Chamisso, Adelbert von - Peter Schlemihls wundersame Geschichte


Referat / Aufsatz (Schule), 1999

7 Seiten


Leseprobe


1. Autorinformation:

Adelbert von Chamisso1 (1781-1838)

Adelbert von Chamisso, eigentlich Charles Ad é la ï de de Chamisso de Boncourt, wurde am 30.1.1781 auf Schloss Boncourt in der Champagne geboren und floh während der Französischen Revolution mit seinen Eltern nach Deutschland. 1796 wurde er Page am preu ßischen Königshof in Berlin und schlug zwischen 1798 und 1807 eine Offizierskarriere im preußischen Heer ein.

Von 1804 bis 1806 fungierte er neben Karl August Varnhagen von Ense als Herausgeber des Grünen Almanachs. In den Jahren 1811 und 1812 war Chamisso Gast im Hause der französischen Schriftstellerin Germaine de Staël am Genfer See und nahm 1815 bis 1818 als Naturforscher an einer Weltumsegelung teil. Nach seiner R ückkunft arbeitete er zunächst als Gehilfe, später als Vorsteher des Herbariums am Botanischen Garten in Berlin (Übersicht der nutzbarsten und schädlichsten Gewächse, 1827; in der Neubearbeitung von R. Schneeball-Graf 1987 neuerlich herausgegeben).

Im Übrigen war Chamisso in den Künstlerzirkeln Berlins ein gern gesehener Gast, vor allem im Kreis der Serapionsbrüder um E.T.A. Hoffmann, der mit seiner Erz ählung Die Abenteuer der Silvesternacht (1814) bzw. der Binnengeschichte (Die Geschichte vom verlorenen Spiegelbilde) eine Replik auf den Schlemihl schuf. Ein weiterer Bekannter war Friedrich Heinrich Karl Baron de la Motte-Fouqué. Zwischen 1833 und 1838 gab Chamisso gemeinsam mit Gustav Schwab den Deutschen Musenalmanach heraus. Er starb am 21.8.1838 in Berlin. Naturwissenschaftlern ist er vor allem im Zusammenhang mit Forschungen zur Fortpflanzung von Manteltieren, namentlich der Salpen, bekannt. Darüber hinaus verfasste er eine Abhandlung Ü ber die Hawaiische Sprache (1837). Ludwig Thoma entlieh sich den Namen Chamissos als Pseudonym für seine satirischen Beiträge im Simplicissimus. Der Adelbert -von-Chamissopreis ist nach dem Autor benannt.

Chamissos bekanntestes literarisches Werk ist zweifellos die 1814 entstandene Novelle Peter Schlemihls wundersame Geschichte, in dem er das zu seiner Zeit - u.a. durch Johann Wolfgang von Goethes Bearbeitungen des Faust-Stoffs - sehr populäre Motiv des Teufelspaktes aufgriff und variierte.

In seiner Lyrik stand Chamisso unter dem Einfluss Goethes und Ludwig Uhlands. Neben Balladen mit sozialer Thematik (Die alte Waschfrau) wurde insbesondere sein Zyklus Frauen-Liebe und Leben (1830) bekannt, den Robert Schumann vertonte. Seine Eindrücke der Weltumsegelung hielt Chamisso sehr lebendig in seiner von Johann Georg Adam Forster inspirierten Schrift Reise um die Welt mit der Romanzoffischen Entdeckungs - Expedition (1836) fest, einem Meisterwerk der Reiseliteratur.

2. Inhaltsangabe über Chamissos Werk ,,Peter Schlemihls wundersame Geschichte"

Kapitel 1:

Ein Seereisender kommt nach2 Beendigung einer Fahrt mit einem Empfehlungsschreiben zu dem reichen Herrn John. Er findet in dessen Haus eine oberflächliche Gesellschaft vor. Von dem Hausherrn, dessen Bruder die Empfehlung ausgestellt hat, wird er kaum beachtet. Im Mittelpunkt dagegen steht ein Mann in grauem Anzug, der mittels einer Zaubertasche den Gästen ausgefallene Wünsche erfüllt. Durch Überredung und Verlockung beeinflusst der graue Mann den Reisenden, seinen Schatten gegen ein Gl ückssäckel zu tauschen, das Dukaten liefert.

Kapitel 2:

Obwohl der Besitzer des Glückssäckels mit dem Geld um sich wirft, findet er wegen seiner Schattenlosigkeit keine gesellschaftliche Anerkennung. Tags über zieht er sich deshalb auf sein Zimmer zurück, selbst bei einem Spaziergang in einer Mondnacht fällt er auf. Da schickt er seinen Diener Bendel auf die Suche nach dem grauen Mann, um das Säckel wieder gegen den Schatten einzutauschen. Der Diener findet den Grauen nicht, erzählt aber von einem Zusammentreffen mit einem Fremden, der in einem Jahr Herrn Schlemihl, den Schattenlosen besuchen werde, um ein Geschäft vorzuschlagen. Schlemihl ahnt, dass es der Graue gewesen sein muss.

Kapitel 3:

Verzweifelt lässt Schlemihl sich einen Schatten malen, der nat ürlich ihm nicht folgt. Da vertraut er sein Geheimnis seinem Diener Bendel an. Von nun an stellt sich dieser bei t äglichen Ausflügen schützend vor seinen Herrn. Schlemihl trifft auf einem dieser Ausflüge auf die schöne Fanny, der er schon bei Herrn John gesehen hat. Bei einem Spaziergang mit ihr im Mondschein entdeckt sie seine Schattenlosigkeit und f ällt in Ohnmacht. Fluchtartig verlässt Schlemihl seinen bisherigen Aufenthaltsort mit seinem gerissenen Diener Rascal, reist über eine Grenze und ein Gebirge zu einem entlegenen Badeort.

Kapitel 4:

In dem neuen Wohnort wird Schlemihl überschwänglich von der Bevölkerung begrüßt, weil man ihn wegen seines Reichtums für den König von Preußen hält, der inkognito reise. Schlemihl gefällt die Rolle. Er lädt zu einem Fest ein, bei dem er das schöne Mädchen Mina kennenlernt. Man findet heraus, dass er nicht der König ist, hält ihn aber für einen bedeutenden Adeligen. Graf Peter, wie er genannt wird, verlässt tagsüber nicht das Haus, abends zeigt er sich im Freien nur unter seinen Bäumen. Schlemihl kommt zu Ohren, dass Rascal sein Geld veruntreue, er geht aber der Anschuldigung nicht nach. Er verliebt sich in Mina, die seine Zuneigung erwidert. Er offenbart ihr, auf ihm laste ein Fluch, bald falle die Entscheidung über sein Schicksal. Nach dem entscheidenden Termin will er um Minas Hand anhalten. Mina, die das Geheimnis bedrückt, verfällt öfter in Traurigkeit.

Kapitel 5:

Rascal, der sich um die Gunst Minas bemüht, verrät ihrem Vater das Geheimnis Peter Schlemihls. Er stellt sich offen gegen seinen Herrn, einem Schattenlosen wolle er nicht dienen. Minas Vater verlangt, Schlemihl solle sich einen Schatten zulegen, sonst bekomme er seine Tochter nicht. Verzweifelt irrt Schlemihl durch die Gegend und wird schließlich von dem Mann im grauen Rock angehalten. Er bietet einen neuen Tausch an, den Schatten gegen Schlemihls Seele. Dieser lehnt ab. Der Graue gibt zu bedenken, mit dem Schatten k önne er seine Geliebte gewinnen. Doch er hat keinen Erfolg, nur das Gl ückssäckel steht zum Tausch. Der hinzukom- mende Bendel fordert den Schatten zurück und verfolgt prügelnd den davongehenden Grauen, der unbeein- druckt bleibt.

Kapitel 6:

Wieder hastet Schlemihl ratlos durch die Natur. Da entdeckt er einen sich bewegenden menschlichen Schat - ten. Er versucht ihn zu fassen, spürt dabei körperlichen Widerstand und erhält Schläge. Als Schlemihl ihn um- klammert, wird der Körper sichtbar. Er hatte zuvor ein Vogelnest getragen, das seinen Körper unsichtbar machte, nicht aber seinen Schatten. Nun hatte er das Nest weggeworfen. Bevor der Fremde es wieder ergrei-fen kann, hat der Verzweifelte es gepackt und eilt unsichtbar zum Hause Minas. Dort angekommen, schallt ihm Gel ächter entgegen. Der Graue erscheint und verlangt sein Tarn -Nest zurück, erneuert dann sein Tauschan- gebot - Schatten gegen Seele - und lockt Schlemihl durch die Hinzugabe einer Tarnkappe beim vollzoge -nen Tausch. Der Vater und die Mutter Minas treten auf und unterhalten sich über die Zukunft ihrer Tochter. Schlemihl erf ährt, dass Mina seinen heimtückischen Diener Rascal heiraten soll. Mina kommt hinzu und hört von den Plänen ihrer Eltern, die sie gleichgültig aufnimmt. Als Rascal erscheint, wird Mina ohnmächtig. Da ritzt der Graue in Schlemihls Arm und fordert ihn auf, mit Blut zu unterschreiben, er könne doch wohl dieses Unglück nicht weiter mit ansehen.

Kapitel 7:

Merkwürdigerweise wird hier Chamisso von Schlemihl selbst angesprochen. Dabei wirft er sich vor, mit seinem Makel sich in das Leben eines Unschuldigen gedrängt zu haben. Er fordert den Autor auf, sein Urteil über hin zu fällen, sucht aber auch grüblerisch Rechtfertigungen für sein bisheriges Verhalten. Psychische und physische Belastungen versetzen Schlemihl in eine tiefe Bewusstlosigkeit, aus der ihn der schimpfende Graue weckt, appelliert an sein Ehrgefühl, da er sich unmännlich einer Entscheidung für Mina entzogen habe. Im Elternhaus Minas wir die Hochzeit Rascals mit ihr gefeiert. Schlemihl flieht, gefolgt von dem Grauen und findet sein Haus beschädigt vor. Von dem anwesenden Diener Bendel erfährt er, der Pöbel habe, von Rascal angestiftet, die Scheiben zerschlagen, ihm habe die Polizei eine Aufenthaltsfrist gesetzt. Schlemihl fordert den treuen Diener auf, sich nicht weiter schicksalhaft an ihn zu binden, er wolle in die Welt hinausreiten.

Kapitel 8:

Auf seiner Reise schließt sich ihm ein Fremder an, der in einem Selbstgespräch seine Lebensansichten mit-teilt. Schlemihl hört gleichgültig zu. Es ist der Graue, der ihm für die Dauer der gemeinsamen Reise den Schatten ausleihen will. Er nimmt das Angebot an und versucht mit dem Schatten davonzugaloppieren, was nicht gelingt. Auf der Weiterreise wird Schlemihl mit Schatten überall geachtet. Der Graue redet st ändig auf ihn ein, malt ihm aus, was er alles mit Säckel und Schatten in der Welt erreichen könne. Als Schlemihl fragt, ob der reiche John auch unterschrieben hätte, zieht der Graue den toten John aus der Tasche. Dieser spricht: ,,Durch das gerechte Gericht Gottes bin ich gerichtet; ... bin ich verdammt." Schlemihl schleudert erschrocken das Gl ückssäckel in einen Abgrund und verflucht den grauen Mann, der gleich verschwindet.

Kapitel 9:

Ohne Geld und Schatten reisend, aber beschwingt, gleiten Traumbilder von Mina, Bendel und Chamisso an Schlemihl vorbei. Da seine Stiefel abgelaufen sind, ist er aus Geldmangel gezwungen, gebrauchte zu kaufen. Er begibt sich damit auf den Weg zu einem Bergwerk, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Als er glaubt, sich verlaufen zu haben, führen ihn weitere Schritte im Eiltempo vom Wald in eine Schneelandschaft, an das Ufer des Ozeans, Fauna und Flora verändern sich st ändig. Schlemihl wird bewusst, er hat Siebenmeilenstiefel an.

Kapitel 10:

Mit den Siebenmeilenstiefeln durcheilt er gro ße Teile der Erde. Einige Gebiete, Australien und die Südsee, bleiben ihm verwehrt. Auch der Sprung von Borneo in die Ägäis gelingt nicht. So erfährt Schlemihl seine Begrenztheit. Um alles genauer sehen zu können, besorgt er sich Hausschuhe, die die Geschwindigkeit bremsen. Nun hat er Muse, sich den Wissenschaften zu widmen, indem er beobachtet, untersucht, was er vortrifft. Nahrung bezieht er aus der Natur, Glück vermittelt ihm das Nikotin, menschliche Teilnahme ersetzt ihm ein Pudel, der in Theben, einem Rückzugsort, ihn stets freudig erwartet.

Kapitel 11:

Ein ständiges inneres Fieber drängt ihn zu Reisen und zur Abwechslung. Unter diesem Stress verliert er die Besinnung und wacht im Schlemihlium, einer Art Krankenhaus auf, das von einem gewissen Peter Schlemihl gestiftet worden war. Zwei Personen besuchen ihn t äglich, Mina und Bendel, die ihn aber nicht erkennen. Bendel fordert von Mina, den ungesunden Ort zu meiden. Sie entgegnet, sie fürchte nicht den Tod und denke heiter an Vergangenheit und Zukunft, sie diene gerne seinem Herrn und Freunde. Diese Aussagen beein - drucken Schlemihl stark. Er schreibt auf einen Zettel: ,,Auch Eurem alten Freund ergeht es nun besser als damals, und b üßet er, so ist es Buße der Versöhnung." Danach begibt er sich nach Theben und setzt seine Forschertätigkeit fort. Das Kapitel endet mit einer Ansprache an Chamisso, in der ihm verdeutlicht werden soll, dass Peter Schlemihl nicht umsonst gelebt hat. Er habe geforscht, Erkenntnisse in Büchern dargelegt. Ihm, Chamisso, komme die Aufgabe zu, Bewahrer der wundersamen Geschichte zu sein, damit sie anderen zur n ützlichen Lehre gereiche. Schlemihls Aussagen enden mit dem Rat: ,,... willst du unter den Menschen leben, so lerne verehren zuv örderst den Schatten, sodann das Geld. Willst du nur dir und deinem besseren Selbst leben, oh, so brauchst du keinen Rat."

Arbeitsauftrag3:

Um welche literarische Gattung handelt es sich bei Chamissos "Peter Schlemihls wundersame Geschichte" ?

1. Bezeichnungsversuche

Chamisso sieht sein Werk als eine Art Märchen an. Thomas Mann verwendet dafür den Begriff ,,phantastische Novelle". Die germanistische Forschung spricht von einer Märchennovelle. Die vorliegenden Bezeichnungs - versuche sprechen zwei gegensätzliche Wesensmerkmale des Werkes an. Einerseits wird auf die literarische Gattung ,,Märchen" verwiesen, andererseits auf die Novelle. Während das Märchen eine homogen wunder-same Welt darstellt, charakterisiert die Wiedergabe einer realen Welt die Novelle. In Chamissos ,,Peter Schlemihl" findet eine Vermischung beider Formen statt, reales Geschehen ist gelegentlich von irrealen Momenten durchsetzt.

2. Anthropologische Dimension einer Strukturanalyse der Märchennovelle/ der phantastischen Novelle

Gattungsbetrachtungen erfüllen nicht nur akademische Interessen, sondern stellen menschliches Verhalten vor dem Hintergrund historischer Gegebenheiten dar. Sie repräsentieren dabei menschliche Bewusstseinsstruk- turen, die uns zu einem vertieften Verständnis der inhaltlichen Problematik führen können. Sie bieten die Mög-lichkeit, neue Perspektiven historischer Bedingungen zu erkennen.

3. Der phantastische Stil

3.1 Autoren und Werke

Typische Vertreter dieser Stilrichtung sind neben Chamisso andere Romantiker, wie Tieck (,,Der blonde Eckbert") , Fouqué (,,Galgenmännlein"), Achim von Arnim (,,Isabella von Ägypten") und E.T.A Hoffmann mit seinen Novellen.

3.2 Charakteristika der angeführten Novellen

Das literarische Vorstellen einer erfundenen realen Welt, die häufig mit nachprüfbaren geographischen und historischen Angaben durchsetzt ist, in die unvermittelt das Irreale einbricht, ist kennzeichnend für diese Novellen.

3.3 Wirkungsweise der phantastischen Stilform

Einige Literaturkritiker (Roger Caillois, Georges Jaquemin, Louis Vax) schreiben dieser Stilmischung zwischen Märchen und realistischer Novelle die Wirkung zu, Verunsicherung, Unbehagen, Aggression zu erzeugen. In eine Welt, in der bis dahin Gesetze für unverrückbar und allgültig gehalten wurden, tritt das Irreale. Während im Märchen das Wundersame selbstverständlich wirke, empfinde man das Phantastische in einem realistisch gestalteten Umfeld als skandalös, als erschreckend.

3.4 Der phantastische Stil - eine Reaktion auf sozial-politische Veränderungen der Zeitepoche

Eine Übertragung der gedanklichen Zusammenhänge um die phantastische Stilform führt zu dem geschichtlichen Hintergrund der Romantik, zu dem einschneidenden Ereignis für Europa, der französischen Revolution. Durch sie werden gesellschaftspolitische und religiöse Ordnungen in Frage gestellt. Kirche und Fürsten fühlen sich um ihren Einfluss bedroht, die Bürger sehnen sich nach mehr Unabhängigkeit. In der bestehenden Ordnung fühlt man sich dennoch relativ sicher, obwohl man nicht mit allem einverstanden ist. Die zunehmende Freiheit wird aber auch teilweise als Mangel empfunden. Vor diesem Hintergrund bildet in der Romantik die Novelle neben der Ballade die bevorzugte literarische Gattung.

4. Die Novelle als literarische Gattung

4.1 Die moderne Novelle4

Sie wird heute in der Regel als eine kürzere dramatische Erzählung in Prosa aufgefasst, die sich mit einem real vorstellbaren Konflikt beschäftigt. ,,Formal bedingt dies eine straffe, meist nur einsträngige Handlung, das pointierte Herausarbeiten eines Wende- bzw. Höhepunktes und eine Forderung zur geschlossenen Form."

4.2 Literaturgeschichtlicher Rückblick auf Boccaccios (1313-1375) und Cervantes (1547-1616) Novellen

Boccacios Novellen betonen in ihrer sinnfrohen Handlung die Realit ät. Cervantes dagegen äußert im ,,Coloquio de los Perros" (Zwiegespräch der Hunde), das novellistische Ereignis solle einen noch nie dagewesenen Fall zum Inhalt haben.

4.3 Der Einfluss Cervantes auf deutsche Romantiker

Die Zuwendung zu der literarischen Gattung der Novelle ist auf den Einfluss Cervantes auf Kleist, Tieck, und E.T.A. Hoffmann zurückzuführen. Hoffmann entlehnte von ihm eine Figur (den Hund Berganza). Goethe greift Gedankengänge für die Novellentheorie von ihm auf (Verwendung eines nie dagewesenen Falles).

4.4 Die Strukturmerkmale der phantastischen Novelle

4.4.1 Die phantastische Novelle - eine literarische Mischform

Die phantastische Novelle ist ein Mischergebnis der gegens ätzlichen Auffassungen von Boccaccio und Cervantes.

4.4.2 Die Theorie des Wendepunktes

Tieck und Schlegel entwickelten den Begriff des Wendepunktes als Merkmal der phantastischen Novelle. Nach Tieck wendet sich die Geschichte an dieser Stelle unerwartet. Mit diesem Wendepunkt ist der Beginn der Konfrontation des Realen mit dem Irrealen, der Einbruch des Unvertrauten in eine bisher vertraute Welt erfasst.

4.4.3 Die Thematik phantastischer Novellen

Die phantastischen Novellen richten sich gegen den Ungeist der damaligen Zeit, hauptsächlich gegen die kapitalistische Orientierung des Bürgertums, auch gegen seinen verengten Horizont. So bietet das Kapital jetzt plötzlich neue Perspektiven zum sozialen Aufstieg, zugleich drohen Gefahren durch eine Versklavung an das Geld. Die Novellen von E.T.A. Hoffmann, Fouqué, Arnim und Chamisso legen von dieser Thematik Zeugnis ab.

5. Strukturmerkmale Chamissos Novelle ,,Peter Schlemihls wundersame Geschichte"

5.1 Der erste Wendepunkt

Der Einbruch des Irrealen in eine reale Welt setzt mit dem Auftauchen des Gl ückssäckels ein. Dieses phantastische Motiv bewirkt den Bruch der Realit ät und soll Angst vor der kapitalistischen Entfremdung des Menschen vermitteln. Das Glückssäckel bestimmt mit seinem Wirken die Handlung des größten Teils der Novelle.

5.2 Der zweite Wendepunkt

Chamissos Werk weist einen zweiten Wendepunkt auf. Er setzt dann ein, als Schlemihl aus Geldmangel gebrauchte Stiefel kaufen muss, nachdem er das Säckel weggeworfen hat und danach erstaunt feststellt, dass sie ihn im Eiltempo über Kontinente tragen. Im Bannkreis des Geldes war Schlemihls Entwicklungsmöglichkeit gehemmt, er bewegte sich im Kreis. Nun eröffnet sich für ihn wieder die Fülle der Welt.

5.3 Die Verbindung der Phantastischen mit dem Utopischen

Chamissos Novelle zeigt die Eigenartigkeit, nicht nur Reales und Wunderbares zu vermischen, sondern sie verbindet auch Phantastisches mit Utopischem. Durch das Verschwinden des Geldsäckels und dem Auftauchen der Siebenmeilenstiefel ist an Stelle der Angst die Hoffnung getreten. Destruktives und Konstruktives l ösen einander ab und begr ünden eine neue Entwicklung. So klingt Chamissos Novelle, abweichend von der Norm, nicht mit dem phantastischen Stil aus, sondern mit dem utopischen.

4. Wertung der phantastischen Novelle ,,Peter Schlemihls wundersame Geschichte" von Adelbert v. Chamisso

Das Sich-Vertiefen in die Handlungszusammenhänge um Peter Schlemihl, die Einbeziehung des geschicht-lichen Hintergrundes und der Biographie Chamissos, die Aussagen von Zeitgenossen, akademische Abhand-lungen und Chamissos eigene Äußerungen legen bestimmte Fragestellungen nah. Schon seine Zeitgenossen wollten von Chamisso wissen, welche Absichten er mit dieser Novelle vorfolge.

In der Literaturkritik findet man Erklärungen, die auf den biographischen Hintergrund Chamissos hinweisen, der als Kind französischer Emigranten, nach der Völkerschlacht bei Leipzig, starke Anfeindungen gegen das Französische beobachtete. Freunde besorgten ihm deswegen einen Rückzugsort auf dem Lande. Der Schatten sei ein Motiv, das den Verlust des Vaterlandes, die Zwiespalt zwischen zwei Völkern bei Chamisso symbolisierte.5

Die Verwendung des Irrealen, das in eine Welt einbricht, die phantastische Stilform der Romantiker, verweist auf einen anderen Gesichtspunkt. Durch diesen Stilbruch war beabsichtigt, Verunsicherung, Unbehagen, Aggression zu erzeugen, gerichtet gegen bestehende gesellschaftliche Ordnungen und Entwicklungen. Chamisso selbst, der den phantastischen Stil sicher nicht nur als stilistische Spielerei betrachtete, äußerte sich über den Sinn seines Werkes schlichter. Gegenwärtige Geschichte läge in den Händen von besonnenen Leuten, die nur Belehrendes läsen und sich beunruhigten, was der Schatten bedeute. Kuriose Hypothesen würden aufgestellt, an die er nie gedacht hätte.

J.E. Hitzig, ein enger Freund des Autors, Verleger und Schriftsteller, charakterisiert Chamissos Denken über den tieferen Sinn seines Werkes mit einer Anekdote. Chamisso hatte ihm einen Entwurf von ,,Peter Schlemihl" zugesandt und ihn aufgefordert, ihn von seiner Frau lesen zu lassen. Wenn die Geschichte ihre Neugier wecke, wie es Peter Schlemihl weiter erginge, besonders, wer der im grauen Kleide war, wolle er daran weiter schreiben. Hitzig fügt hinzu, dieses Märchen sei wie jedes echt poetische Werk mit zwingender Notwendigkeit, um seiner selbst willen entstanden.6

Im Rahmen einer Wertung ergibt sich auch die Frage, warum wir heute solche alten Werke lesen.

Chamissos Novelle ,,Peter Schlemihl" vermittelt einen Einblick in die deutsche Literaturgeschichte, in die Zeit der Romantik, sie ist ein Bildungsgut.

Ist der phantastische Stil noch wirksam ? Reizen Handlung und Stil heute noch zum Lesen der Novelle ?

Der phantastische Stil war damals sicher nicht nur literarischer Ausdruck einer verfeinerten Form der Gesellschaftskritik einiger Literaten. Das Märchenhafte, eingeflochten in einen realen Kontext, besaß auch eine Eigenwirkung. Chamisso selbst deutet diesen Sachverhalt an, indem er das Urteil der Ehefrau Hitzigs über seine Novelle, als ausschlaggebend für sein Weiterschreiben macht. Ihn interessiert besonders die Mitteilung seines Freundes, ob die Ehefrau neugierig sei, wer der Graue ist.

Nach meiner Ansicht bildet das Märchenhafte mit der realistischen Handlung eine Einheit, wobei es der Phantasie Raum gibt, Stimmungen erzeugt, uns mit überraschenden Wendungen innerhalb der Handlungen verunsichert.

Beim Lesen der Märchennovelle können wir heute noch in den Bann gezogen werden vom ungewissen Schicksalsweg Peter Schlemihls und hoffen auf einen guten Ausgang für den sympathischen Titelhelden.

Literaturangaben

Encarta `99 (1)

Adelbert von Chamisso, Peter Schlemihls wundersame Geschichte;

um Anmerkungen ergänzte Ausgabe, Reclam, Stuttgart 1993, (2) · (S.17-79), (6) · (S.10).

,,Peter Schlemihl" als phantastische Novelle, Analyse (S. 50 -56); Schöningh Verlag. (3)

Mayers Großes Taschenlexikon, 6. Auflage, Mannheim 1998; Band 16, S.15. (4)

Geschichte der Deutschen Literatur, Bayerischer Schulbuch -Verlag, 13. Auflage, München 1969. (5) · (S.258)

Ende der Leseprobe aus 7 Seiten

Details

Titel
Chamisso, Adelbert von - Peter Schlemihls wundersame Geschichte
Hochschule
Real Centro Universitario Maria Cristina
Autor
Jahr
1999
Seiten
7
Katalognummer
V96823
ISBN (eBook)
9783638094986
Dateigröße
472 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Chamisso, Adelbert, Peter, Schlemihls, Geschichte
Arbeit zitieren
Andreas Ressel (Autor:in), 1999, Chamisso, Adelbert von - Peter Schlemihls wundersame Geschichte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96823

Kommentare

  • Gast am 11.4.2010

    Die Interpretation enthält viel marxistischen Müll.
    Daß sich die Novelle nicht "hauptsächlich gegen die kapitalistische Orientierung des Bürgertums" oder die "kapitalistische Entfremdung" richtet, ergibt sich schon daraus,daß Schlemihl ohne Schatten trotz unerschöpflicher Geldmittel ein Außenseiter ist.
    Die Novelle richtet sich nicht "gegen bestehende gesellschaftliche Ordnungen und Entwicklungen", sondern lehrt, daß auch einem gesellschaftlichen Außenseiter der Weg zu einem sinnvollen Leben möglich ist.

  • Gast am 25.3.2008

    Inhaltsangabe.

    Diese Inhaltsangabe ist sehr gut und hat mir auch gut weitergeholfen.
    Die Wertung jedoch ist unglücklicherweise nicht detailliert genug. Ansonsten ist das Referat sehr gelungen.
    Mit freundlichen Grüßen,
    Hannibal

  • Gast am 2.4.2002

    VIELEN DANK.

    schönen guten tag!! ich bedanke mich recht herzlich für diese tolle inhaltsangabe......ich weiß du kennst mich nicht und dir ist es auch vielleicht egal....aber ich hab mich ehrlich gesagt echt über diese geniale inhaltsangabe gefreut!! vielen dank

  • Gast am 17.5.2001

    Inhaltsangabe 2.

    DANKE!! Deine Inhaltsangabe und die sehr genaue Analyse und Interpretation haben mir einiges erspart...!

  • Gast am 31.3.2001

    Inhaltsangabe.

    Die Inhaltsangabe hat mir echt geholfen!! DANKE!!!!

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Titel: Chamisso, Adelbert von - Peter Schlemihls wundersame Geschichte



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