Koedukation im Fußballunterricht


Seminararbeit, 2000

8 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Allgemeines über Koedukation(-sprobleme)

II. Spezielle Koedukationsprobleme beim Fußball

III. Der koedukative Sportunterricht (Fußball)

IV. Konkretes Unterrichtskonzept (Praxisteil)

V. Skizzen zum Praxisteil

VI. Literaturhinweise

I. Allgemeines über Koedukation(-sprobleme)

Es gibt unterschiedliche Interessen in den verschiedenen Schularten, aber auch geschlechtsspezifisch. Die Lehrpläne scheinen darauf wohl nicht einzugehen, denn die meisten Sportarten sind einem leistungs- und konkurrenzorientierten Sportstil verpflichtet.

Man unterscheidet Sportarten in drei Gruppen:

1) ,,aggressive" mit Wettkampfcharakter (Fußball, Judo, Hockey)
2) ,,gezügelte" mit gezüg. Wettkampfcharakter (Volleyball, Rückschlagspiele, Leichtathletik, Tanzen)
3) ohne Wettkampfcharakter (Wandern, Gymnastik, Jogging...)

Beliebt sind bei Mädchen/Frauen (durch die unterschiedliche Sozialisation beeinflußt) eher Sportarten ohne Konkurrenz- und Wettkampfcharakter, und so wird auch gefordert, diese anstelle der ,,klassischen" Schulsportarten in den Lehrplan aufzunehmen, also eher gruppen- und interaktionsorientiert, mit motorischen Minimalqualifikationen, zu betreiben.

Aufgrund des bewegungsärmeren Freizeitverhaltens sind koordinative Fähigkeiten bei Mädchen und Frauen oft schlechter ausgebildet.

Dies hat mit der Sozialisation unserer Gesellschaft zu tun, die noch immer Mädchen und Jungs unterschiedlich erzieht und ansieht. Die Gleichberechtigung im Unterbewußtsein ist noch nicht so fortgeschritten, wie man es sich erhofft.

Tatsache ist, daß Jungs oft aktiver und lebendiger sind als Mädchen, dadurch mehr Aufmerksamkeit erlangen und bei Wortmeldungen zu ca. 2/3 drangenommen werden. Die Lebhaftigkeit liegt allerdings nicht an ihrer ,,Natur", sondern an der Sozialisation, die sie erfahren haben. Mädchen spielen ebenfalls ,,die Rolle, die ihnen zukommt": Sie sind ruhiger, vernünftiger und fleißiger.

Ist ein Mädchen gut in der Schule, heißt es, es wäre fleißig, ist es schlecht, dann wäre es dumm, während der Junge entweder intelligent oder faul sein kann.

Während viele Eltern ihrem Sohn in der früher Kindheit einen Ball zum Spielen geben, wird die Tochter mit etwas anderem vertröstet, mit dem es sozusagen ,,ruhig gestellt" wird (Puppe, Sprungseil...). Ein nerviger Sohn reicht schließlich.

Unterschiedliche Bewegungserfahrungen bei Jungs und Mädels differenzieren entscheidend und führen bei verstärkt beschränkt denkenden Menschen zu dem Vorurteil, Mädchen wären ,,von Natur aus" unsportlicher und unfähiger als Jungs.

Speziell bei den Hauptschülerinnen zeigt sich ein deutliches Desinteresse am Sport, aufgrund der negativen Geschlechtsrollensozialisation und der Herkunft aus sportfernen sozialen Gruppen. Das dominierende Frauenleitbild (der großen, schlanken Frau) wirkt sich zusätzlich negativ auf die Sportbereitschaft aus.

Bei einer Befragung lehnte die Mehrzahl der Hauptschülerinnen den koedukativen Unterricht ab, ¼ war für begrenzt koedukativ.

Mädchen sind oftmals benachteiligt im außerschulischen Sport, weil

1) sie in der Freizeit oft zweckgerichteter eingesetzt werden (einkaufen, aufpassen), dadurch kleinerer Erkundungsraum,
2) ,,kein Geld" für teure Ausrüstung für ein Mädchen ausgegeben wird, das einen ,,Jungensport" ausüben und erlernen möchte,
3) dem Mädchen weniger Freizeit zum Spielen gewährt wird (Haushalt, aufpassen).

II. Spezielle Koedukationsprobleme beim Fußball

Die fußballspezifischen Vorerfahrungen sind bei Mädels weniger entwickelt als bei Jungs, die im Gegensatz zu ihnen öfter auf der Straße kicken (pauschal gesagt).

Daraus entstehen veränderte Aufgabenstellungen für einen koedukativen Unterricht.

Mädels sind zumeist unerfahren im Spielen des Balles, schätzen Richtung, Geschwindigkeit und Flugbahn des Balles falsch ein, fürchten sich, in den Boden zu kicken und haben Scheu vor der Auseinandersetzung mit dem Gegenspieler um den Ballbesitz.

Das Hauptproblem beim Fußball besteht in der Bewältigung kognitiver und motorischer Mehrfachaufgaben: Verhalten am Ball, Zeit- und Raumwahrnehmung, Verhalten gegenüber Mit- und Gegenspielern.

Die kognitiven Prozesse bestehen aus internen Verarbeitungsprozessen wie Wahrnehmen, Verarbeiten, Entscheiden, Verrichten und Kontrollieren.

Die motorischen Prozesse werden unterteilt in geschlossene und offene Fertigkeiten (angewandte Technik und Spontanentscheidungen).

Bei unvollkommen entwickelten Fertigkeiten ruht die Aufmerksamkeit zu sehr auf dem Ball anstatt auf der Umwelt (Raum, Mitspieler, Gegenspieler, Situationen).

Das liegt daran, daß die Spielidee des Fußballspiels zu komplex ist und den Anfänger überfordert. Dem kann man durch Sonderregeln oder vereinfachte Spielsituationen zuvorkommen.

Es gilt, Ideen für Spiele zu entwickeln, die das Aggressive beim Fußball hemmen und das Zusammenspiel fördern.

Das Sozialverhalten muß von Anfang an als wichtiges Ziel klargestellt werden.

Die Grundidee des Fußballspieles ist und bleibt jedoch wettkampforientiert, und deshalb wird oft eine Mischform (erst üben, dann zur Belohnung spielen) abgelehnt.

Gefordert werden für den Schulunterricht Sportarten, die ebenso zu Koordination, Muskelaufbau und Ausdauer führen, allerdings durch ein Miteinander und mit raschen Leistungsfortschritten (durch motorische Minimalqualifikationen).

III. Der koedukative Sportunterricht (im Fußball)

Um einen intensiven Einbezug der Mädchen zu erreichen, müssen Sonderregeln vereinbart werden; besser nicht nebenbei. Zum einen müssen die Jungs motiviert werden, die Mädels anzuspielen, zum anderen die Mädels, mitzuspielen.

Dies erreicht man, durch Sonderregeln wie:

1) Mädchentore zählen x-fach
2) Pässe und Schüsse nur in Knie- oder Bauchhöhe
3) nur Innenseitstöße erlaubt
4) begrenzte Anzahl von Ballkontakten für Jungs
5) abwechselnd (Junge und Mädchen)
6) Jungs behindern: Hände auf Rücken, Augen verbinden, Barfuß, Hals brechen...

Ziele für den Schulsportunterricht, die im Fußballunterricht umgesetzt werden können:

- allgem. körperliche Ertüchtigung
- Initiieren und Erhalten von Freude am Sport
- Motivation zum Erlernen einer Sportart
- Motivation zum Vereinssport/Freizeitsport
- Mitgestaltung
- Erlernen sozialen Gruppenverhaltens

Während im Verein der Wettkampfcharakter vorherrscht, sind im Freizeitsport die sozialen Kontakte und die gemeinsame Aktivität wichtig.

Der Schulsport soll seine Ziele irgendwo dazwischen verfestigen.

Wichtigstes Ziel ist die Vermittlung von Handlungskompetenz.

Als Einführung in die Sportspiele wird ein Modell vorgeschlagen, daß für alle Schußspiele geeignet ist (finde ich eher langweilig...).

Motivierende Einstiege in den Fußballsport durch kleinere Turnier- und Torschußspiele wirken sich auf ,, das zarte Geschlecht" eher negativ aus, weil hier dynamisches Schießen und Treffgenauigkeit gefragt sind.

Es bietet sich demnach an, leichtere, Volleybälle, zu nehmen und in der ebenen Halle, in der der Ball nicht so weit wegspringen kann, zu spielen.

Hier zeigt es sich, daß man nicht nur geschlechtsspezifisch, sondern auch nach dem Alter vorgehen muß.

Hat man 12jährige, dann kann man zur Ballgewöhnung Übungen einschieben.

Bei Älteren sollte aus dem Spiel heraus erkannt werden, was zu üben ist.

Hier sollte man danach gehen, zum einen individuell zu korrigieren, wenn vereinzelt technische Fehler auftreten, zum anderen gemeinschaftlich, wenn die Mehrheit Probleme hat.

Ausgewogener Kompromiß zwischen Spiel und Übung:

Im Fußball gibt es zwar keine Schritt-, Zeit- oder Ausführungsregeln, was den Spielfluß begünstigt, aber trotzdem sind Einführungsübungen angebracht, um ein Ballgefühl zu entwickeln, technomotorische Kenntnisse zu vermitteln und die Lust am Spiel zu wecken.

Gegen das Erlernen im Spiel spricht, daß bei 11:11 (im Profisport) jeder Spieler nur ca. 40-90 Ballkontakte hat.

Außerdem ist ein sehr wichtiges Ziel im koedukativen Unterricht, ein gemeinsames Spiel zu entwickeln, in dem die Mädchen voll integriert sind.

Die spielerische Handlungsfähigkeit bezieht sich auf die Leistungsebenen 1)Kondition

2)technomotorische Fertigkeit 3)taktische Fähigkeit 4)kognitive Kompetenz

5)Interaktionskompetenz 6)emotional-affektive Kompetenz.

Zu 2) In zunehmend spielnahen und komplexen Situationen und im Spiel (Innenseitstoß, Ballkontrolle, Ballführung, Spannstöße)

Zu 3) Verhalten in Abwehr und Angriff

Zu 4) Beschreiben und Erklären von (2), Kennen von (3), Verständnis für und Begründen von Regeln (auch eigenen), FB wettk. und kooperativ orientiert

Zu 5) gesch.hetero. Mannsch., Integr. von Schwachen, Rollen unabh. vom Geschl.

Zu 6) pos. Einstellung, Aushalten von Spannungen

Während die Spielfähigkeit im Fußball eher das motorische Handeln betont, betont der koedukative Unterricht eher das kommunikative Handeln (Interaktionen, Kenntnisvermittlung, Konfliktbewältigung).

Der Lehrer muß Situationen schaffen, in denen eine bewußte Problemverarbeitung stattfinden kann. Ebenso muß er den Wettkampfcharakter des Fußballs geschickt eindämmen, ein ,,gemeinsames" Spiel provozieren, auf das Sozialverhalten als Lehrziel eingehen und sich an der Koedukation orientieren.

Die Schülerselbständigkeit ist zu entwickeln.

So sollen die Schüler selbständig ihre Gruppen bilden (durch Wahl: zunächst ein Geschlecht, dann das andere), die Rollen verteilen, Schiedsrichter und Trainerrollen übernehmen und sich auf Spiel- und Sonderregeln einigen.

Es soll Solidarität und Kooperation innerhalb der Mannschaften und zwischen den Geschlechtern entwickelt werden.

Anstelle des typischen Wettkampfcharakters soll das Miteinanderspielen (Zusammenspiel in der Mannschaft) im Vordergrund stehen.

Nicht zu vermeiden: Wettkampf zwischen den Mannschaften. Er soll auch erhalten bleiben, jedoch soll eine Problematisierung des Wettkampfgedankens stattfinden, die dazu führen soll, den Sinn des Miteinanderspielens zu verstehen.

Für den Unterricht zusätzlich zu bedenken:

- Aufzustellende Regeln: Spielbeginn, Ball im Spiel, Torerfolg, Handspiel, Foulspiel.
- Spielreihe mit Übungsreihe als ergänzendes Element. Dabei sollte die Spielreihe aus mind. zwei Toren bestehen.
- In den Übungsreihen sollte eine selbständige Differenzierung zugelassen sein, und bessere Spieler sollten Trainerfunktionen übernehmen.
- Unterrichtsgespräche sollen Spannungen abbauen.

IV. Konkretes Unterrichtskonzept (Praxisteil)

Insgesamt kann man generell sagen, daß man beim koedukativen Fußballunterricht eine leistungsheterogene Ausgangssituation hat.

Der Unterricht ist demnach so zu gestalten, daß die schwächere Gruppierung, die zumeist aus Mädchen besteht, ebenso Förderung erhält wie die stärkere, die sich nicht langweilen darf.

Als Einführung, um Streß und Angst vor dem Fußballsport abzubauen und sich an ihn zu gewöhnen, empfehlen sich zunächst Ballübungen:

- Ball nach oben spielen (mit Variationen: 1. mit auffangen, 2. aufprellen, 3. zum Partner).

Hier fehlen zunächst die direkte Auseinandersetzung um den Ball, der direkte Schuß, der Ball wird nicht auf dem Boden geschossen, und das Einschätzen von Flugrichtung und -kurve wird vereinfacht.

- Erweiterung: Fußballtennis

Man markiert mit Hütchen ein Feld (ca. 4m x 6m) und seine Mittellinie.

Verschiedene Variationen: 1:1 oder 2:2, mit oder ohne aufprellen, mit oder ohne Netz, beschränkte Ballkontakte... Es erfolgt ein Geschicklichkeit erforderndes Spiel mit gezügeltem Wettkampfcharakter, wobei man den durch die Regelung ,,reguläre Ballwechsel zählen" ebenfalls neutralisieren kann.

- Danach folgen das Annehmen und flache Weiterspielen rollender Bälle.

Anfangs sollen direkte Auseinandersetzungen, Torwartspiel und der gezielte Torschuß vermieden werden, damit nicht negative Erfahrungen durch schmerzhafte Gegnerkontakte oder Unvermögen entstehen, die zu Abneigungen zum Sport führen.

- Eine Spielidee ist das Hypnosespiel.

Es stellt die Situation ,,Angreifer gegen herauslaufenden Torwart" dar und funktioniert folgendermaßen: Sobald der Ball über die Mittellinie zu einem angreifenden Mitspieler gepaßt wurde, müssen alle Verteidiger (außer Torwart), die sich in ihrer eigenen Spielhälfte befinden, für 5 sec stillstehen (setzen).

Die Gegenspieler auf der gegnerischen Spielhälfte dürfen zurück, um zu verteidigen, dadurch wird ein schneller Angriff provoziert.

Das Spiel ist für den Unterricht mit leistungsschwächeren Schülern empfehlenswert, weil die Torabschlußsituation stark vereinfacht wird und trotzdem noch der Wettkampfcharakter vorherrscht. Zur Motivation: pädagogisch wertvoll...

- Das Zonenspiel (3 Varianten: 1. strikte Zuteilung, 2. gleichbleibende Anzahl, 3. Aufrücken um höchstens eine Zone)

Im Zonenspiel wird der Raum in drei Drittel eingeteilt, denen Spieler zugeteilt werden. Z.B. Torwart, zwei Spieler hinten, einer im Mittelfeld, zwei vorne.

Es vereinfacht das Spiel, weil keine Ballung um den Ball entsteht, man direkt und früh passen muß und man meistens nur einem Gegenspieler gegenübersteht.

Man hat einen besseren Überblick und kann besser mannschaftsorientiert spielen.

Literaturhinweise:

- ,,Gabi ins Spiel bringen" von Gerhard Harder; aus: Praxis im Blickpunkt, Heft ?, S.47 bis 49
- ,,Konzeption eines koedukativen Fußballunterrichts für die Jahrgangsstufen 5 und 6" von Willi Breuer; aus Sportunterricht 35 (1986), Heft 3, S.102 bis 106
- ,,Möglichkeiten zur Reduzierung komplexer Sportspielhandlungen: Fünf Lehrgangsprinzipien - dargestellt am Thema Fußball" von Werner Schmidt; aus: Lehrhilfen für den Sportunterricht 36 (1987), Heft 6, S.87 bis 91
- ,,Schulsport und Sportsozialisation von Hauptschülerinnen" von Christa Kleindienst-Cachay; aus: Sportunterricht 40 (1991), Heft 6, S.205 bis 215
- ,,Integrative Sportspielvermittlung am Beispiel der Zielschußspiele" von Michael Hönl und Freunde; aus: Sportunterricht 41 (1992), Heft 9, S. 361 bis 371
- ,,Zum Wandel der Kindheit vom Ausgang des Mittelalters bis an die Schwelle des 20. Jahrhunderts" (1993) von Karl Neumann; aus ,,Handbuch der Kindheitsforschung" von Manfred Markefka und Bernhard Nauck; S.191 bis 205
- ,,Geschlecht" (1992) von Hannelore Bublitz; aus: ,,Einführung in Hauptbegriffe der Soziologie" von Hermann Korte und Bernhard Schäfers; S.59 bis 78
- ,,Sozialisation: Weiblich - männlich?" (1984) von Carol Hagemann-White; aus: ,,Einf. in Hauptbeg. der Soz."; 1. und 2. Kapitel

Ende der Leseprobe aus 8 Seiten

Details

Titel
Koedukation im Fußballunterricht
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Autor
Jahr
2000
Seiten
8
Katalognummer
V97578
ISBN (eBook)
9783638960304
Dateigröße
378 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Koedukation, Fußballunterricht
Arbeit zitieren
Emil Franzinelli (Autor:in), 2000, Koedukation im Fußballunterricht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97578

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