Historische Vorbedingungen für die Entstehung der "Eglise de Jésus-Christ sur la Terre par le Prophète Simon Kimbangu" in der Kongo-Region


Seminararbeit, 1996

15 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung - Themenabgrenzung

2. Zu Quellenlage und Darstellungsweise

3. Historische Entwicklungen vom 15. bis zum 18. Jahrhundert
3.1. Der Verlauf der ersten christlichen "Missionierungswelle"
3.2. Relevanz für die Entstehung der prophetischen Bewegungen

4. Die Propheten-Bewegungen und ihre Zielsetzungen
4.1. Religiöse Zielsetzungen und Forderungen
4.2. Die politische Dimension der Propheten-Bewegungen

5. Historische Entwicklungen im 19. und 20. Jahrhundert
5.1. Ausgangssituation in der Kongo-Region
5.2. Ausgangsbedingungen für die zweite "Missionierungswelle"
5.3. Die protestantischen Missionen
5.4. Die katholischen Missionen
5.5. Missionsmethoden und einige ihrer Auswirkungen

6. Kontext der Entstehung der prophetischen Bewegung um Si- mon Kimbangu 1921

7. Die Geschichte der kimbanguistischen Bewegung aus heutiger Sicht
7.1. Zur Selbstdarstellung der Kimbanguistenkirche heute
7.2. Quellenkritik
7.3. Zusammenfassung

8. Literatur

1. Einleitung - Themenabgrenzung

Keine religiöse Bewegung, gleich welcher Art, entsteht aus dem Nichts. Immer gibt es einen historischen, politischen und sozialen Kontext, mit dem sie sich auseinanderzusetzen gezwungen ist, und diese Auseinandersetzung ist in vielen Fällen äußerst konfliktreich.

Auch die jahrhundertelangen Bestrebungen christlicher Kirchen, ihres durch die Bibel begründeten Missionsauftrages gerecht zu werden, waren häufig konfliktreich, da die Missionare zwangsläufig immer wieder bereits vorhandenen Religionen und Weltauffassungen begegneten, die mit dem christlichen Glauben nicht oder nur sehr schwer vereinbar waren.

Besonders in Afrika war die Ausbreitung der christlichen Religion sehr stark von beiderlei Konflikten geprägt. Darüberhinaus waren, wo immer auf diesem Kontinent Missionare mit ihrer Arbeit beginnen wollten, Händler und/oder Soldaten nicht fern, und immer wieder wurde sehr schnell Religion zum Politikum.

Die vorliegende Arbeit stellt eine Hinführung zur Beschäftigung mit der "Kirche Jesu Christi auf Erden durch den Propheten Simon Kimbangu" in der Kon- go-Region dar, in deren Geschichte sich viele der o.a. Aspekte wiederfinden lassen. Die Arbeit wird, ausgehend von den ersten missionarischen Bemühungen der Euro- päer gegen Ende des 15. Jahrhunderts im Kongo-Gebiet, einen Einblick in das wechselhafte Verhältnis zwischen europäisch-christlichen und kongolesisch-nicht- christlichen Religionen zu geben versuchen1. Nur vor diesem Kenntnishintergrund gewinnt das Verständnis der religiösen Konflikte in der Kongo-Region zu Beginn des 2o. Jahrhunderts die erforderliche historische Tiefenschärfe.

2. Zu Quellenlage und Darstellungsweise

Die Darstellung von sich auf über vier Jahrhunderte erstreckenden Ereignisse in einer so kurzgefaßten Form wie hier bringt zwangsläufig ein gewisses Maß an Pauschalisierung mit sich. So erscheinen z.B. die katholischen und protestantischen Missionen als wesentlich homogenere Gruppen als dies tatsächlich der Fall war, weil Differenzierungen weitestgehend unterbleiben müssen.

Hinzu kommt, daß es im gegebenen Themenrahmen nur sehr wenig wirklich objektiv zu nennende Quellen gibt - aus heutiger Sicht sind fast alle zeitgenössi- schen Quellen eindeutig parteiisch - für oder gegen die christliche Mission, für oder gegen prophetische Bewegungen, für oder gegen Simon Kimbangu und seine An- hänger.

Selbst bei einer weit in die Vergangenheit greifenden historischen Darstel- lung sind daraus resultierende Widersprüchlichkeiten nicht gänzlich auszuräumen. Wenn sich also die vorliegende Arbeit sehr stark auf die aus den genannten Grün- den nicht unumstrittene historische Darstellung Marie-Louise Martins stützt, so tut sie das unter Vorbehalt, da eine differenzierte und adäquate Quellenkritik den gege- benen Rahmen sprengen würde. Die Zusammenfassung dieser Arbeit wird jedoch auch die wichtigsten Aspekte einer solchen Quellenkritik zu berücksichtigen versu- chen (→7.2.).

3. Historische Entwicklungen vom 15. bis zum 18. Jahrhundert

3.1. Der Verlauf der ersten christlichen "Missionierungswelle"

Die Geschichte der religiösen2 Bewegungen in der Kongo-Region3 läßt, grob gerastert, zwei christliche "Missionierungswellen" erkennen, deren erste bereits 1491 mit der Ankunft katholischer Missionare (vornehmlich Franziskaner und Johanniter) im damaligen kongolesischen Königreich einsetzte.

1482 waren, während der Erschließung des Seeweges nach Indien, portugie- sische Segelschiffe an der kongolesischen Küste gelandet. Die sofort angeknüpften diplomatischen Beziehungen gestalteten sich zunächst freundlich, die bald einset- zende Ausbreitung der christlichen Botschaft ging mit der Anknüpfung von Han- delsbeziehungen Hand in Hand. Der kongolesische König ließ sich, gemeinsam mit seinem Sohn Afonso und sechs der einflußreichsten Häuptlinge, christlich auf den Namen Joâo taufen.

Nach dem Tode Joâos brach zwischen seinen zwei Söhnen ein Konflikt um die Thronfolge aus, der nicht nur ein Kampf um die Herrschaft, sondern auch ein Kampf des "alten" gegen den "neuen" Glauben war: Afonso war getaufter (und, wie die Quellen vermuten lassen, überzeugter) Christ, sein Bruder Mpanzu a Nzinga war dagegen Verfechter der einheimischen Religionen. Dies ist insofern bemerkenswert, als bereits von Anfang an dem Christentum in der Kongo-Region eine deutlich er- kennbare politische Relevanz zu eigen war - eine Verknüpfung, die sich bis ins 2o. Jahrhundert hinein erhalten sollte.

Der christliche und europafreundliche Herrscher Afonso wurde zwar von den Portugiesen unterstützt, jedoch nicht so stark, wie dies zur endgültigen, fundierten Etablierung auch des Christentums erforderlich gewesen wäre. Portugal investierte (auch bezüglich der Missionen) seine Mittel zu dieser Zeit eher an anderen Orten, z.B. in Indien. Zugleich nahm die wirtschaftliche Ausbeutung der KongoRegion durch die portugiesischen Handelsleute immer weiter zu.

Formal blieb das Königshaus christlich, aber bereits der Enkel Afonsos - König Diogo - finanzierte seine aufwendige Lebensführung mit Gewinnen aus dem blühenden (und der christlichen Lehre widersprechenden!) Sklavenhandel. Nicht nur europäische Händler, auch kongolesische Häuptlinge verdienten gut an diesem Handel. Die Missionare sahen sich nicht in der Lage, dem offen widersprechen zu können, um ihre Stellung im Land nicht noch mehr zu gefährden. Jesuitische Missi- onare, die sich gegen die Praxis der Polygamie gewandt hatten, mußten 1555 das Land verlassen. Auch als 1645 Kapuzinermissionare sich erstmals offen gegen den Sklavenhandel wandten, zogen sie sich den Unwillen der Führungsschicht zu - was die Position der Mission in der Region weiter schwächte.

1667 kam es zu einem Bürgerkrieg, weil drei politische Gruppierungen mit- einander um die Herrschaft im Königreich stritten. Im Zuge dieser anhaltenden in- nenpolitischen Unruhen wurden auch die letzten Missionare (bis ca. 1684) aus der Region verdrängt.

3.2. Relevanz für die Entstehung der prophetischen Bewegungen

Das Scheitern der ersten christlichen Missionierungswelle gab Raum für eine verstärkte Hinwendung zu nicht von Europa aus gelenkten religiösen Bewegungen4. Die Bevorzugung nichteuropäischer, sondern eigener, kongolesischer Religionen ist durch verschiedene Umstände begründet, mit der sich zugleich das Scheitern der ersten christlichen Mission begründen läßt:

- Die Ausbeutung des Landes (Raubbau von Kupfer, Ausfuhr von Elfenbein, Handel mit Sklaven) hatte drastische Züge angenommen; die christlichen Missionare verloren, da sie - wie bereits erwähnt - kaum gegen diese Ausbeutung vorzugehen in der Lage waren, in der breiten Bevölkerung immer mehr an Einfluß.
- Sowohl Händler als auch Missionare waren häufig - im christlichen Sinne - alles andere als Vorbilder, was nicht eben zur Glaubwürdigkeit des Christen- tums beitrug.
- Eine vom König bzw. Herrscher vorgegebene Religionszugehörigkeit erzeugt fast zwangsläufig ein "verwässertes", lediglich formales Christentum, weil einem Großteil der Bevölkerung der persönliche Bezug fehlt.

Weitere Aspekte werden in den folgenden Abschnitten noch ergänzt wer- den.

4. Die Propheten-Bewegungen und ihre Zielsetzungen

Unter dem Begriff "Propheten-Bewegungen" sei hier eine bestimmte Form religiöser Bewegungen zusammengefaßt, die in afrikanischen Kontexten oft eine große Rolle gespielt hat. Die prophetische Bewegung um Simon Kimbangu 1921 stand in einer jahrhundertealten Tradition; auch zahlreiche ihrer religiösen Gedankeninhalte hatten historische Vorbilder.

Es ist im gegebenen Rahmen nicht möglich, eine wirklich adäquate Definition des "Propheten" zu versuchen - dies müßte Gegenstand einer separaten Darstellung sein. Daher seien hier lediglich in beispielhafter Form einige jener Teilaspekte prophetischer Bewegungen angesprochen, die zugleich der Intention dieser Darstellung, eine erläuternde Hinführung zu sein, am besten entsprechen.

4.1. Religiöse Zielsetzungen und Forderungen

Gegen Ende des 17. Jahrhunderts, als die Kongo-Region noch unter den Auswirkungen des Bürgerkriegs litt, wurde eine Prophetin namens Béatrice (Tauf- name, eigentlich Kimpa Vita) bekannt5. Diese Kongolesin fühlte sich durch Träume und Visionen vom heiligen Antonius - einem in Sâo Salvador besonders verehrten Heiligen - zur Prophetin berufen. Sie wandte sich mit ihrer schnell wachsenden An- hängerschaft sehr stark gegen die christliche Kirche - allerdings nicht gegen das Christentum selbst, sondern gegen die inhaltsentleerten Formalismen der katholi- schen Kirche. So forderte sie die Vernichtung von Kreuzen, Kruzifixen und Heili- genbildern, weil diese für viele Kongolesen nur zu neuen, stärkeren Fetischen ge- worden seien.

Vornehmlich zwei theologische Inhalte sind in Bezug auf den Kimbanguismus interessant:

- Béatrice lehrte, "daßChristus als Afrikaner in S â o Salvador zur Welt gekommen sei, und daßseine Apostel Schwarze gewesen seien" (Martin, S. 32). Die "Idee eines schwarzen Christus" und "schwarzer Apostel" taucht hier erst- mals auf und wird später im Zusammenhang mit Simon Kimbangu eine Rolle spie- len.
- Béatrice strebte eine Verknüpfung christlicher Religion mit afrikanischen Einflüssen an, z.B. wollte sie die Sündenvergebung (Sünde als christliches Konzept!) nicht durch das Kreuz, sondern durch zeremonielle Reinwaschung im Regen (ein afrikanisches Element) erreichen. Dieser Afrikanisierung des Christen-tums standen die europäisch-christlichen Missionare noch bis zum Ende der Kolonialzeit fast durchweg ablehnend gegenüber.

4.2. Die politische Dimension der Propheten-Bewegungen

Innerhalb sehr kurzer Zeit avancierte Béatrice zur nationalen Heldin, da sie der Ausbeutung durch die Europäer und dem sozialen Elend nach dem Bürgerkrieg nicht nur eine abstrakt-religiöse, sondern auch eine konkrete politische Vision ent- gegensetzte. Die von ihr geführte Bewegung der "Antonianer" (nach dem Hl. Anto- nius) rief zum Kampf gegen den von den Portugiesen mitverschuldeten nationalen Niedergang auf und forderte eine Versammlung aller Häuptlinge in Sâo Salvador zur Wiederherstellung des alten Kongoreiches. Durch den "aggressiven Nationa- lismus" (Massamba-Débat 1968, nach Martin, S. 34) der Antonianer wurde Béatrice in den Augen sowohl der weltlichen Herrscher als auch der Missionare zur Gefahr, und auf Betreiben der Kapuziner wurde die Prophetin verhaftet und 17o6 verbrannt.

Nicht nur die Antonianer-Bewegung, sondern die Mehrheit aller propheti- schen Bewegungen (auch zu Beginn des 2o. Jahrhunderts) hatten eine politische Dimension. Selbst bei einer ausschließlich religiös "motivierten" Bewegung ist in der Regel schon durch ihr Vorhandensein in einer bestimmten Größe und ihr Regelwerk (das z.B. Elemente des sozialen Verhaltens der Gläubigen reglementiert) eine politi- sche Relevanz gegeben. In vielen Fällen waren (zumindest in den Augen der Missi- onare und der Herrschenden, speziell der Kolonialregierungen) prophetische Bewe- gungen auch politische Gruppierungen. Im extremsten Falle konnte es sich tatsäch- lich um synkretistische Sekten handeln, die politische Inhalte lediglich mit einem prophetisch-religiösen Mantel umgaben, um weniger angreifbar zu sein.

5. Historische Entwicklungen im 19. und 2o. Jahrhundert

5.1. Ausgangssituation in der Kongo-Region

Das 18. Jahrhundert war, verallgemeinernd formuliert, für das Kongo- Königreich eine Phase des Niedergangs. Aufgrund interner Unruhen (innenpoliti- sche Streitigkeiten, z.B. Erbfolgekonflikte, und religiöse Zwiste) und natürlich eben- so aufgrund der anhaltenden Ausbeutung von außen zerfiel das Reich mehr und mehr; im 19. Jahrhundert war das Kongo-Reich auf eine kleine Region um Sâo Sal- vador zusammengeschrumpft. Dies machte die Kongo-Region politisch angreifbar, weil eine starke Zentralgewalt fehlte. Gemeinsam mit der voranschreitenden Erkun- dung und damit Zugänglichkeit des Binnenlandes (z.B. durch die Expeditionen Stanleys) wurde die Kongo-Region so für Europa erneut interessant.

Das ehemalige Kongo-Königreich verblieb unter dem Einfluß der Portugiesen; um den Rest des kongolesischen Gebietes stritten sich Engländer und Belgier, später auch Franzosen und Deutsche. Auf der 1884 in Berlin einberaumten Westafrika-Konferenz wurde schließlich ein Kompromiß gefunden:

"[...] ...die Berliner Konferenz kam schließlichüberein, Leopolds [gemeint ist Leopold II. von Belgien - Anm.d.Verf.] <Freien Kongo-Staat> anzuerkennen. Das belgische Parla- ment gab zu dieser Abmachung sein Verständnis, stellte aber zugleich klar, daßzwischen

Belgien und dem König kein Bindeglied (und damit keine weiteren Verpflichtungen auf der Seite Belgiens) außer der Person des Königs bestehen solle."

(Slade 1962, nach Martin, S. 41)

Diese besondere Regelung gab Leopold II. die Möglichkeit, in den folgenden 24 Jahren die Kongo-Region rücksichtslos auszubeuten. Dies betraf sowohl die fortgesetzte wirtschaftliche Ausbeutung des Landes (der Rohstoff Kautschuk hatte durch die sich ausweitende Industrialisierung Europas einen neuen Stellenwert gewonnen) als auch die Ausbeutung der Bevölkerung - der Sklavenhandel wurde durch die Ausbeutung der Arbeitskräfte vor Ort abgelöst. Erst 19o8 wurde die Region auf massiven innenpolitischen Druck in Belgien hin vom dortigen Parlament als Kolonie annektiert. Das sollte sie bis 196o bleiben.

5.2. Ausgangsbedingungen für die zweite "Missionierungswelle"

Die Ausgangsbedingungen für die zweite christliche Missionierung der Re- gion unterschieden sich in einigen Bereichen deutlich von jenen der ersten "Welle":

- Man war sich bezüglich der strikten Ablehnung und Unterbindung des Sklavenhandels nunmehr einig.
- England und die U.S.A. unterstützten (vor der Berlin-Konferenz) die Missionen mit finanziellen Hilfen und durch Entsendung vieler Missionare.
- Waren zuvor fast ausschließlich katholische Missionare in der Region tätig gewesen, so konkurrierten jetzt protestantische und katholische Missionen mit-einander und arbeiteten teilweise direkt gegeneinander (z.B. durch den Versuch, sich gegenseitig Anhänger "abzuwerben"), was den Gesamterfolg der Mission ver-ringerte.

Nicht verändert hatte sich dagegen (mit wenigen Ausnahmen6 ) das Beharren auf dem "westlichen Gewand" des Christentums; den "armen, zurückgebliebenen Eingeborenen" (Martin, S. 43) sollten die überlegenen technischen und religiösen Errungenschaften der europäischen und U.S.-amerikanischen Zivilisation nahege- bracht werden. Es war prinzipiell keinerlei Anpassung an die gegebenen Umstände vorgesehen, auch keine Erziehung der Kongolesen zu eigener (auch religiöser) Mündigkeit - so war z.B. die Ausbildung kongolesischer Priester ein bewußt vage formuliertes Fernziel. Besonders die katholische Mission lehnte es offenbar ab, z.B. Kongolesen eine fundierte Schulbildung angedeihen zu lassen - man warf, vor allem im Rahmen des Konflikts um Simon Kimbangu, später auch den protestantischen Missionaren vor, durch Vermittlung zu vielen Wissens die "Widerspenstigkeit" der Kimbanguisten verstärkt bzw. erst ermöglicht zu haben.

5.3. Die protestantischen Missionen

Die Anfänge der zweiten Missionierung in der Kongo-Region gehen auf die Initiative vornehmlich protestantischer Kreise zurück; so finanzierte der englische Industrielle Robert Arthington 1877 den Versuch, die Kongo-Region sowohl von Osten als auch von Westen her gleichzeitig zu erschließen und die Mission durch eine von Küste zu Küste reichenden Kette von Missionsstationen zu fundieren7. Die Umsetzung dieses Ziels gelang nur teilweise, was u.a. an der Unzugänglichkeit des Binnenlandes lag (die Nordhälfte der Region bestand fast ausschließlich aus tropischem Regenwald). Erfolge konnte die - in der Hauptsache von Baptisten durchgeführte - protestantische Mission hauptsächlich entlang des Kongo-Flusses verzeichnen (bis heute ist der Kongo die bei weitem beste Verkehrsverbindung von Westen nach Kisangani, abgesehen von den Flugrouten).

5.4. Die katholischen Missionen

Die ersten katholischen Missionare begannen - auf Betreiben Leopolds II. - ca. zehn Jahre nach den Protestanten mit ihrer Arbeit in der Kongo-Region. Von Anfang an stand dabei die Verdrängung der "protestantischen <Häretiker>" im Vordergrund, "ökumenische Bestrebungen waren noch unbekannt" (Martin, S. 48/49). Entgegen der auf der Westafrika-Konferenz vereinbarten Missionsfreiheit beanspruchte die belgisch-französische Mission das Alleinrecht auf Missionsarbeit im Kongo und arbeitete dabei eng mit der (nach 19o8 der Kolonial-)Regierung zu- sammen. Erklärtes Ziel war es, ein "neues katholisches Belgien im Kongo" zu schaf- fen, wobei die Vormundschaft Belgiens (und der katholischen Kirche) auch langfris- tig nicht verringert werden sollte, u.a. weil man offenbar europäische Lebensweise und "reifes" Christentum als voneinander nicht trennbar betrachtete.

5.5. Missionsmethoden und einige ihrer Auswirkungen

Sowohl Protestanten als auch Katholiken errichteten (allerdings mit etwas voneinander abweichenden Konzepten) christliche Missionsstationen, die sich in der Regel zu eigenen christlichen Siedlungen erweiterten, weil sich nach und nach Konvertiten z.T. mit ihren ganzen Familien dort niederließen. Oft handelte es sich dabei um Flüchtlinge, entlassene oder befreite Sklaven, die in diesen christlichen Gemeinschaften (im Falle der Katholiken waren dies sog. "chrétientés" - von "chrétienté"=Christenheit) Sicherheit fanden.

Meist waren diese Siedlungen landwirtschaftliche Selbstversorger, was zwar im Prinzip günstig war, allerdings den Nachteil mit sich brachte, daß der "missionarische Auftrag" unter den nur geringen Handelsbeziehungen litt: ohne diesen gab es weniger Kommunikation mit den nichtchristlichen Siedlungen. Zudem erbrachte die neue Lebensform zwar Sicherheit, förderte jedoch zugleich den Zerfall alter sozialer Phänomene, z.B. der Großfamilie oder der Polygamie, die ihre Bedeutung z.B. für die Arbeitsteilung und die soziale Absicherung einbüßten.

Da eine Adaptation an die gegebenen Umstände nicht vorgesehen war, versuchten die christlichen Missionare, afrikanische Kulturelemente durch westliche zu ersetzen. Diese Versuche mußten in dieser Form allerdings fast zwangsläufig langfristig scheitern, schon weil ihnen - so läßt sich heute annehmen - nur ungenügende Kenntnisse der afrikanischen Kultur zugrundelagen.

So versuchte man z.B. im Bereich der Heilung, die (natürlich "heidnische") zentrale Figur des Medizinmannes überflüssig zu machen, indem man in den Missi- onsstationen ärztliche Betreuung anbot. Diesem Unterfangen konnte bereits deswe- gen nur wenig Erfolg beschieden sein, weil man die starken religiösen bzw. spirituel- len Komponenten, die Krankheit und Unglück in der Vorstellung der meisten Kon- golesen hatten, aufzugreifen versäumte8. Laut Martin ist dies ein bis heute anhalten- der Umstand:

"Bis zum heutigen Tag gehen Christen der protestantischen und katholischen Kirchen zu Propheten und Heilern der unabhängigen afrikanischen Kirchen, wenn sie in Not geraten oder sich krank fühlen - meist ohne Wissen des Missionars. Es ist dies eine Tatsache, die ich in verschiedenen Teilen Afrikas während Jahren beobachten konnte. Diese Tendenz nimmt heute zu und nicht ab."

(Martin, S. 54)

6. Kontext der Entstehung der prophetischen Bewegung um Simon Kimbangu 1921

Aus der bisher gegebenen historischen Darstellung lassen sich zusammen- fassend einige Elemente herausgreifen, die den Ursprung der kimbanguistischen Bewegung und die damit verbundenen Konflikte besser verständlich machen:

Die über Jahrhunderte hinweg mehr oder weniger systematisch betriebene wirtschaftliche Ausbeutung des Landes seitens der Europäer hatte eine ihrer drastischsten Phasen gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als die Kongo-Region Leopold II. unterstand. Unter der belgischen Kolonialverwaltung hatte sich vergleichsweise wenig an dieser Form der Übervorteilung geändert. Fast zwangsläufig mußte dies zu einer wachsenden Unzufriedenheit in der Bevölkerung führen. Dies war der Kolonialverwaltung ohne Zweifel bewußt, was vermutlich die Bereitschaft erhöhte, auf die Heranbildung von Gruppen, die als politisches Sprachrohr zu fungieren die Möglichkeiten hatten9, mit drastischen Mitteln zu reagieren.

Die heftige Reaktion der Kolonialverwaltung und der Missionare auf die Bewegung um Simon Kimbangu mag zudem auf ein nach und nach entstandenes und tief verwurzeltes "Feindbild" zurückzuführen sein, das von historischen Bei- spielen wie dem der Antonianer-Bewegung genährt wurde und möglicherweise Kompromisse selbst dort verhinderte, wo solche Lösungen möglich gewesen wä- ren 10.

Die beharrliche Ignoranz der meisten Europäer in der Region (Missionare, Händler oder Kolonialbeamte) gegenüber der Notwendigkeit, sich afrikanischen Verhältnissen anzupassen, hatte ferner in vielen Bereichen in Sackgassen geführt:

- Wesentliche religiöse Bedürfnisse blieben unerfüllt (es sei z.B. noch einmal an die Unterrepräsentanz der Frau in der katholischen Kirche erinnert oder an die Problematik im Bereich der Heilung).
- Die Repräsentanten der Regierung vertraten in der Regel nicht die Bevölkerung, sondern die Interessen der Kolonialherren.
- Das nichtafrikanisierte, "weiße" Christentum erschien vielen Kongo- lesen unpassend oder verfälscht; man könnte evtl. so weit gehen zu sagen: sie waren nicht willens, sich auch im spirituellen Bereich mit einer Bevormundung durch ei- nen "weißen" Messias und "weiße" Apostel abzufinden. Offenbar war einem Groß- teil der Kongolesen ein "schwarzes" Christentum näher als die gänzliche Abkehr vom christlichen Glauben zugunsten vorchristlicher Religionsformen. Dies war (wie schon Jahrhunderte zuvor) der Ansatzpunkt für das Wirken christlich-prophetischer Bewegungen wie des Kimbanguismus.

Es gab noch keine offiziell anerkannten politischen Sprachrohre der kongo- lesischen Bevölkerung, reguläre Parteien existierten erst nach 1955. Neben den "ech- ten" prophetischen Bewegungen entstanden daher zahlreiche synkretistische Grup- pierungen, die Religiosität als Tarnmantel für andere Zielsetzungen nutzten. Die "echten" von den "unechten" prophetischen Bewegungen zu unterscheiden (zumal innerhalb der einzelnen Gruppen auch nicht immer Homogenität vorherrschte), war den "weißen" Machthabern kaum oder gar nicht möglich, schon daher war ihnen jede erfolgreiche prophetische Bewegung zwangsläufig potentiell verdächtig.

So betrachtet erscheint sowohl die Entstehung des Kimbanguismus als auch der dadurch ausgelöste Konflikt mit den kolonialen Machthabern als keineswegs zufällig. Sie wirkt vielmehr wie das Ergebnis einer historisch erfaßbaren Zuspitzung eines kulturellen Konflikts.

Diese Darstellung bietet nicht den Rahmen, in adäquater Form auf diese Vermutung einzugehen und sie zu überprüfen, zumal die Darstellung der kimbanguistischen Bewegung selbst ausgeklammert bleiben muß11. Es sei jedoch ergänzend auf zwei damit in engem Zusammenhang stehende Aspekte eingegangen, die sich auf die Problematik beziehen, aus heutiger Sicht Aufschlüsse über die Ereignisse 1921 und ihre Vorbedingungen zu gewinnen.

7. Die Geschichte der kimbanguistischen Bewegung aus heutiger Sicht

7.1. Zur Selbstdarstellung der Kimbanguistenkirche heute

Eine der Datenquellen, aus denen sich heute Informationen über die kim- banguistische Bewegung und ihre Anfänge gewinnen lassen, ist natürlich die mo- derne kimbanguistische Kirche selbst. Die Darstellung Marie-Louise Martins bezieht sich in nicht geringem Maße auf von der Kirchenführung zur Verfügung gestellte Texte und Dokumente. Im Rahmen ihrer Darstellung verweist sie auf einige interes- sante Aspekte, welche die heutige Stellung der Kirche zu Regierung und Politik betreffen.

Die 196o verabschiedete Kirchenordnung betont die Bürgerpflichten, die Mitglieder der Kimbanguistenkirche dem Staat gegenüber zu erfüllen haben; so ruft sie zu pünktlicher Bezahlung der Steuern, Staatstreue und - trotz der grundsätzlichen Ablehnung von Gewalt - Ableistung des Militärdienstes auf12. Die Kirche betont ferner ihren Anspruch, grundsätzlich jeder Hautfarbe, Nationalität und politischen Gesinnung gegenüber tolerant zu sein13. Äußerungen zur Politik werden allgemein und grundsätzlich gehalten; so zitiert Martin einen Kommentar Joseph Diangiendas (einem Sohn Simon Kimbangus), dem langjährigen Oberhaupt der Kimbanguistenkirche, zur Erklärung der Menschenrechte:

"Die <Kirche Jesu Christi auf Erden durch den Propheten Simon Kimbangu> hält die Anwendung der <Universellen Erklärung der Menschenrechte> (UNO) in allen Ländern für angemessen und notwendig, besonders was die fundamentalen Freiheiten anlangt."

(Diangienda 1966, nach Martin, S. 176)

Eine solche betont konfliktvermeidende Haltung zur Politik und auch Lan- despolitik mag zwar aus der Geschichte der Bewegung heraus verständlich erschei- nen, es bleibt jedoch die naheliegende Frage offen, was aus solchen Vorsätzen wird, wenn das Prinzip der Nichteinmischung mit religiösen Grundsätzen kollidiert.

Martin gibt hierzu einen (von ihr unkommentiert als solchen bezeichneten) kimbanguistischen "Tatsachenbericht" wieder (vgl. Martin, S. 178), der einen solchen Konfliktfall schildert:

Als im Jahre 1964 (der Zeit der Regierungskrisen nach der Unabhängigwer- dung) kongolesische und belgische Soldaten in Kisangani eindringen, um gegen eine Gruppe Rebellen (die sog. "simba"=Löwen) vorzugehen, gerät eine Gruppe von etwa 17o Kimbanguisten, die gerade einen Gottesdient abhalten, zwischen die Fronten. Da jede der befeindeten Parteien die Kimbanguisten für Sympathisanten des Gegners hält, wird von beiden Seiten das Feuer auf die Gläubigen eröffnet. Die- se fliehen jedoch nicht und leisten - getreu dem Prinzip der Gewaltlosigkeit - keine Gegenwehr, verharren und beten, "bereit zu sterben, aber nicht zu töten" (Martin, S. 178). Ihre Glaubensstärke (so die Darstellung) rettet die Gemeinde, niemand wird auch nur verletzt, die Soldaten ziehen nach Aufklärung des "Mißverständnisses" weiter.

Es kann hier nicht diskutiert werden, was die vermutlich mit der Darstellung solcher Ereignisse in der erwähnten Form verbundene "Mythenbildung" bewirkt (bzw. bewirken sollte, falls sie denn gelenkt geschähe)14. Anhand dieses Beispiels läßt sich jedoch erneut auf die Problematik einer objektiven historischen Darstellung in Bezug auf die Entstehung des Kimbanguismus verweisen. Wenn bereits Ereignis- se wie das oben beschriebene sich nur wenige Jahre später kaum noch "objektiv" prüfen lassen, welchen Verzerrungen mag dann die viel weiter zurückgreifende Dar- stellung der Gründung der Bewegung unterliegen? Und selbst die historisch orien- tierte Darstellung Martins, die dieser Darstellung zugrundeliegt, bleibt von dieser Frage nicht ausgenommen.

7.2. Quellenkritik

Eine zum Teil Jahrhunderte zurückgreifende historische Darstellung wie die M.-L. Martins muß sich natürlich zunächst mit dem allgemeinen Grundproblem vieler historischer Abrisse auseinandersetzen: der Dürftigkeit objektiver Quellen und Dokumente. In Afrika ist dies besonders schwierig, weil viele historische Ereignisse lange nur auf Umwegen oder mit großer zeitlicher Verzögerung eine schriftliche Niederlegung erfuhren. Und fast jede Chronik schließt - mehr oder weniger willent- lich - den subjektiven Standpunkt des Chronisten zu den Ereignissen mit ein.

Im Falle der Gründungsgeschichte des Kimbanguismus bedeutet das: zeit- genössische schriftliche Quellen stammen entweder von parteiischen Zeitzeugen (z.B. katholischen Missionaren) oder von späteren Chronisten (wie jenen der mo- dernen Kimbanguistenkirche15 ), die oft ebenso voreingenommen verfuhren. Die Unmöglichkeit, sich im Nachhinein eine wirklich "objektive", faktisch korrekte Sicht der Ereignisse zu erarbeiten, erzwingt letztendlich die Reduktion auf einen Kom- promiß. Diese Notlösung besteht entweder in einem (zwangsläufig umfangreichen und akribischen) Vergleich aller zugänglichen Darstellungen (was den hier gegebe- nen Rahmen bei weitem sprengen würde) oder in einem Aufgreifen einer Einzel- darstellung, deren subjektive Einflüsse jedoch klar hervorgehoben werden.

Dies ist auch im Falle Marie-Louise Martins erforderlich. Die Schweizer Theologin beschäftigte sich im Auftrag der Herrnhuter Brüdergemeinde Ende der Sechziger Jahre mit der kimbanguistischen Kirche. Ihr ursprünglicher Auftrag war es, Daten zu sammeln, um einen Entschluß über den beantragten Beitritt der Kimbanguistenkirche zum Ökumenischen Rat der Kirchen zu ermöglichen. So ging es u.a. um die Frage, ob die kimbanguistische Kirche wirklich eine christliche Kirche oder vielmehr eine synkretistische oder nationalistische Sekte sei, und welche Rolle der Prophet Simon Kimbangu darin spiele.

Das Buch von Marie-Louise Martin läßt eine deutliche Parteinahme zuguns- ten der kimbanguistischen Kirche und ihrer Gründungsbewegung erkennen. Es ist durchaus korrekt, wenn ein anderer Autor anmerkt, Marie-Louise Martins Darstel- lung sei

"...therefore not only a documentation on Kimbanguism, but also a Kimbanguist docu- ment."

(Droogers, S. 188)

Unter kritischer Berücksichtigung dieses Umstandes (den die Autorin keineswegs zu verschleiern sucht - bereits der Klappentext verweist darauf, daß Martin 197o/71 "die Leitung der theologischen Ausbildung in der Kimbanguistenkirche übernahm") lassen sich jedoch m.E. im gegebenen Rahmen die wesentlichen historischen Ereignislinien, die das Buch in anschaulicher Weise beschreibt, aufgreifen und wissenschaftlich korrekt verarbeiten, ohne das Vorhandensein anderer Lehrmeinungen in einzelnen Bereichen verleugnen zu wollen.

7.3. Zusammenfassung

Es wurde eingangs darauf verwiesen, daß keine religiöse Bewegung aus dem Nichts entsteht, sondern immer eingebunden ist in einen historischen, sozialen und politischen Kontext. Wendet man diese "Binsenweisheit" auf den Kimbanguismus an, so erscheint - besonders aus der historischen Perspektive - sowohl seine Entste- hung als auch sein Konflikt mit den Kolonialherren als logische Fortsetzung einer langfristigen Entwicklung. Prophetische Bewegungen waren offenbar ein nahelie- gendes und funktionierendes Ventil sowohl für die unerfüllten Mündigkeitsbestre- bungen als auch für die vernachlässigten spirituellen Bedürfnisse vieler Kongolesen in der Kolonialzeit. Simon Kimbangu hatte (sei er jetzt Scharlatan oder Heiliger ge- wesen) offenbar in besonderer Weise zugleich das Glück und das Pech, zur richti- gen Zeit am richtigen Ort zu sein, um dieses Ventil zugänglich bzw. funktionsfähig zu machen. Da über den "historischen" Kimbangu fast keine objektiv zu nennenden Daten existieren, kann außer Mutmaßungen hierzu kaum mehr gesagt werden.

Weder das Phänomen der "prophetischen Bewegung" an sich noch die we- sentlichen religiösen Inhalte der kimbanguistischen Bewegung (z.B. die Idee eines "schwarzen" Apostels bzw. Fürsprechers für die Kongolesen) waren neu. Dies zeigt z.B. der Vergleich mit der Prophetin Béatrice. Ob die Orientierung an historischen Vorbildern bewußt erfolgte, dürfte sich heute kaum noch eruieren lassen - ebenso- wenig wie die Antwort auf die Frage nach den gänzlich objektiven Fakten und tat- sächlichen Ereignissen.

Möglicherweise ist es auch müßig, diese Frage zu stellen. Nicht nur, weil es keine definitive Antwort geben kann, sondern auch weil für die heutigen Kimbanguisten ihre Sicht der Ereignisse die entscheidende Perspektive ist, und ihre Ansichten und Handlungen sich danach ausrichten.

Marie-Louise Martin regt in ihrem Buch u.a. an, die "weißen" christlichen Kirchen könnten durchaus auch von der kimbanguistischen Kirche lernen, z.B. was die selbstverständliche Einbindung der Frau in alle Stufen der Kirchenstruktur oder die Hinterfragung möglicherweise inhaltsentleerter Formalismen betrifft. Diese Aufforderung zu konstruktiver Zusammenarbeit ist zweifelsfrei sehr positiv zu bewerten, denn sie scheint - leider, wie man hinzufügen muß - weder 1971 noch später eine Selbstverständlichkeit gewesen zu sein.

Auch der Aspekt "Religion als Politikum" findet heute immer wieder - oft traurige - Beispiele, sei es in Osteuropa, Asien oder anderswo. Immer wieder stoßen konträre "objektive Wahrheiten" aufeinander und zeitigen Konflikte, die sich durch das jeweilige Beharren auf "historischer Richtigkeit" nicht lösen zu lassen scheinen. So ist auch der Kimbanguismus und seine Geschichte nur ein weiteres Bei-spiel für die Feststellung: Geschichte ist nicht nur - sie ist stets auch das, was man später aus ihr macht.

8. Literatur

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[...]


1 Die vorliegende Darstellung beschränkt sich dabei weitgehend auf die historische Perspektive, da eine ausführliche Darstellung der Entstehung der kimbanguistischen Bewegung 1921, die Geschichte ihres Begründers und theologische Inhalte der daraus entstandenen Kirche im Rahmen des Seminars ein separates Referat darstellten.

2 Die in den folgenden Abschnitten gegebene Zusammenfassung folgt der historischen Darstellung in Marie-Louise Martins 1971 veröffentlichtem Buch "Kirche ohne Weiße: Simon Kimbangu und seine Millionenkirche im Kongo".

3 Was hier als "Kongo-Region" angesprochen wird, entspricht geographisch etwa dem heutigen zaïrianischen Staatsgebiet; da die Bezeichnung Zaïre jedoch erst 1971 eingeführt wurde, wird in dieser weiter zurückgreifenden Darstellung auf ihre Verwendung verzichtet.

4 Wie noch zu sehen sein wird, bedeutete diese Hinwendung zum Eigenen keineswegs zwangsläufig eine Abkehr vom Christentum überhaupt.

5 Prophetinnen waren in Afrika keine Ausnahmeerscheinung; Martin führt hier als weitere Belegbeispiele 'Mantsopa Makheta (Lesotho) und Nongqause (Südafrika) an. Es läßt sich vermuten, daß die patriarchalische Struktur der katholischen Kirche, die für die wichtige Rolle der Frau in afrikanischen Religionen keine Entsprechung hat, zum Erfolg der Prophetinnen beigetragen hat.

6 Martin erwähnt als Ausnahmen hier beispielsweise die Arbeit Dan Crawfords und der "PlymouthBrüder" (vgl. Martin, S. 45f.).

7 Eine vergleichbare Zielsetzung formulierte auch Johann Ludwig Krapf, der zwischen 1837 und 1868 Ostafrika und Äthiopien bereiste.

8 Es wurde im Rahmen des Seminars darauf verwiesen, daß außerdem die Ärzte in den entsprechenden Missionsstationen unter sehr ungünstigen Bedingungen zu arbeiten gezwungen waren - z.B. was die Versorgung mit Medikamenten betraf -; dies beeinträchtigte natürlich ihre "Erfolgsquoten" und damit das Vertrauen der Bevölkerung in die schulmedizinischen Fähigkeiten.

9 Dabei war vermutlich nicht einmal in erster Linie wesentlich, ob diese Gruppen solche politischen Aussagen intendierten oder nicht.

10 Es sei angemerkt, daß dem möglicherweise ein ähnliches Feindbild seitens der Prophetenanhänger selbst entgegenstand.

11 vgl. Anmerkung 1. Eine ausführliche Chronologie der Geschichte der kimbanguistischen Bewe- gung findet sich außerdem bei André Geuns 1974 und Cecilia Irvine 1974 (vgl. Literaturverzeichnis).

12 vgl. ferner Martin S. 185f..

13 Insofern wäre der von M.-L. Martin für ihre Darstellung gewählte Titel "Kirche ohne Weiße" irre- führend. Es wurde jedoch im Seminar darauf hingewiesen, daß zeitweise auch der kimbanguistischen Bewegung (berechtigte?) rassistische (d.h. in diesem Fall: "anti-weiße") Tendenzen vorgeworfen worden seien.

14 Weitere Beispiele hierfür finden sich bei Janzen/MacGaffey 1974, wo es um "Zeugenberichte" von Aktivitäten Kimbangus nach seinem Tod 1951 geht (vgl. Literaturverzeichnis).

15 Ein Beispiel hierfür wäre der kurze Artikel K. Kuntalas 1977/78 (vgl. Literaturverzeichnis), Kuntala ist selbst ein Vertreter der kimbanguistischen Kirche.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Historische Vorbedingungen für die Entstehung der "Eglise de Jésus-Christ sur la Terre par le Prophète Simon Kimbangu" in der Kongo-Region
Note
1,0
Autor
Jahr
1996
Seiten
15
Katalognummer
V97205
ISBN (eBook)
9783638098809
Dateigröße
388 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
hauptsächlich basierend auf dem Buch "Kirche ohne Weiße: Simon Kimbangu und seine Millionenkirche im Kongo" von Marie-Louise Martin (1971)
Schlagworte
Historische, Vorbedingungen, Entstehung, Eglise, Jésus-Christ, Terre, Prophète, Simon, Kimbangu, Kongo-Region
Arbeit zitieren
Hendrik Schulthe-Mohn (Autor:in), 1996, Historische Vorbedingungen für die Entstehung der "Eglise de Jésus-Christ sur la Terre par le Prophète Simon Kimbangu" in der Kongo-Region, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97205

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