Der Raum- und Zeitbegriff bei Kant


Seminararbeit, 1999

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung – Der Kantische Raum

2. Die metaphysische Erörterung

3. Die transzendentale Erörterung

4. Schlüsse aus dem obigen nach Kant

5. Der Raum aus heutiger Sicht

6. Die Kantische Zeit
6.1. Die metaphysische Erörterung
6.2. Die transzendentale Erörterung
6.3. Schlüsse aus obigen Begriffen

7. Schluß

Literaturverzeichnis

1. Einleitung – Der Kantische Raum

In dieser Arbeit soll der Raumbegriff Kants erläutert werden. Hierzu dient der Abschnitt „von dem Raume“ der „transzendentalen Ästhetik“ aus der „Kritik der reinen Vernunft“. Zuerst möchte ich versuchen Kants Sichtweise der Dinge darzulegen und diese dann auch kritisch zu durchleuchten. Und zu prüfen.

Unter dem Begriff Raum läßt sich vielerlei verstehen, so zum Beispiel auch bei Kant, der hier vor allem den Raum als Anschauungsform behandelt. Für Kant geht es im Wesentlichen dabei um das Problem der Erkenntnis. Wodurch erlangen wir Erkenntnis? Durch Wahrnehmung, die uns durch unsere Sinnlichkeit möglich gemacht wird. Diese Sinnlichkeit benötigt jedoch eine Form, durch die wir die Dinge wahrnehmen, d.h. anschauen können. Hierbei kommen für Kant die Begriffe Raum und Zeit zum Zug. Kant unterteilt seinen Versuch einer Erörterung des Begriffes des Raumes in zwei Teile: die metaphysische und die transzendentale Erörterung.

In der metaphysischen Erörterung versucht der Philosoph den Begriff des Raumes zu erklären, was ihn a priori ausmacht, d.h. welche Eigenschaften dem Raum zukommen. Die transzendentale Erörterung beinhaltet für Kant eine Erklärung eines Begriffes auf transzendentalen Ebene, d.h. als reiner Begriff, der allgemein gültig ist und andere Schlüsse zuläßt. Gliederungstechnisch werde ich versuchen, mich so nahe wie möglich an Kant zu halten. Daher werde ich ebenfalls mit der metaphysischen Erörterung des Begriffs vom Raum beginnen.

2. Die metaphysische Erörterung

In der ersten Erörterung des Raumbegriffs bezieht Kant sich auf vier grundlegende Beweise zur Klärung des Problems.[1]

1. Kant stellt fest, daß die Vorstellung des Raumes schon vor jeder Empfindung vorhanden sein muß, damit wir diese überhaupt wahrnehmen können. "Denn damit gewisse Empfindungen auf etwas außer mich bezogen werden, dazu muß die Vorstellung des Raumes schon zum Grunde liegen“[2] Empfindungen entstehen dadurch, daß wir durch Dinge affiziert werden, die sich irgendwo im Raume, außer an unserem Standpunkt, befinden. Damit wir also überhaupt wahrnehmen können, daß etwas „außer uns“ sich befindet, muß es einen Raum geben, in dem diese Dinge sich vorher befinden, genauer: die Vorstellung von einem Raume muß uns irgendwie gegeben sein. Daraus folgert Kant, daß nicht durch Erscheinungen, die wir im Raume wahrnehmen, eben dessen Vorstellung entstehen kann, sondern daß eben Erscheinungen im Raume nur möglich sind, wenn wir diese Vorstellung schon haben. Die Erscheinungen sind in ihrer Existenz abhängig vom Raum und nicht umgekehrt.

Kant behauptet, daß die Vorstellung vom Raum „nicht aus den Verhältnissen der äußeren Erscheinung durch Erfahrung erborgt sein (kann), sondern diese äußere Erfahrung ist selbst nur durch gedachte Vorstellung allererst möglich.“[3] Hierbei untersucht Kant jedoch nicht, oder kann auch nicht untersuchen, wie wir zu dieser Raumvorstellung kommen. Es ist mit der Erklärung nicht gesagt, daß wir nicht doch die Raumvorstellung mit der ersten Erfahrung, oder Wahrnehmung, die wir machen, in uns aufnehmen, sozusagen eingeimpft bekommen. Denn dann wäre die Raumvorstellung nicht unbedingt vor „jeder“ Erfahrung zugrunde liegend, sondern doch eben ein Begriff der Empirie.[4]

2. Kant bezeichnet die Tatsache, daß etwas nicht durch Erfahrung gewonnen wird, als apriori. Die Vorstellung des Raumes ist für ihn also apriori. Nun geht Kant noch weiter und behauptet, daß diese Vorstellung notwendigerweise apriori sein muß. D.h. der Raum, oder die Vorstellung des Raumes ist zwingend für alle äußeren Erscheinungen. Denn es gibt nichts, kein Ding ohne Raum (wobei es jedoch einen Raum ohne etwas in ihm geben kann), in dem es sein kann.[5] „Der Raum ist eine notwendige Vorstellung a priori, die allen äußeren Erscheinungen zum Grunde liegt.“[6] Also ist der Raum nach Kant „die Bedingung der Möglichkeit der Erscheinungen“[7].

Wir müssen den Raum als Anschauungsform benutzen, denn eine andere Möglichkeit der Wahrnehmung ist uns (bis jetzt) nicht gegeben. Insofern wäre der Raum eine notwendige Vorstellung, die der äußeren Erfahrung voraus geht. Seine Behauptung jedoch, daß „man sich niemals eine Vorstellung davon machen kann, daß kein Raum sei“[8] ist irgendwie nicht ganz nachvollziehbar. Auch Strawson zum Beispiel kritisiert dies mit der Begründung: „Wir können etwa unsere Augen schließen und uns eine monotone Schwärze vorstellen.“[9] Tatsächlich ist es schwer sich zum Beispiel das „Nichts“ vorzustellen. Wenn die Wissenschaft behauptet, das Universum dehne sich in ein „Nichts“ aus, fällt es uns nicht leicht, das zu verstehen, denkt man doch, daß, wenn eine Expansion stattfindet, diese sich in etwas „hineindehen“ muß. Für die Physik heißt das „Nichts“ aber einfach nur „für uns nicht existent“. Wir können das, was hinter dem Ende des Alls sich befindet, nicht wahrnehmen oder etwas darüber wissen, also ist es für uns auch nicht existent. Diese Antwort geht natürlich an dem eigentlichen Problem vorüber. Für die Wissenschaft ist sie jedoch so notwendig, da diese sonst über nichts eindeutige Aussagen machen könnte.

Interessant und erwähnenswert ist möglicherweise die Tatsache, daß Kant sich in seiner Erörterung nur auf die visuelle Erkenntnismöglichkeit beschränkt, wobei dann der Raum als Anschauungsform sicher maßgeblich sein muß.

Daß die Raumvorstellung vor jeder Erfahrung vorhanden sein muß und nicht aposteriori ein kann, begründet Kant (in A) noch mit den Bedingungen der Geometrie. Da alle Sätze der Geometrie und der Mathematik überhaupt rein und unbedingt gelten, d.h. apriori und allgemein gültig sind, muß es auch eine apriori Vorstellung des Raumes geben, in dem diese Sätze ihre apodiktische Beweiskraft erhalten. Denn gäbe es keinen reinen Raumbegiff, „so würden die ersten Grundsätze der mathematischen Bestimmung nichts als Wahrnehmung sein.“[10] Und nicht mehr als allgemein gültig gelten können.

Doch darf man dabei nicht vergessen, daß Kant von dem leeren euklidschen Raum als realem und auch idealem Raum ausging. Der Raum, den die heutige Wissenschaft jedoch zugrunde liegt, ist der physikalische Geschehnisraum Raum, der sich eben von diesem dreidimensionalen euklidschen Raum unterscheidet. So kann man zum Beispiel mathematisch beweisen, daß in diesem physikalischen Geschehnisraum Raum die Winkelsumme 180° überschreitet. So gesehen sind die apodiktischen Gesetze, die Kant als Argumente anführt, nicht mehr haltbar.

[...]


[1] Anm.: Hierbei soll noch erwähnt werden, daß dazu die Ausgabe B benutzt werden wird.

[2] Kant, Immanuel: Kritik der reinen Vernunft. Hamburg. 1956. S. 67. (im Folgenden kurz: Kant: S.)

[3] Ebd.

[4] Anm.: Zur Kritik an dem ersten Argument von Kants Raumerörterung auch Strawson, P.F. Die Grenzen des Sinns: e. Kommentar zu Kants Kritik der reinen Vernunft. Frankfurt a.M. 1992.: „Es ist schwierig, ihm (dem Argument) etwas Zweckentsprechendes zu entnehmen außer der Tautologie, daß wir Gegenstände nicht als räumlich aufeinander bezogen wahrnehmen könnten, wenn wir nicht die Fähigkeit dazu hätten.“ S. 49. Diesem Argument von Strawson muß ich zustimmen, denn das erste Argument Kants bringt eigentlich nichts, was zur wirklichen Klärung des Raumbegriffs hilfreich wäre, als die Tatsache, daß wir nichts tun können, zu dem wir nicht die Fähigkeit haben..

[5] Anm.: Diesem Argument, daß man sich einen Raum ohne Dinge in ihm vorstellen könne, widerspricht zum Beispiel Peter Krausser in seiner Abhandlung: Kants Theorie der Erfahrung und Erfahrungswissenschaft: eine rationale Rekonstruktion. Frankfurt am Main. 1981. S. 42., wo er behauptet: „Die Behauptung (daß man einen Raum ohne Dinge in ihm wahrnehmen könnte) scheint schon phänomenologisch unhaltbar zu sein, weil man es unmöglich findet, sich Raum und Zeit ohne irgendwelche Dinge in ihnen vorzustellen, wenn man dies versucht.“ Diesem muß ich jedoch widersprechen, da ich es nicht nachvollziehen kann, wie Krausser diese Behauptung in irgendeiner Weise beweisen will. Das Werk von Krausser dient jedoch gut als allgemeine Kritik an der „Kritik“.

[6] Kant. S. 67.

[7] Ebd.

[8] Ebd.

[9] Strawson, P.F.: S. 49.

[10] Kant. S. 67.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Der Raum- und Zeitbegriff bei Kant
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Philosophisches Institut)
Veranstaltung
Proseminar: Kants Theorie der Erfahrung
Note
1,0
Autor
Jahr
1999
Seiten
17
Katalognummer
V9780
ISBN (eBook)
9783638163941
ISBN (Buch)
9783638787277
Dateigröße
568 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Raum-, Zeitbegriff, Kant, Proseminar, Kants, Theorie, Erfahrung
Arbeit zitieren
MA Julia Mann (Autor:in), 1999, Der Raum- und Zeitbegriff bei Kant, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/9780

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