Geschlechtsspezifische Sozialisation


Seminararbeit, 2000

14 Seiten


Leseprobe


1. Einleitung

Als Sozialisation bezeichnet man die Gesamtheit der Phasen, durch die der Mensch zur sozialen, gesellschaftlich handlungsfähigen Persönlichkeit wird. Dies indem er in gesellschaftliche Struktur- und Interaktionszusammenhänge (z.B. Familie, bestimmten Klassen oder Schichten) hineinwächst; gleichzeitig mit der Sozialisation findet eine Verteilung der Individuen auf die verfügbaren, unterschiedlich bewerteten Positionen innerhalb einer Gesellschaft statt.

Die primäre Sozialisation, in der wichtige, Sprache, Denken, Fühlen und Handeln betreffende Persönlichkeitsmerkmale ausgeformt werden, findet in der Regel größtenteils in der Familie als der wichtigsten Sozialisationsinstanz statt. Wichtigste Instanz deshalb, weil die genannten Persönlichkeitsmerkmale den Menschen dazu befähigen, die Bedingungen und Formendes sozialen Handelns und Erlebens, sowie den arbeitsteiligen Reproduktionsprozess seiner Gesellschaft zu verstehen und selbst daran teilzunehmen.

Sozialisationsinstanzen sind alle gesellschaftliche Einrichtungen, die die Sozialisationsprozesse (bewusst oder unbewusst) steuern und bestimmte Normen und Wertvorstellungen, Ziele und Verhaltensformen vermitteln. Etwa nach Vollendung des 3. Lebensjahres beginnt die sekundäre Sozialisation, in der das Individuum lebenslang auf der Basis der Ergebnisse der primären Sozialisation neues soziales Rollenverhalten hinzulernt; Erziehung als bewusstes und abgrenzendes Handeln kann dabei bestimmte Einflüsse des Sozialisationsprozesses unterstützen, anderen entgegenwirken.

Die Bestimmung des Sozialisationsbegriffes ist allerdings nicht eindeutig:

Zum einen meint er die Anpassung des Individuums an die gesellschaftlichen Rollen- und Verhaltensanforderungen, zum anderen die Entwicklung des Menschen zur autonomen, gefestigten Persönlichkeit.

Als Sozialisationsinstanzen werden Schule, Universität, berufliche Ausbildungsstätte, Arbeitsstätte, Kirche, Militär, traditionelle Vereine usw. angesehen. Im Sozialisationsablauf und -erfolg gibt es erhebliche Unterschiede zwischen Unterschicht- und Mittelschichtangehörigen; dazu findet ständig eine Reproduktion der sozialen Schichtungen und der damit verbundenen sozialen Ungleichheit statt.1

Eine weitere Grundlage zum Verständnis der folgenden Ausführungen ist die Klärung des Begriffes ,,geschlechtstypisch". Hierbei greift Hagemann - White auf eine Definition des Soziologen Degenhardt zurück. Geschlechtstypisch bedeutet für ihn, dass die Merkmale ,,die zwischen den Geschlechtern nach Auftretenshäufigkeit oder Intensität differieren, d.h. zwischen den Geschlechtern deutlich stärker variieren als innerhalb eines Geschlechts"2.

In den folgenden Abschnitten wird somit zu erörtern sein, in wieweit die biologischen Unterschiede, gesellschaftlichen Faktoren, sowie das Erziehungsverhalten in Familie und öffentlichen Einrichtungen auf die geschlechtsspezifische Sozialisation von Jungen und Mädchen Einfluss ausüben.

2. Faktoren für geschlechtsspezifische Verhaltensunterschiede im Vorschulalter

Schon in den ersten Lebensjahren beginnt die Sozialisation und somit auch die geschlechtsspezifische Behandlung von Jungen und Mädchen. Zwar wird die unterschiedliche Rollenverteilung internalisiert, allerdings erfolgen noch keine stereotypen Zuweisungen zum jeweiligen Geschlecht. Bis zum 6. Lebensjahr sind sich Kinder bewusst, welchem Geschlecht sie angehören, dass es 2 verschiedene Geschlechter gibt und dass diese durch verschiedene Genitalien gekennzeichnet sind. Außerdem können sie den Geschlechtern verschieden Merkmale, wie z.B. Aussehen und Namen zuordnen und sie wissen, dass die Geschlechter unveränderbar sind3.

Bei den Verhaltensweisen wurden je nach Untersuchung bis hin zum 6. Lebensjahr noch keine oder nur geringe spezifischen Unterschiede festgestellt4. Hierzu muss jedoch bemerkt werden, dass dies nur für Kinder zutrifft, die nicht den Kindergarten oder ähnliche Einrichtungen besuchen, da hier ähnlich wie in der Grundschule schon heterogene Gruppen gebildet werden.

Einfluss auf das Verhalten der Kinder hat in nicht geringem Maße das Spielzeug, dass ihnen zu Verfügung steht. Mädchen werden hierbei typisch weibliche Spielzeuge zugeordnet und Jungen typisch männliche, z.B. Autos. Mädchen wird allerdings die Freiheit gegeben auch mit typisch männlichem Spielzeug zu spielen, im Gegensatz dazu wird von Jungen rollenkonformes Verhalten gefordert und großenteils auch durch den Vater gefördert.

Auch das Mädchen wird schon mit ihrer zukünftigen Rolle als Mutter vertraut gemacht, indem man ihr Puppen und Kinderwagen schenkt bzw. indem ihr die zukünftige Rolle durch Werbung für geschlechtsspezifisches Spielzeug in den Medien zugewiesen wird.

3. Das Sozialverhalten und Einwirkungen der Gesellschaft

Bei Untersuchung über das Sozialverhalten von Jungen und Mädchen geht man von der allgemeinen Annahme aus, dass sich Jungen und Mädchen in bestimmten Situationen anders verhalten. Hierbei wurde speziell auf Gehorsam, Angst, Aktivitäten und Aggressionen eingegangen.

Bei verschiedenen Experimenten wurde empirisch bewiesen, dass Mädchen eher bereit sind den Anweisungen der Eltern und Lehrern zu folgen. Der Gehorsam ist außerdem maßgeblich vom Alter des Kindes abhängig, denn auch hier wurden unter 2 Jahren kein Unterschied erkennbar. Die Bedingungen für diese Entwicklung werden in einem späteren Abschnitt dargelegt.

Angst bzw. Furcht ist bei Mädchen im wesentlich stärker ausgeprägt. Diese Angaben basieren auf Selbsteinschätzungen von 8jährigen Schülern. Deswegen wird als ein möglicher Beeinflussungsfaktor dieser Untersuchung auch eingeräumt, dass Mädchen in dieser Altersgruppe bereiter sind, sich als ängstlich zu beschreiben. Bei Jungen ist diese Bereitschaft nicht vorhanden, da sie fürchten von Gleichaltrigen als schwach bzw. nicht männlich beschimpft zu werden. Die Forscher sehen in der Leugnung eine Art Bewältigungsstrategie, was jedoch nicht empirisch belegt ist.

Je nach Geschlecht werden unterschiedliche Angebote an Aktivitäten gemacht. Anstatt, wie Mädchen meist im Hause oder in direkter Umgebung zu spielen, erkunden Jungen hauptsächlich die Natur. Sie spielen mehr im Freien und raufen mehr. Diese Freizeitbeschäftigung fördern die Ausbildung der Grobmotorik, wohingegen Mädchen eher Gebrauch ihrer feinmotorischen Fähigkeiten machen. Die Beobachtungen lassen jedoch keine Rückschlüsse auf natürliche Fähigkeiten zu, sondern sind Ergebnisse der geschlechtsspezifischen Aktivitätsmöglichkeiten.

Zum Thema Aggressionen wurden weitläufige Untersuchungen durchgeführt. Dies hat zur Folge, dass es zu weit voneinander abweichenden Ergebnissen gekommen ist. Weit verbreitet ist die Meinung das Jungs ,,von Natur aus" über ein höheres Aggressionspotential verfügen, was sich aber nicht empirisch beweisen lässt. Die aggressiven Impulse von Jungen und Mädchen sind ähnlich, allerdings werden sie verschiedenartig ausgelebt. Die häufigere Gewaltanwendung von Jungen führt dazu, dass sie auch häufiger Opfer von Gewalttaten sind und wird auf verschiedene Ursachen zurückgeführt. In früheren Untersuchungen wurde zumeist eine Erklärung in biologischen Unterschieden gesucht, dies wurde aber in neueren Versuchen wiederlegt. Heute geht man davon aus, dass sich die Jungen teilweise an Vorbildern aus Familie oder Medien orientieren oder dass die Kinder aus einem sozial schwachen Umfeld stammen und an mangelnder Zuneigung leiden. Geschlagene Kinder sind häufig aggressiver als andere. Die Ursachen für Gewaltanwendung sind also vielfältig. Eindeutig ist, dass die Auslebung eine erlernte Aktion ist. Das ist ebenfalls darauf zurückzuführen, dass die aggressiven Impulse bei Jungen und Mädchen ähnlich sind.

Das unterschiedliche soziale Verhalten je nach Geschlecht ist außerdem maßgeblich auf den Einfluss der Gesellschaft zurückzuführen. Traditionell erwartet man von jedem, dass er sich so verhält, wie es für sein Geschlecht typisch ist, jegliches anderes Verhalten wird als abnorm betrachtet.

Man kann an Hand der unten dargestellten Tabelle sehen, noch immer weniger als Hälfte aller Arbeitnehmer Frauen sind, was maßgeblich auf Rolle als Mutter zurückzuführen ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Ergebnisse des Mikrozensus im April.
2 Einschl. Auszubildende in anerkannten kaufmännischen und technischen Ausbildungsberufen.
3 Einschl. Auszubildende in anerkannten gewerblichen Ausbildungsberufen.

Quelle: Statistisches Bundesamt5

Bei Befragungen in Schulen wurde festgestellt, dass jeder dem anderem Geschlecht bestimmte Eigenschaften zuordnet und dass man die Geschlechter auch danach unterscheiden könne. Als die Testpersonen nach dem Idealbild des anderen Geschlechts gefragt wurden, wurden erstaunlicher Weise die selben Eigenschaften, z. B. Hilfsbereitschaft, Einfühlungsvermögen oder Selbstständigkeit genannt, allerdings in verschieden starker Ausprägung.

Als nach den Eigenschaften im traditionellen Rollenverhältnis gefragt wurde, stellte sich heraus, dass die Mädchen weniger geschlechtsspezifisch geprägt waren als Jungen. Sie gaben auch männliche Eigenschaften als für sie zutreffend an. Jungen aber führten keine typisch weiblichen Merkmale auf. Auch dies ist auf das traditionelle Rollenverständnis zurückzuführen, bei dem alles weibliche als schwach deklariert wird, da für Jungen aber Macht und Ansehen eine wichtige Rolle spielen, wollen sie keine Schwäche zeigen.6

4. Sozialisation in der Familie und ihre Folgen

Wenn man den Einfluss der Familie auf geschlechtsspezifische Sozialisation untersucht muss man in Betracht ziehen, dass die verschiedenen Sozialisationsfaktoren nicht losgelöst voneinander betrachtet werden können, hier soll aber der Zusammenhang mit sozialer Schicht, Kultur und Umwelt in den Hintergrund rücken.

Um die Sozialisation in der Familie zu beschreiben ist es notwendig, die Rolle von Mutter und Vater und ihr Verhältnis zum Kind genau zu analysieren. Die Erziehungsaufgabe der Eltern liegt darin, den Kindern die gesellschaftlichen Normen zu vermitteln und gleichzeitig die Individualität des Kindes zu fördern. Diese Aufgabe wird von Vater bzw. Mutter unterschiedlich wahrgenommen.

Ein wichtiger Punkt im Familienleben ist der körperliche Kontakt . Wird dieser in den ersten Lebensjahren genügend vermittelt, ist das Kind später in der Lage durch bloßen Blickkontakt die Beziehung zur Erziehungsperson aufrechtzuerhalten. Bei Jungen und Mädchen vollzieht sich die Ablösung von der Mutter in einem anderem Zeitraum. Jungen werden eher vom Körperkontakt entwöhnt. Mädchen steht es frei sich nach eigenem Ermessen von des Mutter zu lösen, da die Mutter eine intensive und auch innigere Bindung zur Tochter möchte. Töchter haben meist ein sehr tiefgehendes Verhältnis zur Mutter, da die Tochter Verhaltensmuster der Mutter teilweise übernimmt und fehlende Erfahrung vermittelt bekommt.

Die Mutter ist in den ersten Lebensabschnitten die zentrale Bezugsperson für das Kind.

Unabhängig, wie die Mutter zu dem Kind steht, ist sie rollenspezifisch geprägt, was zur Folge hat, dass ihre eigene Geschlechtzugehörigkeit prägend für die Beziehung zum Kind ist. Dadurch fällt es der Mutter leichter eigene Erfahrungen und Gefühle an die Tochter weiterzugeben. Abgesehen davon stellen sich Mütter immer auf die Seite ihrer Kinder, egal, ob sie sich rollentypisch verhalten oder nicht.

Väter unterstützen im Gegensatz dazu das Rollenverhalten und achten auf geschlechtstypische Merkmale. Auch die dem Kind entgegengebrachten Erwartungen sind stark vom Geschlecht abhängig. ,,Relativ gut belegt ist inzwischen die Tendenz von Erwachsenen, unterschiedliche Wahrnehmungen und unterschiedliche Erwartungen bei weiblichen und männlichen Kinder zu bilden."7.

Empirisch bewiesen ist das Väter ihren Söhnen doppelt soviel Zuwendung geben, wie ihren Töchtern. Sie bestärken die Söhne, mit "männlichem" Spielzeug, z.B. Autos zu spielen. Dadurch, dass die Väter weniger zu Hause sind als die Mütter, ist ihre Meinung für Kinder beiden Geschlechts sehr wichtig8.

Da Väter einen höheren Wert auf geschlechtskonformes Verhalten legen, schätzen sie bei Töchtern kokettes Auftreten und hübsches Aussehen, das bewirkt, dass das Mädchen den Vater leichter ,,um den Finger wickeln kann".

Allerdings werden Mädchen in ihrem Handlungsfreiraum stark durch die Eltern eingeschränkt, da diese Angst vor sexuellen Missbrauch haben. Mädchen müssen meist in der Wohnung oder in Wohnungsnähe spielen und genau sagen, wo sie sich aufhalten werden. Durch diese Begrenzung ist es für sie weitaus schwieriger eigene Erfahrungen zu sammeln und sich der Folgen ihres Handelns bewusst zu werden. Auch werden sie durch die enge Bindung ans Haus eher als Jungen in häusliche Pflichten eingebunden und mit den gesellschaftlichen Normen vertraut gemacht, was auch den besseren Gehorsam erklärt. Durch diese Bindung werden sie an der Entwicklung des Zutrauens in eigene Fähigkeiten und des Selbstvertrauens gehindert, da es ihnen an Kommunikationsmöglichkeiten mit gleichgeschlechtlichen Kinder mangelt.

Jungen befinden sich mehr im Freien und haben somit ein größeres Bewegungsfeld als Mädchen, dadurch werden sie schneller unabhängig und können sich autonomer entwickeln. Sie werden außerdem nicht in häusliche Pflichten eingebunden. Sie haben mehr Kontakt zu gleichgeschlechtlichen Kindern und können dadurch Durchsetzungsvermögen und Selbstbewusstsein besser entwickeln. Auch das Benehmen in der Familie unterscheidet sich von dem der Mädchen. Da Jungen auch den Erziehungspersonen gegenüber öfter Kraftausdrücke benutzen, werden sie öfter bestraft als Mädchen. Wobei allerdings die Bestrafungsgründe, z.B. Frechheit, bei beiden Geschlechtern gleich sind.

Das Verhalten innerhalb der Familie unterscheidet sich deutlich vom Verhalten in der Gesellschaft. Während Jungen z. B. innerhalb der Familie Liebkosungen zulassen, wenden sie sich auf der Strasse ab, wenn die Mutter ihnen einen Kuss geben will. Durch die gesellschaftlichen Zwänge passen sich auch Kinder an die Normen an, die sonst geschlechtsspezifisches Verhalten ablehnen.

Für die Kinder stellen die Eltern meist ein Vorbild dar, was zur Folge hat, dass sie sich auch geschlechtsspezifisch verhalten. Da der Vater meist kein abweichendes Verhalten von Geschlechterrollen duldet, lenkt er die Kinder in ihre zukünftige Geschlechterrolle hinein. Die Mutter unterstützt ihr Kind auf jeden Fall, egal ob es sich geschlechtstypisch verhält oder nicht. Im Unterbewusstsein vermittelt sie jedoch ihrer Tochter typische Eigenschaften, indem sie sie z.B. in Hausarbeiten einbindet.

5. Differenzierung in kognitiven Leistungen und Schule

Die Geschichte der geschlechtsspezifischen Sozialforschung basiert auf Forschungen, die beweisen sollten, dass Männer Frauen in Leistungsfähigkeit und Intelligenz voraus sind. Heute weiß man, dass dem nicht so ist und Intelligenzunterschiede im wesentlichen auf soziale Schicht und Erziehung zurückzuführen sind.

In der durchschnittlichen kognitiven Leistung bestehen keine Differenzen zwischen den Geschlechtern. Im Detail betrachtet gibt es aber doch einige Unterschiede, die teilweise zu Gunsten der Männer und teilweise zu Gunsten der Frauen ausfallen.

Hier soll im speziellen auf die sprachlichen und mathematischen Fähigkeiten und räumliche Vorstellungsvermögen eingegangen werden.

Bei der Ausdrucksweise und im Sprachgebrauch gibt es kaum Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Im ersten Lebensjahr haben Mädchen beim Lernen der Wörter einen geringen Vorsprung, der von manchen Wissenschaftler auf die größere Zuwendung der Mutter zur Tochter zurückgeführt wird.

Die mathematischen Fähigkeiten der verschiedenen Geschlechter sind ein häufig diskutiertes Thema, da Jungen von sich aus behaupten ein besseres ,,Gespür" für Mathematik zu haben9.

Empirisch belegt ist aber im Gegensatz dazu, dass bis zum 12. Lebensjahr keine Unterschiede auftreten. Bei einer Studie in Wisconsin wurde festgestellt, dass die Jungen erst ab der 9. Klasse besser Noten bekamen und selbst dieser Unterschied wurde nur an 2 von 4 Schulen festgestellt. Diese Schulen wurden hauptsächlich von Schülern , die aus der unteren Mittelschicht stammten, besucht. Aus den Ergebnissen kann man Schlussfolgern, dass die kognitiven Leistungen erheblich vom sozialen Umfeld beeinflusst werden und das ,,Geschlechtsunterschiede in Schulklassen ... wesentlich leichter durch sozialpolitische Bemühungen aufhebbar"10 sind ,,als solche der sozialen Schicht"11. Dies ist außerdem sichtbar, wenn man Statistiken betrachtet, die einen wachsenden Mädchenanteil beim Abitur veranschaulichen.

Mit fortschreitendem Alter treten Unterschiede im mathematischen Können, die zu Gunsten der Männer ausfallen, zwischen Frauen und Männer auf. Sie beruhen allerdings auch zu großen Teil auf unterschiedlicher Ausbildung, z.B. der Kurswahl. Ein wichtiger Aspekt für das, mit dem Alter, schwindende Interesse der Frauen an Mathematik, ist ihre Motivation. Da für Jungen der Mathematikunterricht wesentlich interessanter dargestellt wird.

Das räumlich-visuelle Vorstellungsvermögen ist bei Jungen deutlich ausgeprägter als bei Mädchen, dies kann aber nicht auf angeborene Fähigkeiten zurückgeführt werden, sondern beruht auf der Tatsache, dass Jungen durch das Spielen im Freien eher Zugang zum Erwerb dieser Fähigkeiten haben. Hier lässt sich also deutlich erkennen, dass Wissen bzw. Können erworben, trainiert gefördert oder auch zum Teil behindert werden können und das unabhängig vom Geschlecht.

Auf Grund althergebrachter Vorurteile, dass Jungen leistungsfähiger und intelligenter als Mädchen sind, lassen sich auch Unterschiede bei der Erziehung in öffentlichen Einrichtungen feststellen.

Im Kindergarten sowie in der Grundschule werden pädagogische Entscheidungen durch mehrheitlich zu erwartendes Verhalten bestimmt. Da die Erziehung hier in der Gruppe stattfindet, wird nur im eingeschränkten Rahmen Individualität ermöglicht, weil das einzelne Kind sich nach dem Willen der Gruppe richten muss. Erzieherinnen richten ihre Anweisungen meist entweder an die Gruppe der Jungen oder an die Gruppe der Mädchen, z.B. ,,Jungs, räumt die Bausteine auf!".

In Grundschulen ist häufig zu beobachten, dass den Jungen durch ihre schlechtere Disziplin mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird. Das schlechtere Benehmen führt zu häufigerem Tadeln, was bei Jungen meist laut geschieht, damit es die ganze Gruppe hören kann. Bei Mädchen erfolgt das Tadeln eher leise und unauffällig. Mädchen werden meist nicht wegen schlechter Disziplin sondern wegen mangelnder Leistung ermahnt. Gelobt werden sie wegen guten Benehmens, dies hat eine Schwächung des Selbstbewusstseins und unzureichendes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zur Folge12.

Mädchentypisches Verhalten wird Jungen im Bezug auf Gehorsam und Fleiß nahegelegt, umgekehrte Anregungen zur Orientierung an jungentypischem Benehmen sind jedoch selten.

Jungen werden von den Lehrern/ Lehrerinnen wegen guter Leistungen gelobt, da man von ihnen gehäuft auftretende Lernschwierigkeiten erwartet. Es ist empirisch nachgewiesen, dass Jungen im Mathematikunterricht häufiger ohne Meldung aufgerufen worden, was großenteils auf die Meinung zurückzuführen ist, dass Jungen ,,von Natur aus" mathematisch begabter sind. Die Jungen werden also schon in der Grundschule bevorzugt und besser gefördert. Im mit zunehmendem Alter entwickelt sich daraus ein gefestigtes Selbstvertrauen, die Fähigkeit sich durchzusetzen und eine gewisse Vertrautheit mit technischen Sachen.

Auch lässt sich erkennen, dass in der Grundschule die stofflichen Inhalte mehr auf die Jungen zugeschnitten ist, da von ihnen, wie oben schon erwähnt, Lernschwierigkeiten erwartet werden. Dies beweist zum Beispiel die geschlechtsspezifische Schulbuchforschung, die empirisch belegt, dass Jungen wesentlich häufiger Handlungsträger in Schulbüchern sind als Mädchen.

Zudem ist das Verhalten der Lehrer/ Lehrerinnen geschlechtsspezifisch geprägt. Dies zeigte sich, als man eine Klasse bei der Lösung einer Rechenaufgabe beobachtete. Jungen, die Probleme bei der Lösung hatten, wurde die Aufgabe von der Lehrerin erneut erklärt und auf einen möglichen Lösungsweg hingewiesen. Wohingegen den Mädchen, die mit der Aufgabe Schwierigkeiten hatten, die Aufgabe komplett von Lehrerin erledigt wurde.

Heute lässt sich feststellen, dass der Mädchenanteil beim Abitur größer geworden ist. Auch die Anzahl der Studentinnen ist in den letzten Jahrzehnten gestiegen, dies ist auf die Emanzipation der Frauen zurückzuführen.

In unter dargestellter Tabelle kann man den Frauenanteil beim Studium und unter en Professoren nachlesen. Hierbei erkennt man, dass der Anteil an Professorinnen äußerst gering ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

6. Fazit

Wie in der Einleitung bereits erläutert, bedeutet Sozialisation, das ,,sich Einfügen in die Gesellschaft". Dies wird von jedem Menschen anders vollzogen, unter der Bedingung, dass verschiedene Faktoren während der Kindheits- und Jugendphase und im weiteren Verlauf auf das Individuum Einfluss nehmen.

Es gilt nun kurz zusammengefasst noch einmal zu beantworten, inwieweit biologische Unterschiede, gesellschaftliche Faktoren und das Erziehungsverhalten in Familie und in öffentlichen Einrichtungen auf die geschlechtsspezifische Sozialisation einwirken. Die ständige Behauptung geschlechtsspezifische Unterschiede im Leistung und kognitiven Fähigkeiten hätte biologische Ursachen ist veraltet und beruht meist auf Vorurteilen, die Forscher in die Auswertung ihrer Ergebnisse einfließen ließen. Insgesamt ergibt die empirischen Forschung von heute keine Beweise für ,,natürliche" Unterschiede zwischen den Geschlechtern.

Heute geht man davon aus, dass gesellschaftliche Faktoren, wie zum Beispiel der Rollenzwang und die Anpassung, die von jedem erwartet wird, weitaus größere Bedeutung für die Sozialisation haben. Noch immer ist die Frau durch ihre Rolle als Mutter geprägt und wird hauptsächlich daraufhin erzogen, Kinder zu bekommen und später den Haushalt zu führen. Der Anteil an Frauen in Führungsposition steigt zwar ständig, aber im Gegensatz zu Männern ist er gering.

Eine weitere wichtige Rolle spielt die Erziehung in Schule und Familie. Da an Hand empirischer Untersuchungen belegt wurde, das Mädchen und Jungen über die selben kognitiven Fähigkeiten verfügen, ist die unterschiedliche Ausprägung auf unterschiedlich Förderung bzw. unterschiedlich häufigen Gebrauch der Fähigkeiten zurückzuführen. Im oberen Teil wurde festgestellt, dass Jungen in der Schule weitaus mehr gefördert werden als Mädchen und zum Teil deswegen bessere Leistungen erbringen.

In der Familie wird mehr oder weniger bewusst zum rollenkonformen Verhalten erzogen, z.B. durch die Zuteilung von geschlechtsspezifischen Spielzeugen. Besonders unterstützt meist der Vater geschlechtstypisches Verhalten.

Die geschlechtsspezifische Sozialisation ist im wesentlich auf die Rolle der Gesellschaft und die von ihr geforderten Normen zurückzuführen. Die elterliche Erziehung und die Erziehung in öffentlichen Einrichtungen ist darauf ausgerichtet zu geschlechtstypischen Verhalten zu erziehen, da alles nicht geschlechttypische von der Gesellschaft als abnormal deklariert wird. Biologische Unterschiede haben keinen Einfluss auf die geschlechtsspezifische Sozialisation.

7. Literaturverzeichnis

Degenhardt, Annette. 1979. Geschlechtstypisches Verhalten: Mann und Frau in psychologischer Sicht. München: Beck.

Hagemann-White, Carol. 1984. Sozialisation: m ä nnlich - weiblich. Leverkusen: Leske + Budrich.

Scheu, Ursula. 1977. Wir werden nicht als M ä dchen geboren, wir werden dazu Gemacht. Zur fr ü hkindlichen Erziehung in unserer Gesellschaft. Frankfurt/Main: Fischer Taschenbuch Verlag.

Meyer Lexikonverlag. 1983. Meyers grosses Taschenlexikon in 24 B ä nden, Band 20. Mannheim/ Wien/ Zürich: Meyers Lexikonverlag.

http://www.statistik-bund.de/basis/d/erwerb/erwerbtab1.htm, 24.11.00

http://www.statistik-bund.de/basis/d/biwiku/hoch11.htm, 24.11.00

[...]


1 vgl. Meyers großes Taschenlexikon in 24 Bänden, 1986, Band 20, S.290

2 Degenhardt/ Trautner, 1979, in Hagemann-White, 1984, S.12

3 vgl. Hagemann-White, 1984

4 vgl. Hagemann-White, 1984

5 vgl. http://www.statistik-bund.de/basis/d/erwerb/erwerbtab1.htm, 24.11.00

6 vgl. Hagemann-White, 1984

7 Hagemann-White, Carol: Sozialisation: männlich - weiblich?, 1984, S. 49/50

8 vgl. Hagemann-White, 1984

9 vgl. Hagemann-White, 1984

10 Hagemann-White, Carol: Sozialisation: männlich - weiblich?, 1984, S. 13

11 Hagemann-White, Carol: Sozialisation: männlich - weiblich?, 1984, S. 13

12 vgl. Hagemann-White, 1984

13 vgl. http://www.statistik-bund.de/basis/d/biwiku/hoch11.htm, 24.11.00

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Geschlechtsspezifische Sozialisation
Autor
Jahr
2000
Seiten
14
Katalognummer
V98925
ISBN (eBook)
9783638973755
Dateigröße
448 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Geschlechtsspezifische, Sozialisation
Arbeit zitieren
Nadine Meinhold (Autor:in), 2000, Geschlechtsspezifische Sozialisation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/98925

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