Über Anreizsysteme zur Incentivierung von ethischem Verhalten im Unternehmen

Eine kritische Analyse


Bachelorarbeit, 2019

57 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Bedeutsamkeit von Anreizsystemen und ethischem Verhalten für Unternehmen
2.1 Anreizsysteme im Performancekontext
2.2 Nutzen von ethischem Verhalten für Unternehmen

3 Incentivierung von ethischem Verhalten mithilfe von Anreizsystemen
3.1 Grundlegende Probleme zwischen Anreizsystemen und ethischem Verhalten
3.2 Auswirkungen von materiellen und immateriellen Anreizsystemen auf ethisches Verhalten

4 Mögliche Ansätze zur Förderung von ethischem Verhalten
4.1 Ethisches Klima und ethische Kultur als Treiber ethischen Verhaltens
4.2 Ethischer Verhaltenskodex als Grundlage für ethisches Verhalten

5 Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Konzeptioneller Rahmen der Auswirkungen leistungsabhängiger Anreize

Abb. 2: Ethische Klimatypen

Abkürzungsverzeichnis

Abb. Abbildung

bzw. beziehungsweise

et al. et alii (und andere)

f. folgende (Seite)

d.h. das heißt

S. Seite

usw. und so weiter

vgl. vergleiche

z.B. zum Beispiel

1 Einleitung

Es ist allzu oft in den Nachrichten: Ein Autohersteller betrügt bei Leistungstests, Führungskräfte von Unternehmen verbergen betrügerisch große Verluste, ein Finanzberater verkauft Aktien von nichtexistierenden Unternehmen. Solche Fälle von unethischem Verhalten haben weitreichende Konsequenzen (vgl. Russell et al. 2017, S. 253). Ein bekanntes Beispiel dafür ist der Enron-Skandal. Der Energiekonzern gehörte zu den größten Konzernen der USA. Er wurde fünfmal vom Wirtschaftsmagazin Fortune zum innovativsten Unternehmen Amerikas gekürt und hatte den Ruf eines Musterunternehmens. 2001 verursachte Enron aufgrund von Bilanzfälschungen allerdings einen der größten Unternehmensskandale der USA. Ermittlungen ergaben, dass Enrons Manager unter anderem in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Andersen einen bemerkenswerten Schuldenberg außerhalb der Bilanz verborgen hatten, um den Aktienkurs hoch zu halten. Die Folgen der Insolvenz waren verheerend: Enron hinterließ Schulden in Höhe von 40 Milliarden Dollar, Mitarbeiter verloren ihre Arbeit und ihre Altersversicherung. Kurz darauf gab auch Arthur Andersen seine Insolvenz bekannt (vgl. Cunningham/Harris 2006, S. 29; Downes/Russ 2005, S. 84f.; Healy/Palepu 2003, S. 15f.).

In Anbetracht der Konsequenzen wird die Bedeutsamkeit von ethischem Verhalten im Unternehmen deutlich. Darüber hinaus ist im akademischen Bereich die Verbreitung von Fachzeitschriften wie „Journal of Business Ethics“ und „Business Ethics Quarterly“ ein Zeichen dafür, dass auch die Forschung die Relevanz erkannt hat und dementsprechend ein großes Interesse an diesem Thema hat (vgl. Berrone et al. 2007, S. 35).

Allerdings gestaltet es sich als eine Herausforderung genau zu definieren, was ethisches Verhalten eigentlich ist. Die Versuche zu operationalisieren, was "ethisches" und/oder "unethisches" Verhalten ist, führen häufig zu der Erkenntnis, dass die Begriffe relativ und für subjektive Interpretationen offen sind (vgl. Treviño 1992, S. 122). Eine weitgefasste Definition ist, dass ethisches Verhalten ein individuelles Verhalten darstellt, welches allgemein anerkannten moralischen Verhaltensnormen unterliegt oder nach diesen beurteilt wird (vgl. Treviño et al. 2006, S. 952). Infolgedessen wird unethisches Verhalten als illegales oder moralisch nicht akzeptables Verhalten aus der Sicht der Gesellschaft definiert (vgl. Jones 1991, S. 367). Somit verstößt unethisches Verhalten gegen eine vorgeschriebene Norm, die von der betreffenden Organisation oder Berufsgruppe berücksichtigt wird, von Aufsichtsbehörden vorgeschrieben wird oder in der Gesellschaft weithin anerkannt wird. Beispiele für unethisches Verhalten sind Unehrlichkeit, Machtmissbrauch, Belästigung und unfaires Verhalten gegenüber anderen Menschen (vgl. Russell et al. 2017, S. 254; 265).

Unethisches Verhalten entsteht aus einer Vielzahl an Gründen. Ein Grund kann ein intensiver Wettbewerb sein, verursacht durch beispielsweise die Verknappung natürlicher Ressourcen, einer starken Inflation oder einer sehr hohen Arbeitslosenquote. Dadurch haben Unternehmen Schwierigkeiten, mehrere Ziele zu erreichen und ihre verschiedenen Zielgruppen angemessen zu befriedigen. Wenn dann der Fokus auf dem Endergebnis liegt, kann es passieren, dass von den Mitarbeitern unethische Maßnahmen ergriffen werden (vgl. Hegarty/Sims 1978, S. 456). Eine weitere Ursache kann das Arbeitsumfeld sein, denn Personen, die sich in einem Arbeitsumfeld befinden, in dem sie schlecht behandelt werden, verhalten sich mit höherer Wahrscheinlichkeit unethisch. Mitarbeiter fühlen sich möglicherweise berechtigt, unethisch gegenüber dem Unternehmen zu handeln, falls sie z.B. unterbezahlt und überarbeitet sind, ohne Wertschätzung seitens der Organisation. Des Weiteren haben auch Kollegen und Vorgesetze einen weitreichenden Einfluss, d.h. Personen zeigen öfter unethisches Verhalten, wenn sich die anderen Mitarbeiter oder Vorgesetze ebenfalls regelmäßig unethisch verhalten. Ferner spielen auch individuelle Aspekte eine wichtige Rolle. Menschen mit einer machiavellistischen Persönlichkeit sorgen sich typischerweise nicht um Moral und verhalten sich deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit unethisch (vgl. Jones/Kavanagh 1996, S. 514-520). Außerdem sind Personen, für die Geld einen sehr hohen Stellenwert hat, oftmals bereit alles zu tun was nötig ist, um Profit zu machen. Dabei schrecken sie auch nicht vor unethischen Handlungen zurück (vgl. Tang/Chiu 2003, S. 17-23). Darüber hinaus kann unethisches Verhalten auch aus dem mangelnden Bewusstsein einer Person, dass sie gerade vor einem ethischen Problem steht, entstehen. Andernfalls hat sie vielleicht gute Absichten, handelt aber unüberlegt oder hat tatsächlich unethische Intentionen (vgl. Russell et al. 2017, S. 254).

Insgesamt können die Entstehungsfaktoren von unethischem Verhalten in drei Kategorien eingeteilt werden. Die Erste umfasst organisatorischen Faktoren, wie z.B. das Arbeitsklima. Individuelle Faktoren, wie eine machiavellistische Persönlichkeit, gehören zu der zweiten Kategorie. Die dritte Kategorie beinhaltet problembezogene Faktoren, darunter zählt unter anderem das potenzielle Ausmaß der Folgen (vgl. Brass et al. 1998, S. 16).

Diese verschiedenen Gründe für unethisches Verhalten zeigen wiederum die Vielseitigkeit der Thematik. Schließlich gibt es eine ganze Reihe von Entstehungsfaktoren, auf die ein Unternehmen achten sollte. Im Folgenden wird deshalb untersucht, wie ethisches Verhalten im Unternehmen gefördert werden kann. Eine Option könnten Anreizsysteme sein, denn die sind möglicherweise in der Lage, ethisches Mitarbeiterverhalten zu incentivieren.

Anreizsysteme verbinden Belohnungen (und/oder Bestrafungen) mit der Leistungsbewertung. Im organisatorischen Kontext äußern sich Bestrafungen jedoch häufig dadurch, dass positive Belohnungen fehlen. Es wird dann beispielsweise kein Bonus ausgezahlt oder die Beförderung bleibt aus. Anreize sind von hoher Bedeutung, denn sie legen den Fokus auf das gewünschte Ergebnis und motivieren die Mitarbeiter, ihre Leistungsziele zu erreichen und sogar zu übertreffen (vgl. Merchant/Stede 2017, S. 353). Derartige Anreize lassen sich in monetäre bzw. materielle und immaterielle Anreize unterteilen. Zu den am häufigsten eingesetzten materiellen Anreizen gehören Löhne, Geldprämien, Aktienoptionen und Nebenleistungen. Immaterielle Anreize umfassen in der Regel Lob, Anerkennung und Beförderungen (vgl. James 2000, S. 46f.).

Vor diesem Hintergrund besteht das Ziel dieser Arbeit in einer kritischen Analyse der Eignung von Anreizsystemen zur Incentivierung von ethischem Verhalten im Unternehmen. Darüber hinaus werden alternative Ansätze zur Förderung ethischen Verhaltens untersucht.

Dazu wird zunächst im 2. Kapitel der Nutzen von Anreizsystemen und die Vorteile von ethischem Verhalten für Unternehmen erläutert. Anschließend wird im 3. Kapitel analysiert, ob Anreizsysteme in der Lage sind, ethisches Verhalten zu incentivieren. Dabei wird erst die generelle Problematik zwischen Anreizsystemen und ethischem Verhalten näher betrachtet und daraufhin die Wirkung von Anreizsystemen auf ethisches Verhalten diskutiert. Das 4. Kapitel befasst sich mit weiteren Ansätzen zur Förderung ethischen Verhaltens im Unternehmen, wie die ethische Unternehmenskultur und das ethische Unternehmensklima, sowie Verhaltenskodexe. Abschließend beinhaltet Kapitel 5 ein Fazit, welches die Ergebnisse dieser Arbeit zusammenfasst.

2 Bedeutsamkeit von Anreizsystemen und ethischem Verhalten für Unternehmen

2.1 Anreizsysteme im Performancekontext

Welchen Antrieb haben Menschen, der sie motiviert arbeiten zu gehen? 72% der 1.000 Befragten beantworteten diese Frage mit einer einfachen Antwort: Um Geld zu verdienen (vgl. Statista 2019).

Geld hat daher offensichtlich einen sehr hohen Stellenwert für die meisten Menschen. Monetäre Belohnungen sind allerdings nicht das Einzige, das Mitarbeiter schätzen. Richtig eingesetzt haben auch immaterielle Anreize einen großen Einfluss auf Menschen (vgl. Merchant/Stede 2017, S. 353f.).

Warum Anreizsysteme grundsätzlich im Unternehmen eingesetzt werden, verdeutlicht die Prinzipal-Agent-Theorie. In einer Prinzipal-Agent-Beziehung beauftragt ein Auftraggeber (der Prinzipal) einen Auftragnehmer (den Agenten) damit, eine Leistung in seinem Namen zu erbringen. Der Prinzipal delegiert zu diesem Zweck eine Entscheidungsbefugnis an den Agenten. Wenn beide Parteien in dieser Beziehung Nutzenmaximierer sind, besteht die Gefahr, dass der Agent nicht immer im besten Interesse des Prinzipals handelt. Dem kann der Prinzipal entgegenwirken, indem er angemessene Anreize für den Agenten schafft und damit sicherstellt, dass der Agent auch im Sinne des Prinzipals handelt (vgl. Jensen/Meckling 1976, S.308).

Das Ziel von leistungsabhängigen Anreizen besteht folglich darin, die Eigeninteressen der Mitarbeiter mit den Unternehmenszielen in Einklang zu bringen. Die Anreize ziehen die Aufmerksamkeit der Mitarbeiter auf sich und erinnern sie an die Bedeutung von Kosten, Qualität, Kundenservice und Wachstum. Die bloße Aussage einer Führungskraft, dass z.B. ein guter Kundenservice wichtig ist, kann durchaus Einfluss auf das Verhalten der Mitarbeiter haben. Wenn Mitarbeiter aber beispielsweise Bonuszahlungen für einen guten Kundenservice erhalten, werden sie stärker motiviert sein, sich zu bemühen und wirklich ihren Fokus auf den Kundenservice zu legen. Dementsprechend signalisieren die Belohnungen damit den Mitarbeitern, welche Leistungsbereiche wichtig sind und zeigen ihnen, wo sie sich besonders anstrengen müssen. Dieser Zweck wird auch als Leistungssteuerung bezeichnet. Ein weiterer Zweck ist die Motivierung der Mitarbeiter zu größerer Anstrengungsbereitschaft und erfolgreicherem Abschluss ihrer Aufgaben. Da die meisten Arbeitnehmer leistungsbasierte Anreize sehr schätzen, erfüllen sie zusätzlich noch den Zweck der Anziehung und Bindung von Mitarbeitern (vgl. Merchant/Stede 2017, S.355f.).

Somit erfüllen Anreize verschiedene Zwecke im Unternehmen. Typischerweise werden Anreizsysteme jedoch eingesetzt, um eine Leistungs- bzw. Performancesteigerung bei Mitarbeitern hervorzurufen. Dabei lautet die allgemeine Grundidee bezüglich der Auswirkungen materieller Anreize auf Mitarbeiter, dass Anreize zu mehr Bemühungen, bzw. einem höheren Aufwand und dadurch zu einer verbesserten Performance führen, wie auch Abbildung 1 verdeutlicht. Sie stellt dar, dass dieser positive Zusammenhang durch Faktoren wie beispielsweise die persönlichen Fähigkeiten eines Mitarbeiters oder die Komplexität der Aufgabe beeinflusst werden kann (vgl. Bonner/Sprinkle 2002, S. 303-306).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Konzeptioneller Rahmen der Auswirkungen leistungsabhängiger Anreize (in Anlehnung an: Conceptual framework for the effects of performance-contingent monetary incentives on effort and task performance von Bonner/Sprinkle 2002, S. 304)

Der Aufwand wird in Bezug auf die Richtung, Dauer, Intensität und Strategieentwicklung beeinflusst. Die Richtung des Aufwands bezieht sich auf die Aufgabe oder Aktivität, mit der sich der Mitarbeiter befasst. Anreize erhöhen den Aufwand hinsichtlich der belohnten Aufgabe oder Tätigkeit. Die Dauer des Aufwands bezieht sich auf die Zeitdauer, die ein Mitarbeiter angestrengt an der Aufgabe arbeitet. Diese kann ebenfalls durch Anreize erhöht werden. Außerdem können Anreize die Aufwandsintensität beeinflussen, d.h. wie viel Aufmerksamkeit ein Mitarbeiter einer Aufgabe in einem bestimmten Zeitraum widmet. Anreize können Menschen auch dazu motivieren Fähigkeiten zu erwerben, die für die Ausführung einer Aufgabe erforderlich sind, sodass die zukünftige Performance besser und somit auch die Belohnung höher ist. Dieser Aufwand wird als Strategieentwicklung bezeichnet und besteht aus bewusster Problemlösung, Planung oder Innovation durch die Person, die die Aufgabe ausführt (vgl. Bonner/Sprinkle 2002, S. 306f.).

Persönliche Fähigkeiten können die Auswirkungen der Anreize auf die Performance beeinflussen, wie auch Abbildung 1 verdeutlicht. Dank ihrer Fähigkeiten bewältigen Mitarbeiter beispielsweise neue Aufgaben leichter (vgl. Bhattacharya et al. 2005, S. 634f.). Anreize verlängern bei Mitarbeitern die Dauer des betriebenen Aufwands bei einer Aufgabe, unabhängig von ihren persönlichen Fähigkeiten. Allerdings verbessert sich die Performanceleistung der Mitarbeiter erst dann, wenn sie zusätzlich zu den Anreizen auch die benötigten Fähigkeiten besitzen. Besitzen Mitarbeiter die benötigten Fähigkeiten nicht, verbringen sie zwar aufgrund der Anreize mehr Zeit mit der Aufgabe, können diese aber trotzdem nicht besser erfüllen (vgl. Awasthi/Pratt 1990, S. 806-808). Somit mindern mangelnde Fähigkeiten kurzfristig das positive Verhältnis zwischen Aufwand und Performance. Allerdings führen Anreize auch zu einer Strategieentwicklung, wodurch die Mitarbeiter auf längere Sicht die erforderlichen Fähigkeiten erlernen. Auf diese Weise wird das positive Verhältnis zwischen Anreizen und Performance wiederhergestellt (vgl. Sprinkle 2000, S. 319-321). Darüber hinaus zeigt die Abbildung, dass die persönlichen Fähigkeiten auch einen positiven Einfluss auf den betriebenen Aufwand von Mitarbeitern haben. Mitarbeitern, denen es an Fähigkeiten mangelt, erhöhen ihren Arbeitsaufwand nicht, wenn sie der Ansicht sind, dass eine Steigerung des Aufwands nicht zu Leistungssteigerungen und daraus resultierenden Belohnungen führt (vgl. Bonner/Sprinkle 2002, S. 316).

Ferner kann auch die Komplexität der Aufgabe den Aufwand und die Performance der Mitarbeiter beeinflussen (siehe Abb. 1). Diese Komplexität wird durch eine hohe Informationsmenge, Diversität oder Änderungsrate charakterisiert, wodurch erhöhte kognitive Anforderungen an den Mitarbeiter gestellt werden. Dementsprechend sind komplexe Aufgaben oft schlecht strukturiert, umfangreich und schwierig (vgl. Campbell 1988, S. 43-45). Die aus einer hohen Aufgabenkomplexität resultierenden Anforderungen an den Mitarbeiter können zu einer Überlastung führen, wodurch sich die Performance verschlechtert. Nur wenn der Mitarbeiter eine hohes Maß an Fähigkeiten besitzt, können damit die negativen Auswirkungen auf die Leistung vermindert werden (vgl. Wood 1986, S. 79f.). Im Allgemeinen verschlechtert die Komplexität der Aufgaben jedoch den positiven Effekt von Anreizen, indem entweder das Anreiz-Aufwand-Verhältnis oder das Aufwand-Performance-Verhältnis negativ beeinflusst wird (vgl. Bonner/Sprinkle 2002, S. 321).

Darüber hinaus können Anreize nicht nur auf einzelne Mitarbeiter, sondern auch auf Gruppen ausgerichtet sein. Individuelle und teambasierte Anreize wirken sich positiv auf die Performance der Mitarbeiter aus. Allerdings hängt die Wirkung von teambasierten Anreizen von der Teamgröße ab. Je mehr Mitglieder ein Team umfasst, desto geringer wirken sich Teamanreize auf die Performance aus. Jedoch kann der Effekt der Teamanreize erhöht werden, wenn diese gerecht an die Mitglieder verteilt werden und nicht für alle identisch sind. Dann kann die Wirkung von Teamanreizen sogar höher sein als die von individuellen Anreizen (vgl. Garbers/Konradt 2014, S. 115-119). Stehen die Belohnungen für die Teammitglieder im Verhältnis zur Teamleistung und nicht zur individuellen Leistung, kann dies zur Folge haben, dass manche Teammitglieder sich weniger anstrengen. Das heißt, Einzelpersonen können Belohnungen erhalten, die in keinem Verhältnis zu ihren Bemühungen stehen (vgl. Jones 1995, S. 411).

Ferner haben neben den klassischen materiellen Anreizen auch immaterielle Anreize einen großen Einfluss auf die Mitarbeiter. Diese können sehr motivierend für die Arbeit sein, da sie die Fähigkeiten der Arbeitnehmer unterstützen und ihr Interesse an dem Unternehmen erhöhen. Dadurch verstärkt sich die Bindung des Mitarbeiters an sein Unternehmen und seine Arbeitsbereitschaft steigt (vgl. Sorauren 2000, S. 925f.). So ist unter anderem Anerkennung ein kostengünstiger immaterieller Anreiz, der genau wie materielle Anreize zu einer Erhöhung des Aufwands bei Mitarbeitern führen kann (vgl. Bradler et al. 2016, S. 3095).

Die Nutzung von Anreizen zur Veränderung von Verhalten und Motivation der Mitarbeiter wird schon seit vielen Jahren erforscht. Aus der Literatur geht eindeutig hervor, dass materielle und immaterielle Anreize die Performance eines Mitarbeiters tatsächlich steigern können, wenn das Anreizsystem ordnungsgemäß ausgelegt ist (vgl. Pritchard et al. 1988, S. 399).

Anreizsysteme können also von großem Nutzen sein, insbesondere bezogen auf die Performancesteigerung von Mitarbeitern. Folglich haben sie einen hohen Stellenwert für das gesamte Unternehmen. Ein weiterer wichtiger Aspekt, der den Unternehmenserfolg stark beeinflussen kann, ist das ethische Verhalten von Mitarbeitern. Daher werden im folgenden Kapitel die Vorteile von ethischem Mitarbeiterverhalten näher erläutert.

2.2 Nutzen von ethischem Verhalten für Unternehmen

Neben Anreizsystemen spielt auch das ethische Verhalten der Mitarbeiter eine wichtige Rolle für Unternehmen. Der in der Einleitung beschriebene Skandal von Enron und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Anderson hat bereits deutlich gemacht, dass unethisches Verhalten weitreichende Konsequenzen mit hohen Kosten auslösen kann.

Viele dieser durch unethisches Verhalten verursachten Kosten tauchen jedoch weder in einem Geschäftsbericht, in der Bilanz noch in der Gewinn- und Verlustrechnung auf, obwohl sie real sind und im Extremfall dem Unternehmen seine Existenz kosten können. Die Kosten lassen sich in drei Ebenen aufteilen. Ebene 1 umfasst die weniger schädlichen Kosten, die nur selten unterschätzt werden und viel Aufmerksamkeit bekommen. Dazu gehören beispielsweise Geldstrafen und Strafen der Regierung. Die Kosten der Ebene 2 sind in erster Linie administrativer Natur, z.B. Ermittlungskosten oder Anwalts- und Prüfungsgebühren. Obwohl diese vergleichsweise schädlicher sind, erhalten sie weniger Aufmerksamkeit als die Kosten der Ebene 1. Die Kosten der Ebene 3 sind am schädlichsten, werden aber am meisten unterschätzt und bekommen die geringste Aufmerksamkeit. Diese umfassen z.B. den Verlust von Kunden, Mitarbeitern und der Reputation sowie eine verstärkte staatliche Regulierung. Wie der Fall Arthur Andersen verdeutlicht, können die Kosten der Ebene 3 verheerende Folgen haben. Aufgrund des Enron-Skandals war der Ruf des Unternehmens zerstört. Dies beendete die über 100 Jahre alte Firmengeschichte (vgl. Thomas et al. 2004, S. 57-59). Darüber hinaus riskieren auch Vorstandsmitglieder zunehmend hohe Strafen und langjährige Haftstrafen angesichts der schwerwiegenden Schäden, die durch unethisches Verhalten verursacht werden können (vgl. Bamberger 2006, S. 393).

Wenn aber ethisches Verhalten in einem Unternehmen fest etabliert ist, könnten diese Kosten von ethischem Versagen gesenkt werden. Daher liegt ethisches Verhalten letztendlich im finanziellen Interesse des Unternehmens. Außerdem kann es durch eine größere Zufriedenheit der Stakeholder noch positive soziale Konsequenzen schaffen (vgl. Berrone et. al 2007, S. 47-50).

In gewissen Maßen kann ethisches Verhalten jedoch auch Nachteile für eine Organisation bringen. Zum Beispiel könnte ein Umsatzverlust entstehen, wenn sich ein multinationales Unternehmen weigert, ein Bestechungsgeld zu zahlen, um die Branche in einem bestimmten Land zu sichern. Teilweise profitieren Unternehmen auch von unethischen Handlungen. Beispielsweise kann ein Einkäufer eines großen Unternehmens bestochen werden, damit alle benötigten Büromaterialien ausschließlich von einem bestimmten Lieferanten bezogen werden. Solche Gewinne sind jedoch in den meisten Fällen eher kurzfristiger als langfristiger Natur. Daher ist das ethische Verhalten von Mitarbeitern nicht nur mit den vorherrschenden kulturellen Werten vereinbar, sondern auch überaus sinnvoll (vgl. Sims 1992, S. 512). Das unethische Gewinne oft nur kurzfristigen Erfolg bringen, hat schließlich auch das Beispiel von Enron und Arthur Andersen verdeutlicht.

Ein weiterer Vorteil von ethischem Verhalten ist, dass Mitarbeiter von ihren Mitmenschen (Kollegen, Vorgesetzten, Kunden) als vertrauenswürdig wahrgenommen werden, sofern sie sich konsequent ethisch verhalten. Wenn der Vorgesetzte einem Mitarbeiter vertraut, muss er möglicherweise weniger Zeit und Mühe für die Überwachung und Bewertung verwenden. So besteht der Nutzen des ethischen Verhaltens der Wirtschaftsprüfer für eine Prüfungsgesellschaft in geringeren Kontroll- und Überwachungskosten. Für das Unternehmen, welches geprüft wird, ist ein ethisches Verhalten des Wirtschaftsprüfers ebenfalls vorteilhaft, denn es kann einen möglichen Betrug in der Zukunft verhindern. Durch eine effiziente Prüfung werden unethische Verhaltensweisen ermittelt, wie z.B. Veruntreuung, Unterschlagung oder Verwendung des Unternehmensmaterials für persönliche Zwecke, welche in Konflikt mit den Interessen des Unternehmens stehen und direkte Kosten verursachen können, sowie deren wirtschaftlichen Auswirkungen (vgl. Morales-Sánchez et al. 2019, S. 5-7).

Darüber hinaus fühlen Mitarbeiter eine tiefere Verbundenheit gegenüber dem Unternehmen und zeigen mehr Einsatz und Engagement, wenn sie feststellen, dass ihre Kollegen und Manager sich ethisch verhalten. Folglich sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass Mitarbeiter sich für ihre Organisation engagieren, wenn sie erfahren, dass ihre Kollegen und Manager unethisch handeln. Tritt unethisches Verhalten im Unternehmen häufig auf, sind die Mitarbeiter eher damit beschäftigt auf sich selbst aufzupassen, anstatt Einsatz für das Unternehmen zu zeigen (vgl. Fu et al. 2011, S. 541).

Ferner kann sich durch eine ethische Haltung des Unternehmens das Image in der Öffentlichkeit verbessern, wodurch wiederum höhere Umsätze generiert werden. Außerdem haben Mitarbeiter eine höhere Wertschätzung für ihr Unternehmen und sind deshalb bemühter, die Unternehmensziele zu erreichen. Allgemein erhöht sich durch ethisches Verhalten die Arbeitszufriedenheit, ebenso wie die Effizienz aufgrund der verbesserten internen und externen Beziehungen (vgl. Bartlett/Preston 2000, S. 205f.).

Wenn Mitarbeiter sich ethisch verhalten, sind sie zudem auch produktiver, da jeder, der sich mit normwidrigen Tätigkeiten befasst, weniger Zeit für Produktivität hat. Wenn unethische Verhaltensweisen in einer Organisation die Norm sind, wird möglicherweise viel Zeit und Mühe verschwendet, weil Mitarbeiter ihre Energie in unethisches Verhalten investieren anstatt in ihre Arbeit. Sie erbringen keine Leistung und ihre negativen Verhaltensweisen können sich auf andere Mitarbeiter übertragen (vgl. Bruce 1994, S. 242).

Ethisches Führungsverhalten von Vorgesetzen, wie z.B. Respektierung der Würde ihrer Mitarbeiter und Betonung der Bedeutsamkeit ihrer Arbeit für das Unternehmen, kann Mitarbeiter zu innovativem Denken motivieren, sodass sie sich neue Ideen überlegen und diese dann in die Praxis umsetzen. Ethische Führung auf individueller und Gruppenebene hat einen positiven Einfluss auf die intrinsische Motivation, was wiederum das innovative Arbeitsverhalten fördert. Dabei beeinflusst die ethische Führung von Gruppen das innovative Arbeitsverhalten nicht nur durch die individuelle intrinsische Motivation, sondern auch durch die Förderung der intrinsischen Motivation der Gruppe. Außerdem verleiht ethische Führung der Arbeit mehr Bedeutung und der Gruppe mehr Autonomie, wodurch Kooperation und Vertrauen innerhalb der Gruppe gestärkt werden. Dies trägt zu der gemeinsamen Ansicht bei, dass jeder für sein Talent und seine Arbeitsleistung geschätzt wird, was wiederum innovatives Arbeitsverhalten anregt (vgl. Tu/Lu 2013, S. 451f.).

[...]

Ende der Leseprobe aus 57 Seiten

Details

Titel
Über Anreizsysteme zur Incentivierung von ethischem Verhalten im Unternehmen
Untertitel
Eine kritische Analyse
Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Note
1,3
Autor
Jahr
2019
Seiten
57
Katalognummer
V974681
ISBN (eBook)
9783346324085
ISBN (Buch)
9783346324092
Sprache
Deutsch
Schlagworte
ethisches Verhalten, Anreizsysteme, Ethik, ethisches Klima, Mitarbeiter, Unternehmen, Anreize, materiell, immateriell
Arbeit zitieren
Julia Helle (Autor:in), 2019, Über Anreizsysteme zur Incentivierung von ethischem Verhalten im Unternehmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/974681

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