Marx: Das Bewußtsein ein Produkt materieller Bedingungen


Referat / Aufsatz (Schule), 2000

9 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Karl Marx: Das menschliche Bewußtsein ein Produkt materieller Bedingungen

Der mir vorliegende Text wird erst richtig verständlich, wenn man den dazugehörigen Kontext, d.h. den Marxismus zumindest in seiner anthropologischen Ausrichtung genauer betrachtet. Aus Zeitgründen werde ich kaum auf die Politologie und Ökonomie des Marxismus eingehen. Zuerst möchte ich kurz den Verfasser dieses Textes vorstellen.

Karl Heinrich Marx wurde am 5.5.1818 in Trier, das damals 15 000 Einwohner umfaßte und im Moseltal von Weinbergen umgeben lag, geboren. Trier zählte damals zu den ältesten und schönsten Städten römischen Ursprungs. Diese Stadt mit ihren vielen historischen Bauten und der jahrhundertealten Geschichte war sicherlich einer der Hauptgründe für Marx geschichtliche Leidenschaft.

Sein Vater war Heinrich Marx, ein in Trier sehr angesehener Justizrat, der genauso wie die Mutter von Marx aus einer Familie stammte, die jüdischer nicht hätte sein können: Die Familie pflegte eine jahrhundertealte Rabbinertradition, die sehr berühmte jüdische Rabbiner hervorgebracht hat. Marx Vater wich von dieser Religiosität ab, er interessierte sich sehr für Rousseau und verpflichtete sich der Aufklärung nach französischem Vorbild.

Nach der Übernahme der Rheinlande durch Preußen, sah sich die Familie gezwungen, dem Protestantismus überzutreten, da die Juden nur noch so eine Chance hatten öffentliche Ämter weiterhin zu bekleiden.

Die Familie lebte in einem gewissen bürgerlichen Wohlstand, doch läßt sich aus der geringen Einkommenssteuer von Heinrich Marx und der Korrespondenz zwischen Vater und Sohn ersehen, daß die Familie haushalten mußte.

Marx machte 1835 am Gymnasium in Trier sein Abitur, Er stand leicht über dem Durchschnitt, von den 32 Schülern der Klasse belegte er gemeinsam mit zwei anderen den achten Platz. Es schloß sich ein Studium der Rechtswissenschaften zunächst in Bonn und ab 1836 in Berlin an, später widmete er sich aber vorwiegend der Philosophie und dort speziell Hegel. So schloß er sich den Junghegelianern unter der Führung des Theologen Bruno Bauer an. In diesen Kreisen war von einer baldigen großen sozialen Katastrophe die Rede; die Junghegelianer dachten deshalb auch über mögliche politische Aktionen nach. Mit der Arbeit „Die Differenz der demokritischen und epikuräischen Naturphilososphie“ promovierte er 1841 in Jena. Nachdem sich die Aussichten auf eine akademische Karriere in Bonn wegen des Lehrverbots seines Freundes Bauer zerschlagen hatten, übersiedelte er nach Köln und wurde Mitarbeiter, später Chefredakteur der „Rheinischen Zeitung“: Diese Zeitung machte er zu einem führenden Oppositionsblatt gegen die preußische Regierung. Nach dem Verbot der Zeitung durch die preußische Zensur ging Marx im Herbst 1843 nach Paris. Zuvor hatte er seine langjährige Verlobte Jenny von Westphalen geheiratet, deren äußerst gebildeter Vater den jungen Marx sehr beeinflußt hatte. In Paris lernte Marx die wichtigsten Vertreter des französischen Sozialismus kennen und machte die Bekanntschaft Heinrich Heines und Herweghs und begann ein ausführliches Studium der politischen Ökonomie, auf diese Studien gegründet erschienen die erst 1932 veröffentlichten „Ökonomisch- philosophischen Manuskripte“. Auch lernte er in Paris Friedrich Engels kennen. Beide sollten lebenslang Freunde bleiben.

In Marx Beiträgen zu den „Jahrbüchern“ vollzog Marx den Übergang zum revolutionären, von er welthistorischen Rolle des Proletariats ausgehenden Sozialismus.

1845 ging Marx nach Brüssel, von der französischen Regierung, vor allem wegen der preußischen Beschwerden an der Zeitung „Vorwärts“, an der sich Marx maßgeblich beteiligt hatte, ausgewiesen. 1846 gründete Marx mit seinem Freund Engels ein „Kommunistisches Korrespondenz-Komitee“, durch das sie sich die Bildung einer eigenen revolutionären proletarischen Partei erhofften. 1847 schrieb Marx im Auftrag des Bundes der Gerechten das „Manifest der Kommunistischen Partei“ in dem es u.a. heißt „Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen [...] Die ganze Gesellschaft spaltet sich mehr und mehr in zwei große feindliche Lager, in zwei große, einander direkt gegenüberstehende Klassen: Bourgeoisie und Proletariat. [...] Die Arbeit der Proletarier hat durch die Ausdehnung der Maschinerie und die Teilung der Arbeit allen selbständigen Charakter und damit allen Reiz für den Arbeiter verloren. Er wird ein bloßes Zubehör der Maschine, von dem nur der einfachste, eintönigste, am leichtesten erlernbare Handgriff verlangt wird. Die Kosten, die der Arbeiter verursacht, beschränken sich daher fast nur auf die Lebensmittel, die er zu seinem Unterhalt und zur Fortpflanzung seiner Rasse bedarf. Der Preis einer Ware, also auch der Arbeit ist aber gleich ihren Produktionskosten. In demselben Maße, in dem die Widerwärtigkeit der Arbeit wächst, nimmt daher der Lohn ab. Noch mehr, in demselben Maße wie Maschinerie und Teilung der Arbeit zunehmen, in demselben Maße nimmt auch die Masse der Arbeit zu, sei es durch Vermehrung der Arbeitsstunden, sei es durch Vermehrung der in einer gegebenen Zeit geforderten Arbeit, beschleunigten Lauf der Maschinen usw.“

In dem Kommunistischen Manifest geht er noch auf das Ungleichgewicht der Produktionsverhältnisse ein und bezeichnet den Arbeiter als einen gemeinen Industriesoldaten, der Knecht des Kapitals ist. Gleichzeitig fordert er zur Revolution der Proletarier gegen die Bourgeoisie auf und sieht einen Lösungsweg in der Vergesellschaftung der Produktionsmittel. Er fordert eine klassenlose Gesellschaft in der alle gleich sind. Das Manifest endet mit dem berühmten Satz:“ Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“

Wegen seiner kommunistischen Aktivitäten wurde Marx 1848 zunächst verhaftet, dann aus Belgien ausgewiesen. Über Paris, wo eine provisorische Revolutionsregierung herrschte, reiste er nach Deutschland zurück. In Köln übernahm er die Herausgabe der „Neuen Rheinischen Zeitung“, die sich für ein Bündnis aller demokratischen Kräfte gegen die alten Mächte einsetzte. Nach der deutschen Revolution wurde Marx im Mai 1849 als Ruhestörer von der preußischen Regierung ausgewiesen. Über Paris ging er nach London ins Exil, wo er den Rest seines Lebens verbrachte, oft in finanzieller Not, auf den Ertrag journalistischer Arbeiten für verschiedene Zeitungen und auf die Unterstützung seines Freundes Engels angewiesen. In der Folgezeit versuchte er in seinen Schriften die historischen Ereignisse mit Hilfe der klassenanalytischen Methode zu analysieren.

Anfang 1850 begann er mit umfangreichen Entwürfen zu seinem Lebenswerk „Kritik der politischen Ökonomie“, die erst 1938 aus dem Nachlaß publiziert wurde. 1859 erschien seine erste Fassung „Zur Kritik der politischen Ökonomie“ im Druck, 1867 folgte der erste Band von „Das Kapital“, dessen zweiter und dritter Band erst postum durch Engels ediert wurden.

Seit den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts wirkte Marx wieder als Organisator der Arbeiterbewegung.

Durch ihn entstand 1864 die erste Internationale Arbeiter Association, deren programmatische Inauguraladresse er verfaßte. Doch es entbrannten heftige Konflikte zwischen der Richtung von Marx und Engels auf der einen und anarchistischen Strömungen andererseits., die den Zusammenbruch der Internationale zur Folge hatten. Marx zog sich seitdem von allen politischen Aktivitäten zurück. Er war überzeugt, daß sich das Zentrum der revolutionären Entwicklung von Frankreich nach Deutschland verlagert habe, doch blieb er äußerst kritisch gegenüber Ferdinand Lassalle, der eine Lösung der sozialen Probleme mit dem Staat suchte. So kritisierte er scharf das Gothaer Programm der Sozialdemokratie. Auch die später praktizierten politischen Systeme z.B. in der DDR und Rußland verdienen nicht die Bezeichnung Marxismus, sondern sind eindeutig Pervertierungen desselben Am 14.3.1883 starb Marx infolge einer Bronchitis. In philosophischer Hinsicht wäre noch folgendes über Marx zu sagen:

Marx wollte die Philosophie aufheben, d.h. in die Wirklichkeit umsetzen. So lautet die 11. Feuerbachthese: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern “. Die deutsche idealistische Philosophie, der frz. Sozialismus und die englische Nationalökonomie bilden den Hintergrund seines Denkens. Marx war ein Hegelianer und ging von einer Kritik der Philosophie Hegels aus. Er übernahm Hegels dialektische Denkfigur von der Entfremdung des Menschen und ihrer Aufhebung als Resultat des Arbeitsprozesses, kritisierte aber, daß Hegel den Menschen nur als Selbstbewußtsein, nicht als in der gegenständlichen Welt tätiges Gattungswesen aufgefaßt habe. Auch an Ludwig Feuerbach, an dessen Begrifflichkeit Marx anknüpft, kritisiert Marx, daß Feuerbach den Menschen zwar als sinnliches, nicht aber als tätiges, praktisches Wesen verstehe. Dies ist die Basis für den nach Plechanow benannten dialektischen Materialismus, mit dem sich auch der vorliegende Text auseinandersetzt. Dieser materialistischen Geschichtsauffassung gemäß ist es in letzter Instanz das gesellschaftliche Sein des Menschen - ihr materieller Lebensprozeß - der ihr Bewußtsein bestimmt. Dies ist die Hauptaussage des vorliegenden Textes, auf den ich gleich näher eingehe.

Marx hat nie eine eigene Anthropologie begründet, doch können manche seiner Lehren, wie der vorher genannte Satz, als solche interpretiert werden. Seine Lehren knüpfen an Feuerbachs Konzeption vom Menschen als konkret-sinnliches Gattungswesen an. Arbeit ist für Marx eine sinnlich-gegenständliche Beziehung. In ihr verändern sich Subjekt und Objekt: Indem ein gesellschaftliches Subjekt ein zunächst natürliches Ding ergreift, es bearbeitet, bestätigt und entfaltet es sich selbst dabei in seinen Anlagen und Kräften; zugleich verändert sich das Objekt, indem ihm das Subjekt seinen Willen aufprägt und eine neue Gestalt gibt, es zur Vergegenständlichung seiner selbst werden läßt und in diesem Sinne „vermenschlicht“. Marx spricht hierbei auch von der Vermenschlichung der Gegenstände durch die Arbeit. So schreibt Marx: „Daß der Mensch ein leibliches, naturkräftiges, lebendiges, wirkliches, sinnliches, gegenständliches Wesen ist heißt, daß er wirkliche, sinnliche Gegenstände zum Gegenstand seines Wesens, seiner Lebensäußerung hat oder daß er nur an wirklichen, sinnlichen Gegenständen sein Leben äußern kann.“ Er würde, so Marx, nicht gegenständlich wirken, wenn nicht das Gegenständliche in seiner Wesensbestimmung läge. Marx meint hiermit das der Mensch um sein Leben äußern zu können als existentielle Notwendigkeit für sein Dasein die Gegenstände außerhalb seiner selbst braucht. Die sinnliche Bedürftigkeit nach dieser Lebensäußerung ist das erlebte Leiden dieses Bedürfnis zu befriedigen. So sagt Marx: „Die Leidenschaft, die Passion ist die nach seinem Gegenstand energisch strebende Wesenskraft des Menschen“. Einleuchtenderweise äußert sich, so Marx, das gestandene Bedürfnis meines Leibes nach einem außer ihm seienden, zu seiner Integrierung und Wesensäußerung unentbehrlichen Gegenstande im Hunger, den wir alle schon erfahren haben.

Dies ist das grundlegende Axiom der Marxschen Anthropologie und Gesellschaftslehre: Angetrieben von dem „sinnlichen“ Bedürfnis nach den für den jeweiligen Sinn spezifischen Gegenständen werden durch die produktive Arbeit die entsprechenden Gegenstände geschaffen und so die für den Menschen nötigen Bedürfnisse befriedigt. In der Arbeit tritt der Mensch, der durch die Notwendigkeit der Bedürfnisbefriedigung wesentlich nach außen gerichtet ist, in Beziehung zur Natur und zum anderen Menschen, verwirklicht sich darin selbst und differenziert wiederum seine Bedürfnisse. Für Marx ist dieses sinnliche Bedürfnis nach Arbeit der Motor der Bewegung, der Geschichte. Die Arbeit ist für Marx ein Wesensmerkmal des Menschen. In dieser These stimmt Marx mit Hegel überein, so sagt Hegel: „Sprache und Arbeit sind Äußerungen, worin das Individuum nicht mehr an ihm selbst sich behält und besitzt, sondern das Innere ganz außer sich kommen läßt, und dasselbe Anderem preisgibt.“ Um den Faktor der Sprache hat Marx seine These allerdings nicht erweitert. Der Mensch ist also insofern Gattungswesen, daß er sein eigenes Wesen und damit das der Gattung in freier, bewußter Tätigkeit produziert. In solidarischer Kommunikation mit anderen entäußert er sein Wesen in der Arbeit, vergegenständlicht es im Produkt und schaut sich in ihm an; so entwickelt er eine Symbiose von Mensch und Natur. Diese Weise des Menschen, sich sein vergegenständlichtes ‘Wesen wieder anzueignen, ist bisher jedoch an den gesellschaftlichen Verhältnissen, so Marx, gescheitert. Die Entäußerung des Arbeiters in seinem Produkt führt im kapitalistischen System zu einer vierfachen Entfremdung:

1) als Entfremdung des Arbeiters von seinem Produkt
2) als Entfremdung von seiner Arbeit, die zur „Zwangsarbeit“ wird
3) als Entfremdung von seiner Natur und damit von seinem Gattungswesen und
4) als Entfremdung der Menschen untereinander

Die Entäußerung der Arbeit im kapitalistischen System ist die Ursache für Privateigentum, Kapitalagglomeration, Arbeitsteilung und der damit verbundenen Herrschaftsformen, dadurch wird wiederum die Entfremdung verstärkt. Geld und Kapital verkörpern die verkehrte soziale Welt. Die menschlichen Bedürfnisse werden unter der Geldherrschaft zum bloßen Mittel herabgesetzt, andere in ökonomische Abhängigkeit zu bringen. Laut Marx ist deshalb das Los der meisten Menschen die Armut, die erst durch die Aufhebung des Privateigentums und durch die Vergesellschaftung der Produktionsmittel aufgehoben werden kann.

Gründend auf diese Anthropologie entstand der historische Materialismus und der dialektische Materialismus, Der dialektische Materialismus geht davon aus, daß es eine bewußtseinsunabhängige, aber vollständig erkennbare Wirklichkeit gibt, die ihrem Wesen nach materiell ist. Allem Sein liegt Materielles zugrunde. Das Bewußtsein, der Geist, ist nur eine Modifikation und Begleiterscheinung der Materie und spiegelt deren Bewegung. Dies ist gleichbedeutend mit der Überschrift des vorliegenden Textes: „Das Bewußtsein ein Produkt materieller Bedingungen“. Der dialektische Materialismus ist schwer zu verstehen: So geht er auch noch davon aus, daß die Wirklichkeit einen universalen und zugleich dynamischen Zusammenhang bildet; alle einzelnen Dinge sind nur Momente und Stufen in einem dialektischen Prozeß, aber in allen waltet die bewegende Kraft der Negativität, die jedes Ding über sich selbst hinaustreibt. Kurz gesagt: Die Wirklichkeit ist eine einheitliche und notwendige Entwicklung, die Fortschritt bedeutet. Auf die Probleme des gesellschaftlichen Lebens angewandt, führt der dialektische Materialismus zum historischen Materialismus, der die Geschichte als Kampf der Klassen auffaßt, der nach einem bestimmten System abläuft.. So sind für die Interpretation des gesellschaftlichen Seins nicht Ideen und Denksystemen entscheidend, sondern die objektiven ökonomischen d.h. wirtschaftlichen Lebensbedingungen.

Vor dem Hintergrund des dialektischen Materialismus ist der Text leichter zu verstehen.

Der Text beginnt mit den Voraussetzungen, die notwendig für das Axiom sind, daß unser Bewußtsein nur eine Modifikation und Begleiterscheinung der Materie ist und deren Bewegung widerspiegelt: Die Voraussetzungen sind, so Marx, wirkliche Voraussetzungen, [...] Es sind die wirklichen Individuen, ihre Aktion und ihre materiellen Lebensbedingungen. Diese Voraussetzungen können auf empirische Weise überprüft werden.

Erste Voraussetzung ist die Existenz von Menschen und der körperlichen Organisation derselben, dabei ist von den klimatischen, geographischen und anderen natürlichen Verhältnissen abzusehen. Der wichtigste Unterschied des Menschen zum Tier ist laut Marx, daß die Menschen ihre Lebensmittel produzieren, dies können sie natürlich nur durch ihre körperliche Organisation, wie heutzutage in unserem Staat. Indem die Menschen aber ihre Lebensmittel selbst produzieren, produzieren sie indirekt ihr materielles Leben selbst. Die Weise der Produktion hängt natürlich von der Beschaffenheit der zu reproduzierenden Lebensmittel ab, so müssen wir Kaffeebohnen zuerst mahlen, bevor wir aus ihnen Kaffee machen können. Doch ist diese Produktion nicht nur die Reproduktion der physischen Existenz der Individuen sondern eine bestimmte Art, ihr Leben zu äußern, also eine bestimmte Lebensweise von uns Menschen. Was wir sind, fällt also zusammen mit dem was wir und wie wir produzieren. Marx verdeutlicht dies im nächsten Satz nochmals. Zitat: „Was die Individuen also sind, das hängt ab von den materiellen Bedingungen ihrer Produktion.“. Dies dürfte durchaus einleuchtend sein. Schwerer wird es jetzt: Gesellschaft und Staat gehen aus uns und unserem Lebensprozeß hervor, aber nicht aus uns, wie wir uns oder wie andere sich uns oder sich selbst vorstellen, sondern wie wir wirklich wirken, d.h. wirklich materiell produzieren. Die Vorstellungen, die wir uns machen, sind Vorstellungen über unser Verhältnis zu anderen, zur Natur oder über uns selbst. Jetzt macht Marx einen Sprung und schon in der Mitte des Textes erklärt sich der Kern der Textaussage: Zitat: „Es ist einleuchtend, daß in allen diesen Fällen diese Vorstellungen der - wirkliche oder illusorische - bewußte Ausdruck ihrer wirklichen Verhältnisse und Betätigung, ihrer Produktion, ihres Verkehrs, ihres gesellschaftlichen Verhaltens sind.“ Dies erklärt sich ja schon daraus das wir, die Gesellschaft also, ein Produkt unserer materiellen Tätigkeit sind. D.h. der Lebensprozeß von Produktion und Reproduktion bestimmt das menschliche Bewußtsein, die Weise der Auseinandersetzung, d.h. die Art der Auseinandersetzung mit der Natur, die wiederum vom Stand der Produktivkräfte bedingt wird, bewirkt, daß die Menschen bestimmte Formen des zwischenmenschlichen Verkehrs hervorbringen, die ihrerseits auf das Bewußtsein zurückwirken. Der Text gipfelt sozusagen implizit in der 6. Feuerbachthese von Marx: „Das menschliche Wesen ist das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse.“

Die entgegengesetzte Annahme, also daß die materiellen Bedingungen ein Produkt des menschlichen Bewußtseins sind, schließt Marx so gut wie aus, da der Mensch sonst noch einen selbständig existierenden Geist besitzen müsse, also losgelöst von der Wirklichkeit. Sind aber die Vorstellungen, die wir uns über unsere Mitmenschen und unsere Natur machen illusorisch, ist also der bewußte Ausdruck der materiellen Bedingungen unwirklich, stellen wir die Wirklichkeit auf den Kopf, Grund dafür, daß es diese illusorischen Vorstellungen gebe, wäre die Borniertheit unserer Gesellschaft und unsere bornierte Tätigkeit. Der Rest des Textes verfeinert dieses Axiom eigentlich nur noch und deutet die Bedeutung dieses Axioms aus.

So benutzt er nochmals eine andere Formulierung, indem er sagt:“ Die Produktion der Ideen, Vorstellungen, des Bewußtseins ist zunächst unmittelbar verflochten in die materielle Tätigkeit und den materiellen Verkehr der Menschen, Sprache des wirklichen Lebens“ Nach Marx ist auch die geistige Produktion in der Sprache der Politik, der Gesetze, der Moral, der Religion, Metaphysik usw. ein Produkt materieller Bedingungen, direkter Ausfluß ihres materiellen Verhaltens.

Auf eine kurze Formel gebracht ist das Bewußtsein das bewußte Sein, Marx meint damit die bewußte, sinnliche Tätigkeit, ist gleichbedeutend mit dem Bewußtsein, da das Bewußtsein ein Produkt dieser Tätigkeit ist.

Marx sagt im vorletzten Abschnitt nicht ohne Berechtigung, daß er nicht davon ausgeht, was die Menschen sagen und denken, um von da aus bei dem leibhaftigen Menschen anzukommen, sondern er geht von den wirklich tätigen Menschen aus und sieht die geistigen Ergüsse und Ideologien nur als Reflexe des Lebensprozesses, das heißt der materiellen Tätigkeit. Er steige also von der Erde zum Himmel und nicht vom Himmel zur Erde, wie die deutsche Philosophie. Dadurch erscheint einem seine Ausdeutung der Frage: Was ist der Mensch? automatisch plausibler.

Das Bewußtsein wird durch sein Axiom natürlich der Unabhängigkeit beraubt, das Bewußtsein braucht die wirklichen Gegenstände, so haben, wie Marx sagt, die Moral, die Religion, die Metaphysik und sonstige Ideologien und ihnen entsprechende Bewußtseinsformen den Schein der Selbständigkeit verloren. Die geistige Produktion hat keine Geschichte und keine Entwicklung, sondern die materiell produzierenden Menschen ändern mit der Wirklichkeit auch ihr Denken. So sagt Marx in Hinsicht auf das Bewußtsein: Nicht das Bewußtsein bestimmt das Leben, sondern das Leben das Bewußtsein. Im nächsten Satz beschreibt er die Entwicklung seines Denkvorgangs: Zuerst würde man natürlich das Bewußtsein eines Menschen mit dem Menschen gleichsetzen, dann würde man von den wirklichen lebendigen Menschen ausgehen und das Bewußtsein nur als ihr Bewußtsein bezeichnen und nicht dem lebendigen Individuum gleichsetzen.

Zuletzt weist Marx wie schon am Anfang des Textes daraufhin, daß er in seiner Anthropologie von den Menschen, wie sie sich in empirisch erfahrbarer Weise entwickeln, ausgehen würde und nicht von den Menschen in einer phantastischen Abgeschlossenheit und Fixierung. Der Text ist meiner Meinung nach nur schwer zu verstehen, wenn man sich nicht näher mit dem dialektischen Materialismus bzw. dem Marxismus auseinandersetzt, es gibt meiner Meinung nach verschiedene Verständnisstufen, die man dem Text abringen kann, doch kann man schon beim ersten Durchlesen feststellen, daß die Theorien von Marx keineswegs aus der Luft gegriffen sind, sondern sich ein genaueres Überdenken dieser weltanschaulichen Meinung lohnt. Meinerseits stört mich die Vorstellung, daß unser Bewußtsein von den materiellen Verhältnissen und Bedingungen, die wir dann wiederum in unserem zwischenmenschlichen Leben und unserem Leben mit der Natur äußern, abhängig ist, was sich wiederum auf unser Bewußtsein reflektiert, denn ich sehe hier das Bewußtsein seiner Unabhängigkeit beraubt, andererseits gefällt es mir, daß Marx hier nicht von abstrakten Denkvorgängen ausgeht, sondern von uns Menschen wie wir in wirklich wirkender Tätigkeit unser Leben äußern.

Ende der Leseprobe aus 9 Seiten

Details

Titel
Marx: Das Bewußtsein ein Produkt materieller Bedingungen
Veranstaltung
Philosophie Kl.11
Note
1
Autor
Jahr
2000
Seiten
9
Katalognummer
V99040
ISBN (eBook)
9783638974899
Dateigröße
345 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Marx, Bewußtsein, Produkt, Bedingungen, Philosophie
Arbeit zitieren
Sven Neufert (Autor:in), 2000, Marx: Das Bewußtsein ein Produkt materieller Bedingungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99040

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