Vorlesung Sturm und Drang


Skript, 2000

26 Seiten


Leseprobe


Sturm und Drang

16.11.1999

- Lyrik: Die Lyrik erhält - speziell durch Hölty, später auch durch Goethe - eine neue poetologische Dimension. Das Gedicht führt vor, wie Lyrik absente Realität projizieren kann.

- Die Projektion vom psychischen Innenraum auf den Außenraum

⇒ Die Projektion nähert sich der Realität an, doch das Bild bleibt von ihr unterscheidbar.

⇒ Die Dichtung bildet auch die noch nicht realisierte Realität ab. Dies geschieht in „freier Erfindung“, die auch als solche erscheint.

⇒ Hieraus resultiert eine neuartige dichterische Leistung!!

- Die dichterische Phantasie kann die spätere Realität abbilden, somit wird der Dichtung eine faktische Realität zugesprochen.

- Die Subjektstruktur steht der Weltstruktur gegenüber:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

- Der Mensch denkt ähnlich wie Gott und kann deshalb die Welt richtig erkennen, da diese ja dem Intellekt Gottes entsprang.

- Die Lyrik entwirft Utopien, die es irgendwann in der Realität geben wird.

- Spezifische Liebesbeziehungen, die sich auszeichnen durchL:

⇒ Tugendhafigkeit der Partnerin

⇒ Kluft in den Subjekten (= Autor)

- starke Erotikbedürfnisse, Wunschträume, deren Erfüllung mit wirklicher Partnerin nicht übereinstimmen würde
- für die Ehe kommt nur eine reine Partnerin in Frage
- vgl. Bürgers Gedicht: „Weiber fliegen dem Mann zu“ vs „Partnerin, der die Kinder durch Blümchen zufliegen“

- Bei Klopstock und Hölty:

⇒ reflektierte Empfindungen

⇒ Das Subjekt erkennt und beschreibt seine Empfindungen

⇒ jede Empfindung ist verbalisierbar

⇒ Das Ich steht in einer minimalen Distanz zu sich selbst.

⇒ Es bleibt eine doppelte Distanz zwischen der Liebesbeziehung und der Art, in der über diese gesprochen wird:

- „reflektiertes Ich“ vs „empfindendes Ich“

- „vorgestellte Realität“ vs „faktische Realität“

- Die Form der Kommunikation schließt den Leser aus:

⇒ S. 3: Die Adressaten sind z.B. eigene Tränen oder Tugenden § Pseudokommunikation

- Der Autor spricht mit sich selbst

- Neu im Göttinger Hain:

⇒ Ein Ansprechpartner existiert nicht.

⇒ Die Anrede ist rein rhetorisch.

⇒ Die Kommunikation ist nicht wirklich, doch kann sie es später werden.

- S. 1: „Die Schiffende“: Das „Ich“ schreibt über eine augenblickliche Situation.

- Das Element des Mondes ist sowohl für GH als auch für den S&D wichtig.1

⇒ Der Mond als Adressat substituiert den fehlenden menschlichen Adressaten. Er wird nie antworten, sondern muß sich die Klagen nur anhören. fi Der Mond tritt nur als Adressat auf, wenn ein Erotikpartner im Gedicht fehlt.

- Aufklärung: Licht Tag Sonne (Rationalität u.

Erkenntnis)

Dunkelheit Nacht keine Sonne (keine Rationalität,

keine Erkenntnis)

- Der Mond fungiert als Zwischenzustand. Er ist äquivalent zu den Empfindungen; ein

Zwischenzustand zwischen Rationalität und Nicht-Rationalität.

Goethes frühe Lyrik:

- Goethe versuchte sich zunächst in der traditionellen Lyrik (Anachreontik). Nach 1770

⇒nden sich Neuansätze.

- S. 8: Anonyme Veröffentlichungen zeugen davon, daß das Autorenbewußtsein zu

dieser Zeit noch nicht ausgeprägt war.2

- Prometheus und Ganymed: Die Hymne wurde 1785 von Jacobi ohne Erlaubnis

veröffentlicht. Sie steht im Kontext mit der Spinoca-Lehre (?).

- Ganymed wurde 1789 veröffentlicht (erhalten in einer Handschrift von Frau von

Stein).

- S. 8: „Maifest“

⇒ Ich-Sprecher.

⇒ Das „Ich“ spricht über die Situation hier und jetzt.

⇒ Das „Ich“ geht in der augenblicklichen Situation auf. fi Minimale Hinweise deuten auf Künftiges hin (V. 32).

⇒ Im Gegensatz zum „Mailied“ von Hölty strebt das „Ich“ nichts an, was über den Augenblick hinaus geht; die momentane Situation ist ausfüllend. fi N E U: Eine neue Zeitstruktur bestimmt: Der gegenwärtige Augenblick ist erfüllt! Seine Überwindung wird nicht gewünscht!! Zuvor war in der Lyrik die gegenwärtige Situation eine Mangelsituation, die überwunden werden mußte.

- Innenperspektive der Erlebenden:

⇒ Bei Hölty werden Empfindungen Dritter (Partnerin; Natur ...) beschrieben; Fokussierung auf andere.

⇒ Bei Goethe

- beherrscht der unmittelbare Ausdruck.

- wird stark auf das Sprecher-Ich fokussiert.

- ist die Wahrnehmung stark subjektiviert.

- Die Außenwelt erscheint nur auf solche Weise, wie sie im Akt des Fühlens wahrgenommen wird.

- Die Innenwelt des Subjekts wird autonom und autark, sie verselbständigt sich.

- N E U: Das Ich teilt sich nicht in ein empfindendes und ein sich beobachtendes (beschreibendes) Ich, sondern bewahrt seine Identität ohne Distanz zu sich selbst.

- Die Distanz, wie sie bei Klopstock und Hölty zu finden war, wird durch das unmittelbare Gefühl ersetzt. Charakteristisch sind Ausrufe mit „wie ...!“, die Hölty fortgeführt hätte. o Das „wie“ substituiert die Beschreibung, es macht nur die spezifische Art und Weise deutlich.

- Das Ausmaß der Empfindung wird nicht verbalisiert.

- In „So wie“-Vergleichen finden sich Reste von Reflektiertheit; eigene Empfindungen werden in jene anderer eingeflochten.

- Es existiert eine implizite Zeitstruktur mit folgender Semantik:

- Frühling Morgen Jugend;

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Hier ist die typische Zeitstruktur (alles Anfangszeiten) erkennbar. In Goethes späterer Lyrik finden sich „Endzeiten“ wie z.B. Abend.

- Wolken Blütendampf Himmelsbett Die Semantik dieser Begriffe liegt im amorph Unstrukturierten, im nicht genau Wahrnehmbaren, im Flüchtigen, im jetzt Augenblicklichen.

- Die Landschaft wird durch elementare Wörter dargestellt; das „Ich“ erlebt unmittelbar.

Immer noch Goethes „Maifest“:

- Die zentrale Weltwahrnehmungskategorie ist das Gefühl.

- Der Oberbegriff all dessen, was wahrgenommen wird, ist die Natur.

- Die Natur gliedert sich auf in:

- Die Situation des Anfangs / des Aufbruchs
- Das nicht genau erkennbare wird wahrgenommen (Wolken, Blütendampf...); die Natur bleibt unscharf

- Das Ich spricht nur zu sich selbst; es muß dritten Personen die Natur nicht erklären.

- „Leere Wörter“ können von jedem aufgefüllt werden; es findet keine Konkretisierung statt.

- Durch pauschal kollektive Zusammenfassungen und Vermeidung von Konkretisierungen kann eine Individualisierung stattfinden.

- Die dargestellte Situation kann umfunktioniert werden.

- Zum Ausdruck kommt eine Einheitserfahrung, eine harmonische Einheit.

- Die zentrale Kategorie ist die Liebe (= oberste Instanz, welche die Natur segnet); sie wird sprachlich personifiziert.

- Alles in der Welt wird von der Liebe gesegnet. Als höchstes Prinzip gilt: Die Liebe ist gottgleich.

- Die Welt ist von der Liebe bestimmt.

- Individuelle Liebe bedeutet, daß sich das Individuum im Einklang mit der Natur befindet, da sie auch von Liebe bestimmt wird.

- In der Goethezeit existieren zwei Naturbegriffe:

- Natura naturata = Produkt
- Natura naturans = das hervorbringende Prinzip

- Die Natur wird positiv bewertet.

- Die Welt ist auf das Glück der Individuen bedacht. Theodizee ist im Text impliziert.

- Die Natur wird nachgeahmt.

- Die Natur wird neu konzipiert: Natürliche Natur.

- Hölty: Die Natur wird in kulturellen Sprachmodellen wahrgenommen.

- Hier wird der Metapher aus Natur scheinbar unmittelbar wahrgenommen.

- Ausgangspunkt ist das Konstrukt eines Urzustandes (Rousseau). Die Kultur wird als Entfremdung, als Entfernung von der Natur (Urzustand) empfunden.

- Im S&D soll im literarischen Werk eine vorkulturelle Welt dargestellt werden. Die Natur soll natürlich dargestellt werden => unmittelbare Wahrnehmung.

- Der Text selbst ist das Lied:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

- Die Literaturproduktion ist nichts Naturfremdes, da die Liebe das Prinzip der Natur ist.
- Der Text ist poetologisch: Sein Thema ist die Liebe; die eigenen Entstehungsbedingungen werden thematisiert.
- Die Innen- und die Außenrealität sind nicht voneinander trennbar.
- Die Literatur bildet die Realität nicht ab, sondern sie schafft sie.
- Die These des Göttinger Haines wird radikalisiert.

- Hier: Die Natürlichkeit der Natur soll durch den Verzicht auf kulturelle Termini (z.B. Park...) zum Ausdruck gebracht werden - im Ggs. zu Hölty. Doch dieses Vorhaben kann nie gelingen, da die Sprache an sich etwas kulturelles ist.

- Mit Klopstock gewinnt die Literatur eine neue Funktion.

- Der Innenrealität muß keine Außenrealität, kann aber.

- Von Hölty bis zum Göttinger Hain (?) erfährt die Empfindung eine zunehmende Individualisierung:

- kulturell präformierte Aspekte
- Empfindungen werden reflektiert
- Individualisierung der Empfindungen
- bei Goethe finden sich schließlich unmittelbare Empfindungen.

- Mimesis des Gegebenen - Mimesis des Absenten

- Goethe unternimmt den Versuch, eine Kunstrealität, eine eigenständige Realität zu schaffen.

- Dargestellt wird der erfüllte Augenblick, von dem gewünscht wird, daß er für immer so bleiben solle.

(Die Biographie ist irrelevant für die Textinterpretation)

- Nach Wünsch gilt: „Erlebnispostulat“ als Textstruktur D.h. der Text ist so geartet, als schildere er ein Erlebnis, doch tut er nur so. Irrelevant ist, ob es eine biographische Entsprechung gibt.

„Erwache Friederike“

- Hier existiert ein expliziter Sprecher („Ich“) sowie eine Adressatin.
- Der Text ist scheinbar nicht für den Leser bestimmt.
- Sprechsituation: Fiktion eines Erlebnisses des Sprechers, als gesprochene Situation dargestellt.
- Der Autor unternimmt den Versuch durchgehender Metrifizierung (größere künstlerische Bearbeitung als beim Mailied).
- Die temporale Situierung läßt eine Präferenz für den Morgen (=> „Jugend“) erkennen.
- „Mein geliebt Geschwister“: Verschiedene Gefühle sind nicht gegeneinander abgrenzbar; verwandtschaftliche und erotische Gefühle gehen ineinander über.
- Weitere Merkmale: Unmittelbares Erleben; implizierte Kunstthematik; Natursprache für naturnahen Ausdruck.

Poetologische Konzepte des S&D - zwei neue Programme:

- Originalität: Ein neues Wertekriterium, das Genie, tritt auf (maßt sich neue Schöpferrolle an).
- Genie ist nicht nach Regeln erlernbar; ein Kennzeichen sind seine Neuschöpfungen.

Prometheus 1773/4

- Das Gedicht weist freie Rhythmen auf.
- Der Titel gibt einen fiktiven Sprecher an: Das Sprecher-Ich ist Prometheus.
- Gott Zeus ist der explizite Adressat.
- Das fiktive Ich kann nicht von einem biographischen Erlebnis sprechen, sondern nur von einem Erlebnispostulat. Scheinbar existiert ein unmittelbarer Ausdruck eines Subjektes, doch nur einen fingierten Subjektes; also handelt es sich nicht um eine Erlebnis des Autors, sondern nur um ein Erlebnispostulat!
- Prometheus spricht dem Gott das Recht der universalen Herrschaft ab, was eine fundamentale Machtbeschränkung bedeutet.
- Bestritten wird auch das Recht auf Verehrung.
- Die Gottheiten leisten nichts für die Menschen => man kann auf sie verzichten (letzte Strophe).
- Es findet eine Verkehrung der Theodizee statt.

30.11.1999

Weiter geht’s mit Prometheus:

- Sich gegenüber stehen die oppositionellen Figuren:

Zeus - Prometheus

Prometheus ordnet Zeus den Himmel und sich selbst die Erde zu.

- Zeus hat die universelle Herrschaft, doch leisten die Gottheiten nichts für den Menschen (Z.55); er kann gut auf sie verzichten.

- Die Theodizee wird negiert => es gibt keine gerechte gottgegebene Weltordnung.

- Die Humanität findet nur im menschlichen Handeln statt.

- Merkmale des Prometheus:

- Er ist ein autonomer Selbsthelfer.

- Im Gegensatz zu der Zeit, in welcher er Kind war, ist er nun losgelöst von jeglicher Autorität. Im Entwicklungsprozeß vom Kind zum Mann ist die Erlangung von Autonomie impliziert.

- Er besitzt die Kraft der Produktivität, die im eigenen Subjekt verankert ist.

- Z.32: Das Herz substituiert die Gottheiten

- Hier sitzen die nichtrationalen Kräfte, die Gefühle. o „glühend“ => Leidenschaft

- Drei Arten von Gefühlen sind hier vereinigt:

1. Das hervorbringende Gefühl.
2. Das anteilnehmende Gefühl.
3. Das empfindende Gefühl.

Die hier dargestellte Totalität der Gefühle (Z.53ff) wird positiv gewertet.

- Zeus wird im Ggs. zum Menschen als gefühllos charakterisiert.

- Die positive Moralität im Herzen machen die Natur des Menschen aus.

- Prometheus erscheint als Kulturbringer und als gottgleicher Schöpfer auf. => Somit tritt er in direkte Konkurrenz zur Gottheit.

- Prometheus lehnt sich gegen den absoluten Herrschaftsanspruch, gegen den Herrscher selbst auf.

- In Fragmenten ist hier auch die Auflehnung gegen die familiäre Hierarchie enthalten. Vater - Herrscher - Gott werden gleichgesetzt. Eine Auflehnung gegen einen davon ist gleichbedeutend gegen die anderen beiden (s. Schillers Räuber). => politische und religiöse Auflehnung.

- Doch ist der Mensch nicht frei von Instanzen, denen er unterlegen ist: Fügen muß er sich der Zeit und dem Schicksal. Diese Instanzen sind anonyme, nicht personalisierte Gesetzmäßigkeiten. Beide, Gott und der Mensch, müssen sich diesen Instanzen unterordnen.

- Die Schöpferkraft des Künstlers erfährt eine neue Deutung: Sie ist gottgleich („bringt Menschen hervor“). => Der Künstler schafft seine eigene Realität.

- Irgendein Engländer (Shaveswell oder so ähnlich) deutet den antiken Mythos in neuer Weise.

- Prometheus wird als Genie verstanden: Er bringt die Natur aus sich selbst hervor, und zwar ohne ein Vorbild. Er selbst ist sein eigener Maßstab.

- Prometheus bringt etwas hervor, was selbständig lebt: Den Menschen.
- Die Kunst schafft eine neue Naturwirklichkeit.

- Hier wird die Opposition von GH und S&D deutlich:

- Solche Forderungen waren im GH noch nicht denkbar.
- Ein alles aus sich selbst hervorbringendes Konzept wird nun propagiert.

Ganymed

- Ganymed ist das Korrelat zu Prometheus.

- Während Prometheus sich gegen die bestehende Ordnung auflehnt und sich davon

losmachen möchte, strebt Ganymed eine Vereinigung mit der Gottheit an.

- Er legt eine radikale Verschmelzungstendenz an den Tag, doch womit?

- Z.30ff: „allfreundlicher Vater“ (Gottheit Zeus)
- Z.1-19: richtet sich an den personifizierten Frühling (= Prodiktivkraft der Natur); die Welt und die Natur sind durch Liebe charakterisiert (vgl. Maifest).
- Z.18 u. 24: Merkmale von Liebe.

- Der Frühling kann als der Geliebte angesehen werden.

- Liebe kommt in verschiedenen Formen zum Ausdruck:

- Die Liebe als ein positives Gefühl der Übereinstimmung von zwei getrennten Größen (Mensch und Natur); Gemeinsamkeit entdifferenziert.
- Umstrukturiertheit der Welt; keine Einteilung der Welt in Klassen.
- Gefühlsausdruck (aus dem Herzen des Subjektes

- Der Liebespartner wechselt:

- Z.1-19: Liebespartner Frühling.
- ab Z. 19: Liebespartner Gott.

- Auf die Stimme der Nachtigall, also der Natur hin, kommt das Ich zu Gott. => Tendenz zur Äquivalenz von Gott und Natur.

- Gott ist überall in der Natur vorhanden. Es gilt Spinozas3 Konzept: „Deus sive natura“ - Gott ist wie Natur

- Goethe wird die Position des Pantheismus unterstellt, was wohl (nach Wünsch) auf dasselbe (Gott ist wie Natur) hinausläuft.

- Während Prometheus aktiver Produzent ist, ist Ganymed rezipierender Konsument.

- Damit können zwei koexistierende Konzepte zur gleichen Zeit möglich werden, da sich die Gotteskonzepte unterscheiden:

- Zeus ist der Gott des christlichen Types; er ist autoritär. Beansprucht wird hier (von Prometheus) die Gottgleichheit.
- Bei Ganymed wird Gott als universelles Natur- und Liebeskonzept angesehen. Die Gleichheit des Menschen mit Gott findet in der Verschmelzung ihre Verwirklichung.

„Ihr“ von Ueltzen (S.10)

- „Ihr“ kann weder dem GH noch dem S&D zugeordnet werden.
- Bestimmte Merkmale sind dennoch besonders deutlich.
- Die Gefühle finden in der einfachen Sprache ihren Ausdruck.
- Wäre der Titel nicht, so könnten sich die ersten beiden Strophen auf eine Gottheit beziehen.
- Vermittelt wird die radikale Einmaligkeit und Unerschöpflichkeit des „Du“. himmlisch vs irdisch
- Erst in der Ewigkeit würde es möglich sein, diese Liebe ausdrücken zu können.
- Die Liebe erstreckt sich auf Gesamtpersonen. Der Partner wird emotional wahrgenommen.

„Die seligen Augenblicke“ (S.10)

- Bezogen auf den S&D war Schiller ein Nachzügler.

- Das Gedicht stammt aus einer Anthologie, die angeblich in Sibirien gdruckt wurde.

- Nichtgenies polemisieren gegen Nichtliteratur => der Verfasser versteht sich als Genie.

- Fiktive Adressation ist Laura.

- Thema des Gedichtes ist die Liebe.

- Das Gedicht besteht aus 4-6hebigen Trochäen.

- Die Sprechsituation ist geschlossen und fiktiv (Präsenz oder Absenz der Liebespartnerin).

- Äquivalenz von Realität und Vorstellung

- „Paradies“ und „Himmel“ als Merkmale dieser Liebe weisen darauf hin, daß sie sich vom Diesseits löst.

- Die Liebe bringt Kunst hervor, sie fungiert erstens als Muse und zweitens als Geliebte.

- Liebe und Geliebte selbst sind Kunst.

- „Du“ wird wie Orpheus. Die Geliebte kann Unbelebtes beleben.

- Die Liebe wird durch erotische Extase charakterisiert.

- Sinnlichkeit wird ausgeblendet (nach Wünsch ist die Struktur eines Orgasmus zu erkennen, der ab Z.37 nachläßt).

- Die Welt vergeht im erotischen Höhepunkt.

- Physisches fällt mit Psychischem zusammen.

- Vereinigung von Gegensätzen

- Eine starke temporale Dynamik zeigt sich im immer wiederkehrenden Prozeß der Ekstase und des darauffolgenden Abfalls (anders als bei Goethe oder beim GH).

- Es findet eion Rückfall in Begrenztheit und Zeitlichkeit statt.

- Der Höhepunkt wird mit Todeswonne gleichgesetzt.

- Die hier verwendete Sprache wurde zuvor nur in mystischer Dichtung zu einer Gottheit gebraucht, hier jedoch für irdische Erotik.

- Die Frau wird als Äquivalent des Göttlichen auf Erden angesehen.

- Doch sind solche Augenblicke nicht konstant. Ihnen folgt der Absturz zurück ins Irdische.

- Der Moment ist befristet.

- Früher Goethe bis früher Schiller:

- für Goethe sind die Rahmenbedingungen gegeben (Geliebte...)
- Der frühe Schiller sagt: Es ist ein Glücksfall Deines Lebens, wenn es zu so einem Liebesereignis kommt, das begrenzt ist.

7.12.19994

- Schiller macht die doppelte Leerstelle, die bei Goethe zu finden ist, bewußt:

- Rolle der Umwelt, soziale Umwelt
- Rolle der Natur, Sexualität

Schiller:

- In Z.2 wird die Auseinandersetzung zwischen Tugend und Pflicht deutlich.
- Vgl. Z.3:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(=> Opfer, Entsagung)

- Das „Ich“ unternahm einen unbesonnenen Schritt zur Selbstverpflichtung gegenüber der Tugend: Den Schwur.

- Existent ist das Bewußtsein der Unerlaubtheit.

- Das „Ich“ liebt Laura, welche verheiratet ist.

- Der Lohn der Tugend besteht in Laura, doch kommt sie ja nicht mehr in Frage.

- Z.35/36: Die Tugend wäre dahin, wenn er sie gewinnen würde; wenn er sie gewinnt, so verstößt er gleichzeitig gegen die Tugend => Paradoxie!

- Deutlich wird eine Ambivalenz, die sich im Subjekt befindet!

- Z.45: Tyrannenkette.

- Das „Ich“ ist einer Normverinnerlichung der Tugend unterworfen, deshalb kann es seine Liebe nicht realisieren.

- Dadurch entsteht eine Frustrationserfahrung bzw. ein radikalisiertes Aufklärungsdenken.

- Normen, hier die Tugend, werden in Frage gestellt.

- Die Auflehnung gegen die eheliche Praxis erfolgt aus der Forderung, eine Liebesheirat statt eine soziale Heirat einzugehen.

- Folgende Opposition besteht:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dabei befindet sich das Recht auf der Seite des Herzen!

- Das Recht des Herzens wird über die Normerfüllung gestellt, die Liebe wird als höchster Wert gesetzt.

- Das bedeutet eine Umkehrung zu Hölty; bei ihm existiert auf jeden Fall die wahre Geliebte; bei Schiller ist die Geliebte mit einem anderen liiert.

- Z.71ff: Die Theodizee wird negiert.

- Die Leidenschaft kollidiert mit den Normen.

- Der Konflikt zwischen „Ich“ und Gesellschaft resultiert aus dem Wunsch nach Autonomie und Individualität.

Lyrik des 18. Jh.

- GH und S&D sind chronologisch gesehen zeitgleiche Strömungen: Klopstock (GH) und der junge Goethe (S&D) schreiben zur gleichen Zeit.

- Schiller kommt chronologisch etwas später.

- Demnach müssen zwei Chronologiestufen betrachtet werden.

- Der S&D ist die radikale Weiterführung des GH. Hier findet eine Grenzüberschreitung statt.

- GH und S&D können innerhalb des Aufklärungsdenkens als neue Entwicklungsstufen betrachtet werden.

- Weitere Stichwörter: Radikalisierung von Autonomie und Individualität; Fiktion der „Mimesis“; die Erscheinung des Erlebnispostulates findet sich nur beim jungen Goethe. Werther

- „Die Leiden des jungen Werther“ sind ein sofortiger Erfolg und zieht viele Nachahmungen und Parodien nach sich.

- Der Werther ist ein Briefroman und steht damit in der Tradition des 18.Jh.

- Zu Beginn des Werkes steht eine Herausgeberfiktion => das Buch wird anthropomorphisiert. Die Literatur wendet sich hier nicht an „Kenner“, sondern an einen Kreis von Gleichgesinnten.

- Die Briefe sind von Mai 1771 bis Dezember 1772 datiert.

- Die Geschichte Werthers ist nur bruchstückhaft vorhanden, so daß ein anderer Erzähler - der Herausgeber - einspringen muß.

- Der Briefroman ist stark monologisch und geht partiell sogar in Tagebucheinträge Werthers über.

- Die Handlung bleibt gering; im Vordergrund steht die Darstellung der Gefühle und

Gedanken Werthers.

- Lotte beweist ihre Zuneigung zu Kindern. Sie nimmt bei ihren Geschwistern die Mutterrolle ein (=> Kinderversorgung und Krankenpflege)

- Der „Walzer“ führt eine erotische Komponente mit sich. Zu Goethes Zeiten ist er verpönt, da man sich bei diesem Tanz körperlich nahe kommt.

- Bei Werther findet sich eine ähnliche Situation wie im Schillertext.

- Die Ossianlektüre Werthers zeigt, daß seine Gefühle zum Ausbruch kommen.

- Die Jahreszeiten werden grundsätzlich semantisiert:

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Konzept der Personen:

- Ein neuer Wert besteht in der Individualität der Person: Spezifische emotionale und psychische Struktur, die schon im Einleitungsteil vorgestellt wird.

- Person wird modifiziert.

- Die Rolle der Natur ist für Werther bedeutend: Sie ist Repräsentant der göttlichen und alliebenden Kraft. Werther erfährt ein Einheitsgefühl mit ihr.

- Kunstthematik: Korrektur der Kunstkonzeption des frühen Goethe.

- Das Leben und die Welt erscheinen Als Käfig, als trostloses Tal, in dem man seine Freiheiten nicht ausleben kann.

- Die Gesellschaft ist wie folgt organisiert:

- Bereich der Natur

- Gesellschaft:

- Stadt
- Land (Kinder und einfache Menschen).

- In der Natur ist das Verhalten nicht durch soziale Konventionen gesteuert.

- Die goethezeitliche Anthropologie:

- Kinder Unterschichten Wilde

- Die Natur spiegelt sich in der Familie und im einfachen Leben, doch kann in Ausnahmefällen auch in bürgerlichen und adeligen Schichten durch einzelne die Natur repräsentiert werden.

4.1.2000

- Die zentrale Konfliktsituation im S&D:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

- Die S&D-Literatur ist eigentlich eine reine Jugendliteratur.

- Während der Straßburger Zeit Goethes erwacht seine Begeisterung für Shakespeare (aus Aufklärung hervorgegangen; Beispiel: Wieland).

- Goethe schrieb zu „Shakespeares Tag“ einen gleichnamigen Aufsatz.

- Shakespeare wird als ein Prometheus interpretiert; er steht für das Genie.

Götz von Berlichingen

- Gottfried von Berlichingen: Selbstbiographie.

- Götz von Berlichingen verlor im Kampf die rechte Hand, die durch eine eiserne ersetzt wurde.

- Geschrieben ist das Drama in Prosa (bis dahin wurde Prosa nur in der Komödie und später im bürgerlichen Trauerspiel verwendet).

- Prosa impliziert Natur; die Rede ist spontan und ungedünstelt.

- Das Stück ist nach Tradition in fünf Akten geschrieben, doch besteht

- keine Einheit der Zeit
- sowie (Zeit-) Lücken zwischen den einzelnen Akten
- keine Einheit des Ortes: Szenen-Ortswechsel.

- Die Szenen sind nicht numeriert.

- Das Stück spielt im schwäbisch-fränkischen Raum.

- Durch die vielen kurzen Szenen entstehen massive bühnentechnische Probleme. Wozu also?

- => Vermittelt wird damit eine Art von Weltillusion. Das Drama betrachtet aus der Vogelperspektive, wie zeitlich parallele Ereignisse (=> Simultanität) ablaufen => göttliche Perspektive.

- Alle Beteiligten werden direkt angesprochen.

- Das Stück spielt in einer Situation der Zeitenwende. Die Form des Landesfürstenmodells spricht den Landesfürsten willkürlichen Machtgebrauch zu (Gesetze werden erlassen, geändert und nach eigenem Vorteil ausgelegt).

- Eine große Rolle spielen die Städte als Machtzentrum.

- Die Handschriftenfassung ist noch realistisch drastischer und sinnlicher als die Druckfassung; insbesondere die Gruppe der Zigeuner und Bauern wird drastischer geschildert.

- Rezeption: Das Stück ruft grundsätzliche Begeisterung im S&D und im GH bei den Autoren hervor, doch sind die Rezensenten eher zurückhaltend und negativ eingestellt.

- Wieland beweist Verständnis für G.v.B. und rezensiert in positiver Weise.

- Die Personen vertreten unterschiedliche ideologische Positionen:

- Weltliches vs geistliches Leben.

- Beide Lebensformen, die Götzens und jene Weislingens, gehen unter:

- Weislingen wird bestraft: Er wird abgemurkst (erniedrigend!).
- Götz geht unter, da sich eine neue Sozialstruktur gebildet hat.

18.1.2000

- Stella (1776) wird 1806 in eine Tragödie umgewandelt.

- Clavigo und Egmont sind in Prosa geschrieben, dazu: Faust I.

- Das zentrale Motiv ist jenes zweier feindlicher Brüder.

- getarnt dadurch, daß sie sich nicht kennen.

- Die Zwillinge, Julius von Tarent, Die Räuber.

- freiwillige Unterwerfung unter die Regeln der Gesellschaft.

Stella

- Die Leidenschaft rechtfertigt den Normverstoß, selbst jenes der Frau!

- Fernando steht zwischen Stella und Cecilie.

- Provokant ist der Vorschlag einer Ehe zu dritt, bis zum Tode!.

- Stella vergiftet sich, Fernando erschießt sich; eine harmonische Ehe zu dritt ist nun nicht mehr möglich.

- siehe „Götz von Berlichingen“ und „Clavigo“: andere Frauen, die für den Mann in Frage kommen.

- Im Stück wird ein kalter Männertypus gezeigt, der zur gemeinen Intrige neigt.

- Die Niederländer wollen lediglich die Wiederherstellung ihrer alten Rechte.

- Aus Stella stammt das Zitat „himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt“.

- Im Stück wird der Freiheitswille deutlich.

Egmont

- Erstaunlich ist die Legitimierung der verbotenen Liebe.
- Alte Freiheiten werden wiederhergtestellt.
- Der erfahrene soziale Zwang konkretisiert sich an der Erotik.

Klingers „Sturm und Drang“ (1776/77)

- Der ursprüngliche Titel lautete „Wirrwarr“
- Das Stück etablierte sich schnell.
- Die Schuld verschiebt sich allmählich auf die Elterngeneration.
- Die Familie erfährt durch äußere Einwirkung eine Störung.
- Durch die Kindergeneration wird die Familie partiell wiederhergestellt.
- Dem Typus des Melancholikers steht jener des Schwärmers (La Feu) gegenüber.

25.1.2000

Julius von Tarent (Leisewitz)

- Julius’ Eigenschaften stehen im Gegensatz zu jenen Guidos:

- Julius: Empfindung, Reflexion, sanft
- Guido: ehrgeizig

- Constantins Söhne zusammengenommen ergäben das Ideal eines Mannes.

- Typische Konstellation: Ein Brüderpaar.

- Julius liebt Blanca.

- Guido liebt sie auch, jedoch ist seine Liebe nur eine Scheinliebe, die vom Ehrgeiz getrieben wird.

- Blanca erliegt alten Gefühlen für Julius und erkennt, daß sie keine wahre Nonne ist.

- Der Graf Aspermonte repräsentiert die aufklärerische Vernunft.

- Julius Liebe ist stärker als Vernunft und Moral.

- Guidos Liebe unterliegt seinem Ehrgefühl.

- Julius will sich vom Hofe losmachen.

- Kirchliche Gelübde erscheinen als irrelevant.

- Die Liebe erscheint als zentraler Antrieb der Menschheit.

- Starke Liebe ist etwas sehr seltenes.

- Für Julius ist Blanca alles.

- Folgender Kontrast ist zu erkennen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

- Wer stark liebt, steht automatisch in Opposition zur Gesellschaft.

- Guido tötet Julius im Affekt. Daraufhin wird Blanca wahnsinnig.

- Guido ist zur Sühne bereit; er möchte Selbstmord begehen. Da dies jedoch eine sündige Tat wäre, bittet er seinen Vater - nicht ohne Erfolg -, ihn umzubringen, um seine gerechte Strafe zu erhalten.

- Die S&D-Brüder lehnen sich gegen den Vater auf; Julius lehnt sich sogar gegen Gott auf.

- Zwischen den Brüdern herrscht Rivalität.

- Der Ältere tötet den Jüngeren (wie in „Die Zwillinge“ von Klinger).

Die Zwillinge (Klinger, 1776)

- Die Familie ist vollständig - abgesehen von einer Tochter, die schon tot ist. Vater Guelfo und Mutter Amalia sind die Eltern von Guelfo und Ferdinando.

- Zwischen den Brüdern bestehen folgende oppositionelle Positionen:

- Ferdinand: süß, empfindsam
- Guelfo: wild, ungestüm, rauh und heldenhaft.

- Guelfo schaut auf Fernando herab; er sieht sich selbst als tatkräftigen Helden.

- Guelfo liebte Camilla, die jedoch Ferdinand zur Frau gegeben wird.

- Camilla und Ferdinand lieben sich.

- Der Ältere bringt den Jüngeren um.

- Das gesamte Erbe fällt an den Erstgeborenen. Er ist es auch, der die von beiden geliebte Frau bekommt.

- Guelfo besitzt ein starkes Selbstbewußtsein und Tatendrang. Er fühlt sich ungerecht gehandelt, weil er zu spät geboren wurde.

- Auch die Liebe der Eltern fällt Ferdinand zu.

- Guelfo verweist auf das Jacob-Esau-Modell und das Kain-Abel-Modell.

- Guelfo versucht der Mutter das Geständnis zu entlocken, daß doch er der Erstgeborene sei.

- Guelfo bereut - im Gegensatz zu Guido - nicht seine Tat. Der Vater tötet ihn.

- Hier herrscht die gleiche Geschwisterkonstellation wie in „Die Räuber“.

- Gleiches Prinzip bei Leisewitz, Klinger und Schiller:

- eine oder zwei Söhne, die sich im Konflikt mit dem Vater befinden.

- Der frustrierte Sohn ist der jüngere.

- In „Die Räuber“ erscheint die antiheroische Variante.

- Die Brüderkonflikte realisieren sich in der Rivalität bei einer Frau.

- Der Vater repräsentiert die soziale Ordnung, die das Individuum beschränkt.

- Biologische Vorgegebenheit:

- Die soziale Ordnung wird als biologische Vorgegebenheit ausgegeben.
- Die Auflehnung gegen die soziale Ordnung bedeutet gleichzeitig eine Auflehnung gegen den Vater und den älteren Bruder, der zugleich der Nutznießer dieser Ordnung ist (er kriegt’s Erbe und die Frau).
- Familie: Status als Heiligkeit.

- Der Sohn lehnt sich gegen den Vater auf.

- Der Schichtenunterschied in den Dramen ist in den Brüdern angelegt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

- Bedeutungen:

- Brüder: Aufspaltung einer Figur in zwei Extreme.
- Brudermord: höchstrangiges Gericht.

- Ein Teil kämpft gegen den anderen, so daß eine Ambivalenz zwischen Auflehnung und Unterordnung entsteht.

- Es kommt zu einer radikalen Sprengung der familiären Ordnung.

- Einer führt zum Aussterben der Familie => Fortpflanzung bleibt aus.

- Auch die Vaterinstanz ist ambivalent (?):

- Der Vater gibt dem angepaßten seine Liebe.
- Dadurch entsteht der Haß des Jüngeren.

- Der jüngere Bruder lehnt sich auf. In ihm entstehen heftige Aggressionen, die er sich selbst verbieten müßte.

- Der Brudermord substituiert den Vatermord => Verschiebung.

- Der Konflikt zwischen Vater (Vertreter der sozialen Ordnung) und Sohn wird vermieden.

- Die Auflehnung wird in Formen gebracht, mit denen eine Strafe erfolgen muß.

- Bestraft werden die Gedanken an Auflehnung.

- Was diesen Dramen gemeinsam ist:

- Eigentlich möchte man älterer Bruder sein, doch gerät er in den Konflikt mit der sozialen Ordnung.
- Dissonanz mit der Ordnung
- unterprivilegierter Sohn
- Auflehnung
- Selbstbestrafung für die Auflehnung
- Personen sind der Ordnung noch zu sehr verhaftet.
- Der Konflikt erscheint als unlösbar, da niemand verzichten will und kann.
- Eigentlich wird nichts neues gefordert. Der jüngere will nur das, was dem Älteren zusteht.
- Die Auflehnung möchte nichts neues schaffen, nichts revolutionäres.
- Die Rivalität besteht um die alten Werte.
- Die Rivalität wird nicht zugelassen.
- Die Auflehnung wird bestraft und soll auch bestraft werden. Dies ist durch die Reden der Figuren nicht belegbar!

- Die Dramen enden, wenn der Normverstoß durch den Vater sanktioniert wurde.

- Die Gnade der Erstgeburt ist nach Wünsch so auszulegen:

- Die biologische Ordnung ist die gegebene Ordnung. Von einem göttlichen Schicksal kann nicht ausgegangen werden; es handelt sich um ein biologisches Faktum.

zu Clavigo (wahrscheinlich):

- Der Feldprediger wendet sich gegen Komödien.
- Die Gefährlichkeit der gegenwärtigen Literatur für die Tugend und für Frauen wird betont.
- Erotische Normverletzungen finden statt.
- Marie geht in die Komödie und begeht somit eine Normverletzung.
- Die Gräfin steht für Humanität; sie nimmt Marie zu sich.
- Marie hat sich das Unglück nicht durch das Laster zugezogen; sie kannte die Welt nur nicht bzw. den Offizier nicht - so die Gräfin.
- Die Rolle des Soldaten schließt die Rolle des Liebhabers aus.
- Marie strebt eine Mesaillance, die in der Gesellschaft nicht möglich ist.
- Ein experimenteller Gedanke besteht in der Lösung des Glücks: Die Schaffung eines Soldatenbordells wird vorgeschlagen.

Die Kindermörderin (Wagner)

- Eine Unschuldige wird verführt (häufiges Thema im 18. Jh.).

- Hierzu gibt es verschiedene Varianten:

- verführte Unschuld ohne Kind
- verführte Unschuld mit Kind
- Kindesmörderin.

- Kein Text hat die „Empfängnisverhütung“ zum Thema => Tabuthema, obwohl es im 18. Jh. schon Formen der Empfängnisverhütung gab.

- Transformation des bürgerlichen Trauerspiels.

- Keine Einheit des Ortes oder der Zeit.

- Bürgerliche Familie.

- Das Wirtshaus dient als Bordell: Evchen wird gezielt und bewußt verführt.

- Evchen verzweifelt stark, da sie eine tugendhafte Person ist.

- Die Sexualität des Mädchens ist zugleich die Katastrophe ihrer Existenz.

- In der zweiten Fassung wird die Szene der Verführung nicht mehr so dargestellt.

- Den Menschen wird Schwäche zugestanden. An der Hinrichtung ist die starre Gesetzgebung der Gesellschaft schuld => Sozialkritik.

8.2.2000

Schiller: Die Verschwörung des Fiesco zu Genua. Ein republikanisches Trauerspiel (1782).

- Gianettino: unmoralisches Verhalten, übler Kerl.

- Mohr: „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan.“

- Die Verschwörer unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Interessen.

- Fiesco: brillanter junger Adeliger, möchte selbst Ruhm erlangen, souveräner Taktiker, kann alle Gruppen manipulieren, ambivalente Rolle: Will er wirklich die Republik oder möchte er letztlich nicht doch eine eigene Monarchie aufbauen?

- Julia: Rolle des bloßen Genießens.

- Fiesco gewinnt den Mohren für seine eigene Sache => rettet Verschwörung.

- Tatkraft und Tugend schließen sich aus.

- Am Ende sind alle Ordnungsstörer beseitigt.

- Der Adel wird als politisch zurechnungsfähig geschildert, das Volk als manipulierbare

Masse (typisch für S&D).

- Staatsformen:

- Demokratie
- Oligarchie
- Monarchie (<= in den Augen Fiescos die beste Form)

- Ablehnung der Monarchie als Textposition: Erstmalig auf deutscher Bühne so zu sehen gewesen.

- Koppelung politischer und privater Handlung.

- Wenn er der Herrschsucht erliegt, wird die Liebe erlöschen.

- Erotische Affektationen stehen symbolisch für politische, z.B.

- Gianettino: Vergewaltigung Bertas + Unterdrückung Genuas
- Berta wird in die Freiheit und Ehe entlassen: Entspricht politischer Befreiung Genuas.

- Ist die Moralität der Zwecke negativ, so ist auch die Tatkraft negativ.

- Problem der höchsten Werte; Fiesco ist sich selbst der höchste Wert, was vom Text verworfen wird. Am besten soll sich das autonome Subjekt durch übergeordnete Werte (wie in „Die Räuber“ oder „Das Sittengesetz“) beschränken lassen.

- Hier: Die Selbstrealisation bei Fiesco führt zum Fiasko.

- Demontage des S&D-Modells der Selbstverwirklichung.

- Der S&D-Held ist für die staatliche Ordnung gefährlich, wenn er keinen höherem Wert unterworfen ist.

- Der Mohr dreht sich nach dem Wind; er ist ein extremer Vertreter seiner eigenen Interessen.

- Fiesco besitzt die Fähigkeit

- zur Verstellung und
- zur Verführung.

- Der im 18. Jh. beliebte Verführer wird ausgeweitet: Er ist der Rebell der politischen Ordnung.

- Normverletzung: Julia gesteht dem Mann ihre Liebe (er bringt/verführt sie so weit).

Genese des S&D:

- Der literarische Wandel steht vor dem Hintergrund der Aufklärung (bis in die 90er

Jahre)

- Merkmale

- Die S&D-Literatur ist nicht dominant
- Jugendphänomen, Generation der 20jährigen
- Radikalisierung der Abweichung

- Ende des GH auch durch Beginn des S&D; eigentlich dasselbe, nur radikaler.

- Das autonome Subjekt

- soll die Mündigkeit und Freiheit gegenüber der Fremdbestimmung erlangen
- soll seine Persönlichkeit entfalten.

- Umweltbedingungen: Der Konflikt zwischen dem autonomen Subjekt und der Umwelt wurde bisher in der Aufklärung vermieden.
- Wie wird die Beschränkung des Subjektes realisiert?

- S&D: Selbstverwirklichung + Normen der Umwelt, die dabei hinderlich sind.

- Konflikt zwischen Normen bzw. Verstand und Empfindung.

- Steigerung der Empfindung.

- Wert der Originalität und des Genies.

- Neuer Wert: Natur (Rousseau!) als Gegensatz zur Gesellschaft

- => Kritik am Gegebenen, da der Natur entfremdet!

- zentraler Konflikt: warum ausgetragen und warum von dieser Gruppe? Deshalb:

- sozialgeschichtliche Faktoren (junge mobile Intellektuellengruppe)
- Erfahrungen der gegebenen Struktur
- kein Platz, ihre Fähigkeiten zu entfalten
- Grenzen des Selbstverwirklichungsdranges durch die Gesellschaft

- faktische Form der Realität

- Änderung der Aufklärungsanthropologie

- Umsemantisierung der Altersklassen (junge Klasse charakterisiert durch Einbildungskraft, Originalität)

- Frühaufklärung: ältere Schicht maßgebend
- Spätaufklärung: Verschiebung auf Jugendgeneration (nicht generell gültig!)
- neue Konzeption der Altersklassen; gegen Autorität wird sich aufgelehnt.

Leistungen des GH und des S&D

- Experimente mit den abweichenden Dramenformen

- extreme (auch negative) Gefühle

- Umstrukturierung der Funktion der Literatur

- bis 70er Jahre: Soll-Verhaltensweisen werden vorgeführt
- danach: Zwischen Theorie und Praxis wird unterschieden => Die Literatur nimmt Kompensation gegenüber der Theorie vor. An Einzelfällen wird neues ausprobiert.

Kürze des GH und des S&D

- Die Zwillinge: Kein Gegenkonzept, nur Auflehnung.
- aus Kult des exzeptionellen Individuums
- keine Strukturänderung (durch den einzelnen)
- Alle müßten das Konzept verändern, doch kollektives Handeln wird verworfen.
- Die Freiheit gilt als semantisch leeres Lexem, semantisch leeres Postulat als Negation von Zwängen und Normen.
- Selbstaufhebung des S&D im Scheitern/Unterwerfen
- Der S&D ist durch seine eigenen Voraussetzungen nicht langlebig.
- S&D gilt nicht als Lösung für ein Systemproblem, sondern macht es nur bewußt.
- „auch der Böse kann groß sein“
- Klinger in 90er Jahren: philosophische Romane, kein S&D mehr.
- Lenz: großes Scheitern.
- Stollberg: Rückfall in Konventionen.
- Klassik: Normen werden akzeptiert; die Autonomie des Subjektes wird neu interpretiert und z.T. begrenzt.
- Anerkennung von nicht-idealem Zustand.
- Grenzziehung für Originalität.

Weitere Punkte (aus Ingas Unterlagen, bezogen auf Aufklärung):

- Inzest ist eines der größten Delikte der Aufklärung.

- Vatermord ist hochrangiges Delikt.

- Selbstmord ist weiteres hochrangiges Delikt.

- Die Komödie der Frühaufklärung hat immer einen guten Ausgang.

- Ausschließung von erotischer Qualität zwischen gleichgeschlechtlichen Geschwistern - hier darf durch Rivalität kein Konflikt entstehen.

- Das gilt auch für Freunde.

- Freundschaftsmodell ist analog zum Familienmodell.

- Ältere Rechte sind bestimmend.

- Tugend und Verstand sind die zentralen Werte, Schönheit ist entbehrlich.

- Der Generationskonflikt gilt als Zeichen des Wandels von Werten.

- Theodizee: Es gibt eine innerirdische Belohnung, also Lohn für die Tugendreichen, was eine gerechte Weltordnung bedeutet.

- Die Tragödie aber fordert Untergänge im Diesseits und somit ist die Theodizee mit der Tragödie nicht vereinbar, denn tragische Ereignisse darf es in der gerechten Weltordnung nicht geben.

- Die Aufklärung will aber auch diese angesehene Literaturgattung produzieren, es sind aber philosophische und poetologische Diskurse das Dilemma, man sucht nach einer Konzeption de Tragödie, die mit der Theodizee übereinstimmt => langwieriges Experiment.

- Das Bürgerliche Trauerspiel löst diese Probleme und stellt eine neue Form dar.

- Die klassizistische französische Form der Tragödie ist der Aufklärung angemessen, da

sie

- heroische Untergänge darstellt, was innerirdische Bestrafung bedeutet
- adelige, heroische Wertsysteme bestimmen diese Tragödien - was für die deutsche Tragödie ungeeignet ist, da sie unheldisch im militärischen Sinne ist und dies die Werte der frz. Klassik ausmachen.

Miß Sara Sampson

- spielt im Milieu der Landadeligen

- Was bedeutet hier bürgerlich? => kein historisch-öffentlicher Stoff, sondern private- familiäre Handlung.

- Stellt kleine geschlossene Welt dar, basierend auf familiären/freundschaftlichen Verbindungen.

- Es herrschen keine Standesunterschiede - also liegt hier kein Konfliktpotential vor.

- Typus der sinnlich-gefährlichen Frau ist bis Goethezeit vorhanden - was zur Aufspaltung der Frauenrollen führt. Die Tugendreiche erhält eine Opferrolle und ist in ihrer Tugend gefährdet.

- Eine starke Kontrastierung der Frauenrolle, was eine Ambivalenz der Aufklärung zur Frauenrolle ausdrücken könnte: Die sinnlich-gefährliche Frau muß dämonisiert werden.

- Erotisches Ausgangsdelikt der Heldin, was zur Familienkatastrophe führt.

- Die neuen Werte kollidieren mit der Familienordnung, was zur Katastrophe führt.

- Die Mutter ist absent - in späteren Stücken sind vorhandene Mütter problematische Figuren.

- Der Vater als Norminstanz.

- Delikt des Vaters würde zur totalen Zerstörung der Familie führen.

- Verführerfiguren:

- weiblich und männlich besetzt
- raffinierte Rationalität
- überlegen

- Verführte:

- tugendhafte Figuren
- Opferrolle
- Figuren sind meist nicht auf derselben Ebene anzutreffen
- Die Tugendhaften setzen sich nicht mehr durch, sind von der lasterhaften Figur besiegt und unterlegen

- Sexualität und Rache sind tabuisiert.

- Zusammenhang zwischen Schuld und Strafe: Theoidisce-Problem. Jeder Normverstoß muß letztlich gesühnt werden.

- Zu Beginn ist Saras Schuld verzeihbar (siehe Vater).

- Die Verzeihung ist aber nur durch öffentliche Reue möglich, damit die soziale Norm bestätigt wird.

- Mellefonts Schuldgeständnis z.B. kommt zu spät.

- Zwei Klassen von Figuren:

- Reuende
- Nicht-Reuende. Sie kümmern sich nicht um Moralnormen, können keinen Akt der Verbesserung vornehmen.

Bestraft werden hier beide: Auch wenn verziehen wird, flogt immer auch die Strafe (hier fällt die Marwood raus).

- Logik: Weltimmanente Gerechtigkeit wird angestrebt, wozu auch verzeihen gehört.

=> Der Mensch sollte also verzeihen, aber Gott verzeiht nie:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

- Edelmut des Menschen kann man sich leisten auf Kosten Gottes.

- Je humaner der Mensch ist, um so strenger muß Gott werden.

- Was beinhaltet das Verzeihen: Es ist reserviert für gottähnliche Figuren.

- Vergehungen sind besser als erzwungene Tugenden, denn das gute Herz bleibt erhalten.

- Den Figuren kann sogar von ihren Opfern verziehen werden - extremes Ausmaß von Verzeihen (=> extreme Tugendhaftigkeit von Sara wird dadurch herausgearbeitet)

- Wenn man sich nicht verzeihen läßt, kann man auch selbst nicht verzeihen.

- Nichtreuige Figuren sind verhärtete Personen. Sie werden dämonisiert, hyperbolisch dargestellt.

- Jeder vernunftsbegabte kann die Normen erkennen, aber diese Figuren setzen sich darüber hinweg, obwohl sie diese erkennen.

- Früher hat man automatisch Normen anerkannt, wenn man sie als vernünftiger Mensch erkannt hat.

- Hier werden die Normen bewußt abgelehnt - also keine Moral-Sense-Theorie.

- Beide Gruppierungen werden bestraft: Die Nichtreuigen und die Normverletzer - durch Tod, Selbstmord usw.

- Problemfall Marwood: innerirdische Gerichtsbarkeit wird nicht in Anspruch genommen - in irgendeiner Form wird sich eine weltimmanente Strafe einstellen, worauf Sara vertraut - göttlicher Eingriff.

- Selbstmord wird als göttliche Strafe empfunden (Saras Aussage).

- Warum wird ein verzeihbares Delikt bestraft? Sara stellt eine gefährdete Tugend dar und nur eine nicht-gefährdete Tugend darf überleben.

- Verzeihen als Nachweis von edelster Menschlichkeit, bloßer Luxus, Selbstgenuß des Verzeihenden.

- Gestraft wird immer im Bereich der Sexualnormen - hyperbolisch hochstilisiert.

- Defizitäre Elternverhältnisse führen zu problematischen Kindern.

- Funktion der Dienstboten: Jede Hauptperson hat einen Bediensteten => diese sind die Spiegelbilder ihrer Herrschaften - vertraute Gesprächspartner.

- Typus der sozialen Kommunikation.

- Vermieden wird der Monolog, in dem sonst unklare Situationen dem Leser erklärt werden.

- Funktion der Gasthäuser

- Handlungsauslösende Sequenz

Raumstruktur

- Marwood hält sich in einem anderen Gasthaus auf => Gut und Böse sind getrennt

- Gasthaus

- => Normferne

- => Durchgangsort, begrenzter Aufenthalt

- Sara läßt sich mit Mellefont ein.
- Verletzung der Gehorsamspflicht gegen den Vater.
- Erstes Delikt ist die Begründung für das zweite.
- Emotionaler Bereich führt zu innerfamiliären Störungen.

Konstellation der erotischen Normverletzung

- Sara empfindet Liebe gegenüber Mellefont, was zur Verführung führt - nicht-

sexuelles Bedürfnis oder Vergewaltigung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

- Umgekehrt wird Marwood Opfer von Mellefont, was ein besonderer Verstoß ist, da sie eine Frau ist.

- Die Verführung ist eine Entlastung/Legitimierung des Normverstoßes („Die Arme!“)

- Ihre Liebesgefühle setzt sie in die Tat um.

- Schuldlos Schuldige.

- Folgert, daß die Frau unterlegen ist, kann sich gegen die Verführung des Mannes nicht wehren.

- Durch Verführungsdarstellung kann keine Gleichberechtigung bestehen.

- Christlicher Erbsündenkomplex: Sie kann nichts dafür, daß sie eine Frau ist.

- Hier im Text kommt es zur größtmöglichen Entlastung Saras, die sozusagen nichts dafür kann, daß sie als Frau verführbar ist.

- Durch die Heirat will sie wieder in den tugendreichen Raum eintreten? (umstritten!)

- Verstoß gegen Vater = Verstoß gegen Gott.

- Sexualität immer als Verstoß gegen diese beiden Instanzen.

- Sara ist sich „ihres“ „Verbrechens“ bewußt, sie will heiraten, da gilt: Keine Liebe ohne Heirat.

- Vater-Tochter-Beziehung = zärtliche, emotionale Liebe (viele biblische Modelle vorhanden).

- Marwood hat nicht die richtigen Muttergefühle, was zu Unglück und Bestrafung führt.

- Sampson: Vater kann sich nicht traditionell verhalten, da er Zärtlichkeit empfindet => neues Familienmodell => Der gütige, verzeihende Vater.

- Verhalten des Vaters - liebend zu verzeihend - führt zu einer Schwäche der Vaterfigur, der gefühlsbetont und nicht strafend ist.

- Bedingungen des Verzeihens: Bekennen und Bereuen.

- Saras Vaterkonzeption ist noch die Selbstverständliche, traditionell.

- Nichtzulässige Gefühle: Leidenschaften.

- Bspl Marwood = intrigant, rachsüchtig - sie ist von allen anderen Figuren abgegrenzt.

- Verzeihbare Normverstöße sind unschuldig Schuldgewordene.

- Auch Mellefont wird verziehen: mehr unglücklich als lasterhaft.

- Verzeihen ist tugendhaft.

- Marwood kann nicht verziehen werden, weil sie nicht bereut.

- Öffentliches Bekenntnis zum Laster - öffentliches Bekennen der Normen der Gesellschaft - Integration in die Gesellschaft => Marwood negiert diese und gliedert sich wissentlich aus der Gesellschaft aus.

- Aufweichung des absoluten Tugendbegriffes unter Einräumung der menschlichen Empfindungen

- Tugendverstöße müssen bereut werden zur Reparierung.

- Mellefont läßt sich seine Tugendhaftigkeit vom Vater bestätigen - positiv tugendhaft von Sara beeinflußt, vorher war sein Leben negativ von der Marwood bestimmt.

- Verzeihensmodell: S.2,7. Wartwell. Er bedauert, daß er nichts zu verzeihen hat, denn das würde ihn näher zu Gott bringen.

- Verzeihen macht Spaß und bedeutet Wollust.

- Verzeihen als Kompensation von Erotik???

- Marwood verzeiht am wenigsten und hat am meisten Erotik, Sara ist Mischfigur.

- Wann wird verziehen? Nur ein Höherstehender kann einem verzeihen.

- Jemand muß etwas verbrochen haben, als Voraussetzung.

- 2. Möglichkeit der Kompensation ist Rache. Alte Vaterautorität wird abgelöst durch Verzeihensautorität => die gleichen Abhängigkeitsverhältnisse bleiben bestehen.

- Sara muß darüber beschleißen, ob sie sich verzeihen lassen will oder nicht.

- Verzeihen als Gottgleichheit - Hochstilisierung des Menschen.

- Herstellung einer immensen Machtstruktur aus

- Wer verzeiht, steht viel höher über dem, dem verziehen werden soll.

Biographie Marwood

- Auch ihr Start könnte so wie Saras gewesen sein - sie aber war eine Witwe.

- Einmalige Verfehlung => Tochter.

- 10jährige Beziehung von Marwood und Mellefont => Arabella

- Mellefont hat auch während dieser Beziehung Seitensprünge begangen => Sexuelle Delikte

- Marwood bewegt sich bewußt außerhalb der Normen.

- S.33: Mellefonts Vorwurf trifft ihn selber, er stellt sich als Opfer dar (statt siener Seitensprünge wird sie als Buhlerin/Prostituierte bezeichnet.

- Marwoods sexuelle vita hat starke emanzipatiorische Züge.

- Verhaltensweisen, die dem Manne zur Not erlaubt sind, aber für eine Frau extrem verwerflich sind => Text setzt keine Doppelmoral (?)

- Mellefont wirft ihr vor, was er zehn Jahre lang genossen hat - er argumentiert hier moralisch; er argumentiert von der tugendhaften Seite, weil er „das Lager gewechselt hat“.

- Problem: Heute erscheint uns die Marwood positiv und emanzipiert, was damals aber negativ war.

- Um Marwoods Figur eindeutig negativ zu besetzen, werden ihre Delikte gehäuft, um zu verdeutliche, daß ihr emanzipiertes Sexualleben zu verurteilen ist.

- Sara, das unschuldige, naive Opfer ist dagegen die positive Figur.

- Wer sexuell fehlt, neigt auch zu kriminellen Verhaltensweisen => Marwoods Figur mit Entführung, Intrigen und Mord stark kriminell dargestellt => kriminelle Überdetermination.

- Unterschiedliche Wertmaßstäbe, was männliche und weibliche Verhaltensweisen angeht.

- Der Umgang mit Lasterhaften macht lasterhaft, umgekehrt: Umgang mit Tugendreichen macht tugendreich.

Vergleich Sara - Marwood

- Sara begeht das Delikt aus Unwissenheit und empfindet Reue - was bei Marwood nicht eintritt - sie lebt dieses Leben bewußt weiter mit Mellefont zehn Jahre ohne Trauschein (S.76).

- Marwood wird als ein Werkzeug Gottes interpretiert.

- Marwood wird ihrem Schicksal nicht entgehen

- Begründung durch die Theodizee, daß es für alles auf Erden eine Gerechtigkeit gibt. „Das Laster bestraft sich selbst“.

Bürgerliches Trauerspiel allgemein

- Bürger im Sinne von lat. civis.
- Bestimmte soziale Schicht ist hier nicht gemeint.
- Mischung von Landadel und gehobenes Bürgertum (Herrscher spielen in der Startphase keine Rolle).
- Gruppe, die weder herrscht noch beherrscht wird => autark.
- Privat-familiäre Handlung, keine politische.
- Grundsätzlich werden zwei Generationen dargestellt.
- Wenn die Mutter anwesend ist, besteht eine Auffälligkeit für Verführung - oft ist die Mutter absent und der Vater stellt die Norm dar.
- Später kommt die politische Komponente hinzu (s. „Kabale und Liebe“).
- Außerkraftsetzung der Gottschedschen Ständeklausel => Bürger werden Träger in der Tragödie.
- Aufwertung/Diginität des Bürgertums.
- Aufwertung des privaten Familienraumes.
- Canut war Versuch der Brauchbarmachung der Tragödie für die Aufklärung.
- Rolle des Opfers stark ausgeprägt im Bürgerlichen Trauerspiel,
- meist eine Frau
- BT basiert auf zunehmender Emotionalisierung/Qualität/Geltung der Gefühle.

Götz von Berlichingen

- Wende 15./16. Jh.
- Landesfürstenmodell (neu), von Weislingen vertreten
- Feudalmodell (alt), von Götz vertreten

Bewertung der Positionen:

- Weislingen: integriert sich ins neue Modell, funktionalisiert für sich Kaiser, Reich, Recht, verzichtet auf Selbsthilfe; rational, berechnend, kalkulierend, schwach und schwankend, verführbar, Mann zwischen zwei Frauen

- vs Götz: nicht berechnend, spontan, stark, nicht schwankend, treu

- dem Freund
- der Frau und
- dem Herrscher

- Marie und Adelheid: typisch für S&D

- Sinnlichkeit erscheint als Schwäche => Götz ist nicht sinnlich.

- Was wird an der neuen Zeit kritisiert?

- Die modernen Lebensformen:

- kalkulierende Rationalität
- neue Art der Rechtssprechung (alt: Der Einzelne nimmt sein Recht in die eigene Hand)
- Unfreiheit: Der Mensch muß sich den Gesetzen beugen.
- Ausbeutung der Bürger durch neue Rechtssprechung

- Stilisierende Idealisierung des freien Rittertums; das Rittertum kennt keine

Abhängigkeiten und Unterdrückung.

- Die Form der Rechtssprechung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

- Die Durchsetzung des römischen Rechts ist mit dem Absolutismus gedoppelt.

- Auf rechtlicher Ebene ist der Text anakronistisch und reaktionär.

- Neues Recht => Potentiell demokratisch; alle werden gleich; dies kollidiert mit dem Bestreben des S&D, den großen, elitären Einzelnen/Individuum darzustellen; Auflehnung des großen Einzelnen gegen die Umwelt.

- Merkmale der Dramen des S&D:

- Die großen Einzelnen vertreten rückwärtsgewandte/vergangene Modelle.

- Götz verkörpert die Autonomie des Subjektes. Dies geht nur, weil er schon von vornherein macht hat. Freiheit nur für den Starken.

- Es wird vorgeführt, daß die Auflehnung des Einzelnen im Grunde vergeblich ist. Am Ende siegt das „Umweltsystem“.

- Freiheit ist in der irdischen Welt grundsätzlich unmöglich.

Familie/Erotik:

- negative Figuren streben nach Sinnlichkeit, nicht Moralität, Schwäche.

- positive Figuren streben nicht nach Sinnlichkeit, Kinderwunsch, legitime Beziehungen, moralisch, stark.

- Die weibliche Verführerin Adelheid vs Marie (süß, sanft, rein)

- Der Verführte: nicht autonom, unselbständig.

- Vorher: männliche Verführer.

- Hier: Frauen als Verführer = Frauen mit männlichen Zügen. Diese Frauen werden dämonisiert = amoralisch (1755: Marwood in „Miß Sara Sampson“ war die erste).

Sprache

- neu
- Prosa, soll Natürlichkeit vermitteln
- direktes Aussprechen, keine rhetorischen Verschleierungen
- Durchsetzung eines einfachen Stiles, teilweise drastisch
- Formalisierte Sprache des Rechts wird dem gegenübergestellt.
- Ehrliche Sprache der Guten (das Gesagte ist mit dem Gemeinten identisch).
- Unehrliche Sprache (Rede als Manipulation: Gesagtes ist dem Gemeinten nicht gleich).
- Korrelation zwischen Sprache und Realität
- Positive Figuren: Ich gebe mein Wort = ich halte mein Wort.
- Schriftlichkeit vs Mündlichkeit
- Die Bösen: Nur Schriftliches ist verbindlich => Recht ist kodifiziert.

[...]


1 GH = Göttinger Hain; S&D = Sturm & Drang

2 Lit: Wünsch: „Strukturwandel ...“. Dissertation von 1975, in der Universitätszeitschrift von 1991.

3 Spinoza, Baruch de, 24.11.1632 - 21.2.1677. Niederl. Philosoph; der bedeutendste Systematiker des Rationalismuns und Pantheismus. Seine „Ethik“ enthält das nach streng geometrischer Methode aufgebaute Identitässystem, das in der Lehre von der einen, allumfassenden Substanz gipfelt: „Deus sive natura“, Gott bzw. die Natur (als geschlossener Kausalzusammenhang) ist die einzige, absolute, ewige Substanz, von deren unendlichen Attributen uns Ausdehnung (Materie) und Denken (Geist) zugängliche sind. Der anonym erschienene „Theologisch-politische Traktar“ verteidigt die Ideen der Freiheiot des Denkens und der Toleranz.

4 Lit.: Georg Jäger: Die Leiden des alten und neuen Werther. Hanser (oder Hauser?) Literatur-Kommentare. 9

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Vorlesung Sturm und Drang
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel
Veranstaltung
"Sturm und Drang" bei Frau Prof. M. Wünsch
Autor
Jahr
2000
Seiten
26
Katalognummer
V97267
ISBN (eBook)
9783638099424
Dateigröße
440 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Unvollständige Mitschrift der Vorlesung
Schlagworte
Literaturwissenschaft / Epoche / Sturm und Drang
Arbeit zitieren
Katja Thrum (Autor:in), 2000, Vorlesung Sturm und Drang, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97267

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Titel: Vorlesung Sturm und Drang



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