Pflegeversicherung


Ausarbeitung, 1999

25 Seiten, Note: gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Das Pflegeversicherungsgesetz
2.1 Entstehung des Pflegeversicherungsgesetzes
2.2 Finanzielle Unterstützung und Hilfe vor dem Pflegeversicherungsgesetz
2.3 Organisation
2.3.1 Träger der Pflegeversicherung
2.3.2 Versicherungspflicht
2.3.3 Finanzierung der Pflegeversicherung
2.4 Begriff der Pflegebedürftigkeit
2.4.1 Wer ist pflegebedürftig
2.4.2 Was gehört zur Pflege
2.4.3 Stufen der Pflegebedürftigkeit
2.4.4 Verfahren zur Feststellung der Pflege- bedürftigkeit
2.5 Die Leistungen
2.5.1 Die ambulante Pflege
2.5.1.1 Pflegegeld
2.5.1.2 Pflegesachleistungen
2.5.1.3 Kombinationsleistungen
2.5.1.4 Urlaubs- und Verhinderungspflege
2.5.1.5 Tages- und Nachtpflege
2.5.1.6 Kurzzeitpflege
2.5.1.7 Pflegehilfsmittel
2.5.1.8 Soziale Sicherung der Pflegepersonen
2.5.1.9 Pflegekurse
2.5.2 Die stationäre Pflege
2.5.3 Behinderte
2.6 Wirtschaftlichkeitsprüfungen
2.7 Qualitätssicherung

Fazit

1 Einleitung

Wir Menschen können unser Leben nicht vorausbestimmen. Vieles geschieht, ohne daß wir Einfluß darauf haben. Auch für die Menschen, die heute auf Pflege angewiesen sind, lief häufig alles glatt - bis zu dem Tag, an dem sie pflegebedürftig wurden.

Viele Pflegebedürftige und ihre Familien mußten von einem Tag auf den anderen die großen Belastungen tragen, die mit der Pflege verbunden sind - mit allen Folgen. Wer einen Menschen pflegt geht in dieser Aufgabe häufig ganz und gar auf. Dies kann bis zur Überforderung gehen. Zudem erschöpft die Pflege häufig auch die finanziellen Möglichkeiten. Versichert gegen den Fall der Fälle, waren vor der Pflegeversicherung, bisher nur wenige.

Wie groß das Problem der Pflegebedürftigkeit ist, verdeutlichen einige Zahlen: Heute sind rund 1,6 Millionen Menschen in der Bundesrepublik ständig auf Pflege angewiesen - eine Zahl, die der Einwohnerzahl von Hamburg entspricht. 400.000 Pflegebedürftige leben in Heimen. Die übrigen rund 1,2 Millionen Pflegebedürftigen werden zu Hause versorgt. Familienangehörige, Nachbarn, ehrenamtliche Helfer und hauptberufliche Pflegekräfte kümmern sich um sie. Sie alle arbeiten nach dem Motto: Helfen, wo Hilfe nötig ist !!!!

Viele erhofften sich durch eine Pflegeversicherung mehr finanzielle Unterstützung im Pflegefall. Der Schritt zur Pflegeversicherung war eine lange Geburt, ob sie uns die Möglichkeiten bringt, die wir alle von ihr erhofft haben, steht noch in den Sternen. Die Kinderkrankheiten hat sie schon überstanden. Was sie uns bringt, wie sie strukturell aufgebaut ist, wo ihre positiven und negativen Aspekte liegen möchte ich mit meinem Referat aufzeigen.

2 Das Pflegeversicherungsgesetz

2.1 Entstehung des Pflegeversicherungsgesetzes

Am 26. Mai 1994 wurde nach rund zwanzigjähriger Debatte, das Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit beschlossen. Seit dem 01. Januar 1995 ist damit die letzte große Lücke in der sozialen Versorgung geschlossen. Seither gibt es die Pflegeversicherung. Neben den vier etablierten Sozialversicherungszweigen ( Unfall-, Krankheits-, Alter- und Arbeitslosigkeitsversicherung) kommt als neuer eigenständiger Zweig, die sogenannte 5. Säule, die soziale Pflegeversicherung hinzu.

Die Pflegeversicherung basiert auf dem Modell einer stufenweisen Einführung:

Ab 01.04.95 Leistungen für die häusliche Pflege

Ab 01.07.96 auch Leistungen für die stationäre Pflege

„ Die Pflegeversicherung hat die Aufgabe, Pflegebedürftigen Hilfe zu leisten, die wegen der Schwere der Pflegebedürftigkeit auf solidarische Unterstützung angewiesen sind. “ 1

2.2 Finanzielle Unterstützung und Hilfe vor dem Pflegeversicherungsgesetz

Die Pflegebedürftigen hatten die Möglichkeit, einen Antrag im Rahmen des Sozialhilfegesetz nach § 55 oder § 57 zu stellen, um damit finanzielle Unterstützung für die anfallenden Kosten der Pflege zu erhalten. Diese Paragraphen waren aber nur im häuslichen Bereich möglich. Pflegebedürftige Menschen in Heimen konnten darüber keine finanzielle Unterstützung erhalten. Sie hatten die Möglichkeit eine Sozialhilfeantrag zu stellen, der die Heimkosten übernahm.

Durch den § 55 war es den Pflegebedürftigen erlaubt, qualifizierte Hilfe von Pflegekräften, für 25 Hausbesuche je Monat zu erhalten. Die sozialen Einrichtungen erhielten dabei eine fest- gesetzten Geldbetrag, egal welche Pflegeleistung sie in welcher Zeit verrichteten. Verrichtete die Pflegeleistung eine Privatperson ( Angehörige oder Nachbarn), gab es Pflegegeld. Ob jemand diese finanzielle Unterstützung erhielt, wurde vom medizinischen Dienst abgeklärt. Finanzielle Hilfe für hauswirtschaftliche Versorgung wurde durch den § 57 abgedeckt.

Daneben gab und gibt es heute noch die Krankenhausersatzpflege nach § 37,1. Diese muß vom Arzt verordnet werden und galt für höchstens 4 Wochen. Die Häufigkeit der Pflegeeinsätze werden vom Arzt verordnet und die Pflegeeinrichtung erhält pro Einsatz einen Festbetrag von der Krankenkasse bezahlt. Die Krankenkasse muß zuvor diese Einsätze genehmigen.

2.3 Organisation

2.3.1 Träger der Pflegeversicherung

Die zuständige Pflegekasse richtet sich nach der Krankenversicherung. Ist man Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung, dann ist automatisch diese Krankenkasse auch die Adresse für die soziale Pflegeversicherung.

Freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung haben die Möglichkeit zwischen Ihrer Krankenkasse und einer privaten Pflegeversicherung zu wählen. Sie müssen dann ihrer Krankenkasse einen Nachweis über den Abschluß eines gleichwertigen Vertrages eines privaten Pflegeversicherungsunternehmen zusenden.

Privatkrankenversicherte müssen eine private Pflegeversicherung abschließen. Diese muß in allen Punkten denen der sozialen Pflegeversicherung gleichwertig sein.

„ Die Pflegekassen sind rechtsfähige Körperschaften desöffentlichen Rechts mit Selbstver- waltung. “ 2 Die Aufsicht über die Pflegekassen führen zuständige Stellen, die ebenso über die Krankenkassen die Aufsicht haben. Das Bundesversicherungsamt und die obersten Ver- waltungsbehörden der Länder, die für die Sozialversicherung zuständig sind, müssen alle fünf Jahre die Geschäfts-, Rechnungs- und Betriebsführung der Pflegekassen kontrollieren. Die Prüfung hat sich auf den gesamten Geschäftsbetrieb zu erstrecken, die Pflegekassen haben auf Verlangen alle Unterlagen vorzulegen und alle Auskünfte zu erteilen die zur Durchführung der Prüfung erforderlich sind.

2.3.2 Versicherungspflicht

Die Pflegeversicherung betrifft alle Bürgerinnen und Bürger. Da alle von dem Risiko betroffen sind, pflegebedürftig zu werden, sind auch alle bei einer Pflegekasse versichert: Erwerbstätige, nichterwerbstätige Ehepartner und Kinder ebenso wie Rentner, Arbeitslose und Bezieher von Sozialleistungen. Sie alle haben Anspruch auf den Schutz der Pflegeversicherung.

2.3.3 Finanzierung der Pflegeversicherung

Erwerbstätige: Zur finanziellen Leistung der Pflegeversicherung wird seit dem 01.07.1996 monatlich 1,7 Prozent der bruttopflichtigen Einnahmen an die Pflegekasse abgeführt. Davor betrug der Beitragssatz 1,0 % ( seit 01.01.95).

Die Beiträge zur Pflegeversicherung wird von den Versicherten und den Arbeitgebern je zur Hälfte getragen. Als Ausgleich für die finanziellen Mehrbelastungen der Arbeitgeber wurde ein Feiertag gestrichen.

Kinder und Ehegatten: deren Einkommen unter 560,- DM monatlich liegt, sind im Rahmen der Familienversicherung beitragsfrei mit versichert.

Rentner: für sie gilt der gleiche Prozentsatz wie für Erwerbstätige. Die Hälfte dieses Beitrages wird von der Rente abgezogen und die zweite Hälfte trägt die Rentenversicherung.

Sozialhilfeempfänger: deren Krankenversicherungsbeiträge bereits vom Sozialamt bezahlt werden erhalten auch die Pflegeversicherung von dort.

Arbeitslose: ( also Bezieher von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Eingliederungsgeld, Eingliederungsgeld für Spätaussiedler, Unterhaltsgeld und Alterübergangsgeld) erhalten die Beiträge von der Bundesanstalt für Arbeit.

2.4 Begriff der Pflegebedürftigkeit

Das ist genau festgelegt: Wer bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens dauerhaft, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichen oder höherem Maße auf Hilfe angewiesen ist, gilt als pflegebedürftig.

Die Feststellung der Pflegebedürftigkeit erstreckt sich auf vier Bereiche: die Körperpflege, die Ernährung, die Mobilität und die hauswirtschaftliche Versorgung.

Die Hilfeleistung besteht darin, einen anderen Menschen bei den Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens zu unterstützen, die Verrichtungen ganz oder teilweise zu übernehmen oder ihm dabei zu beaufsichtigen und anzuleiten. Ziel der Hilfe ist es , soweit wie möglich die eigenständige Übernahme der Verrichtungen durch die pflegebedürftige Person zu erreichen.

Leistungsempfänger nach Altersgruppen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.4.1 Wer ist pflegebedürftig

Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung, die für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens Hilfe bedürfen.

„ Krankheiten oder Behinderungen im Sinne des Absatzes 1 sind:

1. Verluste, Lähmungen oder andere Funktionsstörungen am Stütz- und Bewegungsapparat
2. Funktionsstörungen der inneren Organe oder der Sinnesorgane
3. Störungen des zentralen Nervensystems wie Antriebs-, Gedächtnis- oder Orientierungs- störungen sowie endogene Psychosen, Neurosen oder geistige Behinderungen “ 3

2.4.2 Was gehört zur Pflege

Die Pflege muß entweder als Unterstützung, teilweiser oder vollständiger Übernahme der Verrichtungen oder aber als Beaufsichtigung oder Anleitung zur folgender Tätigkeiten dienen:

- im Bereich der Körperpflege:

1. das Waschen/ Duschen/ Baden
2. Zahnpflege
3. Kämmen
4. Rasieren
5. die Darm- oder Blasenentleerung

- im Bereich der Ernährung:

1. das mundgerechte Zubereiten der Nahrung
2. die Aufnahme der Nahrung

- im Bereich der Mobilität:

1. Aufstehen und Zubettgehen
2. An- und Auskleiden
3. Stehen/ Gehen
4. Treppensteigen
5. Verlassen der Wohnung und Wiederaufsuchen der Wohnung

- im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung:

1. Einkaufen
2. Kochen
3. Reinigen der Wohnung
4. Spülen
5. Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung
6. Heizen

2.4.3 Stufen der Pflegebedürftigkeit

1. Pflegebedürftige der Pflegestufe I sind erheblich pflegebedürftig: Sie benötigen mindestens einmal am Tag Hilfe bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung. Im Jahr 1997 waren 48,4 % der bewilligten Anträge der Pflegestufe I zugeordnet.
2. Pflegebedürftige der Pflegestufe II sind schwer pflegebedürftig: Sie benötigen mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten Hilfe bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung. In der Pflegestufe II waren es im Jahr 1997 35,2% der bewilligten Anträge.
3. Pflegebedürftige der Pflegestufe III sind schwerstpflegebedürftig: Sie benötigen täglich rund um die Uhr, auch nachts, Hilfe bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung. 14,1 % der bewilligten Anträge wurden im Jahr 1997 zugeordnet und 0,2 % entfielen auf die Härtefälle der Pflegestufe III.

Bewilligte Anträge im Jahr 1997

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Welcher der drei Stufen pflegebedürftige Kinder zugeordnet werden, richtet sich danach, wieviel zusätzliche Hilfe sie gegenüber einem gleichaltrigen gesunden Kind benötigen.

Der Zeitaufwand, den pflegende Angehörige oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson wöchentlich im Tagesdurchschnitt für die Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung dafür erbringen, muß in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen, wobei auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen müssen. Für die Anerkennung der Pflegestufe II muß dieser Hilfebedarf mindestens drei Stunden betragen, wobei hier mindestens zwei Stunden auf die Grundpflege entfallen müssen. In der Pflegestufe III muß der Zeitbedarf für diese Leistungen mindestens fünf Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens vier Stunden entfallen.

2.4.4 Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit

Ob und in welchem Umfang ein Mensch pflegebedürftig ist, wird im Rahmen einer Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung festgestellt.

Dazu muß man zuerst Leistungen bei der Pflegekasse beantragen, diese überprüft die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. Die Pflegekasse veranlaßt eine Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung ( MDK) ob Voraussetzungen erfüllt und welche Stufe der Pflegebedürftigkeit vorliegt, dazu übergibt sie ihr den Antrag sowie weitere zur Begutachtung erforderliche Unterlagen.

Die Pflegekasse klärt über Mitwirkungspflichten auf und fordert den Antragsteller auf, dem MDK eine Einwilligung zur Einholung von Auskünften bei seinen behandelten Ärzten, den ihn betreuenden Pflegepersonen / Pflegeeinrichtungen zu erteilen.

Der MDK holt Auskünfte von Ärzten, Pflegepersonen ( oder -einrichtungen) ein. Die Begutachtung der Auskünfte erfolgt von geschulten und qualifizierten Gutachtern des MDK oder bei Überlastung durch externe Sachverständige.

Der MDK besucht den Antragsteller in seiner häuslichen Umgebung oder in der Pflegeeinrichtung und wertet diesen aus. Dabei prüft er, ob und in welchem Umfang Maßnahmen zur Beseitigung, Minderung oder Verhütung einer Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit geeignet, notwendig und zumutbar sind. Weiterhin wird geprüft, ob die Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit erfüllt sind und welche Stufe vorliegt.

Der MDK teilt der Pflegekasse das Ergebnis mit, also liegen Voraussetzungen für Pflege- bedürftigkeit vor, Pflegestufe und Umfang der Pflegetätigkeit. Daneben muß der MDK einen individuellen Pflegeplan, welcher notwendige Hilfsmittel, pflegerische Leistungen, Maßnahmen zur Prävention und Rehabilitation, Prognosen über weitere Entwicklung und die Notwendigkeit und Zeitabstände von Wiederholungsgutachten beinhaltet erstellen.

Bei einem Pflegegeldantrag begutachtet der MDK, ob die häusliche Pflege in geeigneter Weise sichergestellt werden kann.

Die Pflegekassen teilen dem Versicherten schriftlich mit. ob Pflegebedürftigkeit vorliegt, sowie die Pflegestufe die entschieden wurde. Gegen diese Entscheidung kann Widerspruch eingelegt werden. Im Kalenderjahr 1997 wurden 968.327 Anträge vom MDK erledigt. Davon wurden 685.298 bewilligt, dies entspricht 70,8 %. Abgelehnte Anträge waren es 245.497, dies entspricht 25,4 %. Auf sonstige Art erledigt wurden 3,9 % oder 37.532 Anträge.

Erledigung der Anträge auf Feststellung der Pflegebedürftigkeit

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.5 Die Leistungen

Die Leistungen der Pflegeversicherung richten sich nach der Pflegestufe und danach, ob jemand ambulant oder stationär gepflegt werden muß. Dabei gelten zwei Grundsätze: „Prävention ( Vorsorge) und Rehabilitation ( alle Maßnahmen, die helfen, Pflegebedürftigkeit zu überwinden, zu mindern, sowie eine Verschlimmerung zu verhindern) vor Pflege“ und „ambulante Pflege vor stationärer Pflege“.

Die Pflegeversicherung gewährt Leistungen bei häuslicher Pflege seit 01.April 1995, bei dauernder Pflege im Heim seit 01. Juli 1996.

Verhältnis der Leistungsempfänger von ambulanten und stationären Pflegeleistungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.5.1 Die ambulante Pflege

Nach wie vor ist die Familie der „ größte Pflegedienst der Nation“: Die meisten der pflege- bedürftigen Menschen, die zu Hause leben, werden von Familienangehörigen versorgt. Und das ist gut so, denn: Wer pflegebedürftig ist, möchte in der Regel so lange wie möglich in seiner vertrauten Umgebung gemeinsam mit seinen Angehörigen leben. Deshalb muß häusliche Pflege Vorrang haben vor einer stationärer Unterbringung. Aus diesem Grund legt das Gesetz seinen Schwerpunkt auf die Leistungen, die die Bedingungen für die häusliche Pflege verbessern und die Pflegenden entlasten.

Die Höhe der häuslichen Pflegeleistungen richtet sich nach der jeweiligen Pflegestufe ( siehe Tabelle unten). In der sozialen Pflegeversicherung steht dem Pflegebedürftigen ein Wahlrecht zwischen der Sachleistung ( Pflegeeinsätze durch einen Vertragspartner der Pflegekasse, z. B. Sozialstation) und der Geldleistung ( mit der der Pflegebedürftige die erforderliche Pflege in geeigneter Weise selbst sicherstellt, z. B. durch Angehörige) zu. Auch eine Kombination von Sach- und Geldleistungen ist möglich. Die Hilfen können mithin so gestaltet werden, wie sie den persönlichen Bedürfnissen des Pflegebedürftigen entsprechen.

In der privaten Pflegeversicherung gibt es keine Sachleistungen, sondern nur Geldleistungen. An Stelle der Sachleistungen steht eine der Höhe nach gleiche Kostenerstattung. Versicherte, die nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit und Pflege Anspruch auf Beihilfe oder Heilfürsorge haben, erhalten, wenn sie in der sozialen Pflegeversicherung versichert sind, die jeweils zustehenden Leistungen nur zur Hälfte. Aus diesem Grund wird der zu zahlende Beitrag für sie halbiert. Privat pflegeversicherte Beamte erhalten alle nun genannten Leistungen entsprechend ihrem Beihilfeanspruch anteilig von ihrer privaten Pflegepflichtversicherung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.5.1.1 Pflegegeld

Als Alternative zur Pflegesachleistung durch einen professionellen Pflegedienst kann die Pflege durch Angehörige, Bekannte oder Nachbarn selbst sichergestellt werden. In diesen Fällen zahlt die Pflegekasse dann Pflegegeld an den Pflegebedürftigen, das als finanzielle Unterstützung für die Pflegeperson gedacht ist.

Bezieher von Pflegegeld sind verpflichtet,

- bei Pflegestufe I und II mindestens einmal halbjährlich
- bei Pflegestufe III mindestens einmal vierteljährlich

einen Pflegeeinsatz durch eine Pflegekraft einer zugelassenen Pflegeeinrichtung abzurufen. Der professionelle Pflegeeinsatz dient der Beratung der pflegenden Angehörigen und soll die Qualität der häuslichen Pflege sichern. So kann die Pflegekraft z. B. durch Beratung und Hilfestellung auf eine Entlastung der Pflegeperson hinwirken.

Die Vergütung dieses Pflegeeinsatzes ist von dem Pflegebedürftigen zu tragen. Sie beträgt in den Pflegestufen I und II bis zu 30,- DM und in der Pflegestufe III bis zu 50,.- DM. 56,3 % der Leistungsempfänger erhielten Pflegegeld im Jahr 1997 dies entspricht 971.939 Leistungsempfängern.

2.5.1.2 Pflegesachleistungen

Für die Pflegebedürftigen, bei denen die tägliche Pflege nicht durch Angehörige, Nachbarn oder Freunde gesichert werden kann oder bei denen diese Pflegepersonen entlastet werden sollen, sind die Pflegesachleistungen gedacht. Hier zahlt die Pflegekasse die Einsätze von professionellen Pflegediensten, je nach Pflegebedürftigkeit und Höchstbetrag der Pflegestufe. 119.429 Leistungsempfänger also 6,9 % entschieden sich im Jahr 1997 für Pflegesach- leistungen.

2.5.1.3 Kombinationsleistungen

Sofern die jeweilige Sachleistung nur teilweise in Anspruch genommen wird, besteht daneben Anspruch auf anteiliges Pflegegeld. Das Pflegegeld wird um den Prozentsatz vermindert, in dem der Pflegebedürftige Sachleistungen erhalten hat. Die Entscheidung über das Verhältnis von Geld und Sachleistung ist für sechs Monate bindend. 9,1 % oder 157.542 Leistungsempfänger entschieden sich für die Kombinationsleistungen im Jahr 1997.

Verhältnis der Empfänger von Pflegesachleistung und Pflegegeld (nur ambulant) in %

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.5.1.4 Urlaubs- und Verhinderungspflege

Vorgesorgt ist auch für die Fälle, in denen die Pflegeperson, die die häusliche Pflege durchführt, kurzfristig wegen Urlaub, Krankheit oder aus anderen Gründen ausfällt. Die Pflegekasse übernimmt in diesen Fällen bis zu vier Wochen im Jahr die Kosten einer notwendigen Ersatzpflege bis zu einer Höhe von 2.800,- DM pro Kalenderjahr.

Wird die Ersatzpflege durch nicht professionelle Pflegekräfte erbracht, ist die Kostenerstattung grundsätzlich auf die Höhe des Betrages des Pflegegeldes für die festgestellte Pflegestufe beschränkt.

Einzige Voraussetzung: Die Pflegeperson muß den Pflegebedürftigen schon seit mindestens zwölf Monaten betreuen. Diese Leistung wurde im Jahr 1997 von nur 0,2 % oder 3.716 Leistungsempfänger in Anspruch genommen.

2.5.2 Tages- und Nachtpflege

Kann die häusliche Pflege eines Pflegebedürftigen nicht in ausreichendem Umfang sichergestellt werden, besteht ein zeitlich nicht begrenzter Anspruch auf teilstationäre Einrichtungen der Tages- und Nachtpflege.

Dies gilt insbesondere in den Fällen

- einer kurzfristigen Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit
- der Ermöglichung einer ( Teil-) Erwerbsfähigkeit für die Pflegeperson,
- einer beabsichtigten, teilweisen Entlastung der Pflegeperson,
- aber nur für einige Stunden am Tag notwendigen ständigen Beaufsichtigung des Pflege- bedürftigen

Die Leistungshöhe ist nach dem Grad der Pflegebedürftigkeit gestaffelt. Sie beträgt für die pflegebedingten Aufwendungen einschließlich Transport je nach Pflegestufe monatlich 750,- DM, 1.500,- DM oder 2.100,- DM. Im Jahr 1997 haben 5.065 Leistungsempfänger also 0,3% dies in Anspruch genommen.

2.5.2.1 Kurzzeitpflege

In Fällen, in denen weder häusliche Pflege, noch teilstationäre Pflege möglich ist, hat der Pflegebedürftige Anspruch auf die stationäre Kurzzeitpflege. Er wird für einen begrenzten Zeitraum in eine vollstationäre Einrichtung aufgenommen, mit der ein Versorgungsvertrag besteht, und dort gepflegt.

In Betracht kommen die Kurzzeitpflege

- für eine Übergangszeit nach einer stationären Behandlung in einem Krankenhaus oder einer Rehabilitationseinrichtung, wenn etwa für die häusliche Pflege die Wohnung des Pflegebedürftigen noch Umbaumaßnahmen erforderlich sind, oder die Pflegeperson die Pflege noch nicht sofort übernehmen kann,
- für Zeiten der Krankheit, des Urlaubes, einer sonstigen Verhinderung der Pflegeperson oder in Krisenzeiten, z. B. bei völligem Ausfall der bisherigen Pflegeperson oder kurzfristiger erheblicher Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit.

Voraussetzung ist wiederum, daß die Pflegeperson zuvor mindestens zwölf Monate den Pflegebedürftigen in dessen häuslicher Umgebung gepflegt hat. Der Anspruch auf Kurzzeit- pflege ist auf vier Wochen im Kalenderjahr begrenzt, wobei die pflegebedingten Auf- wendungen der Pflegekassen hierfür 2.800,- DM im Kalenderjahr nicht übersteigen dürfen. 5633 Leistungsempfänger oder auch 0,3% nahmen diese Leistung im Jahr 1997 für sich war.

2.5.2.2 Pflegehilfsmittel

Sind Zuschüsse zum pflegebedingten Umbau der Wohnung, bis zu 5.000,- DM je Maßnahme unter Berücksichtigung eines angemessenen Eigenanteils, wenn andere Finanzierungsmöglichkeiten ausscheiden.

2.5.2.3 Soziale Sicherung der Pflegepersonen

Wer einen Menschen zu Hause pflegt, nimmt große Belastungen auf sich. Häufig müssen die Pflegenden - in der Mehrzahl sind es Frauen - auf eine eigene Berufstätigkeit ganz oder teilweise verzichten. Deshalb verbessert das Gesetz die soziale Sicherung der Pflegepersonen. Die soziale Pflegeversicherung geht damit über die Maßnahme hinaus, die mit der Rentenreform 1992 getroffen worden waren.

Wer einen Menschen pflegt und nicht oder nur bis zu 30 Stunden in der Woche erwerbstätig ist, wird in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert. Die Beiträge übernimmt die Pflegeversicherung. Wie hoch diese Beiträge sind, richtet sich danach, wie schwer die Pflege- bedürftigkeit ist und wieviel Zeit die Pflegeperson deshalb für die notwendige Betreuung aufwenden muß.

Die Pflegenden genießen darüber hinaus während ihrer Pflegetätigkeit den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Wichtig: Als Pflegeperson gilt jeder, der einen pflegebedürftigen Menschen nicht erwerbsmäßig mindestens 14 Stunden in der Woche in seiner häuslichen Umgebung pflegt.

2.5.3 Pflegekurse

Die Pflegekassen sollten für pflegende Angehörige und ehrenamtliche Pflegepersonen Schulungskurse unentgeltlich anbieten, um das soziale Engagement im Bereich der Pflege zu fördern und zu stärken. Daneben sollen diese Kurse die Pflege und Betreuung erleichtern und verbessern, sowie die körperlichen und seelischen Belastungen vermindern, die die Pflege mit sich bringt.

„ Die Pflegekasse kann diese Kurse entweder selbst oder gemeinsam mit anderen Pflegekassen durchführen oder geeignete andere Einrichtungen mit der Durchführung beauftragen. “ 4

2.5.4 Die stationäre Pflege

Wenn eine stationäre Pflege erforderlich ist, zahlt die Pflegeversicherung für die Aufwendungen der Grundpflege, der sozialen Betreuung und der medizinischen Behandlungspflege für Pflegebedürftige monatlich bei:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Kosten für Unterkunft und Verpflegung muß der Versicherte - wie bei der häuslichen Pflege auch - selbst tragen.

„ Pflegebedürftigen haben einen Anspruch auf Pflege in vollstationären Einrichtungen, wenn häusliche oder teilstationäre Pflege nicht möglich ist oder wegen der Besonderheit des einzelnen Falles nicht in Betracht kommt. “ 5

425.682 Leistungsempfänger, dies entsprechen 24,6 % entfielen im Jahr 1997 auf diesen Bereich.

2.5.5 Behinderte

Alle beschriebenen Leistungen stehen auch für jüngere pflegebedürftige Behinderte in vollem Umfang zur Verfügung. Darüber hinaus beteiligt sich die Pflegeversicherung mit einem pauschalen Zuschuß an den laufenden Kosten von stationären Einrichtungen der Behinderten- hilfe, die keine Pflegeeinrichtungen sind, sondern in erster Linie der Eingliederung des Behinderten dienen.

2,2 % oder 38.408 Leistungsempfänger konnten diese Leistung für sich im Jahr 1997 in Anspruch nehmen.

Struktur der errechneten Leistungsempfänger nach Leistungsarten in %

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Leistungsempfänger nach Pflegestufen und Geschlecht

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.6 Wirtschaftlichkeitsprüfungen

Die Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit der ambulanten, teilstationären und vollstationären Pflegeleistungen können durch die Pflegekassen überprüft werden. Diese Aufgabe können bestellte Sachverständige der Pflegekasse übernehmen, davor ist aber der Träger der Pflegeeinrichtung anzuhören. Bei der Auswahl der Sachverständigen ist deren Unabhängigkeit und fachliche Eignung ausschlaggebend.

Die Träger sind verpflichtet, dem Sachverständigen auf Verlangen alle Unterlagen vorzulegen und sämtlicher Auskünfte zu erteilen, damit dieser seine Aufgaben sachgemäß erledigen kann. Da die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit auch Auswirkungen auf die nächste Vergütungsvereinbarungen haben werden, ist dieser besondere Bedeutung geschenkt.

„ Inwieweit der Pflegeplan und die Pflegedokumentation im Rahmen der Wirtschaftlichkeits prüfung Bedeutung erlangen wird, ist derzeit noch nicht geklärt. “ 6

Die Pflegeeinrichtung kann diese Prüfungen nicht verhindern und hat auch keinen Einfluß auf die Auswahl des Sachverständigen.

2.7 Qualitätsicherung

Durch den gesetzlichen Auftrag der Pflegekassen, einer leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlich pflegerischen Versorgungsstruktur, erfordert dies um die ständige Sicherung der Qualität in der Pflege zu gewährleisten folgende Maßnahmen:

- einheitliche Grundsätze und Maßstäbe, für die Qualität und die Qualitätssicherung der ambulanten und stationären Pflege, sowie für das Verfahren zur Durchführung der Qualitätsprüfungen.
- die Vereinbarungen sind für alle Pflegekassen und deren Verbände, sowie für die zuge- lassenen Pflegeeinrichtungen unmittelbar verbindlich. Die Überprüfung der Qualität der Leistungen durch den MDK durch Einzelprüfungen, Stichproben oder vergleichende Prüfungen muß ermöglicht werden.
- treten bei einem Versorgungsunternehmen Mängel auf, haben die Landesverbände der Pflegekassen die Möglichkeit die Kündigung des Versorgungsauftrages.

3 Fazit

Bedingt durch die steigende Lebenserwartung ist Pflegebedürftigkeit schon lange kein Einzelschicksal mehr; die Zahl der Pflegebedürftigen steigt zunehmend.

In der Vergangenheit wurden Pflegebedürftige meist in der Familie gepflegt. Diese festen Familienverbunde gibt es in der heutigen Zeit immer weniger, zunehmende räumliche Ent- fernungen verhindern die Pflege in der Familie. Außerdem gibt es immer mehr ältere Menschen, die keine Angehörigen (mehr) haben. Das hat zur Folge, daß diese Menschen sich die nötige Hilfe teuer erkaufen müssen. Diese Kosten kann der /die Betroffene selten aus eigenen Mitteln finanzieren, so daß bislang der Sozialhilfeträger einspringen mußte.

Pflegebedürftigkeit ist ein Schicksal, das jeden jederzeit treffen kann und schon deshalb einer sozialen Absicherung bedarf. Dies steht im Einklang mit der verfassungsrechtlichen Staatsform der Bundesrepublik Deutschland als sozialer Rechtsstaat. Politische Äußerungen vor der Einführung der Pflegeversicherung zufolge, ist die Pflegeversicherung nicht als „Vollkaskoversicherung“ konzipiert und soll nach einem ganz einfachen Prinzip bei der Leistungsausschüttung funktionieren. Zu den aufgrund Pflegebedürftigkeit entstehenden Kosten, erhält der Pflegebedürftige unter Beachtung gesetzlich vorgeschriebener Höchst- grenzen im Rahmen des Leistungskatalogs der Pflegeversicherung einen Zuschuß. So soll die Schwelle zur Abhängigkeit von Sozialhilfe herabgesetzt werden. Realistisch betrachtet wird dieses Prinzip nicht immer umgesetzt, da oftmals versucht wird, mit den Mitteln, die die Pflegekassen zur Verfügung stellen, die gesamte Pflege im notwendigen Umfang sicher- zustellen. Dies ist aber meist nur mit zusätzlicher ehrenamtlicher Hilfe möglich.

Die Pflegeversicherung birgt viele Ansätze, so werden z. B. die pflegenden Angehörigen endlich entlohnt für ihre Arbeit, die sie jahrelang für selbstverständlich hielten. Sie pflegten ihre Angehörigen, Freunde und Bekannte, ohne auch nur einen Pfennig dafür zu bekommen. Nach der Einführung der Pflegeversicherung glaubten viele, jetzt endlich wird honoriert was ich tue. Doch für viele kam die Ernüchterung, nachdem der erste Antrag abgelehnt wurde, aus für sie ungeklärten und ungerechten Gründen. Oder Sie fühlten sich durch die viertel- oder halbjährlichen Besuche, durch qualifiziertes Pflegepersonal, unter die Lupe genommen und hatten Angst, daß sie ihre Ansprüche auf Leistungen verlieren.

Der Medizinische Dienst, welcher vor allem aus begutachteten Ärzten besteht, hat die Macht über Bewilligung oder Ablehnung. Wieso aber können Ärzte über Pflegebedürftigkeit entscheiden, wo sie doch fast keine Erfahrungen in der Pflege besitzen. Wieso werden diese Stellen nicht von qualifizierten Pflegepersonen besetzt?

Betrachtet man die Bevölkerungspyramide für die nächsten Jahre sieht man deutlich ein Wachstum der Altersstruktur. Die Lebenserwartung steigt, durch die verbesserten Lebens- bedingungen und medizinische Fortschritte. Diese Menschen müssen in naher Zukunft gepflegt werden und sie haben alle Anspruch auf Kostenübernahme durch die Pflegeversicherung. Nur noch wenige Ältere leben mit ihren Angehörigen zusammen, die die Pflege übernehmen könnten und nur wenige freie Heimplätze, stehen für die große Anzahl der Bedürftigen zu Verfügung. Wer soll hierfür die Kosten übernehmen? Reicht die Finanzierung der Pflegeversicherungsbeiträge dafür aus? Tritt die Pflegeversicherung hier nicht an ihre Grenzen und ist zu einem Scheitern verurteilt, da ihr das Geld für die Pflege ausgeht? Eine düstere Prognose zur Zukunft der Pflegeversicherung stellt Prof. Winfried Schmähl, Leiter eines Forschungsprojektes der Hans-Böckler-Stiftung, über die Entwicklung der Pflegeversicherung. Danach wird bei einem konstanten Beitragssatz von 1,7 % die Pflegeversicherung in nicht allzu ferner Zukunft unbezahlbar sein. Für die Gründe dieses Dilemmas hält die Wissenschaft die Tatsache, daß Pflegebedürftige künftig verstärkt Sachleistungen in Anspruch nehmen werden. Liegt der Anteil der für die Pflegekassen günstigeren Geldleistungen momentan noch bei rund 80 %, so werde er im Jahr 2030 voraussichtlich auf knapp 50 % zurückgehen. Dies sei durch immer kleiner werdende Haushalte, geringer werdendes familiales Pflegepotential und steigende Erwerbstätigkeit von Frauen bedingt.

Die Pflegeversicherung wurde konzipiert als Leistungsgesetz mit begrenzten Leistungen bei Pflegebedürftigkeit, sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht. Wie aber sieht es wirklich mit den Kontrollen der Vertragspartner aus. Wo geschieht eine Qualitätssicherung? Kann ein Anstieg von Pflegesachleistungen von den derzeitigen bestehenden ambulanten Trägern erbracht werden. Stoßen diese in ländlichen Gebieten nicht schon an ihre Grenzen. Führt ein Anstieg nicht wieder zum unkontrollierten Wildwuchs von Anbietern, ohne jegliche fachliche Kompetenzen. Wer aber kontrolliert diesen Wildwuchs? Wer ist laut Pflegeversicherung dafür zuständig? Viele Anbieter landen durch falsche Pflege in den Schlagzeilen, sie sind so schnell wie sie aus dem Boden sprießen auch schon wieder vom Erdboden verschwunden. Sie können sich auf dem Dienstleistungsmarkt durch inkompetente Pflege nicht behaupten. Dies verursacht Angst bei den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen. Sämtliche Pflegedienste rücken dadurch ins schlechte Rampenlicht, auch seriöse Anbieter fallen durch das Raster und müssen um ihre fachliche Anerkennung kämpfen. Seit einigen Monaten drängen nun immer mehr große Dienstleistungskonzerne auf den Markt. Sie graben nicht nur den kleinen und mittleren Pflegeunternehmen, sondern auch den großen Wohlfahrtsverbänden das Wasser ab, indem sie Billigstlöhner einsetzen. So ist in Bayern die Putzfirma Pedus marktbeherrschend, die von ihren Arbeitskräften nach kurzer Einweisung, nicht nur Fußböden und Fenster, sondern auch die Patienten in den Betten „pflegen“ läßt.

Führt unsere erfolgreiche Sozialpolitik nicht nur zur Verbesserung der sozialen Verhältnisse und zum Abbau sozialer Benachteiligungen, sondern schafft sie nicht auch die Möglichkeit für so was wie „Egoismusoptimierung“. Warum soll man sich persönlich für jemanden oder für etwas engagieren, wenn man durch die Finanzierung professionalisierter Dienstleistungen die eigene Zuwendung quasi technologisch ersetzen kann. Die Laienpflege geht dadurch verloren.

Wie sieht die Lage in den Pflegeheimen aus, durch das Inkrafttreten der 2. Stufe der Pflege- versicherung, wurde es erschwert einen Heimplatz zu bekommen, da die Heime nur Personen aufnehmen, welche schon durch die Pflegeversicherung eingestuft sind. Dies führt im Notfall zu katastrophalen Verhältnissen, da eine Antragsbearbeitung bei der Pflegekasse gut 4 bis 6 Monate dauern kann. Was kann man in der Zwischenzeit tun, außer Warten und Beten?

Ein weiterer negativer Aspekt der Pflegeversicherung in meinen Augen, ist die mangelnde Aufklärung und Informationsfreigabe an die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen über ihre Ansprüche des Leistungsumfanges. Welcher Laie findet sich im Dschungel der angebotenen Leistungen zurecht. Hierfür müßte man mehr Informationsstellen schaffen. Einige Kranken- und Pflegekassen haben diesen Schritt schon begonnen, sie stellten für diese Aufgaben qualifiziertes Personal ein, zur Beratung der Pflegebedürftigen über die Leistungen der Pflegeversicherung.

Eines der erklärten Hauptziele des Pflegeversicherungsgesetzes war es, der „mitmenschlichen Zuwendung“ eine Chance zu geben - und die Pflege weitgehend auf die Familie oder Nachbarschaft der Pflegebedürftigen abzuwälzen. Dieses Modell ist für die Kassen in jedem Falle das billigste. Doch wie sieht es mit den Betroffenen aus?

Im besten Falle kommt den Pflegebedürftigen die vertraute Atmosphäre zuhause und die Anwesenheit der Familienangehörigen zugute. Trotz der von den Kassen angebotenen Schnellkurse sind letztere aber den hohen fachlichen, körperlichen und auch physischen Belastungen meist nicht gewachsen. In der „häuslichen Pflege“ sind zwei Drittel der Pflegenden älter als 60 Jahre. Meist handelt es sich um Frauen, über die Hälfte von ihnen leiden selbst an Krankheiten, chronischen Beschwerden oder ziehen sich spätestens infolge von Streß und Anstrengungen bei der Pflege welche zu.

Neben dieser Vielzahl von Leidtragenden der Pflegeversicherung gibt es aber auch eine kleine Minderheit, die von der Pflegeversicherung gewaltig profitiert hat. Wer sind diese Gewinner? Erstens sind das alle Unternehmen ganz allgemein. Sie wurden entweder von der Beitragspflicht direkt befreit oder sie erhielten durch die Streichung von bezahlten Feiertagen eine mehr als 100prozentige Kompensation ihres Beitragsanteils.

Viel bedeutsamer aber: die Pflegeversicherung hat dazu beigetragen, die Europäische Währungsunion im Interesse des Kapitals zu gestalten. Hauptziel der Pflegeversicherung war nämlich, die öffentlichen Kassen, die Gemeinden und Länder, von den Milliardenausgaben für Sozialhilfe, Pflegeheime, Behindertenheime usw. zu befreien und so die Haushaltsdefizite entsprechend den Vereinbarungen im Vertrag von Maastricht herunterzufahren. Den Standort Europa wettbewerbsfähig machen - das heißt eben auch, alle sozialen Einrichtungen abzu- schaffen, von denen die Konkurenz in den USA oder im Fernen Osten sich längst getrennt hat oder noch nie „belastet“ war.

Im einzelnen sind es unter den Unternehmen besonders die Krankenkassen, die mit der Pflegeversicherung ein Bombengeschäft machen. Alle kostenträchtigen, zu wenig profitablen Leistungen werden von ihnen in die Pflegeversicherung ausgelagert. Auf diese Weise können sich die Krankenkassen gesund stoßen und im Bereich der Pflegeversicherung jedes Jahr Rekordüberschüsse verzeichnen.

Nicht zu vergessen auf der Gewinnerseite sind natürlich auch die Konzerne, die wie Pedus neu in das Geschäft mit der Pflege eingestiegen sind und es glänzend verstehen, das Sprichwort „des einen Leid ist des anderen Freud“ in klingende Münze umzusetzen. Bis jetzt habe ich in meinem Fazit nur die Mängel und die viele offene Fragen aufgezählt. Trotz dieser vielen negativen Nuancen bringt die Pflegeversicherung eine soziale Gerechtigkeit mit sich, durch ihre Einführung, kann sich jetzt eigentlich jeder Mensch Pflege leisten, so fern er als Pflegebedürftiger eingestuft worden ist.

[...]


1 Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung: Pflegeversicherungsgesetz, 1994, § 1(4), Seite 13

2 Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung: Pflegeversicherungsgesetz, 1994, § 46 (2), Seite 44

3 Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung: Pflegeversicherungsgesetz ,1994, § 14, Seite 20

4 Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung: Pflegeversicherungsgesetz,1994, § 45, Seite 43

5 Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung: Pflegeversicherungsgesetz, 1994, § 43 (1) , Seite 41

6 Ristok, Bruno: Die Pflegeversicherung. Freiburg im Breisgau: Lambertus 1994, Seite 84

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Pflegeversicherung
Note
gut
Autor
Jahr
1999
Seiten
25
Katalognummer
V98753
ISBN (eBook)
9783638972048
Dateigröße
402 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Pflegeversicherung
Arbeit zitieren
Birgit Häcker (Autor:in), 1999, Pflegeversicherung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/98753

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Titel: Pflegeversicherung



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