Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Problemstellung und Gang der Arbeit
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Das traditionelle Geschäftsmodell
2.2 Die komplexe Kundenlösung
2.3 Abgrenzung verwandter Konzepte
3 Die Entwicklung zu komplexen Kundenlösungen
3.1 Transformation zum Lösungsanbieter
3.1.1 Herausforderungen für den Lösungsanbieter
3.1.2 Erfolgsfaktoren auf dem Weg zum Lösungsanbieter
3.2 Das Konzept einer komplexen Kundenlösung
3.2.1 Anbieter- vs. Kundenperspektive
3.2.2 Effektivität vs. Effizienz
3.3 Implikationen einer Kundenlösung für das Geschäftsmodell
3.3.1 Strategische Ausrichtung
3.3.2 Managementverhalten
3.3.3 Vertriebsarbeit
4 Zusammenfassung und Ausblick
4.1 Zusammenfassung
4.2 Implikationen für die Praxis
4.3 Implikationen für die Forschung
5 Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: AIDA Konzept / 7 Steps of Selling
Abbildung 2: Produkt-Dienstleistungskontinuum
Abbildung 3: Ressourcen und Fähigkeiten
Abbildung 4: Anbieter- vs. Kundenperspektive visuell
Abbildung 5: Das Rahmenwerk für Solution Sales
Abbildung 6: Literaturüberblick
1 Problemstellung und Gang der Arbeit
Die seit Jahren steigende Bedeutung des Dienstleistungssektors beeinflusst die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Industriegüterunternehmen in zunehmendem Maße. Auslöser dafür sind fehlende Wachstumspotenziale sowie internationaler Wettbewerbsdruck in verschiedensten Branchen aufgrund der Diskrepanz zwischen überwiegend homogenisierten Produkten und individuell steigenden Kundenbedürfnissen. Preis und Produkt als ursprünglich bedeutende, abgrenzende Merkmale zur Konkurrenz, bieten dabei kaum noch Potenzial zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen (vgl. Ulaga und Eggert 2006, S. 119). Als Resultat dieser Erkenntnisse setzen Unternehmen durch die Kombination von Produkten und Dienstleistungen vermehrt auf die Schaffung sogenannter „Kundenlösungen“, um der Konsequenz einer schwindenden Profitabilität aufgrund abnehmender Margen und zunehmenden Preisdrucks entgegenzuwirken, was schließlich in der Konsequenz folgender Aussage resultiert:
„Competing through services is no longer limited to service companies”(Gebauer et al., 2012, S. 120).
Der aktuelle Stand der Forschung richtet sich zunächst einmal durch verschiedene theoretische Konzepte auf die kennzeichnenden Merkmale einer Kundenlösung. Es werden dabei umfassende Herausforderungen für den Eintritt in das Lösungsgeschäft aufgezeigt, welche durch eine erfolgreiche Bewältigung allerdings eine Chance zur Differenzierung vom bestehenden Wettbewerb bieten (vgl. Worm et al. 2017, S. 490). In diesem Zusammenhang existieren zwar Konsequenzen, die sich in Bezug auf das Geschäftsmodell eines Unternehmens ergeben, jedoch sind diese bislang nur vereinzelnd und unzureichend konkret formuliert.
Der Kern dieser Arbeit liegt darin, an dieser Stelle anzusetzen und auf Grundlage einer umfassenden Analyse der kennzeichnenden Merkmale, sowie der Herausforderungen und Erfolgsfaktoren einer Kundenlösung, vorhandene Implikationen für die Geschäftsmodelle zu konkretisieren und deren Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Kennzahlen eines Unternehmens zu untersuchen. Im Verlauf dieser Arbeit soll demnach zu den beiden folgenden Forschungsfragen eine Antwort gegeben werden.
(1) Können komplexe Kundenlösungen die Basis für neues wirtschaftliches Wachstum auf umkämpften Märkten darstellen?
(2) Welche Auswirkungen hat der Wandel vom Produkt hin zu komplexen Kundenlösungen für das Geschäftsmodell eines Lösungsanbieters?
Im Zuge der Vorbereitung auf die Analyse werden im Rahmen der theoretischen Grundlagen zunächst die Merkmale eines traditionellen Geschäftsmodells und die einer Kundenlösung definiert und voneinander abgegrenzt, bevor der Kundenlösung nahestehende Konzepte erläutert werden (vgl. Kapitel 2). Im Anschluss daran findet die Analyse des Entwicklungsprozesses zu einem Anbieter[I] komplexer Kundenlösungen statt (vgl. Kapitel 3). Diese beginnt mit der Darstellung existierender Herausforderungen und Erfolgsfaktoren. Daran anschließend erfolgt die Betrachtung zweier unterschiedlicher Auffassungen über das Konzept einer Kundenlösung, sowohl aus Anbieterperspektive als auch aus Kundenperspektive, bevor aus wirtschaftlicher Perspektive eine Beurteilung der Effektivität und Effizienz einer Kundenlösung vorgenommen wird. Darauf aufbauend werden im letzten Kapitel des Hauptteils die Implikationen einer Kundenlösung für die verschiedenen Ebenen eines Geschäftsmodells analysiert. In einem abschließenden Kapitel erfolgt zunächst anhand eines Literaturüberblicks eine Zusammenfassung über den aktuellen und behandelten Stand der Forschung sowie die Darstellung möglicher Forschungslücken. Abschließend wird eine kritische Betrachtung der bestehenden Literatur vorgenommen und ein Fazit gezogen sowie Implikationen für Praxis und Forschung gegeben.
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Das traditionelle Geschäftsmodell
In der Literatur existiert eine Vielzahl verschiedener Definitionen über den Begriff eines Geschäftsmodells. Allerdings ist keine dieser Definitionen allgemein gültig. Das liegt darin begründet, dass all diese Definitionen einen individuellen Betrachtungswinkel auf den Begriff des Geschäftsmodells werfen und daher nicht vergleichbar sind (vgl. Shafer, Smith und Linder 2005, S. 199-200). Dieses Kapitel der Arbeit zeigt die Perspektive auf die Vertriebsorganisation des Geschäfts- modells eines traditionell produktfokussierten Unternehmens auf, welches klassisch auf die Herstellung und den Vertrieb eines physischen Produktes ausgerichtet ist. Dafür soll im weiteren Verlauf der Arbeit die Bezeichnung „traditionelles Geschäftsmodell“ sowie „produktfokussierter oder transaktionsorientierter Ansatz“ gelten.
Mit Beginn der Nachkriegszeit des Zweiten Weltkriegs intensivierte sich in den produzierenden Unternehmen die Schaffung von Vertriebsorganisationen. Anlass dafür ist ein vorherrschender Angebotsüberhang auf den Märkten diverser Branchen gewesen. Mit einer geeigneten Vertriebsorganisation haben sich die Unternehmen eine Verbesserung hinsichtlich Nachfrage und Absatz des eigenen Produktes versprochen. Im Mittelpunkt der Unternehmen hat dabei einzig das Produkt gestanden. Die Vertriebsmitarbeiten sind die Produktexperten innerhalb des Unternehmens gewesen, die den Kunden zum Erwerb eines solchen überzeugen sollten (vgl. Homburg, Workman und Jensen 2000, S. 467). Zeitgleich ist der gewöhnliche Geschäftsweg, über welchen die Kommunikation mit dem Kunden stattgefunden hat, der über das Verkaufspersonal gewesen. Die Arbeit der Vertriebsmitarbeiter hat sich dabei so gestaltet, dass die Mitarbeiter ausgehend von ihrem spezifischen Arbeitsort einem bestimmten räumlichen Gebiet zugeordnet gewesen sind und die dort ansässigen Kunden betreut haben. Der Ablauf der Vertriebsarbeit ist dabei auf zwei grundlegende Konzepte zurückzuführen. Zum einen dem sogenannten „AIDA“ (Awareness -> Interest -> Desire -> Action) Model und zum anderen dem sogenannten „7 Steps of Selling“ Ansatz (vgl. für den Absatz Sheth und Sharma 2008, S. 261-262).
Abbildung 1 gibt einen Überblick über die einzelnen sieben Schritte dieses Ansatzes, sowie über die Verknüpfung mit dem AIDA Ansatz.
Abbildung 1: AIDA Konzept / 7 Steps of Selling
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Slide Serve (2019)
Dem „AIDA“ Konzept liegt die Annahme zugrunde, dass zunächst die Aufmerksamkeit des Kunden hervorgerufen werden soll, um diese in einem nächsten Schritt in ein konkretes Interesse für das Produkt auszubauen, sodass der Kunde sich bereits selbst mit dem Produkt auseinandersetzt. Aus dieser Auseinandersetzung soll schließlich der Wunsch resultieren, das Produkt zu besitzen und dieses letztendlich in einem weiteren Schritt zu erwerben (vgl. Lee und Hoffman 2015, S. 9).
Es gilt festzuhalten, dass die Vertriebsorganisation im Rahmen eines klassisch produktfokussierten Geschäftsmodells über den persönlichen Weg ausschließlich auf den Verkauf eines Produktes abzielt, wie durch die beiden oben genannten Konzepte exemplarisch beschrieben. Diese Methode ist über Jahre hinweg maßgeblich für die Vertriebsarbeit gewesen (vgl. Moncrief und Marshall 2005, S. 21). In den letzten beiden Jahrzehnten hat es allerdings eine entscheidende Wende hinsichtlich der Vertriebsausrichtung gegeben (vgl. Homburg, Workman und Jensen 2000, S. 476; Vargo und Lusch 2004, S. 1-2). Ein Wandel weg von der produktfokussierten Transaktionsorientierung hin zu einem verstärkt kundenorientierten Ansatz, welcher im Folgenden als Paradigmenwechsel bezeichnet wird. Die kennzeichnenden Merkmale dieses neuen Vertriebsansatzes werden im nächsten Kapitel näher beleuchtet.
2.2 Die komplexe Kundenlösung
Aufbauend auf dem in Kapitel 2.1 beschriebenen transaktionsorientierten Vertriebsansatz wird in diesem Abschnitt der kundenorientierte Ansatz der sogenannten „komplexen Kundenlösung“ umfassend dargestellt.
Das Konzept der komplexen Kundenlösung zeichnet sich grundlegend zunächst einmal durch eine integrierte Kombination von Produkt und Dienstleistung aus, welche auf die Bedürfnisse eines Kunden ausgerichtet ist (vgl. Davies, Brady und Hobday 2006, S. 39; Sawhney 2006, S. 365). Der Fokus dieses Ansatzes liegt nicht auf den Eigenschaften eines Produktes, sondern ausschließlich auf den individuellen Bedürfnissen des Kunden (vgl. Davies, Brady und Hobday 2006, S. 39; Johnstone, Dainty und Wilkinson 2009, S. 520; Shelton 2009, S. 38). Das kennzeichnende Merkmal der Kundenlösung ist dabei, dass diese auf ein spezifisches Kundenproblem individuell ausgerichtet ist (vgl. Tuli, Kohli und Bharadwaj 2007, S. 4). Dafür ist es erforderlich, dass der Lösungsanbieter ein umfassendes Ver- ständnis für das jeweilige Kundenproblem besitzt. Ein solches Verständnis gilt es durch ein vertrautes Verhältnis, basierend auf einer offenen Kommunikation zwischen Kunde und Anbieter, aufzubauen (vgl. Raja et al. 2013, S. 1130). Der Kunde wird dabei oftmals als sogenannter „Co-Creator“ entscheidend in den Erstellungsprozess der Kundenlösung mit einbezogen, indem er dem Anbieter dazu verhilft systematisch Markt- und Kundenwissen auf- und auszubauen (vgl. Vargo und Lusch 2004, S. 11).
Ein geeignetes Beispiel für eine Kombination von Produkt und Dienstleistung stellt beispielsweise das TotalCare Programm von Rolls Royce dar. Anstatt des bloßen Verkaufs von Triebwerken stellt Rolls Royce die Triebwerke den Fluglinien für deren Flugzeuge zur Verfügung und sorgt dabei über die gesamte Produktlebensdauer für die Überwachung, Wartung und Reparatur der Triebwerke. Es wird also nicht mehr nur ein Produkt verkauft, sondern vielmehr die Leistung, Flugzeuge zu befördern. Voraussetzung und Motivation dafür ist gewesen, den Kundennutzen neu zu definieren und gleichzeitig den Kundenservice zu verbessern, indem sich für den Kunden finanzielle Risiken reduzieren und gleichzeitig Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit der Triebwerke garantiert sind (vgl. für den Absatz Horton 2019; Macdonald, Kleinaltenkamp und Wilson 2016, S. 96).
Generell ist es eher nebensächlich, welchen Anteil Produkt und Dienstleistung jeweils an der Lösung haben, sondern vielmehr ist von Bedeutung, dass die Kombination beider Elemente optimal auf die individuellen Kundenbedürfnisse abgestimmt ist (vgl. Raja et al. 2013, S. 1129).
Allgemein lässt sich konstatieren, dass eine komplexe Kundenlösung auf den Auf- und Ausbau einer langen Geschäftsbeziehung abzielt (vgl. Tuli, Kohli und Bharadwaj 2007, S. 1).
2.3 Abgrenzung verwandter Konzepte
In der Literatur existieren zahlreiche Konzepte und Begrifflichkeiten, welche inhaltlich auf die Kombination von Produkt und Dienstleistung abzielen. Nachdem im vorangegangenen Kapitel der Begriff der „komplexen Kundenlösung“ ausführlich beleuchtet wurde, sollen in diesem Kapitel die namhaftesten alternativen Konzepte und Begrifflichkeiten prägnant dargestellt und voneinander abgegrenzt werden.
Servitization Vandermerwe und Rada haben mit dem Begriff der „Servitization“ im Jahre 1988 erste entscheidende Erkenntnisse über den Paradigmenwechsel vom produktfokussierten Ansatz hin zum kundenorientierten Ansatz geliefert. In dieser Arbeit sind die Kundenbedürfnisse bereits als zentraler Ausgangspunkt für die Entwicklung hin zur Kombination von Produkt und Dienstleistung ausgemacht worden, wie das folgende Zitat treffend belegt (vgl. Vandermerwe und Rada 1988, S. 314).
“Much of this is due to managers looking at their customers' needs as a whole, moving from the old and outdated focus on goods or services to integrated “bundles” or systems, as they are sometimes referred to, with services in the lead role.”
Heutzutage wird der Begriff der Servitization oftmals als Synonym für das serviceorientierte Wachstum von produktfokussierten Unternehmen verwendet (vgl. Kowalkowski, Gebauer und Oliva 2017, S. 83).
Product-Service-System (PSS) Ein dem Servitization Konzept sehr nahestehendes Konzept ist das sogenannte „Product-Service-System“. Analog zum Begriff der Servitization geht es dabei um die mehrwertschaffende Kombination von Produkt und Dienstleistung, weshalb das PSS auch häufig als Sonderfall der Servitization bezeichnet wird (vgl. Baines et al. 2007, S. 1543). Darüber hinaus zielt ein PSS durch die Bündelung von Produkt und Dienstleistung darauf ab, die Kundenbedürfnisse nachhaltiger und umweltschonender als ein traditionelles Geschäftsmodell zufriedenzustellen (vgl. ebd.). Das im vorherigen Kapitel angeführte Beispiel des TotalCare Programms von Rolls Royce ist exemplarisch als Product-Service-System einzuordnen.
Hybride Produkte In der deutschsprachigen Literatur findet sich das Phänomen der kundenorientierten Bündelung von Produkt und Dienstleistung auch vielfach unter der Bezeichnung „hybrider Produkte“ wieder. Die Besonderheit dieses Konzeptes liegt darin, dass der Leistungserstellungsprozess nicht nur auf den Kunden fokussiert ist, sondern ausdrücklich unter Einbindung des Kunden geschehen soll, um den für den Kunden maximalen Nutzen erzielen zu können (vgl. Ganz und Bienzeisler 2010, S. 8).
Zusammenfassung Die hier genannten Konzepte verdeutlichen, dass einige Begrifflichkeiten existieren, welche durch die Einbeziehung von Dienstleistungen und Kunden in den Leistungserstellungsprozess auf die theoretische Grundlage einer Kundenlösung abzielen und damit auf den Paradigmenwechsel von einem produktfokussierten Ansatz hin zu einem kundenorientierten Ansatz. Im englischsprachigen Raum auch allgemein unter der Bezeichnung „Service dominant Logic“ bekannt (vgl. Vargo und Lusch 2004, S. 1).
3 Die Entwicklung zu komplexen Kundenlösungen
Nachdem wichtige Begriffe um das Konzept der komplexen Kundenlösung im vorangegangenen Kapitel erläutert wurden, gilt es nun anhand einer fundierten Analyse der existierenden Literatur herauszuarbeiten, ob komplexe Kundenlösungen die Grundlage für neues wirtschaftliches Wachstum darstellen können und welche Auswirkungen dieser Paradigmenwechsel für das Geschäftsmodell eines Lösungsanbieters mit sich bringt. Da neben dem Konzept der komplexen Kundenlösung ebenfalls bereits andere Formen der Kombination von Produkt und Dienstleistung existieren, ist es sinnvoll einen Schritt zuvor anzusetzen und die Entwicklung vom ursprünglichen Produkt hin zur komplexen Kundenlösung zu betrachten, um das Ausmaß der Integration von Produkt und Dienstleistung einordnen zu können.
Abbildung 2: Produkt-Dienstleistungskontinuum
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: (In Anlehnung an Voigt 2008, S. 4)
In Abbildung 2 ist das sogenannte Produkt-Dienstleistungskontinuum dargestellt. Den Ausgangspunkt des Kontinuums bildet ganz links in der Abbildung der ursprüngliche „reine“ Industriebetrieb, mit dem Fokus auf die Herstellung eines klassischen Produktes. Das andere Extrem bildet das „reine“ Dienstleistungsunternehmen. Als erste Form der Kombination existieren die produktbegleitenden Dienstleistungen, welche als Ergänzungen zum ursprünglichen Produkt die Kundenbeziehung stärken sollen (vgl. Kowalkowski, Gebauer und Oliva 2017, S. 83). Darüber hinaus zeichnet sich jeder weitere Schritt nach rechts durch eine zunehmende Komplexität aufgrund von individueller Kundenanpassung und Dienstleistung sowie der Absicht einer langfristigen und vertrauten Kundenbeziehung aus (vgl. Kowalkowski et al. 2015, S. 59). Die Studie von Oliva und Kallenberg (2003) legt die Auffassung nahe, dass der Entwicklungsprozess beginnend vom Produkt über erste produktorientierte Dienstleistungen bis hin zu komplexen Kundelösungen stetig und stufenweise geschieht (vgl. ebd., S. 165). Im Gegensatz dazu existieren Studien, die besagen, dass diese Annahme nur von theoretischer Natur ist, da das dienstleistungsorientierte Wachstum sich in der Praxis als vielseitiger Prozess darstellt, welcher nicht zwangsläufig problemlos voranschreitet (vgl. Kowalkowski et al. 2015, S. 60). Diesbezüglich ist es durchaus möglich, dass eine Firma mehrere Positionen innerhalb des Kontinuums einnimmt. In der Praxis haben Unternehmen trotz der allgemeinen Entwicklung in Richtung komplexer Kundenlösung beispielsweise noch reine Zubehörteile des ursprünglichen Produktes oder einfache, produktbegleitende Dienstleistungen in ihrem Leistungsangebot, was eine mögliche Einordnung des Entwicklungsprozesses erschwert (vgl. ebd., S. 65; Storbacka et al. 2013, S. 705).
3.1 Transformation zum Lösungsanbieter
Die Transformation vom klassischen Produzenten zum Lösungsanbieter erfolgt demnach keineswegs geradlinig. Daher werden in diesem Kapitel zunächst die damit verbundenen Risiken und Herausforderungen einer solchen Entwicklung betrachtet. Im Anschluss daran soll aufgezeigt werden, inwieweit eine erfolgreiche Bewältigung dieser Herausforderungen eine Möglichkeit darstellt, diese in Erfolgsfaktoren umzuwandeln.
3.1.1 Herausforderungen für den Lösungsanbieter
Der Wandel zum Lösungsanbieter ist für das klassisch produktfokussierte Unternehmen hinsichtlich organisationaler Grundsätze, Strukturen und Prozesse mit einer Vielzahl von Herausforderungen verbunden (vgl. Grewal et al. 2015, S. 199; Oliva und Kallenberg 2003, S. 161). Eine zentrale Herausforderung besteht zunächst einmal darin, eine gewisse Dienstleistungsmentalität mit entsprechender Kundenorientierung in den verschiedenen Managementebenen innerhalb des Unternehmens hervorzurufen, welche kennzeichnend für den Lösungsverkauf im Vergleich zum Verkauf reiner Produkte ist (vgl. Paiola et al. 2013, S. 394; Stor- backa 2011, S. 699). Dafür ist es notwendig, dass produzierende Unternehmen ihre bisherigen etablierten Verhaltensweisen überwinden, da diese häufig ein Hemmnis für den nötigen Einzug einer Dienstleistungskultur darstellen (vgl. Gebauer und Fleisch 2007, S. 337; Martinez et al. 2010, S. 456). Die Dienstleistung hat im Rahmen der komplexen Kundenlösung fortan nicht mehr den Charakter einer unentgeltlichen Erweiterung des physischen Produktes. Aufgrund der Komplexität und der Individualität einer jeden Kundenlösung sind damit einhergehend entsprechende Kosten der Leistungserstellung, was die Herausforderung einer kostendeckenden und wettbewerbsfähigen Bepreisung der Kundenlösung herbeiführt (vgl. Paiola 2013, S. 395). Hierbei geht es insbesondere um die Berücksichtigung möglicher Risiken und Ungewissheiten, wie beispielsweise Kosten für Nachbesserungen oder einen im Nachhinein auftretenden Mehraufwand für ein vorab definiertes Leistungsniveau (vgl. Ulaga und Reinartz 2011, S. 12; Worm et al. 2017, S. 495). In Verbindung damit steht ebenfalls die Herausforderung der Identifikation potenzieller Kunden, welche einerseits einen Mehrwert durch eine Kundenlösung erhalten und andererseits auch die nötige Zahlungsbereitschaft- als auch Fähigkeit besitzen (vgl. Eggert et al. 2014, S. 24). In einem weiteren Schritt gilt es dann die Bedürfnisse der in Frage kommenden Kunden zu identifizieren, um die Kundenlösung gezielt darauf abstimmen zu können. Im Rahmen der Bedarfsbestimmung können dabei sowohl auf Seiten des Lösungsanbieters als auch auf Kundenseite Schwierigkeiten auftreten (vgl. Töllner 2010, S. 91). Anbieterseitig ergibt sich aufgrund einer erhöhten Anzahl an involvierten Personen die Herausforderung einer effektiven Koordination und Kommunikation der Tätigkeiten für einen einheitlichen Austausch mit dem Kunden (vgl. Martinez et al. 2010, S. 457). Die Kunden hingegen sind sich entweder ihrer Bedürfnisse selbst nicht im Klaren oder aber haben Schwierigkeiten diese eindeutig zu formulieren (vgl. Töllner 2010, S. 91). Daher bedarf es entsprechender Vertriebsmitarbeiter, die in der Lage sind, die individuellen Bedürfnisse in Kooperation mit dem Kunden zu erfassen und benennen zu können. In Bezug auf die Vertriebsmitarbeiter geht es darüber hinaus grundlegend um die Herausforderung, deren Aktivitäten und Denkweisen zielgerichtet auf die Kundenbedürfnisse anzupassen, um beispielsweise das Geschäftsmodell eines Kunden nachvollziehen und damit einen Mehrwert anstelle eines Produktes verkaufen zu können (vgl. Martinez et al. 2010, S. 458; Ulaga und Reinartz 2011, S. 13).
In Kapitel 3.1.2 werden nun mit Bezug auf die hier genannten Herausforderungen, unter anderem für die der Vertriebsmitarbeiter, Möglichkeiten zur Bewältigung dieser aufgezeigt und erläutert.
3.1.2 Erfolgsfaktoren auf dem Weg zum Lösungsanbieter
Gebauer und Friedli (2005) konstatierten einst, dass der Wandel zum Dienstleistungsgeschäft die wohl lukrativste strategische Option der Differenzierung ist (vgl. ebd., S. 70). Demgegenüber ist Macdonald, Kleinaltenkamp und Wilson (2016) zufolge, die Entwicklung hin zum Lösungsanbieter keineswegs mit einer Erfolgsgarantie verbunden (vgl. ebd., S. 96). Eine Möglichkeit für die erfolgreiche Bewältigung der benannten Herausforderungen kann dabei die ressourcenbasierte Sichtweise eines produktfokussierten Unternehmens darstellen. Demnach wird eine Firma als eine Kombination von Ressourcen und Fähigkeiten betrachtet (vgl. Kozlenkova, Samaha und Palmatier 2014, S. 1), wobei eine bewusste Verknüpfung beider Faktoren einen Wettbewerbsvorteil bei der Transformation zum Lösungsanbieter bedeuten kann (vgl. Story et al. 2017, S. 54). Im Folgenden soll herausgearbeitet werden, inwiefern aus den Ressourcen und Fähigkeiten eines Unternehmens zentrale Erfolgsfaktoren geschaffen werden können.
Ulaga und Reinartz (2011) sprechen in diesem Zusammenhang von vier ausschlaggebenden Ressourcen, welche zur Bildung von fünf kennzeichnenden Fähigkeiten genutzt werden sollen (vgl. ebd., S. 5). Abbildung 3 soll hierzu einen Überblick geben.
[...]
1 Die Nennung von Personen erfolgt unabhängig des Geschlechtes. Aus stilistischen Gründen wird auf die Nennung mehrerer Formen verzichtet.
- Arbeit zitieren
- Felix Springenberg (Autor:in), 2019, From Products to Solutions. Eine Analyse zur Veränderung von Geschäftsmodellen beim Verkauf komplexer Kundenlösungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/981019
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