Unterordnung der verschiedenen Interessen der Klassen unter den Staat, welcher als souverän die beiden Elemente Gewalt und Gesetz besitzt. Der Staat schützt sich durch Mittel wie Recht, Gewalt und der jeweiligen Ideologie. Das Recht wird in ruhigen Zeiten benutzt. Die Gewalt kommt in Perioden der Krise zum Einsatz. Die „Stunden Machiavellis“ (Deppe, F., 1987, S. 370) beginnen. „Wir bezeichnen so den Zeitpunkt, im dem begriffen wird, daß die Republik (der Staat) mit ihrer eigenen geschichtlichen Endlichkeit konfrontiert ist, als den Versuch, eine gewisse moralische und politische Stabilität in einem Strom von irrationalen Ereignissen zu bewahren, die als zutiefst destruktiv für alle Systeme weltlicher Ordnung und Stabilität angesehen werden.“ (Pockock, J. G. A., in Deppe, F., 1987, S.370)

5.) Fazit/ Schluß

In diesem Kapitel möchte ich darstellen, welche Erfahrungen ich in der Auseinander- setzung mit Machiavelli sammelte, und welche Probleme sich ergaben. Als erstes stellte sich die Frage, nachdem ich bemerkte, daß es eine große Anzahl an Literatur gibt, in dem Machiavelli zitiert, kritisiert und mißbraucht wird, welchen Beitrag man selbst dazu schaffen möchte. Sehr schnell stellte ich fest, daß drei Ansichten immer wiederkehrten. Die erste Ansicht geht in Richtung Politik ist Moral und Ethik. Der politische Mensch sollte Tugend besitzen. Diese Ansicht verneint Machiavellis Thesen. Die zweite Ansicht war, daß die Tugend sehr wichtig in der Politik ist, aber die Realität leider anders aussieht. Diese sehr resignierte Anschauung entspricht wohl dem Politiker, der gerne Moral besitzen würde, oder sie einmal besaß und in der schlimmen politischen Realität verlor. Die dritte Ansicht war, daß Politik getrennt von der Moral ist. Im Kampf um Macht ist die Unmoral eine sinnvolle Waffe, und deshalb nichts negatives. Die Frage nach Moral wird nicht gestellt, da sie in der Politik nichts zu suchen hat. Bei der Suche nach einer interessanten Fragestellung und Problematik half mir die Faszination, die Machiavellis trockene Ansichten besaßen. Hinzu kommt die enge Verbindung zwischen Machiavellis Leben und seinen politischen Gedanken, welches ein Verständnis für seine leidenschaftslose und sehr analysierende Art erzeugt. Also interessierte mich ein Vergleich zwischen dem Politikverständnis im klassischen Denken und Machiavellis Thesen, welche ein neues Politikverständnis mit sich brachte. Machiavelli traute sich als erster die Realität nicht nur anzuschauen, sondern sie zu beschreiben und Hilfsmittel für einen Herrscher zu geben, der sich auch ein funktionierendes Gemeinwohl wünscht, sich aber in der politischen Wirklichkeit bewegen kann, ohne sich die Frage nach Moral stellen zu müssen. Denn schon im klassischen Denken werden die Fragen wer Macht besitzen soll und wer davon ausgeschlossen wird aufgeworfen. Hinzu kommt , daß Machiavelli der erste ist, welcher die Verschleierung und den Zauber die Machthaber nutzen, offen darzustellen. Deshalb interessierte mich der Wandel des Begriffs Vernunft. Denn auch heute noch wird in der von Sachzwängen durchzogenen Politik nicht nach einer moralischen Vernunft entschieden, sondern durch die Vernunft der Macht. Die Kontroverse zwischen Politik, wie sie sein sollte und Politik, wie sie nun einmal ist, fand ich sehr beachtlich. Nicht um über Lösungsansätze nachzudenken, sondern um sich selbst einzugestehen, daß man moralisch handelt, solange man nicht „mächtig“ im Spiel der Politik mitwirkt. Gerade in Zeiten der Krise fällt es durchaus schwer vernünftig zu handeln, was für Machiavelli pure Unvernunft wäre. In der Krise darf nur die rationale Macht als Vernunft herrschen. Deswegen bleibt Machiavelli unangreifbar, wenn man nur davon spricht wie Politik sein sollte. Denn wie sie sein sollte spielt auf einer Ebene ab, in der die Realität selten zu finden ist.

Danach interessierten mich die Aspekte und Funktionen der Macht und Persönlichkeiten, welche Machtpositionen erreichten. Denn obwohl Politik heute vielschichtiger ist, war und wird sie wohl an Personen gebunden sein. Gerade diese Gebundenheit an Personen fand ich bemerkenswert, da sich viele große Denker Gedanken über Verfassungen, Institutionen und Systeme machen, und am Ende doch Personen die wichtigste Rolle spielen.

Während dieser Hausarbeit wurde mir die Besonderheit von Machiavellis Denken bewußter und gleichzeitig entwickelte ich mehr Kritik zu Autoren, welche Politik schön reden. Der Fürst sollte von angehenden Politiker und Politikstudenten/ Philosophen gelesen werden, um sich bewußt zu werden, daß über Politik, Macht und Moral diskutieren etwas anderes ist als zu Handeln in einer politischen Krise. Gerade wenn man sich politische Krisen anschaut, wie z. B wie Kriege ist es hilfreich Kenntnisse über Machiavelli zu besitzen, denn dann erreicht man ein besseres Verständnis darüber, wieso gewisse Entscheidungen bei Kriegen so und nicht anders angeordnet worden sind. Ich sehe Machiavellis Beitrag und die Auseinander-setzung mit ihm durchaus positiv, da man auch die eigene Persönlichkeit mit den eigenen Wert- und Moralvorstellungen in die Diskussion einbringt. Denn das schlimme ist, daß man wenn man über politische Dinge spricht sich sehr darüber aufregt, daß Machthaber nicht verantwortungsvoll entscheiden, doch sich eingestehen muß, daß der Machthaber die Pflicht besitzt, erst an sich zu denken. Der Fürst ist eine Anleitung für Herrscher, doch ist sie nach meiner Ansicht auch eine der ersten aufklärerischen Schriften. Nur gibt es keine Schrift, wie man einen Machiavellisten stoppen kann. Denn schon Machiavelli wußte, daß es darauf keine Antwort gibt.

Literaturverzeichnis:

Baruzzi, Arno: Einführung in die politische Philosophie der Neuzeit, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1983, Darmstadt

Bergstrasser, Arnold; Oberndörfer, Dieter, (Hrsg): Klassiker der Staatsphilosophie, Koehler, 1962, Stuttgart

Berle, Adolf, A.: Macht- Die treibende Kraft der Geschichte, Hoffmann und Campe Verlag, 1973, Hamburg

Canetti, Elias: Masse und Macht, FischerVerlag, 1994, Frankfurt am Main

Courtois, Stephane; Werth, Nicolas; Paczkowski, Andrej; Bartosek, Karel; Margolin, Jean-Louis: Das Schwarzbuch des Kommunismus- Unterdrückung, Verbrechen und Terror, Piper Verlag, 1998, München

Deppe, Frank: Niccolo Machiavelli- Zur Kritik der reinen Politik, Pahl- Rugenstein Verlag, 1987, Köln

Faul, Erwin: Der moderne Machiavellismus, Kiepenheuer & Witsch, 1961, Köln- Berlin

Fuhr, Andreas: Machiavelli und Savonarola- Politische Rationalität und politische Prophetie, Verlag Peter Lang, 19985, Frankfurt am Main

Machiavelli, Niccolo: Il Principe/ Der Fürst, Reclam, 1986, Stuttgart

Münkler, Herfried: Machiavelli- Die Begründung des politischen Denkens der Neuzeit aus der Krise der Republik Florenz, Fischer Verlag, 1984, Frankfurt am Main

Ritter, Gerhard: Die Dämonie der Ritter, Leipniz Verlag, 1948, München

Roth, Klaus in Nohlen, Dieter (Hrsg.): Wörterbuch Staat und Politik, Bundeszentrale für politische Bildung, 1998, Bonn

Schmitt, Eberhard in Maier, Hans; Rausch, Heinz; Denzer, Horst (Hrsg.): Klassiker des politischen Denkens, Verlag C. H. Beck,1986, München

Schischkoff, Georgi: Philosophisches Wörterbuch, Alfred Kröner Verlag, 1991, Stuttgart

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Machiavelli - Von der Macht der Vernunft zur Vernunft der Macht
Autor
Jahr
2000
Seiten
15
Katalognummer
V99643
ISBN (eBook)
9783638980821
Dateigröße
363 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Machiavelli, Macht, Vernunft, Macht
Arbeit zitieren
Santo Viro (Autor:in), 2000, Machiavelli - Von der Macht der Vernunft zur Vernunft der Macht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99643

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