Die Konversationsanalyse


Ausarbeitung, 2001

9 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Allgemeines zur Konversationsanalyse

3. Geschichtlicher Hintergrund

4. Theoretisches Verständnis

5. Gegenstand der Analyse

6. Methodisches Vorgehen

7. Themen der Anwendung

8. Gegenstand der Anwendung

9. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Es gibt kein ,,Nicht - Kommunizieren"! Dieser den wohl meisten unserer Pflegeprofession Angehörigen bekannte Satz will sagen, daß es unmöglich scheint, daß sobald zwei Menschen aufeinandertreffen, sie nicht miteinander in Interaktion treten. Hierbei gilt auch das Nichtmiteinander-reden als Ausdrucksform (und somit als Kommunikation) und findet in der Reaktion oder auch Nicht-Reaktion des jeweils Anderen seine Antwort! Im Laufe seiner Entwicklung hat sich der Mensch vieler Formen der Kommunikation (sowohl verbaler, als auch nonverbaler) bemächtigt und gestaltet damit ein vielfältiges Bild von sozialer Interaktion. Letztere ist allgegenwärtig und als Ausdruck unseres Menschseins zwingend Gegenstand wissenschaftlicher Forschung!

Das folgende Referat beschäftigt sich mit der Konversationsanalyse als einem wissenschaftlichen Verfahren, welches bestimmte Interaktionen auf spezifische Weise analysiert!

2. Allgemeines zur Konversationsanalyse

Innerhalb der qualitativen Sozialforschung gehört die Konversationsanalyse (KA) ebenso wie die Qualitative Inhaltsanalyse oder die Grounded Theorie zu den Analyseverfahren.1 Kennzeichnend für diesen Forschungsansatz ist das strikte empirische Vorgehen2 mit dem Ziel, vor allem, aber nicht nur, sprachliches Handeln darzustellen.3 Die KA widmet sich den formalen Strukturen, Prinzipien und Mechanismen von Alltagshandlungen und Gesprächen. Es geht nicht um das Gesagte an sich, sondern vielmehr darum, wie dieses zustande gekommen ist! Soziale Interaktion wird begriffen als ein fortwährender Prozeß der Her-

vorbringung und Absicherung sinnhafter sozialer Ordnung. Hierbei geht die KA von folgenden zentralen Annahmen aus:

a) Interaktionen laufen geordnet ab.
b) Menschen setzen immer bestimmte Techniken und Verfahren ein, um ihre Handlungen erkennbar, verstehbar und erklärbar zu machen.4

Die Handelnden versuchen:

a) den Kontext und die Situation der Handlung zu analysieren,
b) die Äußerungen der Handlungspartner zu interpretieren,
c) die situative Angemessenheit, Verständlichkeit und Wirksamkeit der eigenen Äußerungen herzustellen,
d) das eigene Tun mit dem der Anderen zu koordinieren!5

3. Geschichtlicher Hintergrund

Die Konversationsanalyse hat sich in den 60er und 70er Jahren als eine eigene soziologische Forschungsrichtung aus der von Harold Garfinkel gegründeten Ethnomethodologie entwickelt, welche für das theoretische und methodische Verständnis der KA bis heute bestimmend ist. U.a. nahmen auch interaktionsanalytische Arbeiten E. Goffmans Einfluß auf die Entstehung der KA, ebenso wie die kognitive Anthropologie, die Ethnographie des Sprechens und die Philosophie des späten Wittgensteins. Für die Konzeptualisierung waren vor allem die Arbeiten Harvey Sacks (insbes. dessen ,,Lectures") von großer Bedeutung. Ebenfalls erwähnt werden müssen die Studien von Schegloff und Jefferson, die der KA zu ihrem frühen Profil verhalfen.6

Anfang der 70er Jahre trat die KA aus dem engen soziologischen Wirkungsbereich heraus, fand großen Anklang bei einigen Nachbardisziplinen (z.B. Sprachwissenschaft) und wurde zunehmend auch außerhalb der USA rezipiert. Heute ist die KA für Teile der Linguistik nahezu unverzichtbar.

4. Theoretisches Verständnis

Für den Ethnomethodologen Garfinkel erzeugen erst die Handelnden selbst aktiv und kreativ die Wirklichkeiten, in denen sie leben. Was sie als objektive, unabhängig von ihrem Zutun existierende Tatsachen wahrnehmen und behandeln, werden erst in ihren Wahrnehmungen und Handlungen als solche konstruiert und hervorgebracht7 (Stell Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin!). Den diese Realität produzierenden Interaktionen, ihren Strukturen und Eigenarten, widmet sich die KA.

Hierbei steht die Annahme im Vordergrund, daß soziale Ordnung ein stetes Produkt von Sinnzuschreibungen und Interpretationsleistungen ist. Da alle kompetenten Gesellschaftsmitglieder an ihr teilhaben, läuft sie wahrnehmbar und methodisch ab und muß somit auch durch formale und als solche beschreibbare Strukturmerkmale gekennzeichnet sein.

Das Hauptinteresse der KA gilt den generativen Verfahren und Prinzipien, mit denen die Gesprächsteilnehmer durch ihre Äußerungen und Handlungen eben diese charakteristischen Strukturmerkmale und somit die soziale Ordnung des interaktiven Geschehens hervorbringen, in welchem sie gerade involviert sind.8

Hierbei steht das Bemühen im Vordergrund, interaktive Vorgänge nicht unter äußere, vorgegebene Kategorien zu subsummieren und sie als z.B. Vorwurf oder Kompliment zu identifizieren oder ein plausibles Motiv für sie zu finden. Vielmehr gilt es, soziale Formen und Prozesse in ihrer inneren Logik und Dynamik zu verstehen und zu erkennen, welche methodischen Ressourcen erforderlich sind, um eine Äußerung in ihrem Sinngehalt erkennbar zu machen, diese in den Gesprächsverlauf einzubinden, situativ abzustimmen, zu kontextualisieren, wahrzunehmen und zu beantworten.9

Eine Äußerung, eine Handlung muß, um sie verstehen zu können, in dem Zusammenhang, in dem sie entstand, betrachtet werden. Für die KA umfaßt jeder Moment einer Interaktion Unmengen von Faktoren in deren Umfeld, welche als Interaktionskontext relevant sein könnten. Aufgabe der KA ist es, die spezifischen Faktoren zu finden und als spezifischen Handlungskontext zu begreifen, die für den jeweils Handelnden handlungsrelevant waren. Die Handelnden werden als kontextsensitive Akteure gesehen, welche den Interaktionskontext permanent analysieren, interpretieren, sich in ihrer Handlung auf den Kontext einstellen und sich stets wechselseitig ihre Kontextorientierungen anzeigen. Von besonderer Bedeutung ist hierbei für die KA der sogenannte sequentielle Kontext. Dieser besagt, das jede Äußerung zu einer Kontextveränderung, zu einer Abweichung vom Bisherigen, führt und somit einen neuen Kontext für alles Folgende darstellt. Die Sequenzanalyse ist eine typische Form der KA-Kontextanalyse.

Eine andere Form, mit der sich die KA hinsichtlich der Kontextorientierung der Interagierenden beschäftigt, ist das ,,Recipient Design". Über die Annahme, daß jeder Handelnde sich bemüht, sein Wissen auf den jeweiligen Handlungspartner und dessen Vorwissen zuzuschneiden, versucht diese Analyseart herauszufinden, wie sich der Kontext einer Interaktion in den Äußerungen der Teilnehmer widerspiegelt. 10

5. Gegenstand der Analyse

Zunächst gilt das Interesse der KA den alltäglichen, gewöhnlichen Gesprächen, der Konversation. Sie kann als Basisform, als zentrales Wohnzimmer der Interaktion verstanden werden, von wo aus man sich in andere Kommunikationsräume, wie z.B. zeremonielle oder institutionelle, begibt, in welches man aber letztlich immer wiederkehrt. Damit ist auch schon die zweite für die KA interessante Form der Kommunikation erwähnt, die institutionsgeprägte, in welche aber auch immer außerinstitutionelle Elemente transformiert werden.

6. Methodisches Vorgehen

Ziel der Methode ist es zunächst, das registrierte soziale Geschehen möglichst verlustarm zu bewahren. Zur Konservierung des Geschehens dienen daher als erster Schritt der Analyse audiovisuelle Aufzeichnun- gen von realen Interaktionen, welche auch ohne die Aufzeichnung so abgelaufen wären. Der zweite Schritt ist die Transkription, das aufgezeichnete Interaktionsgeschehen wird verschriftet. Hierbei gilt es, die Interaktion in all ihren Zügen detailgetreu wiederzugeben, mit allen Stockungen, Versprechern, Mundarten etc., um keine noch so winzige Information zu verschenken. Jedes Textelement wird als nicht zufällig angesehen und als Teil der Ordnung betrachtet.

Als nächstes versucht die KA, für ein beobachtbares, gleichförmiges Phänomen (z.B. ein Räuspern oder eine Formulierung) die generativen Prinzipien zu rekonstruieren. Diese Prinzipien werden ,,the machinery" genannt.

Wie auch bei anderen Verfahren wird das identifizierte Objekt und seine Geordnetheit verstanden als das Resultat der methodischen Lösung ei- nes strukturellen Problems. Die KA strebt nun also danach, die praktischen Methoden zu rekonstruieren, die den Handelnden als Lösung für interaktive Probleme dienen und deren Einsatz die beobachtbare Geordnetheit eines Interaktionsgeschehens hervorbringt.11 Bei dieser Vorgehensweise ist der Sozialforscher auf seine Intuition und Kompetenz als Gesellschaftsmitglied angewiesen, muß aber auch versuchen, sein intuitives Verständnis zu methodisieren, um eine sinnhafte Interpretation des Handlungsgeschehens möglich zu machen.

Letztlich ist es das Ziel, Mechanismen zu identifizieren, die eine Reproduktion der Ausgangslage der Analyse möglich machen, als auch neue fälle oder ähnliche Phänomene zu produzieren.

7. Themen der Anwendung

Insgesamt lassen sich fünf Themenbereiche, die im Interesse der KA liegen, darstellen:

1.) konstitutive Mechanismen, die für die Ordnung und Abfolge in einem Gespräch verantwortlich sind
2.) kommunikative Großformen (z.B. Klatsch)
3.) Mechanismen, die ein singuläres Gespräch (z.B. Rede) als eine soziale Einheit konstituieren (z.B. Eröffnung)
4.) Praktiken der Personenbeschreibung und -kategorisierung (Analyse von Fremdbildern)
5.) Sicherstellungsmechanismen bzgl. der Verständigung.

8. Gegenstand der Anwendung

Da Kommunikation stets stattfindet, wo Menschen mittelbar oder unmittelbar

aufeinandertreffen, ergibt sich für die KA ein weites Forschungsfeld. Zahlreiche

Interaktionstypen, wie Bitten, Einladungen, Komplimente, Beschwerden, Ansprachen,

Erklärungen, Vorwürfe (um nur einige zu nennen) finden wir in fast allen Lebensbereichen und somit in unzähligen Ausprägungen, wie z.B.

Anhörung - gerichtliche Anhörung; Anhörung von Experten Gespräch - Konversation, Verkaufsgespräch

Rede - politische Ansprache; Glückwunschrede.

Unmittelbar wird die zentrale Stellung der KA gerade in der Sozialforschung deutlich. So finden wir diese Analyseform heute in nahezu allen

Forschungsbereichen, die sich direkt oder indirekt mit sozialer Interaktion beschäftigen, wie z.B. in der Sprachwissenschaft oder der Psychologie.

Deutlich wird auch hier der Einfluß moderner Medien auf unser heutiges Leben. So sind mittlerweile massenmediale Produkte (z.B. Zeitungen), Mensch-Computer-Interaktion (z.B. Programmierung) und letztendlich auch Interaktion über Computer (z.B. das Internet, insbesondere Chat-Räume) Gegenstand moderner KA-Anwendung. Gerade in diesen Bereichen wird der KA mittlerweile nicht nur wissenschaftliches Interesse, sondern auch eine hohe praktische Relevanz zugesprochen.

9. Fazit

War die Konversationsanalyse im Rahmen ihrer Herkunftsdisziplin, der Soziologie, noch umstritten und nicht selten als zu empiristisch und formalistisch12 kritisiert worden, gelang ihr gerade durch den Einsatz modernerer (audiovisueller) Verfahren und der somit fast lückenlosen Dokumentation menschlicher Interaktion der Einzug in die vielfältigsten Wissenschaftsbereiche. Die KA gilt heute als eine profilierte Analyserichtung, welche sich aus dem ethnomethodologischen Forschungsprogramm entwickelt hat und ist weithin anerkannt als ein wichtiger mikrosoziologischer Ansatz zur Analyse der Strukturen symbolisch vermittelter Interaktion.

Literaturverzeichnis

Bergmann, Joerg R., Aufsatz: ,,Konversationsanalyse" in:

Uwe Flick u.a., ,,Qualitative Forschung" - Ein Handbuch,

Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbeck b. Hamburg; Okt. 2000

Internet

www.qualitative-research.net www.uni-potsdam.de

www.unet.univie.ac www.uniwie.ac

www.lrz-muenchen.de

[...]


1 www.unet.univie.ac

2 Bergmann; S. 525

3 www.univie.ac

4 www.unet.univie.ac

5 Bergmann, S. 525

6 www.uni-potsdam.de

7 Bergmann; S.526

8 ebd.

9 Bergmann; S.529

10 Bergmann; S.530

11 Bergmann; S.533

12 Bergmann; S.526

Ende der Leseprobe aus 9 Seiten

Details

Titel
Die Konversationsanalyse
Hochschule
Alice-Salomon Hochschule Berlin
Veranstaltung
Qualitative Sozialforschung, Empirische Pflegeforschung
Note
1,7
Autor
Jahr
2001
Seiten
9
Katalognummer
V98763
ISBN (eBook)
9783638972147
Dateigröße
369 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Überblick über das Analyseverfahren "Konversationsanalyse"
Schlagworte
Kommunikation; Qualitative Forschung; Konversation; Interaktion; Analyse
Arbeit zitieren
Marcel Röder (Autor:in), 2001, Die Konversationsanalyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/98763

Kommentare

  • Gast am 1.2.2005

    Frage an den Verfasser des Referats.

    Hallo Marcel!

    In deinem Referat über Konversationsanalyse hast du geschrieben, dass diese auch beginnt, sich mit Internet-Interaktionen in chaträumen zu beschäftigen. Hast du Literatur (oder andere Quellen) dazu?
    Ich würde nämlich gern dazu arbeiten.
    Hinweise bitte an meine email-Adresse regina.terhaerst@mail.uni-oldenburg.de

    Vielen Dank
    Regina

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Titel: Die Konversationsanalyse



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