Methoden der Sprechwissenschaft: Gesprächsanalyse


Ausarbeitung, 2000

4 Seiten


Leseprobe


Methoden der Sprechwissenschaft: Gesprächsanalyse

Jens Theden

- aus linguistischer Sicht
- Gespräch als Grundeinheit menschlicher Kommunikation; sich über etwas verständigen
- gegenseitiges Anzeigen der Interpretation des Gesagten · Ansatz der GA (Rekonstruktion dieser Interpretation
- Ziel der GA: Prinzipien, nach denen sich Gesprächspartner richten, darstellen
- Analyse nach bestimmten Gesichtspunkten (aus Deppermann 1999):

I. Paraphrase und Handlungsbeschreibung:

- vorläufiges Klarmachen: Worum geht es in der Gesprächspassage? Wer spricht worüber? Wozu dienen die Äusserungen der Gesprächsteilnehmer?

- Welche Art von sprachlicher Handlung wird vollzogen (Frage, Antwort, Stellungnahme, Vorwurf etc.)? Mit welchen Aufgaben oder Anforderungen befassen sich die Interaktanten?

II. Äusserungsgestaltung und Formulierungsdynamik:

- Art und Weise des Sprechens: Welche linguistischen Merkmale kennzeichnen die Äusserungen ? Welche Merkmale und Formen sind besonders auffällig? · Beschreibung des nonvokalen Verhaltens: In welchem Verhältnis stehen vokale und nonvokale Kommunikation?

- Untersuchung der Reihenfolge der Beiträge: Welche Position innerhalb des Beitrags nimmt ein fokales Element ein? Welche besondere Funktion kann diese Position haben?

III. Timing:

- zeitliche Verhältnisse zwischen Äusserungen: Wer spricht wann?
- Sprecherwechsel: Wer folgt auf wen? Wann entsteht Schweigen, wie wird es aufgelöst und interpretiert?

IV. Kontextanalyse:

- Verständnis des Gesagten auf Grund der Gesprächssituation: Was wird als relevanter Kontext aufgerufen? Was geht der fokalen Äusserung bzw. Sequenz voran? An welche Äusserung knüpft die fokale Äusserung an, und welches Verhältnis wird zu ihr hergestellt?

V. Folgeerwartungen:

- Welche Folgeerwartungen sind mit der fokalen Äusserung verbunden? Erlegt sie dem nächsten Sprecher Handlungszwänge auf? Welche Anschlussmöglichkeiten bestehen nach der fokalen Äusserung? Welche Verpflichtungen geht der Sprecher mit seiner Äusserung ein?

VI. Interaktive Konsequenzen:

- Kern der GA, Gesprächsteilnehmer zeigen, wie sie was interpretieren oder verstehen: Vereindeutigen spätere Beitragselemente die Interpretation früherer? Führen sie zu Modifikationen, Korrekturen und Klärungen?

- Wie reagieren folgende Sprecher auf vorangegangene Beiträge? Geben sie zu erkennen, wie sie den Vorgängerbeitrag interpretieren, und wenn ja, welcher Art ist die Interpretation?

- Welchem Interpretationsprinzip, welcher Regel folgt die Reaktion?

- Zeigt der Produzent der fokalen Äusserung an, wie er die Reaktion seiner Gesprächspartner verstanden hat und ob er mit ihr einverstanden ist?

VII. Sequenzmuster und Makroprozesse:

- einzelne Sequenz Gesprächsaufgaben zuordenbar: Mit welchen Teilaktivitäten wird eine Interaktionsaufgabe bearbeitet, was tragen sie zur Aufgabenbewältigung bei? · Welche Funktion hat ein fokales Element jeweils?

- Bildet sich im Gesprächsverlauf eine makroprozessuale Gestalt heraus?

- Analyseziele: ,,Wie" und ,,Wozu" von Gesprächsprinzipien oder -praktiken (Wie und wozu macht der das so oder sagt der das?) Warum und wozu wird gerade in diesem Moment diese Äusserung in dieser Art und Weise gemacht? Zur Lösung welcher (momentaner oder übergeordneter) Aufgaben oder Probleme kann diese Element dienen oder beitragen? Welche Funktionen können sich mit diesem Element verbinden?

Wie bewältigt ein Teilnehmer die Gesprächsaufgabe?

- GA ist Funktionsanalyse: Herstellen von Bezügen und Systematik in den Äusserungen (bzw. dahinterstehenden Prinzipien) und deren Funktionen

- aus sprechwissenschaftlicher Sicht sprechwissenschaftliche Hermeneutik

- Gespräch auf zwei Positionen beruhend, deren Inhaber gemeinsam etwas tun wollen

- Voraussetzung für Gemeinsamkeit: Sinnkonstitution (aus verschiedenen Vorverständnissen)

- Sinn produziert von mind. 2 Individuen durch und in Kommunikation bzw. durch und in Interaktion und Intersubjektivität

- Gespräch besteht aus Sinn produzieren, vermitteln und verstehen · ständiges gegenseitiges Interpretieren

- ,,Sinn ist nicht zu beobachten, sondern zu verstehen." (Geißner 1981, S. 129)

- Ausgangspunkt für sprechwissenschaftliche Hermeneutik: alltägliche Sinnkonstitution nachvollziehen, jedoch mit Methode

- wichtig zu wissen: Hermeneutiker ist zwangsläufig subjektiv

- Begründung: Warum versteht Hermeneutiker so wie er versteht? (· Objektivierung)

GVS

- Instrument zur Gesprächsbeobachtung und -analyse

- soziologischer Hintergrund: Soziogramm von Moreno (kann der GVS-Beobachtung vorausgehen), Gesprächsbeobachtung nach Bales,

- GVS als Grundlage für versch. Interpretationsansätze, universal einsetzbar

- Aufzeichnung von Name, zeitl. Verlauf, verbale Beiträge in Stichpunkten (siehe GVS- Grafik)

- sofortige Auswertung nach Gespräch:

- Auszählen der Gesamtbeiträge (unabhängig von Sprecher) · Aussagen über Beteiligung, Lebhaftigkeit, etc.

- Verteilung der Beiträge auf Einzelne: gleiche Verteilung · gleiche Bemühungen aller Teilnehmer bezugs Aufgabe; ungleichmässige Verteilung · Dominanz · Reihenfolge der Sprecher aufeinander · Beziehungen untereinander (In-Group- Strukturen); Reihenfolge lässt Schlüsse auf evtl. Hierarchien schliessen · Gesprächsbeiträge auf Zeitabschnitte: Wer hat wann wieviel gesprochen? Wer beginnt das Gespräch? Wer beendet es?

- vielfältige weitere Möglichkeiten der Auswertung und Erweiterung des GVS (als Grundlage und Ansatzpunkt der GA)

- direkt nach Gespräch erst Vorauswertung und Vorinterpretation, dann Auswertung und

Besprechen mit gesamter Gruppe: Was kann man daraus lesen? Bieten von

Interpretationsmöglichkeiten, Kopplung mit Feedback, empfohlenes Schema:

- GVS sagt / zeigt Folgendes: ...

- Was sagt die Gruppe dazu?

- Was sagen Sie als Betroffener dazu? · Wollen Sie das verändern?

- Wie wollen Sie das verändern? · Wie kann die Gruppe helfen? · Wie kann ich helfen?

- mögliche Erweiterungen: gewählten Leiter hervorheben, nonverbale Kommunikation, Sitzordnung, Blickkontakte, Anhäufungen oder Wiederholungen bestimmter Verhaltensweisen

- immer nur subjektive Beobachtung möglich, jedoch wird diese durch Auswertung in Gruppe relativiert

- Fazit

- linguistischer Schwerpunkt vor allen auf Rekonstruktion der Gesprächsprinzipien bzw. - praktiken, sprechwisschenschaftlicher auf Sinnerfassung und -interpretation (GVS zielt primär auf Rollenverhalten)

- Kenntnis der linguistisch ausgerichteten Analyse und ihrer Methoden kann

sprechwissenschaftliche bereichern (verschmelzen und Ergänzung von Aufmerksamkeit auf Sprache und Aufmerksamkeit auf Sinnkonstition / linguistische Aspekte als Basis der sprechwissenschaftlichen Analyse)

Ende der Leseprobe aus 4 Seiten

Details

Titel
Methoden der Sprechwissenschaft: Gesprächsanalyse
Hochschule
Universität Koblenz-Landau
Autor
Jahr
2000
Seiten
4
Katalognummer
V97686
ISBN (eBook)
9783638961387
Dateigröße
396 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Methoden, Sprechwissenschaft, Gesprächsanalyse
Arbeit zitieren
Jens Theden (Autor:in), 2000, Methoden der Sprechwissenschaft: Gesprächsanalyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97686

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