Die täglichen Talkshows ...


Diplomarbeit, 2001

90 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Talkshows im Medienallltag
2.1. Begriffsbestimmung
2.2. Geschichte der Talkshow
2.3. Die täglichen Talkshows in Deutschland
2.3.1. Arabella
2.3.2. Bärbel Schäfer
2.3.3. Birte Karalus
2.3.4. Jürgen Fliege
2.3.5. Hans Meiser
2.3.6. Ilona Christen
2.3.7. Jörg Pilawa
2.3.8. Mensch Ohrner
2.3.9. Sonja
2.3.10. Andreas Türck
2.3.11. Vera

3 Bausteine der täglichen Talkshows und ihre Wirkung
3.1. Talkshowgäste und deren Motivation zur Teilnahme
3.2. Die Funktion des Studiopublikums
3.3. Die Rolle des Moderators
3.4. Die Funktion der Experten
3.5. Der Fernsehzuschauer
3.6. Altersstruktur der Zuschauer
3.7. Einschaltquoten/Marktanteile/Werbepausen
3.8. Motive des Sehens
3.9. Themenauswahl/Themenpräsenz
3.10. Herstellung einer Talkshow

4 Talkshows und ihre vermittelnden Werte in der Gesellschaft
4.1. Begriffsbestimmung Werte
4.2. Wertewandel in der Gesellschaft
4.3. Werteverlust und dessen Neuvermittlung
4.4. Gesellschaftliche Entwicklung des individuellen Medienalltages

5 Funktion und Wirkung von Talkshows auf den Rezipienten
5.1. Orientierung aus dem Fernseher
5.2. Psychosoziale Funktion und Gefühlswelt des Rezipienten
5.3. Identifikationsmöglichkeiten
5.4. Konfliktumgang und dessen vermittelnde Bewältigung
5.5. Kommunikationsstruktur und vermittelnder Sprachgebrauch
5.6. Toleranzvermittlung in Norm und Abweichung
5.7. Veränderte Realitätswahrnehmung
5.8. Veränderungen aus ethischer Sicht

6 Bemühungen der Anstalten
6.1. Entstehung der Dokumentationsstelle Talkshows und des Code of Conduct
6.2. Inhalte des Code of Conduct
6.3. Organisatorische Maßnahme
6.4. Institutionelle Einbindung der FSF
6.5. Aufgaben der Dokumentationsstelle
6.6. Prüfung im Hinblick auf Jugendschutzbestimmungen
6.7. Prüfung im Hinblick auf Code of Conduct
6.8. Beispiel einer Prüfung
6.9. Zusammenfassung der Bemühungen der Anstalten

7 Auswertung des Fragebogens
7.1. Einleitung
7.2. Auswertung der einzelnen Fragen
7.3. Interpretation der Ergebnisse

8 Präventive Möglichkeiten
8.1. Im Elternhaus
8.2. In der Schule
8.3. In der sozialpädagogischen Arbeit

9 Schlußfolgerung

10 Zusammenfassung

11 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Seit vielen Jahren nehmen Talkshows einen hohen Stellenwert im Nachmittags- und Abendprogramm des deutschen Fernsehens ein.

Alleine am Nachmittag gibt es täglich von 11 bis 17 Uhr elf Talkshows in verschiede- nen Programmen, in deren Mittelpunkt der Durchschnittsbürger die Gelegenheit hat, bezüglich eines Themas einem Millionenpublikum seine persönlichen und privaten Probleme, Schicksale, Vorlieben, Abnormitäten oder Geschichten zu erzählen. Da dieses Programmformat eine hohe Zuschauerquote und Zuwachs hat (alleine in meinem Untersuchungszeitraum kamen zwei Talkshows dazu), stellt sich die Frage, welchen Sinn dieses Medium für den Rezipienten erfüllt ? Bekanntlich sind es keine informativen und aufklärenden Gesprächsrunden, die sich einer tiefergehenden Dis- kussion mit einer bestimmten Fragestellung stellen. Stattdessen handelt es sich um Sendungen, deren Themenkomplexe Beziehungen, Familie, Gesundheit und Schönheit entstammen und von alltäglichen und banalen Problemen über Skurriles und Bizarres bis hin zu schwerwiegenden psychischen Problemen, die eher in eine Therapie als in eine Talkshow gehören, reichen. Trotzdem werden diese Sendungen, die von den Emotionen leben, die sie bei den Gästen, dem Publikum und den Zuschauern auslösen, in hoher Frequenz konsumiert.

Als Fragestellung dieser Arbeit soll untersucht werden, wer Talkshows sieht, aus wel- chen Beweggründen dieses geschieht, wer sich in eine Sendung begibt und aus wel- cher Motivation ? Können Talkshows ein gesellschaftlich formender Faktor sein ? In ihrer Gesamtheit leisten Talkshows einen Beitrag zur Wertebildung in der Gesell- schaft, denn sie bewegen sich im Zwischenbereich von Klatsch, Betroffenheit, Emoti- onalität und Familienwerten. Dies bezieht ebenfalls Kinder und Jugendliche ein. Durch den berufsorientierten täglichen Umgang mit Jugendlichen kann ich einen zu- nehmenden kritiklosen Konsum mit dem Medium Fernsehen beobachten, der sich häu- fig aus Langeweile ergibt. Ursprünglich wollte ich in der Diplomarbeit erarbeiten, in- wieweit Inhalte und Darstellungen von Talkshows Kinder und Jugendliche beeinträch- tigen sowie sozialethisch desorientieren und das körperliche, geistige oder seelische Wohl beeinträchtigen können.

Leider gibt es bisher keine ausreichende Wirkungsforschung diesbezüglich, so daß ich die Fragestellung meiner Arbeit im Laufe meiner eigenen Untersuchung ändern mußte. Die Lager der Befürworter sowie Abneiger dieses Genres sind gespalten. Auch hier gibt es nur eine begrenzte Wirkungsforschung. Gesellschaftliche Folgen sind erst in naher Zukunft zu ersehen, vielleicht hat der Konsum von Talkshows auch keinerlei Auswirkungen auf die Rezipienten.

Ich möchte mit meiner Arbeit beide Seiten untersuchen, zumal in vergangener Zeit viel in den Medien über das „Schmuddel - TV“ seitens der Macher, Kritiker, Gesetz- gebung, Politik, Kontrollorgane und Selbstkontrolleinrichtungen kontrovers diskutiert wurde.

Begrifflich soll angemerkt werden, daß in der Arbeit ausschließlich von den nachmittäglichen Talkshows mit nichtprominenten Gästen die Rede ist.

Im Januar 1999 startete eine neue Talkshow namens Sabrina täglich um 10 Uhr auf RTL, es folgte Nicole um 16 Uhr auf PRO7.

Diese Sendungen wurden von mir nicht berücksichtigt.

2 Talkshows im Medienalltag

2.1 Begriffsbestimmung

„Talkshow“ kommt aus dem Amerikanischen und bedeutet auf Deutsch Gesprächsen- dung.

Mittlerweile gibt es im deutschen Fernsehen viele unterschiedliche Talkshows, Diskussionsrunden etc., so daß eine einheitliche Definition schwierig ist. „Es gibt nicht die Talkshow. Vielmehr verbergen sich hinter dem Begriff „Talkshow“, der von Kritikern und Programmachern für verschiedene Programmangebote verwendet wird, ganz unterschiedliche Sendeformen, denen teilweise nur das Gesprächselement gemeinsam ist“, behaupten (Steinbrecher / Weiske 1992,S.19f.).

Trotzdem können den täglichen Talkshows bestimmte Merkmale zugeschrieben werden, die sie als eigenes Genre erkennen lassen. Diese sind:

- werktägliche einstündige Ausstrahlung im Tagesprogramm
- Seriencharakter und lokale Einheitlichkeit
- die Sendung ist nach dem Moderator benannt
- der Moderator übernimmt gesprächleitende Funktion
- die Sendung ist monothematisch aufgebaut
- die Themen werden emotionalisiert und personalisiert behandelt
- ca. 4-10 unprominente Gäste pro Sendung
- vorhandenes Studiopublikum, welches teilweise miteinbezogen wird
- die Sendung hat kaum sachlich-informative Funktion, ist rein unterhaltend, was durch Showeffekte unterstützt werden kann
- Ausstrahlung im Fernsehen
- die genannte Charakterisierung des Affektfernsehens trifft auf die täglichen Talk- shows zu: Personalisierung, Authentizität, Intimisierung und Emotionalisierung

Einerseits gibt es den „confessional talk“, der von den Gästen mit ihren ungewöhnli- chen Geschichten lebt, anderseits den „confro talk“, bei dem es ein Stimmung ma- chendes Publikum und ein kontroverses Thema gibt, in das sich der Gastgeber sehr polarisierend einmischt. Viele täglichen Talkshows sind eine Mischung aus diesen bei- den Besonderheiten, so daß sie dem von Bente/Fromm geprägten Namen „Affekt - Talk“ zuzuordnen sind.

Dieser gehört nach Bente/Fromm zum Affektfernsehen, welche Charakteristika ich aufführen möchte.

Charakteristika des Affektfernsehens (Bente/Fromm 1997, S.20)

Personalisierung Die Darstellung ist auf das Einzelschicksal, auf die unmittelbar betroffene Einzelperson zentriert; Allgemeines tritt hinter dem Individuellen zurück; die Person des Moderators schafft ein Klima der Vertrautheit und Verläßlichkeit.

Authentizität Die „wahren“ Geschichten der unprominenten Personen werden je nach Sendekonzept entweder erzählt oder zum Zwecke der medialen Verbreitung vor der Kamera inszeniert. Der Live - Charakter unterstreicht die Authentizität des Gezeigten.

Intimisierung Vormals eindeutig im privaten Bereich liegende persönliche Belange und Aspekte zwischenmenschlicher Beziehungen werden zum öffentlichen Thema.

Emotionalisierung Die Sendungen betonen den emotionalen Aspekt der Geschichten, das persönliche Erleben und Empfinden, weniger die Sachaspekte. Die Kamera unterstützt diese Tendenz, indem sie die Akteure in stark bewegten Momenten teilweise in der Großaufnahme zeigt.

Affektsendungen meinen alle Sendungen, in denen eine „Zentrierung auf Einzelschicksal, die Fokussierung auf emotionale Befindlichkeiten und die Überschreitung tradierter Grenzen zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit“ (Bente / Fromm 1997, S.13) stattfindet. Darunter fallen neben den „Affekt - Talks“ auch Beziehungsshows, Spielshows, Suchsendungen und u.a. Reality - TV und Infotaiment.

Zusammenfassend läßt sich der Begriff der täglichen Talkshow wie folgt bestimmen. Es sind Sendungen, in denen ein Moderator unprominenten Menschen die Chance gibt, ihr persönliches Schicksal im authentischen Bericht oder in Selbstdarstellung vor Kamera monothematisch zu veröffentlichen. Diese Sendungen sind dem „confessional talk“ oder dem „confro talk“, meist einer Mischung aus beidem, zuzuweisen. Dies macht das Publikum deutlich, welches oft zu den kontroversen Themen zusätzlich Stellung beziehen darf. Die persönliche Betroffenheit der anwesenden Gäste sowie des Publikums und der Zuschauer steht im Mittelpunkt, nicht die Diskussion über das Thema. Die Themen selber sind angesiedelt im Bereich von „Klatsch, Betroffenheit, Emotionalität und Familienwerten“ (Mikos in medien&Erziehung Nr.2, S.84).

Zentrale Figur ist der Moderator, der als leitende Person durch die Sendung führt, eine personale Bindung zum Zuschauer schaffen muß, um diese nach der Werbepause wieder zu seiner Sendung zu motivieren. Eine “imageprägende Identifikationsfigur“ (Steinbrecher & Weiske,1992,S.175) mit hohem Wiedererkennungswert ist hinsichtlich des Kampfes um Einschaltquoten besonders wichtig.

2.2 Geschichte der Talkshows

Die Talkshows im deutschen Fernsehen starteten erst 20 Jahre nach deren Entstehung in den USA. Dort lief diese Sendeform seit Jahren mit großem Erfolg und erreichte 1970/71 den Höhepunkt der Beliebtheit.

In den 60er Jahren hatte man bereits in Deutschland über das amerikanische Vorbild nachgedacht, doch „man fürchtete, daß der deutsche Zuschauer, der zu jener Zeit vor allem Krimis und amerikanische Spielfilme liebte, nicht reif für ein derartiges Talk- Konzept sei“ (Steinbrecher/Weiske 1992,S.139). Für diese zögerliche Entwicklung kann eher die öffentlich - rechtliche Organisationsstruktur des deutschen Fernsehens genannt werden und nicht die Sehgewohnheit des deutschen Fernsehzuschauers.

Konkurrenz- und Einschaltquotendruck waren nicht vorhanden, so daß der von Staat und Ländern vorgegebene Bildungsauftrag vorrangig war. Dieser zeichnete sich durch die Zuordnung von „Talk“ zu den Bereichen Information und Bildung aus. Das Publi- kum war es gewöhnt, politische Debatten aus dem Bundestag übertragen zu bekom- men, so daß „Talk“ als politisches Gespräch definiert wurde. Musiksendungen, Quiz- shows, Fiktion sowie Sport galten als Unterhaltung. Erst mit Einführung des dualen Systems wurden Zuschauerresonanz sowie Publikumsgeschmack wichtig.

Nachdem Werner Höfer mit dem Internationalen Frühschoppen den Weg für Diskus- sionssendungen im Fernsehen bewußt gemacht hatte, faßte Dietmar Schönherr 1971 den Entschluß, die amerikanische Idee der Talkshow dem deutschen Fernsehen anzu- passen. Dies stieß zunächst auf Ablehnung. Nachdem sein Konzept erheblich geändert wurde, konnte Schönherr mit der ersten Talkshow Je später der Abend im WDR auf Sendung gehen. Zwar war diese Sendung nichts anderes als eine konventionelle Dis- kussionsrunde, doch war sie die erste ihrer Art, die Gespräche als Fernsehunterhal- tung und nicht als Bildung und Information verstand. Die Sendung wurde schnell zum Publikumserfolg.

Im November 1974 wurde erstmals III nach 9 im NDR ausgestrahlt. Diese Sendung hatte kein starres Schema, wurde von drei Moderatoren geleitet, die mit ihren Gästen an kleinen Tischen inmitten des Studiopublikums saßen. Das ganze wurde durch Mu- sikbeiträge sowie Filmeinspielungen angereichert, das Publikum wurde involviert, was alles in allem die Sendung unterhaltsam und alltagsorientiert machte. Diese beiden Sendungen wurden zu Vorbildern weiterer leicht veränderter Sendekon- zepte, die inzwischen bei dem Fernsehpublikum positiv ankamen. Darunter waren ei- nige Sendungen, die nach wenigen Folgen eingestellt wurden. Diese möchte ich nicht näher aufzeichnen.

In der zweiten Hälfte der 80er Jahre entstand das Privatfernsehen in Deutschland. Ne- ben den öffentlich - rechtlichen Sendern, die ihre Programme weiterhin mit Informati- on, Bildung und Unterhaltung gestalteten, gab es zwei private Anbieter, RTL plus und Sat.1, die ausschließlich Unterhaltung rund um die Uhr boten. 1988 drängten weitere private Anbieter auf den Markt. Der Konkurrenzdruck sowie die Angleichung des deutschen an das amerikanische Fernsehprofil, brachte das Problem der kostengünsti- gen und vielseitigen Füllung von Sendezeiten auf. Dazu nutzte man die Talkshows, die im Wettbewerb der effektivsten Unterhaltung zum Kampf der beliebtesten und un- terhaltsamsten Talkshow avancierte.

„Insgesamt hinkt die deutsche Talkshow - Szene der amerikanischen noch immer hinterher, aber die Abstände sind in jüngster Zeit deutlich kürzer geworden.

Trotzdem bleiben die USA weiterhin Vorreiter und Vorbild - es wird mehr abgekupfert als selbst entwickelt “ (Steinbrecher / Weiske 1992,S.139).

2.3 Die täglichen Talkshows in Deutschland

Steinbrecher/Weiske hatten 1992 nur eine annähernde Ahnung dessen, welche quantitative Flut von Talkshows den deutschen Fernsehmarkt überspülen würde. Begonnen hat es im September 1992 mit Hans Meiser. Ein Jahr später folgte im gleichen Monat Ilona Christen. Im Jahr 1994 wurden Fliege und Arabella eingeführt, 1995 Bärbel Schäfer. Kerner und Vera am Mittag gingen 1996 auf Sendung, 1997 gefolgt von Sonja. Im Januar übernahm Jörg Pilawa die Sendung Kerner. 1998 gab es drei neue Talkshows: Andreas Türck, Mensch Ohrner und Birte Karalus, letztere erhielt starke Kritik in der Presse. Seit Januar 1999 gibt es noch zusätzlich Sabrina, seit März 1999 Nicole, die ich nicht untersucht habe.

Die folgende Tabelle zeigt die Sendezeiten der täglichen Talkshows

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Konzeption der täglichen Talkshows ist sehr ähnlich, sie lassen sich trotzdem in zwei Gruppen unterteilen.

Der von Fley definierte Trivial - Talk richtet sich vornehmlich an ein älteres Publikum und stellt Alltagsgeschichten, Gesundheits - und Beziehungsthemen, Schicksale und deren Menschen dar. Ein Gruppengespräch der Gäste untereinander findet meist nicht statt. Die in die Sendung geladenen Experten treten als Nebengäste auf. Fliege, Ilona Christen, Hans Meiser und Mensch Ohrner lassen sich darunter einordnen. Die andere Gruppe ist der Trivial - Streit - Talk, der sich eigens an ein jüngeres Pub- likum richtet. Der erhebliche Unterschied zeichnet sich durch eine hohe Konfrontation der Gäste und deren sich gegensätzliche Meinungen aus sowie durch die Einbeziehung des Studiopublikums und deren Ansichten. „Noch mehr als beim Trivial - Talk geht es um die Vorführung skurriler und extremer Typen... Unter dem Gelächter und Gejohle des Publikums werden die Gäste verbal angegriffen, beleidigt und provoziert“ (Fley, 1997 S. 113). Zu diesen Sendungen gehören Bärbel Schäfer, Arabella, Birte Karalus, Jörg Pilawa, Andreas Türck, Sonja sowie Vera am Mittag. Im Rahmen mei- ner Untersuchung konnte ich beobachten, daß sich die Konzeption von Hans Meiser verändert hat und eher dem Trivial - Streit - Talk zuzuordnen ist. Gemeinsamkeiten zeigen beide Talk - Arten auf, indem jeweils ein Moderator oder ei- ne Moderatorin sechs bis zehn unprominente Gäste zu einem Thema interviewen. Au- ßer bei Ilona Christen, die bei ihren Gästen auf dem Podium sitzt, leiten die Modera- toren die Sendung aus dem Studiopublikum heraus. So findet eine hohe Publikumsbeteiligung, auch `audience participation `genannt, statt, die ich bei allen Trivial -Streit - Talks verzeichnen konnte.

Nur bei Ilona Christen sitzen alle Gäste bereits von Anfang der Sendung auf dem Po- dium, während bei den anderen Talkshows diese erst nach und nach vorgestellt wer- den. Teilweise geschieht dies, um eine Konfrontation herbeizuführen zwischen Gast und Ex - Partner, Verfeindeten o.ä.. Häufig wird ein neuer Gast angekündigt, der aber erst nach dem Werbeblock erscheint. Das soll die Erwartung sowie Neugier auf diese Person und ihre Geschichte erhöhen und den Zuschauer an die Sendung binden. Durch Überraschungsgäste werden peinliche Situationen und Streitgespräche provo- ziert.

Das Bühnenbild der einzelnen Talkshows ist häufig wie ein Wohnzimmer konzipiert, was den Eindruck von Intimität vortäuschen soll. Die Unveränderbarkeit des Arrangements gibt Kontinuität und Wiedererkennungswert, so wird ein intimes Geplauder auf dem Sofa einer guten Freundin/eines guten Freundes vermittelt und vergessen, daß ein Millionenpublikum zuschaut.

2.3.1 Arabella

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Arabella hat im Schnitt täglich 1,1 Millionen Zuschauer (Stand 9/98), es ist die Talk- show mit dem jüngsten Publikum. Die Show lebt von Konfrontation und Einbindung des Publikums. Aufgrund von wachsendem Unmut über täglichen „Schmuddel-Talk“ und mehrere Beanstandungen über Anhäufungen für jugendliche Zuschauer ungeeig- neter Themen sowie Unterschriftenkampagnen mit Unterstützung prominenter Geg- ner, empfiehlt die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten 5/98, die Talk- show auf 20.00 Uhr zu verlegen. Arabella Kiesbauer entschuldigt sich in den Medien und verspricht, weniger Sexthemen zu erörtern sowie Vulgärsprache zu ´überpiepen`. „Die Moderatorin schafft den Balanceakt zwischen öffentlicher Zurschaustellung und glaubhafter Anteilnahme an Lebensweisen und Erfahrungen der zumeist sehr jungen Gäste und ist dabei auffallend meinungsfreudig. Das Studiopublikum ist dem Anschein nach häufig weit unter 20 Jahre alt. Die Themenauswahl ist auf das pubertierende Zielpublikum ausgerichtet. Viele Alltagsthemen um `Körper/ Schönheit/ Mode/ Be- ziehungen und Sex`“ (Fley 1997, S. 162) werden aufgegriffen. Fley beschreibt die Sendung treffend, vergißt aber zu erwähnen, daß die Moderatorin stets bemüht ist, sich selber zu präsentieren.

Arabella ist die einzige Talkshow, in der die Gäste nie aufgereiht nebeneinander sit- zen, sondern an zwei im Halbkreis angeordneten gegenüberstehenden Stehtischen pla- ciert werden. Die vorgetäuschte Wohnzimmeratmosphäre wird durch ein modernes Studioambiente ersetzt. Dadurch ist Blickkontakt und eine damit verbundene lebhafte Diskussion gewährleistet. Die zusätzlich bewegte Kameraführung mit vielen Schnitten spricht die junge Zielgruppe an, für die diese Sendung konzipiert wurde. Zu besonde- ren Anlässen verläßt Arabella ihr gewohntes Terrain und arrangiert die Talkshow in Überraschungssendungen zum Valentinstag um oder feiert die 1000. Arabella Sen- dung wie eine Oskar - Verleihung in Amerika.

2.3.2 Bärbel Schäfer

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bärbel Schäfer ist neben Birte Karalus die Talkshow bei RTL, die ein jüngeres Publi- kum anspricht. Bei ihr kommt das Publikum in hohem Maße zu Wort. „Es geht nicht allein um die Darstellung von Personen und ihren Erlebnissen und An- sichten, sondern um die Konfrontation zwischen den Gästen untereinander und mit dem Publikum. Die Moderatorin steht im Publikum und ist keineswegs um Mäßigung bemüht, sondern greift auch ihrerseits die Gäste an“ (Fley 1997, S.165). Mir fiel auf, daß unter dem Publikum zunehmend ausländische junge Männer sitzen, die auf höchst niveaulose Weise ihre Meinung zu den Themen äußern. Dabei benutzen sie Vulgärsprache mit vielen Fäkalwörtern, die Bärbel Schäfer zu unterbinden ver- sucht, was ihr aber nicht immer gelingt. Sie empfiehlt den Sprechern wiederholt, dies zu unterlassen, ansonsten würden sie des Studios verwiesen werden. Doch diese Kon- sequenz ist während meiner Recherche nur einmal erfolgt.

Im Informationsmaterial von RTL steht: „`Bärbel Schäfer`- dieser Name steht für jungen, direkten und unterhaltsamen Talk Das es trotz der oft kontrovers diskutierten Themen fair zugeht, dafür sorgt Bärbel Schäfer mit ihrer unnachahmlichen Mischung aus Schlagfertigkeit, Offenheit und Charme“.

2.3.3 Birte Karalus

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nach den ersten Sendungen wurde Birte Karalus in der Presse stark kritisiert, da die Gäste verbal aufeinander einschlugen und sich im höchsten Maße beschimpften. Dies verstieß gegen die „Freiwilligen Verhaltensgrundsätze“ der Privatsender und FSF. „Die Gespräche zu `belastenden familiären und öffentlichen Konflikten` seien auf kommunikativ niedrigem Niveau verlaufen und hätten hauptsächlich aus Vorwürfen und Vorhaltungen bestanden“ (FSF Pressespiegel). Die Moderatorin war damit überfordert und griff kaum ein. Inzwischen hat sich die Situation etwas gebessert, sie lenkt mit gezielten kompromißlosen Fragen durch die Sendung.

Je nach Thema wirkt sie emotionslos, kontrolliert und beherrscht. In den Talkshows, die ich untersucht habe, wies sie aggressive Behauptungen des aufgeheizten (auch ausländischen) Studiopublikums zurück, verbot sich Pöbeleien gegen die Talkgäste, ließ diese trotzdem zu, indem sie jene nur versachlichte. Ich konnte keine persönlichen Meinungsäußerungen zu den Statements der Gäste von ihr vernehmen. Zusammenfassend hatte ich das Gefühl, daß Birte Karalus mit den konzeptlosen Ge- schichten ihrer Gäste manchmal überfordert war. Sie führte diese gnadenlos vor, um ihnen anschließend den Ratschlag zu geben, sich professionelle Hilfe zu holen. In einem Zeitungsinterview in der Süddeutschen Zeitung vom 14.9.98 äußerte sie, ei- ne gute Menschenkenntnis zu besitzen und umreißt ihr Konzept mit den Worten: „Wir sind keine Sozialstation und ich bin keine Mutter Theresa.“

2.3.4 Jürgen Fliege

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Produktionsfirma Tele Time schreibt in ihrem Informationsmaterial über ihre Sen- dung Fliege: „Bei Fliege geht es weder um sensationsheischende Skandale noch dar- um, Menschen mit ihren Sorgen und Nöten bloßzustellen. Jürgen Fliege rechtfertigt das Vertrauen, das Gäste und Zuschauer in ihn setzen, durch sein ausgeprägtes Ein- fühlungsvermögen und seinen Respekt vor subjektiven Wahrheiten“. Jürgen Fliege ist ausgebildeter Pfarrer, die Schwerpunkte seiner Themen liegen in den Bereichen von Familie, Beziehungen, Gesundheit/Krankheit, alternativen Heilmetho- den und Lebensart.

Er zeichnet sich durch starke emphatische Gesprächsführung aus, „setzt sich bei seinen Talkgästen auch mal zu Füßen und hält ihnen bei heiklen Themen die Hand“ (Fley 1997, S.171).

Bevorzugt wird Fliege von einem älteren und meist weiblichen Publikum konsumiert. Die religiöse und seelsorgerische Dimension seiner Sendung wird zusätzlich durch die eigens für die Sache gegründete `Fliege Stiftung` verstärkt, aus deren Etat besondere Geschenke in Form von Reisen, Heilsitzungen, Suchanzeigen u.v.m. gesponsert wer- den.

Beendet werden die täglichen Sendungen durch Pastor Jürgen Fliege mit einer zusammenfassenden Bilanz, die dem Zuschauer nochmals verdeutlichen soll, was er aus dieser Sendung gelernt haben sollte. Mit dem Standardsatz „Passen Sie gut auf sich auf!“ endet jede Folge und vermittelt Wärme, Sorge und Menschlichkeit.

2.3.5 Hans Meiser

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Hans Meiser war die erste tägliche Talkshow. Sie wendet sich an ein älteres, gemischt geschlechtliches Publikum. Bevorzugte Themen sind Gesundheit, Beziehung, Esoterik und Sex. Auch hier zählt das Einzelschicksal zu einem festgelegtem Thema. „Während Gesundheitsthemen - insbesondere, wenn sie sehr speziell sind - insgesamt abnehmen, rücken Beziehungsthemen zunehmend in den Vordergrund und werden inhaltlich intimer und härter“ (Bente/Fromm 1997, S.350).

Hans Meiser verkörpert eine seriöse Autorität, nimmt sich das Recht, den Gästen auch seine Meinung zu sagen.

Auch bei Meiser wird der Trend zur affektvolleren Talkshow sichtbar. Die Titel sind reißerischer geworden, das Studiopublikum wird vermehrt miteinbezogen. Die Sendung vom 9.2.99 mit dem Thema „ Ein Lover ist mir nicht genug“ macht dies erkennbar. Das recht junge, z.T. männliche ausländische Publikum machte seiner moralischen Wertvorstellung mit niveaulosen Phrasen deutlich Luft, wurde dafür auch von Hans Meiser verbal gemaßregelt. Trotzdem bekamen einige Personen wiederholt die Chance zur primitiven Meinungsäußerung.

Diese Art von Gesprächsführung ist widersprüchlich zu dem Image, welches Hans Meiser vertritt.

2.3.6 Ilona Christen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ilona Christen war die zweite Talkshow dieser Art im deutschen Fernsehen.

Die Themen entstammen hauptsächlich dem Bereich Familie, Beziehungen und Gesundheit. Sie sucht mit ihren Gästen eher ein intensives Gespräch und sitzt als einzige der Moderatoren von täglichen Talkshows neben ihren Gästen auf dem Podium. Dadurch bezieht sie das Studiopublikum nicht mit ein, ebenso kommen selten Gespräche zwischen den Gästen zustande.

Alle anderen Moderatoren der täglichen Talkshows bewegen sich im Bereich des Studiopublikums, um Fragestellern das Mikrofon zum Sprechen zu offerieren. Ilona Christen kann als eine `gesittete` Talkshow angesehen werden, da weder Tabugrenzen überschritten noch große Streitgespräche provoziert werden. Jeder Gast erzählt seine Geschichte und Ilona Christen stellt Fragen dazu.

„ Viel vorgespieltes Gefühl und anspruchsloser Humor, eine überwiegend heile Welt mit allerdings allerhand verbesserungswürdigen Zuständen und manchmal wenig aufregende Attraktion sind die Bestandteile der Show Ilona Christen “ (Henkel 1998, S.77).

Ilona Christen hat keine typischen weiblichen Qualitäten, was sie von ihren jüngeren Kolleginnen unterscheidet. Sie ist immer in dezenten Hosenanzügen gekleidet, wirkt eher männlich. Über ihren schlüpfrigen Humor kann sie selber am meisten lachen. Ihre ausgefallenen Brillen könnten als modische Auffälligkeit oder persönliches Erkennungsmerkmal bezeichnet werden.

2.3.7 Jörg Pilawa

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Jörg Pilawa hat am 19.1.1998 die Talkshow Kerner übernommen. Das Konzept der Talkshow und das Themenspektrum haben sich dadurch nicht wesentlich geändert. Jörg Pilawa ist ein gutaussehender Mann, der ruhig durch seine Sendung führt, Partei ergreift und seine Meinung äußert. Er wirkt dabei wie der nette Nachbar von nebenan, der einen Geschenkgutschein für ein Abendessen oder eine Kleinstreise zu verschen- ken hat.

Die Titel seiner Sendungen werden spektakulärer formuliert als die Inhalte letztend- lich sind. Das Studio ist wie ein Wohnzimmer aufgebaut, was heimelige Atmosphäre vermitteln soll.

„Für mich ist das wie ein Wohnungswechsel. Jeder Mensch hat einen anderen Geschmack, und so werde ich mir mein Talk - Wohnzimmer so einrichten, wie es mir gefällt. Dazu lade ich mir natürlich die Gäste ein, mit denen ich am liebsten plaudere - also solche, die spannende, schräge, anrührende, schockierende aber auch witzige Geschichten zu erzählen haben“ (Informationsmaterial von Sat.1).

2.3.8 Mensch Ohrner

Während der Anfertigung meiner Diplomarbeit wurde die Talkshow Mensch Ohrner am 21.1.1999 aufgrund zu niedriger Einschaltquoten eingestellt. Mit einem Marktanteil von 6,2 % und einer durchschnittlichen Zuschauerquote von 440 000 (Quelle ZDF/Mainz), war die Sendung nicht spektakulär genug, um gegen die zeitgleichen Konkurrentinnen Birte Karalus sowie Arabella zu bestehen.

Daran läßt sich gut erkennen, daß eine niveauvollere Talkrunde am Nachmittag nicht durchsetzbar ist.

2.3.9 Sonja

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Sonja zählt zu den Trivial - Streit - Talks. Neben der Darstellung von Einzelschicksa- len ist die Provokation der Gäste sowie eine Konfrontation gegensätzlicher Meinun- gen Zweck der Sendung. Die Gäste werden häufig vor laufender Kamera überra- schend mit anderen ihnen bekannten Personen konfrontiert, beispielsweise mit Ex - Partnern, zerstrittenen ehemaligen Freunden, verhaßten Nachbarn o.ä.. Auch hier weist das Studio eine Wohnzimmeratmosphäre vor, die im Kontrast zu den Streit - Talk steht. Vorwiegend ein jüngeres Publikum wird durch diese Sendung an- gesprochen.

„Bei mir passiert auch Unvorhergesehenes. Ich bringe Menschen zusammen, die nicht mehr miteinander sprechen. Ganz persönliche und ganz emotionale Alltagskonflikte werden bei mir offen diskutiert,“ verspricht die Moderatorin im Werbematerial von SAT. „ Sonja verkörpert alle Eigenschaften einer erfolgreichen Moderatorin der 90er Jahre: Freches investigatives Auftreten, vermittelnd - freundschaftlich im Gespräch und sie kennt die Wünsche und Konflikte der jungen Zielgruppe,“ ist dort weiter zu lesen.

2.3.10 Andreas Türck

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Andreas Türck ist der Sonnyboy unter den Moderatoren, der sich über eine Aussage seines Gastes auch gelegentlich amüsiert. Er fragt nach, interpretiert und hält Überraschungsgäste zur Konfrontation bereit. „Mein Job macht mir Spaß, aber ich nehme das Leben leicht, schaffe im Augenblick des Gesprächs Nähe zu den Gästen, setzte mich auch mit den Problemen auseinander, aber nicht zu heftig“ (Mundzeck in Frankfurter Rundschau 24.7.98), bekennt Andreas Türck.

Auch bei ihm müssen die Themen provokant sein, doch sein Image ist der jungenhafte Charme, die modische Kleidung und als Handwerkszeug der flotte Spruch. Damit spricht er ein junges Publikum an, mit dem er gerne kokettiert.

2.3.11 Vera am Mittag

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die mollige, lebendige Vera Int-Veen fällt durch ihre Art und ihr Aussehen aus dem Rahmen der jungen weiblichen Moderatoren. In modernem Studiodesign begrüßt sie ihre Gäste, die durch eine Drehtür hereinkommen. „ Vera Int-Veen liebt es, auf Men- schen zuzugehen, ist neugierig und interessiert sich für die Sorgen und Nöte, für das kleine Glück und die Gefühlswelt anderer. Als `Anwalt der Volksmeinung` nimmt sie kein Blatt vor den Mund. Nicht privat und nicht bei ihrer Talkshow.“ ( Informations- material SAT.1 ).

Sie äußert die eigene Meinung und greift burschikos in die Gespräche ein, sollten sie zu sehr unter die „ Gürtellinie“ geraten. Trotzdem streiten ihre Gäste untereinander in hohem Maße, das Publikum darf seine Meinung miteinbringen.

„ Die Themen bewegen sich häufig in gesellschaftlichen Tabu-Bereichen. Dabei geht es in erster Linie um reinen Sensations -`Journalismus`, um das Vorführen von Men- schen in extremen Situationen. Die Gäste werden den verbalen Attacken des Publi- kums teilweise schutzlos ausgeliefert Wenn der Begriff Trash-Talk im deutschen Fernsehen angebracht ist, dann hier“ (Fley 1997, S.195). Vor 1997 konnte Matthias Fley nicht ahnen, daß zwei Jahre später fast alle Talkshows sich dieser Kritik stellen müßten. Ich konnte in meinem Untersuchungszeitraum mehrere verschiedene Talk- shows sehen, in dem der von Fley beschriebene Trash - Talk in großer Manier ausge- führt wurde. Eine Vera Int-Veen ist dabei nicht mehr `Spitzenreiterin`.

3 Bausteine der täglichen Talkshow und ihre Wirkung

3.1. Talkshowgäste und deren Motivation zur Teilnahme

Jährlich treten ca. 30 000 Menschen in Talkshows und anderen Sendungen auf, immer neue Gesprächsangebote gehen auf Sendung. Dahinter steht nicht nur der kommer- zielle Gedanke des Senders, sondern auch Angebot und Nachfrage des Talkshowgas- tes.

Um den Talkshowgast nicht als Opfer skrupelloser Fernsehproduzenten hinzustellen, möchte ich die Motive und Beweggründe zur Teilnahme an einer Talkshow näher be- leuchten.

In ihrer Studie über das Affektfernsehen haben Bente und Fromm eine Unterteilung der Talkgäste und der Bereitschaft hinsichtlich ihrer Teilnahme unternommen. Es werden acht Motivtypen unterschieden, von denen teilweise einer als Grund zur Teilnahme an einer Talkshow reicht, aber auch eine Mischung aus mehreren Anlaß geben kann, sich der Öffentlichkeit zu stellen.

Diese acht Motive beziehen sich nicht nur auf Talkshows, sondern auf alle Sendungen, die unter die Bezeichnung Affektfernsehen fallen.

Sie lauten:

(1) Der Fernseh-Star

Der Fernseh-Star hat das Bedürfnis nach sozialer Beachtung und die damit verbundene Anerkennung. Hier bietet der Auftritt die Aufmerksamkeit von Millionen. Der Fernseh-Star versucht die Exponierung seiner Person auf unterschiedliche Arten zu realisieren, im privaten Bereich sowie mit weiteren Fernsehauftritten. (vgl. Bente/Fromm 1997, S.119)

(2) Der Patient

Der Patient versucht mit seinem Auftritt psychische und/oder physische Beschwerden aktiv zu bewältigen. Es werden zwei Typen unterschieden:

Der erste Typus zeichnet sich durch das Bedürfnis nach Selbsterfahrung im Sinne ei- ner psychotherapeutischen Behandlung aus. „Als Probleme wurden hier beispielsweise Schüchternheit im sozialen Umgang bis hin zu Menschenangst genannt, die durch die extrem öffentliche Situation des Auftrittes eine Desensibilisierung erfahren sollten. Durch die Thematisierung der persönlichen Schwierigkeiten im Fernsehen hofft der Patient auf Anteilnahme und mehr Verständnis für seine Situation, die sich nicht zu- letzt auch daraus ergibt, daß die Inhalte des Fernsehens als bedeutsam angesehen werden“ (Bente/Fromm 1997, S.120).

Der zweite Typus ist meist körperlich erkrankt und hofft durch den Auftritt auf Information und Hilfe. Beispielsweise erwarten sie durch die eingeladenen Experten Hilfe, die sie sonst nicht finanzieren könnten. (vgl. Bente/Fromm 1997, S.120)

(3) Der Kontaktanbahner/Verehrer

Der Auftritt dieses Typus dient der Herstellung oder Erneuerung einer Beziehung. Die Motivation bezieht sich nicht nur auf Liebesbeziehungen, sondern kann auch Freunde und Familienmitglieder betreffen. Durch das öffentliche Bekenntnis und den medialen Antrag wird dem Ausgang der Situation stärkeres Gewicht beigemessen. Er wird als definitiv angesehen, da eine Person vor einem Millionenpublikum öffentlich zu seiner Entscheidung stehen muß. (vgl. Bente/Fromm 1997, S.121)

(4) Der Ideologe

„Der Ideologe zeichnet sich durch das Bedürfnis aus, seine Überzeugungen, bei- spielsweise in bezug auf die allgemeine Lebensführung, zwischenmenschliche und partnerschaftliche Thematiken, aber auch religiöse oder kulturelle Sichtweisen zu ver- öffentlichen. Auf diese Weise möchte er dem Zuschauer eine mögliche Lebensorien- tierung bieten“ (Bente/Fromm 1997, S.122). Das Fernsehen bietet dazu die Möglich- keit, mehr Menschen zur Verkündung seiner Ansichten zu erreichen als der Alltag sel- ber. Es wird die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Lebensphilosophie unterstrichen, der Ideologe festigt damit sein Selbstbild. (vgl. Bente/Fromm 1997, S.122)

(5) Der Propagandist

Diese Person nutzt den Fernsehauftritt aus kommerziellen Interesse oder finanziellen Bedürfnissen. Er nutzt die Chance des Auftrittes, um in seiner Profession bekannter zu werden und Eigenwerbung zu betreiben. Finanzielle Gründe können ebenfalls hinter einem Auftritt stecken, denn eine Aufwandsentschädigung zwischen ca. 100 bis 1000 DM erscheint als lukratives Geschäft, für welches relativ wenig Aufwand betrieben werden muß. (vgl. Bente/Fromm 1997, S.123)

(6) Der Anwalt in eigener Sache

Dieser Motivtyp zeichnet sich durch Probleme mit juristischen Verflechtungen aus. Er fühlt sich durch das Gesetz ungerecht behandelt und erwartet durch den Fernsehauf- tritt ein Forum zur persönlichen Stellungnahme, eine mediale Thematisierung seines Schicksals und erhofft, auf diese Weise Druck auf den Gesetzgeber auszuüben, um ju- ristische Veränderungen herbeizuführen. (vgl. Bente/Fromm 1997, S.124)

(7) Der Rächer

Der Rächer nutzt seinen Auftritt dazu, sich an jemanden zu rächen, der ihn in irgendeiner Weise verletzt hat. Dabei handelt es sich meist um eine ehemals nahestehende Person. Das Gefühl der Macht- und Hilflosigkeit begründet die Motivation für den Auftritt. Die mediale Situation ermöglicht dem Gast, sich selbst aufzuwerten und ein Gefühl von Macht zu verspüren, während er den anderen dadurch abwertet. Der Betroffene wird der Kritik ausgesetzt und ist gezwungen zuzuhören. (Vgl. Bente/Fromm 1997, S.125)

(8) Der Zaungast

Dieser Typus hat das Bedürfnis, einen Einblick in das Medium Fernsehen zu bekommen. Ihn interessiert es, wie eine Sendung produziert wird oder wie die Person des Moderators wirklich ist. Dabei zeichnet sich der Zaungast eher durch eine Beobachterrolle aus, verfolgt das Geschehen aus einer eher distanzierten und verantwortungsfreien Haltung heraus. (vgl. Bente/Fromm 1997, S.126)

Um die Typenforschung von Bente/Fromm abzuschließen, möchte ich noch anmer- ken,daß nur die Hälfte der von ihnen befragten Gäste (40 Personen) das Gefühl hat- ten, ihre Motive in der Sendung durchgesetzt zu haben. Dies waren vorrangig die `Zaungäste` und die `Rächer`. Bei ersteren ergibt es sich aus dem Grund des Motivs. Sie hatten die Gelegenheit, den Produktionsprozeß des Fernsehens mitzuerleben. Auch die `Rächer` zeigten sich mit ihrem Auftritt zufrieden. Wenig realisieren konnten die `Anwälte in eigener Sache`, die `Ideologen` und die `Kontaktanbahner/Verehrer` ihre Motive. Die restlichen Motivtypen konnten ihre Belange jeweils teilweise durch- setzen. Dennoch beurteilten die Gäste im Nachhinein ihren Auftritt „überwiegend po- sitiv“ (Bente/Fromm 1997, S.140).

Es scheint, daß die Rezipienten das Medium Fernsehen aktiv zu ihrem Vorteil nutzen, anstatt ihm passiv und hilflos ausgeliefert zu sein. Dies trifft auch zu, denn wer zu ei- ner Talkshow anreist, sich schminken läßt und seinen Auftritt mit dem Moderator ab- spricht, will von möglichst vielen Zuschauern gesehen und gehört werden. Er glaubt, er habe der Öffentlichkeit etwas mitzuteilen oder diese brauche seine Mitteilung. Hier wird Öffentlichkeit für Personen geschaffen, die sonst nicht im Rampenlicht stehen würden.

Obwohl die Gäste in den Sendungen physisch als auch psychisch entblößt werden, ist es für die Programmgestalter kein Problem, Menschen für die Sendungen zu bekommen. Vielleicht wirkt eine öffentliche Beichte wie eine Therapie! Die Folgeschäden dessen sind noch nicht ausreichend bekannt.

Nach Erkenntnissen der Forschungsgruppe Kölner Psychologen von 1997 treibt die Leute der Wunsch nach Anerkennung und Beachtung und die Suche nach einer Ge- meinschaft in die Talkshows. Die meisten Kandidaten wollen durch den nichtalltägli- chen Fernsehauftritt ihr Selbstwertgefühl, ihren Alltag und `Sozialstatus` aufwerten. Die Psychologin Andrea Claudia Hoffmann ermittelte für ihre Untersuchung „ Öf- fentlichkeit als Therapie“ sechs Motive der Teilnahme: Wunsch nach Problembewälti- gung, Botschaft an bestimmte Menschen, Ausbruch aus der Isolation, Treffen von Fernsehstars, Selbstwerterhöhung und Teilhabe an der Öffentlichkeit (vgl. Titus Arnu in Süddeutsche Zeitung vom 6.8.1998).

Um in der quantitativen Talkshow - Sendelandschaft zu bestehen, werden die Themen immer reißerischer, die Konfrontation der Gäste spektakulärer. Dies bewegt sich oft im Bereich gesellschaftlicher Tabuzonen und Geschmacksgrenzen, entwickelt sich in Richtung Live - Life - Dramen. Nicht der Austausch von Argumenten zwecks Mei- nungsbildung steht im Mittelpunkt, sondern ein realer lebensweltlicher Konflikt. Die- ser wird vor Publikum mit deren Einmischung ausgetragen. Eine Entziehung aus der Situation wäre rechtlich möglich, da die Talkshows Aufzeichnungen sind und ohne Einwilligung der Akteure nicht gesendet werden dürfen. Doch scheint der soziale Zwang zum privaten Bekenntnis hoch zu sein, zumal der Gast implizit wegen der in- timen Enthüllung eingeladen wurde. Vielleicht liegt es auch an der Anonymität des öf- fentlichen Raumes, die den Mitteilenden vergessen läßt, daß sein intimer Bericht sozi- ale oder persönliche Konsequenzen nach sich ziehen könnte.

Trotz dieser Faktoren bieten sich Menschen und ihre Schicksale als Produkt für Talk- shows an. Der starke Wunsch der Klärung, verbunden mit der Hoffnung, daß das Me- dium Fernsehen die Wichtigkeit des Anliegens unterstreicht, sowie eine Portion Hilf- losigkeit oder Rache müssen Menschen dazu verführen, dieses Genre für sich als Problemlösung in Betracht zu ziehen. Weitere gesellschaftliche Aspekte möchte ich im vierten Kapitel erläutern.

3.2. Die Funktion des Studiopublikums

Jede tägliche Talkshow wird durch ein präsentes Studiopublikum vervollständigt. Meist ist das Publikum im Alter der Zielgruppe zu Hause vor dem Bildschirm, um eine Identifikation mit der Sendung zu festigen. Um dies zu erreichen, werden Agenturen damit beauftragt, Publikum nach Vorgaben der Redaktion zusammenzustellen. Die Anwesenheit des Publikums ist nicht nur nach inhaltlichen Aspekten zu betrachten. Die Aufgaben des Publikums sind nicht unbedeutend. Von ihnen wird erwartet, daß sie sich in die Gespräche einmischen. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten. Einzelne Per- sonen werden von dem Moderator dazu ermuntert, ihre Meinung zu äußern oder sie signalisieren Fragebereitschaft, indem sie sich hinstellen und darauf warten, etwas zu dem Thema zu sagen. „In dem Publikum befinden sich dramaturgisch eingeplante Meinungsgeber, die in der Regel der Polarisierung dienen und immer dann drankom- men, wenn vorne etwas Grundsätzliches gesagt wurden ist“ (Mundzeck in Frankfurter Rundschau vom 24.7.98).

Das Studiopublikum symbolisiert die Live - Atmosphäre, signalisiert ununterbrochen, es könnte etwas Ungewöhnliches geschehen. Es dient als Stellvertreter des Millionen- publikums zu Hause, vertritt moralisch dessen Meinung im Studio. Dies tut es unter Gejohle und Gelächter, zeigt Anerkennung und Ablehnung. Nichts wird dem Zufall überlassen, dem der „Warm - Upper“ fordert zum Applaus, der auf dem Bildschirm spontan und selbständig wirkt.

„Betrachtet man die Funktion des Präsenzpublikums einmal von der Rezeptionsseite her, so läßt sich feststellen, daß Publikum eine Talkshow aufwertet zu einem `sehenswerten`Ereignis (Fley 1997, S.81).

3.3 Die Rolle des Moderators

Schon an dem Umstand, daß die einzelnen Talkshows nach ihrem Moderator oder ih- ren Moderatorin benannt sind, zeigt, daß sie das Erkennungsmerkmal und Markenzei- chen der Sendung sind. Durch das zunehmende Talkshowangebot mit seiner Vielfalt an Gästen und Geschichten ist er das gleichbleibende Element. Dies demonstrieren zu- sätzlich die Karteikarten, auf deren Rückseite der Name der Sendung, bzw. des Mo- derators stehen.

Seine Aufgabe besteht darin, die Gespräche durch die Sendung zu führen. Dazu stellt er Fragen, initiiert thematische Überleitungen zu den verschiedenen Beiträgen, stellt Fragen und hält die Dialoge in Gang. Seine Haltung soll neutral sein, um die Selbst- darstellungen der Gäste nicht zu beeinträchtigen. Bei defizitären Äußerungen der Gäs- te muß der Moderator diese kritisch bewerten, moralisch verurteilen und versuchen zu unterbinden.

Dies ist die Idealform der Moderation. Bei den untersuchten Trivial - Streit - Talks halten sich die Moderatoren während der gesamten Sendung im Publikum auf. Dies signalisiert eine Identifikation mit der Meinung des Studiopublikums, was wiederum die Gäste als Gegenpol darstellt. Arabella und Fliege zeigen starke Empathie, indem sie die Gäste berühren, trösten oder sich zu ihnen stellen bzw. setzen. Ilona Christen zeigt eine Identifikation mit ihren Gästen dadurch, daß sie mit ihnen auf dem Podium sitzt.

„Der Moderator wird vom Zuschauer als Repräsentant der Talkshow anerkannt. Seine Person dient der Identifizierung der Sendung und ist somit auch Kristallationspunkt für Lob und Kritik“ (Steinbrecher/Weiske 1992, S.75).

Aus den Ergebnissen ihrer Mehrebenenanalyse ziehen Berghaus und Staab (1995) folgendes Fazit: „Eine Fernsehshow ist der Versuch, eine nahe kommunikative Bezie- hung zwischen Moderator und Zuschauern aufzubauen, wobei alle in der Sendung verfügbaren Mittel funktional diesem Zweck unterstellt sind“. Danach wären Fernseh- Shows als Personality - Shows zu verstehen, in denen der Moderator im Mittelpunkt steht und die Sendung um ihn formiert wurde. Auch wenn es so wirkt, als diene der Moderator der Show, dient die Show in Wirklichkeit der Selbstdarstellung seiner Per- son. Zwar zeigt er Sympathie, Nähe, Freundlichkeit und fast Freundschaftlichkeit, doch gelten diese Verhaltensweisen eigentlich dem Zuschauer zu Hause, denn diese bringen die Einschaltquoten und sichern das Überleben. Durch einstudiertes Klatschen wird die Starrolle des Moderators und die personale Bindung an den Konsumenten unterstützt. Der wachsende Bekanntheitsgrad zählt und ebnet den Weg in das Show- busineß.

Die Gastgeber leben von ihren Gästen und deren Schicksalsschlägen, bringen ihnen gespielte Empathie entgegen. Doch tatsächlich interessiert das gesendete Einzel- schicksal nicht, denn bei 50 Problemen am Tag und ca. 250 pro Woche ist ein Mitgefühl kaum möglich. Die Stärke des Moderators liegt in der Schwäche des Gastes.

3.4 Die Funktion der Experten

Die meisten Moderatoren laden zusätzlich Experten oder Spezialisten in die Sendung, welche die Funktion haben, das Thema von der wissenschaftlichen Seite zu beurteilen. Diese können u.a. Juristen, Ärzte, Psychologen, Psychotherapeuten, Heilpraktiker, Wunderheiler, Sachverständige oder erfahrene Betroffene sein. Sie sitzen meist im Publikum als Nebengäste und werden im Verlauf der Sendung miteinbezogen. Sollte das Gespräch stocken oder eine unerwartete Frage gestellt werden, kann der Modera- tor auf den Nebengast zurückgreifen. “Seine Aufgabe besteht darin, mit seinen Kom- mentaren sowohl den Anwesenden als auch dem Fernsehpublikum zu suggerieren, es existiere eine rationale Erklärung und folglich auch eine Lösung für die thematisierten Probleme und Konflikte“ (Erz 1998 in TV Diskurs Nr.5 7/98).

Mir stellt sich die Frage, welche Ambitionen ein seriöser Psychologe, Psychotherapeut hätte, um in einer Talkshow sein Wissen zu veröffentlichen. Das könnten finanzielle Gründe sein oder der Versuch, durch den Auftritt einen beruflichen Ruf zu erlangen. Ich behaupte, daß ein qualitativ gut arbeitender Experte zeitlich nicht in der Lage sein und es finanziell nicht nötig haben wird, zu trivialen Gesprächsrunden Stellung zu be- ziehen.

In einigen von mir gesehenen Talkshows waren Familientherapeuten und Psychologen dermaßen unqualifiziert tätig, daß es eine Schande für deren Berufszweig war. Den Nachweis ihrer beruflichen Kompetenz bleiben sie schuldig. Bei einer fragwürdi- gen beruflichen Qualität fehlen die Referenzen. Der therapeutische Charakter, den Talkshows für viele Teilnehmer sowie Rezipienten hat, ist in Verbindung mit schlechter psychologischer Arbeit eine Nährboden für psychisch kranke und labile Menschen. Zusätzlich bietet dieser Umstand Verwirrungen und Abschreckung für Personen, die gewillt sind, sich professioneller Hilfe zu unterziehen.

Leider erscheinen diese Psychologen täglich ferner in anderen Sendeformen um ihre Meinung zu äußern, so daß sie ein negatives Bild über den Berufszweig vermitteln. Sehr fraglich empfinde ich den Einsatz von dubiosen Wunderheilern, die vor laufender Kamera verzweifelte Menschen zu heilen versuchen oder durch Meditation vermißte Kinder aufzuspüren. Dies geschieht verstärkt bei Fliege, der durch die esoterische Hil- fe die Botschaft vermitteln will, daß alles und jedem geholfen werden kann.

In ihrer Verzweiflung würden diese Menschen für Hilfe und Heilung alles tun. Sie in dieser Situation einem Millionenpublikum vorzuführen, ist unverantwortlich und meiner Meinung nach moralisch unvertretbar.

3.5 Der Fernsehzuschauer

Die Entwicklung dieses Genres wird täglich durch die Einschaltquoten der Fernsehzu- schauer bestimmt. Durch die Quantität der Sendungen wird ein hoher Rezeptionsbe- darf bescheinigt. Das läßt vermuten, daß der aktive Fernsehzuschauer konkrete Fern- sehangebote zur Befriedigung individueller Bedürfnisse auswählt. Im folgenden Kapi- tel möchte ich untersuchen, wer und aus welcher Motivation heraus die Talkshows konsumiert. Der Wunsch nach Klatsch und Tratsch sowie die Befriedigung der Neu- gier und des Voyeurismus können es nicht alleine sein, welche dazu bewegen, diese Sendungen zu rezipieren. Die Sendungen sind für die Menschen geschaffen, die sonst nicht im Rampenlicht stehen und jetzt die Möglichkeit haben, sich dort zu präsentie- ren. Der Zuschauer zu Hause wird dabei gewissermaßen mit sich selber konfrontiert, denn die Mehrheit der dargestellten Personen stammt aus derselben sozialen Schicht (vgl. Schneider in TV Diskurs 1/99). Die damit verbundene realistische Darstellung und emotionale Intensität erlaubt dem Zuschauer eine neue Freiheit der Meinungsbildung. Doch wohin diese führen könnte, möchte ich später erläutern.

3.6 Altersstruktur der Zuschauer

Es erwies sich als schwierig, die Altersstruktur sowie die Marktanteile bzw. Zuschau- erquoten zu ermitteln. Zwar zeigten sich die Sender sehr hilfsbereit in der Bereitstel- lung ihrer Zahlen, doch differenzieren die Altersangaben der einzelnen Medienabtei- lungen so sehr, daß ich sie teilweise bis zu dreimal anfordern mußte, um ein adäquates Ergebnis zu erzielen. Die Produktionsfirma Teletime, die Fliege herstellt, teilte mir schriftlich mit, daß sie aufgrund von personalen Strukturen nicht in der Lage sei, je- dem Wunsch nach detaillierten Einschaltquoten nachzugehen. Nachdem ich dort wie- derholt nachgefragt und die Altersstruktur erneut angefordert hatte, bekam ich leider nur Gesamtquoten von 1994 - 1998 zugesandt. Damit kann ich Fliege tabellarisch nicht berücksichtigen, da es die Zahlen verfälschen würde. In den Anfangsjahren der Sendung hatte er nicht viel Konkurrenz, so daß seine Einschaltquoten nicht vergleich- bar sind mit dem heutigen Stand.

Altersstruktur der Zuschauer im Januar 1999

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Hauptgruppe der Talkshow - Konsumenten liegt in dem Altersbereich 14-49 Jah- ren. Dabei dominiert bei den jungen Moderatoren der Altersbereich 14-29 Jahre. Zwar werden Meiser, Fliege und Christen stark von über 50 Jährigen frequentiert, doch sind die Marktanteile des jüngeren Publikums bei Meiser nicht unbeachtlich. Aus- schließlich Fliege und Christen werden von einem älteren weiblichen Publikum bevor- zugt.

Martin Henkel stellt in seinem Buch die These auf, daß „tagsüber eher ältere als jün- gere, eher weibliche als männliche, eher schlecht als gut ausgebildete Menschen zu Hause sind. Nachmittags kommen vielleicht Schülerinnen und Schüler dazu“ (Henkel 1998, S.76). Der Umstand der hohen Arbeitslosigkeit darf meiner Meinung nach nicht außer Acht gelassen werden. Es sind tagsüber viele Menschen zu Hause, die keiner geregelten Arbeit nachgehen können und dadurch gewiß zur Einschaltquote beitragen.

Beck behauptet über die Zuschauer: “Frauen vor allem. Und Ältere. Die flüchten sich, sagen die Psychologen, aus der Vereinsamung ins Talkshow - Geplapper - egal, ob dort über Fahrschulen für Blinde gestritten wird oder über künstliche Penisvergröße- rung während der Midlife - crisis“ (Beck in HÖRZU 7.6.1997, S.7). Zusammenfassend läßt sich sagen, daß ein vorwiegend weibliches und älteres Publi- kum mit niedrigem Bildungsniveau Talkshows konsumiert (vgl. Mundzeck 16.5.97).

Kinder ziehen typische Kinderprogramme den Talkshows vor. Nur bei kindgerechten Themen, Musikauftritten oder bekannten Schauspielern, schalten sich Kinder von 3-

13 Jahren ins Programm ein (vgl. Bachmair TV Diskurs 10/98). Dies bietet am häufigsten Arabella. Aktuelle Zahlen lagen mir hierfür nicht vor.

3.7 Einschaltquoten/Marktanteile/Werbepausen

Einschaltquoten und Marktanteile der Talkshows

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bedingt durch die konkurrenzfreie Sendezeit haben einige Talkshows trotz geringer Zuschauerquote einen hohen Marktanteil. Sobald mehrere Sendungen parallel laufen, ist der Kampf um die Quote schwieriger. Folgend ergibt sich ein aggressiveres TalkKonzept. Für Fliege habe ich lediglich die gesamten Marktanteile für 1998 erhalten, die ich aufzeigen, aber unbeachtet lassen möchte.

Werbepausen

Wenn der Fernsehzuschauer in der Werbepause nicht die Chance nutzt, schnell in ein anderes Programm zu schalten, auf die Toilette zu gehen oder sich etwas zu trinken zu holen, dann ist er genötigt, sich deren Inhalt anzusehen. Um eine ultimative Zielgruppe anzusprechen, wurden die zu der jeweiligen Talkshow gehörenden Altersgruppen bestimmt. Eine Marktanalyse definiert die Konsumgüter der Verbraucher bzw. jene, welche sie noch benötigen könnten.

Die stabilen Zuschauerzahlen und die Zusammensetzung der Zielgruppen bieten eine hohe Planungssicherheit für die Werbewirtschaft, die ihre Spotschaltungen bis zu ei- nem Jahr im voraus buchen (vgl. Fley 1997, S.140). Der deutsche Werbemarkt ist nach den USA und Japan an dritter Position im internationalen Vergleich. Wie schon erwähnt, werden Talkshows am häufigsten von Frauen konsumiert. Ge- schieht dies neben der Hausarbeit, wird weniger umgeschaltet. So gelangt die Wer- bung explizit zu seinem Zielobjekt. Die Bevölkerung, die nachmittags den Fernseher nutzt, hat weniger Geld zur Verfügung (Hausfrauen, Rentner, Arbeitslose etc.) als die

Berufstätigen, die abends fernsehen. Deshalb wird mit primitiven und billigen Werbespots für Konsumgüter des täglichen Lebens geworben. Bezeichnend ist, daß in den Abendstunden Werbespots mit einem höheren technischen Niveau gesendet werden, in deren Inhalt es nicht selten um Luxusgüter geht.

3.8 Motive des Sehens

Eine Untersuchung von Berghaus und Staab ( 1995) versuchte die Motive der Rezi- pienten zu ergründen, welche zu dem Konsum der Sendungen führten, die sie unter den Begriff des Affekt - TV verzeichneten. Darunter würden auch die heutigen Talk- shows eingeordnet werden. In ihrer Befragung kamen sie zu folgenden Ergebnissen :

- Fernseh-Shows werden „ nebenbei “ geschaut

Das bedeutet, daß der Beitrag ausgewählt wird und in Gesamtlänge rezipiert wird. Dies geschieht unbewußt und nebenbei, so daß der Inhalt selten erinnert wird, jedoch auf Nachfrage Details benannt werden, die vom Gehirn unwissend gespeichert wur- den.

- Fernseh-Shows als Defizitausgleich

Einerseits wird Unterhaltung als Erweiterung innerer Erlebnismöglichkeiten bezeichnet, anderseits werden akute Bedürfnisse befriedigt. Diese dienen als Ausgleich für reale Mängel sowie zur Abwechslung, Spannung oder Entspannung.

- „ Fernseh-Shows sind Personen “

Alleine durch die Tatsache, daß die Shows häufig den Namen des Moderators als Ti- tel tragen, wird diese mit der Person identifiziert. So wird eine intensive Bindung des Zuschauers an den Bildschirmakteur hergestellt, die nach Horton und Wohl (1956) als Indiz für die hohe Tragfähigkeit des Konzeptes der parasozialen Interaktion gilt.

- Live dabei - die Illusion von Nähe

Dem Zuschauer wird Nähe vermittelt, er kann mitraten, mitspielen, mitzittern und mitdiskutieren. Ein Einstieg in die Sendung ist jederzeit möglich. Die Kandidaten werden als Stellvertreter für den Zuschauer wahrgenommen, auch hier werden para- soziale Beziehungen aufgebaut. Diese sind anders als dem Moderator gegenüber.

- Relevante Untersuchungseinheiten

Fernseh-Shows werden nicht als abgeschlossene Sendung empfunden. Sie beziehen sich auf die Person des Moderators , die sendungsübergreifend und - unabhängig be- kannt ist.

(vgl. Bente/Fromm 1997, S. 68)

Diese Ursachen reichen bei weitem nicht aus, um die explosionsartige Zunahme des Genres zu erklären. Es gibt weitere Argumentationen, die ich gerne näher beschreiben möchte.

Der aktive Zuschauer nutzt das Angebot auf der Basis individueller Bedürfnisse und mißt deren Qualität an der Befriedigung seiner Bedürfnisse. (vgl. Bente/Fromm 1997, S.143)Von diesem Standpunkt aus betrachtet, könnte die Rezeption von Talkshows ein Ausgleich für fehlende Sozialkontakte sein, als Reaktion auf das „Erkalten sozialer Beziehungen“ (FSF Pressespiegel/ taz 21.1.1994).

Die Nutzung dieser Fernsehangebote kann ein Ersatz für alleinstehende Menschen mit Kontaktproblemen sein, die damit ihre Einsamkeit bekämpfen und eine emotionale Bindung mit dem wiederkehrenden, vertrauten und zuverlässigen Moderatoren auf- bauen (vgl. Fabian 1993). Dies betrifft vorwiegend ältere Menschen. Sie sind häufig krank und an ihre Wohnung gebunden. „Technik, Sprache, Werte, Wissen, Lebenssti- le und Moden wandeln sich heute rascher als je zuvor. Sie ziehen an alten Menschen vorbei, die sich tendenziell ausgeschlossen fühlen und sich an früheren Erfahrungen und Werten orientieren möchten, zugleich aber nicht völlig den Anschluß verlieren wollen. Sie möchten ja ihre Kinder und Enkel verstehen“ (Henkel 1998, S. 77). So amtiert die Talkshow als ein Realkontakt mit hoher Emotionalität und parasozialer Funktion.

Andere Zuschauer möchten sich abgrenzen oder identifizieren. Sie sehen darin die Möglichkeit, sich für das Alltagsleben zu orientieren, indem die eigenen Meinungen überprüft werden können. Ein Vergleich zur gesellschaftlichen Konformität bzw. eine Abschreckung und die Gewißheit, wie es nicht gemacht werden soll, wird ermöglicht. Das kann Verhaltenssicherheit geben und eine Lebenshilfe per Bildschirm ermögli- chen.

Ein weiterer Aspekt ist die Problembewältigung. Der Zuschauer merkt, daß er mit seinem Problem nicht alleine dasteht und erhofft sich Lösungsmöglichkeiten. Diese können in Form von psyeudo - therapeutischen Ansätzen a la Fliege oder in der Darstellung konfliktträchtiger Einzelschicksale präsentiert werden.

Weiter versprechen sich Zuschauer von Talkshows Information und Unterhaltung sowie den Wunsch, abschalten zu können.

3.9 Themenauswahl und Themenpräsenz

Die Landesanstalt für Rundfunk Nordrhein-Westfalen war so freundlich, mir Material über die Themenschwerpunkte der Talkshows für das gesamte Jahr 1998 zur Verfü- gung zu stellen. Diese Daten wurden von der Dokumentationstelle Talkshows der DLM erstellt. Dazu wurde das Schema zur Kategorisierung von Bente/Fromm ver- wendet.

Diese 16 Kategorien möchte ich kurz erläutern.

1. Alternative Heilmethoden: Beinhaltet Heil- und Therapieverfahren, die ihren Ursprung in der Natur, alten Traditionen und esoterischen Ansätzen finden.

2. Astrologie/Spirituelles: Es werden astrologische Themen sowie spirituelle Riten behandelt.

3. Beruf/Arbeitswelt: Berufsbeschreibungen, professionelle Tätigkeiten sowie Situ- ationen und Probleme am Arbeitsplatz werden hier zugeordnet.

4. Beziehungen: Beziehungen beinhalten Annäherungen oder Auseinandersetzun- gen von gleich-oder gegengeschlechtlichen Paaren, Ehepaaren und Freunden.

5. Charakter/Lebensart: Hier stehen menschliche Eigenschaften, Einstellungen zum Leben oder Charakterzüge von Personen bzw. Personengruppen im Vor- dergrund.

6. Familie: Hierzu zählen die Institution Familie sowie entferntere Verwandschaftsbeziehungen, auf die explizit Bezug genommen werden muß.

Es werden drei Unterkategorien unterschieden :

- Familienbeziehungen: Die Beziehung einzelner Familienmitglieder stehen im Vordergrund.
- Kinder aus Elternsicht: Probleme, Fakten und Einstellungen aus Sicht der Eltern zu ihren Kindern werden besprochen.
- Kinder- und Jugendprobleme: Kinder und Jugendliche erzählen von Erfahrungen, die sie mit sich selbst, mit anderen Altersgenossen, den Eltern und ihrer Umwelt gemacht haben.

7. Gesellschaft/Wirtschaft: Themen wirtschaftlicher, politischer und gesellschaftli- cher Art werden zusammengefaßt und in drei Unterkategorien aufgeteilt :

- Allgemein gesellschaftliche Themen: Betrifft Politik, Innenpolitik, Außenpolitik und Geschichte.
- Ämter/Firmen/Behörden: Im Mittelpunkt steht der Umgang mit Behörden, Ämtern, Versicherungen und Firmen.
- Soziale Themen: Es werden soziale bzw. sozialpolitische Themen behandelt, u.a. Armut, Randgruppen oder Arbeitslosigkeit.

8. Gesundheit: Beinhaltet sowohl Krankheitsbilder, Menschen mit Krankheiten oder Behinderungen als auch Gesundung durch Therapiemethoden schulmedizinischer Ausrichtung.

9. Körper/Schönheit/Modetrends: Diese Kategorie befaßt sich mit körperbezoge- nen Veränderungen, Stylingtips, neuen Trends und Lifestyle- Richtungen.

10. Rund um Prominente: Prominente, ihre Angehörigen, ihre Fans sowie das Um- feld prominenter Persönlichkeiten werden thematisiert.

11. Psychologische Probleme: Darunter fallen psychische Erkrankungen, wie z.B. Depressionen, Süchte und andere psychologische Probleme.

12. Religion/Sekten: Unter dieser Kategorie werden Inhalte wie Glaubensrichtun- gen, extreme Glaubensgruppierungen wie Sekten und Einstellungen zu religiö- sen Themen zusammengefaßt.

13. Sex: Alle Themen die das Thema Sex berühren, werden hier untergeordnet.

14. Straftaten - Täter/Opfer: Es steht ein konkretes Delikt im Vordergrund, es wer- den Täter- und/oder Opferperspektiven berücksichtigt.

15. Tiere: Betrachtet wird das Verhältnis zwischen Mensch und Tier.

16. Tod: Dieses Thema behandelt zum einen die Trauer um einen Verstorbenen, zum anderen intensive Erfahrungen mit dem Tod.

17. Ohne Zuordnung: Aufgrund des zu allgemeinen Titels oder einer vieldeutig ge- faßten Formulierung ist keine inhaltliche Einteilung möglich.

18. Kategorie „ Metashow “: Diese Kategorie wird bei Bente/Fromm nicht aufge- führt. Sie resultiert aus dem Ergebnis, daß zunehmend Showeinlagen die Sendung bereichern, indem die geladenen Gäste etwas vorführen oder Akteure geladen werden, die eine Vorstellung abliefern.

„Fernsehgespräche unterscheiden sich von Alltagsgesprächen unter anderem darin, daß sie für Dritte, nämlich für die Zuschauer, interessant sein sollen. Eine wesentliche Voraussetzung dafür, daß Zuschauern Gesprächs-Shows gefallen, besteht in ihrer Af- finität zum Thema der Sendung“ (Berghaus/Staab 1995, S. 121). Der Aspekt, daß eine Aktualität der Themen uninteressant ist und die Geschichte zum Einzelschicksal Vorrang hat, unterstützt diese These. Der im Anhang befindliche Themenüberblick macht deutlich, daß es sich um ein Sammelsurium ohne Entwick-

lung und Systematik handelt. Es gibt zwar die oben genannten Kategorien, unter de- nen die Themen zugeordnet werden, doch sind diese meist nicht gesellschaftlicher Na- tur, sondern PAL - Probleme (Probleme Anderer Leute). Für mich bedeutet das, es geht um Unterhaltung und Einschaltquoten und nicht um eine Problemlösung vor der Kamera.

Joachim Steinhöfel, Ex - Moderator 18.30 und Die Redaktion bestätigt dies in einem Interview: „Man sucht sich einen Skandal und sieht dann, mit welchen Themen die Quote am ehesten erreicht wird. Das führt zu einer starken Homogenisierung der Formate. Das Thema als solches, ...wird immer militanter, aufsehenerregender und spektakulärer aufbereitet. Das muß so sein, weil die Leute nach und nach aufgrund der Themen, die man ihnen noch vor drei Jahren unterjubeln konnte, abgestumpft sind“ (Steinhöfel 1998 in Tendenz Nr.2, S.32).

Die folgende Tabelle zeigt die Übersicht der Themenbereiche nach dem Kategorienschema von Bente/Fromm.

Übersicht nach Themenbereichen

(nach Kategorienschema von Bente/Fromm)

Zeitraum 3. - 21.11.1997 und 29.12.1997 bis 11.12.1998

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

An den Rangplätzen ist abzulesen, welche Themenbereiche favorisiert werden. Die Kategorie Beziehungen steht eindeutig bei den meisten Talkshows an erster Stelle. Charakter/Lebensart folgt auf dem zweiten Platz und Familie belegt den dritten Platz.

Das bestätigt die oben aufgeführte These, daß Einzelschicksale dominieren und unterhaltsam sind. Verwunderlich ist die Rangfolge Gesellschaft/Wirtschaft mit dem vierten Platz, „denn insgesamt haben es sozialkritische und allgemeine gesellschaftliche Themen am Nachmittag eher schwerer. Dies gilt allerdings nur, wenn eine pädagogisierende, `politisch korrekte` Ausrichtung der Sendung schon im Titel vermutet werden darf“ (Grimm 1999, S.75 in TV Diskurs 1/99).

Weiter folgen Sex an fünfter sowie Körper/Schönheit/Mode an sechster Stelle. Das Thema Berufs/Arbeitswelt, welches jeden Mitmenschen tangieren sollte, ist mit dem 13. Platz im hinteren Bereich.

Die nächste Tabelle macht die moderatorenspezifische Auswertung für die häufigsten Themenbereiche deutlich.

Themen täglicher Talkshows

(moderatorenspezifische Auswertung für die häufigsten Themenbereiche)

November 1997 - Dezember 1998

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Hier wird nochmals deutlich, daß in allen Talkshows das Thema Beziehungen den ers- ten Platz belegt. Nur bei Fliege ist es das Thema Gesundheit. Charakter/Lebensart steht bei allen Sendungen gemeinschaftlich an zweiter Stelle. Lediglich bei Bärbel und Birte Karalus ist es das Thema Familie. Bei dem dritten Platz unterscheiden sich die Talkshows voneinander. Zwar dominiert hier bei den meisten der Bereich Familie, doch ist es bei Bärbel Schäfer Charakter/Lebensart, bei Ilona Christen und Birte Ka- ralus das Thema Gesellschaft und bei Fliege sogar die drei Themen Beziehungen, Familie und Gesellschaft gemeinsam. Daraus läßt sich erkennen, welches Publikum welche Sendung bevorzugt.

Abschließend möchte ich noch die formlich-sprachlichen Merkmale hinsichtlich der Themenformulierung ansprechen. Bente/Fromm haben diese unter drei Begriffe eingeordnet. (Vgl. Bente/Fromm 1997, S.101f.).

1. Personalisierung (Ich -Botschaften)

Damit sind Themen gemeint, die ein Personalpronomen im Titel haben und jemanden ansprechen sollen oder aus Sicht des Gastes formuliert sind. Beispiel: `Du hast

Schläge verdient` oder `Wegen Dir habe ich AIDS`.

2. Affektivität (Verwendung von Emotionsbegriffen)

Unter Affektivität fallen Themen, die emotionale Begriffe verwenden. Beispiel: `Bei Anruf Angst`oder `Immer Ärger mit den Ämtern`.

3. Sprachliche Auffälligkeiten (Reimform, Redewendungen sowie Umgangssprache) Dies definiert die Verwendung von Umgangssprache, Reimformen und Redewendungen. Beispiele: `Ältere Männer sind geile Böcke`oder `Spieglein, Spieglein an der Wand- Mißwahlen.`

4. wertende Formulierung

Unter diesen Begriff fallen Themen, die bereits eine Meinung formulieren. Beispiele: `Kleine Männer bringen` s nicht` oder `Deutsche Verkäufer sind doch das letzte!`.

Die Themen können auch mit mehren Stilmitteln ausgestattet sein. Dies trifft oft bei Affektivität und sprachlichen Auffälligkeiten zu, da emotionale Begriffe häufig um- gangssprachlich formuliert sind. Ansonsten wurde bei den Formulierungen der The- men die Personalisierung als häufigstes Stilmittel benutzt. Die Talkshows, die sich an eine vorwiegend ältere Zielgruppe richten, verwenden weniger Stilmerkmale in ihren Titeln. Die Trivial - Streit - Talks, die sich an ein jüngeres Publikum wenden, formu- lieren ihre Themen provozierender, so daß es in den Sendungen verstärkt zu Diskus- sionen kommt. Trotzdem geschieht es, daß die angekündigten provokanten Themen vom tatsächlichen Inhalt abweichen. Die Abhängigkeit von hohen Zuschauerquoten verführt die Macher dazu, ihre Formate entsprechend herausfordernd zu formulieren, um am Markt bestehen zu können. (vgl. Laubsch 1998, S.41 in TV Diskurs 7/98)

3.10 Herstellung einer Talkshow

Wenn man bedenkt, daß die Talkshows ursprünglich als günstige Nachmittagsproduk- tion den Sendeplatz füllen sollten, hat sich dieses Genre zu einer bedarfsorientierten Marktlücke entwickelt. Diese Sendeform kann teuer und aufwendig produziert wer- den, aber auch genauso kostengünstig. Nur wenn die Zuschauerzahlen und Marktan- teile annähernd den Durchschnittswert des Sendeanteils erreichen, macht diese Sende- form Sinn und wird mit ihr kostengünstig Sendezeit gefüllt. Für die privaten Anbieter muß sich dieses Format lohnen, sonst würden diese nicht in dieser Quantität angebo- ten werden. Einzig Fliege ist fester Bestandteil des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Ich möchte nur kurz zur Herstellung einer Talkshow etwas schreiben, um den erwar- tungsvollen Blick hinter die aufregende Kulisse weniger geheimnisvoll zu belassen. Als erstes darf nicht vergessen werden, daß es sich um eine Show handelt. Das bedeu- tet, es ist vieles einstudiert, abgesprochen, evtl. erfunden und nicht spontan. Trotzdem verlieren Rezipienten den Blick für die Realität bezüglich des Mediums Talkshow. Doch dies möchte ich erst später beschreiben.

Talkshows werden in einem Studio der Produktionsfirma aufgezeichnet, meist mehrere hintereinander an einem Tag. Eine eigene Redaktion versucht durch hohe Motivation den Moderator im Quotenkampf nach vorne zu bringen.

Die Menschen, die sich als Studiogäste zur Verfügung stellen, werden per Internet, Zeitungsanzeigen, Castingagenturen oder durch Eigenwerbung bei der Produktions- firma zu einem Thema ausgesucht. Für die Teilnahme werden als Aufwandsentschädigung ein geringes Honorar sowie Anreise - und Übernachtungskosten gezahlt. Mit einem Redakteur wird der Auftritt vor der Kamera durchgesprochen, für den Moderatoren werden Notizen zu der betreffenden Person gemacht.

Für die Teilnahme an der Aufzeichnung muß das Studiopublikum Eintrittsgeld bezah- len.

Das einstudierte Klatschen, welches auf dem Bildschirm später sehr spontan wirkt, wird durch hochgehaltene Karten von einem Mitarbeiter eingefordert. Auch Informa- tionen über die Studiogäste sowie ihre Ansichten werden im Vorfeld beschrieben, da- mit das Publikum vorbereitet ist. Selbst die im Zuschauerraum befindlichen Mei- nungsgeber sind dramaturgisch eingeplant. Ihre oft kontroverse Meinung zum Thema wirkt im Fernsehen spontan, ist aber vorbesprochen und absichtlich, um die Diskussi- on anzuregen.

Die unterbrechenden Werbeblöcke sind für die Zielgruppe zu Hause.

Im Studio wird diese Zeit genutzt, um die Akteure nachzuschminken und allen Teilnehmern nochmals ihre Funktion ins Gedächnis zu rufen. Was der Zuschauer später auf dem Bildschirm sieht, ist inszeniert oder vorher abgeklärt.

Ist die Sendung aufgenommen, werden die Teilnehmer entlassen. Meist warten im Foyer der Produktionsfirma schon die nächsten Darsteller und Zuschauer für eine weitere Aufzeichnung.

Als Anerkennung steht dem Teilnehmer die öffentliche Ausstrahlung der Sendung zu, das Gefühl, einige Minuten lang ein Star gewesen zu sein sowie eine schriftliche Danksagung der Produktionsfirma für die ehrliche Präsentation seiner Meinung.

4 Talkshows und ihre vermittelnden Werte in der Gesellschaft

4.1 Begriffsbestimmung Werte

In den folgenden Abschnitten möchte ich die vermittelnden Werte sowie Auswirkun- gen von Talkshows auf den Rezipienten und den Teilnehmer diskutieren. Bisher habe ich die Talkshows im Medienalltag und ihre Bausteine durch die Wirkungsforschung beleuchtet. Nachfolgend möchte ich mehr auf den gesellschaftlichen Aspekt eingehen, die moralische und ethische Frage erörtern und eventuelle Veränderungen durch die Rezeption hervorheben.

Doch vorher möchte ich den Begriff des Wertes näher beschreiben.

Was sind Werte ? Diesen Begriff zu definieren ist schwierig, da es in unterschiedlichen Wissenschaftsgebieten verschiedene Begriffsauffassungen gibt. Interessant sind die Definitionen aus Psychologie, Soziologie und Ethik.

In der Psychologie wird Wert „als handlungsleitendes Motiv oder Ziel eines Individuums“ definiert (Schuppe 1983, S.13).

Die Soziologie beschreibt „Wert als Selektions- und Präferenzmodell, das mit großer Übereinstimmung in einer Population gültig und zugleich auch in der Motivationsstruktur ihrer einzelnen Mitglieder verankert ist“ (Schuppe 1983, S.13). In der philosophischen Ethik wird Wert „als normative Verhaltenserwartung, als Gutes und Sittliches an sich“ (Schuppe 1983, S.14) definiert.

Anders formuliert sind Werte ursprünglich durch die Gesellschaft festgelegte Normen, die zu erreichen das Lebensziel sind, bzw. ein Zusammenleben in der Gemeinschaft er- leichtern.

Elisabeth Noelle - Neumann untersuchte in den 70er Jahren die Wertvorstellung hinsichtlich des Berufs-und Privatlebens. Sie verstand unter `bürgerlichen Werten` „den hohen Wert von Arbeit, von Leistung; Überzeugung, daß Anstrengung sich lohnt, Glaube an Aufstieg und Gerechtigkeit des Aufstieges; Bejahung von Unterschieden zwischen den Menschen und ihrer Lage; Bejahung des Wettbewerbs, Sparsamkeit als Fähigkeit, kurzfristige Befriedigung zugunsten langfristiger zurückstellen; Respekt vor Besitz; Streben nach gesellschaftlicher Anerkennung, Prestige, damit verbundene Anerkennung geltender Normen von Sitte und Anstand; Konservatismus, um das Erworbene auch zu behalten; in gemäßigter Weise Bildungsstreben

(Noelle - Neumann 1978, S.15).

Diese ausdrücklichen Erwartungen sind in der heutigen Zeit aufgrund unterschiedlicher Entwicklungen und Erfahrungen nicht mehr vorrangig.

„Alles, was für den Menschen subjektiv und objektiv wichtig ist, wird heutzutage `Wert` genannt; alles, was sie motiviert, was sie anstreben, woran sie sich tatsächlich orientieren ebenso wie das, woran sie sich orientieren sollen“ (Brezinka 1990, S.373). Zusammenfassend lassen sich gesellschaftliche Werte als Grundorientierung eines In- dividuums oder einer Gemeinschaft, mit Motiven, Zielen und Wunschvorstellungen beschreiben. Werte bilden die Basis für Einstellungen, Meinungen, Handlungen, Ver- halten, Moral und Normen.

Die Grundorientierung gesellschaftlicher Werte ist geblieben, doch ist in ihr ein Wertewandel entstanden, den ich im nächsten Absatz beschreiben möchte.

4.2 Wertewandel in der Gesellschaft

Der erwähnte Wertewandel ist in der Literatur vielfach beschrieben. Diesbezüglich hat sich Karl-Heinz Hillmann meinem Empfinden nach interessante und nachvollziehbare Gedanken gemacht. Ich möchte diese aufzeigen, um einen Vergleich zu meinen eigenen Überlegungen zu erreichen.

Hillmann sieht den Wertewandel als Folge der „gegenwärtigen Überlebenskrise“ an (Hillmann 1986, S.1). Diese besteht einerseits durch die Gefahr eines Atomkrieges, anderseits durch die zunehmende Umweltbelastungen, sowie durch Krisen im soziokulturellen Umweltbereich. Letztere zeichnet für ihn durch die Beschäftigungskrise aus, die tendenziell zu einer neuen Klassenbildung führt, welche wiederum die Stabilität der demokratischen Industriegesellschaft beeinträchtigt. Der arbeitende Teil der Bevölkerung genießt einen höheren Lebensstandard sowie anerkanntes Sozialprestige, während dem Dauerarbeitslose in hoher Zahl gegenüberstehen.

Durch die soziale Ungleichheit kommen sowohl Interessensgegensätze als auch Verteilungskonflikte auf. Anstelle des Fortschrittsglaubens tritt vermehrt die Angst „vor den schädlichen Folgen und Auswirkungen eines unzureichenden gesteuerten Fortschritts“ (Hillmann 1986, S.18).

Hillmann behauptet, daß durch den selbstverständlich gewordenen Wohlstand ein hö- heres Problembewußtsein und eine größere Sensibilität gegenüber den Schattenseiten der Gesellschaft registriert wird. Dies hat Veränderungswünsche, Unbehagen, Um- wertungsprozesse, Protestverhalten, Verweigerungs- und Rückzugstendenzen zur Folge. Eine Abwertung der industriellen Leistungs- und Konsumgesellschaft entsteht. Durch den gestiegenen Lebensstandard, die soziale Absicherung und die Konsumkri- tik wird der Antrieb zur beruflichen Leistung gedämpft. Es entsteht ein Zerfall „tradi- tionell-gemeinschaftlicher Institutionen und Bezugssysteme“ (Hillmann 1986,S.21), der sich in Schwächung der Familienbindungen, hohen Scheidungsraten, geringeren Heirats- und Geburtsraten, Anstieg der Einpersonenhaushalte etc. widerspiegelt.

Eine vermehrte Ablösung aus kirchlichen Bindungen, bedingt u.a. durch moderne Na- turwissenschaften wie Psychologie, Soziologie und Philosophie, verliert die Kirche an Einfluß und der religiöse Glaube weicht. Hillmann glaubt, daß diese Tendenz „den soziokulturellen Lebenszusammenhang in eine schwere nihilistische Krise hinein- stürzt“ (Hillmann 1986, S.26). Die westlichen Gesellschaften verlieren nach seiner Ansicht derzeit traditionelle, christlich-moralische Werte, gefolgt von einer Wert- und Sinnlosigkeit, die wiederum zu Desorientierung, Pessimismus, Apathie, Fatalismus, Verhaltensunsicherheit, weiterhin zu Gewaltanwendungen, Brutalität und Radikalis- mus führen wird. In diese Wertkrise, kombiniert mit dem technischen Fortschritt, sieht Hillmann eine Gefahr für das Überleben, welche nur durch einen Wandel soziokultu- reller Lebensformen abgewendet werden kann.

Dieses wäre nötig in Form einer Abwendung vom individuellen Egoismus zu sozialer Kommunikation, Mitmenschlichkeit, Solidarität, Hilfsbereitschaft, sozialer Geborgen- heit, Einbettung in überschaubare Kleingruppen, Gemeinschaften und Kommunen, Nachbarschaften sowie informelle Netzwerke der Selbsthilfe. Im Bereich der Arbeit sollte statt bürgerlicher Arbeitsehtik, Erfolgs- und Leistungsstreben, mehr Wert auf Freizeit, Muße, Lebensgenuß, zweckfreie Kommunikation, künstlerisch-intelektuelle Tätigkeiten, selbstbestimmte Persönlichkeitsentfaltung als auch Gesundheitspflege ge- legt werden.

Insgesamt beschreibt Hillmann den Wertewandel als zyklischen Verlauf. Er geht da- von aus, daß bestimmte Werte existieren und Gültigkeit besitzen, der Wertewandel jedoch alte, nicht gültige Werte wieder hervorbringt. So ergeben sich neue Werte aus der Regenerierung alter Werte, es entsteht eine Anpassung des Wertesystems an die neue Situation.

Hillmann kommt zu dem Schluß, daß sich die Werte zu der Tendenz gewandelt ha- ben, daß Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung immer wichtiger werden. Nach der Abwendung von traditionellen, christlich - moralischen Werten, folgte durch fort- laufender Industrialisierung mit höherem Wohlstand und Sicherheit das Konsumden- ken mit egoistischer `Ellenbogenmentalität`. Diverse Krisen im Bereich der Umwelt, im soziokulturellen Bereich sowie die Angst eines Atomkrieges vermitteln das Gefühl der Wert- und Sinnlosigkeit, aus dessen Tiefpunkt ein Wertewandel erfolgen muß, dessen Ziel Selbstverwirklichungswerte und Wertpluralismus ergeben.

Dies ist der eigentliche Wertewandel bei Hillmann, dessen Tendenz im Ansatz seiner Meinung nach in der Gesellschaft zu erkennen ist.

Als Resümee ist festzustellen, daß sich ein Wertewandel in der heutigen Gesellschaft vollzieht. Traditionelle Werte treten in den Hintergrund. Dafür ist Zufriedenheit, Selbstentfaltung, Individualität und die Toleranz für das Außergewöhnliche wichtiger geworden. Trotzdem können beide nebeneinander in der Gesellschaft bestehen, was einen Wertpluralismus erkennen läßt.

Offen bleibt, inwieweit die Massenmedien, speziell das Fernsehen, den Wertewandel beeinflussen. Dies soll im Folgenden behandelt werden.

4.3 Werteverlust und dessen Neuvermittlung

In Zusammenhang mit den Talkshows wird in den Medien von einem gesellschaftli- chen Werteverfall gesprochen. Die Frage ist, inwiefern die täglichen Talkshows einen Einfluß auf Werte in der Gesellschaft oder einzelne Personen bzw. Randgruppen wirk- lich haben. Doch muß dann zwischen individuellen und gesellschaftlichen Werten un- terschieden werden. Diesen Unterschied möchte ich näher erläutern. Als gesellschaftliche Werte werden jene bezeichnet, die innerhalb einer beschriebenen Gesellschaft dominieren. Dazu müssen sie u.a. durch Normen in Form von Gesetzen und anderen sanktionierbaren Verhaltensvorschriften einer Gesellschaft repräsentiert und verdeutlicht werden. Anderseits sollten diese Werte mehrheitlich von den Eliten einer Gesellschaft (Politiker, Gewerkschafter, Wissenschaftler und Personen des öf- fentlichen Lebens) vertreten werden. Werte einer Gemeinschaft werden deutlich, wenn sie „in der Mehrheit der Mitglieder einer Gesellschaft verankert sind“ (Schuppe 1983, S.16f.).

Gesellschaftliche Werte können durch die Gemeinschaft innerhalb von Institutionen, Organisationen sowie Gruppen auch individualisierend wirken. Anderseits können sich individuelle Werte durch diese Subsysteme wieder zu gesellschaftlichen Werten entwickeln. Je mehr Merkmale ein Wert auf sich vereinigt, desto ausgeprägter ist die Dominanz des Wertes. Dies ist ein interessanter Aspekt, denn die quantitative Entwicklung des Genres könnte den Wert vermitteln, daß sie es wert sind, sie zu rezipieren, wie ein Großteil der Gemeinschaft dies bereits praktiziert.

Ist der Ruf nach Werterhaltung nur die Angst der Privilegierten unserer Gesellschaft, daß sie in Zukunft nicht mehr die Aufmerksamkeit in den Medien erhalten, die sie jah- relang gewohnt waren und jetzt mit unbekannten Durchschnittsbürgern teilen müssen? Oder stimmt die These des Werteverfalls ? Ich habe die Literatur nach Werteverlusten und die dazu gehörige Neuvermittlungen untersucht und möchte diese nun aufzeigen. Denn das Fernsehen ist in der Lage, Moral und die dazugehörigen Werte darzustellen und zu vermitteln.

Wie schon in der geschichtlichen Entwicklung des Fernsehens erwähnt, hatte das Fernsehen ursprünglich einen staatlichen Bildungsauftrag. Fernsehen vermittelte Bil- dung, heute ist es vorrangig für die Unterhaltung zuständig. Das selbstverständliche Qualitätsverständnis früherer Programmveranstalter ist einer Quotenqualität zum Op- fer gefallen. Die Quote ist Qualität, was einen hohen Verlust auszeichnet. War es früher gesellschaftlich unangemessen, bestimmte Sendungen zu rezipieren, ist dies heute Normalität und der Einzelne läuft eher Gefahr Ansehen zu verlieren, wenn er sie nicht konsumiert. Hier hat eine Werteverschiebung stattgefunden. Die ureigene Nutzung des Mediums (Bildung und Fernsehangebot) ist zu einer Land- schaft der individuellen Bedürfnisbefriedigung jedes einzelnen geworden (Auftritt, Problembewältigung etc.).

Die Talkshows vermitteln durch ihre Angebote, daß die Gesellschaft bei individuellen Problemen dem Einzelnen nicht mehr hilft, das Fernsehen dazu jedoch täglich kompromißlos bereit ist. Der gesellschaftliche Kontakt in Form eines Gesprächs über den Gartenzaun, beim Volkshochschulkurs oder am Kneipentisch wird durch das Genre ersetzt. Statt Eigeninitiative wird der Fernseher eingeschaltet.

Das eigene Erleben wird durch Kontakte zu radikaleren und perfekteren Affekten, Emotionen und Spannungen kompensiert. Ein Verlust an Eigenerleben findet statt, ersetzt durch fremd erlebte Gefühle.

Während sich einige Menschen durch Leistung und Arbeit identifizieren, schafft es das Fernsehen, anderen das Gefühl zu vermitteln, sie seien besonders, wenn sie in einer Talkshow auftreten. Es kommt die Empfindung auf, ich bin wichtig, wenn ich dort auftrete.

Die Gefahr besteht darin, daß statt Vorurteilsabbau bestimmter Schichttheorien eine Normverstärkung in der Gesellschaft stattfindet. Kurz formuliert könnte behauptet werden, daß `Prolls` und ihre Probleme zur Unterhaltung der Allgemeinheit beitragen. War es früher vorwiegend gebildeten Menschen gestattet, im Fernsehen aus ihrem Le- ben zu berichten, formt sich heute der Eindruck, daß keinerlei sprachliche noch bil- dende Voraussetzungen zur Teilnahme am Massenmedium nötig ist. So entsteht „eine Verlagerung kommunikativer Leistungen von der Information über Herausragendes und Außergewöhnliches hin zur Information über das Alltägliche und Banale“

(Grimm 1999 in TV Diskurs 1/99).

Gab es früher Intimität und Privatheit, wird durch die Talkshow jedes Problem, jede Krankheit oder noch so kleine Erlebnis zur Öffentlichkeit. Der Mensch verlernt, Angelegenheiten des Alltages mit sich und den Betroffenen im eigen Umkreis zu verarbeiten. Tabus verschieben sich, werden ignoriert und nicht mehr vermittelt. Dadurch gelten natürliche Gefühle wie Scham und evtl. Erröten als Prüderie und man muß sich eher dieser schämen.

War damals eine körperliche Auseinandersetzung beendet, sobald der Verlierer auf dem Boden lag, wird durch die negative verbale Abhandlung in Talkshows die Reaktion hervorgerufen, dem wehrlosen Opfer weiter zuzusetzen. Erziehung in der Familie wird durch den Bildschirm ersetzt. Das Lernmodell ist der Moderator, seine Aussage hat die Kraft, soziale Normen zu setzen.

Abschließend möchte ich beschreiben, welches Frauenbild in vielen Talkshows darge- stellt wird. Alte Werte wie Mutterschaft, Heirat, Ehe, Haushaltsführung werden the- matisiert und als Geschichten von unerfüllten Wünschen und Sehnsüchten von Frauen erzählt (vgl. Mikos in medien&erziehung Nr.2). Das emanzipierte Ziel der modernen Frau mit der Kombination Familie und Beruf wird völlig außer Acht gelassen. Es ent- steht der Eindruck, als würden Kinder, Küche und Kirche nach wie vor das größte Lebensziel einer Frau sein.

„In den täglichen Talkshows werden die Normen und Werte der bundesrepublikanischen Gesellschaft verhandelt, nicht immer aus der `Zentralperspektive` der Normalität, sondern eben auch manchmal auch von den Rändern des gerade noch Erlaubten her“ (Mikos in medien&erziehung Nr.2). Dadurch gehen Werte verloren und werden Neue vermittelt, die jedoch meiner Meinung nach bereits in der Gesellschaft vorhanden sind und durch das Fernsehen wiedergegeben werden.

4.4 Gesellschaftliche Entwicklung des individuellen Medienalltages

„Der gesellschaftliche Wandel mit seinen Konsequenzen auf der medial - gesellschaftlichen, der sozialen und der individuellen Ebene, der von Soziologen als `reflexive Moderne` (Beck 1986) beschrieben wurde, zeigt sich in den Strukturen und Funktionen, den Inszenierungen und der Rede in den täglichen Talkshows (Mikos in medien&erziehung Nr.2).

Folglich ist Fernsehen Ausdruck des Wandels der Gesellschaft. Jedoch besteht die Ge- sellschaft aus Individuen, die durch diesen Wandel große Veränderungen und die da- mit verbundenen Auswirkungen in ihrem Leben akzeptieren müssen. Das Fernsehen hat längst keinen Auftrag mehr, es dient lediglich der Unterhaltung. Es ist das Medium des Banalen und Alltäglichen. Weder die Macher, die Moderatoren noch die Konsu- menten interessiert wirklich das Einzelschicksal. Bei der Masse an Geschichten ist dies kaum möglich. Der Mensch in der heutigen Gesellschaft ist anonym. Deshalb interes- siert ihn das Schicksal Fremder nicht, es unterhält nur. Es gibt keinen Dorfplatz mehr, auf dem die Neuigkeiten ausgetauscht werden, die das eigene Umfeld betreffen. Des- halb suchen sich Menschen Artikulationsmöglichkeiten in Talkshows. Wer nicht in der Flut der Menschen untergehen will, der muß immer mehr private Geheimnisse anbie- ten und sich selbst als Produkt vermarkten.

Ein weiterer Faktor ist die Lust, sich zu zeigen. Der Mensch will Spaß haben und wahrgenommen werden. Die Inszenierung zählt, nicht das Statussymbol. Es gilt das Andy Warhol - Prinzip der Kurzweiligkeit. Wer am Medium Fernsehen teilgenommen hat, beweist, daß er wichtig ist und etwas zählt in der Gesellschaft. Dies wurde sogar per Bild und Ton dokumentiert. Ein römischer Gladiatorenkampf auf Küchenniveau, bei dem der Fernsehaufritt den Alltag veredelt. Prof. Norbert Bolz beschreibt in einer Spiegel-TV Sendung im Herbst 1997 die Teilnahme an einer Talkshow mit den Grün- den, daß der Mensch den Wunsch hat, immer exhibitionistischer aufzutreten, um eine Differenz zu markieren, ein Individuum zu sein. Er bezeichnet Talkshows als Grund- schule der Individualisierung.

Verfälschend sind die Informationen, die vermittelt werden. Durch manipulierte Bild- ausschnitte, erlogene Berichte, einstudierte Statements etc. wird in Gut und Böse ein- geteilt. Grautöne werden nicht zugelassen. Um in der stetig wachsenden Zahl von Angeboten überhaupt wahrgenommen zu werden, muß das Fernsehen Aufmerksam- keit erregen. Ist die Aufmerksamkeit nicht groß genug, wird abgeschaltet. Zwar hat mit dem Rückzug pädagogischer Elemente aus der Massenkommunikation die Be- vormundung der Zuschauer abgenommen, doch wächst die Gefahr der selbstredenden Öffentlichkeit, der die reflektierenden und innovativen Momente abhanden kommen. (vgl. Grimm 1999 in TV Diskurs 1/99) Der Philosoph Peter Huemer sagte einmal: „Wenn der Staat alles überwacht, entwerten die Bürger in vorauseilendem Gehorsam das Private selbst.“

(vgl. Goldner 1996 in Journalist Nr.46)

Interessant ist der Gedanke, daß Individuen in der Gesellschaft unterschiedlichen An- forderungen in verschiedenen Lebensbereichen ausgesetzt sind. Dies verlangt unter- schiedliche Aspekte ihrer Identität, um im Wechsel zwischen den Lebensbereichen si- tuative Zusammenhänge bewältigen zu können. Dadurch entsteht eine Konkurrenz unter ihnen mit immer flexibleren Identitätsmustern, um in unterschiedlichen Kontexten handlungsfähig zu sein. Einerseits ist eine hohe Flexibilität die Folge, anderseits bekommt die Identität einen spielerischen Charakter, da sie nicht mehr an einen ein- zelnen Körper oder Person gebunden ist. (vgl. Mikos in medien&erziehung Nr.2) „ Die Individuen handeln nicht mehr zwanghaft im Rahmen festgefügter Identitäten, die sich aus der Eingebundenheit in traditionelle Sozialstrukturen ergeben, sondern sie haben die Möglichkeit der Wahl zwischen verschiedenen Identitätsaspekten, die sie spielerisch einsetzen können“ (Mikos in medien&erziehung Nr.2). Diese Selbstbe- stimmung und Selbstverwirklichung ist durch die Teilnahme an Talkshows gegeben, bei der das eigene Selbst vor einem großen Publikum dargestellt werden kann. Kamen früher nur Prominente im Fernsehen zu Wort, gibt das Genre heute den Men- schen das Wort, die sonst der Öffentlichkeit ausgeschlossen waren. So können sich die Selbstdarsteller auf dem Identitätsmarkt präsentieren, mit Kleidung, Sprache, Ein- stellungen und Abnormitäten ihr Innerstes nach außen kehren.

Aufgrund veränderter Lebenseinstellungen und der hohen Arbeitslosigkeit hat die Freizeit einen höheren Stellenwert bekommen. Kombiniert mit der soeben aufgeführ- ten These ist der Mensch beruflich sowie privat starkem Druck ausgesetzt, in der Ge- sellschaft zu bestehen oder als Individuum beachtet zu werden. Dies führt zu einer hohen Belastung, die ein Indiz für soziale und psychische Probleme in der Gesellschaft sein kann.

Auch Pape (1996) sieht in den neuen Formaten eine Folge sozialer Entwicklungen, die „sich im Verlauf von der vormodernen zur (post-) modernen Gesellschaft vollzo- gen hat, und ...sich auf alle gesellschaftlichen Lebensbereiche erstreckt, geprägt von Ambivalenzen, die durch das Zusammenspiel wesentlicher Strukturmerkmale moder- ner westlicher Gesellschaften wie Enttraditionierung, Individualisierung, Modernisie- rung und die mit dieser eingehenden Optionssteigerung hervorgerufen werden. Auf der langen Liste der Vorteile dieses Zusammenspiels stehen wirtschaftlicher Wohl- stand, Freiheit und individuelle Vielfalt, die auf Emanzipation, Selbstverwirklichung und die Wahl des eigenen Lebensstils bzw. dessen Verlaufs hinweisen. Auf der langen Liste der Nachteile steht jedoch genau das Gegenteil: Verlust an Sicherheit und Halt, der durch das Fehlen von Vorbildern, Orientierungslosigkeit, Fremdbestimmung..., dem Zwang zur Wahl, Entfremdung und Isolation, sowie der potentiellen Entstse- hungsmöglichkeit subjektiver und intersubjektiver Sinnkrisen geprägt ist“

(Pape, 1996, S.78).

Diese unterschiedlichen Auswirkungen von Talkshows auf den Rezipienten möchte ich im nächsten Kapitel behandeln.

5 Funktion und Wirkung von Talkshows auf den Rezipienten

5.1 Orientierung aus dem Fernseher

Wie erwähnt, zeichnen die Talkshows ein verzerrtes Bild der Wahrheit. Trotzdem nutzen viele Menschen dieses Genre, um sich daran zu orientieren. Doch welche Gründe bewegen sie, sich Hilfe aus dem Fernseher zu holen ? Wenn ich von der Behauptung ausgehe, daß Personen, die sich in Talkshows zur Verfügung stellen, auch die sind, die sie konsumieren, so werden sie mit sich selbst konfrontiert. Dann bräuchten sie die Talkshow nicht und könnten sich selber helfen. Hinzu kommt, daß ein vorwiegend weibliches, älteres und ungebildetes Publikum auftreten müßte. Das ist nicht ausschließlich der Fall, wie die Einschaltquoten beweisen.

Also vollzieht sich ein Wandel an Orientierungen, die die „Einstellung zur Arbeit, politische Auffassungen, die Einstellung zur Umwelt und zu Atomkraft, die Rolle der Religion im Leben, die Bewertung von Ehe und Familie, sowie die Einstellungen zur Rolle der Frau, zu Homosexualität, Scheidung, Abtreibung und zahlreichen anderen Themen“ (Inglehart 1989, S.489) betreffen.

Und für all diese Fragen des täglichen Lebens bieten die Talkshows die Möglichkeit, sich Informationen zu holen bzw. darüber etwas zu erfahren. Dies ist nicht verkehrt, doch die Art und Weise der Darstellung ist zu kritisieren. In den meisten Talkshows wird in einer negativen Art und Weise persönliche Erlebnisse dargestellt. Häufig wird verbale und körperliche Gewalt eingesetzt und gezeigt. Die Vermittlung menschlicher Achtung dem anderen gegenüber sowie eine angemessene Konfliktbewältigung ver- misse ich.

Leider neigt der Mensch dazu, sich an Vorbildern zu orientieren und seine Einschätzung und Bewertung vom Vergleich anderer Individuen abhängig zu machen. Es ist nicht unbegründet zu vermuten, daß diese Verhaltensweisen unprominenter Darsteller mit ihren allzu menschlichen Problemen in besonderer Weise Vergleichprozesse in Gang zu setzen vermögen. (vgl. Bente/Fromm 1997, S.47)

Einer modischen Orientierungshilfe per Bildschirm ist nichts Negatives anzulasten, genauso wenig wie einer neutralen Hilfe sogenannter Randgruppen, die sich im Fern- sehen Möglichkeiten der Orientierung für ihr Interesse holen (z.B. Homosexuelle). Bente/Fromm haben in ihrer Studie drei Resultate herausgefunden, die den sozialen Vergleich zwischen Zuschauer und dem darstellenden Studiogast begünstigen.

1) Der Zuschauer sieht sich erfolgreicher als der Gast und fühlt sich bestätigt und aufgewertet.
2) Die Problembewältigung ist für Zuschauer und Studiogast ähnlich unglücklich, mit dem Ergebnis, daß sich der Zuschauer mit seinem Problem nicht mehr so alleine fühlt.
3) Der Studiogast zeigt eine bessere Problemlösung und dient damit dem Zuschauer als mögliches Verhaltensmodell und Quelle der Hoffnung.

(vgl. Bente/Fromm 1997, S.47)

Diese Ergebnisse zeigen, daß die Orientierungsbedürfnisse sich nicht ausschließlich auf positive Vorbilder beschränken. Sie können ein Beispiel zum negativen Lernen

sein und zeigen dem Zuschauer, wie er es nicht machen will. Das Anderssein und die Abnormität geben Gelegenheit zur Empörung und zur Abgrenzung, die zur Stabilisierung des eigenen Normbegriffes beitragen kann. Dies begünstigt eine Bestätigung eigener Verhaltensweisen und der damit verbundenen Werte, wie auch eine Distanz zu gegensätzlichen oder fremden Verhaltensweisen.

Insgesamt besteht bei dem Genre das Risiko, daß das Kommunikationsziel im Einzel- fall verfehlt wird und statt einer Orientierungsverbesserung eine Desorientierung statt- findet.

Diese Gefahr kann ausdrücklich bei Kindern und Jugendlichen bestehen, doch die Wirkung von Talkshows auf Kinder und Jugendliche ist noch nicht ausreichend er- forscht.

Berücksichtigt man den Aspekt, daß laut eines Berichtes in der Frauenzeitschrift Petra (März 1999), die eingeladenen Talkshowgäste zu einem großen Teil ihre Geschichten erfinden und in der Show gekonnt vortragen, dann sind die Zuschauer die Vorgeführten. Sie orientieren sich an Lügen, die ihnen ungewußt vorgespielt werden. In vielen Fällen glaube ich, daß diese Behauptung stimmt. Doch werden ebenso Menschen aus den schon in der Arbeit genannten Gründen an den Shows teilnehmen. Der Bedarf der Teilnahme sowie der Rezeption ist vorhanden.

Nicht die Zuschauer mit `höheren` Werten oder mit dem Bedürfnis nach Harmonie bewerten diese Sendungen besser, sondern solche, die Wert auf Sicherheit sowie `Moral und Anstand` legen. (vgl. Bente/Fromm 1997, S.185)

5.2 Psychosoziale Funktion und Gefühlswelt des Rezipienten

Ein Vorteil der Talkshows liegt in der geschichtlichen Entwicklung des Fernsehens. Die Verlagerung der öffentlichen Kommunikation führte von der intellektuellen Ebene zu gefühlsmäßigen und zwischenmenschlichen Erfahrungen.

Verbunden mit der gesellschaftlichen Veränderung und dem menschlichen Bedürfnis nach Nähe, Anerkennung, Kommunikation etc. nimmt das Fernsehen direkten Bezug auf jene persönlichen Nöte und Ängste, deren Funktion vormals dem Vieraugengespräch vorbehalten war. Es stellt sich die Frage, ob der Konsum von Talkshows fehlenden realen Sozialkontakten zuzuschreiben ist. Wie schon erwähnt, dient das Angebot einerseits vorwiegend einsamen und älteren Menschen als emotionale Bindung dem Moderatoren gegenüber, deckt das Bedürfnis nach Geselligkeit und sozialem Kontakt. Anderen dient es als Mechanismus des sozialen Vergleichs und der Bewältigung von Lebensproblemen. (vgl. Bente/Fromm 1997, S.144)

Es werden Verhalten von Menschen dargestellt, verbunden mit menschlichen Gesten, Gefühlen sowie Schicksalen und ihre Leidenschaften. Diese können je nach individueller Persönlichkeit auf die eigene Lebenssituation übertragen werden und die eigene Betroffenheit, Gefühle und Befindlichkeiten ansprechen.

„ Denn hier sind möglicherweise persönliche Bezüge zwischen dargestellten Schicksalen und der Lebenswelt des Zuschauers gegeben, die vom Rezipienten durchaus wahrgenommen und symbolisiert werden, so daß sich ein Transfer nicht nur auf der Erregungs-, sondern auch auf der Erfahrungsebene ergibt“

(Bente/Fromm 1997, S.42).

Soziale Beziehungen sind um so realer, glaubhafter und authentischer, je näher sie den inneren und psychischen Bedürfnissen des einzelnen kommen.

In der kommunikations- und medienwissenschaftlichen Literatur wird die psychologi- sche Erkenntnis beschrieben, daß Menschen sich die Angebote auswählen, in denen ihnen für sie erstrebenswerte Erregungs- und Erlebniszustände geboten werden. Sie versprechen sich davon eine Verbesserung bzw. eine Beibehaltung ihrer guten Stim- mung. Durch die Rezeption von Talkshows macht der Zuschauer ähnlich intensive emotionale Erfahrungen wie der Fernsehakteur. Der Zuschauer könnte Mitleid für ei- nen Studiogast empfinden, der über eine fremde, belastende Situation berichtet. Ge- genteilig kann sich der Rezipient über die dargestellte Meinung eines Gastes aufregen. Diese verschiedenen Gefühle ergeben eine emotionale Qualität, die die Erregbarkeit des Zuschauers bescheinigt und eine Kontrollfähigkeit in Bezug auf Gefühle trainiert. (vgl. Grimm 1999 in TV Diskurs 1/99)

Talkshows bieten eine Flucht aus der Alltagswelt. Die eigene Phantasietätigkeit wird abgenommen und durch ein lebendes Objekt vorgelebt. Anderseits vermittelt die Sen- dung dem Konsumenten das Gefühl, den Talkshowgast in dieser kurzen Zeit kennen- gelernt zu haben.

Neben kognitiven und parasozialen Funktionen erfüllen Talkshows noch eine dritte Aufgabe. Der Zuschauer hat die Möglichkeit, von der Sendung unterhalten zu werden und dabei abzuschalten, um dadurch in eine gute Stimmung zu geraten. Das hängt stark von der Fähigkeit der Sendung ab, den Zuschauer emotional einzubinden. Hertha Sturm erforschte die Medienwirkung auf Wahrnehmung, Emotion und Kognition, was ich kurz erläutern möchte.

Sie unterscheidet in ihrer Forschung zwischen `lebensrealer` Wahrnehmung und `me- dienvermittelter` Wahrnehmung. Sie hat diesen Unterschied als die `fehlende Halbse- kunde` bezeichnet. In lebensrealen Situationen ist einem Menschen durch systemati- sche Abläufe die Zeit gegeben (Tür öffnen, Begrüßung etc.), sich Gedanken zu seinen Erwartungen zu machen und in Sekundenschnelle seine Erfahrungen abzurufen. Diese Halbsekunden geben die Gelegenheit, sich auf Unvorhergesehenes einzustellen. Bei `medienvermittelnder` Wahrnehmung ist dies aufgrund von Um- und Überblendungen, Schnitten, Schwenks, manipulierte Untertitel, Zooms etc. nicht möglich. Schnelle und medienvermittelte Übergänge haben die Wirkung, daß der Zuschauer nicht mehr in- nerlich verbalisieren kann. Unter dieser inneren Benennung versteht Hertha Sturm die Gedanken, die sich ein Zuschauer während einer Sendung innerlich selber sagt.

Z.B. “Der ist der Mörder.“ Oder: “Der ist mir aber unsympathisch.“ usw.

Fehlt diese innere Benennung, werden Bilder nicht verstanden noch behalten. Die Bildrasanz führt zu einer hohen physiologischen Erregung, die in Verbindung mit E- rinnerungs- und Verständnisblockaden zu einer emotionalen Unzufriedenheit führt, die das Ergebnis hat, daß der Zuschauer schwer abschalten kann. Zusätzlich wurde in ihrer Forschung herausgefunden, daß die Fernsehakteure gefühlsbesetzt werden und dieser Zustand lange anhält. Insgesamt ist eine hohe Stabilität der emotionalen Eindrücke durch das Fernsehen zu verzeichnen.

(vgl. Sturm 1985 in Dokumentation FH Kiel)

In den von mir reziepierten Talkshows fehlten diese rasanten Bildauschnitte. Dennoch ist durch eine vorgefaßte Meinung im Untertitel eine Manipulation in der Wahrneh- mung zu verzeichnen. Der Abbruch durch eingeschobene Werbeblöcke an gefühlsbe- ladenen Situationen, kann den Zuschauer in der Weise erregen, daß er diese Sendung

unbedingt weitersehen möchte. Die ungelösten Konflikte führen zu einer Unzufriedenheit des Zuschauers. Doch das werde ich in einem weiteren Abschnitt behandeln. „Medien sind in dieser Sichtweise nicht mehr quasi neutrale Übermittlungssysteme von Kommunikation, sondern kulturelle Umwelten. Medienwirkungen sind nicht mehr einzelne Wissens-, Einstellungs- oder Verhaltensänderungen, sondern Prägungen des menschlichen Werteverhältnisses überhaupt in allen Kategorien: der Wahrnehmungstätigkeit, der Emotion, der Vorstellungen, der Denk- und Sprachfähigkeit bis hin zu den sozialen Verhaltensweisen. Medienwirkungen sind in dieser Sichtweise auch nicht mehr kurzfristige Effekte, sondern langfristige Veränderungen der sozialen und kulturellen Profile ganzer Epochen“ (Hurrelmann 1989, S.18).

5.3 Identifikationsmöglichkeiten durch Talkshows

Zu einem großen Teil habe ich in anderen Abschnitten bereits die Möglichkeit der I- dentifikation durch Talkshows einfließen lassen. Es ist schwer, alle Themen voneinander zu trennen, da sie zu einem großen Teil miteinander verbunden sind. Überschneidungen sind deshalb nicht ausgeschlossen.

Wie im Abschnitt der gesellschaftlichen Entwicklung beschrieben, muß der Mensch heute in seiner Umwelt flexiblere Identitätsmuster bewältigen, um in der modernen Gesellschaft zu bestehen. Talkshows bieten eine visuelle Hilfe in der Form, daß sie wertvolle Informationsquellen darstellen.

Der Zuschauer hat die Möglichkeit der Beobachtung von Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Verhaltens- sowie Moralvorstellungen. Die Reaktion des Studiopublikums, welches die Funktion der Gesellschaft vertritt, gibt Auskunft darüber, wie verschiedene Verhaltensweisen, Ansichten, Wertvorstellungen etc. ankommen. “Damit entsteht eine Möglichkeit zur Überprüfung von Einstellungen und gesellschaftlich relevanten Verhaltensweisen, die im Rahmen der betreffenden Talkshow sehr stark an der öffentlichen Meinung orientiert ist“

(Graf, S.75 in TV Diskurs 10/98).

Hoekstra beschreibt es allgemeiner, indem er sagt: „Menschen gestalten oft ihr Leben anhand von Vorbildern, Idolen, Personen, Identifikationsfiguren, mit denen sie sich vergleichen und an denen sie sich spiegeln können, oft ohne es sich bewußt zu ma- chen. Film und Fernsehen liefern diese Vorbilder und Lebensmodelle in großer Zahl und in allen möglichen Medienbotschaften“ (Hoekstra 1992, S.97). Ich gehe davon aus, daß in Talkshows Identifikationsangebote anhand der Reaktion des Gastes, des Publikums oder des Moderators stattfindet. Diese können meinungs- bildend, aber auch abschreckend wirken. Gäste können eine Identifikationsfigur für die Zuschauer bieten, denen er sympathisch ist, der seine Meinung vertritt oder ihm einen ähnlichen Erfahrungshorizont auch in Form der dargestellten Probleme aufzeigt. Der Leidensgenosse (bei Krankheiten, Familienproblemen etc.) kann dem Rezipienten vermitteln, daß er nicht alleine ist mit seinem Problem, ihm andere Lösungsstrategien aufzeigen oder ihn von seinem eigenen Problem ablenken.

Der Moderator selber übt eine starke Funktion aus. Er baut die mediale Bindung zu dem Rezipienten auf, „die Interaktion, die im Sinne von Watzlawick, Beavin und Jackson (1969) neben einen Inhaltsaspekt immer auch einen Beziehungsaspekt enthält (Bente/Fromm 1997, S. 63).

So kann der Moderator bei meinungsschwankenden Rezipienten die Wirkung haben, durch seine Aussagen, soziale Normen zu setzen.

Viele Talkshows bieten durch den negativ dargestellten Konfliktumgang, den extre- men Sprachgebrauch sowie unqualifizierter Problembewältigung, jungen Menschen und in ihrer Meinung ungefestigten Personen Nährboden für eine desorientierte Mei- nungsbildung.

Bente/Fromm haben in ihrer Studie festgestellt, daß Frauen eher Reaktionen parasozialer Beziehungen zeigen. „Sie nehmen Moderatoren durchgängiger als sympathischer, freundlicher und offener wahr und sind gefühlsmäßig stärker beteiligt. Zudem identifizieren sie sich eher mit dem Bildschirmakteuren, insbesondere mit den Gästen, als Männer“ (Bente/Fromm 1997, S.254).

Anhand meines Fragebogens kann ich feststellen, daß männliche und weibliche Ju- gendliche die Moderatoren als Vorbild akzeptieren. Deshalb ist eine positiv vermittel- te Bewältigung von Konflikten, Sprache, Toleranz besonders wichtig. Dies geschieht leider nicht in konstanter Form, was ich im nächsten Abschnitt beweisen möchte.

5.4 Konfliktumgang und dessen vermittelnde Bewältigung

Der Konfliktumgang in Talkshows ist sehr stark mit der sprachlichen Ebene verbunden. Ich versuche dies jedoch voneinander zu trennen, um es einzeln zu verdeutlichen. Wie bereits erwähnt, kann der Zuschauer die Talkshow als Sendung der eigenen Problembewältigung bzw. Abgrenzung betrachten.

Jedoch haben Bente/Fromm in ihrer Studie festgestellt, daß der Motivfaktor „Sozialer Vergleich/Problembewältigung“ als häufigster Grund zur Rezeption genannt wurde. „Daraus ist zu folgern, daß Zuschauer das Genre positiv bewerten, die im Fernsehen nach Informationen zur Bewältigung von Alltagsproblemen - vor allem im zwischen- menschlichen Bereich - suchen. Diese erwarten sie aus der Anschauung des konkreten Einzelfalls, der ihnen die Möglichkeit zum direkten sozialen Vergleich liefert“

(Bente/Fromm 1997, S.184).

Dieser Umstand alleine wäre nicht zu kritisieren, sondern die Art und Weise des ver- mittelnden Konfliktumganges und seine vermeintliche Bewältigung. Gäste, die sich vor laufender Kamera spektakulär verhielten oder andere Gäste verbal angriffen, wurden zwar unter Gejohle des Publikums ausgebuht, aber ansonsten kei- nerlei Konsequenz unterzogen. Die im Publikum sitzenden Meinungsgeber heizen die Stimmung eher an, als daß sie diese entspannen würden. Die Moderatoren intervenie- ren unterschiedlich. Inzwischen beziehen sie Stellung in Richtung der allgemein aner- kannten gesellschaftlichen Meinung, doch greifen sie erst ein, nachdem ein Wortwech- sel zum Teil bis an die Grenze der Menschenwürde stattgefunden hat. Mit wirklicher Auseinandersetzung oder Problembewältigung hat dies nichts zu tun, zumal konträre Auffassungen und Meinungen sich leichter aussprechen lassen, da Talkshows nicht als Diskussionsrunden konzipiert wurden.

Das führt so weit, daß menschliche Attackierungen und Verletzungen sowie Racheakte vor laufender Kamera dargeboten werden. Die Stärke der Sendungen besteht darin, starke Gefühle zu produzieren, doch es fehlen die Hinweise zur Bearbeitung der Probleme. Konflikte ohne Lösungen sind unbefriedigend und mißachten das Zuschauerbedürfnis nach positiver Orientierung (vgl. Grimm in TV Diskurs 1/99).

In der aufgeheizten Atmosphäre einer Sendung kann es zu keiner Lösung des Prob- lems kommen, auch zu keiner Annäherung der Standpunkte. Selbst wenn es zu der Tatsache führt, daß verfeindete Parteien miteinander reden, wird dieser Umstand meist verfestigt anstatt gelöst. Da es um Einschaltquoten und nicht um individuelle Problemlösung geht, werden die Menschen meiner Meinung nach vorgeführt. Auch wenn dem Zuschauer suggeriert wird, alle Menschen hätten Probleme und diese seien lösbar, gibt es keine gesellschaftlichen Problemabhandlungen, sondern nur individuelle Vorträge.

Insgesamt sehe ich die Gefahr, daß Menschen, dessen moralisches Urteilsvermögen sowie Meinungsbild nicht gefestigt sind, bei entsprechender Problemkonstellation durch das demonstrierte Konfliktverhalten animiert werden, ähnlich zu handeln. Da keine gesellschaftlichen Sanktionen folgen, wird der Eindruck vermittelt, diese Handlungen seien allgemein üblich.

Inzwischen scheint eine Problembewältigung im stillen Kämmerlein mehr Mut abzuverlangen als im Fernsehen vor einem Millionenpublikum.

Durch die Sendung noch so banaler Probleme entsteht der Eindruck, daß alle Proble- me gleich wichtig sind, um sie vor laufender Kamera zu präsentieren. Dies ist meiner Meinung nach nicht der Fall und erklärt sich durch die Vielzahl an Shows und den damit verbundenen Quotendruck. Der Zuschauer, der dies nicht durchblickt, läuft Ge- fahr, anstatt mit der betreffenden Person selber zu sprechen, zur Problembewältigung lieber ins Fernsehen zu gehen.

5.5 Kommunikationsstruktur und vermittelnder Sprachgebrauch

„War die Show einst das Besondere und das Gespräch das Alltägliche, ist heute die Show das Alltägliche und das Gespräch das Außergewöhnliche“

(Erz, S.50 in TV Diskurs 7/98 ).

Das bedeutet, daß Talkshows als Ersatz für Kommunikation der Menschen dient, die in einem sozial armen Umfeld leben. Andere sehen diese Sendungen bewußt oder sie werden nebenbei konsumiert. Dadurch nimmt der Rezipient an der Kommunikation teil, ohne an ihr teilnehmen zu müssen. Anders als innerhalb einer realen Gesprächssi- tuation, hat der Zuschauer keinerlei Verpflichtungen einem Gesprächspartner gegen- über. So kann er sich jederzeit aus dem Gespräch herausziehen, ohne unhöflich zu werden, indem er das Fernsehgerät abschaltet. Gleichfalls sind die Argumente zu Hau- se bekannt und nicht mehr unterhaltsam.

Da der Moderator als Zentralfigur der Zuschauerbindung dient und somit Vorbildfunktion hat, möchte ich untersuchen, welche sprachlichen Strukturen in Talkshows vermittelt werden.

Die Gesprächsmuster der Talkshows können nach Bente/Fromm in drei Typen eingeteilt werden: Interviewähnliche Gespräche, Diskussionen und Plaudereien. Vorrangig werden Interviews mit 50% geführt, während sich die beiden anderen Kategorien die weitere Hälfte teilen. Hier wird wieder deutlich, daß die Geschichte im Vordergrund steht und nicht die Diskussion oder gar die Problembewältigung.

„Die Sendung bietet ein Gesprächsschema an, das mit dem Anspruch, Gelegenheit zum Austausch über partikulare Freuden und Nöte zu bieten, im Widerspruch steht.

Die Besonderheit der Lebenssituation der einzelnen wird in einem Atemzug anerkannt und aberkannt“ (Keppler in medien&erziehung Nr.2).

Darin spielen die Moderatoren eine große Rolle. Vermitteln sie dem Gast Empathie, Einfühlungsvermögen, Hilfsbereitschaft sowie Zuhörvermögen, ist dies alles zur In- tensivierung der Zuschauerbindung, sprich der Einschaltquote, gedacht. Der Sprachstil der Moderatoren ist alltagsnah und auf das Zielpublikum gerichtet. Dieses beurteilt den Moderator nicht nur nach dem verbalen Verhalten, sondern unter anderem danach, wie er mit den Gästen umgeht. Die emotionale Ausstrahlung wie Er- scheinungsbild, Mimik, Gestik und Körperhaltung sind wichtig. Durch die Beobach- tung und Bewertung der menschlichen Reaktion des Moderators wird ein kommuni- kativer Akt hergestellt.

Jeder Moderator hat hierfür seine persönliche Technik in der nonverbalen Kommuni- kation. Gemeinsam ist bei allen der direkte Blick in die Kamera, der die Zuschauer zu Hause ansprechen soll. Am stärksten fallen bei Arabella, Hans Meiser und Jürgen Fliege der nonverbale Kommunikationsstil auf, so daß ich dies kurz beschreiben möchte.

Arabella vermittelt stark den Eindruck der Empathie, sie berührt ihre Gäste, leidet mit ihnen und tröstet sie. Sie sagt deutlich ihre Meinung, versucht aber immer eine har- monische Stimmung zu halten. Ihr leichtes Lispeln kann als sprachlicher Fehler be- trachtet werden.

Hans Meiser verkörpert den seriösen Typ Mann, den nichts aus der Ruhe bringt, nichts erschüttert und der seine Sendung souverän meistert. Auch er sagt sowohl Gästen als auch dem Studiopublikum deutlich seine Meinung.

Am negativsten empfinde ich Jürgen Fliege, der sich als studierter Theologe das Recht herausnimmt, seelsorgerische sowie psychotherapeutische Gesprächsführung anzuwenden. Bedenkt man, daß er in seiner Sendung vermehrt kranke Menschen mit wundersamen Heilungsprozessen vorstellt, wird dem kranken Zuschauer zu Hause symbolisiert, die Krankheit ist nicht schlimm und sei heilbar. Zusätzlich vermittelt er durch den nahen Körperkontakt Anteilnahme, die oft im Widerspruch zu seinen verba- len Äußerungen steht.

Die anderen Moderatoren haben ähnliche Kommunikationsstrukturen. Sie stehen in der Nähe des Publikums, um schnell Statements der Gäste sowie des Publikums an- nehmen zu können. Einzig Ilona Christen sitzt mit ihren Gästen auf dem Podium und läßt keine Publikumsbemerkungen zu. Bei ihr fällt eine Mischung aus Hochdeutsch und Dialekt auf, bei dem sie Silben verschluckt oder grammatikalisch falsch spricht. Insgesamt kann ich nur oberflächliche Gespräche feststellen. Der Moderator lenkt und bestimmt aufgrund des knappen Zeitkontingentes die Sendung. Dabei entsteht keine Diskussion, zumal über individuelle Erfahrungen nicht diskutiert werden kann. Folg- lich fragt der Moderator nur Geschichten ab, es entstehen oberflächliche Gespräche unter den Gästen, die aufgrund der konträren Ansichten meist in verbale Angriffe aus- arten. Der Anschein von Authentizität der Kommunikation ist ein Produkt der Gleich- gültigkeit des Alltages, in dem niemand mehr zuhört. Die Gastgeber leben kaltschnäu- zig von ihren Gästen, geben ihnen aber nichts zurück.

Die konträren Auffassungen, bei denen jeder seine Meinung äußern darf, ist keine Toleranz, sondern Ignoranz.

Abschließend möchte ich auf die sprachlichen Merkmale zu sprechen kommen.

Die Themen werden nicht inhaltlich sachlich diskutiert, sondern sie werden emotiona- lisiert und personalisiert. Das führt in der Regel dazu, daß sich die Gäste einer sehr di- rekten Ausdrucksweise bedienen, die häufig der Vulgärsprache zuzuordnen ist. Holly und Schwitalla (1995) bemerken in ihren Ausführungen zur „Streitkultur im kommerziellen Fernsehen“: „Die Enttabuisierung von Themen und Gefühlen, die frü- her der Scham unterworfen waren oder einfach von schlechtem Geschmack zeugten, der immer auch sozial definiert war, hat zweifellos zugenommen Es ist nur folge- richtig, daß auch in den medialen Gesprächsformen ausprobiert wird, was aus dem Spektrum der privaten Nähekommunikation öffentlichkeitsfähig ist. Emotionalität und damit natürlich auch Streit haben sicherlich einen hohen Aufmerksamkeitsreiz“ (Bente/Fromm 1997, S.27).

Meiner Meinung nach können Talkshows einen Einfluß auf das Kommunikationsverhalten des Rezipienten haben.

Aufgrund der Steuerung der Schlüsselfigur Moderator durch die Sendung, hat dieser Verantwortung für seine Gäste. Diese werden häufig aus dem Publikum, von anderen Gästen, aber auch vom Moderator selber, bloßgestellt. Die Gäste beleidigen sich un- tereinander oder werden vom Publikum beschimpft. Der Moderator hört eine Weile zu, bevor er eingreift. Die Beleidigungen und Beschimpfungen werden zwar mittler- weile vom Gastgeber negativ bewertet, doch fehlt mir dabei die Ernsthaftigkeit.

Ein Streitgespräch oder eine Diskussion, die auf sachlichen Argumenten beruht, die demokratisch und fair verläuft und bei dem gegenseitig ausgeredet wird, wird somit nicht gefördert. Statt dessen wird eine Streitkultur dargestellt, bei der die am lautesten und am emotionalsten vorgebrachten Argumente zählen. Dabei bleibt die Kommunikation sowie die vermittelten Problemlösemechanismen im Hintergrund.

5.6 Toleranzvermittlung in Norm und Abweichung

Die Journalistin Barbara Sichtermann beschreibt die Talkshows als Schule der Toleranz. Ihrer Meinung nach werden die Talkshows sorgfältig vorbereitet und seriös durchgeführt und schon gar kein Gast vorgeführt.

(vgl. Sichtermann in Die Zeit Nr.42 v. 11.10.96)

Leider muß ich der Dame widersprechen. Ich gebe ihr nur in dem Punkt recht, daß die Talkshows die Chance bieten, sich zu jedem Thema, welches ein Zusammenleben in der Gesellschaft hervorbringt, belanglos zu informieren. So kann sich jeder Zuschauer aus der Ansammlung widersprüchlicher Ansichten das heraussuchen, was er als richtig empfindet und seinem Werte- und Normengefüge als nächstes kommt. Doch das ist sicherlich weder sorgfältig vorbereitet noch seriös durchgeführt. Dann hätten die Talkgäste keine Chance, die sich mit Lügengeschichten vor dem Bildschirm präsentieren. Dann würde eine Kommunikation stattfinden.

Betrachte ich die verschiedenen Gäste im Zusammenhang mit den unterschiedlichsten Themen, dann vermitteln sie mir eher den Eindruck eines Kuriositätenkabinetts, dem ich nur froh sein kann, nicht anzugehören. Mir entlockt dies eher ein mitleidiges Lä- cheln, anstatt daß es bei mir ein Gefühl der Toleranz weckt. Diese Sendungen gelten weniger als Modell für mein Leben, sondern eher als Gegenwelt, von der ich mich dis- tanzieren möchte. Hier werden gesellschaftliche Normen eher bestätigt als aufgeweicht. Dies führt in bestimmten Gesellschaftsschichten sicherlich nicht zur Toleranzvermittlung, sondern es stößt ab und bestätigt Vorurteile.

Emile Durkheim behauptet, daß das Normale sich erst in der Abweichung zeigt. Das hieße ferner, daß Normabweichungen in einem gesellschaftlichen System prosoziale Funktionen haben können und als Grundlage für gesellschaftliche Weiterentwicklung sind. (vgl. Graf, S. 76 in TV Diskurs 10/98)

Das würde bedeuten, in naher Zukunft wäre es normal, persönliche Gefühle, intime Auseinandersetzungen, besondere Vorlieben, Abneigungen sowie Meinungsverschie- denheiten ohne Regeln an die Öffentlichkeit zu tragen und dort auszubreiten. Dann gäbe es keine Tabus noch Regeln im moralischen Zusammenleben in der Gesellschaft. Sicherlich mag es für einige Menschen Hilfe zur Selbsthilfe sein, sich und ihr Problem vor laufender Kamera darzustellen. Gleichzeitig können sie Toleranz bei den Zu- schauern erreichen, die sich davon berührt fühlen. Doch dies hängt meiner Meinung nach alleine von der Machart ab. Da sie nicht, wie behauptet, seriös und gut vorberei- tet ist, werden sich auch nur diejenigen angesprochen fühlen, die selber diesen Weg der Offenbarung suchen würden. Damit ist das Ziel der Toleranzwerbung verpaßt und wird das Mißverständnis über diese Art der Kommunikation nur verstärken.

5.7 Veränderte Realitätswahrnehmung

Das Fernsehen genießt eine hohe Glaubwürdigkeit. Deshalb ist es schwierig, Men- schen verständlich zu machen, daß nicht alles wahr ist, was gesendet wird. Das be- ginnt mit dem Fakt, daß Talkshows nur in Ausnahmefällen live gesendet werden. Dies ist den meisten Zuschauern bekannt. Trotzdem glauben sie, daß die vorproduzierten Folgen zu dem Zeitpunkt real auf dem Bildschirm stattfinden. Inhaltliche Angebote werden als authentisch erlebt und mit Bezug zum eigenen Alltag interpretiert.

In einem weiteren Punkt beeinflußt das Fernsehen. Menschen, die ihre Information vorwiegend aus dem Fernsehen beziehen, halten die Welt für krimineller und gewalttätiger, als sie in Wirklichkeit ist. Manipulierte Bildauschnitte und betroffen machende Berichte, verklären den Blick für die Realität. Es gibt nur schwarz oder weiß, die Farbtöne dazwischen werden nicht aufgezeigt.

Eine Meldung über einen Flugzeugabsturz wird zwar zur Kenntnis genommen, doch erst die Personalisierung und Subjektivierung des Ereignisses macht betroffen. „Die medial veröffentliche Intimität persönlicher Emotionen läßt das Publikum an dem Schicksal des einzelnen teilhaben“ (Wegener 1994, S.54). So wird die Schilderung ei- nes betroffenen Fluggastes dem Zuschauer die Grausamkeit des Unglückes veran- schaulichen. Das verdeutlicht, wie sehr Fernsehen die Gefühlsfunktion übernimmt, die der Zuschauer selber erarbeiten sollte. Wegener beschreibt die Rolle der Medien im Rahmen subjektiver Realitätskonstruktionen folgendermaßen: „Kennzeichen moderner Gesellschaften ist es, daß die Distanz der Individuen zu den sozialen Elementen zu- nimmt, daß die informellen, direkten Kommunikationskanäle nicht mehr alle gesell- schaftlichen Strukturen und Phänomene erfassen können. Individuen sind von daher nicht mehr in der Lage, aus erster Hand Erfahrungen zu machen, die der Komplexität der gesellschaftlichen Struktur entsprechen würde“ (Wegener 1994, S.35). Ein Mindestmaß an Vorstellungen von der Realität außerhalb des persönlichen Erfah- rungshorizontes eines Menschen ist notwendig, um ein Leben in der Gesellschaft zu organisieren. Wie erwähnt, hat diese Funktion zu einem großen Teil das Fernsehen übernommen. Leider mit dem Ergebnis, daß Informationen gefiltert rezipiert werden und ein Stück Lebensqualität in Form von Eigenerfahrungen verloren geht. Um eine weitere veränderte Realitätswahrnehmung darzustellen, muß ich noch einmal auf die Seite der Teilnehmer zurückkommen. Viele Gäste bekannten, daß es leichter fällt, vor einem anonymen Millionenpublikum zu sprechen. Sie kommunizieren mit personalisierten Moderatoren in anonymen Situationen, vergessen die Kamera, die ih- re Geschichte an die Öffentlichkeit weiterleitet. Sie behaupten, durch einen Fernseh- auftritt bekäme ihre Geschichte mehr Gewicht.

In einem Artikel von Peter Bacher aus der Welt am Sonntag vom 2.8.1998 wird deutlich, daß eine Teilnehmerin den Blick für die Realität verloren hat. Sie schilderte in einer Talkshow ausführlich die Vergewaltigung ihrer Tochter durch einen Sexualverbrecher und Serientäter. Während die Staatsanwaltschaft Opferschutz betreibt, indem sie die Identität des Kindes geheimhält, setzt sich die Mutter in eine Talkshow und untergräbt damit die Bemühungen der Justiz.

Ein weiteres Beispiel ist der Todesfall, der in Amerika hohe Wellen der Empörung schlug, aber an der Tatsache der Rezeption von Talkshow nichts veränderte. Ein ho- mosexueller Mann offenbarte seine Gefühle einem ihm bekannten Mann, der jedoch heterosexuell war. Er hatte sich zur Teilnahme überreden lassen, weil er gehofft hatte, daß seine Ex - Freundin in der Show sei und nicht ein Bekannter, der sich als homose- xuell outet und ihm seine Zuneigung gesteht. Die Moderatorin Jenny Jones nutzte diese Situation aus, die Männer zu peinlichen Aussagen zu bewegen.

Nach der Show betrank sich der Heterosexuelle und erschoß seinen Bekannten, da er sich öffentlich gedemütigt fühlte. In der folgenden Gerichtsverhandlung bestritt die Moderatorin, mit den Gefühlen ihrer Gäste bis zum Äußersten zu spielen, um sie aus der Reserve zu locken.

Dies sind Beispiele für Realitätsverluste auf Seiten der Teilnehmer und die damit verbundene Vermittlung im Fernsehen.

Um dies tiefer zu verdeutlichen, möchte ich über Jürgen Fliege schreiben und welche Realität in seiner Sendung vermittelt wird.

Fliege behauptet, seine Talkshow sei die größte Selbsthilfegruppe Deutschlands und dies versucht er zu vermitteln. In therapieähnlicher Gesprächsführung geleitet, läßt er seine Gäste in unverantwortlicher Distanz und Kritiklosigkeit von angeblichen Wun- derkuren berichten. Auch wenn Jürgen Fliege dem Zuschauer vermitteln will, er höre seinen Gästen zu, demonstriert er in vielen Fällen nur die Problemlösung. Stellt man den Aspekt der Einschaltquote der Suche nach Hilfe gegenüber, dann ist die geheu- chelte seelsorgerische Empathie von Herrn Fliege die größte Lüge im Talkshowge- schäft.

Im Jahre 1992 hatten einige Journalisten am Stammtisch die Idee, sich mit dem Projekt Kot und Köter in Talkshows einzuschleichen. Sie wollten eine fiktive Norm vertreten, um zu erproben, inwieweit sich Zuschauer daran abarbeiten. Da kaum eine Prüfung der Tatsachen stattfindet, konnte der Journalist über Jahre in unterschiedlichsten Sendungen auftreten. Er war der Böse, die Hundefreunde die Guten, denn er kritisierte des Deutschen liebstes Tier.

Selbst nachdem der Journalist seine Identität gelüftet hatte und die Beweggründe sei- ner Aktion erklärt hatte, bekam er massive Drohungen per Telefon, die in regelrechten Terror ausarteten. Hundefreunde bedrohten ihn damit, daß seine Kinder genauso be- handelt werden müßten, wie er es angeblich mit Hunden tun würde. Hier ist ein sehr

bitteres Beispiel für den Realitätsverlust von Rezipienten, die nicht verstanden haben, um was es den Journalisten ging und dessen Meinung als Wahrheit angenommen hat- ten.

Ein weiters Beispiel an Vortäuschung von Realitäten konnte ich in der Sendung Jörg Pilawa am 28.12.98 beobachten. Unter dem Thema `Wäre ich doch nie fremd gegan- gen` schilderte eine Ehefrau, daß sie ihren Mann betrogen habe. Dieser wußte mitt- lerweile von der Situation und war bereit, einen neuen Eheversuch zu starten. Am 5.1.1999 saß bei Birte Karalus dasselbe Pärchen zu einem ähnlichen Thema, nur mit dem Unterschied, daß diesmal die Ehefrau die Betrogene war. Diese Tricks der Gäste bekommt der Zuschauer nicht mit, der nicht regelmäßig alle Sendungen konsu- miert oder in der Werbeunterbrechung weiterschaltet. Dann werden erfundene Ge- schichten zu Realitäten. Wegener spricht in diesem Zusammenhang von `Reality Shows`, die sich dadurch auszeichnen, daß sie „ein Konzentrat an Emotionen bieten mit der zusätzlichen Garantie des Realen“ (Wegener 1994, S.47). Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Gefahr besteht, daß das Fernsehen für wirklicher als die Wirklichkeit gehalten wird. Talkshows bieten vielen Menschen Hilfe aus dem Fernsehen. Gleichfalls empfanden Teilnehmer intime Momente romantischer als in Wirklichkeit (z.B. bei Heiratsanträgen), das Bekenntnis vor Millionen gewichti- ger als ohne Zeugen.

Ein Fakt ist für mich unumstritten: die Stärke der Moderatoren liegt in der Schwäche der anderen und da Talkshows nicht fiktional sind, erheben sie für sich den Anspruch, Realitäten abzubilden oder zu inszenieren.

5.8 Veränderung aus ethischer Sicht

Die Veränderungen, die in Talkshows aus ethischer Sicht geschehen, sind sehr indivi- duell zu betrachten. Selbst in der Wirkungsforschung ist man sich nicht einig, ob sich das Rezipieren dieses Genres negativ auswirkt. Inwieweit Talkshows zu einer Ver- schiebung von Tabugrenzen führen oder möglicher Ausdruck eines gesellschaftlichen Normen- und Wertewandels sind, läßt sich nur schwer klären. Das Bedürfnis nach diesem Sendeformat ist unumstritten, sonst würde es nicht in dieser Vielfalt gesendet werden. Doch ist dadurch ein ethischer Sittenverfall zu bemerken ? Quote ist Qualität. Doch was ist diese Quote, bzw. Qualität ? Sie erfüllt Bedürfnisse der Rezipienten.

Uwe Kammann vergleicht Talkshows mit Lernen über Ästhetik und Soziologie des Alltages. „Wir lernen viel aus dieser Zurschaustellung der Marotten und der Gefühle, der Befindlichkeiten und der hochkondensierten Lebensmuster. Wir lernen nämlich dabei viel über diese Gesellschaft: und zwar genau über die Art und das Maß, in der sonst unscheinbare Menschen sich präsentieren, selbst dann, wenn sie sich exzentrisch gebärden. Wir lernen etwas über Verluste und vor allem über dauernden Mangel, über versäumtes Leben und die Versuche der Rückgewinnung. Wir lernen etwas über So- ziologie und Ästhetik des Alltages. Eine Geschmacks- und Sittenlandschaft jenseits der Politikerwelt und der Stadttheater tut sich auf. Eine Landschaft, deren Personal kundtut, wie weit Menschen heute gehen, wie sehr sie sich entäußern, wie sehr sie sich - auch in den biederen Varianten - aushängen lassen“ (Kammann 1997, S.8).

Interessant finde ich die Untersuchung von Reichertz, der behauptet, „daß moralisch- ethische Institutionen und hier insbesondere die Kirche im Zuge des gesellschaftlichen

Wandels ihre orientierungsvermittelnde Kraft eingebüßt haben und diese durch die Medien übernommen werden (Bente/Fromm 1997, S.49).

Während Keppler (1994) Auftritte im Medium als überzogene Form ritualisierter Handlungen zum Zweck der Erlebnissteigerung beschreibt, geht Reichertz mit seiner Auffassung so weit, daß er vier religionsäquivalente Praktiken benennt, die als Glaube an die Wirksamkeit der Rituale, das Handeln bestimmen

(vgl. Bente/Fromm 1997, S.49).

Diese sind:

- Beichte und Absolution: Kann als mediale und damit öffentliche Variante der christlichen Beichte verstanden werden, die der Vergebung bedarf und von denen genutzt wird, die nicht mehr an die reinigende Kraft der priesterlichen Absolution glauben. Hier bietet das Fernsehen den Raum für das öffentliche Bekenntnis und für die befreiende Beichte.

- Wunder und Magie: Hier werden dem Zuschauer die Existenz von Wundern und Magie suggeriert. Vermißte werden aufgespürt, Liebende zusammengeführt, Streitende versöhnt, Wünsche erfüllt. Auf diese Weise bieten die Sendungen Hoff- nung in Bezug auf Lebensaspekte.

- Mitgefühl und finanzielle Hilfe: Das Fernsehen übernimmt karitative Funktionen. Der Weg ins Fernsehen scheint effektiver als der Gang in die Kirche, da sowohl kurzfristige finanzielle als auch emotionale Unterstützung geboten wird. § Romantik und Treueschwur: Im Zeitalter steigender Scheidungsraten vermitteln die Sendungen tradierte romantische Ideale, die Hoffnung auf echte Liebe, Treue und dauerhafte Beziehungen macht.

(vgl. Bente/Fromm 1997, S.49)

Das bedeutet, daß nicht mehr die Kirche der zentrale öffentlich - private Ort ist, an dem Geständnisse, Beichten und Bekenntnisse abgelegt werden. Diese Funktion hat das Fernsehen übernommen. Dort werden Selbstpraktiken eingeübt und identitätsreiche Lebenswege bzw. Regeln entworfen. Gleichzeitig können Talkshows als Ersatz eigener Streitkulturen oder als stellvertretende Konfliktbearbeitung gelten Das erklärt die Entwicklung des Genres Talkshow.

Dabei wird vergessen, daß es vor dem Hintergrund der sehr intimen Themen zur Ver- schiebung öffentlicher und privater Zuständigkeitsbereiche kommt. Die behandelten Themen stammen hauptsächlich aus dem sozialen Bereich wie Fami- lie, miteinander Leben, Beziehung, Liebe und Sexualität. Den Umgang mit den Gästen und ihren Problemen empfinde ich als würdelos und Menschen verachtend. Der Pri- vatsphäre der Gäste wird keinen Wert beigemessen. Nichts ist zu intim oder privat, daß nicht darüber geredet oder gefragt werden müßte. Natürlich hat sich der Gast in diese Situation begeben. Trotzdem behaupte ich, daß er durch den Druck des Mode- rators und des Auftrittes mehr preisgibt oder sich zu Taten hinreißen läßt, als er dies in einer privaten Situation tun würde. Hier wird der Eindruck vermittelt, daß man nur stark genug drängen muß, um seinen Willen zu erreichen. Das hieße auch, der Re- spekt vor dem Willen oder der Meinung anderer ist nicht relevant. Die häufigen Angriffe und Beleidigungen von Seiten des Studiopublikums gegenüber den Gästen werden vom Moderator gewährt. Sein verspätetes Eingreifen gilt nicht wirklich der Aufklärung oder Richtigstellung des Problems, sondern dazu, wieder Ru- he zu erlangen.

Talkshows täuschen Verständnis, Problembewältigung, fast Therapieersatz vor. Doch dies ist gar nicht das Ziel einer Sendung. An diesem Punkt ist für mich eine ethische Grenze erreicht, die stark bei Jürgen Fliege deutlich wird. In seiner einstündigen Show erweckt er den Eindruck, verständnisvoll zu sein, läßt die Menschen unter diesem Vertrauen ihr Innerstes erzählen. Oft werden schwer kranke Gäste in der Form vorgeführt, als sei das Opfer ein Vorbild der Lebensmeisterung. Ziel müßte es sein, die Gründe der Krankheit zu bekämpfen, auch wenn die Identität mit einem Schicksal in vielen Fällen sinnvoll und hilfreich sein kann.

Trotzdem empfinde ich die Ausstellung kranker Menschen vor einem gesunden Publi- kum als menschenunwürdig. Denn „es ist eine Art Seelenprostitution - der Fernseh- mensch stellt fünf bis zehn Minuten, selten länger, einen Akt her, der Nähe und Aus- tausch, Teilhabe und Anteilnahme verheißt. Und der doch nichts als ein Surrogat ist, eine bezahlte Scheinhandlung, innerlich leer, trotz äußerlicher Wertschätzung“ (Kammann 1997, S.7).

Insgesamt ist eine Entwürdigung und Verletzung von Intimität durch Talkshows zu sehen. Der unverantwortliche Umgang mit dem menschlichen Bedürfnis nach Kom- munikation und Verständnis verletzt gesellschaftliche und gesetzliche Grundregeln. Denn der Respekt vor dem Mitmenschen und seiner persönlichen Intimsphäre sowie der Wert der Menschenwürde, die im Grundgesetz festgeschrieben ist, wird dadurch aufgehoben.

Die damit verbundenen Bemühungen öffentlicher Anstalten, dem entgegen zu wirken, möchte ich im Folgenden beschreiben.

6 Bemühungen der Anstalten

6.1 Entstehung der Dokumentationsstelle Talkshows und des Code of Conduct

Die Landesmedienanstalten befassen sich seit mehreren Jahren verstärkt mit der Prob- lematik von Talkshows, die sowohl in den Programmen der privaten Anbieter, als auch durch öffentlich-rechtliche Sender jeden Nachmittag ausgestrahlt werden. Im Mai 1998 hat die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) beschlos- sen, bei der Geschäftsführung der Gemeinsamen Stelle Jugendschutz und Programm (GSJP) eine Dokumentationsstelle zu den Talkshows im Tagesprogramm einzurich- ten.

Fast zeitgleich wurde im Juni 1998 aufgrund des öffentlichen und politischen Drucks, von den im Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation e.V. (VPRT) zusammengeschlossenen privaten Fernsehveranstalter ein Verhaltenskodex zu Inhalten und Programmierungen des Tagesprogramm entwickelt.

Dieser `Code of Conduct` gibt keine Handlungsanweisungen, sondern apelliert lediglich an das Verantwortungsbwewußtsein der einzelnen Redaktionen. Er soll als Leitlinie zur Programmgestaltung von Talkshows dienen. Die Dokumentationsstelle sieht es als ihre Aufgabe an, bei der Prüfung von Talkshows besonderen Wert auf die Einhaltung dieser Selbstregulierungsgrundsätze zu legen.

„Zu den ethischen Grundlagen einer verantwortlichen Programmpolitik gehören Mei- nungsfreiheit, Wertepluralismus, Diskriminierungsverbot und das Toleranzprinzip, de- ren Umsetzung in der Programmpraxis von der Achtung der Menschenwürde, der Persönlichkeitsrechte, der Achtung religiöser Gefühle und des Jugendschutzes getra- gen sein müssen“ (aus Freiwillige Verhaltensgrundsätze der VPRT 1998, S.2). Der Verhaltenskodex soll im Blick auf Kinder und Jugendliche Inhalte und Darstel- lungen vermeiden, die sie beeinträchtigen oder sozialethisch desorientieren könnten. In der Phase der Persönlichkeits- und Identitätsbildung orientieren sich Kinder und Jugendliche an den Vorbildern im familiären und gesellschaftlichen Umfeld. Insgesamt interessiert alle Sender das Thema Jugendschutz, wenn auch mehr aus pragmatischen Gründen. Sollte eine Sendung beanstandet und nicht gesendet werden, dann hat der Sender hohe Produktionskosten ausgegeben.

Die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) soll die Verhaltensgrundsätze kontrollieren. Deren 13 Mitglieder sind die privaten Fernsehveranstalter Deutschlands. Folglich haben sich die Privatsender selbst die Aufgabe gestellt, sich zu überprüfen.

6.2 Inhalt des Code of Conduct

Die Leitlinien zur inhaltlichen Ausgestaltung von Talkshows im Tagesprogramm beinhalten folgende Punkte:

1. Als Grundsatz der redaktionellen Arbeit gilt, Vertreter unterschiedlicher Meinun- gen bzw. Wertehaltungen zu Wort kommen zu lassen. So sollten jeweils Befürwor- ter und Gegner zu einem kontroversen Thema geladen werden. Die Redaktion stellt durch die Auswahl der Gäste sicher, daß die Zuschauer zwischen mehreren Alternativen wählen und sich ihr eigenes Bild und Urteil über das behandelte Thema machen können.
2. Meinungspluralität bedeutet nicht Meinungsbeliebigkeit. Keinesfalls soll Vertretern extremer Anschauungen (rassistischen/volksverhetzenden) ein Forum für die unwi- dersprochene Selbstdarstellung geboten werden. Kriminelle Verhaltensweisen dür- fen nicht verharmlost werden. Darüberhinaus wird die Moderatorin/Moderator Aufrufe zur Intoleranz, Befürwortung von Diskriminierung oder Mißachtung der Menschenwürde und die Billigung von bzw. Anleitung zu Straftaten in einer Talk- show unterbinden bzw. in der gebotenen Schärfe in den normativen Kontext ein- ordnen. Im übrigen dürfen Meinungen, deren sozial fragwürdiger Charakter offen- kundig ist bzw. außerhalb des Wertepluralismus des Grundgesetzes stehen, nur in dem Maße präsentiert werden, in dem die Moderatorin/Moderator in der Lage ist, die Problematik der Meinung deutlich zu machen. Je fragwürdiger die Meinung ist, desto stärker muß das Sendungsganze ein Gegengewicht schaffen, damit sozial- ethisch desorientierende Wirkungen bei Kindern und Jugendlichen verhindert wer- den.
3. Die Auswahl der Talkgäste und der Studiogäste richtet sich nach den Themen. Die Talk- und Studiogäste sollen in einem angemessenen und der Problematik des Themas entsprechenden Alter sein. Dies gilt insbesondere auch für das Thema Se- xualität. Bei Sendungen, in denen aus thematischen Gründen Kinder und Jugendli- che auftreten, ist die Erlaubnis der Erziehungsberechtigten einzuholen. Durch ge- eignete Maßnahmen der Vor- und Nachbetreuung ist sicherzustellen, daß aus dem Fernsehauftritt keine Beeinträchtigung der Entwicklung oder sonstige Schädigun- gen hervorgehen. Bei der Auswahl von Kindern als Talkgäste ist soweit möglich der Grad ihrer Belastbarkeit und Unerfahrenheit zu beachten.
4. Sexualität, Gewalt und der Umgang mit Minderheiten sowie extrem belastende Be- ziehungskonflikte sind Alltagsthemen, an deren Behandlung das Publikum ein star- kes Interesse hat. Diese Themen sind besonders sensibel zu behandeln und bedür- fen einer besonders gründlichen Vorbereitung. Leitgedanke muß sein, Kinder und Jugendliche vor einseitigen und unrelativierten und desorientierten Extrem - Vor- stellungen sowie beeinträchtigenden Inhalten zu schützen. Eine Abstimmung mit der Abteilung Jugendschutz und gegebenenfalls der Rechtsabteilung hat zu erfol- gen.
5. Zwischenmenschliche Konflikte sollen soweit möglich nicht ohne das Angebot von Konfliktlösungen oder Konfliktlösungsstrategien thematisiert werden. Insgesamt sollte neben der Thematisierung von negativen Aspekten und Problemen auch Positives Berücksichtigung finden, um sicherzustellen, daß bei Heranwachsenden kein pessimistisches Weltbild entsteht.
6. Zur Verdeutlichung einer Problemstellung gehört bei manchen Themen auch die Darstellung von außergewöhnlichen und abweichenden Einstellungen zu gesell- schaftlich anerkannten Normen und Werten. Es ist jedoch darauf zu achten, daß das Außergewöhnliche nicht als das Durchschnittliche und das Abweichende nicht als das Normale erscheint.
7. Vulgäre Redeweisen sollen in Talkshows vermieden werden. Dabei wird jedoch auf die unter Jugendlichen übliche Sprache Rücksicht genommen. Sollte ein Gast der- artige Ausdrücke unbedacht benutzen, wird er von der Moderatorin/Moderator darauf hingewiesen, dies zu unterlassen. Sollte er trotzdem weiterhin auf grobe Weise gegen den guten Geschmack verstoßen, werden die kritischen Passagen so- weit möglich durch die Redaktion in der Nachbearbeitung unverständlich gemacht. Darüberhinaus werden die Gäste durch die Moderatorin/Moderator und die Redak- tion vor der Sendung entsprechend vorbereitet.
8. Der Moderatorin/Moderator obliegt neben der Redaktion eine besondere Bedeu- tung für das Erscheinungsbild der Sendung und der Präsentation der jeweiligen Themen. Als die zentrale Identifikationsfigur der Sendung behält er/sie immer die Gesprächsführung in der Hand. Es soll nicht der Eindruck entstehen, die Modera- torin/Moderator identifiziere sich mit Positionen, die im eklatanten Widerspruch zum gesellschaftlichen Konsens stehen.
9. Der Moderator/Moderatorin übernimmt die Rolle des Diskussionsleiters und ist verantwortlich für die Einhaltung von Regeln, die einen Meinungsstreit ermögli- chen sollen, der von der Achtung der Diskussionsteilnehmer untereinander geprägt ist. Sie/er verhindert Eskalationen zwischen den Talkgästen, die einen Ge- sprächsteilnehmer in seiner Menschenwürde oder seinen Persönlichkeitsrechten herabsetzt. In harten und sich emotionalisierenden Konfrontationen trägt er/sie zur Versachlichung bei. Sie/er stellt sich schützend vor Talk- oder Publikumsgäste, die aufgrund von Labilität, emotionalem Stress oder intellektueller Überforderung et- waigen Angriffen nicht gewachsen sind. Dies gilt in besonderem Maße bei Kindern und Jugendlichen.

6.3 Organisatorische Maßnahmen

Vertragliche Sicherstellung der Jugenschutzbestimmungen

Es wird angestrebt, die Verträge mit externen Produktionsgesellschaften mit Blick auf die Sicherstellung der gesetzlichen Jugendschutzbestimmungen zu überprüfen und gegebenenfalls neu zu verhandeln. Darüber hinaus sind bei der Vertragsanpassung auch die Leitlinien des Verhaltenskodex zu berücksichtigen.

Einbeziehung des Jugendschutzbeauftragten

Betreffen Themen einer Talkshow Sexualität, Gewalt oder Straftaten, ist in jedem Fall der Jugendschutzbeauftragte des Senders miteinzubeziehen.

Bei der Thematisierung derartiger Problembereiche ist sicherzustellen, daß die Jugen- schutzbeauftargten der Sender rechtzeitig über die Konzeption der Talkshow infor- miert werden, z.B. durch die Bereitstellung schriftlicher Informationen. Als aufmerksamkeitssteigernd haben sich für jüngere Zuschauer illustrierende Einspie- lungen (Kurzreportagen, Filmausschnitte etc.) erwiesen. Sie sollen bei Sendungen vorwiegend mit thematischen Bezug zu Sexualität und/oder Gewalt ganz unterbleiben, soweit redaktionell nicht erforderlich. Geplante Filmeinspielungen sind in jedem Fall dem Jugendschutzbeauftragten zur Überprüfung vorzulegen. Seine Zustimmung ist vor der Ausstrahlung einzuholen.

Weiterbildung der Mitarbeiter

Die Programmverantwortlichen stellen über Maßnahmen der Mitarbeiterschulung und Weiterbildung sicher, daß Redaktionsmitarbeiter und Moderatoren für die Programm- verantwortung im Sinne des Verhaltenskodex sensibilisiert werden. Ziel ist es, zu vermitteln, daß Programmverantwortung immer auch Verantwortung für die durch die Sendung transportierten sozialen, kulturellen, ethisch-moralischen und demokrati- schen Werthaltungen bedeutet.

6.4 Institutionelle Einbindung der FSF

Gemeinsam mit der FSF wird der vorliegende Verhaltenskodex regelmäßig überprüft und kontinuierlich fortgeschrieben. Mit Blick auf eine jugendschutzadäquate Gestaltung von Talkshows wird durch die FSF eine kontinuierliche Beobachtung der Talkshows sichergestellt. Die Sendungen werden systematisch erfaßt; einzelne, jugendschutzrelevante Sendungen werden vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Kinder- und Jugendpsychologie und der medialen Wirkungsforschung analysiert.

Zweimal pro Berichtsjahr legt die FSF den Geschäftsführern/ Programmverantwortli- chen der Sender einen (internen) Bericht über die programmlichen Tendenzen der Talkshows vor. Für die Öffentlichkeit wird ein Jahresbericht veröffentlicht, der aufge- tretene Konfliktfälle bewertet und im Sinne einer kontinuierlichen Verbesserung des inhaltlichen Standards von Talkshows gegebenenfalls Optimierungsvorschläge unter- breitet.

Die FSF wird über die regelmäßig Organisation von Experten-Tagungen und redakti- oneller Fortbildungsveranstaltungen dazu beitragen, der Mitarbeiterkompetenz inner- halb der Sender und bei (externen) Produktionsgesellschaften zu fördern. Zu diesem Zweck vergibt die FSF Aufträge zur wissenschaftlichen Begleitforschung im Bereich Talkshows im Nachmittagsprogramm sowie Studien zur Einzelfallanalyse von Konfliktfällen.

Die betroffenen Sender stellen die erforderlichen zusätzlichen Mittel zur Verfügung.

Hamburg, den 30.6.1998

(Freiwillige Verhaltensgrundsätze der im VPRT zusammengeschlossenen privaten Fernsehveranstalter zu Talkshows im Tagesprogramm)

6.5 Aufgaben der Dokumentationsstelle

In der Gemeinsamen Stelle Jugendschutz und Programm wird im einzelnen geprüft, ob in Talkshows die Grenze zum Rechtsverstoß überschritten wird. Gleichzeitig wird darauf geachtet, ob die Themen und deren Behandlung sowie Aufbereitung gegen die Programmgrundsätze verstoßen oder das geistige und körperliche Wohl von Kindern und Jugendlichen gefährden. Dies konnte in den vergangenen Jahren nur in wenigen Einzelfällen bescheinigt werden.

Aufgrund der Häufung negativer Abhandlung bestimmter Probleme und der Gesamtwirkung der Themen, soll eine kritische Diskussion in der Öffentlichkeit erzielt werden. Deshalb sieht die Dokumentationsstelle ihre Aufgabe darin:

- Die Themenentwicklung der Talkshows im Tagesprogramm regelmäßig zu beo- bachten und potentiell problematische Sendungen zu dokumentieren § Informationen zu Veranstaltungen und Forschungsprojekten zum Thema Talk- shows systematisch zu erfassen
- Zentrale Anlaufstelle für Anfragen zum Thema Talkshows zu sein

Die Themenzuordnung wurde nach dem Kategorienschema von Bente/Fromm vorge- nommen.

Täglich werden alle ausgestrahlten Talkshows privater Anbieter aufgezeichnet. Bei problematischen Titelthemen, werden diese entsprechend gesichtet und beurteilt. Doch diese Arbeit und die daraus resultierenden Ergebnisse sollen nicht die aufsichtlichen Aufgaben der jeweils zuständigen Landesmedienanstalten ersetzen.

6.6 Prüfung im Hinblick auf Jugendschutzbestimmungen

In den gesetzlichen Bestimmungen zum Jugendschutzvertrag des Rundfunkstaatsvertrags ist folgender Abschnitt für Talkshows relevant:

- 3, Absatz 2 RfStV Unzulässige Sendungen, Jugendschutz

Sendungen, die geeignet sind, das körperliche, geistige oder seelische Wohl von Kindern und Ju- gendlichen zu beeinträchtigen, dürfen nicht verbreitet werden, es sei denn, der Veranstalter trifft aufgrund der Sendezeit oder auf andere Weise Vorsorge, daß Kinder und Jugendliche der betroffenen Altersstufen die Sendungen üblicherweise nicht wahrnehmen; der Veranstalter darf dies bei Sendun- gen zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr annehmen. Bei Filmen, die nach dem Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit für Jugendliche unter 12 Jahren nicht freigegeben sind, ist bei der Wahl der Sendezeit dem Wohl jüngerer Kinder Rechnung zu tragen. Filme, die nach dem Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit unter 16 Jahren nicht freigegeben sind, dürfen nur zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr und Filme, die für Jugendliche unter 18 Jahren nicht freigegeben sind, nur zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr verbreitet werden.

Für die täglichen Talkshows bedeutet das, sie müssen von allen Kindern und Jugendli- chen aller Altersstufen gesehen werden können, ohne daß die Gefahr einer sozialethi- schen Desorientierung gegeben ist, da für diese Sendezeit keine Altersbeschränkung vorliegt. Die Schwierigkeit des Jugendschutzes bei Talkshows ist, daß eine mögliche sittliche Gefährdung schwer greifbar ist, da ungeeignete Inhalte nicht visuell sondern nur verbal dargestellt werden. Anders als die Faszination fiktionaler Beiträge wie Spielfilme, Serien etc. ist eine ähnliche Wirkung unter dem Aspekt von Jugendschutzkriterien auf Talkshows nur bedingt übertragbar.

Während fiktionale Beiträge weit mehr dramaturgische Mittel zur Verfügung haben, um Identifikationen mit Personen oder Handlungen , Erfolge oder Mißerfolge im Hinblick von Verhalten und deren Bestrafung darzustellen, lebt die Talkshow von der I- dentifikationsfigur des Moderators. Diese könnte eher als Leitfigur dienen, ebenso wie ihr Verhalten und ihre Meinung zu Themen, Thesen und Äußerungen. Werden bestimmte Verhaltensweisen vom Moderator für gut und richtig befunden oder als harmlos dargestellt (Kriminalität, Drogenkonsum, bestimmte Sexualpraktiken, Gewaltanwendungen), wird ein falsches Bild von Konfliktlösemechanismen gezeigt bzw. Gewalt verherrlicht. Damit wird eine ungeeignete Darstellung der Realität mit einer negativen Wirkung auf Kinder und Jugendliche herbeigeführt.

Weiter ist eine Beeinträchtigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls von Kindern und Jugendlichen zu befürchten, wenn eine Sendung in ihrer Komplexi- tät, ein Verhalten befürwortet, welches im Widerspruch zu gesellschaftlichen Normen steht und den Eindruck vermittelt, dies sei normal und müsse imitiert werden. In der Lern- und Orientierungsphase suchen Kinder und Jugendliche nach Leitmodellen. Deshalb ist es möglich, daß der Umgang mit der Kommunikation, mit der Würde des Menschen und der Privatsphäre der Gäste ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit vermit- telt.

Inhaltliche Prüfungen von Sendungen, die durch ein problematisches Thema auffallen, erfolgen auf der Basis der Jugendschutzbestimmungen des Rundfunkstaatsvertrages. Die bisherigen geprüften Sendungen überschritten die Grenze zum Rechtsverstoß nicht.

6.7 Prüfung im Hinblick auf Code of Conduct

Wie erwähnt ist eine Beanstandung von Talkshows über den rechtlichen Weg sehr schwierig. Die Freiwilligen Verhaltensgrundsätze der privaten Fernsehveranstalter sind zwar ein erster Schritt in eine positive Richtung, jedoch ist eine rechtliche Bean- standung selten und der eigens auferlegte Verhaltenskodex eine freiwillige Verhal- tensmaßregel. Damit bekunden die privaten Fernsehveranstalter ihren Willen zur Bes- serung ihres Sendeformates, können aber im Prinzip so weiterarbeiten wie bisher, da eine rechtliche Sanktion nicht erfolgen wird. Jürgen Fliege vertritt die Auffassung, daß jedes Thema in seiner Sendung sensibel behandelt wird, auch wenn es sich um Beiträge aus dem Beziehungs- oder Sexualleben handelt. Deshalb unterschrieb die ARD den Verhaltenskodex nicht und Fliege kann sich weiterhin als „Missionar auf der Mattscheibe“ sehen und behaupten:„Das Privateste müssen alle wissen“

(KN 28.2.99).

Die Arbeit der Dokumentationsstelle beinhaltet vorrangig die Überprüfung der Sen- dungen, die aufgrund eines problematisch erscheinenden Themas gesichtet werden. Dabei werden Auftritte, Äußerungen oder Umgangsformen der Talkgäste und der Moderatoren kritisch beobachtet. Verbale Entgleisungen oder mangelnde Gesprächs- kultur zwischen den Talkgästen, sowie vom gesellschaftlichen Konsens abweichende

Extremmeinungen, die nicht durch den Moderator, das Studiopublikum oder einen Experten relativiert bzw. objektiviert werden, werden im Rahmen dieser Prüfung als problematisch eingestuft und den zuständigen Landesmedienanstalten gemeldet. Seit der Veröffentlichung der Verhaltensgrundsätze im Herbst 1998 ist das Thema „Sex“ rückläufig, jedoch eine Verlagerung von Sexthemen auf den Themenbereich „Beziehung/Liebe/Freundschaft“ festzustellen. Hier findet eine kurzfristige verschlei- erte Umschichtung statt. Im Januar 1999 scheint diese Tendenz wieder rückläufig zu sein und die Themen werden aggressiver formuliert. Diese Abhebung von anderen Sendungen ist durch den Konkurrenzdruck zu vermuten, der bedingt durch den Start neuer Sendungen entsteht.

Die Umgangsformen in den Talkshows können oft nicht mit den Freiwilligen Verhaltensgrundsätzen vereinbart werden, da Beziehungsprobleme sehr offensiv ausgetragen werden. Parallel entfernt sich der Gesprächsstil von dem Verhaltenskodex, indem Moderatoren und Talkgäste miteinander, aber auch die Gäste untereinander aggressiv miteinander umgehen. Eine Gegenüberstellung von Extrempositionen führt zu hitzigen Diskussionen, an denen sich das Studiopublikum beteiligt.

Das Sprachniveau ist grenzwertig und bestätigt gängige Klischees. Zwar ermahnen die Moderatoren die Gäste, sich sprachlich zu zügeln, doch können sie sich oft nicht durchsetzen und lassen diese dann gewähren. Die sprachlichen Ausfälle werden vom Studiopublikum beklatscht, bejubelt und selbst von den Moderatoren belächelt. Zwar sollen ausfallende Ausdrucksweisen in Nachbereitung unkenntlich gemacht („über- piepst“) werden, ich habe dies jedoch in den von mir rezipierten Shows nicht bemerkt. Vielleicht liegt der Anreiz einiger Gäste darin, sich durch vulgäre Sprache in den Vor- dergrund zu spielen, um später möglichst oft „überpiepst“ zu werden.

Eine Verweisung des Studios habe ich bei einem Gast gesehen, der dann stolz unter dem Gejohle des Publikum mit erhobenen Händen das Studio verlassen mußte. (13.11.98 Bärbel Schäfer)

Dieses Beispiel zeigt, daß die Auswahl der Gäste nicht immer mit den Verhaltens- grundsätzen zu vereinbaren ist. Dies gilt insbesondere für die Teilnahme von Kindern und Jugendlichen. Kinder sind zu Gast, wenn sich ihre Eltern auf der Bühne streiten oder vom Publikum beschimpft werden. Kinder können nicht einschätzen, was im Rahmen einer Talkshow auf sie zukommt. Sie müssen sich mit erwachsenen Ge- sprächspartnern messen und sind den Diskussionen und Anschuldigungen oft nicht gewachsen. Die fließenden Tränen werden dann in Großaufnahme gezeigt.

Das Fehlen von Konfliktlösungen muß weiterhin bemängelt werden, da nur Ansätze zur Konfliktlösung geboten werden. Eine Hilfestellung ist meiner Meinung nach nicht möglich, da die in einer Talkshow zur Verfügung stehende Zeit nicht ausreichend ist. Eine starke Tendenz zur Emotionalisierung ist auffallend. In Versöhnungs- und Kon- frontationsshows werden Überraschungsgäste eingeladen, Familienmitglieder zusam- mengeführt, verlorengegangene Personen gesucht und Heiratsanträge präsentiert.

Es wird um Verzeihung gebeten, Rache geübt, Fehler öffentlich gemacht und abgeur- teilt. Es werden Konfliktlösungen vorgespielt, die in der Regel nicht stattfinden, da die Personen sich gezwungenermaßen in einer Situation unter Druck der Öffentlichkeit befinden und reagieren. Meist besinnen sie sich nach der Sendung anders und gehen wieder getrennte Wege.

Der Umgang mit der Intimsphäre und den Persönlichkeitsrechten der Talkgäste ist fraglich. Viele Gäste lassen sich aufgrund der öffentlichen Situation aus der Reserve locken und geben mehr intime Details preis, als sie wollten. Es stellt sich die Frage, ob die geforderte Maßnahme der Vor- und Nachbetreuung durch ein kurzes Gespräch mit einem Psychologen genügt, um keine Beeinträchtigung der Entwicklung oder sonstige Schädigung aus dem Fernsehauftritt zu hinterlassen.

Dies sind Ergebnisse aus der Arbeit der Dokumentationsstelle Talkshows der Gemeinsamen Stelle Jugendschutz und Programm.

Um jedoch einen genauen Einblick in eine Prüfung einer Talkshow aufzuzeigen, möchte ich im folgenden Abschnitt eine Sendung von RTL herausstellen, die in der Sitzung des Fernsehausschusses der Niedersächsischen Landesmedienanstalt für priva- ten Rundfunk mit 16 weiteren Talkshows am 23.9.1998 beanstandet wurde. Gegen die Sendung ist ein Beanstandungsverfahren eingeleitet worden, da sie gegen die Ju- gendschutzbestimmungen des Rundfunkstaatsvertrages (§3Abs.2) verstieß.

6.8 Beispiel einer Prüfung

„Bärbel Schäfer: Ich krieg Euch alle“ (live), RTL,15.1.1999, 13 Uhr

I.

Erster Gast ist Gina (28). Sie wird zu Beginn der Sendung mit einem kurzen Video- film vorgestellt, worin sie nackt vor der Kamera posiert. In der Sendung (nach der Werbepause) trägt sie ein sehr tiefausgeschnittenes rosa Kleid. Sie sagt: “Ich bin ein Männertraum und kann jeden kriegen“. Sie ist verheiratet, schläft aber trotzdem auch mit anderen Männern, die sie im Swingerclub trifft. Sie genießt es, daß Männer sie an- schauen und hat Spaß daran. Ein Gast im Zuschauerraum behauptet, daß Gina keine Ehre habe und nicht treu sein könnte. Gina sagt, daß sie ihrem Mann treu sei, obwohl sie mit anderen Männern im Swingerclub schläft, es sei alles erlaubt „was für mich und meinen Mann okay ist“. Der nächste Gast Osman (21) behauptet, daß er alle Frauen kriegen kann, die er will. Eine Anruferin sagt, daß sie Osman „viel zu cool“ und ab- stoßend findet. Osman sagt, daß er Frauen anlügt, um an sie heranzukommen. Ein Gast meldet sich und bietet Gina 50 DM, wenn sie mit ihm hinter die Bühne geht, weitere Männer zücken Geldscheine aus ihren Taschen und versuchen zu überbieten. Die Moderatorin reagiert belustigt: “Jetzt hört mal auf, Jüngen“. Als Osman behaup- tet, daß er auch ein guter Tänzer sei, wird er von der Moderatorin aufgefordert, doch mal mit Gina zu tanzen. Das Publikum klatscht, ein dritter Gast aus dem Publikum springt dazu und tanzt mit. Dirk (36) ist auch davon überzeugt, daß er „jede kriegt“. Er bezeichnet Gina als „billiges Teil“. Er ist aber nicht nur „aufs Abschleppen“ aus, sondern plädiert für „Niveau“. Ihn nerven „billige Anmachen“. Dirk sagt zu Osman, daß er ja noch ein bißchen lernen müsse, weil er noch sehr jung und „schwanzgesteu- ert“ sei. Ein Zuschauer aus dem Publikum stellt Gina die Frage, ob er denn bei ihr Chancen hätte und staunt dann, daß sie so viele Worte kennt. Er bezweifelt dann, daß sie „noch viel mehr als Stöhnen auf Lager hat“. Kurze Zeit später behauptet er, daß sie nur jemanden braucht, der „hier unten was zu lecken hat“. Die Moderatorin unter- bricht den Zuschauer nicht. Gina ist dagegen mit sich zufrieden:“ Mir macht`s so Spaß, wie es läuft.“ Nächster Gast ist Nika (18). Sie sagt:“ Die Männer können mir nicht widerstehen.“ Ihr Traummann muß “Klasse haben“. Nach kurzer Zeit sagt Os- man, daß er Nika ohne weiteres „poppen würde“, weil sie „blöd im Kopf“ sei. Dabei dürfte sie „nichts sagen, nur stöhnen, sonst gar nichts“. Die Chat-Reaktionen werden zum ersten Mal zusammengefaßt. Nach der Meinung eines Chatters hätte der Titel der Sendung für einen Gast wie Osman besser lauten sollen: “Ich kriege jede Gummipup- pe.“ Eine Frau aus dem Publikum behauptet: “Keiner von den Vieren hat eine Aus- strahlung“. Angela (22) ist der nächste Gast. Sie überzeugt die Männer nicht durch ihr Aussehen, sondern durch ihre Art. Sie sagt zu Osman: „Du kriegst doch einen hoch, wenn Du sie vor der Kamera wild rumficken siehst.“- Ein Raunen geht durch das Pub- likum, einige Männer stehen auf und protestieren. Ein Gast im Publikum sagt zu Dirk, der Gina zuvor als „billiges Teil“ bezeichnet hatte: “Ich garantiere Dir, wenn die dich anmacht, Deiner steht wie ne Eins“. Eine Zuschauerin fragt Osman, ob er keine Angst habe, „mal krank zu werden“. Osman: “Meinst Du AIDS oder was?“ Zuschauerin: „...ja zum Beispiel, es gibt auch noch andere Geschlechtskrankheiten...“ Osman: „Es gibt heute so viele Mittel sich zu schützen, was soll das denn...“ Die Moderatorin läßt dieses Thema unkommentiert. Eine weitere Frau aus dem Publikum behauptet etwas später, daß Osman nur mit seinen zwei Millimetern in der Hose“ denke. Der nächste Gast Suli (23) sagt: „Ich wirke auf Frauen wie eine Droge“. Die Moderatorin fordert ihn auf , sein „Anmach-Modell“ vorzustellen. Er behauptet, daß Mädchen heute zum Beispiel darauf stehen, wenn er in der Disco seinen Autoschlüssel zeigt. Nika ist da- von nicht überzeugt. Wenig später fragt er Gina, wie es denn bei ihr unter ihrer Gür- tellinie aussehe. Sie antwortet, daß das “zur Zeit schlecht“ wäre, da müßte er sich ei- nen Film von ihr ausleihen. Die Moderatorin unterbricht das Gespräch. Ein Gast aus dem Publikum vermutet, daß Osman und Suli nur „die Frauen kriegen, die auf Aus- länder stehen“. Im Publikum regt sich lauter Widerstand von einer Männergruppe. Darauf reagiert der Gast: “Ich bin stolz, ein Türke zu sein“- Die Moderatorin greift ein, indem sie die Frage stellt, ob er denn auch jede Frau bekommt. Er antwortet, daß er bestimmt nicht jede Frau bekommt. Eine weitere Zuschauerin meldet sich zu Wort. Sie sagt, daß alle Talkgäste gut aussehen, aber es sei keine Kunst, jemanden für eine Nacht abzuschleppen. Das Publikum applaudiert. Suli startet zum Ende der Sendung einen Aufruf: Er gibt zuschauenden Mädchen „die einmalige Chance“, ihn kennenzu- lernen, weil er zur Zeit solo ist. „Chatman“ faßt die Reaktionen zusammen: Keinem der sechs Gäste wurde im Chat zur Sendung geglaubt, daß er/sie jede bekommt.

II.

Es wurde geprüft, ob durch die beschriebene Ausstrahlung der Live-Sendung gegen Bestimmungen des Niedersächsischen Landesrundfunkgesetz verstoßen wurde. In Betracht kommt hier § 23 Abs.2 LRG. Danach dürfen Sendungen, die geeignet sind, das körperliche, geistige oder seelische Wohl von Kindern und Jugendlichen zu beeinträchtigen, nur dann verbreitet werden, wenn der Veranstalter auf Grund der Sendezeit Vorsorge trifft, daß Kinder und Jugendliche der betroffenen Altersstufen die Sendungen üblicherweise nicht wahrnehmen.

Die Talkshow “Ich kriege Euch alle“ ist aus folgenden Gründen für junge Zuschauer problematisch:

Die in der Fraktion um Osman und Suli auftretenden Männer vertreten aggressiv sozi- alethisch und sexualethisch problematische Ansichten über Frauen und problematische Verhaltensmodelle Frauen gegenüber. Ihre Einstellungen zu Frauen ist stark diskrimi- nierend, was besonders deutlich in ihrem Verhalten zu den Frauen in der Sendung zum Ausdruck gebracht wird. Sie bieten Gina Geld für Beischlaf an; Osman würde

Nika „poppen“, weil sie blöd im Kopf sei, dabei dürfte sie „nichts sagen, nur stöhnen, sonst gar nichts“ etc. Ihre Umgangsweise mit den in der Sendung auftretenden Frauen und Männern, die eine andere Meinung vertreten als sie, ist beleidigend und geprägt durch Mißachtung und Geringschätzung. Das Frauenbild, das sie haben und in der ge- samten Sendung propagieren, ist plakativ auf Frauen als Sexualobjekte reduziert. Ihre Beleidigungen gegenüber Gina sind auch nicht damit zu legitimieren, daß sie in dieser Sendung in einem tief ausgeschnittenen Kleid auftritt und von ihrer freizügigen (nicht unproblematischen) Einstellung zur Sexualität (Besuche in Swingerclubs) erzählt.

Zu monieren an dieser Sendung ist ferner, daß die oben beschriebenen Einstellungen der Gruppe um Osman und Suli weitestgehend unreflektiert behandelt und nicht kri- tisch hinterfragt werden. Die Kritik der Frauen und der Gäste im Publikum und der Chatter findet vorwiegend auf der gleichen verbalen und inhaltlichen Ebene statt: z.B. kritisiert Angela, daß Osman nur mit „seinen zwei Millimetern in der Hose“ denke.

Die kurzen Äußerungen von zwei weiblichen Gästen aus dem Publikum gehören zu den Ausnahmen: Eine Frau weist Osman auf die Ansteckungsgefahr durch AIDS hin, eine andere sagt, es sei keine Kunst, jemanden für eine Nacht abzuschleppen.

Problematisch in diesem Zusammenhang ist auch das Verhalten von Bärbel Schäfer, die als Moderatorin - v.a. für junge Zuschauer - eine Orientierungsperson darstellt. Sie kritisiert die Äußerungen der männlichen Gäste nicht und ordnet sie nicht in einen normativen Kontext ein. Sie reagiert meistens amüsiert und greift nicht einmal ein, wenn Frauen massiv beleidigt werden.

Das in dieser Sendung gezeigte Verhalten der männlichen Talkgäste den weiblichen gegenüber ist geeignet, Kinder und Jugendliche sozialethisch und sexualethisch zu desorientieren. Es werden hier insbesondere junge männliche Zuschauer mit Verhaltensmustern konfrontiert, die sich durch Mißachtung, Aggressivität und Reduzierung des weiblichen Geschlechtes auf Sexualobjekte auszeichnen und somit einen destruktiven und schädigenden Einfluß auf die Einstellung und das Verhalten der jungen männlichen Zuschauer dem weiblichen Geschlecht über haben.

Kindern und Jugendlichen, die sich in der Phase der Persönlichkeits- und Identitätsbil- dung befinden und nach Vorbildern für sozialethisch und sexualethisch adäquate Ver- haltensweisen suchen, werden äußerst problematische Verhaltensmodelle und Einstel- lungen präsentiert, die ihre charakterliche und sittliche Erziehung schädigen und sie zu falschen und abträglichen Lebenserwartungen verführen könnten. Solche Verhaltens- modelle könnten sich somit negativ auf die Erziehung dieser Zuschauergruppe zu ve- rantwortungsbewußten Menschen in der Gesellschaft auswirken. Durch die Ausstrah- lung dieser Sendungen im Tagesprogramm um 13.00 Uhr hat der Veranstalter RTL keine Vorsorge getroffen, daß Kinder und Jugendliche diese Sendung nicht wahrneh- men.

Prüfung der Einhaltung der „Freiwilligen Verhaltensgrundsätze für Talkshows im Tagesprogramm“ Diese Sendung verstößt gegen die Punkte 2, 7 und 9 der freiwilligen Verhaltensgrundsätze.

Nach den Verhaltensgrundsätzen sind unter anderem Aufrufe zu Intoleranz und Be- fürwortung von Diskriminierung zu unterbinden bzw. vom Moderator in den normati- ven Kontext einzuordnen (Pkt.2). Bei Meinungen, deren sozial fragwürdiger Charak- ter offenkundig ist, muß der Moderator die Problematik der Meinung deutlich ma- chen. „Je fragwürdiger die Meinung ist, desto stärker muß das Sendungsganze ein Gegengewicht schaffen, damit sozialethisch desorientierende Wirkungen bei Kindern und Jugendlichen verhindert werden.“ In der Sendung ist es weder der Moderatorin noch den Gästen gelungen, ein Gegengewicht zu den oben geschilderten problemati- schen Einstellungen und Verhaltensweisen der Männergruppe um Osman zu schaffen.

Auch die Art des Umganges untereinander ist problematisch. Im Pkt. 7 heißt es:

„Vulgäre Redeweisen sollen vermieden werden. Dabei wird jedoch auf die unter Ju- gendlichen übliche Sprache Rücksicht genommen. Sollte ein Gast derartige Ausdrü- cke unbedacht benutzen, wird er vom Moderator darauf hingewiesen, dies zu unter- lassen. Sollte er trotzdem weiterhin auf grobe Weise gegen den guten Geschmack ver- stoßen, werden kritische Passagen soweit möglich durch die Redaktion in der Nach- bereitung unverständlich gemacht. Darüberhinaus werden die Gäste durch die Mode- ratoren und die Redaktion vor der Sendung entsprechend vorbereitet.“

Die Problematik des beleidigenden und vulgären Umganges insbesondere mit den weiblichen Gästen ist ebenfalls bereits in der Vorlage beschrieben worden. Da diese Sendung eine Live- Sendung war, konnten deshalb „kritische Passagen“ nicht nachbe- arbeitet werden.

Der Moderatorin muß die Tatsache angelastet werden, daß in der Gesamtaussage der Sendung die Extremvorstellungen der Talkgäste nicht relativiert werden. In Pkt.9 der Verhaltensgrundsätze heißt es, daß der Moderator für die Einhaltung von Regeln verantwortlich ist, die einen Meinungsstreit ermöglichen sollen, der von Achtung der Diskussionsteilnehmer geprägt ist. Kein einziges Mal bezieht Bärbel Schäfer eindeutig Stellung zu diskriminierenden und beleidigenden Aussagen.

Bericht der Niedersächsischen Landesmedienanstalt für privaten Rundfunk (NLM)

6.9 Zusammenfassung der Bemühungen der Anstalten

Kurz nach der Verabschiedung des Verhaltenskodex der VPRT im Juni 1998 war eine deutliche Besserung im Umgang in den Talkshows zu bemerken. Die Moderatoren griffen härter durch, Gäste wurden zurecht gewiesen und gegenläufige Standpunkte eingefordert. Doch seit Anfang diesen Jahres ist diese Tendenz rückläufig und es wer- den folgende Punkte bemängelt, die auch aus Sicht des Jugendschutzes problematisch sind:

- Die in der Sendung präsentierten Konflikte werden in zunehmend aggressiver Form (Anschreien, Beschimpfen, Beleidigen) ausgetragen, wodurch Kinder und Jugendliche mit negativen, von verbaler Gewalt dominierten Konfliktlösemodellen konfrontiert werden, die nicht nachahmenswert sind und die sie beeinträchtigen und sozialethisch desorientieren können.
- Im Mittelpunkt der Sendungen stehen verstärkt belastende Probleme (z.B. Schei- dungen, Sorgerecht), für die keine Aussicht bzw. Hoffnung auf eine positive Lö- sung besteht, da sie sehr verfahren und komplex sind. Den heranwachsenden Zu- schauern wird dadurch ein pessimistisches Bild familiärer und zwischenmenschli- cher Beziehungen vermittelt, welches sie seelisch belasten kann. Potentiert wird diese Wirkung durch die steigende Anzahl solcher Themen im Tagesprogramm. § Die Darstellung der Geschlechterrollen und der Umgang der Geschlechter mitein- ander ist zunehmend problematisch. Kindern und Jugendlichen werden Interakti- onsmuster zwischen den Geschlechtern präsentiert, die sich durch Feindschaft, Verachtung, Kompromißlosigkeit und Aggressivität auszeichnen und einen de- struktiven und sozialethisch schädigenden Einfluß auf die Einstellung der jeweili- gen Altersgruppe zum anderen Geschlecht haben könnten.
- Das Verhalten des Studiopublikums ist negativ zu bewerten, da es die Gäste in menschenverachtender Form angreift, indem es beleidigt und beschimpft. Die Mo- deratoren greifen nicht ein.

(vgl. Bericht der NLM)

Auch wenn die Verstöße gegen den Verhaltenskodex grobe Geschmacksverletzungen beinhalten, sind sie nicht automatisch Rechtsverstöße, da sie meist unterhalb der Grenze zum Verstoß gegen die Jugendschutzbestimmungen des Rundfunkstaatsvertrages bleiben. Das macht eine Kontrolle und Handlung so schwierig. Eine freiwillige Selbstverpflichtung kann eine staatliche Regulierung nur ersetzen, wenn sie ernst gemeint und effektiv ist. Die VPRT - Mitglieder müssen sich an ihren eigenen Verhaltensgrundsätzen messen lassen, sonst wirken sie unglaubwürdig.

Die beschriebene geprüfte Talkshow ist meiner Meinung nach nicht die negativste Sendung, die zu beanstanden wäre. Ich habe weit ausfallendere Talkshows gesehen. Die Schwierigkeit ist, die Grenze der individuellen Geschmacksverletzung zu bestimmen und zu sanktionieren. Wenn es danach geht, könnten gewiß 80 % der Talkshows im Nachmittagsprogramm beanstandet werden.

Deshalb darf der Jugendschutz nicht außer Acht gelassen werden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß diese Sendungen sich langfristig negativ auf Einstellungen und Haltungen in der Gesellschaft auswirken.

Bei der Wirkung auf Kinder und Jugendliche muß bedacht werden, daß Authentizität verstärkend dabei wirkt, Realitäten zu bilden.

Eine Studie des Instituts Jugend Film Fernsehen von 12/98 belegt, daß Mädchen und Jungen im Alter von 10-13 Jahren regelmäßig Talkshows sehen. Die beliebtesten Sen- dungen sind Arabella und Andreas Türck. Die in der Literatur definierte Zielgruppe, die als älter, weiblich und ungebildet beschrieben wird, kann mittlerweile widerlegt werden. Um diese These zu beweisen, möchte ich im folgenden auf die Ergebnisse meiner Fragebögen greifen.

7 Auswertung der Fragebögen

7.1 Einleitung

Als ich ursprünglich den Gedanken hatte, die Diplomarbeit inhaltlich ausschließlich auf Jugendliche zu beschränken, kam ich auf den Gedanken, Fragebögen zu entwickeln. Diese Idee setze ich in die Tat um, da eine Freundin von mir in Flensburg an einem Gymnasium ihr Referendariat absolvierte. Ich wollte herausfinden, ob es wirklich schichtspezifische Unterschiede in der Rezeption gibt.

Meine Freundin bekam die Erlaubnis von ihrer Schulleiterin zur Verteilung der Bögen unter der Bedingung, daß ich eine Genehmigung des Ministeriums für Bildung, Wis- senschaft, Forschung und Kultur vorweisen könnte. Ich besorgte mir die Genehmi- gung, denn die Zeit lief, da meine Freundin vor dem Ende ihres Examens stand. Zwar wurde die Verteilung der Bögen vom Kultusministerium erlaubt, aber nur unter Be- rücksichtigung des §§51 und §§92 Abs.2, Nr.6 des Schleswig-Holsteinischen Schul- gesetzes. Diese besagen, daß die Eltern einverstanden sein müssen und die Schulkon- ferenz vorher anzuhören ist. Das hätte Monate gedauert, da diese Konferenzen nur vierteljährlich stattfinden und meine Freundin zu dem Zeitpunkt nicht mehr dort tätig gewesen wäre. Ein zweiter Versuch, die Schulleiterin zu überzeugen, war nicht er- folgreich.

Als die Realschule in Plön mir erst ihre Mitarbeit versprochen hatte, aber aufgrund dieser Paragraphen ebenfalls einen Rückzieher machte, war ich mittlerweile dermaßen enttäuscht, daß ich das Projekt aufgeben wollte.

Zum Glück war die Preetzer Wilheminenschule (Hauptschule) so kooperativ und hilfsbereit, daß ich die Fragebögen dort einreichte.

Gleichzeitig hatte ich durch einen Elternabend, an dem ich aus beruflichen Gründen teilnahm, einer Lehrerin zweier Berufsschulklassen von dem Problem erzählt. Sie war sofort bereit, mir zu helfen. Im Gegenzug sollte ich Unterlagen über Talkshows zur Verfügung stellen, da ihr dieses Thema interessant genug erschien, um es im Unter- richt zu behandeln.

In zwei Hauptschulklassen führte ich die Untersuchung persönlich durch, bei zwei Berufsschulklassen ließ ich sie von der Klassenlehrerin vornehmen.

Interessant ist die unterschiedliche Ernsthaftigkeit des Ausfüllens.

In den Klassen, in denen ich selber vorstellig war, sind die Bögen sehr viel gewissenhafter ausgefüllt worden als von den Berufsschulklassen. So mußte ich zwei Fragebögen aus der Bewertung nehmen, da sie provokativ und sexistisch waren. Diese unqualifizierten Antworten wollte ich nicht berücksichtigen.

Besonders freuen konnte ich mich über die Anregung, die meine Fragebögen ausgelöst haben. In allen Klassen kam durch meine Nachfrage der Wunsch auf, über dieses Thema zu sprechen. So wurde der Komplex Talkshow anschließend im Unterricht behandelt. Die beiden Klassen, bei denen ich persönlich war, nahmen die Gelegenheit war, mir zu dem Thema Fragen zu stellen.

In meiner Bewertung habe ich die Klassen nicht nach Schulart getrennt, da die Berufsschüler Hauptschüler sind und als Ziel den Realschulabschluß anstreben. Von daher mußte ich den schichtspezifischen Rezeptionsgedanken außer acht lassen und habe die Bögen nach Geschlecht getrennt.

Die Altersstruktur liegt zwischen 15-18 Jahren, davon sind 41 Schüler weiblich, 30 männlich. Im folgenden möchte ich jede Frage in gesamt, männlich, weiblich auswer- ten.

Bei Fragen, die persönliche Angaben wiedergeben, werde ich die häufigsten und interessantesten Antworten aufzeigen.

Leider ist diese Umfrage nicht repräsentativ, kann aber durchaus einen Trend be- schreiben. Gleichzeitig zeigt sie mir, mit welcher Relevanz präventive Aufklärungsar- beit nötig ist.

7.2 Auswertung der einzelnen Fragen

Bewertungen von 1-6 entsprechen der Noten in der Schule. 1=sehr gut, 6= ungenü- gend

Alter : 15-18 Jahre

Insgesamt füllten 41 weibliche Jugendliche den Bogen aus, davon wohnen 30 in der Stadt, 11 auf dem Land.

Von den insgesamt 30 männlichen Jugendlichen wohnen 23 in der Stadt, 7 auf dem Land.

Auf jedem Bogen wurden Hobbys genannt. Diese sind u.a.:

Bei den weiblichen Jugendlichen: Inline-Skaten, Fotografieren, Freunde treffen, Musik hören, Gedichte schreiben, Bummeln, Volleyball, Reiten, Radfahren, Tanzen, Lesen, Computer, Telefonieren, Jungs, Seidenmalerei, Schwimmen, Zeichnen, Karate, Aerobic und Faulenzen

Bei den männlichen Jugendlichen: Computerspiele, Schlafen, Surfen, Radfahren, Fußball, Hockey, Basketball, Skaten, Schwimmen, Freunde, Kraftsport, Kampfsport, Mofa und Angeln

Zu bemerken ist, daß städtische Jugendliche 1-2 Hobbys angaben, während die im ländlichen Bereich wohnenden 5-6 Freizeitbeschäftigungen aufschrieben, die viel mit Eigenbeschäftigung und Natur zu tun haben.

1) Täglich laufen von 11-17 Uhr auf 5 Programmen 10 Talkshows gleichzeitig. Wel- che davon hast Du schon einmal gesehen ? Mehrfachnennungen möglich, bitte an- kreuzen! Wenn Du die Sendungen siehst, gebe ihr bitte eine Note von 1-6.

Insgesamt haben 27 weibliche und 15 männliche Jugendliche schon alle Talkshows gesehen und diese benotet, wie in den folgenden Tabellen zu ersehen ist.

14 weibliche und 15 männliche Jugendliche haben nur einzelne gesehen und be- wertet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bei der Gesamtbewertung aller Talkshows wurde bei den weiblichen Jugendlichen Andreas Türck bevorzugt, gefolgt von Arabella. Sonja belegt den dritten Rang. Bei den männlichen Jugendlichen sind die ersten zwei Plätze identisch, Bärbel rangiert dort jedoch auf dem dritten Platz. Insgesamt setzt sich Andreas Türck vor Arabella, gefolgt von Sonja durch. Es zeigt sich, daß die jungen Moderatoren bevorzugt wer- den.

2) Welche Sendung siehst Du am häufigsten ?

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Auch bei der Einzelwertung zeigt das Ergebnis nochmals eindeutig die Hitliste der Ju- gendlichen. Platz eins: Andreas Türck, gefolgt von Arabella, den dritten Rang belegt Sonja. Alle drei Moderatoren sind jung und spritzig, so daß sie junge Menschen an- sprechen. Erstaunlich ist, daß Hans Meiser vor Birte Karalus rangiert, obwohl er als älterer Moderator nicht in die jüngere Generation paßt. Entweder hat die Anpassung seiner Show Wirkung gezeigt, oder die provokante Vorführung von Menschen schreckt junge Menschen ab.

3) Aus welchen Gründen siehst Du die Sendungen ? Mehrfachnennungen möglich !

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Talkshows werden aus Interesse gesehen, auch wenn die Begründung der Langeweile sehr dicht folgt. Dies zeigt mir, daß die Kombination aus Interesse sowie Langeweile sich höchstwahrscheinlich vermischen.

Es wurden weitere Gründe genannt, die ich aufzeigen möchte:

- Entspannung nach der Schule
- Ablenkung in der Werbepause von Science-fiction Serien
- Probleme anderer Menschen sehen
- Sehen, wie sich andere Menschen lächerlich machen, darüber lästern
- ausgeflippte und aggressive Menschen begutachten
- die Mutter sieht es
- Weiterbilden durch andere Ideen
- gute Themen

Als häufigste Begründung wurde genannt, sich über die Talkshowgäste zu amüsieren oder über sie zu lästern. Der zweite Grund waren die guten Themen.

4) Siehst Du die Sendungen alleine oder mit Freunden, Eltern, Geschwister etc.?

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diese Tabelle zeigt eindeutig, daß die von mir befragten Jugendlichen Talkshows alleine rezipieren. In einigen Fällen sehen sie diese in der Familie, wahrscheinlich, wenn die Eltern sie konsumieren.

5) Sehen Deine Eltern auch Talkshows ?

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die verneinende Antwort ist in der Überzahl, so daß die vorherige These stimmt, daß die Jugendlichen Talkshows eher alleine sehen. Es scheint, daß die Eltern nebenbei die Sendungen konsumieren, da der Faktor `vielleicht` genauso hoch wie die Verneinung ist.

Die Behauptung, daß Talkshows neben der Hausarbeit konsumiert werden, kann nicht stimmen, sonst wäre die positive Beantwortung höher ausgefallen.

6) Wenn Du für die Sendung zwei Themen vorschlagen dürftest, welche wären das ?

- Über Aids und Verhütung
- Piercing am Körper und die Nebenwirkungen
- Wie werde ich berühmt?
- Sollten Ausländer weiterhin in Deutschland bleiben?
- Sollte es weiterhin die Todesstrafe geben?
- Mit 15 schwanger, aber ich möchte es behalten!
- Wieso werden Frauen von ihren Männern geschlagen?
- Wieso mußt Du Dich wichtig machen?
- Keine Unterdrückung von Homosexuellen!
- Ich habe Angst vor meinem Vater!
- Meine Mutter ist ein Weichei!
- Über Drogen
- Über die Prostitution
- Umweltverschmutzung
- Warum werden ausländische Frauen von ihren Männern unterdrückt?
- Gewalt an den Schulen!
- Reiches Kind trifft Arbeitslosenkind!
- Sinn einer Talkshow!
- Wieso gibt es Kriege auf der Welt?

Nicht alle Jugendlichen nannten Themen für eine Talkshow. Einige der Überschriften waren über Schönheit und Sex. Da diese bereits jeden Tag in den Sendungen vor- kommen, halte ich sie nicht für nennenswert. Die oben aufgeführten Themenvorschlä- ge überraschten mich durch ihre Ernsthaftigkeit. Ich interpretiere daraus einen Bedarf an ernsthaften Gesprächen, die Talkshows nicht bieten und deshalb Aufgabe der Schu- len oder des Elternhauses sind.

7) Sprichst Du mit jemand über die Sendung ? Mit wem ?

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Ergebnis zeigt, daß die Jugendlichen die Sendungen untereinander besprechen. Aus den Randbemerkungen im Fragebogen konnte ich ersehen, daß darüber viel ge- lästert wird. Mittlerweile ist in der Berufsschule das Thema Talkshow zu einer Unter- richtseinheit gemacht worden, in dessen Rahmen die Klasse als Zuschauer in eine Sendung fährt. Inhalt der Einheit ist, wie das Fernsehen den Zuschauer manipuliert. Auch in der Hauptschule ist nach meinem Fragebogen über das Thema Talkshow und Wirklichkeit gesprochen worden.

Wichtig ist, daß Jugendliche die Gelegenheit erhalten, belastende Themen anzuspre- chen. Ebenfalls ist es wichtig, die Widersprüchlichkeiten von Talkshows aufgezeigt zu bekommen.

8) Welchen Moderatoren /in findest Du am besten ?

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bei der expliziten Befragung nach dem Lieblingsmoderator, ist es nicht verwunderlich, daß Andreas Türck (gefolgt von Arabella) auf dem vorderen Platz logiert. Sonja und Bärbel Schäfer erreichen den dritten und vierten Platz. Erstaunlich ist jedoch Hans Meiser. Er nimmt den fünften Platz ein und ist somit beliebter als manch jüngere Kollegin/Kollege, die dieses Genre anbieten.

9) Welche Eigenschaften hat Dein /Deine Lieblingsmoderator /in ? Bitte eine Note von 1-6

Da Andreas Türck und Arabella die Lieblingsmoderatoren sind, habe ich nur die Beurteilung dieser beiden Personen vorgenommen. Ich habe diese Bewertung nicht geschlechtsspezifisch getrennt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Als vorrangigste Eigenschaften wird mit Arabella ihre modische Erscheinung verbunden. Erst dann wird sie als unterhaltsam, witzig und intelligent angesehen. Als Vorbild, mit ihrer damit verbundenen Einfühlsamkeit und Hilfsbereitschaft, bekommt sie die Note drei. Über dieses Ergebnis bin ich sehr erstaunt, empfinde ich ihr Verhalten immer sehr betont einfühlsam, hilfsbereit und großzügig.

Andreas Türck ist unterhaltsam, witzig und modisch. Es wundert mich nicht, daß ihm diese Attribute zugestanden werden, ist er doch der einzige Moderator, der seine Gäs- te vor der Kamera auslacht. Dies kann ein Grund sein, weshalb er neben seinem att- raktiven Äußeren stark frequentiert wird. Er macht sich öffentlich lustig über seine

Gäste und dieser Grund der Rezeption wurde in Frage 3 von den Jugendlichen ge- nannt.

An zweiter Stelle wirkt Andreas Türck intelligent und sachkundig. Die Vorbildfunkti- on mit Großzügigkeit und Einfühlungsvermögen wurden an dritter Stelle genannt. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß beide Moderatoren als erstes über die modi- sche Erscheinung definiert werden. Beide fungieren erst an dritter Stelle als Vorbild. Folglich sind die persönlichen Eigenschaften der Moderatoren nicht sehr stark beein- druckend.

10) Glaubst Du, daß den Menschen mit ihren Problemen geholfen wird ?

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Jugendlichen schätzen die Teilnahme an einer Talkshow als eventuelle Problemlösung ein. Die geringere Zahl sieht eine Hilfe in dem Auftritt, während fünf Personen dies verneinen. Ich sehe darin eine realistische Einschätzung, daß die Teilnahme an einer Sendung keine Probleme lösen kann.

11) Welche Beweggründe könnte jemand haben, um sich als Teilnehmer für eine Talk- show zur Verfügung zu stellen ?

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Mit Mehrheit schätzen die Jugendlichen die von mir genannten Beweggründe zur Teilnahme an einer Talkshow positiv ein. Nach der vorherigen Antwort hätte ich eine stärkere Nennung der Punkte Problembewältigung und Hilfestellung erwartet. Mit dem Ergebnis bescheinigen die Jugendlichen, daß die Facetten der Beweggründe zur Teilnahme an einer Talkshow unterschiedlich sein können.

12) Hast Du das Gefühl, es wird in der Sendung genügend auf das Problem des Gastes eingegangen ?

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eindeutig sind die jungen Menschen der Meinung, daß auf das Problem des Gastes genug eingegangen wird. Bei der hohen Anzahl an Gästen pro Sendung kann nicht genügend auf eine Problemstellung eingegangen werden. Hier wird deutlich, daß eine fünfminütige Auseinandersetzung mit dem Thema als ausreichend empfunden wird. Entweder sind die Jugendlichen es nicht gewöhnt, daß sich jemand ihrer Probleme ge- nügend annimmt oder das Fernsehen hat bereits eine Suggestion falscher Tatsachen erreicht.

13) Glaubst Du, daß dem Gast nach der Sendung weitergeholfen wird ?

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Während die Jugendlichen in der vorherigen Frage der Meinung waren, in der Sen- dung werde genug auf das Problem des Gastes eingegangen, ist die Mehrzahl der An- sicht, daß eine ausreichende Nachbetreuung nicht stattfindet. Eine realistische Ein- schätzung bezüglich der Hilfe nach einer Sendung ist in diesem Fall gegeben.

14) Würdest Du gerne an einer Sendung teilnehmen ?

a) als Live - Zuschauer

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Mehrzahl würde an einer Talkshow teilnehmen. Der Grund für die hohe Teilnahmebereitschaft kann mit dem Fakt zusammenhängen, daß eine Berufsschulklasse zu dem Zeitpunkt bereits wußte, daß sie an einer Sendung teilnehmen wird.

b) als Talkgast

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ein knappes Resultat gegen eine Teilnahme bescheinigt gleichfalls die Bereitschaft, eventuell an einer Talkshow aktiv mitzuwirken. Randbemerkungen in den Bögen be- gründeten dies mit der Auswahl der Themen. Bei passendem Thema wäre somit die Bereitschaft höher.

15) Würdest Du etwas Außergewöhnliches tun, um in eine Sendung eingeladen zu werden ?

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Bereitschaft, etwas Außergewöhnliches zu tun, um in eine Sendung zu kommen, ist gering. Ich hätte eine positive Bereitwilligkeit stärker eingeschätzt.

16) Hast Du schon einmal das Gefühl gehabt, durch das Sehen einer Sendung bei ei- nem Problem Hilfe bekommen zu haben ?

a)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eine große Anzahl der Jugendlichen schätzen Talkshows nicht als Hilfestellung ihrer Sorgen. Eindeutig helfen Talkshows wenig bei der Lösung eigener Probleme.

Trotzdem wurden einige Schwierigkeiten genannt, bei denen das Rezipieren des Genre geholfen hat. Diese sind:

b)

- Arbeitslosigkeit
- Bei Vorurteilen
- Bei Homosexualität
- Mit Eltern und Freunden
- Daß man auch verzeihen muß

17) Hast Du durch das Sehen einer Talkshow zu einem Thema eine Erfahrung ge- macht, die Du selbst noch nicht erlebt hast ? Welche ?

- Die Menschen sind giftig und unfair zueinander
- Talkshows füllen alle nur Sendezeit
- Nichts zu erwähnen

Die restlichen 68 Jugendliche beantworteten diese Frage mit nein.

Das bedeutet für mich, daß Talkshows nicht den Wert der eigenen Erfahrung ersetzen kann.

7.3 Interpretation der Ergebnisse

Obwohl die Ergebnisse der Fragebögen nicht repräsentativ sind, können daraus Einflüsse und Auswirkungen auf Jugendliche ersehen werden.

Die ländlich wohnenden Jugendlichen haben mehr Hobbys, die ich als Freizeitbeschäftigung mit Eigeninitiative beschreiben würde. Natur, Tier, Handwerken und Sport wurden häufig genannt.

Die städtischen Jugendlichen gaben vermehrt Bummeln, Freunde treffen, Skaten, Computer und Kampfsport an. Das sind Freizeitbeschäftigungen, die in der Stadt schnell zu erreichen sind und nicht die Eigeninitiative voraussetzen, dort einzutreffen. Trotz der vielen Hobbys gaben 27 weibliche und 15 männliche Jugendliche an, alle Talkshows gesehen zu haben.

Davon gaben neun der 18 auf dem Land wohnenden Jugendlichen an, alle Talkshows gesehen zu haben, was der Hälfte ihrer Anzahl entspricht. Von den 53 städtischen Ju- gendlichen gaben dagegen nur 18 vor, alle Sendungen gesehen zu haben. Daraus in- terpretiere ich, daß die ländlichen Jugendlichen trotz einer Vielzahl an Hobbys, ver- mehrt vor dem Fernseher sitzen. Das kann einerseits an der schlechten Verkehrsan- bindung in die nächste Stadt liegen. Anderseits sind ländliche Jugendliche vom Wetter abhängiger als städtische und können nicht jederzeit ihre Freizeitaktivitäten ausüben. Alle Gesamt- sowie Einzelwertungen der Talkshows ergaben eindeutig Andreas Türck bei den männlichen als auch weiblichen Rezipienten als Favorit. Den zweiten Platz be- setzt Arabella, nur bei dem dritten Rang liegt Sonja bei den weiblichen und Bärbel bei den männlichen Jugendlichen vorn. Auch wenn insgesamt Sonja den dritten Rang be- legt, zeigt dies Ergebnis eindeutig, daß die Rezipienten junge und dynamische Moderatoren bevorzugen.

Wie schon erwähnt, rangiert Hans Meiser auf dem vierten Platz, was mit seinem neuen aggressiveren Sendekonzept zusammenhängen kann. Stimmt diese Annahme, dann müßte Birte Karalus ihm diesen Platz eindeutiger streitig machen, denn in ihrer Sendung werden Menschen massiv vorgeführt. Da dies nicht der Fall ist, gehe ich davon aus, daß seine ruhige Art überzeugt.

Talkshows werden aus Interesse gesehen, zu einem hohen Anteil auch aus Langeweile. Die Jugendlichen nannten als weitere Begründung die guten Themen, aber auch, sich über die Menschen zu amüsieren, um später über sie zu lästern. Zu einem Großteil werden Talkshows alleine gesehen, aber anschließend mit den Freunden besprochen. Eltern sehen keine Talkshows, doch der Punkt `manchmal ` ist sehr hoch angegeben. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß entweder die Eltern mit den Jugendlichen oder umgekehrt implizit mitsehen.

Die vorgeschlagenen Talkshowthemen waren zu einem großen Teil ernsthaft und nen- nenswert. Der Bedarf nach ernsthaften Gesprächen ist vorhanden, wird durch das Genre Talkshow jedoch nicht geboten. Das Gespräch über die Inhalte der Sendungen auf dem Schulhof zeigt einerseits typisches lästerliches Jugendverhalten, anderseits den Bedarf der Kommunikation. Das Rezipieren von Talkshows bietet ein nie- derschwelliges Angebot des Gesprächs. Gleichzeitig ist es `kultig´, über den Lieb- lingsmoderator zu sprechen.

Jugendliche sehen ihre Moderatoren vorrangig aus der modischen Sicht.

Unterhaltsam und witzig erscheint Arabella erst auf dem zweiten Blick, während die- se Eigenschaften Andreas Türck auch als erstes zugestanden werden. Er ist der Mo- derator, über den sich junge Männer als erstes definieren und für den junge Frauen schwärmen.

Er ist ein immer gutgelaunter Jungendschwarm und hat mittlerweile Fernsehrollen angeboten bekommen.

Trotzdem werden beide Akteure über ihre optischen Vorteile beurteilt, sonst wären sie in ihrer Rolle als Vorbild dominanter. Folglich wird erst das Aussehen beurteilt, anschließend die passenden Eigenschaften zugeordnet. Zum Vorbild reicht ein gutes Aussehen nicht und das empfinde ich als eine realistische Einschätzung dieser Funkti- on.

Die Jugendlichen schätzen die Teilnahme an einer Talkshow als eventuelle Problemlö- sung ein. Gleichzeitig vermuten sie Wichtigtuerei, Geldverdienen und TV - Auftritt als zusätzliche Beweggründe, die einen Gast motivieren, an einer Show teilzunehmen. Ei- ne Festlegung auf einzelne Gründe fand nicht statt, was in der Studie Bente/Fromm belegt wird. Insgesamt haben die jungen Menschen es realistisch gesehen, daß in Talk- shows keine Probleme gelöst werden und die Gäste verschiedene Teilnahmegründe aufweisen.

Die jungen Rezipienten sind der Meinung, daß in Talkshows genug auf die Problem der Gäste eingegangen wird. Dieser vermittelte Eindruck ist erschreckend. Dafür kann es unterschiedliche Begründungen geben. Entweder vermitteln die konfusen und vor- getäuschten Gespräche Zuhören und Diskussion oder die Jugendlichen sind diese Art von Gesprächen von zu Hause gewöhnt. Vielleicht nimmt sich keiner ihrer Sorgen an, so daß diese Art der Kommunikation für sie als ausreichend empfunden wird.

Realistischer wird die Hilfestellung für die Gäste nach der Sendung gesehen. Die Mehrzahl war der Meinung, daß eine ausreichend Hilfe nicht gewährt wird.

Die Bereitschaft, an einer Talkshow als Zuschauer teilzunehmen, war sehr hoch. Zwar verneinte die Mehrzahl eine Teilnahme als Gast, ganz sicher waren sie sich letztendlich nicht. Das ist von dem angebotenem Thema abhängig. Dies bedeutet, daß die Teilnahmebereitschaft steigt, wenn das Thema stimmig ist.

Trotzdem würde die Mehrzahl nichts Außergewöhnliches tun, um in eine Show eingeladen zu werden.

Die persönliche Hilfestellung, die eine Sendung bietet, wird als gering angesehen. Das bescheinigt die Nennung von nur fünf Gründen, bei denen geholfen werden konnte. Gleichzeitig bieten Talkshows keine Gelegenheit, um Erfahrungen zu sammeln.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß ich erstaunt bin über die Einschätzung der Jugendlichen. Ich hätte mehr Bereitschaft zur Teilnahme und bereits stattgefundenen Auswirkung auf die Gefühlswelt und Identifikation erwartet. Ich habe die Vermutung, daß dies Genre einerseits aus Langeweile von den jungen Menschen gesehen wird, anderseits wegen des Moderatoren Andreas Türck.

Die Sendungen bieten eine breite Fläche zum Lästern, um sich über die dargebotenen Menschen, Probleme, Diskussionen und Ausfälle lustig zu machen. Insgesamt interpretiere ich aus den Fragebögen bei den Jugendlichen noch keine gefährdende Beeinflussung bezüglich der Realität. Eine Veränderung aus ethischer Sicht kann darin gesehen werden, daß die Jugendlichen die aggressiven Talkrunden bevorzugen, obwohl sie es richtig einzuschätzen wissen, daß den Personen nicht geholfen wird. Gleichzeitig werden die Sendungen wegen der Moderatoren rezipiert. Eine Beeinflussung bezüglich der Identifikation ist gegeben.

Die Vermutung, daß auf das Problem der Gäste genügend eingegangen wird, zeigt die einzige definitive Fehleinschätzung, die das Genre bereits vermitteln konnte. Dies alles zusammen bescheinigt mir einen hohen Bedarf an Kommunikation, persön- liche Rückmeldung für den einzelnen und Meta - Kommunikation über Talkshows. Dies bekommen die Jugendlichen scheinbar nicht zu Hause und die Schule kann dies nur bedingt leisten.

8 Präventive Möglichkeiten

Präventive Gedanken bezüglich einer vernünftigen Rezeption in Form von Vermitt- lung, Auswahl, Bearbeitung und Besprechung kann in der heutigen Multimediawelt nicht alleine Aufgabe des Elternhauses sein. Gleichzeitig läßt sich eine präventive Ar- beit nicht ausschließlich auf Talkshows beschränken. Es umfaßt das gesamte Gebiet der medialen Beeinflussung. Deshalb werde ich diese Gedanken verallgemeinern. Die Nutzer des Fernsehens werden immer jünger, was nicht nur alleine dem gestiege- nen Angebotsdruck der Medienindustrie zuzuschreiben ist. Neben dieser Ursache tra- gen zusätzlich eine verhäuslichte Kindheit, Verinselung der Lebenswelten, Kommerzi- alisierung von Kindheit und Jugend, aber auch eine veränderte Familienstruktur mit wenigen Kindern dazu bei.

Mich interessiert der Blick auf die jugendlichen Nutzer. Jugendliche bevorzugen in ih- rem Alter eine Freizeitnutzung außerhalb des Elternhauses. Ihre Aktivitäten finden bei Freunden statt, verbunden mit Freizeitorten wie Diskothek, Kino, Musikkneipen, Ein- kaufszentren, Jugendzentren u.v.m. Überall dort werden sie mit dem gestiegenen An- gebot der verschiedenen Medien konfrontiert. Eine Vermeidung ist nicht möglich, deshalb ist es um so wichtiger, den Jugendlichen einen vernünftigen Umgang damit zu ermöglichen.

8.1 Im Elternhaus

Der Grundstock des Umganges mit dem Medium Fernsehen wird in der Familie vermittelt. Eltern prägen entscheidend das Medienverhalten ihrer Kinder. Die ohnehin schwierige Aufgabe der Erziehung wird durch die Medienerziehung zusätzlich erschwert. Die Kunst liegt darin, Kindern und Jugendlichen eine Medienkompetenz zu vermitteln, die ein gestaltetes Nutzungsverhalten beinhaltet.

Voraussetzend ist eine Bereitschaft der Eltern, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten kritisch dem Thema Medium zu stellen. Selbst aus meinem eigenen Bekanntenkreis ist mir der Babysitter `Fernsehen` ein Begriff. Wollen die Eltern am Wochenende ausschlafen, die Mütter in Ruhe in der Küche das Essen vorbereiten oder nur fünf Minuten telefonieren, wird der Fernseher als Ablenkung eingeschaltet. Sieht der Vater nach der Arbeit oder am Wochenende seine Lieblingssendung, wird das Kind automatisch zum Aktivseher.

Hier beginnt der niederschwelligste Ansatz in der Familie.

Der Verzicht auf eine Sendung in Anwesenheit der Kinder kann nicht schwer sein, wenn es notfalls die Möglichkeit des Aufzeichnens durch den Videorecorder gibt. Die elterlichen Beweggründe der Rezeption sind Vorbild für das Kind. Eltern müssen sich die Frage stellen, wann sie fernsehen.

Ist es zur Entspannung, zur Ablenkung, um Kommunikation entstehen zu lassen, aus Langeweile, Einsamkeit oder Interesse ? Kinder lernen von den Eltern und nehmen die vorgespiegelten Verhaltensweisen an.

Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Standort des Gerätes ist ebenfalls einfach zu bewirken. Fernseher sind häufig als Lebensmittelpunkt der Familie im Wohnzim- mer plaziert. Von jeder Ecke aus ist das Bild zu erkennen, so wird er automatisch ein- geschaltet und Begleiter der täglichen familiären Interaktion sein. In diesem Zuge soll- te die Anzahl der TV - Geräte im Haus überprüft werden. Eine hohe Anzahl vermittelt dem Kind den Eindruck, ein wichtiger Bestandteil des Lebens zu sein. Den sinnvollen Umgang mit dem Genre erlernen Kinder nicht durch Verbote. Kinder und Jugendliche definieren sich heute über Produkte und produktbezogene Tä- tigkeiten wie Medien, Mode und Konsum. Sie können und dürfen sich diesem Einfluß nicht entziehen. Wichtig ist die Vermittlung traditioneller Werte in Familie, Nachbar- schaft, Milieus und regionalem Umfeld.

In einer kritischen und selbstbewußten Erziehung mit dem Medium Fernsehen erlernen Kinder die Bewertung von Filminhalten. Auch hier sind die Eltern Vorbild mit der Vermittlung von Reaktionen und Einstellungen auf gesendete Inhalte. Das Fernsehen zur Belohnung oder Bestrafung als Erziehungsmittel einzusetzen, erhöht seinen Stellenwert im kindlichen Erleben.

Eine gezielte Auswahl vermeidet stundenlanges fernsehen.

Eingeschränkte Lebensräume für Kinder und Jugendliche bieten immer weniger Platz für freies Spiel und Selbsterleben. Deshalb ist ein positives Freizeitangebot wichtig. Können die Eltern dies nicht bieten, muß Kindern und Jugendlichen die Chance gege- ben werden, Freizeitgestaltung in Vereinen, beim Sport, in Gruppen oder Jugendzent- ren positiv zu erleben.

Natürlich ist die Bereitschaft der Eltern Grundvoraussetzung, ihren Kindern und Jugendlichen den Grundstock für einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Medium Fernsehen zu vermitteln. Gezielte Sendungsauswahl, kritische Auseinandersetzung mit den Inhalten, Ausschalten nach einer Sendung sowie Aktivität statt Fernsehen, vermittelt den Inhalt, daß Fernsehen keinen herausragenden Stellenwert besitzt. Um Handlungsalternativen für Kinder und Jugendliche zu bieten, muß eine Vernetzung von Eltern, Schule und Freizeit geschehen.

8.2 In der Schule

Die Begeisterung und Bereitschaft, mit der die Schüler die Fragebögen ausgefüllt ha- ben, zeigt mir, daß ein hoher Bedarf vorhanden ist, sich mit diesem Thema auseinan- derzusetzen.

Eine Vermittlung vernünftigen Fernsehverhaltens findet in vielen Haushalten nicht statt. Deshalb ist es um so wichtiger, daß die Schule das Thema Fernsehen im Unter- richt bearbeitet, um ein Angebot der Sensibilisierung zu ermöglichen. Zu Recht fragt sich die Schule, was sie nicht noch alles im Unterricht behandeln soll. Die Schule hat aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen erzieherische Anteile über- nommen, die im Elternhaus stattfinden sollten. Veraltete Lehrpläne und Lehrkörper, Unterrichtsausfall und Stellenstreichungen erschweren die Durchsetzung dieser Auf- gaben.

Eine reine Wissensvermittlung reicht meiner Meinung nicht aus, Kinder und Jugendli- che für das Leben ausreichend vorzubereiten. Schule und Alltag bieten täglich Lebens- und Erfahrungsraum, der anders verläuft, als es im Fernsehen dargestellt wird. Schulische Medienerziehung muß in den selbständigen und kritischen Umgang mit dem Medium einführen, nicht fächerübergreifend, sondern als fester Bestandteil des Lehrplanes.

„Schülerinnen und Schüler müssen die unterschiedlichen Medienarten kennenlernen, Medienangebote verstehen und Kriterien zur bewußten Auswahl und Auswertung anwenden. Schule muß zeigen, wie Medien ihre Stoffe inhaltlich und gestalterisch darbieten und wie die Art und Weise der Darbietung die eigene Sichtweise, die Vor- stellung und Beurteilungsmuster beeinflussen. Medienerlebnisse müssen gemeinsam aufgearbeitet werden. Vor allem im Gespräch, das gilt für die Schule, das gilt für das Elternhaus. Und in der Schule muß die Freude, der Reiz am genauen und differenzier- ten Wahrnehmen der Medien und der Medienproduktion gelernt werden, das genaue Betrachten, das genaue Analysieren, auch das genaue Herstellen von Medien.“

(Karpen 1995, S.33)

Diesen Anspruch umzusetzen, erfordert einer Konzeption, die in diesem Kapitel nicht erarbeitet werden kann. Dennoch möchte ich einige Gedanken zu einer möglichen o- der bereits vorhandenen schulischen Medienarbeit beschreiben.

Projekttage in Schulen bieten gute Möglichkeiten, in verschiedenen Ansätzen das Medium Fernsehen zu bearbeiten. Ein selbstgedrehter Film, ein entworfenes Theaterstück über das Fernsehverhalten, eine Talkshow mit Lehrern und Schülern u.v.m. Dies muß im Unterricht vorbereitet werden, verlangt die Konzeption verschiedener methodischer Arbeitsschritte, bis zur Nachbearbeitung im Unterricht. Solche feste Unterrichtseinheit wäre ferner über das Thema Talkshow möglich. Schule kann Alternativen zum Fernsehen aufzeigen, indem sie im Unterricht kreative Schwerpunkte zur Freizeitgestaltung setzt.

Inlineskater fahren und Breakdance sollten zum Bestandteil des Sportunterrichts wer- den, anstelle von Basketball oder Reckturnen. Schüler organisieren eine günstige Klassenfahrt anstelle der teuren Tour nach München oder Frankreich, die der Lehrer vorschlägt.

Wichtig sind alternative Anregungen zur inhaltlichen Lebensgestaltung im Rahmen der jugendlichen Möglichkeiten.

Dies kann auch durch außerschulische Unterstützung geschehen.

Fernsehsender, Zeitungs- und Radioredaktionen können in Verbindung mit der Schule Projekte erarbeiten, die den Schülern den aktiven Kontakt mit dem Medium ermögli- chen.

Projekte mit Studenten und Hochschulen könnte ich mir ebenfalls vorstellen.

Bereits in der Lehrerausbildung können diese Schritte beginnen, bereiten sie doch auf die aktive Laufbahn vor.

Meiner Meinung nach muß jede Erziehungseinrichtung Medien thematisieren, das Personal fortbilden und sich verpflichtet fühlen, auch die Eltern anzusprechen und für das Thema zu sensibilisieren.

Institutionen wie der `Offene Kanal` der ULR , Vereine, Institute usw. bieten Projek- te, Mitarbeit, Veranstaltungen, Sendemöglichkeiten u.v.m. zu einer aktiven Medienar- beit an.

Diese Angebote können von der Schule aber auch privat genutzt werden.

Ideen und Angebote für einen vernünftigen Umgang mit dem Medium Fernsehen sind vorhanden, sie müssen nur von Schülern und Lehrern initiiert und genutzt werden.

8.3 In der sozialpädagogischen Arbeit

Ein kritischer Umgang mit dem Fernsehen muß in jeder Einrichtung geschehen, die sozialpädagogisch arbeitet. Die erarbeiteten schulischen Vorschläge zur methodischen Umsetzung sind in diesen Bereich übertragbar.

Wichtig ist, nicht aus pädagogischer Bequemlichkeit die Augen zu verschließen und den Jugendlichen medial gewähren zu lassen, sondern die Auseinandersetzung und den Mut zur Kritik zu suchen und diese anzuwenden.

In der täglichen pädagogischen Arbeit bedarf es einer hohen Ausdauer, pädagogische Ziele zu erreichen. Eine konstruktive, kritische und anregende Auseinandersetzung ist notwendig, um junge Menschen im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu kritisch urteilenden Mitbürgern zu erziehen.

9 Schlußfolgerung

Das Genre Talkshow ist vorhanden und wird vom Rezipienten genutzt. Die Gründe sind unterschiedlich, ersetzen sie doch die tägliche Kommunikation und bieten Identi- fikation für jeden einzelnen. Die Darstellung des Abnormalen bestätigt die eigene Normalität. Dies kann zur Festigung eigener Verhaltensweisen und Werte führen, aber auch eine Distanz gegensätzlicher und fremder Verhaltensweisen bewirken. Gleichzeitig symbolisiert dies einen Verlust an Identität und Miteinander in der Gesell- schaft. Diese inszenierte Wirklichkeit, ursprünglich als günstige Nachmittagsprodukti- on erdacht, übernimmt vielschichtige Funktionen in der heutigen Gesellschaft. Das zeichnet einen Werteverfall aus.

Talkshows übernehmen Erziehung, gleichen Defizite aus, bieten Personenbezug, Abwechslung, Hilfestellung und Identitätsmuster. Das alles unter dem Druck der Quote. Diese erlogene Hilfestellung via Fernsehen wirkt um so glaubhafter, je näher die Darstellungen den inneren und psychischen Bedürfnissen des Rezipienten kommen. Eine zunehmend anonyme Welt, die keinen Dorfplatz zum Plausch über den Gartenzaun bietet, gibt Talkshows die Chance, fehlende Sozialkontakte zu ersetzen. Mangelnde Vorbilder im Elternhaus, in der Schule oder in der Freizeit bieten Moderatoren die Funktion des Wegweiser in einstudierte Verhaltensweisen.

An dieser Stelle sollte auf der Seite des Rezipienten angesetzt werden, der lernen muß, sich aktiv und reflektiert dem Medium Fernsehen zu stellen. Der Ansatz muß im Kindesalter beginnen, ist Aufgabe von Elternhaus, Kindergarten, Schule und allen pä- dagogischen Einrichtungen. Ansonsten ersetzt Fernsehen Familie, Freunde und Hob- bys, eröffnet die Flucht in Scheinwelten, macht passiv, aggressiv und dumm. Die Sorge ist nicht unbegründet, sind diese Tendenzen doch bereits in den täglichen Talkshows zu ersehen.

Dies Genre spiegelt die rasante Veränderung in unserer Gesellschaft wieder. Heute wird niemand durch Leistung und Anerkennung zum Star, es reicht eine kurze Begebenheit in der Öffentlichkeit, um als Idol und Vorbild zu gelten.

„Statt einer emanzipatorischen, partizipatorischen, demokratischen sei in Gestalt von Talkshows und Lebenshilfesendungen eine illusionäre, manipulative Öffentlichkeit ü- ber uns gekommen, die sich Biographie ihrer Hörer und Teilnehmer nur aneignet, um sie ihrer Individualität zu enteignen. Was aussehe wie Enttabuisierung des privaten Lebens, sei ein unter der Regie der Fernsehanstalten entfachtes Ritual der Selbstdar- bietung, das mit Politisierung nichts, dafür mit einer neuen Entmündigung umso mehr zu tun habe“.

(Keppler 1998, S.90 in medien&erziehung)

10 Zusammenfassung

Talkshows, ein Angebot des Alltages mit Einfluß auf die Gefühlswelt und Identifikation des Rezipienten ? Meiner Meinung nach muß diese Frage eindeutig bejaht werden. Gehen wir von der Behauptung aus, daß das nur weibliche, ältere und ungebildete Rezipienten Talkshows konsumieren, wurde diese These in dieser Arbeit bereits belegt. Die hohe Rezeption gerader jüngerer Zuschauer ist erschreckend, hinsichtlich der ungefilterten Einflüsse, die Talkshows verbreiten.

Dem Rezipienten wird die eigene Phantasietätigkeit abgenommen. Damit geht ein Stück Lebensqualität in Form von Eigenerfahrung verloren. Übrig bleibt die Unfähigkeit, eigene Konflikte zu bewältigen. Eine sachliche Kommunikation wird nicht mehr vermittelt, sie ist rein emotionalisiert und personalisiert.

Unterstützend wirkt die persönliche Bindung an den Moderatoren, der mit seinen in- dividuellen Eigenschaften den Zuschauer an seine Sendung bindet. Die von Hertha Sturm beschriebene lebensreale Wahrnehmung wird durch Talkshows zu einer medien - vermittelnden Wahrnehmung. Der Rezipient glaubt, was er sieht und das ist manipuliert. Das Fernsehen ist wirklicher als die Wirklichkeit, es gibt nur schwarz oder weiß, gut oder böse. Das geht so weit, daß Talkshowgäste nach der Sendung bedroht werden. Dort ist bereits der Blick für die Realität verloren gegan- gen.

Talkshows fungieren nicht nur als Ersatz für Kommunikation und Sozialkontakte, sie dienen als Plattform zur Problembewältigung. Sie vermitteln dadurch den Eindruck, Probleme werden vor einem Millionenpublikum gelöst und nicht unter den Betroffe- nen selber.

Die Bemühungen der Anstalten hinsichtlich der beschriebenen Problematiken wirken bisher nicht ausreichend. Um Kinder und Jugendliche vor Einflüssen zu schützen, müssen im Elternhaus und Schule Aufklärung und Umgang mit dem Medium sowie Alternativen in der Freizeitgestaltung geboten werden.

„Dramatische Medienkonzentration, Milderung der Qualitätsverantwortung bei einem Teil der Anbieter und gleichzeitig eine erschreckende Abnahme des Respekts vor Pri- vatheit und Intimsphäre: Realitätsfernsehen, Beichtshows, sensationell aufgemachtes Infotaiment, die Aufweichung des Privatlebens von Menschen, die aus Sensations- gründen in der Fernseharena zur Schau gestellt werden, all das hat in der Familie, am Arbeitsplatz, im gesellschaftlichen und politischen Leben Spuren hinterlassen, die un- ser Land verändern“

(Rede auf den Stendener Medientagen 1994, zit. nach Wolf, 1994, S.271).

Das Problem besteht jedenfalls nicht darin, was die Leute sehen. Es besteht darin, da ß wir sehen. Und die Lösung müssen wir darin suchen, wie wir sehen“ (Postmann 1992, S.194)

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Brezinka, Wolfgang: Werteerziehung ? Problematik und Möglichkeit in Pädagogische Rundschau Nr.44, 1990, S.371-394

Dokumentationsstelle Talkshows der Gemeinsamen Stelle Jugendschutz und Programm der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten

Erz, Katharina: Brot und Spiele ? Die Talkshow in TV Diskurs 7/98 Ausgabe 5

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Fley, Matthias: Talkshows im deutschen Fernsehen. Konzeption und Funktion einer Sendeform. Universitätsverlag Dr. N. Brockmeyer 1997

Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen e.V. Pressespiegel März - Oktober 1998 Goldner, Colin: Stimmen des Volkes in Journalist Nr.7/96, S.47 - 54

Graf, Gerhard: Daytime Talkshows - Desorientierung oder gesellschaftliche Integra- tion ? Ein Plädoyer für die Fokussierung des Alltäglichen in TV Diskurs 10/98 Aus- gabe 6

Grimm, Jürgen: Talkshows aus Sicht des Rezipienten in TV Diskurs 1/99 Ausgabe 7 Henkel, Martin: Seele auf Sendung. Argon Verlag Berlin 1998

Hillmann, Karl-Heinz: Wertewandel. Zur Frage soziokultureller Voraussetzungen alternativer Lebensformen. Darmstadt 1986

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Hurrelmann, Bettina: Fernsehen in der Familie. Weinheim 1989

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Informationsmaterial der Sender ZDF, Sat1, Pro7, RTL und TELE TIME Jugendschutzvertrag des Rundfunkstaatsvertrags

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Videomaterial

Spiegel-TV Reportage „Exhibitionismus- Was treibt die Deutschen zu Enthüllungen und ins Fernsehen?“ Herbst 1997

Talk vor Mitternacht „Zu Tode gequatscht“ vom 29.3.98 auf N3

Talk vor Mitternacht „ Ein Hundehasser auf Talkshow-Tour“ vom 19.4.98 auf N3

Anhang - ohne Seitennummerierung

Fragebogen

Gesamte Talkshowthemen des Zeitraumes 29.12.97-15.12.98 bereitgestellt von der Dokumentationsstelle Talkshows der Gemeinsamen Stelle Jugendschutz und Pro- gramm

Erklärung

Hiermit erkläre ich an Eides statt, daß ich die vorliegende Arbeit selbständig und nur unter Verwendung der angegebenen Quellen und Hilfsmittel angefertigt habe.

Falkendorf, den 7.5.1999 Christine Voß

Ende der Leseprobe aus 90 Seiten

Details

Titel
Die täglichen Talkshows ...
Hochschule
Fachhochschule Kiel
Note
2
Autor
Jahr
2001
Seiten
90
Katalognummer
V99083
ISBN (eBook)
9783638975322
Dateigröße
683 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Der Anhang ist nicht enthalten.
Schlagworte
Talkshows
Arbeit zitieren
Christine Voß (Autor:in), 2001, Die täglichen Talkshows ..., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99083

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