Theorien abweichenden Verhaltens


Hausarbeit, 2003

15 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung

2. Begriffsbestimmung „Abweichendes Verhalten“

3. Theorien Abweichenden Verhaltens
3.1. Die Anomietheorie: Merton
3.1. Die Theorien der Subkultur und Kulturtheorie
3.2.1. Die Subkulturtheorie: Cohen
3.2.2. Die These der Unterschicht- Kultur: Miller
3.2.3. Das Konzept der "Near- Group": Yablonski
3.3. Die Theorien des differentiellen Lernens
3.3.1. Die Theorie der differentiellen Assoziation: Sutherland
3.3.2. Die Theorie der differentiellen Verstärkung: Burgess und Akers
3.3.3. Die Theorie der differentiellen Gelegenheiten: Cloward und Ohlin
3.3.4. Die Neutralisierungsthese: Sykes und Matza
3.4. Theorien des Labeling Approach
3.4.1. Die Begründung des Labeling Approach: Tannenbaum
3.4.2. Die Grundlegung des Labeling Approach: Becker
3.4.3. Der "radikale" Ansatz: Sack

4. Zusammenfassung und kritische Bewertung
4.1. Die Anomietheorie
4.2. Die Subkulturtheorien
4.3. Die Theorien des differentiellen Lernens
4.4. Die Theorien des Labeling Approach

Literaturverzeichnis

1.Einleitung

Jede Gesellschaft bringt naturgemäß die unterschiedlichsten Verhaltensformen hervor. Dies sind zum einen Verhaltensweisen, die der Allgemeinheit, also der Gesamtgesellschaft dienen, zum anderen sind es aber auch Verhaltensweisen, mit deren Hilfe das Individuum seinen Platz in der Gesellschaft finden und behaupten kann.

Es gibt dann jedoch aber auch Verhaltensweisen, welche auf den ersten Blick weder für das Allgemeinwohl noch für den Einzelnen eine positive Funktion zu haben scheinen und als sogenanntes „abweichendes Verhalten“ bezeichnet werden.

Es stellt sich also die Frage nach den Ursachen des abweichenden Verhaltens. Die Theorien, welches diesbezüglich existieren, dienen allesamt nicht der Lösung!, sondern nur der Erklärung des abweichenden Verhaltens. Es wird sich auch zeigen, daß es keine allumfassende Theorie zu dieser Thematik gibt und die im folgenden vorgestellten Theorien alle nur als Erklärungsansätze zu betrachten sind. Dies ist darin begründet, daß niemals alle Aspekte des menschlichen Verhaltens in ihrer Komplexität berücksichtigt und vollständig erfaßt werden können. Die Gründe hierfür liegen in der eingeschränkten Objektivität die bei jeder wissenschaftlichen Untersuchung vorliegt und die sich aus unterschiedlichen Faktoren, z.B. kulturelle Herkunft des Forschers, Schwerpunkt seiner Betrachtung und vorhandene Möglichkeiten und Mittel zur Forschung, ergibt.

Ungeachtet dieser Schwierigkeiten bei der Entwicklung einer Theorie soll es im folgenden jedoch im wesentlichen nur darauf ankommen einige der soziologischen Theorien abweichenden Verhaltens darzustellen.

2. Begriffsbestimmung: "Abweichendes Verhalten"

Bevor im folgenden auf unterschiedliche Theorien abweichenden Verhaltens eingegangen werden soll, ist es zunächst notwendig, den Begriff des abweichenden Verhaltens zu definieren:

Abweichendes Verhalten, auch Devianz genannt, bezeichnet die Differenz zwischen geltenden informellen, formellen oder rechtlichen Normen und dem Verhalten des Individuums. Gleich den Normen sind auch diese Differenzen gesellschaftlich definiert. Man kann Verhalten in konformes Verhalten, diskreditierbares Verhalten, das evtl. aber nicht zwingend mit Sanktionen verbunden ist und diskreditierendes Verhalten einteilen[1]. Die letztgenannte Form entspricht dem eigentlichen abweichenden Verhalten, wobei die o.g. Differenz eindeutig ist. Da ein Konsens zwischen Differenz und Norm besteht, resultieren daraus automatische Sanktionen.

Der Begriff der Norm beinhaltet die Aspekte der "Verhaltensbewertung und Wertorientierung[2] ". Normen sind an den Werten der jeweiligen Gesellschaft orientiert und ihnen ist ein Anspruch auf Befolgung, ein "Sollen" immanent, wodurch sie zu "Regeln für bewußtes Handeln, Vorschriften für Verhalten, Verhaltenserwartungen oder gar Verhaltensforderungen[3] " werden.

Um die Durchsetzung und Einhaltung der Normen zu gewährleisten, ist ein Kontrollmechanismus, soziale Kontrolle genannt, erforderlich. Diese soziale Kontrolle besteht aus Sanktionen, die sowohl positiv als auch negativ ausfallen können, d.h. normkonformes Verhalten wird belohnt und normabweichendes Verhalten wird bestraft. Hierbei kann es jedoch zu Problemen kommen , wenn ein Individuum zwei gegensätzliche Normen zu erfüllen hat. Diese Sanktionen haben aber zugleich auch eine Präventivfunktion, indem sie potentielle Abweichler abschrecken, den Wert der jeweiligen Norm herausstellen und somit zu einer größeren Normorientierung führen .

Bedenkt man weiterhin auch die Existenz sogenannter Kavaliersdelikte, so stellt sich die Frage nach der Funktion abweichenden Verhaltens. Nach Meinung Lamnek's ist Devianz "nicht in jedem Falle mit sozialer Desorganisation gleichzusetzen", d.h. unter gewissen Voraussetzungen "kann abweichendes Verhalten (auch) einen positiven Beitrag zur Lebensfähigkeit und Effektivität eines sozialen Systems leisten[4]." Zudem kann abweichendes Verhalten auch ein Anzeichen für Normenwandel innerhalb einer sozialen Gruppe sein[5].

Darüber hinaus wird Devianz auch noch als eine Normstütze gesehen, sie dient im individuellen Sinne der Erholung von gesellschaftlichen Normen, da minimale Devianzen manchmal nötig sind um sich anschließend wieder in das System eingliedern zu können. Wichtig aber ist auch die Funktion der Erhaltung bzw. Förderung von Gruppenstrukturen[6].

Betrachtet man also diese Funktionen des abweichenden Verhaltens so zeigt sich, "daß abweichendes Verhalten nicht grundsätzlich mit dem Odium der Schädlichkeit und Dysfunktionalität belastet sein muß[7]."

Definitionen abweichenden Verhaltens gibt es von unterschiedlicher Seite, zunächst sei eine Lexikondefinition genannt: "Devianz, deviance, Delinquenz, abweichendes Verhalten, (1) Bezeichnung für Verhaltensweisen, die mit geltenden Normen und Werten nicht übereinstimmen.(...)[8]."

Weitere Definitionen stammen von Sutherland und Cressey, nach denen "abweichendes Verhalten als ein solches, das die im -Strafgesetz kodifizierten Normen verletzt" bezeichnet wird, von Kitsue der von abweichendem Verhalten spricht, "wenn andere Personen auf ein bestimmtes Verhalten in entsprechender Weise reagieren" und von Erikson, der "jene Verhaltensweisen als abweichend (bezeichnet), wenn andere Personen der Auffassung sind, daß diese Verhaltensweisen sanktioniert werden sollten[9]."

3. Theorien abweichenden Verhaltens

3.1. Die Anomietheorie: Merton

Nach Kerscher lautet die Ausgangsfrage bei Merton's Anomietheorie, die 1938 erstmals publiziert wurde, warum einige soziale Strukturen auf gewisse Personen einen deutlichen Druck ausüben sich eher deviant als konform zu verhalten[10]. Es geht ihm bei seinen Untersuchungen jedoch nicht um die Konsequenzen des abweichenden Verhaltens, sondern lediglich um die soziostrukturellen Ursachen. Merton versucht damit ein Konzept zu erstellen, welches die gesamte Gesellschaft mit einbezieht.

Bevor nun genauer auf die eigentliche Theorie eingegangen wird ist es notwendig den zentralen Begriff der "Anomie" zu erläutern:

Anomie ist der "Zusammenbruch der kulturellen Ordnung in Form des Auseinanderklaffens von kulturell vorgegebenen Zielen und Werten einerseits und den sozial erlaubten Möglichkeiten, diese Ziele und Werte zu erreichen andererseits. Die Situation der A. übt auf die Individuen einen Druck zu abweichendem Verhalten aus und wird je nach Anerkennung oder Ablehnung der kulturellen Ziele und Werte oder der erlaubten Mittel durch verschiedene Formen der Anpassung bewältigt[11]."

In der Theorie Merton's wird abweichendes Verhalten das Mitglieder einer Gesellschaft zeigen als ein Anpassungsprozeß an sich widersprechende Anforderungen der jeweiligen Gesellschaft gesehen. Wesentlich für das Auftreten des abweichenden Verhaltens sind dabei zwei Faktoren die untereinander eine deutliche Diskrepanz aufweisen. Diese Diskrepanz nun übt einen Druck auf das Individuum aus, welcher dann das abweichende Verhalten zur Folge hat. Diese beiden Faktoren sind zum einen die kulturelle und zum anderen die soziale Struktur.

Die kulturelle Struktur läßt sich unterteilen in die kulturellen Ziele (Werte), d.h. die Vorstellungen über das was als wünschenswert angesehen wird, und die kulturellen Normen, d.h. die Vorschriften an das Verhalten zur Erreichung der Ziele. Insgesamt läßt sie sich als Komplex gemeinsamer Wertvorstellungen, die das Verhalten der Mitglieder einer gegebenen Gesellschaft oder Gruppe regeln, definieren. Die soziale Struktur hingegen bezeichnet den Komplex sozialer Beziehungen, in der die Mitglieder einer Gesellschaft oder Gruppe unterschiedlich stark einbezogen sind[12].

Aufgrund dieser unterschiedlich starken Einbeziehung ist es Gesellschaftsmitgliedern in sozial höheren Positionen eher möglich die vorgegebenen Ziele mit legitimen Möglichkeiten zu erreichen als dies bei sozial niedriger positionierten Individuen der Fall ist. Da letztere also keine oder weniger legitime Möglichkeiten zur Erreichung der angestrebten Ziele zur Verfügung haben, entwickeln diese alternative Verhaltensweisen.

Bei den fünf von Merton entwickelten Typologien zur individuellen Anpassung des Individuums lassen sich zwei Arten abweichenden Verhaltens unterscheiden[13]. Zum einen die "Innovation" (Neuerung) und zum anderen die "Apathie" (Rückzug). Erstere bedeutet, daß die kulturellen Ziele zwar bejaht werden, die institutionalisierten Mittel allerdings abgelehnt werden, was zur Folge hat, daß neue Mittel wie z.B. Erfindungen, neue Absatztechniken usw. angewandt werden. Letztere bedeutet, daß sowohl kulturelle Ziele als auch institutionalisierte Mittel abgelehnt bzw. verworfen werden. Hierzu gehören z.B. Landstreicher, Gammler und Süchtige. Merton's Theorie läßt sich folgendermaßen zusammenfassen:"

Wenn in einer Gesellschaft für Mitglieder mit sinkendem Status Mangel an Zugang zu legitimen und illegitimen Mitteln zur Erreichung der internalisierten Erfolgsziele besteht, dann tritt abweichendes Verhalten auf[14]." oder anders ausgedrückt:

"Je intensiver die Ziele von Personen sind, je weniger intensiv die für die Realisierung dieser Ziele relevanten legitimen regulierenden Normen sind, desto eher verhalten sich diese Personen abweichend[15]." Dies bedeutet: Je größer die Intensität der Ziele, die Intensität illegitimer Normen, der Grad der illegitimen Möglichkeiten, aber je geringer die Intensität der legitimen Normen und der Grad der legitimen Möglichkeiten ist, desto größer ist die Möglichkeit abweichenden Verhaltens.

3.2. Theorien der Subkultur und Kulturtheorie

3.2.1. Die Subkulturtheorie: Cohen

Die Ausgangsfrage welche dieser Theorie von Cohen (1961) zugrunde liegt ist welche Ursachen die jugendliche Bandenkriminalität in der Unterklasse der USA hat, die häufig nicht utilitaristisch ist, sondern oftmals irrational und unverständlich erscheint. Cohen versucht Verhalten wie z.B. Zerstörung von Telefonzellen und Parkbänken, das Umstoßen von Grabsteinen und das Randalieren Jugendlicher zu erklären.

Der Begriff der Subkultur kann wie folgt definiert werden: "Subkulturen sind (...) kollektive Reaktionen auf Anpassungsprobleme, die aus gesellschaftlich ungleichen Lagen entstehen und für die eine bestehende Kultur keine zureichenden Lösungen zur Verfügung stellen kann bzw. stellt[16]."

[...]


[1] vgl. Wiswede 1979, S.16f.

[2] Lamnek 1983, S.17

[3] Lamnek 1983, S.17

[4] Lamnek 1983, S.40

[5] vgl. Lamnek 1983, S.41

[6] vgl. Sack/König 1979, S.21f.

[7] Lamnek 1983, S.42

[8] Lexikon zur Soziologie 1988, S.154

[9] vgl. Lamnek 1983, S.44

[10] vgl. Kerscher 1985, S.38f.

[11] Lexikon zur Soziologie 1988, S.44

[12] vgl. Sack/König 1979, S.292

[13] vgl. Lamnek 1983, S.118ff.

[14] Springer 1973, S.12

[15] Opp 1974, S.133

[16] Lamnek 1983, S.152f.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Theorien abweichenden Verhaltens
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg  (Sozialpädagogik)
Veranstaltung
Jugendkriminalität
Note
2,3
Autor
Jahr
2003
Seiten
15
Katalognummer
V9878
ISBN (eBook)
9783638164733
Dateigröße
530 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Theorien, Verhaltens, Jugendkriminalität
Arbeit zitieren
Thorsten Lemmer (Autor:in), 2003, Theorien abweichenden Verhaltens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/9878

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