Migration und Warfare bei den Enga


Hausarbeit, 2001

18 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Migration und Warfare bei den Enga
- Zusammenhang von Migration und Warfare
- Kriegsursachen
- Rolle des tee im Krieg

III. Bewertung

IV. Anhang
- Beispiel einer Überlieferung
- Literaturliste

Einleitung:

Die Enga gehören auf Papua Neu Guinea zu einer der größeren Sprachgruppen unter den einheimischen Völkern. Ihre mündlichen Überlieferungen reichen etwa sieben bis neun Generationen zurück, das heißt sie reichen etwa 250 - 400 Jahre zurück. Heute leben etwa 200.000 Enga, die sich in mehr als hundert Stämme1 (tribes)2 unterteilen, die sich wiederum in verschiedene Sippen (clans) aufspalten. Die Enga leben in einer Hochebene, die durch ihre Fruchtbarkeit für das Auskommen der Bevölkerung sorgt. Der Gründungsmythos der Enga, er ist allen Stämmen gemein, geht auf die Einführung der Süßkartoffel (sweet potatoe) zurück. Diese ermöglichte zum ersten Mal einen nennenswerten Überschuß, der zur Schweinezucht genutzt werden konnte und damit zu Belebung des Handel und des Wohlstandes und letztlich der Zunahme der Bevölkerung führte. Die daraus entstandenen Spannungen, die Krieg, Vertreibung, Flucht und Neuansiedlung hervorbrachten sind in den Geschichten der Stämme und Sippen überliefert. Sie sind für die Enga von großer Bedeutung. Ältere wissenschaftliche Arbeiten zu den Enga beschreiben den Krieg als Teil der Enga-Kultur.

In zurückliegenden Tagen der ethnologischen Forschung spielten die mündlichen Überlieferungen, „...verbal arts and oral traditions..."3, keine wichtige Rolle. Die bekannten Mythen und Überlieferungen wurden mehr auf ihren Unterhaltsamkeitswert, als auf ihre Bedeutung im wissenschaftlichen Kontext untersucht. Dies änderte sich jedoch im Laufe der Zeit. Mittlerweile wird der wissenschaftliche Wert der Überlieferungen und Traditionen mehr und mehr als Quelle geschätzt.

Dabei sind grundlegende Fragen4 zu beachten über die jeweiligen Quellen. Angefangen mit den Schwierigkeiten der Sprachgestaltung und des Sprachgebrauchs der jeweiligen Kultur, die Einfluß auf ihre Überlieferungen ausübt. Dies strickt sich weiter über die Art der Formalisierung der Sprache zum jeweiligen Zweck, die die wissenschaftliche Deutung wiederum erschwert. Eine weitere Schwierigkeit liegt darin zu unterscheiden, wieviel von dem jeweiligen Übermittler (Eingeborener - Dolmetscher - Assistent - etc.) im Ausdruck verändert wird. Außerdem kann es durchaus eine Rolle spielen ob der blanke Text aufgearbeitet wird oder ob er im Kontext (Männerhaus, tee, etc.) beobachtet wird. Unterscheiden sich mündliche Texte gar grundsätzlich von schriftlich fixierten und kann man als Außenstehender überhaupt die Texte mit all ihren Umständen und Zusammenhängen fassen? Dies sind grundsätzliche Probleme der ,,Oral History", die dabei bedacht werden müssen.

Assmann unterteilt in seinem Werk5 das kulturelle Gedächtnis der Menschen in vier Stufen. Mit dem kulturellen Gedächtnis ist dabei die allgemeine und in verschiedensten Formen organisierte Erinnerung, das Wissen über die Vergangenheit, gemeint. Die ,,Oral History" der Enga wird dabei im wesentlichen von zwei Unterscheidungen erfaßt. Eine Form ist Assmanns „kommunikatives Gedächtnis". Darunter fallen die Erinnerungen und das erlebte der Zeitzeugen, d. h. das kommunikative Gedächtnis hat eine Reichweite von 80 - 100 Jahren.

Das kulturelle Gedächtnis Assmanns umfaßt im Falle der Enga die Überlieferung der Geschichte vor den Lebenden. Darin werden die Ursprungsmythen und andere Ereignisse und Vermächtnisse der Vergangenheit erhalten. In der Regel erfolgt dies durch spezialisierte Traditionsträger und bei zeremoniellen Anlässen.

Aufgabenstellung der Hausarbeit soll es nun sein, vor diesem Hintergrund die Zusammenhänge von Migrationsbewegungen und Krieg bei den Enga darzustellen. Beides spielt bei den Enga heute und in ihren Überlieferungen eine große Rolle. Die Wanderungsbewegungen und der Krieg sind jeweils Ursache und Wirkung zugleich. In manchen Publikationen6 wird Krieg bei den Enga als Teil ihrer Kultur verstanden. Nicht zu vergessen, um eine übersichtliche Darstellung zu erreichen, ist die Rolle der tee - Zeremonie und damit verbunden der Big Men bei den Enga. Strenge Regeln verhüten dabei, das der große Markt für Güter, Informationen und Allianzen während des Kriegszustandes zusammenbricht, den er spielt eine große Rolle im Leben der Enga und ist wichtig für deren Versorgung. So sollte sich ein komplexes Gebilde des Zusammenspiels bei den Enga darstellen, daß über Generationen funktioniert hat.

Mit der Kolonisation der Enga erfolgte deren Pazifisierung. Dies bedeutet nicht, daß nicht immer wieder entsprechende Aktivitäten ausbrechen können, aber nicht mehr in dem Umfang der früheren Zeit. So sind die Überlieferungen der Enga selbst heute sehr wichtige Quellen, um Informationen über diese Zeit zu erhalten. Wobei natürlich die oben genannten Probleme bedacht werden müssen.

Migration und Warfare bei den Enga:

Migration:

Wanderungsbewegungen7 bestimmen das Leben der Enga so weit ihre Überlieferungen zurückreichen. Die verschiedenen Nuancen der Bewegungen reichen dabei von kleinen Schritten, die Familien über Generationen hinweg machen, indem sie immer wieder neue Gärten anlegen und sich so Schritt für Schritt bewegen, bis hin zu großen Wanderungen ganzer Stämme, die aufgrund verlorener Kriege, ihre angestammte Heimat verlassen müssen. Bevölkerungsverschiebungen von teils beträchtlichem Ausmaß, sind somit untrennbarer Teil der Enga- Kultur.

Die Überlieferungen der Enga, die diesen Teil ihrer Kultur bewahren, sind ihnen sehr wichtig. Zum einen wird dadurch Kontakt gehalten zu anderen Gruppen. Diese können jetzt und in Zukunft wichtige Handelspartner oder Verbündete in einem Konflikt sein. Im Kriegsfall können diese Verbindungen einen wichtigen Zufluchtsort gewähren, den man sonst nicht hätte. Zum anderen rechtfertigen die Überlieferungen über die eigenen

Wanderungsbewegungen aber auch den Anspruch auf Land. In gewisser Weise erfüllen damit die Geschichten über die Wanderungsbewegungen eine Art ,,Grundbuch-Funktion", es wird festgehalten, wer wann und wo etwas besessen hat.

Nicht zu unterschätzen ist auch die Bedeutung des Frauentauschs dabei. Bindungen zu entfernteren Gruppen, die durch diese Überlieferungen erhalten bleiben, stellen für beide Seiten eine gute Möglichkeit zum Frauentausch dar, der für beide Gruppen letztlich überlebensnotwendig ist. Außerdem erhält man damit auch tee- Beziehungen zu entfernteren Gruppen aufrecht, von denen ebenfalls beide Seiten profitieren. Diese Faktoren sind natürlich nicht streng voneinander zu trennen. Letztlich sind die Übergänge fließend. So kann der tee immer auch als Brautmarkt benutzt werden, aber auch zum schmieden von Kriegskoalitionen.

Ursachen:

Verschieden Ursachen können bei den Enga zum Aufbruch ganzer Gesellschaften und damit zur Auswanderung führen. Dies können schlicht materielle Vorteile sein, die der neue Siedlungsort bietet. Eine neue Niederlassung an einer strategischen Handelroute bietet unter Umständen viele Vorteile und Einfluß auf den Handel. Der ,,Umzug" des kompletten Yanaitini- Stammes8 mit dem Ziel mehr Kontrolle über den Salzhandel zu bekommen ist ein Beispiel dafür. Die Aussicht auf neues Gartenland in besserer Lage oder mit besseren Böden oder die Möglichkeit neuer Jagdreviere konnten aber genausogut als Motiv dienen.

Krieg und Vertreibung ist ein Faktor, der immer wieder Enga- Gesellschaften zur Auswanderung brachte. Diese Umzüge der Bevölkerung brachten aber wiederum die neuen Gebiete, in denen sie sich niederließen, ebenfalls aus dem ursprünglichen Gleichgewicht. Aus diesem Grund zieht eine Wanderungsbewegung immer noch kleinere Folgeverschiebungen nach sich.

Neben Ursachen die zur Auswanderung führen gibt es noch Gründe die zur Einwanderung verlocken können. Dies sind einmal dieselben materiellen Gründe die bei anderen den Aufbruch auslösen können. Besonders zu erwähnen ist dabei eine dünne Besiedelung des Landes, so daß weite Teile gar nicht genutzt werden können. Gerade in solchen Gegenden erhoffen sich die Neuansiedler wohlgesonnene Nachbarn zu finden und damit potentielle künftige Alliierte. Dies ist für die Enga ein sehr wichtiger Aspekt bei der Neuansiedlung. Außerdem sorgt die Heiratspolitik der Enga, die zumeist mit Land verbunden ist für signifikante Bevölkerungsverschiebungen. Entfernteren Verwandten wird Land geschenkt, das diese immer mehr nutzen und schließlich nach und nach zuziehen. Land wird aber auch an Verbündete oder wichtige Handelspartner vergeben. In jedem Fall sorgt dies über die Zeit für Zuwanderung, die die Bevölkerungszahlen verändert.

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die mögliche gegenseitige Hilfe bei der Arbeit. Solange genug Land vorhanden ist, bietet es beiden Seiten nur Vorteile wenn man sich bei der Arbeit unterstützen kann. Schließlich herrscht der große Mangel an der menschlichen Arbeitskraft. Durch die Einwanderung versprechen sich beide Seiten Profit.

Dabei kann man feststellen, daß kleinere Gruppen von Einwanderern in die ansässigen Gruppen integriert werden. Diese Assimilation der ,,Neuen" verringert das Konfliktpotential der Immigration. Kommen größere geschlossenere Gruppen, birgt dies auch größere Gefahren für das soziale Gefüge.

Folgen:

Die Wanderungen der Enga führen in jedem Fall zu einer Veränderung der lokalen Gesellschaftsstrukturen. Diese verändern das Arbeitsgefüge einer Gesellschaft, die in einer urtümlichen Form mit der menschlichen Arbeitskraft als wichtigsten Produktivfaktor lebt, auf jeden Fall. Diese Wirkungen werden oft nicht unmittelbar erzielt, aber schleichend, zumindest über Generationen.

Dies kann zu Ressentiments gegen die Einwanderung führen. Die neuen Immigranten ziehen ihrerseits Nachzügler nach sich, die solche Tendenzen verstärken und zu Spannungen führen können. Überlieferungen der Enga sind dadurch entstanden, die von Stämmen berichten die durch Zuwanderung schwach geworden sind, andere dagegen ohne Einwanderung stark und mächtig.

,,As a result, it is said, only Yakumane and Wauni grew into large, powerful tribes, while the Pyapini, who continued to welcome immigrants, eventually lost much of their land.

,,Das Boot ist voll!" Parolen im Stil von Jörg Haider können auch in den Enga- Gesellschaften das Ergebnis sein. Es entstehen Bündnisse gegen die Einwanderung und die Abneigung gegen Neuankömmlinge steigt. Diese Problematik ist sicher nicht eins zu eins übertragbar auf europäische Phänomene der Fremdenfeindlichkeit. Die Ängste der Menschen, an die dabei mit entsprechenden Parolen appelliert wird, sind aber die gleichen. Zusammenfassend kann man festhalten, daß dies die Hauptursachen für die politischen Konflikte sind, die eine der Kriegsursachen bei den Enga darstellen.

Warfare:

Mit der Kolonisation Papua- Neuguineas durch die Europäer setzte die Missionierung und damit die Pazifisierung der Enga ein. Aus diesem Grund sind die einzigen Quellen, die über Krieg bei den Enga berichten, ihre mündlichen Überlieferungen. D. h. es gibt keine Berichte oder Beobachtungen von Außenstehenden über die Kriege der Enga.

Die oralen Überlieferungen geben aber immer nur einen Teil der tatsächlichen Geschehnisse wieder. Selten werden in ihnen wirklich komplexe Zusammenhänge über die wahren Kriegsursachen überliefert. Der Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen ist zudem teilweise fragwürdig, dient die Geschichte als solche eben auch noch anderen Zwecken, als der reinen Informationsübermittlung über die Generationen. Aber insgesamt10 läßt sich feststellen, daß Krieg bei den Überlieferungen der Enga nicht glorifiziert wird. In den Geschichten wird nicht von einzelnen Kriegshelden erzählt. Es findet keine Verherrlichung des Krieges und seiner Protagonisten statt. Über „Große Krieger" wird bestenfalls zu deren Lebzeiten und in der Generation ihrer Söhne erzählt. Niederlagen werden in den Überlieferungen der Enga häufiger dokumentiert als Siege. Dies zeigt die Funktion der Geschichten. Sie sollen nicht der Heldenverehrung einzelner dienen, sondern der eigenen sozialen Gruppe als lehrendes Beispiel dienen. Sie sind Mahnung und Lehre an die Nachkommen im Männerhaus, dieselben Fehler zu vermeiden.

Dabei bleibt festzuhalten, daß es eine Krieger oder Offizierskaste, die Krieg als Beruf betreibt, bei den Enga nicht gibt. Zu Führern des Streits werden je nach Situation die vom Vorfall betroffenen, z. B. der Bruder des Getöteten. Die Bigmen11 der Enga sind ebenfalls keine Kriegshelden oder Kriegsführer.

Die Überlieferungen der Enga, die bis zur Einführung der Süßkartoffel zurückreichen, berichten von Krieg als ständigem Begleiter der Enga- Kultur. Als Krieg betrachten die Enga eine große Spannweite von Konflikten. Dies reicht von kleineren Scharmützeln und Streits oder Racheaktionen für einzelne Todesfälle, bis hin zu großen organisierten Konflikten zwischen mehreren verbündeten Stämmen.

Die tatsächlichen kriegerischen Kampfhandlungen können ebenfalls sehr weit gefächert sein. Dies reicht von einzelnen Auseinandersetzungen in Guerillamanier (z. B. durch Attentat), bis hin zu großen organisierten Schlachten. Dort treffen sich beide Konfliktparteien auf einem vorher ausgemachten Feld, mit möglichst großem Anhang und vielen Verbündeten und tragen ihren Konflikt schließlich aus. Es kann aber auch zu Kriegen kommen, die über mehrere Jahre zwischen mehreren involvierten Stämmen an verschiedenen Fronten entlang ihrer Gebiete ausgetragen werden.

In aller Regel sind in die Kampfhandlungen nur die Männer involviert, selten wird von Beteiligungen von Frauen berichtet . Die Spannweite der eigentlichen Gewaltanwendung im Krieg reicht vom verprügeln des Gegners, bis hin zur gezielten Tötung der Feinde. Da das Kriegshandwerk der Enga aber im wahrsten Sinne des Wortes „Handwerk" ist, bleibt die Tötungsquote in den Konflikten weit hinter europäischen Maßstäben zurück. Dabei darf aber auch nicht übersehen werden, daß für die Enga ein Individuum eine weit größere Bedeutung für seine soziale Gemeinschaft hat, als ein Soldat für Kaiser Wilhelm. Ein toter Krieger ist gleichzeitig immer auch ein toter Pflanzer oder Jäger oder Vater der nun der Gruppe beim Überleben fehlt. Die Enga konnten sich letztlich zu viele Verluste an Menschenleben nicht leisten. Dies führte teilweise zu einer Ritualisierung der Kämpfe, bei denen man sich z. B. erst stundenlang in der Rhetorik der gegenseitigen Beschimpfung übt und sich anschließend aus sicherer Distanz mit Pfeilen beharkt.

Ursachen:

Land:

Die Ursachen— des Krieges kann man bei den Enga in verschiedene Gruppen unterteilen. Einer der wichtigsten Kriegsauslöser, ist dabei der Faktor14 Land. Der tatsächliche Landmangel, d. h. zu wenig bestellbare Fläche für eine zu große Bevölkerung vorhanden und das Land kann seine Bewohner nicht mehr ernähren, scheidet als Grund so gut wie aus. Das Land der Enga ist sehr fruchtbar und bietet der doch begrenzten Enga- Population, genügend Ressourcen zu ihrer Versorgung. Als Kriegsursachen dienen dabei in aller Regel gerade die Filetstücke des Landes, um die heftig gestritten werden kann.

So bietet ein bestimmtes Stück Land verschiedenen Gruppen unter Umständen verschiedene Vorteile, um die gekämpft werden kann. Dies kann einmal die strategisch günstige Lage des Landes sein, gelegen an einem Handelsweg, so daß der Besitzer großen Einfluß auf den Handel hat. Andererseits kann es sich auch nur um die gute Erreichbarkeit vom eigenen Dorf aus handeln.

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Details

Titel
Migration und Warfare bei den Enga
Autor
Jahr
2001
Seiten
18
Katalognummer
V99145
ISBN (eBook)
9783638975940
ISBN (Buch)
9783656245537
Dateigröße
451 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Migration, Warfare, Enga
Arbeit zitieren
Werner Schima (Autor:in), 2001, Migration und Warfare bei den Enga, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99145

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