Kinder und Tod, ein Vergleich zwischen M. Rudolph und J. Klink


Seminararbeit, 2000

14 Seiten


Leseprobe


Inhalt

1. Zusammenfassung von Marguerita Rudolph, Wie ist das, wenn man tot ist?, New York 1978

2. Zusammenfassung von Johanna Klink, Kind und Leben, Düsseldorf 1972

3. Interpretation und Vergleich von Marguerita Rudolph, Wie ist das, wenn man tot ist?, New York 1978 und Johanna Klink, Kind und Leben, S. 170 - 238, Düsseldorf 1972

4. Kommentar

5. Literaturverzeichnis

Vorwort

Kinder und Tod. Kann man Kindern den Tod erklären? Was sagt man Kindern, die dem Tod begegnen? Wie erklärt man Kindern das Leben und sein Ende, den Tod? Erwachsene sind oft nicht in der Lage über den Tod zu sprechen. Da will ich mich auch nicht ausschließen. Kinder stellen Fragen, die uns oft unangenehm sind, weil sie Gefühle in uns wecken, mit denen wir nur schwer fertig werden.

Ein Beispiel: Die Mutter eines drei oder vierjährigen Kindes hatte eine Totgeburt oder eine Fehlgeburt. Das Kind wusste, dass es einen Bruder bekommen sollte und löcherte die Mutter nun mit Fragen, warum sie ihn nicht aus dem Krankenhaus mitgebracht hatte. Die Mutter war so voll Trauer und Schmerz über den Verlust des Kindes, dass sie nicht in der Lage war die ständigen Fragen so zu antworten, dass das Kind es richtig verstanden hätte. Es erzählte zwar jedem, der es wissen wollte, das der Bruder tot sei, aber was das genau hieß, war ihm nicht klar. Niemand aus der Familie konnte oder wollte es dem Kind erklären. Der Tod wurde von ihm ferngehalten. ,,Er ist jetzt im Himmel.", sagte die Oma zu ihm. Das Kind starrte lange in den Himmel und suchte ihn. Es war sehr traurig, weil es ihn nicht finden konnte. Wer weiß, mit der richtigen Erklärung, hätte das Kind vielleicht mehr verstanden als man ihm zugetraut hätte.

Ich habe diese beiden Bücher für meine Hausarbeit gewählt, weil sie sich auf ähnliche, aber dennoch unterschiedliche Weise mit demselben Thema befassen, und vor allem Eltern einige sehr gute Tipps geben, wie, wann und auf welche Weise sie mit ihren Kindern über den Tod reden können und sollten.

Im folgenden werde ich zunächst eine Zusammenfassung der beiden Bücher liefern. Dann werde ich die Bücher vergleichen und zum Schluss ihren Inhalt und das Thema ,,Kind und Tod" kommentieren.

1. Zusammenfassung von Marguerita Rudolph, Wie ist das, wenn man tot ist?, New York 1978

1 Drei Gedanken stehen im Mittelpunkt des Buches: Die meisten Erwachsenen wollen den Kindern die Belastungen, die der Tod mit sich bringt, ersparen. Dies ist nicht der richtige Weg. Die Fragen der Kinder müssen wahrheitsgemäß und ihrem Reifegrad entsprechend beantwortet werden. Wichtige Dinge und Ereignisse aus der

Erlebniswelt der Kinder aus dem Dialog mit ihnen nicht auszuklammern bedeutet, sich ihr Vertrauen zu erhalten und die wechselseitige Beziehung zu vertiefen. Unser Vorbild setzt Maßstäbe, aus denen das Kind seine ethische Werthaltung gewinnt, die sein Leben wesentlich mitbestimmt.

Marguerita Rudolph zeigt in ihrem Buch eine Vielzahl von Beispielen auf, für den Umgang von Kindern verschiedener Altersstufen mit dem Tod. Hierzu gibt sie Ratschläge, Hinweise und Regeln für Erwachsene, die in Situationen gelangen, in denen sie Entscheidungen treffen müssen, welche die Erklärung von Tod betreffen und wie sie sich in diesen Situationen Kindern gegenüber verhalten sollten. Sie bezieht in ihrem Buch religiöse Überzeugungen zwar ein, gewährt aber unabhängig davon allen Anschauungen Raum, bedenkt unterschiedliche Lebensweisen und zeigt viele Aspekte auf.

Die Grundlagen ihres Buches entstammen ihrer Arbeit mit Kindern und Eltern, Studien und Büchern und ihrem Status als Mutter und Großmutter. Zusätzliche Quellen sind eigene Kindheitserfahrungen.

2. Zusammenfassung von Johanna Klink, Kind und Leben, Düsseldorf 1972

Johanna Klink studierte Theologie in Leiden, wo sie 1947 promovierte, 20 Jahre lang war sie als Pastorin in der praktischen Seelsorge tätig.

Im Mittelpunkt ihres Buches stehen die Themen Schöpfung und Ursprung der Welt und des Menschen und damit verbunden der biblische Paradiesbericht und der Sündenfall, Gut und Böse, Tod und Sterben, Menschsein und Glaubenserziehung. Sie befasst sich vor allem mit der christlichen Auffassung des Todes und erklärt wie Kinder mit dem Tod umgehen und wie man ihnen am besten den Tod erklärt, ihre religiösen Fragen beantwortet und ihnen die Angst nimmt. Dabei vergisst sie auch nicht die Problematik einiger Glaubensaussagen zu erwähnen, die bei Kindern oft Verwirrung auslösen. ,, ,Mutti, meine Rippe tut weh, kriege ich jetzt eine Frau?' " 2

3. Interpretation und Vergleich von Marguerita Rudolph, Wie ist das, wenn man

tot ist? Mit Kindern über das Sterben reden, New York 1978 und Johanna Klink, Kind und Leben, Kinder wollen wissen, wie und warum Gott die Welt gemacht hat, ..., S. 170 - 238, Düsseldorf 1972

Vergleicht man ,,Wie ist das, wenn man tot ist?" von Marguerita Rudolph mit ,,Kind und Leben" Von Johanna Klink, so fallen zunächst einige Unterschiede auf.

Die Titel sind grundverschieden. Während Marguerita Rudolph eine Kinderfrage formuliert und in ihrem Titel deutlich macht, dass ihr Buch auf Gesprächen mit Kindern beruht, und dass es in ihrem Buch nur um das Thema Tod geht und den Versuch Kindern den Tod und die damit bei ihnen aufkommenden Fragen zu (er)klären, zeigt Johanna Klink auf, dass sie sich in ihrem Buch mit dem gesamten Lebensprozess des Menschen - von seiner Geburt, bis hin zu seinem Tod - befasst. Dabei verweist sie schon hier darauf, dass sie dies mit Hilfe ihrer christlichen Überzeugung tut, ,,... warum Gott die Welt gemacht hat... "3. Aus Rudolphs Titel geht nicht hervor, auf welche Weise sie mit den Kindern über den Tod redet. Beide Bücher enthalten Vorworte doch nur bei M. Rudolph kommt die Autorin selbst zu Wort. Während bei Johanna Klink Waltraud Schmitz-Bunse das Vorwort übernimmt, spricht M. Rudolph in ihrem Vorwort selbst zu den Lesern und erklärt, warum sie ihr Buch über gerade dieses schwierige Thema geschrieben hat. Allerdings muss man dazu sagen, dass ihr Buch zwei Vorworte enthält. Vor dem persönlichen Vorwort der Autorin, dem Vorwort der amerikanischen Ausgabe, befindet sich das Vorwort der deutschen Ausgabe, verfasst von Edith Harries. Beide Gastautorinnen geben eine kurze Übersicht über den Inhalt der Bücher und kommentieren diesen. Edith Harries führt zusätzlich, für den Leser im weiteren Verlauf des Buches sehr nützliche, Untersuchungsergebnisse der Entwicklungspsychologie auf, die sie dem Buch von A. Gesell ,,Das Kind von 5-10" entnommen hat. Mit Hilfe dieser Angaben ist es später viel leichter möglich die Aussagen und Reaktionen der in den Beispielen genannten Kinder richtig einzuschätzen. Dadurch wird dem Leser viel leichter und schneller deutlich, ob ein Kind versteht was der Tod bedeutet oder ob es dazu noch zu jung ist.

Johanna Klink befasst sich in nur in den letzten drei Kapiteln und dem Nachwort intensiv mit dem Thema Kinder und Tod. 4 Zuvor befasst sie sich mit Fragen nach den Anfängen des Menschen, Adam und Eva oder Gut und Böse, der Tod wird hier nur hin und wieder erwähnt.

Marguerita Rudolph dagegen hat das ganze Buch um zentrale (Kinder-) Fragen herum aufgebaut: wie kommen Kinder mit dem Tod klar, welche Fragen stellen sie, wie sollen Erwachsene Kindern begegnen und helfen, ab welchem Alter sind Kinder in der Lage die Endgültigkeit des Todes zu verstehen?

Die Kapitel sind bei beiden Autorinnen grundsätzlich nach dem gleichen Muster aufgebaut: Johanna Klink spricht zu Beginn ihrer Kapitel stets über die Titelfrage des jeweiligen Kapitels. Dann folgen Untertitel, unter denen nur unkommentierte Kinderaussagen zu diesen jeweiligen Titeln zu finden sind. Darauf wiederum folgen dann ebenfalls unter kurzen Überschriften zusammengefasst, kleine Stücke aus- gewählter Menschen von der Antike bis heute, Pädagogen, Philo- sophen oder einfach verschiedener Bevölkerungsgruppen, wie beispielsweise die Eskimos. Die Kapitel sind immer nach diesem Schema aufgebaut.

Marguerita Rudolph dagegen hat ihr Buch zwar auch in einzelne Kapitel aufgeteilt, diese jedoch nicht weiter unterteilt. Sie beginnt meist mit einer kurzen einleitenden Erklärung zu den dann folgenden Beispielen. Diese Beispiele sind immer in Erklärungen eingebunden, sie stehen nicht einfach nur aneinandergereiht da. Meist erzählt sie eine ganze Geschichte. Die Geschichte der kleinen Rahel zum Beispiel zieht sich durch mehrere Kapitel.5 Sie wird quasi zum Grundstock des Buches, ist die Einleitung. Rahel stirbt und nun beginnt das Buch und damit die Fragen der Autorin (und Mutter). Soll ich es den anderen Kindern sagen, wie sage ich es, was sagen die Eltern der andern Kinder, wie fassen die Kinder Rahels Tod wohl auf? Dies sind mit die zentralen Fragen des Buches.

Das Tabuthema Tod wird von M. Rudolph sehr detailgetreu besprochen. Jede Frage, die bei Kindern und Erwachsenen auftauchen könnte und ihr wichtig erscheint, wird von ihr mit Hilfe von kleinen Geschichten beantwortet.

Im Gegensatz zu ,,Tod und Leben" wird in ,,Wie ist das, wenn man tot ist?" das Medium der Fotografie eingesetzt. Die Fotografien selber haben zwar jeweils einen Untertitel, werden jedoch nicht weiter erklärt. Dem Leser bleibt es selbst überlassen sie zu deuten. Sie haben jedoch immer mir dem Kapitel zu tun, in dem sie eingesetzt werden (mindestens ein Bild pro Kapitel), egal ob diese Bilder immer passend sind oder nicht.

Beispielsweise geht es in Kapitel vier um Erfahrungen von Kindern mit dem Tod von Tieren. An dieser Stelle ist das Bild eines bei der Jagd getöteten Hasen zu sehen. Das ganze Buch besteht im Prinzip aus Fallbeispielen, die von ihr dazu benutzt werden, den Erwachsenen, den Lesern ihre Meinung und Überzeugung deutlich zu machen. Sie spricht in sehr vielen Fällen aus eigener Erfahrung, erzählt von Dingen, die ihr mit Kindern passiert sind, die ihr in der eigenen Kindheit geschehen sind. Sie berichtet aber auch aus der Erfahrung anderer, aus Büchern, die von Kindern und ihrer Begegnung mit dem Tod handeln.

Das Buch spricht die vielen Facetten des Todes an: · das Sterben,

- den Tod von Kindern, - den Unfalltod,
- den Tod von Tieren und Pflanzen, - das Sterben auf der Intensivstation,
- die Angst von Kindern vor dem Alleinsein, welche das dringende Bedürfnis mit der Mutter und dem Vater zusammen zu sterben auslösen kann,
- den Tod der Großeltern,
- die Verwirrung bei Kindern über das merkwürdige Verhalten Erwachsener (den Kindern gegenüber), wenn jemand stirbt,
- das Problem der Erwachsenen, wenn sie mit Kindern über den Tod reden müssen, - das Problem, wie man den Kindern den Tod erklären soll und ob sie schon in der Lage sind, ihn zu verstehen,
- Erinnerungen an Verstorbene und auch die damit wieder- kehrende Trauer.

In beiden Büchern erfährt man etwas über die Autorin. Bei Johanna Klink ist die Anzahl der Informationen jedoch viel größer. Man bekommt Informationen über die Autorin und über das Werk, zum Beispiel auch darüber, dass dieses Buch die Fortsetzung ihrer ,,Kleinen Theologie für Eltern" ist. Bei Marguerita Rudolph erfährt man über die Autorin zunächst gar nichts. Man muss sich die Informationen im Buch zusammensuchen. An dieser Stelle hätte eine kurze Biographie, wie heute üblich, weitergeholfen und viele Anstrengungen erspart.

4. Kommentar

Es gibt auch heute immer noch Eltern, die krampfhaft bemüht sind, schon den Tod eines Haustieres vor ihren Kindern zu verbergen. (In Film und Fernsehen wird es uns ja auch oft vorgemacht, und wie viele Leute nehmen das Fernsehen als Lebenshilfe und Berater an.) Wenn der Wellensittich gestorben ist, wird ihnen der Anblick des toten Vogels erspart. Statt dessen wird dieser heimlich bis zum nächsten Tag durch einen neuen Vogel ersetzt. So soll das Kind vor dem Schmerz des Verlustes bewahrt werden. Tatsächlich wird hier aber eine für die Eltern doch sehr günstige Gelegenheit versäumt.: dass das Kind sich vielleicht zum ersten Mal im Leben mit dem Tod eines geliebten Wesens auseinandersetzen muss.

Nicht selten wird ein Kind durch einen Verkehrsunfall der Begegnung mit dem Tod unmittelbar ausgesetzt. Eltern werden in diesem Fall nur dann wirksame Hilfe geben können, wenn sie bereit sind, sich dem Gespräch über dieses Ereignis zu stellen. Das Miterleben einer Beerdigung oder der Besuch eines Friedhofs kann beim Kind Fragen auslösen.

Hier wie bei jeder anderen Begegnung mit dem Tod muss dem Kind Gelegenheit gegeben werden, seine Eindrücke zu verarbeiten. Dazu gehört:

- Fragen stellen,
- sich aussprechen,
- Gefühle zum Ausdruck bringen
- sich mit dem Erlebten spielend auseinandersetzen.

Zu den wichtigsten Gelegenheiten zählen meiner Meinung nach Gespräche, die durch Kinderfragen ausgelöst werden. Solche Anlässe sollten sorgfältig genutzt und sinnvoll wahrgenommen werden.

In den ersten beiden Kapiteln ihres Buches spricht Marguerita Rudolph über den plötzlichen Tod der kleinen Rahel und die Reaktionen der Eltern, als Frau Rudolph ihnen dies mitteilt und sie fragt, was man den Kindern sagen solle. Hier geschieht das, was oft in solchen Fällen geschieht. Die Eltern wollen ihre Kinder schützen und unterschätzen sie und ihre Fähigkeit des Verstehens. ,, ,Sagen sie ihnen doch, Rahel sei umgezogen.' " 6 Die Kinder verstehen den Tod im Kindergartenalter vielleicht nicht so wie es Erwachsene oder ältere Kinder tun. Aber auch sie haben ihre Fragen und sind sehr feinfühlig, wenn es um Veränderungen geht. Sie merken, dass wir uns nicht wie gewöhnlich verhalten und verstehen nicht warum, weil wir es ihnen nicht erklären. ,, ,Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Kinder gewöhnlich spüren, wenn man ihnen etwas Wichtiges vorenthält, einerlei, ob es etwas ist, das sie verstehen oder nicht, und dass sie auch ein feines Empfinden für die Gefühlslage der Erwachsenen haben.' " 7 Wir wollen den Kindern die Wahrheit ersparen, selbst wenn wir sie damit anlügen.

Ich stimme Marguerita Rudolph hier aus tiefstem Herzen zu. Als der Bruder des im Vorwort erwähnten Kindes starb, versuchten seine Verwandten auch alles, um ihm die Wahrheit zu ersparen. Das Kind hatte so viele Fragen und war selber so traurig, es hatte sich doch so auf ihn gefreut.

Das Kind wird nie den Schmerz auf dem Gesicht der Mutter vergessen und die Tränen, als Babybrei von der Firma Alete geschickt wurde um das Kind willkommenzuheißen. Heute wird es sich vermutlich wünschen, dass seine Mutter ihm damals mehr darüber erzählt hätte. Marguerita Rudolph und Johanna Klink haben recht, wenn sie schreiben, dass man mit den Kindern über den Tod reden soll, wenn sich eine Gelegenheit ergibt, dass man sie aus der Trauer nicht ausschließen soll, dass man mit ihnen über die eigenen Gefühle sprechen soll.

Das Kind war sehr verwirrt, weil es die plötzlichen Ausbrüche der Trauer, wenn Besuch kam nicht verstand. Es bekam Geschenke, aber keiner sprach mit ihm und sagte ihm warum. Keiner fragte es, ob es selbst traurig wäre. Die unbeantworteten Fragen platzten dann einige Jahre später aus ihm heraus. Da war die Mutter dann bereit, mit ihm zu sprechen und machte sich selber Vorwürfe, als ihr Kind ihr von seinen Gefühlen berichtete. Sie war selber Erzieherin und verstand nicht, wie ihr so etwas passieren konnte, wo sie selber doch den Eltern sagte, was M. Rudolph in ihrem Buch schreibt. Sie hatte mit den Kindern im Kindergarten über jede aufkommende Frage gesprochen, es jedoch nicht verstanden die Fragen ihres eigenen Kindes überhaupt zu erkennen.

Ich kann dieser Mutter keine Vorwürfe machen, wer weiß wie ich reagieren würde, wenn mir so etwas passiert, ob ich nicht genauso blind vor Trauer wäre. Das Kind jedoch hat damals daraus geschlossen, dass der Tod etwas sehr Schlimmes sein muss und es bekam furchtbare Albträume als es älter wurde. In diesen Träumen starben die Eltern, Vulkane brachen aus, es gab Erdbeben, die Welt wurde zerstört. Es hatte wahnsinnige Angst, überhaupt schlafen zu gehen. Es schlief nur noch bei den Eltern und hatte ständig Angst, dass sie nicht mehr wiederkommen, wenn sie es zu Freunden zum Spielen brachten. Die Mutter hat schließlich mit ihrem KInd ganz intensiv über das Thema geredet und versucht, jede seiner Fragen zu beantworten. Sie hat ihm dadurch zwar die Angst nicht völlig genommen, aber die Albträume hörten auf. (Und ein bisschen Angst schadet auch nicht, damit man die Erfurcht vor dem Leben nicht verliert.)

Nicht immer verlangt ein Kind lediglich nach sachlicher Information, wenn es nach Sterben und Tod fragt. Kinderäußerungen lassen vielmehr erkennen, dass sie aus Angst und Unsicherheit entspringen und dass hinter ihnen das Bedürfnis nach Sicherheit und Geborgenheit steht. Kinder haben Angst davor, dass ihnen die Menschen, von denen sie bisher liebevoll umsorgt wurden, durch den Tod genommen werden könnten und sie dann allein und verlassen zurückbleiben. Das zeigt Johanna Klink z.B. durch folgende Kinderäußerungen, die sie in ihr Buch aufgenommen hat: ,, ,Wenn ihr tot seid, wer sorgt dann für uns?' - ,Gott sorgt doch für euch.' - ,Wenn ihr tot seid, wäscht Gott mich dann? Gibt Gott mir dann ein Butterbrot?' " Mädchen, 3 Jahre8

,, ,Ich möchte sterben.' - ,Warum?' - ,Weil ich in demselben Grab wie ihr sein möchte. Ich könnte dann bei Mama schlafen, das darf ich jetzt nicht, aber wenn ich tot bin, dürfte ich es wohl, und dann wäre es herrlich, tot zu sein. Schließlich habe ich ja auch bei ihr geschlafen, bevor ich geboren war.' " Mädchen, 11 Jahre9 Der gemeinsame Hintergrund dieser Fragen ist die Sorge und Angst um den Verlust der Gemeinschaft mit geliebten Menschen, in deren Mitte man sich daheim, geborgen, gesichert und versorgt fühlt. Gedanken an Trennung und Alleingelassenwerden jagen Kindern Furcht ein. Die Angst vor Trennung kann größer sein, als die Angst vor dem Tod. Deshalb äußern nicht wenige Kinder den Wunsch, mit den Eltern zusammen zu sterben.

Die Angst der Kinder vor dem Tod der Eltern lässt sich nicht einfach durch gutes Zureden restlos beseitigen. Der Verlust der Eltern und die endgültige Trennung ist und bleibt eine schreckliche Möglichkeit. Eltern sind für das Kind zunächst unersetzlich. Die Angst vor dem endgültigen Zerbrechen der Gemeinschaft ist letztendlich unaufhebbar.

Angesichts von Kinderängsten im Zusammenhang mit Sterben und Tod heißt die erste Erziehungsaufgabe: die Kinder müssen wissen, dass sie nicht im Stich gelassen werden. Sie müssen wissen, dass nicht alle Bezugspersonen sterben und immer jemand für sie da ist.

Dem Kind sollte auch deutlich gemacht werden, dass Tod Zerstörung des Körpers bedeutet. Vielleicht so: Wenn jemand gestorben ist, dann kann sein Körper nicht mehr arbeiten. Die Ohren können nicht mehr hören, die Augen nicht mehr sehen, die Beine nicht mehr gehen. Das Herz hat aufgehört zu schlagen. Der Körper dieses Menschen hat seine Aufgabe erfüllt. Der Mensch braucht ihn nicht mehr. Deshalb wird er in die Erde gelegt. Dort zerfällt er mit der Zeit. Er wird immer weniger, bis einmal im Grab nichts mehr von ihm übrig ist.

In beiden Büchern wird deutlich gemacht, dass man Kindern die Wahrheit nicht verschweigen oder sie verschleiern darf, wenn in der Umgebung ein Mensch stirbt. Dies halte ich für absolut gut und richtig. Auch, weil ich auf eigene Erfahrungen zurückblicken kann. Verschweigt man den Kindern etwas, könnten sich unbeabsichtigte und meiner Meinung nach nicht ungefährliche Nebenwirkungen ergeben, etwa wenn man den Tod dadurch verharmlost, dass man ihn als Einschlafen erklärt. Hierzu findet sich bei Elisabeth L. Reed ein gutes Beispiel. Dort steht ungefähr folgendes:

Einem fünfjährigen Jungen wurde nach dem Tod seines Großvaters erzählt, dieser sei sehr müde geworden und ,,eingeschlafen". Das Kind merkte natürlich, dass das eine andere Art von Schlaf war, als er ihn bisher kannte. Es sah seinen Großvater ja nie wieder. Daraufhin wurde in den nächsten Wochen seine Einschlafenszeit zu einer äußerst unglücklichen und quälerischen Angelegenheit. Schließlich fanden die Eltern heraus, dass ihr Sohn gegen den Schlaf kämpfte, weil er Angst hatte, in die gleiche Art von Schlaf zu fallen wie sein Großvater und nie mehr aufzuwachen. Ich glaube, ich hätte ganz genauso reagiert. Daher ist der Rat den Johanna Klink und Marguerita Rudolph geben für mich der wichtigste. Man darf Kinder nicht anlügen oder ihnen den Tod auf eine Weise erklären, die sie verwirren kann. Auch junge Kinder müssen wahrheitsgemäß informiert werden. Man muss ihnen sagen, dass der Tote wirklich gestorben ist und dass er nicht mehr wiederkommen kann. Wenn Kinder die Erfahrung machen, dass man ihnen nichts verheimlicht, dass man ihnen offen und ehrlich Rede und Antwort steht, werden nicht nur Nebenwirkungen, wie die oben beschriebene, vermieden, auch das Vertrauen zu den nächsten Bezugspersonen wird nicht unnötig aufs Spiel gesetzt.

Wenn ein geliebter Mensch stirbt, hat ein Kind das Recht, dies zu erfahren, und zwar in einer (seinem Alter) angemessenen Form und Zeit. Sonst können die Beziehungen zu den Menschen, denen es bisher vertraut hat, empfindlichen Schaden leiden. Johanna Klink bezieht in ihrem Buch Gott und seine Schöpfung der Welt mit ein, die Bibel und die Kirche. Sie spricht die meiste Zeit davon, dass Kinder den Tod mit Gott in Verbindung bringen und mit dem Himmel. Ich bin von einer sehr christlichen Familie erzogen worden. Ich weiß auch, dass damals eine andere Zeit war und die Kinder heute vollkommen andere Reaktionen haben, und dass dieses Buch vor allem für christliche Eltern geschrieben wurde. Aber dennoch ist mir das Buch an vielen Stellen zu extrem in seinen Ansichten. Mit den Grundaussagen stimme ich voll überein. Viele ihrer Beispiele sind jedoch nur verständlich, wenn man wirklich und wahrhaftig glaubt. Und ich meine nicht diesen wir-gehen-an-Weihnachten-in-die- Kirche Glauben, sondern den Glauben, wo man sich völlig in Gottes Hände begibt und sich ihm anvertraut, von ganzem Herzen an ihn und seine Güte glaubt. Sonst wirken viele Beispiele einfach nur seltsam, befremdlich oder sogar lächerlich. Auch hätte ich mir den Aufbau des Buches etwas anders gewünscht. Ich hätte gerne mehr direkte Erklärungen zu den Beispielen und Geschichten bekommen, die sie am Ende der Kapitel anführt. Johanna Klink hat in ihren Erklärungen ihre Meinung sehr gut und genau geschildert, gibt aber eine so große Flut von Beispielen und Texten, dass ich einige Male gedacht habe, dass Buch besteht nur aus denselben. Man hätte es um fast die Hälfte reduzieren können. Aber langweilig werden die Beispiele deshalb nicht, sie sind alle sehr interessant, wenn auch manchmal die Sprache ein wenig seltsam ist. Aber das liegt dann meist am Alter des Kindes und/ oder der Zeit in der das Buch verfasst wurde.

Sollte ich mir ein Buch aussuchen müssen, um mir Hilfe zu suchen, dann würde ich das von M. Rudolph wählen. Aus mehreren Gründen:

- Ich gehöre zu der Sorte Menschen, die ein Buch nicht nur nach seinem Inhalt, sondern auch nach seiner Länge beurteilen. Ich nehme oft lieber ein kürzeres Buch, da es weniger zeitintensiv ist, sich damit zu befassen.
- Das Buch ist mit Bildern ausgestattet. Auf Bilder könnte ich zwar auch verzichten, aber Bilder zeigen oft zusätzlich zum Text, dass der Autor/ die Autorin sich sehr mit dem Thema beschäftigt hat und seine Gedanken noch deutlicher machen will.
- Das Vorwort zur deutschen Ausgabe enthält für mich sehr wichtige Angaben zum Verständnis des Todes bei Kindern verschiedener Alterstufen.10
- M. Rudolph schreibt in einem Stil, der sehr leicht zu lesen ist. Sie erklärt, erzählt und gibt Beispiele. Sie stellt dem Leser Fragen, gibt die Antworten und lässt ihm dennoch die Möglichkeit für sich die Antwort zu finden. Dieses Kombinieren macht für mich die richtige Mischung aus.
- Marguerita Rudolph bezieht das Thema Religion absichtlich nicht zu sehr mit ein. Dieses Thema wird in jeder Religion und von jedem Menschen, in jeder Familie anders behandelt. ,, ,Die Familien dieser Kinder hier gehören jedoch verschie- denen Religionen an, oder auch gar keiner. Daher könnte ich keine bestimmte Lehre zugrundelegen oder ihnen (den Kindern) irgendeinen durch den Glauben vorgegebenen Weg weisen. Meine Erklärungen werden in jedem Fall anderer, nicht religiöser Natur sein.' "11 Dadurch dass sie dieses Gebiet nicht großartig bespricht, ist dieses Buch auch eine sehr gute Alternative für Eltern, die nicht religiös sind bzw. für Eltern verschiedener Religionen. Es ist somit nicht auf den christlichen Glauben beschränkt.

Zum Schluss meiner Ausführungen bleibt mir nur noch eines zu sagen. Die Auseinandersetzung des Kindes mit der Frage nach Sterben und Tod gehört in seine geistige Entwicklung mit hinein. Kinder müssen schrittweise lernen, das ganze Leben mit allem, was es an Freude und Bedrohung einschließt, tiefer zu verstehen. Aber man sollte auch nicht vergessen, das Dabeisein Gottes im Leben vor dem Tod nicht auszublenden.

5. Literaturverzeichnis

Marguerita Rudolph, Wie ist das, wenn man tot ist, Otto Maier Verlag Ravensburg 1978

Johanna Klink, Kind und Leben, Theologischer Verlag Zürich, Patmos Verlag Düsseldorf 1972

Arbeitsgruppe Kinderkatechismus im Auftrag der Vereinigten-Lutherischen Kirche Deutschlands, Erzähl mir vom Glauben, Ein Katechismus für Kinder, Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn, Verlag Ernst Kaufmann 1984

Elisabeth L. Reed, Kinder fragen nach dem Tod, Quell Verlag Stuttgart 1972

Geri Speace, Author Biographies Master Index, Fifth Edition, Volume 2, L-Z, Gale Verlag Detroit 1997

[...]


1 Leider kann ich über M. Rudolph keine weiteren Information anführen. Meine Nachforschun- gen ergaben lediglich, dass sie im Jahr 1908 geboren wurde. Vermutlich war oder ist sie Kindergärtnerin und aus einem Osteuropäischen Land in die USA immigriert.

2 Johanna Klink, S. 55

3 Johanna Klink, Titelseite

4,,Was ist tot?" S. 170; ,,Gott macht uns wieder neu" S. 202; Nichts oder alles S. 220; Nachwort S. 239

5 Die viereinhalbjährige Rahel stirbt. Nun ergibt sich folgendes Problem: soll man es den Kindern aus ihrer Kindergartengruppe mitteilen und wie soll dies geschehen?

6 M. Rudolph, S. 16

7 M. Rudolph, S. 17

8 J. Klink, S. 186

9 J. Klink, S. 188

10 M. Rudolph, S. 10 + 11, aus A. Gesell: Das Kind von 5-10. Bad Nauheim o. J.

11 M. Rudolph, S. 19

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Kinder und Tod, ein Vergleich zwischen M. Rudolph und J. Klink
Autor
Jahr
2000
Seiten
14
Katalognummer
V98465
ISBN (eBook)
9783638969161
Dateigröße
418 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kommentar des Professors "Die Arbeit liefert eine eigene, in Aufbau und Anlage überzeugende Erörterung. Die Darstellung ist klar, sachlich sauber und im Ton angemessen. Die Urteile sind sicher und sorgsam begründet."
Schlagworte
Kinder, Vergleich, Rudolph, Klink
Arbeit zitieren
Julia Körner (Autor:in), 2000, Kinder und Tod, ein Vergleich zwischen M. Rudolph und J. Klink, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/98465

Kommentare

  • Gast am 19.1.2003

    Super.

    Ich find dieses Thema echt schwierig zu bearbeiten und dafür find ich das hier eien echte reife leistung

    Super gemacht

Blick ins Buch
Titel: Kinder und Tod, ein Vergleich zwischen M. Rudolph und J. Klink



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