Der Einfluss der Massenmedien auf internationale Beziehungen: Internet und die "Dritte Welt"


Seminararbeit, 2000

14 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


1. Hinführung

Das Internet entwickelt sich seit Jahren rasant zu einem immer wichtiger werdenden Medium. Gerade an Universitäten erlangt es für Recherchezwecke besondere Bedeutung. Doch mittlerweile hat der Privatsektor längst aufgeholt, und den Boom des Internet in die Wohnzimmer getragen. Wurden im Jahr 1990 noch 313.000 Host- Server gezählt, so waren es im Januar dieses Jahres bereits 72,398,092 (ISC 2000). Die tatsächliche Zahl der User liegt dabei um ein vielfaches höher, da ein Host-Server gewöhnlich von einer Vielzahl von Personen genutzt wird. Der Großteil dieser Entwicklung wird von den westlich geprägten Industriestaaten getragen. Große Anstrengungen wurden zuletzt jedoch unternommen, auch die „Dritte Welt“ an dieser Technologie teilhaben zu lassen.

Die „Dritte Welt“ wird im Politiklexikon von Holtmann wie folgt definiert: „Sammelbez.[eichnung] für die Gesamtheit der Entwicklungsländer Afrikas, Asiens und Lateinamerikas. In den 50er Jahren wurden mit D.[ritte Welt] nur jene Staaten bezeichnet, die den dritten Weg der Blockfreiheit einschlugen. Die zunehmende Bedeutung wirtschaftlicher Ungleichheiten führte in den 60er Jahren zur Ausdehnung des Begriffs, dessen Schwäche in der Vernachlässigung der unterschiedlichen Strukturen in den verschiedenen Entwicklungsländern liegt.“(Holtmann 1994: S.134). Die hier anklingende Kritik an dem Begriff „Dritte Welt“ wird auch in anderen Publikationen aufgegriffen. Christian Flatz betont, dass „Begriffe wie Unterentwicklung, nachholende Entwicklung und Rückständigkeit auf die Vorstellung einer linearen Entwicklung aller Länder dieser Erde zurückzuführen“ seien (Flatz 1999: S.617). „Eine derartige modernisierungstheoretische Anschauung ist allerdings seit der Ausarbeitung weltsystemischer und dependenztheoretischer Konzepte kaum mehr haltbar.“ (Flatz 1999: S.617). Es wird also deutlich, dass der Begriff der „Dritten Welt“ stark in der Kritik steht. Diese Arbeit hält sich dennoch an die Definition Holtmann’s, nimmt die Kritik am Begriff der „Dritten Welt“ jedoch zur Kenntnis. Als Überbegriff für die wirtschaftlich ärmeren Länder Afrika’s,

Lateinamerika’s und Asien’s ist dieser Begriff dennoch heute noch allgemein verständlich.

Es wird in der Folge also zu untersuchen sein, in wie fern die wirtschaftlich armen Länder der „Dritten Welt“ vom aktuellen Boom der Informationstechnologie, und des Internet im Speziellen profitieren können, und dies bereits tun. Weiter ist Inhalt der Untersuchung die Frage nach den Möglichkeiten der tatsächlichen Umsetzung der Erwartungen an das Internet und die Darstellung ausgewählter Projekte, mit denen die „Dritte Welt“ an das Medium herangeführt werden soll. Auch die Kritik an der Einführung des globalen Informationsnetzes und die bisherigen Erfolge sollen gewürdigt werden. Aufgrund der Existenz zahlreicher Quellen für diese Region, werden Beispiele meist für Schwarzafrika geführt.

2. Erwartungen an das Medium Internet

2.1. Die Neu-Delhi Deklaration

Am 12. Februar 1994 kamen in Neu-Delhi Vertreter des Mediensektors aus 24 Ländern zu einem Symposium zusammen, dass sich mit einer gerechten Nutzung von Informationstechnologie auseinandersetzte. Dabei wurde unter anderem die Beobachtung festgehalten, dass die wirtschaftliche Entwicklung in Asien und überall in der Welt zu ungleicher Verteilung der Ressourcen und des Wohlstandes in der Welt führt. Weiter werde man Zeuge einer verstärkten Monopolisierung und Kommerzialisierung von Information (Mohr 2000).

Daraufhin wurden in einer Erklärung fünf grundlegende Prämissen für den Umgang mit Informationstechnologie festgelegt, von denen drei für diese Arbeit von Bedeutung sind. Erstens soll es allen Individuen und Völkern ermöglicht werden, frei zu kommunizieren, die Möglichkeiten der Informationstechnologie zu nutzen und sich selbst und andere zu informieren (Mohr 2000). Zweitens sollen Kommunikations- und Informationstechnologien dazu genutzt werden, die partizipatorische Demokratie zu stärken, und nicht um Bürgerrechte einzuschränken (Mohr 2000). Drittens wird festgestellt, dass Informationssysteme ein großes Potential für echte Volksbeteiligung an demokratischen Vorgängen in sich tragen, und dezentral organisiert sein sollen, um kulturelle Vielfalt und humane Werte zu schützen (Mohr 2000).

2.2. Erwartungen an die Entwicklungshilfe

Entwicklungshilfe ist für eine Verbesserung der Infrastruktur aufgrund der hohen Kosten nahezu unerlässlich. Ausländische Regierungen und Nichtregierungsorganisationen setzen hohe Erwartungen in ihr Engagement im Bereich der digitalen Kommunikation. Schlagworte sind vor allem Teleeducation, Telemedizin, Universal Access und die Verringerung der wirtschaftlichen Kluft zwischen Arm und Reich (Flatz 1999: S. 617).

Teleeducation soll mittels Fernschulungsprogrammen („Virtual Classrooms“ (Uimonen 2000)), der Möglichkeit eines nahezu unbegrenzten Zugriffs auf Wissen aus aller Welt und bessere Vernetzung von Lehrenden und Lernenden auf der ganzen Welt grundlegende Bildungsprobleme lösen. Ob jedoch Analphabetismus nicht eher durch eine Stärkung der traditionellen Lehrmethoden bekämpft werden kann, sollte überprüft werden (Uimonen 2000).

Der allgemeine Zugriff (Universal Access) soll durch die Einführung von sogenannten Telecentern erreicht werden. Universal Access bedeutet hierbei, dass jeder Mensch ein Zugangsterminal in zumutbarer Entfernung erreichen kann. Telecenter sind Einrichtungen, in denen umfassende Telekommunikationsdienste für öffentlichen Zugang angeboten werden sollen.

„Die Internetökonomie wird das gutmachen, was 50 Jahre „verpatzte“ industrielle Entwicklung nicht vermocht haben. Der Süden wird in den Club der Reichen Aufnahme finden“ (Flatz 1999: S. 618). In etwa so formuliert sich die Erwartungshaltung der Entwicklungshilfe Leistenden an ihre Programme. Dass dies von Kritikern bereits als koloniale Haltung kritisiert wird, ist verständlich (Flatz 1999: S. 618).

2.3. Hoffnungen der Enquete - Kommission „Zukunft der Medien“ des deutschen Bundestages

Zusammen mit der Deutschen Welle unterstützt der deutsche Bundestag das Projekt „West African Internet“ (WAIN). Dabei soll westafrikanischen Staaten Unterstützung im Ausbau ihrer Kommunikationsinfrastruktur zuteil werden. Zuständig auf Seiten des Bundestages ist die Enquete - Kommission „Zukunft der Medien“. Deren wissenschaftlicher Mitarbeiter Christoph H. Werth formulierte in einem Artikel in der Afrika-Post die an dieses Projekt geknüpften Hoffnungen.

So erwartet man eine deutliche Erleichterung des Welthandels, da für Unternehmen der Dritten Welt der Zugang zu den Märkten der westlichen Industrienationen, und somit eine Direktvermarktung möglich wird (Werth 1997: S.36). Ein Schritt in diese Richtung ist die Zusammenarbeit zwischen dem Environmental Liaison Centre International (ELCI) in Kenia und der US-Organisation Earth MarketPlace, die eine Direktvermarktung auf dem US-Markt sichern soll, und bereits 1995 ins Leben gerufen wurde (Holderness 2000).

Weiter wird eine Minimierung von Reisekosten angestrebt, da bisher persönlich zu erledigende Kommunikation zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Stellen, zwischen Wirtschaftssubjekten etc. über das Internet bewerkstelligt werden könnte. Die Nutzung als riesiges Datenarchiv stellt eine zentrale Rolle des Internet dar. Auf dieses sollen nun auch die Staaten der Dritten Welt zugreifen können, um so jederzeit Zugang zu aktuellem Wissen zu bekommen (Werth 1997: S. 37).

Eine immer wieder aufgegriffene zentrale Erwartung, ist jene, die auf eine Verbesserung der medizinischen Versorgung hinzielt. Über die bereits erwähnte „Telemedizin“ soll es Medizinern in den abgelegensten Winkeln der Erde ermöglicht werden, jederzeit auf tagesaktuelles Wissen zurückzugreifen, und Spezialisten über das Internet zu konsultieren (Werth 1997: S.37).

Inwieweit diese Hoffnungen bereits umgesetzt sind, und ob Aussicht besteht, dass sie je realisiert werden, soll in der Folge genauer untersucht werden. Ob die Integration in eine globale Informationsgesellschaft, wie sie unter anderem Al Gore („Wir haben die Chance neuen Wohlstand, eine neue Bildung, eine neue Liebe zur Freiheit und Demokratie - und sogar einen neuen Sinn für Gemeinschaft in den entferntesten Regionen der Welt zu verbreiten.“ (Flatz 1999: S. 614)) propagiert, umgesetzt wird, oder ob sich vielmehr eine neue Kluft zwischen Informationsreichen und Informationsarmen auftut, ist dabei zu klären.

3. Probleme bei der Einführung des Internet

Noch immer ist die Anzahl von Host - Computern in der „Dritten Welt“ nahezu verschwindend gering. Afrika ohne Südafrika beispielsweise beheimatete im Januar 2000 ca. 25000 bis 30000 Hosts, das sind gerade 0,05 Prozent der Host-Computer weltweit (Jensen 2000 (b)). Die Gründe für die geringe Durchdringung der „Dritten Welt“ mit Internet-Hosts sind vielfältig. Neben dem zentralen Problem des hohen Analphabetismus in der „Dritten Welt“ sind folgende Felder bestimmend.

3.1. Schlechte Infrastruktur

Zunächst ist sicherlich die schlechte Infrastruktur anzuführen. Fehlende oder veraltete Telefonleitungen verhindern den Ausbau des Informationsnetzes. Weltweit fehlen 80 % der Bevölkerung die grundlegenden Kommunikationssysteme (Holderness 2000). Mit nur 0,52 Telefonleitungen pro 100 Einwohner liegen die Länder Schwarzafrikas deutlich hinter den Industrieländern, in denen mehr als fünfzig pro Hundert verlegt sind (Flatz 1999: 615). Dabei sieht die OECD einen direkten Zusammenhang zwischen einer Erhöhung der Telefondichte und Wirtschaftswachstum (Holderness 2000). Neben dem Fehlen brauchbarer Telefonleitungen sind auch die Kosten für Telefongespräche meist höher als in Ländern mit einer besseren Telekommunikationsinfrastruktur. Ebenso gibt es häufig Probleme mit einer konstanten, verlässlichen Stromversorgung. Erst nach Lösung dieser Probleme kann man überhaupt ernsthafte Hoffnungen haben, das Internet in Entwicklungsländern etablieren zu können (Uimonen 2000). Visionäre sehen jedoch das Fehlen von festen Telefonleitungen als großen Vorteil, da man dort direkt in die Nutzung des Mobilfunks für den Internetbetrieb einsteigen könne (Afemann 1996: S. 80).

3.2. Hohe Kosten

Die Kosten für die Anschaffung der notwendigen Ausrüstung, um Zugang zum Internet zu erlangen sind für Bürger in den Staaten der „Dritten Welt“ unerschwinglich hoch. Ein Low-End Computer kostet in Deutschland derzeit ca. 2000 DM, was in Entwicklungsländern unbezahlbar erscheint. Der durchschnittliche Satz des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf in Entwicklungsländern lag in den neunziger Jahren bei ca. 970 US$ (Uimonen 2000). Auch sind die Kosten für den Zugang zum Internet vergleichsweise hoch. In Afrika liegen die Preise für fünf Stunden Internetzugriff im Monat bei ungefähr 50 US$ (Jensen 2000 (b)). In Deutschland würde man für das gleiche Volumen um sieben Mark und fünfzig Pfennige zahlen. Ein Journalist aus Indonesien gibt das sechsfache dessen, was er für Essen ausgibt, für seine Internetrechnung aus (Holderness 2000). Auch die Lösung, Mobilfunktechnologie einzusetzen, würde die Kostenprobleme kaum lösen. Gerade in abgeschiedenen Gegenden ist davon auszugehen, dass die Tarife für die Nutzung des Mobilfunknetzes aufgrund der geringen Reichweite der Sender und des daraus resultierenden Bedarfs an Sendestationen relativ hoch angesiedelt wären (Holderness 2000).

3.3. Fehlende Binnenverbindungen in Afrika

Gerade in Afrika kommt ein weiteres Problem zu den bislang genannten hinzu. Es existieren weiterhin keine direkten Verbindungen zwischen afrikanischen Staaten. Lediglich Südafrika ist bislang mit seinen Nachbarländern verbunden. Sonst läuft der gesamte binnenafrikanische Datenverkehr über Server in Nordamerika oder Europa. Dies führt auch dazu, dass eine Vielzahl afrikanischer Nutzer bei großen amerikanischen E-Mail-Anbietern wie Yahoo oder Excite gemeldet sind (Jensen 2000

(b)). Der amerikanische Telefonriese AT&T plant nun ein Projekt namens Africa ONE, bei dem ein Glasfaserkabel rund um den afrikanischen Kontinent gelegt werden soll. Der Rivale Siemens, die Firma möchte Afrika Stück für Stück verkabeln, bezeichnete dieses gigantische Vorhaben bereits als einen neuen High-Tech- Kolonialismus. (Holderness 2000).

3.4. Englisch als „Lingua Franca“

Der Großteil der Dokumente im Internet ist auf Englisch verfasst. Da derzeit noch keine geeignete Übersetzungssoftware existiert, besteht für viele potentielle Nutzer in der „Dritten Welt“ das Problem des Verständnisses dessen, was vom Netz angeboten wird (Uimonen 2000). Diese Dominanz des Englischen lässt sich auf die Entstehungsgeschichte des Internet zurückführen, wurde es doch in den USA entwickelt. Der von der internationalen Organisation für Standards entwickelte Unicode soll wenigstens helfen, E-Mails in allen Sprachen und Schriftarten der Welt verfassen zu können. Vor 1996 war jedoch noch keine Software entwickelt, die diesen Code auch wirklich umsetzte (Holderness 2000).

4.Erfolge der letzten Jahre

Starke Bemühungen auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe haben in den letzten Jahren Fortschritte bei der Vernetzung des Südens gebracht. Dieses Kapitel stellt Einzelbeispiele vor, und zeigt den Nutzen den Nichtregierungsorganisationen (NGO’s) vom Netz haben.

4.1. Das PAN-Programm am Beispiel der Mongolei

Das International Development Research Centre (IDRC) hat in den neunziger Jahren ein Programm gestartet, das asiatischen Staaten die Anbindung an das Internet erleichtern soll. Eine Studie erwies, dass gerade in jenen Staaten, die besonders dringend einen Anschluss ans Netz benötigten, die Voraussetzungen am schlechtesten waren. Daraufhin wurde das Pan Asia Networking Program (PAN) ins Leben gerufen, dass es eben diesen Staaten ermöglichen sollte, an der digitalen Gesellschaft teilzuhaben (Wheeler 2000). Eines jener Länder, die mit überaus schlechten Voraussetzungen aufwarteten, war die Mongolei. Hier waren schlechte bis nicht vorhandene Telefonleitungen zu finden, und das Land war vom Rest der Welt quasi isoliert. 1994 unterstützte das IDRC den lokalen Anbieter Datacom bei der Einführung einer günstigen Einwahlverbindung. Die Firma entwickelte eine, an die Voraussetzungen angepasste Software, und stellte 1996 eine Satellitenverbindung bereit, die kompletten Internetzugang ermöglichte. Seit diesem Zeitpunkt ist die Mongolei dauerhaft mit dem Internet verbunden (Long 2000).

4.2. Projekte in Afrika

Eine Initiative des UN-Generalsekretärs beinhaltet 11,5 Millionen US$ unter dem Titel „Nutzbarmachung von Informationstechnologie für Entwicklung“. Mit zwanzig afrikanischen Ländern arbeitet die US-Regierung im Rahmen ihrer USAID/Leland-Initiative zusammen. Im Gegenzug erwarten die USA eine Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte vor Ort. Al Gore kündigte vor kurzem ein Programm für 1 Million PC’s für Afrika, 1000 vernetzte Schulen und 100 angeschlossene Universitäten an.

In etwa 25 Ländern ist die Weltbank aktiv, und unterstützt unter anderem die African Virtual University (AVU). Auch sie erwartet Privatisierungsmaßnahmen in den unterstützten Ländern.

Das IDRC investiert in den kommenden 5 Jahren 60 Millionen US$ in den Ausbau des Internet in Afrika. (Jensen 2000 (b)).

4.3. Nichtregierungsorganisationen und das Internet

Nichtregierungsorganisationen (NGO’s) versprechen sich Vorteile aus der Nutzung des Internet. Die Möglichkeit per E-Mail direkt mit Partnerorganisationen in der ganzen Welt Kontakt aufnehmen zu können, wird als wichtiges Mittel für bessere Reaktionen auf Veränderungen im Land angesehen. Dennoch gibt es auch hier noch verbesserungsbedürftige Punkte. Noch immer sehen sich die NGO’s des Südens abhängig von Sympathisanten aus dem Norden. Da Internet - Zeit sehr teuer ist, sind ausgiebige Recherchen im Netz kaum möglich, sind die Aktivisten im Süden darauf angewiesen, per E-Mail wichtige Informationen von Bezugspersonen aus den Industrienationen zu erhalten.(Holderness 2000)

Dennoch birgt die Möglichkeit der schnellen Kommunikation viele Chancen. Eine Frauenorganisation in Mexiko City nutzte ihren Kontakt zu US-amerikanischen Verbindungspersonen um Informationen über eine geplante Textilfabrik einzuholen. Als sie sich dann mit den Vorständen der Firma trafen, waren sie mit Informationen über Struktur und Gewinne des Unternehmens ausgestattet, da ihnen aus den USA Material per E-Mail zugesandt worden war (Holderness 2000).

Auch im Fall des nigerianischen Bürgerrechtlers Ken Saro-Wiwa wurde das Internet eingesetzt, um internationale Proteste auszulösen. Von einem Bostoner Studenten ausgelöst, empörte sich die ganze Welt. Die Hinrichtung freilich konnte dadurch nicht verhindert werden (Grill 1997).

Mehr Glück hatte der angolanische Journalist Paiva. Er stand auf einer Abschussliste, schaffte es jedoch, per E-Mail die Aufmerksamkeit westlicher Diplomaten zu erregen, die ihm ihren Schutz anboten. Seitdem gehen keine Morddrohungen gegen den kritischen Journalisten mehr ein (Grill 1997).

4.4. Erleichterung der Umgehung von Zensur

„It is the free flow of information which has made the internet develop with such astonishing rapidity. It is arguably the free flow of information which makes it economically, as well as socially important.“ (Holderness 2000). Ländern in denen Medienzensur vorherrscht, wird diese durch das Internet erschwert. Eine echte Kontrolle über die Inhalte im Netz ist kaum möglich, zumal ausländische Dokumente nicht zensiert werden können. Die Funktionsweise des Internet sieht vor, dass eine Nachricht, sobald sie an ein Hindernis stößt, ihren Weg solange über andere Verbindungen sucht, bis sie das Ziel erreicht. Das Verschlüsseln von Nachrichten ist eine weitere Möglichkeit, sich vor Zensur zu schützen. Ein Hundertzeichen-Passwort wird dann notwendig, um die Nachricht zu lesen (Holderness 2000). Menschenrechtsaktivisten freuen sich deshalb darüber, dass sie bei Kommunikation per E-Mail nicht vom Geheimdienst kontrolliert werden. „Der überwacht nur Telephone und Faxe“ (Grill 1997).

Die indonesische Zeitung „Tempo“ wurde 1994 von der Regierung verboten, kam 1996 als „Tempo interaktiv“ im Internet wieder zurück (Afemann 1996: S. 90). Dies sind nur zwei Beispiele, wie Zensur durch das Internet umgangen werden kann. Mit Gegenmaßnahmen beschäftigen sich mittlerweile einige Länder. Singapur versucht die Installation von Filter-Hosts, die verschieden stark den Zugriff für Akademiker, Geschäftsleute und die normale Öffentlichkeit einschränken sollen (Holderness 2000).

5. Kritik am Internet

Wie dargestellt bietet das Internet einige Vorteile für Länder und Menschen in der „Dritten Welt“. Dennoch gibt es einige Punkte der Kritik, die nicht außen vor gelassen werden dürfen.

5.1. Dominanz von Werten des Nordens im Netz

Schon die allgegenwärtige Sprache Englisch im Internet ist ein erster Indikator dafür, dass westliche, vor allem amerikanische Werte im Internet dominieren. Auch ist Nordamerika die Herkunft der meisten Seiten im Netz. Diese Dominanz schürt natürlich die Befürchtungen, es könnten lediglich amerikanisch - westliche Werte über das Internet vermittelt werden (Uimonen 2000). Zwar ist es einerseits verständlich, dass Englisch als bedeutendste Sprache im internationalen Gebrauch auch im Internet dominiert, aber dennoch wird dadurch auch eine neue Kluft zwischen Englischsprechenden und Nicht-Englischsprechenden aufgeworfen, da Letztere weitaus größere Probleme im Umgang mit dem Internet haben werden (Holderness 2000). Dass das Internet kein multikulturelles Medium ist, zeigt sich schon in der Tatsache, dass lediglich fünf bis zehn Prozent des Inhalts des Internet aus Asien stammen, einer Region in der fast die Hälfte der Weltbevölkerung lebt (Uimonen 2000). Auch das Vordringen nördlicher Unternehmen in das Internet birgt die Gefahr der kulturellen Dominanz in sich. Die Werte, die diese Unternehmen vermitteln, sind westliche Vorstellung von einem sozial-konservativen Freihandels-Kapitalismus. Dass hierbei die Gefahr besteht, dass diese Werte von unkritischen Konsumenten übernommen und adaptiert werden, ist unvermeidlich. „[D]epends on how much of a sponge you allow yourself to be“(Holderness 2000).

5.2. Schaffung einer neuen Elite

Um in der „Dritten Welt“ das Internet nutzen zu können bedarf es also vergleichsweise viel Geldes, Englischkenntnissen und eines Telefonanschlusses. Damit wird die Zielgruppe schon stark eingeschränkt. Es entsteht eine neue Informationselite, die eine neue Kluft zwischen Informierten und Nicht-Informierten aufwirft. Diese teilt weiterhin Arm und Reich, auch wenn nicht alle Reichen auch ins Internet drängen. Vielmehr entwickelt sich eine intellektuelle, reiche Elite, die die vorhandene Informations- und Technologiekluft noch anwachsen lässt. Zugleich ergibt sich durch den Einsatz des Internet eine stärkere Abhängigkeit dieser Elite von Informationen aus dem Norden. Auch Frauen sind im Internet des Südens stark unterrepräsentiert. (Holderness 2000)

6. Noch wird die Kluft größer

Die Voraussetzungen für die Einführung des Internet in der „Dritten Welt“ sind nach wie vor schlecht. Mangelnde Infrastruktur ist sicherlich der Hauptgrund, warum die Entwicklungsländer auf dem Gebiet der digitalen Kommunikation noch so weit nach hinken. Versuche, die Infrastruktur zu stärken, sind zwar deutlich zu erkennen, noch bleiben die Effekte aber weitgehend aus, die Projekte sind oft nur ein Tropfen auf den heißen Stein. So muss man über viele der Erwartungen sagen, dass sie bis heute nicht erfüllt wurden. Die im zweiten Abschnitt dieser Arbeit formulierten Erwartungen sollen nun auf ihre Erfüllung überprüft werden.

6.1. Die Neu-Delhi Deklaration

Zu den Zielen der Neu-Delhi Deklaration bleibt zu sagen, dass diese kaum umgesetzt werden konnten. Es ist noch lange nicht allen Völkern und Individuen möglich, frei zu kommunizieren, die Möglichkeiten der Informationstechnologie zu nutzen oder sich selbst und andere zu informieren. Wie dargelegt, ist die technologische Entwicklung in Ländern der „Dritten Welt“ noch lange nicht so weit, dass auch nur die Mehrheit der Bürger von den Vorteilen der Informationstechnologie Gebrauch machen könnte. Derzeit ist dies auch nicht absehbar.

Die Stärkung von partizipatorischer Demokratie ist ein theoretischer Gesichtspunkt, der bislang nicht weiter genutzt wurde. Zwar werden Bürgerrechtsgruppen insofern gestärkt, dass sie leichter an Informationen gelangen, und mit anderen Gruppierungen kommunizieren können, aber einige Staaten haben bereits Mittel gefunden, das Internet zu kontrollieren. Hier bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten. In westlichen Industriestaaten spielt das Internet in demokratischen Prozessen eine verschwindende Rolle.

Eine tatsächliche dezentrale Organisation, um die kulturelle Vielfalt zu schützen, ist ebenfalls nicht gegeben, dazu sind die Inhalte aus dem Norden zu dominant.

6.2. Teleeducation, Telemedizin und Universal Access

Die Teleeducation steckt derzeit noch in den Kinderschuhen. Programme wie die African Virtual University (AVU) und das Creating Learning Network for African Teachers der UNESCO sind hier jedoch Schritte in die richtige Richtung (Jensen 2000 (b)).

Auch die Telemedizin ist noch kaum entwickelt. Die Notwendigkeit dieser Idee ist ohnehin derzeit noch fraglich, da noch viele Patienten in der „Dritten Welt“ dadurch geheilt werden könnten, dass sie sauberes Wasser für den täglichen Gebrauch bekämen (Uimonen 2000).

Wie bereits mehrfach dargestellt ist man vom Ziel des Universal Access noch weit entfernt.

6.3. Die Hoffnungen der Enquete - Kommission „Zukunft der Medien“

Die Hoffnungen der Kommission sind grundsätzlich erst dann zu erfüllen, wenn eine flächendeckende Versorgung mit Internet - Zugängen gegeben ist. Da dies nicht der Fall ist, sind all diese Hoffnungen als noch nicht realisiert anzusehen. Lediglich der Zugriff auf aktuelles Wissen ist beschränkt gegeben, aber auch hier auf eine neue Informationselite begrenzt.

6.4. Die Erwartungen sind nicht erfüllt

Noch hinkt die „Dritte Welt“ bei den Zukunftstechnologien hinterher. Wie man vom Boom des Internet profitieren kann, zeigt das Schwellenland Indien, das in Bangalore eine Art „indisches Silicon Valley“ etabliert hat (Holderness 2000). Davon sind die meisten Entwicklungsländer jedoch weit entfernt. Die hohen Erwartungen an das Internet sind bislang ihre Bestätigung schuldig geblieben. Statt dessen entwickeln sich neue Ungleichheiten und der Kulturtransfer von Nord nach Süd wird verstärkt. Das Internet bietet sicherlich viele Chance, aber es müssen Mittel und Wege gefunden werden, es auch der „Dritten Welt“ zugänglich zu machen. Sonst wächst die Kluft weiter.

Literaturverzeichnis:

Afemann, Uwe: Internet und Dritte Welt; In: Jahrbuch Dritte Welt 1997;

München 1996; S. 78-91

Flatz, Christian: Afrika auf dem Weg in die Informationsgesellschaft. High-Tech als Chance für Entwicklungsländer, In: Nord-Süd aktuell, 4. Quartal 1999; S.614-622

Grill, Bartholomäus: Invasion der Meinungen; In: Die Zeit, 10.01.1997

Grote, Andreas: Globalisierungsgefälle - was bringt das Internet der Dritten Welt?; In: c´t Magazin für Computer und Technik 10/2000

Holderness, Mike: The Internet and the South: Superhighway or Dirt-Track?; http://www.panos.org.uk/briefing/internet.htm; Stand: 25.09.2000

Holtmann, Everhard: Politiklexikon; München/Wien; 21994

ISC - Internet Software Consortium: Internet Domain Survey;

http://www.isc.org/ds/host-count-history.html; Stand: 27.09.2000

Jensen, Mike (a): African Internet Connectivity;

http://www3.sn.apc.org/africa/partial.html; Stand: 26.09.2000

Jensen, Mike (b): African Internet Status; http://www3.sn.apc.org/africa/afstat.htm; Stand: 26.09.2000

Long, Geoff: The PAN Mongolia Experience;

http://www.idrc.ca/books/reports/1996/36-01e.html; Stand: 25.09.2000

Mohr, Vinny: New Delhi Declaration;

http://www.eff.org//pub/GII_NII/new_delhi.declaration; Stand: 15.06.2000

Uimonen, Paula: The Internet as a Tool for Social Development;

http://www.isoc.org/isoc/whatis/conferences/inet/97/proceedings/G4/G4_1.HTM; Stand: 25.09.2000

Valantin, Robert: Information: A Global Resource;

http://www.idrc.ca/books/reports/e234-02.html; Stand: 25.09.2000

Werth, Christoph H.: Internet für Afrika; In: Afrika-Post 1-2/97; S.36-37

Wheeler, Catherine: Moving Asia from Grassroots to Cyberspace; http://www.idrc.ca/books/reports/e234-07.html; Stand: 25.09.2000

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Der Einfluss der Massenmedien auf internationale Beziehungen: Internet und die "Dritte Welt"
Note
2,0
Autor
Jahr
2000
Seiten
14
Katalognummer
V98691
ISBN (eBook)
9783638971423
Dateigröße
355 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Einfluss, Massenmedien, Beziehungen, Internet, Dritte, Welt
Arbeit zitieren
Rainer Bock (Autor:in), 2000, Der Einfluss der Massenmedien auf internationale Beziehungen: Internet und die "Dritte Welt", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/98691

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