Die Liebe bei Vicente Aleixandre - zerstörerische Macht oder letzte Hoffnung


Hausarbeit, 2000

18 Seiten


Leseprobe


I. Einleitung: Warum noch über die Liebe schreiben ?

Eigentlich ist das Thema Liebe so ausführlich in der Literatur abgehandelt worden, dass eine weitere Arbeit darüber fast überflüssig erscheint.

Vom Winde verweht von Margret Mitchell berichtet von einer leidenschaftlichen Liebe zu Bürgerkriegszeiten, in Die Leiden des jungen Werther von Johann Wolfgang von Goethe nimmt sich der Hauptakteur am Ende das Leben, da er von seiner Geliebten nicht erhört wird. Eine obszessive und letztlich tödliche Liebesgeschichte erzählt der moderne Roman Betty Blue von Philipe Dijan. Ähnlich tragisch verläuft Vladimir Nabokovs Lolita, ein 40jähriger verliebt sich in eine minderjährige Nymphe, flüchtet mit ihr und endet im Gefängnis. Das sind nur einige Beispiele aus der Literatur, zu denen man unzählige weitere aus Dichtung, Musik oder Film hinzufügen kann. Warum also, wenn doch bereits ,,alles gesagt ist", und Liebesgeschichten - wie die oben genannten - viel zu oft kein ,,Happy End haben", noch etwas über die Liebe schreiben ? Eine Frage, die sich nicht nur den Schriftstellern, Musikern oder Dichter stellt, sondern auch mir, da ich ja ein ,,Liebesgedicht" zu interpretieren versuchen werde.

Nun, zum einen wird es stets neue Liebesgeschichten geben, reale oder irreale, jede für sich einzigartig, bewegend, schockierend - und immer werden da Menschen sein, die von diesen Geschichten lesen oder hören wollen.

Für diese Arbeit ausschlaggebend ist jedoch ein anderer Grund: Liebe und Schmerz sind bekanntermaßen eng miteinander verbunden und auch Vicente Aleixandre behandelt die Liebe als etwas verletzendes, zerstörerisches, ja sogar tödliches. Sehr deutlich wird dies in dem Gedicht, mit dem ich mich beschäftigen werde: Unidad en ella.

Man könnte glauben, die Liebe sei für ihn eine zerstörerische Macht. Doch Ziel dieser Arbeit wird es sein, zu zeigen, dass dem nicht so ist, dass die Liebe vielmehr einziger Anlass zur Hoffnung ist. Ich werde zunächst den Text zeitlich einzuordnen versuchen, anschließend die äußere Form untersuchen und dem folgend eine pragmatische Analyse durchführen. Der Sprache ist ein gesondertes Kapitel gewidmet, dem die Schlussbemerkung bzw. die Zusammenfassung der bisherigen Erkenntnisse folgt.

Was noch zu bemerken wäre ist, dass sich sowohl zu dem Dichter selbst als auch zu seinem Werk nur sehr wenig Literatur finden lässt - dabei nahezu keine deutsche. Daher werde ich mich bei meinen Ausführungen und vor allem hinsichtlich der Interpretation hauptsächlich auf eigene Erkenntnisse stützen.

II. ,,Nein, die Dichtung ist nicht eine Angelegenheit der Worte"-eine kurze Biographie

1 Vicente Aleixandre Merlo wird 1898 in Sevilla geboren und zieht bereits in jungen Jahren mit seinen Eltern nach Madrid, wo er eine kaufmännische Ausbildung absolviert. Eine Karriere in diesem Beruf wird allerdings schon nach fünf Jahre von einer schweren Krankheit unterbrochen, so dass er sich im Alter von 27 der Literatur zuwendet. Allein in Madrid lebend zeigt er zwar Interesse für politische Geschehnisse, wie den Bürgerkrieg, nimmt aber nicht aktiv daran teil. In der Zeit zwischen 1928 und 1960 erscheinen zehn Bücher von ihm, es folgen Anthologien, Prosaschriften und 1977 erhält er den Nobelpreis für Literatur.

Zur Dichtung von Vicente Aleixandre fanden damals und finden heute nur wenige Menschen Zugang, da sowohl seine Sprache als auch die Inhalte seiner Werke oft kaum zu verstehen sind. In seinem ersten Werk Á mbito beschäftigt er sich mit der Natur oder vielmehr seiner Liebe zu ihr als dem einzig Wahren und Reinen, eine Thematik die er in seinen folgenden Werken ausbaut und sich dabei stilistisch dem Surrealismus annähert. Aleixandre bedient sich - anders als viele Dichter seiner Zeit - der poésie impure, die nicht die Sprache selbst in den Vordergrund stellt, sondern Gefühle und Inhalte. Er lehnt sprachliche Spielereien ab, da für ihn ,,Poesie (...) hellsichtige Fusion des Menschen mit der Schöpfung, mit dem vielleicht Namenlosen (ist); sie ist plötzlicher Einklang der äußeren Wirklichkeit mit den getreuen, untereinander verflochtenen Empfindungen."2

Sehr deutlich wird diese Einstellung in dem 1934 mit dem Premio Nacional ausgezeichneten Werk La destruccion o el amor, in dem er stets von neuem das Künstliche ablehnt und seiner Begeisterung für die Naturelemente Ausdruck verschafft. Mit derselben Thematik beschäftigt sich auch Sombra del para í so (1944).

Der Mensch als geschichtliches Wesen steht dagegen in seiner folgenden Schaffensphase im Vordergrund, wofür beispielhaft der narrative Gedichtband Historia del coraz ó n (1954) steht.

Seine letzten Werke - Poemas de la consumac í on (1968) und Di á logos del conocimiento (1974) - beschäftigen sich mit dem, wohl auch eigenen, Altern und stellt diesem die noch immer vorhandene Lebenslust gegenüber.

Der Dichter, der in für seine Zeit einzigartiger Weise die ,,Sprache hinter die Wirklichkeit stellt" und dessen Liebe zum Kosmos, zur Natur und damit auch zu den Menschen so prägend für sein gesamtes Werk war, stirbt 1984 in Madrid.

III. Zeitliche Einordnung des Textes Unidad en ella

Völlig losgelöst von zeitlichen, räumlichen oder persönlichen Umständen ein Gedicht zu betrachten und zu versuchen es nur auf Grund seines Inhaltes, seiner Sprache und seiner Form zu interpretieren ist eine Möglichkeit - und ich werde diese binnenpragmatische Interpretation größtenteils in meiner Arbeit betreiben. Doch sollte nicht völlig außer acht gelassen werden, in welcher Zeit die jeweiligen Texte entstanden sind, welche Menschen oder Ereignisse den Dichter also inspiriert und beeinflusst haben.

1. Sprengung von Góngoras Klarheit der Begriffe

Der vom Humanisten Pedro de Valencia als ,,principe de la luz y de las tinieblas"3

bezeichnete Góngora betrachtete sich selbst als einen Dichter, der sich an eine Minorität gebildeter Menschen richtete. Dichterkollegen und -gegner kritisierten seinen Stil, da er die Sprache und das Spiel mit ihr über die Inhalte seiner Werke stellte - man spricht im Zusammenhang mit Góngora von einer ,,Überfunktion des Stils"4

Doch gerade jene fast abstrakte Art zu schreiben, die Verschlüsselung der Texte mit Metaphern ersten und zweiten Grades, cultismos und anderen Stilfiguren machen ihn für die Dichter der 27er Generation - eine Gruppe, die sich anlässlich seines 300. Todestages zusammenschließt - interessant. Góngora war schon zu seiner Zeit ein ,,poetischer Revolutionär", indem er nahezu alle vorherrschenden Stilregeln brach. Sein Stil, ,,der nicht mimetisch Wirklichkeit abbildet, sondern kreativ Kunstwirklichkeit schafft und den Leser aktiv am Prozess der Schaffung von sprachlicher Wirklichkeit und von Sinn teilhaben lässt"5 ist Vorbild für Dichter wie Federico García Lorca, Luis Cernuda Bidón oder Rafael Alberti.

Allerdings waren sowohl die Worte, mit denen bestimmte Themen - wie die Liebe - abgehandelt wurden, sowie die äußere Form, wie z.B. die Versart, das Reimschema, bei Góngora fest und einheitlich.

Vergleicht man nun Aleixandres Art zu schreiben mit der Góngoras so entdeckt man, dass sich Aleixandre zum einen nicht an irgendwelche Regeln hält und seine Worte nicht in klassische Gedichtformen zwängt. Was die von ihm verwendeten Worte betrifft: Natürlich gibt es Begriffe die öfter auftauchen als andere. Aber er beschäftigt sich ja auch sehr lange und ausführlich mit demselben Thema - der Verbindung von Mensch, Natur und Liebe. Vielleicht erklärt er sich mit seinen Worten selbst diese Verbindung und seine Sprache wirkt deshalb so individuell.

2. La destruccíon o el amor

,,(L)ove fuses all things, animal, vegetable and mineral, into one substance. But to achieve fusion one must give up his limiting structures. Thus the title involves destruction or love"6.

Das Werk, dem Unidad en ella angehört, stellt einen ersten Höhepunkt in Aleixandres Schaffen dar: Er erhält dafür 1934 den Premio Nacional. Schon in vorherigen Werken beschäftigt er sich mit den Elementen, mit der Rolle des Menschen in der Welt, mit seiner eigenen Liebe zum allem Natürlichen. Nun zeigt er seinen Lesern in La destrucc í on y el amor ,,a visionary transfiguration of the world in flux, a world of mystery and darkness at times, whose basic fabric is erotic love"7, eine Welt in der alles eine Einheit bildet, in der Mensch, Tiere, Natur, ja der gesamte Kosmos vereint werden können durch die Macht der Liebe. Diese Thematik wird auch im nachfolgenden Werk Sombra del para í so noch einmal aufgegriffen und abgeschlossen8

IV. Äußere Form - Brüche in einer scheinbaren Einheit

In diesem, sowie in den folgenden Kapiteln werde ich einige Textverweise bei meiner Analyse geben. Um nicht bei jedem Wort eine Fußnote setzen zu müssen, habe ich das gesamte Gedicht im Folgenden angegeben und werde an entsprechender Stelle nur noch aus die Zeilen verweisen.

,,Unidad en ella

1 Cuerpo feliz que fluye entre mis manos,
2 rostro amado donde contemplo el mundo,
3 donde graciosos pájaros se copian fugitivos,
4 volando a la región donde nada se olvida.
5 Tu forma externa, diamante o rubí duro,
6 brillo de un sol que entre mis manos deslumbra,
7 cráter que me convoca con su música íntima,
8 con esa indescifrable llamada de tus dientes .
9 Muero porque me arrojo, porque quiero morir,
10 porque quiero vivir en el fuego, porque este aire de fuera
11 no es mío, sino el caliente aliento
12 que si me acerco quema y dora mis labios desde un fondo.
13 Deja, deja que mire, teñido del amor,
14 enrojecido el rostro por tu purpúrea vida,
15 deja que mire el hondo clamor de tus entrañas
16 donde muero y renuncio a vivir para siempre.
17 Quiero amor o la muerte, quiero morir del todo,
18 qiero ser tú; tu sangre esa lava rugiente
19 que regando encerrada bellos miembros extremos
20 siente así los hermosos límites de la vida.
21 Este beso en tus labios como una lenta espina,
22 como un mar que voló hecho un espejo,
23 como un brillo de un ala,
24 es todavia unas manos, un repasar de tu crujiente pelo,
25 un crepitar de luz vengadora,
26 luz o espada mortal que sobre mi cuello amenaza,
27 pero que nunca podrá destruir la unidad de este mundo."9

1. Wechselnde Silbenzahl, kein festes Reimschema

Analysiert man die äußere Form des vorliegenden Gedichtes, so lässt sich zunächst feststellen, dass es die ersten fünf Strophen jeweils aus vier Versen, die letzte Strophe aus sieben Zeilen besteht. Jede Strophe wird von genau einem Satz gebildet Wirkt der Text auf den ersten Blick noch einheitlich, so lassen sich doch zahlreiche Unregelmäßigkeiten feststellen: Weder liegt ein Reimschema vor, noch ist die Silbenzahl der einzelnen Verse gleichbleibend - dies soll am Beispiel der ersten Strophe verdeutlicht werden: Die beiden ersten Verse bestehen jeweils aus elf Silben, wobei ich die Betonungen in Vers 1 auf der ersten, vierten, siebten und zehnten Silbe sehe. Der Sprecher will zunächst den Körper selbst in den Vordergrund stellen, dann den ,,Gefühlszustand" dieses Körpers - wichtig erscheint ihm auch der Hinweis, dass sich dieser Körper zwischen seinen Händen befindet, dort fließt.

Im zweiten Vers findet sich erneut elf Silben, nur würde ich hier die Akzente auf die erste, dritte, fünfte und neunte Silbe setzen. Wieder wird zunächst ein Körperteil - hier das Gesicht - in den Vordergrund gestellt, dann diesem eine besondere Eigenschaft zugewiesen. Betont wird auch, dass sich der Sprecher auf oder an diesem Gesicht befindet, als handele es sich um einen Ort, den man betreten könne. Der letzte Akzent findet sich auf mundo (Z. 2), der Welt, vielleicht als Gegenstück zu dem Gesicht, dem Ort an dem sich der Sprecher befindet. Schienen die beiden ersten Verse jedoch noch auf eine bestimmte Versart hinzudeuten, zerstört schon der dritte Vers diese ,,Hoffnung" wieder. Hier finden sich plötzlich 15 Silben, der vierte Vers hingegen hat wieder nur 13 Silben.

Es ist unnötig, nun alle Verse durchzuarbeiten, doch wird deutlich, dass keine einheitliche Versart vorhanden ist.

Ähnlich verhält es sich mit dem Reimschema, weder handelt es sich um einen durchgehenden Kreuzreim, noch um einen Paarreim.

2. Dichterische Freiheit

Unidad en ella lässt sich, was seine äußere Form betrifft in kein ,,Schema pressen", es finden sich im Ansatz Regelmäßigkeiten, die jedoch oft schon in der nächsten Strophe oder sogar Zeile zerstört werden. Konsequenz besteht nur in der Formulierung jeder Strophe als einem einzigen Satz, was jede zu einer geschlossenen Einheit macht - im Sinne des Titels und des Inhaltes.

Und wenn auch bei der Akzentsetzung keinerlei Versart festzustellen ist, so sind es doch stets bedeutungstragende Worte die betont werden, z.B. f ó rma (Vers 5), cr á ter (Vers 7) oder beso (Vers 21).

,,Aleixandre escribe, por imperiosa ley de aeducación, en verso libre. Una froma trdiocional - el soneto, por ejemplo - parece aprisionarlo en sus angostos y fijos límites, cortándole el vuelo"10, - so beschreibt Vicente Gaos die Dichtung Aleixandres.

Wichtig scheint bei seiner Dichtung zu sein, sich nicht in die klassischen Formen drängen zu lassen. Die ,,Flügel der Sprache" mit denen sich Aleixandre in seine Welten schwingt, lässt er sich nicht von Regeln stutzen.

V. Pragmatische Analyse

In diesem Kapitel wird das Verhältnis zwischen Sprecher und Angesprochener, örtliche und zeitlichen Determinanten und die Sprechsituation von Interesse sein.

1. Sprecher und Angesprochene - ein Liebespaar ?

1.1 Kein Leben ohne das Feuer

1.1.1 Konstituierung des Sprechers

Der Sprecher wird auf verschiedenste Weise konstituiert - direkte Verweise durch die Possessivpronomen mis (Zeile 1, 6, 12, ), me (Z. 7, 9), mio (Z. 11) und mi (Z. 26).

Weiterhin verweisen die folgenden Verben der ersten Person Singular auf den Sprecher:

contemplo (Z. 2), muero (Z. 9, 15), quiero (Z. 9, 10, 17, 18), me arrojo (Z. 9), me acerco (Z. 12), mire (Z. 13, 15), renuncio (. 15). Ebenso der Imperativ deja (Z. 13, 15), denn ein Befehl oder hier wohl eher eine Bitte muss stets von jemandem ausgesprochen werden.

Auch durch die Hinwendung an ein Gegenüber, wird der Sprecher konstituiert, wie z.B. das an einen cuerpo feliz (Z. 1), rostro amado (Z. 2), tu (Z. 5, 14, 18, 24), brillo de un sol (Z. 6), cr á ter (Z. 7). Und auch das Pronomen tus (Z. 8, 15, 21) weist auf den Sprecher hin.

1.1.2 Passivität und Leidenschaft

Schwierigkeiten ergeben sich beim Versuch den Sprecher zu charakterisieren. Dass es sich um einen Mann handelt, daraus weist die Endung von m í o (Z. 12) hin.

Was seine Eigenschaften betrifft, so lässt sich sagen, dass er eher passiv wirkt - in den ersten beiden Strophen betrachtet er nur (Z. 2), er wird gerufen, gelockt (Z. 7).

Auch in Strophe 3, 4 und 5 agiert er nicht im wirklichen Sinne, jedoch zeigen allein die Verben, dass er nun ,,lebhafter" wird, er will (Z. 9, 10, 17, 18), er fordert sein Gegenüber auf, ihm wenigstens die Möglichkeit des Anschauens zu lassen: Deja, deja, que mire... (Z. 13). Nun spricht er vom Tod, davon, sterben und Teil des Blutes der Angesprochenen zu werden . Charakterisierend ist auch quiero vivir en el fuego (Z. 10) - wer im Feuer, in der Leidenschaft leben will, muss selbst leidenschaftlich sein oder dies zumindest als Ideal vor Augen haben.

1.2 Mehr als eine Frau

Wenn von der Angesprochenen auf den nächsten Seiten stets als Frau gesprochen wird, so geschieht das vor allem der Einfachheit halber. Es gibt im Text selbst keinen wirklichen Hinweis darauf - es könnte sich auch um einen Mann, die Natur oder anderes handeln.

1.2.1 Konstituierung der Angesprochenen

Eine Person wird mehrmals im Text angesprochen, zum einen durch das Personalpronomen, tu (Z. 5, 14, 18, 24) und das Possessivpronomen tus (Z. 8, 15, 21).

Sicherlich dieselbe Person ist mit cuerpo feliz (Z. 1), rostro amado (Z. 2), forma externa (Z.5), sangre (Z. 18) - und auch esa lava rugiente (Z. 18) gemeint. Mit all diesen Worten wird zu einem bestimmten Körperteil dieser Person ,,gesprochen". Auch verweisen die Verben in der dritten Person Singular fluye (Z. 1), siente (Z. 20), der Imperativ deja (Z. 13, 15) und die Partizipien regando und encerrada (jeweils Z. 17), auf die angesprochene Person oder eben auf deren Körper und Blut.

Schwieriger, aber noch eindeutig sind die Bezeichnungen brillo de un sol (Z. 6), cr á ter (Z. 7) und luz o espada mortal (Z. 26) und die Verben deslumbra (Z. 6), me convoca (Z. 7), amenaza (Z. 26), podr á destruir (Z. 27). Man könnte meinen, es werde hier eine andere, neue Sache oder Person benannt, doch wird sich noch zeigen, dass dies nicht zutrifft.

1.2.2 Harte Schale, weicher Kern

Die Charakterisierung der Angesprochenen wird relativ kurz ausfallen, da deren Eigenschaften sich an vielen Stellen nur interpretieren, also nicht direkt aus dem Text erschließen lassen.

Was ihren Körper betrifft, wird er vom Sprecher glücklich (Z. 1) genannt, er befindet sich in dessen Händen und wie das Gesicht so wird wohl auch der restliche Teil der Angesprochenen amado (Z. 2), also geliebt sein.

Unverständlich erscheint - ohne weitere Interpretation - die Beschreibung des Körpers als Ort, wo der Sprecher die Welt betrachtet (Z. 2) und Vögel sich ,,flüchtend nachahmen" (Z. 3). Äußerlich wird sie mit Edelsteinen verglichen, strahlend wie die Sonne (Z. 6). Das Gesicht ist gerötet durch ein purpurea vida (Z.14), ihr Atem vergoldet und verbrennt zu gleicher Zeit (Z. 11, 12), das Innerste schreit (Z. 15) und ihr Blut wird verglichen mit einer tobenden Lava (Z. 18). Schließlich ist von einem Kuss auf ihre Lippen die Rede, der gleichzeitig Stachel, Meer, Glanz, Licht und tödliches Schwert ist (Z. 21 - 26).

Schon an dieser Stelle, ohne überhaupt eine Interpretation zu versuchen wird deutlich - dass sie mehr ist, als eine ,,einfache" Frau. Sie scheint auf eine gewisse Weise alles zu sein, ein Fluchtpunkt für den Sprecher und für andere. Äußerlich hart wie ein Diamant, innerlich warm und leidenschaftlich, verletzend einerseits und strahlend andererseits - letztendlich wert, dafür zu sterben.

Nun, sind die beiden ein Liebespaar ? Ja und nein! Ohne Zweifel ist ,,Liebe im Spiel", doch geht sie denn von beiden Seiten aus ?Was ist das für eine Liebe, für die man sterben muss? Und wen liebt der Sprecher denn nun, wer oder was ist die Geliebte ? Dies alles sind Fragen, die erst in den nächsten Kapiteln beantwortet werden.

2. Sprechsituation

Im Folgenden wird zunächst die Sprechweise und dann die Sprechgegenstände der einzelnen Strophen analysiert.

2.2 Lobende Beschreibungen, flehende Bitten

Eine Beschreibung finden wir in der ersten Strophe vor, dies setzt sich in der zweiten Strophe fort wobei in beiden Strophen fällt die Beschreibung lobend ausfällt und das Lob in Zeile fünf bis acht deutlicher wirkt (Z. 1-8).

Die Sprechweise der dritten Strophe wirkt etwas widersprüchlich. Einerseits wünscht sich der Sprecher zu sterben, andererseits klagt er darüber, dass er in ,,este aire de fuera" (Z. 10) nicht leben kann. Eine fast zwiespältige Sprechweise, und wenn dies auch bei der späteren sprachlichen Analyse und einer abschließenden Interpretation noch genauer zur Sprache kommt, so sei doch schon hier ein Hinweis auf den Grund dieses Gegensatzes gegeben: Leben ohne die Angesprochene ist kein Leben, und zu sterben um in ihr zu sein, bedeutete für den Sprecher vermutlich mehr Leben als zuvor.

Sowohl in der dritten als auch in der vierten Strophe ist die Sprechweise ein Wunsch bzw. eine - flehende - Bitte. Wenn auch deja (Z. 13) grammatikalisch ein Imperativ ist, so handelt es sich wohl kaum um einen Befehl. In Strophe vier bittet der Sprecher um die Möglichkeit das Innerste seiner Geliebten weiterhin betrachten und dort sterben zu dürfen (Z.13-16), in Strophe fünf begehrt er danach in sie überzugehen und dort sterben können - wohl anstatt in der leidenschaftslosen Welt weiter zu leben, selbst wenn es für immer wäre.

Wieder eindeutig deskriptiv ist die letzte Strophe, beschrieben wird hier der Kuss.

2.2 Eine Reise über und in den Körper - vom Leben in den Tod

Sowohl die erste als auch die zweite Strophe behandeln Teile des Körpers. Während in der ersten von Körper und Gesicht als Zufluchts- und Beobachtungsort gesprochen wird (Z. 1-4), beschäftigt sich die zweite Strophe zunächst nur mit dem äußeren Erscheinung (Z. 5-6) um dann einzutauchen in die Tiefe, gelockt von der musica í ntima (Z. 7).

Gegenstand der dritten Strophe ist der caliente aliento (Z. 11), der heiße Atem - die einzige Luft, in der der Sprecher zu leben vermag (Z. 9-12).

Lieber sterben in ihr als für immer zu leben - davon handelt die vierte Strophe (Z. 13-16), wichtig ist nur, sie zu sehen, in ihr Innerstes vorzudringen.

Blut ist Thema der nächsten, der fünften Strophe (Z. 17-20). Zwar ist es eingesperrt, doch nährt es die Glieder der Geliebten und befindet sich somit dort wo auch der Sprecher sein will - in ihr, bei den hermosos l í mites de la vida (Z. 20).

Die letzte Strophe schließlich hat den Kuss zum Gegenstand (Z. 21), der Kuss der so vieles ist, Bedrohung und Erleuchtung (Z. 26), doch eines niemals könnte - detruir la unidad de este mundo (Z. 27).

3. Überall und zu jeder Zeit

3.1 Ein unbestimmter und doch exakter Ort

Was auf den ersten Blick nicht allzu schwierig scheint, nämlich den Ort festzustellen, an dem sich Sprecher und Angesprochen befinden oder von dem der Sprecher vielleicht auch nur redet, stellt sich bei genauerer Betrachtung als fast unlösbares Problem dar. Zwar gibt es Ortsangaben, wie donde (Z. 2, 3, 4, 16), de fuera (Z. 10), sobre (Z. 26) oder auch entre (Z. 1, 6, ), doch darf man diese nicht isoliert betrachten. Donde steht z.B. im Zusammenhang mit rostro amado, (Z. 2), als könne man sich auf einem Gesicht befinden, von dort aus der Welt zusehen oder Vögel sich dort aufhalten.

An anderer Stelle ist es das Innere, die Eingeweide, das mit donde verbunden wird (Z 16) - ein zum Verweilen ebenfalls eher ungewöhnlicher Ort.

Ähnlich verhält es sich z.B. mit de fuera (Z. 10): es beschreibt einen Ort ,,draußen", an dem die Luft ohne Leidenschaft und Hitze ist. Doch wo ist außen, wo innen ? Immer deutlicher scheint der Körper selbst als Ort hervorzutreten, als Mittelpunkt von allem. Der Tod in ihm scheint mehr ein Anfang denn ein Ende.

3.2 Keine Vergangenheit, keine Zukunft

Was die Zeit betrifft, in welcher das Gedicht geschrieben ist, so fällt auf, dass fast alle Verben im Präsens stehen, einzige Ausnahme bildet das Indefinido in vol ó (Z. 22). Das kann auf die Gegenwärtigkeit der Liebe hinweisen, darauf, dass all dies im jetzt und hier geschieht, weder bereits vorbei ist noch - wenn es im Futur stünde - noch gar nicht begonnen hat.

Doch scheint in diesem Gedicht noch eine tiefere Bedeutung des Präsens zu stecken.

Diese Liebe, die der Sprecher empfindet nimmt alles ein, ist so umfassend, dass keine ,,Zeit" mehr für anderes bleibt. Alles, was zuvor passierte ist unwichtig, alles was danach geschehen mag noch viel mehr - da es jenseits dieser Liebe keine Zukunft gibt. Die Zeit scheint stehenzubleiben mit dieser Liebe.

Die einzigen Präpositionen, die eine Zeit angeben, sind siempre (Z. 16) und todav í a (Z. 24). Betrachtet man z.B., in welchem Zusammenhang siempre steht, bestätigt sich die oben getroffene Annahme: In ihr, seiner Liebe, zu sein und womöglich dort zu sterben, bedeutet dem Sprecher so viel, dass er auf ewiges Leben verzichtet.

VI. Die Sprache Aleixandres - ,,the highest level of the poetic state"

11 Der Sprache, bzw. den stilistischen Besonderheiten in Unidad en ella sei aus zwei Gründen ein eigenes Kapitel gewidmet. Gerade bei diesem, nicht unbedingt sofort verständlichem Gedicht, ist es nötig , sprachliche Mittel genauer zu betrachten. Andererseits hat Aleixandres Art zu Dichten die spanische Sprache bereichert, er hat ihr ,,an example of an instrument of lyric expression, of magnificent verbal altitude, moving, rich, of plastic force, accurate and of sufficient subtlety"12 gegeben. Ich werde auf den folgenden Seiten versuchen einige Stilmittel, die im vorliegenden Text wichtig sind, herauszuarbeiten um so manches bisher Unverständliches zu erklären.

1. Verbindung zwischen Mensch und Natur, Schmerz und Liebe

Ohne sich sofort auf Details zu ,,stürzen", kann man allein durch die Worte, die Aleixandre in seinem Gedicht verwendet, erahnen, welche Bedeutung in diesem Text steckt. Daher sollen zunächst die Isotopien und eventuelle Zusammenhänge zwischen ihnen heraus gearbeitet werden.

Cuerpo (Z.1), rostro (Z. 2, 14), manos (Z. 1, 6, 24), forma externa (Z. 5), dientes (Z. 8), labios (Z. 12, 21), entra ñ as (Z. 15), miembros (Z. 19), sangre (Z. 18), pelo (Z. 24) und cuello (Z. 26) - alle diese Worte bilden eine Isotopie die man mit ,,Menschlicher Körper" bezeichnen könnte.

Eine weitere Isotopie, die der ,,Natur/Welt" lässt sich aufmachen mit den Worten mundo (Z. 2), pajaros (3), regi ó n (Z. 4), diamante (Z. 5), rubi (Z. 5), sol (Z. 6), cr á ter (Z. 7), aire (Z. 10), fondo (Z. 12), lava (Z. 18), espina (Z. 21), mar (Z . 22) und ala (Z. 23).

Die dritte große Isotopie - die ich hier mit Bedrohung/Schmerz/Tod überschreiben will - bilden dientes (Z. 8), muero (Z. 9), fuego (Z. 10), caliente aliento (Z. 11), quema (Z. 12), hondo clamor (Z. 15), muerte (Z. 17), morir (Z. 17), sangre (Z. 18), lava (Z. 18), lenta espina (Z. 21 ), luz vengadora (Z. 25), espada mortal (Z. 26).

Zuletzt könnte man die Isotopie des ,,Schönen/ Angenehmen" herausstellen, wozu cuerpo feliz (Z. 1), rostro amado (Z. 2), graciosos pajaros (Z. 3), diamante o rubi (Z. 5), brillo de un sol (Z. 6), musica í ntima (Z. 7), fuego (Z. 10), caliente aliento (Z. 11), dora (Z. 12), amor (Z. 13, 17), bellos miembros (Z. 19), hermosos l í mites de la vida (Z. 20), beso (Z. 21), luz (Z. 25, 26) und schließlich brillo de un ala (Z. 23) zählt.

Ohne auf die einzelnen Worte einzugehen, lässt sich doch eines klar erkennen: Es findet keine Trennung zwischen Schmerz und Schönheit, zwischen Mensch und Natur statt.

Blut kann mit Schmerz verbunden sein, und doch ist es das Ziel des Sprechers. Der Kuss - für sich selbst gesehen durchaus angenehm - wird hier verglichen mit dem Meer, dem Glanz eines Flügels aber auch einem verletzenden Stachel.

,,(H)is linking of kisses or lips with teeth and blood reinforced his vision of love as a brutal power"13 - der Körper, den er liebt und berühren will, fügt ihm Schmerz zu.

In 1.2 wurde darauf hingewiesen, dass es sich bei der Angesprochenen nicht unbedingt um eine Frau, ja nicht einmal um einen Menschen handeln muss, was von durch die miteinander verbundenen Isotopien untermauert wird. Scheinbar ist es nicht nur nicht klar, wer nun geliebt wird, sonder auch unwichtig: der Mensch ist ja Teil der Natur und Liebe nichts, was sich auf eine Person eingrenzen lässt.

2. Feuerstrom und Lebensquelle - zweideutige Wortwahl

Um die sprachlichen Mittel zu verstehen, die Aleixandre in diesem Gedicht benützt, sollte man sich zumindest im Ansatz seiner Sicht der Welt und vor allem der Liebe klar sein:

,,...Aleixandre suggests that human love, his own love for nature and the erotic force for nature are all fragments of the same unity, as the poet dissolves in living flesh against a cosmogonic background where natur is both destroxed and engendered"14.

Hält man sich diese Aussage vor Augen, so wird vieles verständlicher. So z.B. in Zeile 2 rostro amado donde contemplo el mundo (Z. 2):

,,The loved one as a symbol takes a human form, these human aspects play a secondary role to cosmic infinity, and as the poet contempates the beloved face, he seeks a special reality and passion"15.

Die Gestalt der Geliebten wird metaphorisch mit dem Glanz der Sonne gleichgesetzt, der vom Liebhaber verdeckt wird. Als gemeinsame Seme lassen sich strahlend oder schön finden.

Allerdings findet auch eine Semübertragung statt: Die Sonne ist ein Teil des Kosmos, besteht aus Feuer und ist somit zerstörerisch - all diese Eigenschaften werden auf die Geliebte übertragen.

Eine weitere Metapher bildet forma externa (Z. 5) als verbum proprium, mit cr á ter (Z. 7) als verbum improprium, wobei sich hier nicht sofort gemeinsame Seme finden lassen. Vielmehr wird hier wiederum das Bedeutungspotential der Gestalt erweitert, sie erscheint gefährlich, man kann in sie hineinfallen - ihr ,,verfallen".

In Zeile 13 - 16 wird durch die die gesamte Strophe durchlaufende Anapher mit besonderem Nachdruck gesagt, was der Wunsch, bzw. das Ziel des Sprechers ist: porque me arrojo, porque quiero morir, porque quiero vivir en el fuego, porque este aire de fuera no es m í o, Auch in der nächsten Strophe findet sich eine Anapher: Deja, deja, que mire...deja que mire (Z. 13 - 15), wiederum um einen Wunsch, eine Bitte zu verstärken. Der Sprecher will weiterhin el rostro (Z. 14) betrachten, dem bereits in Zeile 2 die Eigenschaft amado zugewiesen wurde. Nun wird es näher beschrieben - es ist te ñ ido del amor (Z. 13) und enrojecido...por tu purp ú rea vida (Z. 14). Auf Anhieb wird nicht ganz deutlich, was die Farbe Purpur, in diesem Zusammenhang zu bedeuten hat, wieder liegt eine Metapher vor.

In früheren Zeiten war Purpur eine sowohl begehrte als auch teure Farbe und zum die Farbe Rot gilt als ,,Farbe des Feuers oder des Blutes. Blut und Feuer besitzen sowohl eine positive als auch eine negative Besetzung. Dem Hass, (...) der Aggression und dem Blutvergießen stehen die Kraft, die Liebe, die Wärme und die Leidenschaft gegenüber."16 Das geliebte Gesicht, purpurfarben, verheißt also sowohl Leidenschaft (Z. 10), als auch Schmerz und Tod (Z. 16).

Wieder mit einer Anapher wird in der fünften Strophe betont, wonach er sich sehnt: Sterben und in das Blut seiner Geliebten übergehen (Z. 17, 18).

Als Lava bezeichnet er dieses Blut, als Strom aus Feuer. Durch das verbum improprium Lava , wird aus dem Blut etwas gefährliches, zerstörerisches, aber auch mitreißendes, heißes, fließendes. ,,To love is to feel truly the limits of life and the nearness of death, and to die completely one must have passed through life, the hot blood of one lover burning that of the other."17

Fasst man die bisher genannten Metaphern zusammen, so fällt auf, dass sie stets eine Verbindung herstellen zwischen etwas Menschlichem, z.B. Blut und einer ,,Sache" aus der Natur, wie Lava. Zudem wird das Bedeutungspotential der verba propria dahingehend erweitert, dass nun gefährlich, ja sogar zerstörerisch zu ihren Semen zählt.

3. Die Einheit der Welt bleibt bestehen

Ein Merkmal des Stils von Vicente Aleixandre ist es, in der letzten Strophe noch einmal zusammenzufassen, was er zuvor geschrieben hat, das Thema ein letztes Mal aufzugreifen und evtl. zu erklären. Dies geschieht auch hier:

Zunächst ist von dem Kuss die Rede (Z. 21), der mit einem Stachel verglichen und dadurch verletzend wird - ein Schmerz der sich nur lenta (Z. 21) ausbreitet. Durch den Vergleich mit dem Meer erhält der Kuss Tiefe und Weite (Z. 22). Zudem ist das Meer zu einem Spiegel geworden, eine Metapher, die wohl nur im Gesamtzusammenhang zu verstehen ist: Im Meer, das ja nur ein Vergleichsobjekt für die Liebe ist, spiegelt sich der Himmel, die Bäume, die Sonne ja alles, was sich über seiner Oberfläce befindet - so entsteht eine Einheit von oben und unten. Übertragen auf die Liebe wird somit ihre vereinende Kraft betont.

Glänzte die forma externa (Z. 5) noch wie die Sonne, so ist dem Kuss der Prunk eines Flügel inne (Z. 23). Sieht man este beso (Z. 21) als pars pro toto und nimmt an, dass damit die Liebe selbst gemeint ist, wird die Strophe, ja das ganze Gedicht verständlicher: Mag die Liebe ein espada mortal (Z. 26) sein, eine Bedrohung oder doch etwas leuchtendes Strahlendes, mag sie wunderschön, oder doch nur verletztend sein, bestehen bleibt la unidad de este mundo (Z. 27), die Einheit der Welt.

VII. Schlussbemerkung: Sterben um in der Liebe neu zu beginnen

Die Interpretation dieses Gedichtes in den vorausgehenden Kapiteln ist sicherlich nicht vollständig, man könnte die sprachliche Analyse detaillierter gestalten, oder jede Zeile auf Silbenzahl und Akzente durcharbeiten, doch trägt das nicht wesentlich mehr zum Verständnis von Unidad en ella bei.

Aleixandres Art die Welt zu sehen, seine kosmische Vorstellung von Liebe, von der Einheit alles dessen was lebt - das alles kann ebenfalls an Hand dieses Gedichtes noch wesentlich ausführlicher dargestellt werden. Doch ist dies nicht Thema dieser Arbeit.

Ob die Liebe in Vicente Aleixandres Unidad en ella - und möglicherweise auch in seiner ganz persönlichen Vorstellung - eine zerstörerische Macht oder letzte Hoffnung ist, stand im Mittelpunkt dieser Arbeit.

Verführerisch geradezu wirkt die Antwort, dass sie Zerstörung bedeutet - ist doch so oft in diesem Gedicht die Rede vom Sterben, von Blut und Feuer. Und ja - in gewisser Hinsicht ist die Liebe zerstörend und schmerzhaft, aber ,,Tod" ist nötig um in der Liebe selbst neu zu beginnen. Jemanden zu Lieben bedeutet für Aleixandre nicht, hin und wieder Zeit mit jemandem zu verbringen, das Bett mit ihm zu teilen und vielleicht noch das Konto und den ,,Lebensabschnittsgefährten" nach einer Weile - wenn es langweilig wird - durch einen neuen, interessanteren ersetzen - eine Vorstellung von Liebe, die ja heute in nicht wenigen Köpfen verankert ist.

Nein, Liebe bedeutet völlige Selbstaufgabe, bedeutet akzeptieren, dass alles durch die Liebe vereint wird und dieser Einheit die Zerstörung vorausgeht. Liebe ist Lebenselexier, ist allgegenwärtig. Jeder liebt, muss lieben und kann in dieser Liebe nur glücklich werden, wenn er sein bisheriges Leben aufgibt und sich völlig im anderen verliert, sich ihm hingibt, wie es Aleixandre in Unidad en ella formuliert.

,,He does not believe it possible that any beating heart in life does not love, does not offer the gift of its blood to love ... book of cosmic passion, ... one only reaches the root of love by the selfdestruction of the lver to be born - to live - in the blood of the loved being"18

Es ist unwahrscheinlich, dass mit dieser Selbstzerstörung ein tatsächlicher körperlicher Tod gemeint ist, vielmehr scheint dieser Tod ein ,,Niederbrennen aller Brücken" zu sein. Alles was bisher war, zählt nicht mehr, nur wenn der Liebende frei ist von allem bisherigen, frei ist von allen Ketten, an die bisher gebunden war, nur wenn er keine Schmerzen, keine tödlichen Schwerter (Z. 27) scheut - dann liebt er wirklich und kann geliebt werden. Und nur dann geht er durch die Leidenschaft ein in den Kreislauf der Welt, wird Teil einer kosmischen Einheit.

[...]


1 López, Manuel José/Siebenmann, Gustav, Spanische Lyrik des 20. Jahrhunderts, Spanisch/Deutsch, Reclam: Stuttgart 1985, S. 416

2 Spanische Lyrik des 20. Jahrhunderts, S. 416

3 H.We., Das lyrische Werk, in: Jens, Walter (Hg.), Kindlers Neues Literatur - Lexikon, München 1996, S. 653

4 Ebda.

5 Das lyrische Werk, S.654

6 Schwartz, Kessel, Vicente Aleixandre, New York / University of Miami: Twayne Publishers, Inc. 1970, S. 81f.

7 Ebda.

8 vgl. hierzu: Spanische Lyrik des 20. Jahrhunderts, S. 416

9 Gaos, Vicente, Antolog í a del grupo po é tico de 1927, Madrid: Ediciones Cátedra S.A. 1993, 188f.

10 Cano, Jose Luis, Vicente Aleixandre, El escritor y la critica, Madrid: Taurus Ediciones, S. 192

11 Schwartz, Vicente Aleixandre, S. 84

12 Ebda.

13 Morris, C.B., A generation of spanish poets 1920 - 1936, Cambridge: University Press 1969

14 Schwartz, Vicente Aleixandre, S.87

15 Ebda., S. 88

16 http://www.seilnacht.tuttlingen.com/Lexikon/Rot.htm

17 Schwartz, Vicente Aleixandre, S. 88.

18 Ebda. niversity Press 1969

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Liebe bei Vicente Aleixandre - zerstörerische Macht oder letzte Hoffnung
Hochschule
Universität Passau
Autor
Jahr
2000
Seiten
18
Katalognummer
V99180
ISBN (eBook)
9783638976299
Dateigröße
490 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Liebe, Vicente, Aleixandre, Macht, Hoffnung
Arbeit zitieren
Petra Mühlbauer (Autor:in), 2000, Die Liebe bei Vicente Aleixandre - zerstörerische Macht oder letzte Hoffnung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99180

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Die Liebe bei Vicente Aleixandre - zerstörerische Macht oder letzte Hoffnung



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden