Kommunikation in Talkshows


Ausarbeitung, 2000

14 Seiten, Note: 3


Leseprobe


Kommunikation in Talkshows

Was ist eine Talkshow?

Wenn man in einem Lexikon nach diesem Begriff sucht, wird man auf folgende Definition stoßen:

Talk-Show [_t_k-], In den USA entstandene Unterhaltungssendung im Fernsehen, in der ein Moderator (Talkmaster) seine meist prominenten Gäste u._a. zu Themen ihres beruflichen und privaten Werdegangs befragt.1

Diese Definition hat sich aber in den letzten Jahren besonders im deutschsprachigen Raum verändert, da es nur mehr vergleichsweise wenige Talkshows gibt, die ausschließlich bekannte Persönlichkeiten einladen. Hier wären Produktionen wie Alfred Bioleks ,,Boulevard Bio", die ,,Harald-Schmidt-Show" oder im amerikanischen Raum Late-Night-Shows mit Jay Leno, Conan O'Brian und David Letterman zu erwähnen. Diese Form der Talkshows werden meist täglich im Spätabendprogramm ausgestrahlt und bieten den Zuschauern ,,Tratsch und Klatsch" über Prominente, die meist Werbung für ihre neuen Filme, Bücher oder CD's machen wollen.

Talk-Shows und Fernsehdiskussionen sind Sendetypen, bei denen nicht wie im Falle von Reportagen, Nachrichten oder Magazinen die Information im Zentrum steht. Sie bieten neben der Information auch viel Unterhaltendes, indem die Diskussionsteilnehmer spontan oder inszeniert interagieren und sich zur Schau stellen. Information und Unterhaltung werden heute mehr und mehr verbunden, auch wenn sie oftmals als schwer vereinbar gelten. Die Rezeptionsgewohnheiten entsprechen diesem Trend zum Infotainment.

FORMEN DER TALKSHOW:

Man kann fünf Formen von Talk-Shows mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Konzepten unterscheiden.

1.Portrait-Talk: Das öffentliche und vor allem private Leben prominenter Gäste steht im Mittelpunkt der Sendung. Die unterhaltsame Form des Einzelgesprächs prägt den Charakter der Sendung, z.B. "Biolek"
2.Promi-Talk: Diese ursprünglich häufigste Form der Talk-Show versammelt einige Prominente des öffentlichen Lebens zum Gespräch, bei dem Persönliches der Gäste meist die wichtigste Rolle spielt,"
3.Themen-Talk: Die Gesprächsrunde ist eher aufgrund der Kompetenz der Teilnehmer im Hinblick auf das (häufig aktuelle) Thema zusammengesetzt, z.B. "Zur Sache" oder ,,Runder Tisch"
4.Betroffenheits-Talk: Die Schicksale, Probleme und Neigungen meist unbekannter Personen werden vorgestellt, z.B. Ilona Christen
5.Konfro-Talk: Diese neuere Talk-Form behandelt jeweils ein kontroverses Thema, wobei in der Anlage der

Sendung weniger Wert auf eine argumentative Auseinandersetzung als auf emotionale Streitgespräche gelegt wird. ,,Arabella"

In unserer Arbeit wollen wir uns hauptsächlich mit den Talkshows beschäftigen, die den letzten beiden Kriterien entsprechen. Da Themen und Probleme des täglichen Lebens diskutiert werden, können sich somit viele der Zuseher mit den eingeladenen Gästen identifizieren. Diese Art der Talkshow gibt es bei uns erst seit Beginn der 90er Jahre und wird nun von vielen privaten Fernsehanstalten täglich zwischen 10 Uhr vormittags und 17 Uhr nachmittags ausgestrahlt.

Allein die daily talkshows liefern über 55 Stunden Dauertalk pro Woche ohne die unvermeidlichen Wiederholungen zu später Stunde.

Wir uns deshalb als Schwerpunkte nur drei Moderatoren für unsere Untersuchungen ausgewählt: ,,Arabella", ,,Ilona Christen" und ,,Jörg Pilawa".

Unsere Wahl fiel auf diese beiden Frauen, da im Verhältnis gesehen sehr viele Frauen die Moderation in dieser Fernsehsparte führen. Zum Vergleich haben wir noch einen männlichen Vertreter dieser Branche gewählt.

Diese drei Sendungen werden täglich von Montag bis Freitag um die Mittagszeit ausgestrahlt und die Sendezeit beträgt rund eine Stunde inklusive drei Werbeblöcken á 5 - 10 Minuten.

Da im Titel der Talkshow fast immer den Name der Moderatorin, beziehungsweise des Moderators trägt sind diese Sendungen eng mit der Person des Moderators verknüpft.

Die Rolle des Talkmasters:

Der Talkmaster (auch Moderator oder Gesprächsleiter) ist jene Person, die die Show leitet. Sie/Er nimmt die Zentralposition in den Shows ein, bestimmen das Gesprächsthema, erteilen oder entziehen den Gästen das Wort und entscheiden in welche Richtung sich das Gespräch entwickeln soll. Sie verkörpern Ratgeber,

Freund, Richter und Gegenstand der Verehrung. Trotzdem kann man zwischen verschiedenen Verhaltensmustern unterscheiden:

Emotionelle Moderation: Der Moderator will durch die emotionale Themenwahl und Fragestellung das Publikum beeinflussen. Bsp.: Arabella

Streitprovozierende Moderation: Es wird versucht die Diskussion zwischen den Gästen durch Äußerungen anzuheizen. Bsp.: Arabella

Ruhige Moderation: Es wird versucht sich zurückzuhalten und sich nicht zu sehr einzumischen. Bsp.: Ilona Christen, Jörg Pilawa

Dominante Moderation: der Moderator quetscht aus den Gästen die Aussagen heraus, die er hören will.

Seriöse Moderation: der Moderator versucht auch bei zweideutigen Themen seriös zu bleiben Bsp.: Fliege, Hans Meiser

Da die ganze Talkshow nach einem genauen Konzept für ein bestimmtes Publikum gemacht wird, müssen die Moderatoren sich immer an ihr vorgegebenes Verhaltensmuster halten. Somit stellt der Moderator nicht seine eigene Person dar, sondern agiert wie ein Schauspieler.

UNTERSUCHUNGSKRITERIEN AN TALKSHOWS:

Wir haben nun die unterschiedlichen Verhaltensweisen von den Talkmasterinnen Arabella Kiesbauer und Ilona Christen sowie dem Moderator Jörg Pilawa nach folgenden Kriterien untersucht:

- Anrede
- Äußeres Erscheinungsbild des Talkmasters
- Wahl der Diskussionsthemen
- Zielgruppe
- Beweggründe als Gast aufzutreten
- Auftritt der Gäste und des Publikums
- Die Werbung in der Talkshow
- Diskussionsleitung und -führung
- Verhalten gegenüber Gästen und Publikum
- Institutionelle Reflexivität im Rahmen der Talkshow
- Gesamteindruck der untersuchten Talkshows

Anrede

Allgemein macht es keinen unterschied ob die Moderatorinnen oder Moderatoren Ihre Gäste duzen oder siezen.

Wenn der Moderator / Moderatorin seine Gäste und das Publikum mit ,,SIE" anspricht dann vermittelt dies Höflichkeit, emotionale Distanz und Sachlichkeit. Man bringt durch das ,,SIE" den Gästen und dem Publikum in gewisser Weise immer Respekt und Achtung entgegen. Beim ,,DU-WORT" erscheint der Sprecher bei Diskussionen immer lockerer und persönlicher zu erscheinen. Da aber emotionale Distanz und Sachlichkeit des ,,siezen" fehlt, kann es leichter zu Kraftausdrücken und verbalen Attacken kommen.

Vor allem bei intimen Problemen zeigt das ,,DU" mehr persönliches Interesse und es wird das Gefühl vermittelt, daß der Gesprächspartner eher dazu bereit ist auf die Probleme persönlich einzugehen. Allerdings kann es gerade durch die ,,lockere" Anrede oft zu kritischen Situationen zwischen den Gästen, oder auch zwischen Publikum und Gästen. Der Moderator/Moderatorin weiß, daß er nicht zu ausfallend werden sollte. Da sie jeden Tag vor der Kamera stehen und auch für die richtigen Umgangsformen mit dem Publikum geschult werden. Die Gäste sind meist in Bezug auf ,,sendetaugliches" Unterhalten blutige Laien und verfallen daher leicht in zu persönliche beziehungsweise unhöflichen, manchmal sogar in ordinären Gesprächston. Dies fällt dem Gast beim Du-Wort, das er im Rahmen der Talkshow automatisch vom Moderator übernimmt, sehr viel leichter, als wenn er seine Mitmenschen im Studio siezen müßte.

Arabella Kiesbauer und Jörg Pilawa verwenden ausschließlich das ,,Du" und stellen sich somit auf die gleiche Ebene mit Gästen und Publikum. Einzig das Publikum vor dem Fernsehgeräten werden mit ,,Sie" angesprochen, wenn zB ein Werbeblock kommt oder sie die Zuseher aufrufen, sich als Gäste ihrer Sendung zu bewerben.

Ilona Christen hingegen verwendet beides: Jüngere Gäste werden mit ,,Du" angesprochen, die älteren mit ,,Sie" und ihrem Vornamen.

Grundsätzlich werden die Gäste bei fast allen Talkshows nur mit ihrem Vornamen angesprochen, um dadurch ihre Intimsphäre zu wahren.

Bei Experten und Fachleuten werden diese aber von allen Moderatoren mit gesiezt und mit Nachnamen und Titel angesprochen. Dies soll die Kompetenz und Seriosität dieser Personen erhöhen.

Gäste, die nicht erkannt werden wollen, da sie zB eine ,,dunkle" Vergangenheit haben treten oft mit Perücke oder Sonnenbrille verkleidet auf. Manchmal sitzen diese Gäste auch hinter einer Schattenwand und ihre Stimme wird verzerrt.

Äußeres Erscheinungsbild des Talkmasters

Das Auftreten der Moderatoren hängt mit vielen Komponenten zusammen. Angefangen bei der richtigen Kleidung bis hin zur Art Witze zu machen. Das äußere Erscheinungsbild trägt jedenfalls einen sehr großen Teil dazu bei, wie man die Talkmasterin / den Talkmaster einschätzt. Oft wirken gerade Anzüge und dergleichen sehr konservativ. Der Mensch, der ihn trägt hinterläßt meist einen sehr seriösen und gebildeten, aber gleichzeitig auch einen distanzierten Eindruck. Die flippig, immer nach dem neusten Trend gekleidete Moderatorin vermittelt mit ihrer Garderobe das Gefühl ,,modern" und ,,erfolgreich" zu sein.

Arabella Kiesbauer ist von Kopf bis Fuß immer ,,durchgestylt" und sehr abwechslungsreich gekleidet. Fast täglich präsentiert sie eine neue Frisur und nützt auch die Gelegenheit um ihre eigene Schmuckkreation zu vermarkten. Ihre Kleidung entspricht immer den neuesten Trends. Sie versucht aber auch ihre Garderobe ihren Gästen und dem Thema ihrer Sendung anzupassen. So erscheint sie bei herzergreifenden Themen meist im seriös wirkender Kleidung, wie zB einem Blazer. Ist das Publikum eher ,,ausgeflippt", dann trägt auch sie die dazupassende Kleidung.

Ilona Christens Markenzeichen sind ihre bunten Brillen, die an ihrem Äußeren sofort hervorstechen. Sonst ist sie für eine Frau ihres Alters eher seriös gekleidet. Die Hose ist meist farblich und stilistisch mit dem Oberteil abgestimmt.

Auch Jörg Pilawas Auftreten ist eher durchschnittlich. Er kleidet sich weder konservativ, noch ausgesprochen modern. Gern trägt er schlichte Pullover oder Sakkos, die er durch ein modisches Hemd eher entschärft. Vom Outfit her wirkt er somit, wie ein normaler Mann von der Straße und soll damit nicht gleich als Showmoderator erkennbar sein, sondern eher als ruhiger Zuhörer und Moderator.

Wahl der Diskussionsthemen

Um emotionale Spannung in den Talkshows herzustellen, ist es sehr wichtig geeignete Themen zu wählen und diese auch dementsprechend zu formulieren. Dies wird mit provokanten Äußerungen versucht, woran möglichst viele Leute Anstoß nehmen oder sich persönlich angesprochen oder sogar betroffen fühlen. Ein Beispiel dafür wäre: ,,Frauen gehören in die Küche und nicht ins Büro!"

So geht es in den Talkshows neben der Darstellung von Bekanntem vor allem auch um die öffentliche Darstellung von Vorurteilen, Normverstößen und Abweichungen, von Tabus und Fremdem. Diese Themen machen neugierig und versprechen Spannung und Unterhaltung.

Auf die Frage an Arabella, ob ihnen nicht einmal die Idee ausgehen würden, antwortete sie folgendes:

,,Nein, der Job erfordert die Fähigkeit aus einer Banalität eine Stunde Talk zu machen. Viele Themen erscheinen einem zuerst banal, und erst, wenn man sie aus 6 verschiedenen Blickwinkeln betrachtet, sind sie dies nicht mehr. Darin liegt das Geheimnis für die Umsetzung eines Themas. Wenn sich daraus nichts ergibt, fällt das Thema weg. Aus den meisten banalen Sachen entstehen interessante Talks. Diese Talkshows sind ein Metier für sich."

Arabella behandelt vorwiegend persönliche und intime Themen: Beziehungs-probleme, sexuelle Probleme, Probleme mit dem Äußeren. Es sind hier oft Themen die sonst nicht in der Öffentlichkeit diskutiert werden und daher besonders große Aufmerksamkeit erregen. Ihre Show lebt von Gefühlen und Emotionen. Themenbeispiele wären hier: ,,Fürs Bett war ich dir gut genug!" oder ,,Meine Freundin hält sich für ein Model!"

Ilona Christens Themen sind meist auf Deutschland bezogen oder beschäftigen sich mit Behörden, Eltern und allgemeinen Problemen in bestimmten Lebenssituationen. Man könnte auch sagen es geht um die großen Sorgen der kleinen Leute Themenbeispiele: ,,Lern endlich kochen, sonst bin ich weg" oder ,,Du bist nicht der Vater unseres Kindes".

Jörg Pilawa behandelt vorzugsweise Themen über Beziehungsprobleme zwischen Mann und Frau, wobei durch den männlichen Moderator manchmal frauenfeindliche Themen behandelt werden: Beispiel: ,,Wer ist die größte Zicke im ganzen Land?" oder ,,Vier Kinder - Vier Väter. Du bist ja asozial!"

Zielgruppe

Bei der Wahl der Zielgruppe muß man zuerst einmal die Sendezeit berücksichtigen. Nicht jede Zielgruppe ist zu einer beliebigen Sendezeit vor den Fernsehgeräten erreichbar. Weiters ist das äußere Erscheinen des Moderators für eine Zielgruppe von Bedeutung.

Der Kölner Professor für Kommunikationsforschung Dr. Gary Bente hat Zuschauer nach den Motiven des Talkshowkonsums befragt: Die häufigste Antwort lautete: ,,Weil ich durch Talkshows erfahre, daß andere ähnliche Probleme haben''. Auch eine gewisse Lebenshilfe scheinen die TV- Talks zu bieten: ,,Sie helfen mir, Probleme zu bewältigen und erinnern mich an Dinge, die in meinem eigenen Leben passieren'' gab ein Großteil der befragten Zuschauer als Motiv fürs Zusehen an. Erst weit danach kommen ,,Entspannung, Unterhaltung oder Langeweile'' als Motive für Talkshow- Konsum.

Die TV-Gesprächsrunden sehen - laut Gfk-Fernsehforschung - deutlich mehr Frauen als Männer. Außerdem hat Gary Bente einen Zusammenhang zwischen Bildungsniveau und Talkshow-Konsum festgestellt: Je niedriger die Bildung, desto höher der Talkshow-Konsum. Einzig das Fliege-Publikum macht da eine Ausnahme: Seine Sendung sehen etwa gleich viele Männer und Frauen; und auch bei den Bildungsgraden liegen die Zuschauer mit niedriger, mittlerer und höherer Bildung etwa gleichauf. Talkshow-Zuschauer lassen sich also nicht unbedingt in Bildungs- oder geschlechtsspezifische Schubladen packen. Eines aber ist sicher: Trotz aller Medienschelte und Kritik am ,,Talkshow-Fernsehmüll'' gelten diese gerade wegen ihrer Gefühlsbetonung als außerordentlich zuschauernah.

Die österreichischen Psychotherapeutin und Juristin Rotraud A. Perner vertritt in ihrem Buch ,, Psycho-Talks dienen heute als Ersatz-Familie2 Sie vertritt darin die Meinung, das durch die oft fehlende Kommunikation innerhalb der Familie die Talkshows eine Art der Problemerörterung darstellt. Es entstehe das Gefühl, daß sich endlich jemand um die eigenen Anliegen kümmere. Der Talkmaster zeige einen Weg, wie man über schwierige Themen sprechen könne, und vermittle den Eindruck, daß ein Problem den ,,Wert" habe, öffentlich besprochen zu werden.

Arabellas Sendung wird um 14:00 Uhr nachmittags ausgestrahlt und erreicht somit auch junge Menschen, die zB am Vormittag in der Schule waren. Ihre Zielgruppe bewegt sich im Alter zwischen 15 - 49jährigen Zusehern. Durch die Themenwahl, die öfters auch viel Gefühl beinhaltet werden mehr Frauen als Männer diese Talkshow verfolgen.

,,Ilona Christen" wird um 13:00 Uhr mittags gesendet. Die Zuseher ihrer Sendung sind durch die Themenwahl meist deutlich älter, als die von Arabella. Besonders viele Zuschauer hat Ilona Christen bei den über 50jährigen: Mit 35,2 Prozent liegt sie bei den Älteren an der Spitze der Nachmittagstalker. Diese Altersgruppe bevorzugt meist ruhige Gespräche und sachliche Informationen.

Die Zielgruppe ,,Jörg Pilawas" umfaßt ein breites Spektrum. Durch sein jugendliches Auftreten und seine zielgruppenunabhängige Themenwahl kann man ihn nicht so leicht einer genauen Zielgruppe zuteilen. Sein Sendetermin ist um 11:00 Uhr vormittags.

Beweggründe als Gast aufzutreten

Bezugnehmend auf eine deutsche Studie sind die Motive der potentiellen Talkgäste dabei unterschiedlich: 67 Prozent glauben, ,,zu bestimmten Themen etwas zu sagen zu haben'', 56 Prozent haben schlicht Spaß an ihrem Auftritt. Deutlich weniger zählen Geld und Prestige. Nur 22 Prozent fühlen sich durch das Honorar zum Auftritt bewegt. 20 Prozent reizt es, mal von Freunden und Bekannten als ,,Star'' im Fernsehen gesehen zu werden.

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt der Kölner Professor für Kommunikationsforschung Dr. Gary Bente in seinem Buch ,,Affektfernsehen'', das erstmals Motive, Angebote und Wirkungsweisen von Talkshows unter die wissenschaftliche Lupe nimmt. Bente hat noch weitere Gründe für Talkshow-

Auftritte herausgefunden: So möchte der Gast vom Typ ,,Kontakt-Anbahner/ Verehrer'' in der Show eine konkrete Person ansprechen, wiedergewinnen oder eine neue Partnerschaft anbahnen. Der Typ ,,Anwalt in eigener Sache'' befinde sich meist in einer juristisch nicht eindeutigen oder seiner Meinung nach ungerechtfertigten Sachlage und hoffe - meist allerdings vergeblich - durch seinen Fernsehauftritt Druck auf den Gesetzgeber ausüben zu können. Daneben gibt es, laut Bente, noch den ,,Rächer'', der seinen Auftritt nutzt, um endlich einmal ,,Herr der Lage'' zu sein. Ihm dient die Talkrunde, um seine Position zu schildern und damit einem Ex-Partner oder einer anderen Person, mit der er in Unfrieden lebt, eins auszuwischen. Am harmlosesten erscheint da unter den verschiedenen Gäste- Typen noch der ,,Zaungast'', der einfach nur wissen will, wie Fernsehen funktioniert.

Eine Bewerbung als Gast bei den zahlreichen Shows garantiert aber noch keineswegs den sicheren Auftritt im Fernsehen. Zuerst werden Castings veranstaltet, wo zwischen den Bewerbern selektiert wird. Dabei wird darauf geachtet, daß es unter den eingeladenen Gästen Sympathieträger gibt, sowohl auch Personen eingeladen werden, die nicht der Norm entsprechen und dadurch als Feindbild dargestellt werden können. Diese Feindbilder werden dann anhand ihres Äußeren und ihres Benehmen gewählt. Auch mit Hilfe des Studiopublikums wird versucht ein Feindbild zu kreieren.

Auftritt der Gäste und Publikum

Bevor ein Gast die Bühne betritt, muß man ihn dem Publikum vorstellen. Bei einigen Talkshows ist es üblich, daß sich die Gäste in ein oder zwei Sätzen selbst präsentieren. Hier wird dem Publikum gesagt, welche Meinung der neue Gast hat und ob sie ihm nun Sympathie schenken sollen.

Bei Arabella übernimmt die Moderatorin die Präsentation der Gäste. Sie versucht durch ansatzweises Andeuten, Spannung aufzubauen, aber nicht zu viel zu verraten, wer derjenige ist und welche Meinung er zum diskutierten Thema einnimmt. Unter tosendem Applaus des Publikums, die von Assistenten dafür ein Zeichen bekomme, schreiten die Gäste dann eine lange Treppe im Studio hinunter, wobei dies mit dazupassender Musik untermalt wird. Wenn man die Bühne erreicht hat, wird man dann von Arabella zu einem der beiden Tresen geführt, je nachdem welche Meinung man vertritt. Alles läuft nach Drehbuch und darum müssen auch die Fragen des Publikums in de Drehpausen bei den Assistenten deponiert werden, die dann entscheiden, welche Wortmeldungen an die Reihe kommen. Aber dies ist nicht die einzige Zensur bei Arabella. Der Talk mit den Gästen wird im vorhinein aufgezeichnet und dauert im Original 2 Stunden. Im Fernsehen wird dann ein Zusammenschnitt in der Länge von 50 Minuten gezeigt. Hier werden zwischen passende Gesichter des Publikums bei der Überarbeitung der Aufzeichnung hinzugefügt oder unpassende Momente vor den Augen der heimischen Zuschauer retuschiert.

Beliebt ist auch der ,,Überraschungseffekt": dieser tritt ein, wenn zB eine Gast über eine Begebenheit mit einer anderen Person und gewinnt als ,,Ersterzähler" die Sympathie des Publikums. Dann betritt der meist nichtsahnende andere Gast die Bühne. Es wird ihm der Sachverhalt seiner Einladung erklärt und es kommt zu einer Konfrontation der beiden Gäste. Der Überraschte hat hier keine Wahl, ob er seine intimsten Probleme und Gefühle überhaupt vor dem Fernsehpublikum auspacken will, da er sich gezwungenermaßen verteidigen muß.

Im Unterschied zu Arabella sitzen die Gäste bei Ilona Christen bereits vor Beginn der Sendung auf ihren Plätzen. Die Hauptgesprächspartner sitzen auf Sofas in einer Reihe, die Angehörigen der Gäste oder ,,Nebengesprächspartner" sitzen vor dem Publikum auf Stühlen neben runden Tischen was eine gewisse Kaffeehaus- atmosphäre entstehen läßt. Durch diese Anordnung weiß auch der Zu-seher, der gerade eingeschaltet hat, daß es sich hier um weitere Gäste, die in einem Zusammenhang mit der Sendung stehen. Sie haben aber in den meisten Fällen nur eine sehr untergeordnete Funktion und kommen daher nur sehr selten ans Wort.

Bei Jörg Pilawa werden die Gäste kurz angekündigt und mit tosendem Applaus vom Publikum empfangen und dürfen ihren Platz auf der Bühne selbst wählen. Es gibt in dieser Talkshow verschiedene Eingänge. Gelegentlich werden auch Gäste aus dem Publikum auf die Bühne gebeten und können sich somit aktiv an der Diskussion beteiligen.

Die Werbung in der Talkshow

Da die meisten Talkshow auf privaten Fernsehanstalten ausgestrahlt werden, die sich durch Werbeeinnahmen finanzieren, stellt diese ein notwendiges ,,Übel" dar. Die privaten deutschen Programmanbieter schalten circa jede viertel Stunde einen Werbeblock. Natürlich trifft die Werbung auf allgemeine Ablehnung und es ist für die Moderatoren der Talkshows nicht leicht die Zuseher trotz der Werbeeinschaltungen zum ,,Dranbleiben" zu bewegen. Es wird versucht vor dem Werbeblöcken Spannung aufzubauen, um die Fernsehzuschauer vor dem Senderwechsel zu hindern.

Auch hier gibt es zwischen den einzelnen Talkshows Unterschiede: Arabella Kiesbauer zeigt kurze markante Szenen, die im Teil nach der Werbeeinschaltung passieren (z.B. wilder Streit unter den Gästen, einzelne Meldungen des Publikums oder von den Gästen) Diese Einspielungen werden unter Applaus des Publikums beendet.

Auch Jörg Pilawa zeigt kurz vor der Werbung Ausschnitte der markantesten Szenen, die noch im Verlauf der Sendung geschehen. Außerdem versucht Spannung zu erzeugen, indem er den Gästen eine Frage stellt, die erst nach der Pause beantwortet ist.

Ilona Christen hingegen bezieht die Werbung überhaupt nicht in ihre Show ein und wiederholt lediglich das Thema des Tages. Kurz vor der Werbung wirbt sie noch Gäste für eine der nächsten Shows an. Sie nützt die Gelegenheit nicht ihre Zuseher zum Dranbleiben zu bewegen. Es wird keinerlei Spannung aufgebaut und auch nichts vom weiteren Verlauf der Sendung verraten. Dieses Phänomen läßt darauf schließen, daß die Zielgruppe dieser Moderatorin ein ganz anderes Fernsehverhalten als das Publikum von Arabella aufweist. Vermutlich ,,zappen" die älteren Generation weniger herum als die Jugend.

Diskussionsleitung und -führung

Als Moderator hat man zwei Möglichkeiten auf Diskussionen zu reagieren:

Entweder man macht es wie Arabella und fördert und genießt Streitereien und intime Details, die bei solchen Konfrontationen ohne großes Nachdenken, im Eifer des Gefechts offenbart werden.

Durch die Tatsache, daß sich die Gäste bei Arabella an sich zwei leicht zugewandte Tresen gegenüberstehen, wird von der Diskussion bis zum heftigen Wortgefecht alles gefördert. Bei Arabella hat man das Gefühl, die Gäste schon mit dem Ziel eine heftige und teilweise auch vulgäre und meist sehr lautstarke Streiterei zu provozieren eingeladen werden. Dementsprechend wenig greift Arabella selbst bei derben Wortgefechten ein und läßt auch gröberen Beleidigungen freien Lauf.

Die Diskussionsleitung und -lenkung ist bei Ilona Christen ähnlich einem Kaffeehauskränzchen. - jedoch nur zwischen dem Gast und ihr selbst. Zwischen den Gästen untereinander kommt so gut wie kein Gespräch zustande. Sie befragt die Gäste nacheinander und widmet sich ihnen in einzelnen Gesprächen. Sie bestimmt das Gespräch komplett und wann wer was zu sagen hat. Das erreicht sie durch gezielte Fragestellung und sofortigem Abbruch des Redeflusses des Gastes, wenn er sich der gewünschten Ziel der Frage entfernt. Markenzeichen dieser Talkshow ist die - von Ilona Christen selbst genannte - Expertendiskussion. Bei der Expertendiskussion werden Fachleute zu Problemen der Gäste befragt. Dies ist ein wesentlicher Bestandteil in ihrer Sendung. So können die geschilderten Erlebnisse und Ereignisse der Gäste vermeintlich richtig beurteilt werden und in die Rubriken abnormales und normales Verhalten eingeordnet werden.

Jörg Pilawa läßt der Diskussion meist ihren freien Lauf. Er greift auch zumeist bei heftigen und lauten Streitereien nicht ein und kommentiert das ganze mit einem Schmunzeln. Wenn sich die Gäste gegenseitig beschimpfen oder sich verschiedenster Dinge beschuldigen, werden diese Ausfälle von ihm zumeist regelrecht ins Lächerliche gezogen. Er reißt nicht selten zynische Witze, die tatkräftig vom Publikum unterstützt werden.

Verhalten gegenüber Gästen und Publikum

Durch ihre emotionelle Art versucht Arabella zu ihren Gästen eine freundschaftliche Beziehung aufzubauen und dadurch dem Gast ein Gefühl des Vertrauens zu vermitteln. Es kommt öfters vor, daß sie Gäste an ihre Schultern nimmt oder sie umarmt. Da sie räumlich sehr nahe bei den Gästen steht, kann sie ihre Trösterfunktion durch diese Berührungen sehr gut unterstreichen. Außerdem versucht sie sich bei jeder Sendung als Betroffene des gerade aktuellen Themas darzustellen und versucht somit auf gleicher Ebene, wie die Gäste zu erscheinen.

Sie versucht immer jede Meinung zu akzeptieren , auch wenn diese sicherlich nicht immer ihrer eigenen entspricht. Dadurch gibt sie den Gästen auch meist das Gefühl sie zu verstehen. Dies führt dann dazu, daß die Gäste wesentlich leichter intimerer Details erzählen.

Ilona Christen konzentriert sich ausschließlich auf ihre Gäste und die Experten. Sie sitzt bequem, hat die Beine übereinander geschlagen und hält sich emotional zurück. Die Motivation und Anteilnahme besteht bei ihr fast ausschließlich aus dem Wiederholen des Wortes ,,Mhm".

Jörg Pilawa baut keine persönliche Beziehung zu seinen Gästen auf. Manchmal unterstützt er die einzelne Gäste, indem er ihnen seine Zustimmung schenkt oder sie durch seine eigene Meinung bestärkt. Er ist eine Person, die zwar vorgibt jede Meinung zu akzeptieren, man ertappt ihn aber allzu oft dabei, wenn er seine eigene Denkweise abgibt.

Institutionelle Reflexivität im Rahmen der Talkshow

Unter ,,Institutioneller Reflexivität" versteht man, daß das soziale Geschlecht so institutionalisiert wird, daß es genau die Merkmale des männlichen und weiblichen entwickelt, welche angeblich die unterschiedliche Institutionalisierung bedingen. Es geht nicht um den Ausdruck natürlicher Unterschiede, sondern um die Möglichkeit zur Erzeugung dieses Unterschiedes.

Wenn man nun diese soziologische Theorie auf das Thema ,,Talkshow" umlegt, dann bedeutet dies, daß die Produzenten der Talkshow von ihren Zusehern erwarten, daß diese mit den Moderatoren verschiedene Verhaltensmerkmale assozieren. Beispielsweise erwartet man von Arabella, daß sie immer mit Rat und Tat zur Seite steht, daß sie immer modern gekleidet und gut aufgelegt die Show moderiert. In Wirklichkeit stammen diese Erwartungen nicht vom Publikum selbst, sondern sind von den Schöpfern der Talkshows auf die Zuseher projiziert worden. Man spricht in diesem Fall von Erwartungs-Erwartungen.

Hier kann man nun erkennen, daß für die Moderatoren eine schauspielerische Rolle kreiert und auf die Erwartungen der potentiellen Zuseher zugeschnitten ist, welche die eigentlich aber von den Produzenten selbst den Fernsehkonsumenten auferlegt wurde. Diese Erwartungen an den Zuseher sind nun so ausgelegt, daß diese genau die Geschlechtsmerkmale reflektieren, die von diesem Geschlecht erwartet werden.

Gesamteindruck der untersuchten Talkshows

Arabella wirkt wie eine leicht schrille Ratgeberin, die um das Seelenwohl jedes einzelnen Gastes besorgt ist, aber sich andererseits über jedes intime Geständnis ihrer Gäste freut.

Ilona Christen wirkt unserer Meinung nach ein wenig unterkühlt. Wahrscheinlich sind wir die Gefühlsregungen von Arabella schon so gewohnt und finden im Vergleich dazu Ilona Christen sehr distanziert. Sie unterstreicht ihre Kompetenz bei der Lösung von öffentlichen Problemen gern e durch hinzuziehen von Expertenmeinungen.

Jörg Pilawa ist unserer Meinung nach kein großartiger Schauspieler oder Entertainer. Dies ist wahrscheinlich der Grund, daß wir uns mit diesem Menschen verbunden fühlen und uns mit ihm identifizieren können. Er ist eine Person wie du und ich und wirkt dadurch natürlich. Sein Publikum behandelt er sehr herzlich und entgegenkommend. Er hat es sich außerdem zur Gewohnheit gemacht, Stammgäste persönlich zu begrüßen.

Eine Überfüllung des Talk-Marktes fürchten weder die TV-Macher - noch die heimische Psychotherapeutin Rotraud Perner: ,,Talkshows befriedigen das Kommunikationsbedürfnis der Menschen. In den Talks wird die fehlende Kommunikation in den Familien ausgeglichen! Das ist auch das Geheimnis des Erfolgs dieser Shows!".

Erläuterung zu den gezeigten Videoausschnitten:

Fuchs, Frühwirth,

[...]


1 (c) Meyers Lexikonverlag.

2,,Ersatz-Familie Talkshow", Rotraud A. Perner

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Kommunikation in Talkshows
Note
3
Autor
Jahr
2000
Seiten
14
Katalognummer
V97842
ISBN (eBook)
9783638962933
Dateigröße
441 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kommunikation, Talkshows
Arbeit zitieren
Philipp Czaika (Autor:in), 2000, Kommunikation in Talkshows, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97842

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Kommunikation in Talkshows



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden