Das Amerikabild des Journalisten Karl Korn, 1957


Seminararbeit, 1998

12 Seiten


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Lebenslauf

3 Analytische Methode

4 Karl Korns Amerikabild
4.1 Industrie und Wirtschaft
4.2 Die amerikanische Mittelschicht
4.3 Religion
4.4 Südstaaten

5 Zusammenfassung

6 Literatur

1 Einleitung

Das Ergebnis einer Reise durch Amerika, die Karl Korn, der Mitherausgeber und Chefredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 1957 unternommen hat, war eine Artikelserie, die später als Buch unter dem Titel Faust ging nach Amerika erschienen ist. Das von ihm konstruierte Bild der USA soll unter Berücksichtigung des Zeitpunkts der Reise, Korns Rolle als Journalist und seiner kulturellen Identität dargestellt und interpretiert werden.

2 Lebenslauf

Geboren wird Karl Korn am 20. Mai 1908 in Wiesbaden. Nach dem Besuch eines humanistischen Gymnasiums, absolviert er in Frankfurt am Main ein Literaturstudium.

1932 betätigt er sich als Lektor an der Faculté des lettres und Lycée de Garcons in Toulouse.

Aufgrund einer Äußerung Korns während eines Vortrages eines französischen Professors über den deutschen Rassismus, muß er 1934 Frankreich verlassen. Korn hatte den Franzosen gegenüber das Bedürfnis, "Die Deutschen als nicht gar so elend dumm und stumpf im Geiste dastehen zu lassen".

Er geht nach Deutschland und nimmt eine Redakteursstelle am Berliner Tageblatt an.

Zu dieser Zeit gilt bereits das Schriftleitergesetz, welches die Presse in den Dienst des nationalsozialistischen Staates zwingt. Das Tageblatt verläßt er 1937.

Die nächste Station seiner journalistischen Tätigkeit ist die Neue Rundschau von Peter Suhrkamp in Berlin.

Von Mai bis Oktober 1940 ist er Feuilletonredakteur bei der neu gegründeten Wochenzeitung Das Reich, der aus Repräsentationsgründen eine größere Freizügigkeit bei der journalistischen Arbeit zugestanden wurde. Aufgrund eines kritischen Artikels über eine große Kunstausstellung, an der besonders Hitler sehr viel lag, wird ihm Berufsverbot erteilt.

Kurz darauf wird Karl Korn zum Wehrdienst einberufen. Bis Kriegsende arbeitet er für das Oberkommando des Heeres in der Abteilung 'Tornisterschriften' 1946 lebt er wieder als Journalist in Berlin, seit 1948 betätigt er sich als Mitherausgeber und Leiter des kulturellen Teils der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

3 Analytische Methode

Der individuelle kognitive Prozeß der selektiven Wahrnehmung ist für die Verarbeitung der Informationsvielfalt in einer komplexen Umwelt unerläßlich. Dieser Prozeß wurde bereits 1922 von Walter Lippmann in seinem Buch "Dieöffentliche Meinung" beschrieben. Die Definitionen, mit denen sich der Betrachter seiner Umwelt nähert, nennt Lippmann Stereotypen. Mit der Hilfe von stereotypen Selbst- und Fremdbildern, kann zum einen die Informationsflut vereinfacht und eingeordnet werden. Zum anderen dienen Stereotype der Beschreibung und Erklärung des eigenen und fremden kulturellen Systems. Mit ihrer Hilfe glauben wir, uns selbst und andere Nationen erklären zu können.

"Meistens schauen wir nicht zuerst und definieren dann, wir definieren erst und schauen dann. In dem großen blühenden, summenden Durcheinander der äußeren Welt wählen wir aus, was unsere Kultur bereits für uns definiert hat, und wir neigen dazu, nur das wahrzunehmen, was wir in der Gestalt ausgewählt haben, die unsere Kultur für uns stereotypisiert hat "Nachricht und Wahrheit sind also streng voneinander zu unterscheiden. Die Realität kann immer nur in einem stark vereinfachten Modell rekonstruiert werden.

Die Kategorien, die Karl Korn zur Beschreibung seiner Beobachtungen benutzt, sind in seinem beruflichen Selbstverständnis als Journalist, sowie in seiner kulturellen Herkunft verankert.

Korns Reisebeschreibungen sind in einem rezipientenorientierten, feuilletonistischen Stil geschrieben. Da der Journalismus darauf angewiesen ist, komplexe Zusammenhänge zu vereinfachen, erklärt sich Korns selektive und vereinfachende Beschreibungsmethode durch sein journalistisches Selbstverständnis. Typen und Verallgemeinerungen dienen im Journalismus derökonomischen Beschreibung von komplexen Sachverhalten und werden in den Konventionen der journalistischen Profession bereitgestellt. Hierzu zählen vor allem die mit den Nachrichtenstereotypen verwandten Nachrichtenfaktoren, die bestimmen, welche Informationen berichtenswert sind.

Ein journalistischer Beitrag würde bei allzu detaillierter Beschreibung schnell erschöpfend für den Rezipienten wirken. Das Beobachtete wird in bereits vorhandene Kategorien eingeordnet, von welchen der Autor ausgeht, daß diese seinen Lesern ein Begriff sind. Korn schreibt für die Leserschaft der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, von der er erwarten kann, daß sie die von ihm benutzten Vereinfachungen versteht, da sie aus demselben kulturellen Umfeld stammt.

Das Deutschland aus dem Korn seine Reise in die USA unternimmt, befindet sich in einer Phase des Wiederaufbaus. Wirtschaft, Technologie, Wissenschaft und Kultur sind in ihrer Entwicklung weit hinter den Vereinigten Staaten zurückgeblieben. Der Unterschied zwischen dem wirtschaftlichen und technologischen Stand der USA und Deutschland ist 1957 um ein vielfaches größer als es heute der Fall ist. Die Vielfalt der neuen Eindrücke und Informationen erfordert um so mehr eine selektive Umweltwahrnehmung. Der Betrachter ist verstärkt darauf angewiesen, Stereotypen als Orientierungshilfen zu benutzen.

Karl Korn ist Deutscher und Europäer. Insofern ist er in seiner Wahrnehmung durch das Wissen um die kulturelle Tradition Deutschlands und Europas beeinflußt.

Die Gewißheit Korns, daß die kulturellen Wurzeln Amerikas in Europa liegen, vereinfacht ihm die Einordnung seiner Eindrücke und ermöglicht ihm direkte Vergleiche zwischen den beiden Kontinenten. Bereits der Titel Faust ging nach Amerika deutet dieses an. Faust, der seinen metaphysischen Drang in Europa nicht ausleben konnte, ging nach Amerika und wandelte ihn dort in einen anderen Schaffensdrang um.

"Der Faust im Europäer erkennt sich selbst, seine Macht, seine Hybris, seine Einsamkeit und Vermessenheit, seinen ungebrochenen Stolz in dem Bild wieder, das der schlimme Auswanderer drüben, jenseits und weit ab von gotischen Studierstuben und engen mittelalterlichen Kämmerchen aufgebaut hat."

Karl Korns Beschreibungen müssen heute auf dem Hintergrund seiner kulturellen Prägung, somit auch der Zeit, in der er schrieb und seines beruflichen Selbstverständnisses dargestellt und interpretiert werden.

Stereotypen haben zum einen die bereits beschriebene Eigenschaft, komplexe Sachverhalte vereinfachen zu können. Als Journalist ist Karl Korn besonders darauf bedacht, die Informationen zum besseren Verständnis der Rezipienten durch kollektiv ähnlich interpretierbare Kategorien zu vermitteln. Zudem dienen Stereotypen der kulturellen Selbstdefinition und Abgrenzung gegenüber anderen kulturellen Systemen. Lippmann schreibt den Stereotypen eine verteidigende, der Selbstachtung dienende Funktion zu.

"Es [ = das Stereotypenmodell, der Verf.] ist die Projektion unseres eigenen Wertbewußtseins, unserer eigenen Stellung und unserer eigenen Rechte auf die Welt. Die Stereotypen sind daher in hohem Grade mit Gefühlen belastet, die ihnen zugehören. Sie sind die Festung unserer Tradition. Hinter ihren Verteidigungsanlagen können wir uns weiterhin in der von uns gehaltenen Stellung sicher fühlen."

Diese konstruierte Wirklichkeit bildet die Grundlage für die Kommunikation zwischen Gesellschaften. Die dabei verwendeten Stereotypenmodelle sind nicht neutral. Ein Betrachter, der die Umwelt in starre Kategorien ordnet, läuft Gefahr, seine Vorurteile letztendlich nur bestätigt zu finden. Die Dissonanz, die entsteht, wenn eine Beobachtung nicht dem Denkschema entspricht , würde als Ausnahme, die die Regel bestätigt, aufgelöst werden. Aufgeschlossenere Beobachter würden die neue Erfahrung in die vorhandene Vorstellung aufnehmen und diese abwandeln.

Aber auch jemand, der vorsichtig und kritisch mit den Fremdbildern umgeht, wird diese nur bei radikal widersprechenden Erfahrungen neu definieren.

"Im äußersten Falle wird er vielleicht, besonders wenn er literarisch gebildet ist, mit Leidenschaftlichkeit den Sittenkanon auf den Kopf stellen und Judas, Benedict Arnold oder Cesare Borgia zum Helden seiner Geschichte machen."

4 Karl Korns Amerikabild

Im folgenden soll anhand von Textbeispielen genauer gezeigt werden, wie das von Karl Korn beschriebene Nationenbild der USA aussieht. Die mir vorliegenden Kapitel werden thematisch getrennt beschrieben. Untersucht wird, welche Vereinfachungen und Stereotypen er nutzt und wie man diese vor seinem kulturellen Hintergrund erklären und bewerten könnte.

4.1 Industrie und Wirtschaft

In "Faust ging nach Amerika" ist Korn zunächst von den technischen und wirtschaftlichen Ausmaßen der amerikanischen Großstädte beeindruckt. Hierzu zählt er die Architektur, die Industrie, die High- und Freeways und die "jüngste amerikanische Revolution", die Aussiedlung von 40 Millionen Menschen in die Suburbs.

Auf der Suche nach einer Erklärung und Einordnung dieser, im Vergleich zu Europa, gigantischen Ausmaße nutzt er einen außergewöhnlichen Vergleich mit der Figur von Goethes Faust.

Die Hypothese lautet, Amerika sei Fausts Land. Faust steht hier für den Drang "übermenschliche" Dinge zu erschaffen. In Europa konnte Faust sich nicht verwirklichen, wurde in der Umsetzung seiner metaphysischen Ideen eingeschränkt. Der Faust, der nach Amerika auswanderte hat seine Ideen in materielle Schaffenskraft umwandeln können. Das amerikanische Wirtschaftswachstum ist also von ihrer Wurzel her europäisch. Die einschränkenden Grenzen Europas sind insofern der Grund, warum die amerikanische im Vergleich zur europäischen Industrie solch "zyklopische Ausmaße" angenommen hat.

"Was er damals mitnahm, als Pittsburgh und Baltimore entstanden, war jene letzte ungeheure Idee, den ehedem metaphysischen Drang in Arbeit zu verwandeln, das heißt in Stahl, Flugzeuge, Raketen, Drugs aller Art,(...). Faust hat, konsequent und radikal wie er immer war, sich drüben selbst aufgegeben. Er ist in den industriellen Prozeß eingegangen, er ist Arbeit, Fabrik, Apparat, Güterstrom geworden."

Der Faust im Europäer erkennt sich angesichts des amerikanischen Superlativs wieder.

Daß die USA in den 50er Jahren auf Korn so gigantisch wirkten, ist durch den tatsächlichen großen Entwicklungsunterschied zu erklären.

Einfache Erklärungen, wie beispielsweise der in der amerikanischen Wirtschaft grundlegende Wirtschaftsliberalismus, scheinen Korns Beobachtungen der industriellen Entwicklung nicht angemessen vermitteln zu können. Korns literarische Bildung als Feuilleton-Redakteur ist sicherlich ein Grund für seine eigenwillige Erklärungsweise dieses Phänomens durch die Figur des Faust. Besonders interessant ist sie, da durch sie mehr als nur das bekannte Stereotyp des superlativen Amerikas bedient wird. Faust dient einerseits zur Vereinfachung und Einordnung dieses beeindruckenden Unterschieds, andererseits impliziert er in der amerikanischen Entwicklung einen europäischen Ursprung.

Korn macht nicht vielleicht die Amerikaner als eigenständige Staatsbürger mit eigener kulturellen Prägung, sondern die europäisch verwurzelte Figur Faust zum Helden dieser Geschichte über das wirtschaftliche und technologische Wachstum der USA. Welche Vorstellung hier zuerst vorhanden war, kann man nicht genau erkennen, jedoch scheint Korn für seine Beobachtungen keine adäquate Erklärung gefunden zu haben, so daß er neue Erfahrungen mit bereits vorhandenen Vorstellungen verknüpft.

4.2 Die amerikanische Mittelschicht

Zudem beschreibt er die Entwicklung der amerikanischen Mittelschicht. Er beschreibt diese einerseits als zunehmend gebildet und gepflegt. In dieser gutsituierten jedoch nicht wirklich reichen und gebildeten Schicht, findet Korn ein "angenehm spirituelles Klima". In seiner Beschreibung überwiegt jedoch eine eher nachdenkliche und skeptische Haltung gegenüber dieser Entwicklung.

Ihm fällt auf, daß sich in diesem Land des Überflusses ein Wertewandel abspielt, der besonders von der neuen Mittelschicht geprägt wird. Die alten Leitlinien, Erfolg, Geld und Geschäft werden von einer neuen Lebensauffassung abgelöst. Diese zielt mehr auf Sicherheit, soziale Anpassung und Muße ab.

"Der Auszug aufs Land in die >Suburbs< nimmt beängstigende Formen an. Sie füllen Galerien und Bibliotheken, sie lesen viel und fischen noch mehr, sie pflegen ihre Gärten, sie malen und besuchen Abendkurse, sie basteln und streichen Häuser, Zäune, Wände und wenn sie sich auf ihren zahllosen Parties auch noch so sehr durch Cocktails stimulieren - (...) -, so sind sie doch dabei, das gesellschaftliche Spiel als Selbstzweck zu entdecken. "

Da dieses Bild der Amerikaner weniger gut in sein Bild der faustschen Lebensweise paßt, stellt Korn die These auf, Faust habe sich in Amerika verändert. Die industriellen Errungenschaften wurden von Amerikanern "vom alten Schlage", jenen die ihn so an den Faust III. erinnern, erschaffen. Die neue soziale Schicht, der "jede Grundierung und Konturierung einstweilen fehlt", diese "partielle Erschlaffung, die sich in >Have a good Time<, in der angedeuteten Hinwendung zum Wochenend, zur Privatheit, zum Lebensspiel äußert", besitzt nicht die Eigenschaften, die seiner Meinung nach Amerika zur stärksten Wirtschaftsmacht der Welt gemacht haben. Zu Korns Überraschung betrachtet der für den Faust stehende Industrielle diese neue Mittelschicht gelassen. Mehr noch, der "unnachahmliche amerikanische Optimismus", ermöglicht es, dieser Entwicklung auch noch etwas Positives abzugewinnen, da sich die neue Mittelschicht neben den negativ beschriebenen Eigenschaften durch große Konsumfreudigkeit auszeichnet.

So kann Faust doch noch zur Beschreibung der Amerikaner dienen. Er hat sich nur wiederum verändert. Wiederum ist er in etwas Großem, der amerikanischen Mittelschicht, aufgegangen. Diese verändert die gesamte traditionelle Gesellschaftsschichtung und das alte Wertesystem.

Fausts "neuste Epiphanie ist die Masse selbst".

4.3 Religion

In dem Kapitel "Jesus - amerikanisch" setzt sich Karl Korn mit der amerikanischen Religion auseinander. Auf dem Gebiet der Religion sieht er sich nicht als professionellen Analytiker; Weder maßt er sich an die amerikanische, noch die europäische Rolle von Religiösität vollständig erfassen zu können.

Seine Herangehensweise, nämlich die beobachteten Phänomene als ein europäisch- amerikanisches Gemisch europäischen Ursprungs zu erklären, bleibt jedoch konstant.

Protestantischen Kirchen des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts, deren angelsächsische "(...) Historie kostümgetreu konserviert ist" zeigen deutlich ihren europäischen Ursprung. Die Kirchen und die Gläubigen würden jedoch eher in ein Europa vor dem Zeitalter der Moderne passen. Eine ausgeprägte Religiösität in dem fortschrittlichsten und modernsten Land der Welt vorzufinden bleibt ihm ein Rätsel. "Der Europäer fühlt sich inmitten der wohlkonservierten Weiße dieser Kirchenräume wie im Museum"

Es ist der Gegensatz von Modernität einerseits, in den USA auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung, und einer ausgeprägten, aus der alten europäischen Tradition umstilisierten Religiösität andererseits, der für ihn das besondere an der amerikanischen Kirche ausmacht. Bei der Betrachtung von Wayfarer´s Chapel, eine bereits durch die Architektur von der europäischen Tradition abweichende Kirche, beschreibt er den Glauben der Amerikaner als "merkwürdige Konservenreligiösität, irgendwann aus europäischem Import kommend".

Das Phänomen der amerikanischen Religiösität wird durch das Aufzeigen der europäischen Wurzeln analysiert. Die nicht kompatiblen Beobachtungen, diejenigen die nicht durch den europäischen Ursprung erklärt werden können, wie der Baustil und die Ausstattung der Kirchen sowie die unzeitgemäße Gläubigkeit, fallen in die Kategorie typisch amerikanisch.

Letztendlich bleibt nur seine Aussage:"Religion gehört zum amerikanischen Leben, wie die Kirche ins Dorf gehörte, als das alte Europa noch das alte war."

4.4 Südstaaten

Karl Korn beschreibt in dem Kapitel "Tochter der Revolution" den Besuch eines alten Plantagenhauses in Louisiana.

Parallelen zu Europa findet Korn in dem Lebensstil der alten Plantagenbesitzer. Die Plantagen sind in ähnlich herrschaftlichem Stil errichtet, wie europäische Schlösser zu feudalistischen Zeiten.

Die Zeiten haben sich jedoch auch in den Südstaaten, in denen nach dem Bürgerkrieg die Sklaverei abgeschafft worden ist, geändert. Das beschriebene Haus ist 1925 zu einem Museum umfunktioniert worden. Die Einrichtung ist den alten Zeiten der Sklavenzeit nachempfunden. Dazu passend beschäftigt die weiße Hausbesitzerin und Museumsbetreiberin eine schwarze Dienerin.

Korn sieht in dieser Rekonstruktion der alten Südstaatenkultur ein Indiz für die amerikanische "Geschichtswütigkeit" Die USA haben eine im Vergleich zu Europa junge Kultur, so daß sich die Amerikaner um so mehr auf die jüngst erlebte Geschichte stützen müssen, um sich eine kulturelle Identität zu erschaffen. Eine negative Bewertung dieses vermeintlichen Mangels an Geschichte und eigener Tradition wird von Korn nicht vorgenommen, Im Gegenteil, er sieht in der jungen Geschichte der Amerikaner die Erklärung für das Traditionsbewußtsein, daß er in den Südstaaten beobachtet.

In der Plantagenbesitzerin sieht er eine traditionsbewußte, "prächtige Amerikanerin", deren offensichtlich rassistisch Ansichten über Schwarze und Weiße er "durch manche Erfahrung gewitzt" zurückhaltend überhört. Das Eintrittsgeld für das Museums, so die Betreiberin, sei nötig, um den Dreck (dust) aus demselben fernzuhalten. Es dient offenbar der Ausgrenzung der schwarzen Bevölkerung, doch nur "voreiliges europäisches Kombinieren würde in dem argen Wort vermutlich den philosophisch unwiderlegbaren Beweis für undemokratisches feudales Denken, einen Atavismus aus Onkel Toms Zeiten, sehen."

Diese, scheinbar europäischen Denkschemata kritisch gegenüberstehende Einstellung, impliziert, daß Korn bemüht ist, offen und kritisch zu beobachten. Es wird ausgesagt, man solle trotz der Äußerung dieser Frau nicht sofort glauben, sie sei eine Anhängerin der unmenschlichen Sklaverei. Unter einem stereotypenorientierten Gesichtspunkt betrachtet, wird deutlich, daß er das Stereotyp des rassistischen Südens verändert hat. Er erklärt ihre Einstellung, indem er die Aussage in den Zusammenhang mit ihrer kulturellen Identität als Tochter der Revolution bringt. Ihr Bemühen, die Tradition der Südstaaten aufrechtzuerhalten, ein für ihn verständliches und positives Streben, ist eine Erweiterung Korns Südstaaten- Schemas. Das nun komplexere Bild der Südstaaten möchte er bei seinen Lesern nicht als einfaches "Südstaaten=Rassismus"-Stereotyp verstanden wissen. Dieses Beispiel zeigt, wie Stereotype durch dissonante Erfahrungen erweitert und verändert werden können.

In Korns Beschreibungen überwiegt jedoch ein anderer Umgang mit den Stereotypen.

In dem Bericht folgt auf die entschuldigenden Erklärungsversuchen für das intolerante Verhalten der Plantagenbesitzerin der Besuch ihrer Enkelin. Die vermeintlich tolerante und offene Herangehensweise bei der Betrachtung der Menschen verschwindet bei der Beschreibung der aus Texas stammenden Enkelin:

"Als das Wort Texas fiel, ging uns ein Licht auf, wer wohl sein Supermobil so rücksichtslos in den Eingang des kleinen Parkplatzes (im Dollar inbegriffen) gestellt haben konnte."

Zwar findet er keine weitere Möglichkeit, die Enkelin mit einer der Implikationen, die mit dem Schema Texas ausgelöst wurden, zu beschreiben, doch illustriert dieses Beispiel, wie Stereotype ohne Zweifel übernommen werden, wenn die Erfahrungen mit den stereotypen Erwartungen übereinstimmen. Denn daß es sich hierbei womöglich ebenfalls um "voreiliges europäisches Kombinieren" handeln könnte, somit eine Veränderung oder Erweiterung des Stereotyps notwendig wäre, erwähnt er nicht. Denkbar wäre, daß sich dieses Stereotyp für die Zukunft verstärkt

5 Zusammenfassung

Das Amerikabild Karl Korns setzt sich aus Bewunderung der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung Amerikas sowie der teilweise skeptischen Betrachtung der amerikanischen Kultur und Gesellschaft zusammen.

Die Beschreibung erfolgt zum großen Teil durch starre stereotypisierte Bilder, die in der europäischen, insbesondere deutschen Kultur verankert sind.

Auffällig ist der vorherrschende Vergleich der amerikanischen und der europäischen Kultur. Erklärungen für viele der Beobachtungen findet er in der europäischen Abstammung der Amerikaner.

Zwar beschreibt er auch Beobachtungen, die mit seinen Erwartungen inkompatibel und nicht durch die europäische Wurzel der USA interpretierbar sind, doch findet er für diese meist keine Erklärung. Sie fallen in die Residualkategorie, die man "typisch amerikanischer Sonderweg" nennen könnte.

In seinen Berichten ist eine Affirmation der bereits vorgeprägten Bilder über die USA vorherrschend. Selten versucht er kritisch mit den vorhandenen Amerikabildern umzugehen.

Da sich Nationenbilder und einzelne Stereotype verändern können, fallen die Vereinfachungen und Reduzierungen heute, vierzig Jahre später, besonders auf. In diesem Sinne möchte ich keine moralische Bewertung des von Korn entworfenen Amerikabildes vornehmen. Sicherlich ist das Amerikabild heute ausdifferenzierter als das von Korn beschriebene, doch sind viele der Stereotypen von 1957 auch noch im heutigen (deutschen) Amerikabild anzutreffen.

6. Literatur

Köhler, Otto. Wir Schreibmaschinentäter-Journalisten unter Hitler und danach. PahlRugenstein Verlag, Köln 1989

Korn, Karl. Faust ging nach Amerika. Walter Verlag, Freiburg i.Breisgau 1958 Korn, Karl. Lange Lehrzeit. Societäts-Verlag, Frankfurt a.M. 1975 Korn, Karl. Über Land und Meer. Societäts-Verlag, Frankfurt a.M. 1977

Lippmann, Walter. Dieöffentliche Meinung (dt.). 1922; Nachdr. Universitätsverlag Brockmeyer, Bochum 1990

Korn, Karl. "Faust ging nach Amerika" (1957). In: Interview mit Amerika. Hg. Alfred Gong, 1962, S.303f

Fischer Lexikon Publizistik Massenkommunikation. Hg. E. Noelle-Neumann (u.a.), Frankfurt a.M., S. 307-337

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Das Amerikabild des Journalisten Karl Korn, 1957
Veranstaltung
Proseminar: USA-Analysen deutscher Publizisten
Autor
Jahr
1998
Seiten
12
Katalognummer
V97460
ISBN (eBook)
9783638959124
Dateigröße
414 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Amerikabild, Journalisten, Karl, Korn, Proseminar, USA-Analysen, Publizisten
Arbeit zitieren
Kasimir Druscher (Autor:in), 1998, Das Amerikabild des Journalisten Karl Korn, 1957, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97460

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