Führungsziele und Stile von Anstaltsleitern der Justiz ( eine vergleichende Analyse einer bayrischen und österreichischen Institution)


Hausarbeit, 2000

24 Seiten, Note: bestanden


Leseprobe


Einleitung und Problemstellung:

Bei der Bearbeitung des Kurses „Einführung in die Arbeits- und Organisationspsychologie“ haben mich am meisten die Führungstheorien interessiert.

Durch meinen Beruf als Justizwachebeamtin bin ich auf den Gedanken gekommen, die Führungsstile der Anstaltsleiter in Justizanstalten bzw. Justizvollzugsanstalten wie sie in Deutschland heißen zu beleuchten.

Zu Beginn möchte ich einen Überblick über einige relevante Führungstheorien geben. Ich habe mich dabei für die klassische Literatur entschieden, denn in diesem Bereich gibt es zahlreiche Werke , die sich mit Führungsstilen und -zielen beschäftigen.

Mir ist es in dieser Arbeit wichtig zu erfahren, welchen Führungsstil die Anstaltsleiter in den verschiedenen Ländern ( Deutschland und Österreich) als nützlich zur Zielerreichung ansehen und ob sie bestimmte theoretische Führungskonzepte zur Entscheidungsfindung heranziehen.

Um das herauszufinden, habe ich eine Dokumentenanalyse der in Frage kommenden gesetzlichen Bestimmungen vorgenommen, und eine Befragung (Experteninterview) mit zwei Anstaltsleitern durchgeführt.

II. Theoretische Ansätze zu Führungsstilen und Führungszielen

1. Definition:

Es gibt zahlreiche Definitionsmöglichkeiten von Führung wie zum Beispiel die von Häusler :

„Führung heißt, jemanden in eine Richtung auf ein Ziel weisen, jemanden in Bewegung auf ein Ziel halten.“1

Rosenstiel definiert Führung als eine unmittelbare, absichtliche und zielbezogene Einflussnahme von Personen auf andere; so ist Führung beinahe mit Kommunikation deckungsgleich. 2

Bleicher stellt fest, dass es seiner Meinung nach keine eindeutige Definition des Begriffes Führungsstil gibt.

Er versteht unter einem Führungsstil die allgemeine, raum- und zeit-(epochen)spezifische Art der Ausübung von Führungsfunktionen.

Diese sieht Bleicher in der Führungsform gekennzeichnet, als eine führungspersonenspezifische und eine besondere situations- und aufgabenbezogene Ausübung der Führungsfunktionen durch einen Vorgesetzten.3

In der Literatur werden unter anderem folgende kontrastierende Führungsstile unterschieden:

a) autokratischer (autoritärer, absolutistischer Führungsstil)
b) Kooperativer demokratischer Führungsstil

Sader charakterisiert die beiden Führungsstile wie folgt:

„Autokratisch:

Anweisungen geben, unterbrechende Befehle, nicht konstruktive Kritik, Lob und Tadel.

Demokratisch:

aktive Bereitschaft, lenkende Vorschläge in dem Augenblick zu geben, in dem sie erforderlich und willkommen sind, Anregungen zu Selbständigkeit geben, keine explizite Führerrolle beanspruchen.“4

Bornemann sieht die jeweilige Form des sozialen Kontaktes aus der sozialen Situation heraus begründet; je nach Berufung auf Amtsstellung und auf Amtsaufgabe ergibt sich entweder ein autoritativer Führungsstil, bei dem es zu seltenen Kontakten mit den Mitarbeitern kommt, was die Autorität zudem noch erhöht. Der kooperative Vorgesetze muss schon um des Führungsprinzips willen auf möglichst nahen Kontakt und ständige persönliche Aussprache mit seinen Untergebenen drängen.5

2. Ausgewählte Theorien zu Führungsstilen und –zielen

2.1 Die Kontinuumtheorie von Tannenbaum /Schmidt:

Diese Theorie zählt zu den situationspezifischen Führungstheorien.6 Tannenbaum und Schmidt gehen davon aus, dass es zwischen den beiden Extremformen autoritärer und demokratischer Führung eine Vielzahl von Übergängen gibt. Demnach ha t die Wahl des Führungsstils keineswegs „entweder- oder“- Charakter, vielmehr stellt sich die Frage, in welcher Dosierung Autokratie und Demokratie im Führungsverhalten zum Ausdruck kommen soll. Um Zwischenstufen zu formulieren, orientieren sich die Autoren allein an dem Merkmal „Ausmaß der Entscheidungsfreiheit der Mitarbeiter“ ( bzw. Ausmaß an Einfluss der Untergebenen/des Vorgesetzten“) und unterscheiden sieben Partizipationsformen in Gestalt eines Alternativkontinuums, dessen Endpunkte die beiden Verhaltensextreme der autoritären und demokratischen Führung indizieren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Führungsstilkontinuum nach Tannenbaum/Schmidt

Tannenbaum/Schmidt vertreten die Auffassung, dass keinem dieser Verhaltensmuster bedingungslose Vorzugswürdigkeit zugestanden werden darf.

Für die Wahl eines bestimmten Führungsstils gibt es wichtige Faktoren, die bei der Wahl des Führungsstils durch den Vorgesetzten eine Rolle spielen.

- Persönliche Grundhaltungen und Einstellungen
- Qualifikation und Erwartungen der Mitarbeiter (Unabhängigkeitsbedürfnis, Verantwortungsübernahme, Interesse,...)
- Situationscharakteristika ( Organisationstyp, Ziele, Problemart, Gruppeneigenschaften)

Nach Tannenbaum/Schmidt zeichnet sich ein erfolgreicher Führender dadurch aus, dass er alle genannten Einflussfaktoren realistisch beurteilen kann, aber auch noch imstande ist, sein Führungsverhalten den jeweiligen Gegebenheiten anzupassen. Situationsadäquate Dynamik heißt demnach ihr Grundkonzept zur effizienten Führung.

2.2 Normativer Ansatz von Vroom& Yetton:

Die Autoren gehen von einer subjektiven Rationalität des Vorgesetzten aus und sehen in der Art des Entscheidungsverhaltens einen besonders wichtigen Aspekt der Führung. Entschieden werden kann auf unterschiedliche Weise:7

A I: Autoritäre Entscheidung durch den Vorgesetzten ohne Rücksprache mit den Mitarbeitern.

A II: Autoritäre Entscheidung durch den Vorgesetzen nach Einholung von Informationen bei den Mitarbeitern, ohne dass diesen mitgeteilt wird, um welche Entscheidung es geht.

C I: Consultative Entscheidung nach Beratung durch einzelne Mitarbeiter.

C II: Consultative Entscheidung nach Beratung des Entscheidungsproblems durch die ganze Gruppe

G: Gruppenentscheidung

Je nach Situation führt nun das eine oder andere Entscheidungsverhalten zu besseren Führungsergebnissen, wobei dieses „Besser“ an drei hierarchisch geordneten Kriterien festgemacht wird:

- Qualität der Entscheidung
- Akzeptanz der Entscheidung
- Ökonomie des Entscheidungsverhaltens

Andere durchaus vorstellbare Kriterien werden nicht berücksichtigt. Der Führende soll erkennen, in welcher Situation welche Art des Entscheidungsverhaltens adäquat ist. Er soll dafür sensibilisiert werden , seine eigene Führungssituation unter bestimmten Aspekte diagnostizieren zu können. (...) Der Vorgesetzte wird dazu aufgefordert, an sieben situationsdiagnostischen Fragen orientiert einen „Entscheidungsbaum“ zu durchlaufen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Normatives Modell von Vroom/Yetton

Beantwortet man jede dieser Fragen mit Ja oder nein, so gelangt man schließlich an den „Spitzen der Äste“ des Entscheidungsbaumes zu dem Ratschlag, wie man in dieser Situation entscheiden sollte. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich Vroom/Yetton auf einen zentralen Aspekt des Führungsgeschehens konzentrieren, nämlich auf das Treffen von Entscheidungen. Sie gehen dabei von einer nahezu vollständigen Verhaltensflexibilität des Vorgesetzen aus. Es wird unterstellt, dass sie die Mitarbeiter, abhängig von der Situation, mehr oder weniger in den Entscheidungsprozess einbinden.8

Böhnisch schreibt des weiteren:“ Im Zentrum der Betrachtung steht somit das Verhalten des Vorgesetzten, wohingegen kognitive und motivationale Determinanten der Persönlichkeit von Geführten nur insofern Beachtung finden, als Qualität und Akzeptanz der zu treffenden Entscheidung tangieren.“

2.3 Verhältnis von Führungsstil und Organisationsform

Die Ausübung bestimmter Führungsformen macht die Auswahl bestimmter Strukturierungsalternativen notwendig. Führungsform und Organisationsform, soweit sie für die Bildung von Führungselemente relevante Merkmale betrifft, bedingen sich gegenseitig. Wenn zum Beispiel ein kooperativer Führungsstil praktiziert wird, dann verlangt dieser Führungsstil eine organisatorische Gestaltung, die einen breiten dispositiven und informellen Spielraum für die Entfaltung der Mitarbeiter offen lässt. Das heißt eine Entscheidungszentralisation, Gruppenentscheidungen und multilaterale Arbeits- und Informationsbeziehungen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeiter. Aber auch humane Interessen der Mitarbeiter muss der Vorgesetzte berücksichtigen.9

Es gibt jedoch auch den Fall, wo die organisatorischen Regelungen mit den praktizierten Führungsverhalten des Vorgesetzten nicht übereinstimmen, dann spricht man von Führungsfassaden. 10

2.4. Führungsziele im Verhaltensgitter nach Blake &Mouton:

Blake und Mouton versuchen, die unterschiedlichen Führungsformen aus dem Blickwinkel der Ziele der Unternehmensführung zu unterscheiden:11

Die Unternehmensführung kann mit unterschiedlichen Akzentuierungen die Betonung auf Menschen legen, die in den Unternehmen beschäftigt sind, oder auf die Produktionsergebnisse oder auch auf beides gemeinsam – in unterschiedlichen Ausprägungen.

Bleicher sieht diese Betrachtungsweise in wirtschaftlichen Organisationen, die von Menschen getragen werden, dadurch gerechtfertigt, dass Führungskräfte sowohl für ökonomische Ergebnisse verantwortlich sind, als auch für die humanen Belange ihrer Mitarbeiter. Die Berücksichtigung der humanen Aspekte wird geradezu ein Charakteristikum der Organisation.

Dadurch, dass der Mensch als Strukturelement in die Organisation eingeht, entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen humanen Ansprüchen des Individuums und ökonomischen Ansprüchen des Gebildes „Unternehmung“ .

Dieser Zusammenhang lässt sich schematisch in einem zweidimensionalen Koordinatensystem darstellen. Die Betonung humaner und ökonomischer Aspekte in Unternehmungen werden abgestuft und in ihren Ausprägungen in einzelnen Führungsformen analysiert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Führungsformen nach Blake/Mouton

Eine nähere Betrachtung der Führungsformen nach Blake und Mouton wirft die grundlegende Frage nach den Möglichkeiten einer Berücksichtigung von humanen und ökonomischen Aspekten bei der Führung auf.

Fragt man , inwieweit eine Förderung humaner Ziele generell eine Förderung ökonomischer Ziele bewirkt bzw. inwieweit bei Förderung ökonomischer Ziele generell eine Förderung humaner Belange mit erreicht wird, so spricht manches für eine Gegensätzlichkeit humaner und ökonomischer Ziele.

III. Methodischer Zugang:

1.Dokumentenanalyse:

In diesem Teil meiner Arbeit möchte ich aus den österreichischen und deutschen gesetzlichen Bestimmungen und Verordnungen, die für den Strafvollzug relevant sind, Führungsstile und Ziele der Anstaltsleiter herausfiltern. Auszüge aus deutschen Bestimmungen habe ich am Rand mit einem [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] , österreichische Bestimmungen mit einem [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] gekennzeichnet.

a) Definition des Anstaltsleiters:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das deutsche Strafvollzugsgesetz sieht vor, dass der Anstaltsleiter die Anstalt nach außen vertritt. Er trägt die Verantwortung für den gesamten Vollzug, soweit nicht bestimmte Aufgabenbereiche der Verantwortung anderer Vollzugsbediensteter oder ihrer gemeinsamen Verantwortung übertragen sind.12

Dienstvorgesetzter ist, wer für beamtenrechtliche Entscheidungen über die persönlichen Angelegenheiten der ihm nachgeordneten Beamten zuständig ist. Vorgesetzter ist, wer dem Beamten für seine dienstliche Tätigkeit Anordnungen erteilen kann.13

In der österreichischen Vollzugsordnung ist der Anstaltsleiter Vollzugsbehörde I. Instanz ,sowie Dienststellenleiter in Personalangelegenheiten.14

b) Gesetzliche Zielvorgaben:

Das Gesetz unterscheidet Ziele, die im Umgang mit unseren Klienten relevant sind, und Ziele, die die Organisation ,Sicherheit und Ordnung der Anstalt betreffen.

Für die Erfüllung der Ziele trägt der Anstaltsleiter als oberstes hierarchisches Organ die Verantwortung.

Die allgemeinen Ziele des Strafvollzuges und damit auch die Ziele der Anstaltsleiter ergeben sich aus dem § 20 Abs. 1 des österreichischen und aus dem § 2 des deutschen Strafvollzugsgesetzes, die als Aufgabe bestimmen, dass der Gefangene fähig werden soll, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Strafen zu führen. 15

Man unterscheidet folgende Ziele:

- Das Resozialisierungs- und Behandlungsziel

Das vorrangige Vollzugsziel im deutschen Strafvollzug ist der Behandlungs- und Resozialisierungsgedanke16

Dies ist auch in der österreichischen Gesetzgebung der Fall.

Als Mittel zur Erreichung aller Vollzugsziele sowie zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in den Anstalten(...) dient die Abschließung der Insassen von der Außenwelt, sonstige Beschränkung der Lebensführung, sowie die erzieherische Betreuung.

Die Vollzugsordnung für Justizanstalten sieht um die Vollzugsziele erreichen zu können vor, dass es einer menschenwürdigen Behandlung der Insassen bedarf, sowie der Verrichtung nützlicher Arbeit, Berufsausbildung , Unterricht und Fortbildung, der Gewährung geeigneter Vergünstigungen und der erzieherischen Betreuung, sinnvoller Freizeitgestaltung, sozialer Betreuung, Kontakten zur Außenwelt und geeigneter Vergünstigungen.17

- Das Ziel der Sicherheit und Ordnung der Anstalt:

Ziele die die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt betreffen sind folgende: Aus und Fortbildung der Mitarbeiter, Bevorratung der Anstalt gewährleisten ( =genügend Nahrungsmittel für die Insassenverpflegung), funktionstüchtige Not-, Alarm- und Katastrophenpläne. ( vgl. VZO 1995)

Um die Handlungsziele zu erreichen, bedarf es der Zusammenarbeit in der Anstalt.

Die Erreichung aller Handlungsziele nebeneinander ist anzustreben, im Konfliktfall kommt der Sicherheit in der Anstalt und dem Schutz vor schweren Schäden an der Person Vorrang zu.18

Alle im Vollzug Tätigen arbeiten zusammen und wirken daran mit die Aufgaben des Vollzuges zu erfüllen.

Der Anstaltsleiter oder der sonst zu einer Entscheidung berufene Bedienstete soll daher alle betroffenen Organisationseinheiten zur Beratung beiziehen.19

Die österreichische Vollzugsordnung sieht daher vor, dass der Anstaltsleiter bei Bedarf oder mindestens einmal im Vierteljahr mit den Leitern der Bereiche und den Leitern der Betreuungsdienste eine Besprechung abzuhalten hat.(...) Bei diesen Besprechungen sind die Arbeitsziele vorzugeben, deren Erreichung zu überprüfen ist.20

Bei den zu verfolgenden Zielen ist von den Leitern immer der Gesichtspunkt der Gesetzmäßigkeit, Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten. (vgl. VZO 1995)

c) Gesetzliche Führungsvorgaben:

Die gesetzlichen Bestimmungen gaben nicht viel Aufschluss darüber mit welchem Führungsverhalten die Anstaltsleiter die Ziele zu verwirklichen haben. Lediglich die Vollzugsordnung für Justizanstalten gibt folgendes vor:

„Diese Vollzugsordnung legt organisatorische und rechtliche Rahmenbedingungen fest und kann Eigeninitiative und selbstverantwortliches Handeln der Vollzugsbediensteten nicht ersetzen. Sie will auch nicht die Entwicklung eigenständiger Formen der Zusammenarbeit, der Konfliktvermeidung und Konfliktbewältigung in den Justizanstalten behindern.“21

Um dennoch Material zu Führungsstilen zu bekommen, habe ich einen österreichischen und deutschen Anstaltsleiter interviewt, und ihre Aussagen dann miteinander verglichen.

2.Expertengespräche mit zwei Anstaltsleitern:

( Fragenkatalog im Anhang)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bei der Definition von Führung lässt sich ganz klar das unterschiedliche Verständnis von Führung hervorheben. Ein Anstaltsleiter sieht Führung nach dem Gesichtspunkt der Aufgabenorientierung, der andere sieht Führung als eigenschaftsorientiert an.

Strategie:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bei der Führungsstrategie handelt es sich darum, wie die Experten ihr Führungsverständnis praktizieren. Dabei lässt sich deutlich feststellen, dass der Situationsaspekt im Führungsverhalten der beiden Anstaltsleiter eine Rolle spielt. Der rechtliche Aspekt steht über sozialen und psychologischen Belangen, sind aber unabdingbare Bestandteile zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung.

Zufriedenheit und Akzeptanz:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bei der Zufriedenheit und Akzeptanz geht es darum, wie die Anstaltsleiter diese ermitteln und interpretieren. Bei sprechen in gleicher Weise nicht von Erreichung von Zufriedenheit, sondern von der Einschränkung des Unzufriedenheitsgrades, was für das Strafvollzugsmetier ganz bedeutend ist, da es sich in Bezug auf die Insassen um eine ungewollte Zwangsgemeinschaft handelt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bei der Strategie der Entscheidungsfindung konnte man eine Ähnlichkeit der Antworten feststellen. Sehr umfangreiche Entscheidungen werden im Team gefällt, bei Gefahr im Verzug hingegen werden gleichsam autoritäre Entscheidungen bevorzugt Persönliche Eindrücke der Anstaltsleiter über Führung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bei den persönlichen Eindrücken der Anstaltleiter zu Führung kann man feststellen, dass beide Leiter Führen als sehr schwere Aufgabe ansehen. Jedoch kann man unterschiedliche Auffassungen darüber feststellen, dass sich Führung im Laufe der Zeit gewandelt hat.

IV. Vergleichende Interpretation der Ergebnisse:

In diesem Abschnitt meiner Arbeit ist es mir wichtig mögliche Parallelen zwischen den klassischen Führungstheorien, den gesetzlichen Bestimmungen über Führungsziele sowie tatsächlich praktizierten Führungsstilen der Anstaltsleiter herauszufiltern.

Sehr auffällig war in Bezug auf das Führungsverhalten festzustellen, dass die Anstaltsleiter dieses von der Situation abhängig machten. Man spricht hier von den organisatorischen Bedingungen, die für die Wahl einer bestimmten Führungsform ausschlaggebend sind.

Neben vielen Bedingungen, die die Wahl einer Führungsform einschränken können, wie die Normalsituation und Ausnahmesituation (Katastrophen), unterscheidet Häusler zwischen

- Repetitiven, regressiven Aufgaben
- Kreativen Aufgaben22

Es zeigt sich, dass bei repetitiven, regressiven Aufgaben ein hoher Organisations- und Formalisierungsgrad sowohl möglich, als auch ökonomisch sinnvoll ist. Die Entscheidungsbefugnisse sind geringer und tendieren zu einer Zentralisation. Arbeitsmäßig besteht kaum die Notwendigkeit zu einem gruppenorientierten Führungsverhalten. Es zeigt sich damit eine Tendenz zu autokratischen Führungsformen.

Bei kreativen Aufgaben lassen sich dagegen die humanen Aspekte deutlicher betonen und kooperative Führungsformen sinnvoller verwirklichen. Eine Zentralisation ist kaum denkbar, vieles wird der informellen Organisation überlassen. Die Kreativität der Problemlösung wird durch gruppenbezogenes Führungsverhalten und Gruppenentscheidungen gefördert.23

Diese Aussage lässt sich sowohl mit der Führungstheorie von Tannenbaum &Schmidt , die eine situationsadäquate Dynamik als Grundkonzept zur effizienten Führung ansieht, in Einklang bringen aber auch mit den Antworten der Anstaltsleiter, als ich sie um die jeweilige Situationsproblematik fragte. Eine weitere Theorie, nämlich der normative Ansatz von Vroom/Yetton befasst sich in erster Linie mit dem Treffen von Entscheidungen. Je nach Situation führt das eine oder das andere Entscheidungsverhalten zu besseren Ergebnissen. Diese Ergebnisse messen sich an der Qualität der Entscheidung, der Akzeptanz und der Ökonomie des Entscheidungsverhaltens.

Die Anstaltsleiter messen die Qualität ihrer Entscheidung daran, dass der Grad der Unzufriedenheit auf Seiten der Klienten sich in Grenzen hält. Eine absolute Zufriedenheit lässt sich aufgrund der Tatsache, dass es sich in einem Gefängnis um eine ungewollte Zwangsgemeinschaft handelt, nicht erreichen. Die Akzeptanz leiten sie aus dem Anteil an offener Kritik ab, der nicht allzu groß sein soll. Eine Ökonomie des Entscheidungsverhaltens der Anstaltsleiter lässt sich aus dem Gesetz ablesen, da sie zur Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit , Zweckmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit aufgefordert werden. Um die Führungsziele zu definieren habe ich mich für den Ansatz von Blake & Mouton entschieden.

Dieser Führungsansatz beschäftigt sich mit der Vereinbarung von humanen und ökonomischen Zielen. Legt man diese Theorie auf die Ziele der Anstaltsleiter um , so bedeutet dies auf der einen Seite das Ziel der Resozialisierung und auf der anderen Seite das Ziel der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt unter den Gesichtspunkten der Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit, Gesetzmäßigkeit und Sparsamkeit zu vereinen. Gerade dieser Aspekt lässt Führung aus der Sicht der Anstaltsleiter im Strafvollzugsbereich als sehr schwierig erscheinen.

IV. Zusammenfassung und Ausblick:

Ausgangspunkt meiner Arbeit war, die Führungsstile und die Führungsziele am Beispiel eines österreichischen und deutschen Anstaltsleiters zu beleuchten. Dabei war es mir wichtig herauszufinden, ob in den verschiedenen Ländern verschiedene Führungsstile praktiziert werden um die gesetzlich vorgeschriebenen Ziele zu erreichen.

Zu Beginn der Arbeit versuchte ich die wichtigsten Führungstheorien darzustellen, um auf Grundlage dieses theoretischen Hintergrundes weitere Erkenntnisse zu erlangen. Darauf aufbauend wurden die Ergebnisse der Interviews sowie die Analyse der relevanten gesetzlichen Bestimmungen mit den Führungstheorien verglichen, um herauszufinden, welche Führungstheorien zum Einsatz kommen.

Dazu kann gesagt werden, dass es vor allem auf die jeweilige Situation ankommt, welcher Führungsstil von den Leitern praktiziert wird. Einig waren sie sich darüber, dass in Notfällen, bei denen der Zeitfaktor eine wesentliche Rolle spielt, autokratisch zu entscheiden ist, in allen anderen Fällen bevorzugen sie wie in anderen privatwirtschaftlich geführten Unternehmen die kooperative Entscheidungsfindung.

Differenzen bei den Anstaltsleitern gab es aber in Hinblick auf die Frage nach den „Führungsstilen im Wandel der Zeit“.

Hier musste ich feststellen, dass in Deutschland gedanklich sehr wohl der Übergang vom autoritären zum kooperativen Führungsstil stattgefunden hat, Österreich aber nach der Aussage des Anstaltsleiters aufgrund starrer Strukturen (aber auch persönlichen Eindrücken zu folge) dem deutschen Vollzug nachhinkt.

Außerdem konnte ich in der vergleichenden Analyse herausfinden, dass sich die Leiter sehr wohl an bestimmten Entscheidungsmodellen orientieren, zwar nicht nur an einem bestimmten Modell, sondern an einer Mischung von Modellen. Neben der oben schon erwähnten Situationsproblematik orientiert sich ein Anstaltsleiter bei der Entscheidungsfindung an einem Vorbild, der andere sieht in seinem Führungsverhalten eher die Aufgabenverteilung als wichtigen Aspekt an.

Zu den Zielen, die die Anstaltsleiter gemäß den gesetzlichen Bestimmungen zu verfolgen haben, habe ich herausgefunden, dass sich diese aufgrund des organisatorischen Aufbaues weitgehend decken.

Die gewonnenen Ergebnisse sollen einen kleinen Einblick in die Führungsstruktur von deutschen und österreichischen Justizanstalten bringen, und vielleicht ein Anstoß zur länderübergreifenden Zusammenarbeit im Strafvollzug sein.

V. Anhang

Anhang 1: Fragen an den Anstaltsleiter

Fragen an den Anstaltsleiter

1. Was verstehen Sie unter Führungsverhalten?

2. Welchen Führungsstil sehen Sie als ideal an? Warum

3. Welche Rolle spielt der rechtliche, soziale und psychologische Aspekt in Ihrem Führungsverhalten?

4. Spielt der situationsspezifische Aspekt auch eine Rolle?

5. Ist für Sie die Zufriedenheit der Mitarbeiter und der Insassen eine relevante Größe?

6. Ist es für Sie relevant, ob der Führungsstil, den Sie praktizieren, und die Ziele, die Sie verfolgen akzeptiert werden?

7. Woran und wie messen Sie die Akzeptanz des von Ihnen praktizierten Führungsstiles sowie der Ziele die Sie verfolgen?

8. Wie kommen Sie zu Entscheidungen? Spontan, Situativ?

9. Verwenden Sie zur Unterstützung bei der Entscheidungsfällung Entscheidungsmodelle?

10. Ist Führen eine schwierige Aufgabe? Wenn ja, was empfinden Sie als das schwierigste?

11. Haben Sie einen bestimmten Führungsleitsatz für Ihre Anstalt?

12. Wie gehen Sie mit Kritik an Ihrem Führungsstil um?

Anhang 2: Zusammenfassung der Experteninterviews:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

VI. Literaturverzeichnis:

- Blake, R., Mouton, J., The Managerial Grid, a.a. O., S. 192 ff

- Bleicher, K., Perspektiven für Organisation und Führung von Unternehmen, Baden-Baden 1971 S 63 ff

- Böhnisch, W., Führung und Führungskräftetraining nach dem Vroom/Yetton- Modell, Stuttgart 1992, S. 38

- Bornemann, E., Der Führungsaufbau eines Betriebes Perspektiven für Organisation und Führung von Unternehmen und die Stilform der Organisationsleitung. In Kindler, Die Psychologie des 20. Jahrhunderts, Band XIII, 1981, S. 769 ff.

- Bundesministerium für Justiz, Vollzugsordnung für Justizanstalten, 1995

- Foregger E., Schausberger E., Strafvollzugsgesetz und den Strafvollzug betreffende Bestimmungen in anderen Gesetzen sowie Verordnungen, 3. Auflage Manz 1997

- Häusler, J., Der Führungsprozess in der industriellen Unternehmung, Wiesbaden 1967, S. 19

- Häusler, J., Überwindung der Hierarchie durch kooperatives Führungsverhalten, 1968

- Justizvollzugsanstalt Straubing, Geschäftsverteilungsplan , Stand 15. April 2000

- Miner, J. B., The uncertain future of the leadership concept: Revisions and clarifications. The journal of Applied behavioral Science, 18, 1982 296-298

- Rosenstiel, L., Führung von Mitarbeitern- Handbuch für erfolgreiches Personalmanagement, Stuttgart 1981 S. 18ff.

- Rosenstiel, L., Führung. In Kindler, Die Psychologie des 20. Jahrhunderts, Band XIII, 1981, S. 802-805

- Sader, M., Psychologie der Gruppe, 7. Auflage, Weinheim-München: Juventa 2000, S. 272

- Strafvollzugsgesetz für Deutschland 5. Auflage dtv-Verlag München 1982

- Tannenbaum, R. /Schmidt, W. H., How to Choose a Leadership Pattern,1973, in Harvard Business Review 1973,Nr.3, S. 162-180

- Wiendieck, G., Einführung in die Arbeits- und Organisationspsychologie, Fernuniversität Hagen, 1993

[...]


1 Häusler, J., Der Führungsprozess in der industriellen Unternehmung, Wiesbaden 1967, S. 19

2 Rosenstiel, L., Führung. In Kindler, Die Psychologie des 20. Jahrhunderts, Band XIII, 1981, S. 802-805

3 Bleicher, K., Perspektiven für Organisation und Führung von Unternehmen, Baden-Baden 1971 S 63 ff.

4 Sader, M., Psychologie der Gruppe, 7. Auflage, Weinheim-München: Juventa 2000, S. 272

5 Bornemann, E., Der Führungsaufbau eines Betriebes Perspektiven für Organisation und Führung von Unternehmen und die Stilform der Organisationsleitung. In Kindler, Die Psychologie des 20. Jahrhunderts, Band XIII, 1981

6 Tannenbaum, R. /Schmidt, W. H., How to Choose a Leadership Pattern,1973, in Harvard Business Review 1973,Nr.3, S. 162- 180

7 Rosenstiel, L., Führung von Mitarbeitern- Handbuch für erfolgreiches Personalmanagement, Stuttgart 1981 S. 18ff.

8 Böhnisch, W., Führung und Führungskräftetraining nach dem Vroom/Yetton-Modell, Stuttgart 1992, S. 38

9 Bleicher, K., Perspektiven für Organisation und Führung von Unternehmen, Baden-Baden 1971 S 63 ff

10 Blake R., Mouton, J., The Managerial Grid, a. a. O. , S. 192ff

11 Blake, R., Mouton, J., The Managerial Grid, Key Orientations for Achieving Production Through People, Houston/ Texas, 1964

12 Strafvollzugsgesetz Deutschland, 5. Auflage dtv-Verlag München 1982, § 156 Abs.1

13 Strafvollzugsgesetz Deutschland, 5. Auflage dtv-Verlag München 1982, § 156 Abs.2

14 BMJ, Vollzugsordnung für Justizanstalten 1995 S. 17

15 Strafvollzugsgesetz Deutschland, 5. Auflage dtv-Verlag München 1982, S 14

16 Strafvollzugsgesetz Deutschland, 5. Auflage dtv-Verlag München 1982, S 14

17 BMJ, Vollzugsordnung für Justizanstalten, 1995, S. 6

18 BMJ, Vollzugsordnung für Justizanstalten, 1995, S. 6

19 Strafvollzugsgesetz Deutschland, 5. Auflage dtv-Verlag München 1982, § 154 Abs. 1

20 BMJ, Vollzugsordnung für Justizanstalten, 1995, S. 18 ff.

21 BMJ, Vollzugsordnung für Justizanstalten, 1995, S. 5

22 Häusler, J., Überwindung der Hierarchie durch kooperatives Führungsverhalten, 1968

23 Bleicher, K., Perspektiven für Organisation und Führung von Unternehmen, Baden-Baden 1971 S 63ff.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Führungsziele und Stile von Anstaltsleitern der Justiz ( eine vergleichende Analyse einer bayrischen und österreichischen Institution)
Note
bestanden
Autor
Jahr
2000
Seiten
24
Katalognummer
V99332
ISBN (eBook)
9783638977760
Dateigröße
457 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Eine für das Grundstudium, durch die Interviews, sehr umfangreiche Arbeit!
Schlagworte
Führungsziele, Stile, Anstaltsleitern, Justiz, Analyse, Institution)
Arbeit zitieren
Elke Goder (Autor:in), 2000, Führungsziele und Stile von Anstaltsleitern der Justiz ( eine vergleichende Analyse einer bayrischen und österreichischen Institution), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99332

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