Der homo oeconomicus in der Politikwissenschaft


Hausarbeit (Hauptseminar), 2001

20 Seiten, Note: Sehr gut (minus)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Zur Geschichte des homo oeconomicus

III. Das ökonomische Verhaltensmodell
III.1 Präferenzen und Restriktionen
III.2 Die Eigenständigkeit der Entscheidung
III.3 Die Rationalität der Entscheidung

IV. Downs ökonomische Theorie der Demokratie
IV.1 Der Politiker als Nutzenmaximierer
IV.2 Das ökonomische Modell der Parteienkonkurrenz

V. Modellkritik aus der "Public-Choice-Perspektive"
V.1 Die Konzentration der Interessen
V.2 Der Informationsgrad der Wähler
V.3 Der Organisationsgrad der Wähler

VI. Bürokraten als Nutzenmaximierer

VII. Schlussbetrachtung

VIII. Literatur

I. Einleitung

Der allgemeine Glaube, dass der homo oeconomicus allein in der Wirtschaft zu Hause wäre, ist weit verbreitet. "Der homo oeconomicus ist eben der in der Wirtschaft tätige Mensch."

Das Menschenbild des homo oeconomicus geht allerdings darüber hinaus. Es ist ein Erklärungsversuch für menschliches Verhalten, in dem es dem Menschen Rationalität und Egoismus unterstellt.

Da es keinen vernünftigen Grund gibt anzunehmen, dass Menschen sich grundsätzlich anders verhalten, wenn sie beispielsweise soziale und politische Probleme lösen als wenn sie wirtschaftliche oder juristische Aufgaben angehen, gibt es auch keinen Grund, den homo oeconomicus aus den anderen Sozialwissenschaften auszusperren.[1]

In dieser Arbeit soll der homo oeconomicus in der modernen Politikwissenschaft betrachtet werden bzw. das Verhalten der Politiker in demokratischen Systemen unter Voraussetzung des ökonomischen Menschenbildes analysiert werden.

Einleitend wird auf die Entwicklung des Menschenbildes des homo oeconomicus in der Historie eingegangen, wo vor allem deutlich gemacht werden soll, dass dieses Menschenbild tatsächlich kein Kind der Ökonomie sondern vielmehr im Bereich der Staatsphilosophie anzusiedeln ist. Die Anwendung des ökonomischen Menschenbildes in der modernen Politikwissenschaft kann von dieser Seite aus betrachtet vielleicht sogar als Schritt "back to the roots" betrachtet werden.

"Wie verhalten sich Politiker in Demokratien unter Zugrundelegung des ökonomischen Menschenbildes?", lautet die Frage, welcher hier vor allem nachgegangen werden soll.

Eine erste Antwort wird mit dem von Downs entwickelten Modell der Parteienkonkurrenz gegeben, in dem den Parteien im besonderen bzw. den Politikern im allgemeinen ein Verhalten unterstellt wird, welches im Prinzip auf eine mittlere Interessenvertretung der Wähler hinausläuft.

Anschließend wird diese Annahme durch drei aus der "Public-Choice-Perspektive" vorgetragenen Argumente konterkariert, welche dafür sprechen, dass Politiker nicht die mittleren Interessen der Wähler sondern vielmehr Minoritäteninteressen vertreten.

Im Zuge dieser Argumentation rücken neben den Politikern die Vertreter von Interessengruppen als weiterer wichtiger Akteur im politischen Prozess ins Zentrum der Betrachtung.

Eine dritte wichtige Gruppe der "politischen Unternehmer", die Bürokraten, werden nicht außen vorgelassen. Ihr Verhalten wird auf dem Hintergrund des ökonomischen Verhaltensmodells abschließend untersucht.

II. Zur Geschichte des homo oeconomicus

Auf eine Geburtsstunde des Menschenbildes des homo oeconomicus, des rationalen Eingennutzmaximierers oder auch vernünftigen Egoisten, kann man sich schwerlich festlegen.

Bereits Platon legte in seinen staatsphilosophischen Überlegungen ein per se eigennutzorientiertes bzw. egoistisches Menschenbild zugrunde. In seinem Werk "Der Staat", in dem er sich u.a. mit der Frage auseinandersetzt: "Wer soll herrschen?" bzw. "Wer soll regieren?" kommt er zu dem Schluss, dass es Könige sein sollten und die Könige zu Philosophen werden sollten, weil nur sie sich der Gerechtigkeit und dem Wohl der Gemeinschaft verpflichtet fühlen würden und nicht ihren Eigeninteressen[2]

Das egoistische Menschenbild als Grundelement des kapitalistischen Gesellschafts- und Wirtschaftslebens wurde zum ersten Mal bei Thomas Hobbes notiert. Hobbes beschreibt den Menschen als "animal rationale", ein aus Leidenschaft und Vernunft zusammengesetztes Wesen. Seine Leidenschaft ist seine Lebensbegierde und daraus folgt sein Egoismus. Da die Menschen meist nach den gleichen Gütern streben, diese aber aufgrund ihres Egoismuses nicht zu teilen gedenken, ist für sie die vernünftigste Lösung die Vorbeugung, heißt, den Konkurrenzkampf bereits im Vorfeld zu verhindern, potentielle Konkurrenten - und das ist jeder Mensch - bereits vorher seiner eigenen Macht zu unterwerfen oder zu töten. So kommt es zum "bellum omnium contra omnes". Um des Überlebens willen schließen die Menschen einen Vertrag, in dem sie alle individuellen Rechte aufgeben und einer souveränen Gewalt übertragen.[3]

Durch Hobbes inspiriert schrieb Mandeville 1714 die Fabel: "The Fable of the Bees or Private Vices Made Public Benefits". Darin stellt Mandeville dar, dass nur Egoismus den Bienenstock zusammenhält. In dem Augenblick, wo es ehrenhafte, ehrliche und vor allem altruistische Bienen gibt, steht das ganze Leben im Bienenstock still, und eine Katastrophe tritt ein.[4]

Dasselbe Motiv taucht bei Adam Smith auf, in seinem berühmten Hauptwerk "An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations"[5]. Auch er schreibt der egoistischen Natur des Menschen eine positive Funktion zu. Indem die Individuen nichts wollen, als ihren eigenen Profit zu machen, ihren eigenen Vorteil zu erwerben, entsteht gemäß dem Gesetz der freien Konkurrenz und dem Ausgleichsspiel zwischen Angebot und Nachfrage eine Wohltat für den Konsumenten. Weil jeder den anderen überbieten will und nur Profit machen kann, indem er bessere Waren billiger herstellt, entsteht ein Vorteil für den Auswählenden und Kaufenden.[6]

Schon in der Staatslehre der Antike taucht bei Platon also ein egoistisches Menschenbild auf. Einer der ersten Vertreter des Liberalismus, Thomas Hobbes, zeichnet wiederum ein egoistisches Menschenbild und fügt ihm darüberhinaus explizit die Eigenschaft der Vernunft zu. Adam Smith beschreibt die Funktionalität des vernünftigen Egoismuses für die Gesellschaft, speziell für den materiellen Wohlstand

einer Gesellschaft.[7]

Die Anwendung dieses Menschenbildes auf Fragestellungen der modernen Politikwissenschaft scheint in Anbetracht seiner staatsphilosophischen Wurzeln eine nur konsequente Vorgehensweise. Einer der ersten, der dies tat, war Anthony Downs mit seiner im Jahr 1957 erschienen "Ökonomischen Theorie der Demokratie".[8] Im wesentlichen beschäftigt sich Downs hier mit der Frage: Wie verhalten sich Politiker in demokratischen Systemen nach Zugrundelegung des Menschenbildes des vernünftigen Egoisten?

Bevor jedoch in Anlehnung an Downs und verschiedener andere Autoren dieser Frage nachgegangen wird ist zuerst ausführlicher auf das Menschenbild des vernünftigen Egoisten, bzw. des homo oeconomicus und das ihm implizierte Verhaltensmodell einzugehen.

III. Das ökonomische Verhaltensmodell

Das Metapher des homo oeconomicus beschreibt ein Modell individuellen Verhaltens, welches das menschliche Handeln als eine rationale Auswahl aus Alternativen beschreibt.

Der Vollständigkeit halber ist darauf zu verweisen, dass der homo oeconomicus noch mehrere andere Namen trägt. Brunner und Meckling bezeichnen ihn in Ihren Arbeiten als "REMM" (Resourceful, Evaluating, Maximising Man)[9] ; in der Werterwartungs- oder Nutzentheorie spricht man von Nutzenmaximierer oder folgerichtigerweise auch

vom Schadenminimierer.[10]

[...]


[1] vgl. Kirchgässner, Gebhard: Homo Oeconomicus, Tübingen 1991, S. 2.

[2] vgl. Platon: Der Staat, S. 484.

[3] vgl. Fetcher, Iring (Hrsg.): Thomas Hobbes, Leviathan. Frankfurt am Main 1992.

[4] vgl. Bloch, Ernst: Vorlesungen zur Philosophie der Renaissance, in: Ders., Gesamtausgabe, Bd. 12, Frankfurt 1977, S. 296ff.

[5] Smith, Adam: Der Wohlstand der Nationen, Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen, München 1974.

[6] vgl. Bloch: Vorlesungen zu Philosophie der Renaissance, S. 297.

[7] Die Entwicklung des Menschenbildes des "rationalen Egoisten" (homo oeconomicus) wurde in diesem Abschnitt nur ausschnittsweise dargestellt. Noch viele große Namen, wie z.B. Machiavelli mit seinem Portrait des "principe nuovo", könnten hier genannt werden. Zur Bedeutung der machiavellischen Schriften für das Menschenbild des homo oeconomicus vgl Kersting, Wolfgang: Der Markt - das Ende der Geschichte, in: Brieskorn, Norbert, Wallacher, Johannes (Hrsg.): Homo oeconomicus: Der Mensch der Zukunft?, Berlin 1998, S. 93 - 125, S. 109ff.

[8] Downs, A.: An Economic Theory of Democracy, New York, 1957.

[9] vgl. u.a. Brunner, K.; Meckling, W. H.: The Perception of Man and the Conception of Government, Journal of Money, Credit, and Banking, Vo. 9, 1977.

[10] vgl. Opp, Karl Dieter: Das ökonomische Programm in der Soziologie, in: Albert, Hans und Stapf, Kurt H.: Theorie und Erfahrung, Stuttgart 1979, S. 313 - 350.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Der homo oeconomicus in der Politikwissenschaft
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn  (Seminar für Orientallische Sprachen - Abteilung Wirtschaftswissenschaften)
Veranstaltung
Hauptseminar Wirtschaftspolitik im Systemwettbewerb
Note
Sehr gut (minus)
Autor
Jahr
2001
Seiten
20
Katalognummer
V9706
ISBN (eBook)
9783638163361
ISBN (Buch)
9783638806060
Dateigröße
460 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Public Choice, Nutzenmaximierer, Parteienkonkurrenz, Systemwettbewerb
Arbeit zitieren
Andree Martens (Autor:in), 2001, Der homo oeconomicus in der Politikwissenschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/9706

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