Föderalismus und Bundesrat


Seminararbeit, 2000

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

1 Föderalismus
1.1 Begriffserklärung, Grundlagen, Idee
1.2 Politikwissenschaftliche Differenzierungen
1.3 Ursprünge des Föderalismus
1.4 Geschichtliche Entwicklung in Deutschland
1.5 Aufbau und verfassungsrechtliche Grundlagen

2 Bundesrat
2.1 Mitglieder, Aufbau und verfassungsrechtliche Grundlagen
2.2 Präsidium
2.3 Finanzen
2.4 Europakammer
2.5 Ausschüsse
2.6 Vollversammlung
2.7 Funktionen, Aufgaben und Einflussmöglichkeiten
2.8 Föderalismus in anderen Staaten

3 Europa als föderalistischer Bundesstaat – Vision oder Alptraum ?
3.1 Zusammenfassung der Fischer-Rede
3.2 Analyse, Möglichkeiten und Grenzen

Literaturverzeichnis

1 Föderalismus

1.1 Begriffserklärung, Grundlagen und Idee

Der Begriff Föderalismus leitet sich etymologisch aus den lateinischen Begriffen fides (altlateinisch), Treue, Versprechen, Schutz, sowie foedus, foederatus ab, was Bündnis, Vertag, bzw. „durch ein Bündnis zusammenschließen“ bedeutet. In einem Bundesstaat schließen sich einzelne Staaten (die Gliedstaaten des Bundesstaates) unter einer übergeordneten Verfassung und Regierung zusammen, die vor allem außen-, finanz- und verteidigungspolitische Entscheidungen als Vertretung trifft und eine „gemeinsame Stimme“ der Bundesstaaten darstellt. Das föderalistische System gibt den Mitgliedsstaaten sowohl einen bestimmten Grad von Autonomie, was vor allem für innenpolitische Entscheidungsfreiheit gilt, als auch Verpflichtungen dem Bund und den anderen Mitgliedern gegenüber. Die ursprüngliche Idee des Bundes ist eine Stärkung gemeinsamer Interessen. Ein föderalistischer Staatenbund grenzt sich von einer Konföderation (einer Gemeinschaft unabhängiger Staaten), dadurch ab, dass die Einzelstaaten in einer Konföderation vollständig autonom sind und die gemeinsamen Handlungen auf bestimmte Aktionen und die Zusammenarbeit auf abgegrenzten Gebieten beschränkt sind. In einer Konföderation gibt es keine Zentralregierung und keine übergeordneten Gesetze, die für alle Staaten gelten.

Der Föderalismus grenzt sich vom Zentralismus ab, einer Regierungsform, bei der es keine eigenen regionalen Regierungen und dadurch keine regionale Autonomie gibt. Die Verwaltungen der einzelnen Regionen sind vielmehr Behörden, die der Zentralregierung unterstehen. Aus diesem Aufbau des Staates ergeben sich viele Vor- und Nachteile, die im Folgenden näher beleuchtet werden sollen:

Man spricht bei der Gewaltenteilung zwischen Legislative – Exekutive – Judikative von einer horizontalen Gewaltenteilung, in einem Bundesstaat kommt dazu noch die sogenannte vertikale Gewaltenteilung, die sich durch die verschiedenen Institutionen auf der Ebene des Bundes und der Gliedstaaten manifestieren. Diese Verteilung von Befugnissen auf verschiedene Stufen (beispielsweise Legislative: Landes- und Bundesparlament, Exekutive: Landes- und Bundesregierung, Judikative: Landgericht und Bundesgerichtshof) bedeutet Machtverteilung und -kontrolle, zudem werden die höheren Stellen entlastet und können sich auf wichtige Dinge konzentrieren.

Ein Bundesstaat hat als einen der wichtigsten Vorteile eine größere Bürgernähe als ein Zentralstaat. Für den Bürger eines Bundesstaates wird die Übersicht besser, die Möglichkeiten der Mitbestimmung werden durch Wahlen zum Landes- und Bundesparlament erhöht. Lange Wege zu einer Zentralverwaltung entfallen, es gibt eine effektivere Verwaltungsstruktur. Die Individualität einzelner Regionen wird betont, kulturelle und politische Positionen bekommen im Gesamtstaat ein höheres Gewicht, auch wenn sie eigentlich eine Minderheitsposition auf Bundesebene darstellen. Gute Beispiele hierfür ergeben sich im regionalen Vergleich verschiedener Staaten: In Bayern besteht seit der Gründung der Bundesrepublik eine fast unumstößliche Mehrheit der katholisch-bürgerlichen Positionen, die durch die CSU-Landesregierung vertreten werden, während in den nördlichen/nordwestlichen Ländern der BRD eher sozialdemokratische Positionen vorherrschen. In den USA besteht ein Konflikt zwischen den überwiegend bürgerlich-liberalen Staaten, vorwiegend an der Westküste und im Nordosten, die eher durch die Demokraten vertreten werden und den traditionalistisch-konservativen Staaten, besonders im Süden und entlang der Rocky-Mountains, in denen die Republikaner die Mehrheitsmeinung vertreten[1]. Ein föderalistisches System gibt den beteiligten Staaten ein Forum, diese regional unterschiedlichen Positionen mit in das Gesamtsystem einzubringen. In einem zentralistischen System besteht die Gefahr, dass diese regionalen Einschläge im schlimmsten Falle sogar unterdrückt werden und dadurch Spannungen entstehen.. Dies ist ein Teil der ausgleichenden Funktion des Föderalismus: Extreme Positionen werden geglättet, die Staaten müssen Kompromisse schließen. Dazu besteht in gewisser Hinsicht innerhalb des Bundesstaates eine Pflicht zur gegenseitigen Hilfe und Ausgleich (Stichwort Länderfinanzausgleich[2]). Die Verteilung der Kompetenzen auf regionale Stellen bringt eine erhöhte Effizienz mit sich, politische und organisatorische Projekte müssen nicht einen komplizierten Weg über eine Zentralverwaltung gehen, sondern können direkt „vor Ort“ entschieden werden. Mithilfe dieser verbesserten Abwicklung kann auch ein höherer Zufriedenheitsgrad in der Bevölkerung erzielt werden.

Die Gliedstaaten eines Bundesstaates stehen im Wettbewerb zueinander. Da zwar eine übergeordnete Rahmengesetzgebung besteht, aber die Gliedstaaten unterschiedliche Landesgesetze besitzen, besteht ein gewisser Konkurrenzkampf bei der Schaffung der besten Bedingungen zur Ansiedlung von Unternehmen.

Aus Fehlern in einem Bundesstaat können die anderen Staaten lernen (z.B. Regionalplanung, Organisation, usw.)

Bisher wurden nur die Vorteile aufgezeigt, in der praktischen Ausführung eines Bundesstaates treten aber auch viele Probleme und Nachteile auf:

Die starken Unterschiede der Länder werden durch uneinheitliche Gesetzgebung auf Landesebene noch verstärkt, ein Umzug in ein anderes Bundesland wird für den Bürger schwierig: die Schulsysteme und Verwaltungsstrukturen sind unterschiedlich, Ämter heißen anders oder haben andere Zuständigkeiten.

Gesetzgebung und die Verwirklichung übergeordneter Projekte wird durch die Mitsprache vieler Institutionen verkompliziert und bedeuten höheren Zeitaufwand.[3]

Der Bestand an mehreren Landesregierungen, Landesparlamente und die dahinter stehende Verwaltungsorganisation bedeutet einen großen Kostenaufwand. Durch die Verflechtung der Institutionen entsteht eine gewaltige Bürokratie[4]. Es ist jedoch zu bezweifeln, ob eine Zentralverwaltung die Aufgaben günstiger und effizienter erfüllen könnte[5].

1.2 Politikwissenschaftliche Differenzierungen

Man unterscheidet den Dualen Föderalismus, den Exekutivföderalismus, den kooperativen Föderalismus und den Wettbewerbsföderalismus:

Dualer Föderalismus:

Strikte Trennung zwischen den Kompetenzen der Länder und des Bundes. Beispiel USA: Den Länder ist eine weitgehende Autonomie gewährleistet, z.B. Steuererhebung, ausgiebige Gesetzgebungskompetenz.

Exekutivföderalismus:

Zusammenarbeit besonders auf Ebene der Exekutive. Beispiel: Zusammenarbeit der Bundesregierung mit den Landesregierungen im Bereich der Europapolitik. Gemeinsame Ausführung von Europäischen Richtlinien usw.

Kooperativer Föderalismus:

Verflechtung von Bundes- und Landesorganen zur Erfüllung von Aufgaben (Entscheidung, Finanzierung, Durchführung). Eingeschränkte Vielfalt, da Aufhebung der strikten Trennung (keine vertikale Gewaltenteilung).

Wettbewerbsföderalismus:

Überkommen des „Status Quo“ in Deutschland durch Stärkung der Eigenverantwortung der Landesregierungen, weniger Regelungen „von oben herab“ (von Seiten des Bundes), Stärkung der Landtage, Verbesserung der Bürgernähe und Reform der Finanzverfassung[6].

1.3 Ursprünge des Föderalismus

Als erstes föderalistisches System kann man den Peloponnesischen Bund nennen, der um 550 v.Chr. entstand und schon viele Merkmale des modernen Föderalismus enthielt: Mehrere griechische Polis schlossen sich unter der Führung von Sparta zusammen und gelobten sich gegenseitige Unterstützung vor allem in Fragen der Verteidigung. Die Einzelstaaten behielten ihre Autonomie im Inneren, stellten aber ein gemeinsames Heer unter der Hegemonie der Spartaner. Es wurde auch gemeinsam gegen innere Unruhen oder Tyrannis vorgegangen.

Eine Fortentwicklung dieses Systems entstand mit dem attischen Seebund (477 v.Chr., Athen und die ionischen Städte), der ebenfalls primär aus verteidigungspolitischen Interessen im Laufe der Perserkriege geschlossen wurde. Es wurde eine Steuer für alle Mitglieder festgesetzt, es gab einen gemeinsamen Rat, in dem jedes Mitglied das gleiche Stimmrecht hatte und eine „Bundeshauptstadt“ in Delos. Nach der Beseitigung der persischen Gefahr gewann der Bund mehr und mehr an wirtschaftlicher Bedeutung, es wurden gemeinsame Maß- und Münzsysteme eingeführt (ab 447 v.Chr.). Im perikleischen Zeitalter (443-429 v.Chr.) wurde ein Höhepunkt erreicht, das Bundessystem hatte auch Auswirkungen auf die innenpolitischen Verhältnisse in den polis, es wurde überall ein demokratisches System eingeführt und es bestand eine einheitliche Kultur- und Außenpolitik. Um 425 v.Chr. waren mehr als 400 polis Mitglied. Das größte Problem dieses Staatenbundes war die starke Dominanz Athens, das abtrünnige Bundesmitglieder bestrafte und zur Rückkehr in den Bund zwang. Das Ende des Bundes trat mit der endgültigen militärischen Niederlage Athens gegen Sparta 404 v.Chr. ein. Eine Wiederbelebung des demokratischen Systems mit dem 2. attischen Bund (377 v.Chr.) und der Gründung des korinthischen Bundes (337 v.Chr.) hatten nur kurzen Bestand und endeten im Weltreich Alexander des Großen.

[...]


[1] Siehe z.B. Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen 1996 oder Verteilung der Gouverneure

[2] Auf eine ausgiebige Diskussion über die Frage nach einer Reform des Länderfinanzausgleichs wird an dieser Stelle verzichtet, es sei z.B. verwiesen an: Dieter Vesper, Länderfinanzausgleich – besteht Reformbedarf, WSI Mitteilungen 11/1998, S.762-771

[3] Intensive Diskussion in Deutschland nach der „Ruck-Rede“ des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog im Sommer 1997, vgl. Eckhard Fuhr, „Ruck am grünen Tisch“, FAZ vom 19.5.2000, S.12

[4] Vgl. Benda, Arndt, Schneider et al., Entflechtung 2005, Bericht der Bertelsmann-Stiftung

[5] Vgl. Konrad Reuter, Bundesrat und Bundesstaat, a.a.O., S. 12

[6] Zum Konzept des Wettbewerbsföderalismus im Rahmen der Reform des Länderfinanzausgleichs: Joachim Poß,

Wer mit wem und gegen wen im Föderalismus, Frankfurter Rundschau, Donnerstag, 17. Dezember 1998, Nr. 293, Seite 18, siehe auch ZEIT-Gespräch mit Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf über die Zukunft der Länder und den Finanzausgleich, Weniger Geld, dafür mehr Freiheit, DIE ZEIT Nr. 4 Seite 6, 15. Januar 1998; Roland Sturm, Der Föderalismus im Wandel. Kontinuitätslinien und Reformbedarf, in: Eckhard Jesse, Konrad Löw (Hg.): 50 Jahre Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1999, S. 81-99

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Föderalismus und Bundesrat
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Seminar Einführung in die Politikwissenschaft I
Note
1,3
Autor
Jahr
2000
Seiten
20
Katalognummer
V9847
ISBN (eBook)
9783638164504
Dateigröße
551 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Deutschland Bundesrat Föderalismus Bundesstaat Europa
Arbeit zitieren
Wolfgang Grimme (Autor:in), 2000, Föderalismus und Bundesrat, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/9847

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