Das Unterrichtsprinzip "Interkulturelles Lernen" als erfolgreicher Vermittler des europäischen Gedanken


Diplomarbeit, 2000

25 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. VORWORT

2. EINLEITUNG

3. Arbeitsmigration in Europa
3.1 Migration in Österreich
3.2 Asylwerber und Flüchtlinge
3.3 Ausländerfeindlichkeit
3.4 Zum Verständnis des Begriffes “Vorurteil”
3.5 Migration und Schule
3.6 Spracherwerb in der Migration

4. Unterrichtsprinzip “Interkulturelles Lernen
4.1 Interkulturelle Pädagogik
4.1.1 Didaktische Grundsätze
4.2 Interkultureller Unterricht

5. Reform durch Reformpädagogik
5.1 Maria Montessori
5.2 Helen Parkhurst
5.3 Celestine Freinet
5.4 Peter Petersen

6. Interkulturelle Pädagogik und reformpädagogische Ansätze

7. Europaklassen an der Grundschule

8. Fremdsprachenunterricht in Europa

9. Europapädagogik
9.1 Europa als Begriff für den Lehrer
9.2 Europa als kindgemäßer Begriff

10. Europa im Unterricht kennen lernen
10.1 Mit dem Ballon über Europa
10.2 Weihnachten daheim und anderswo

11. Anregungen für einen “farbigen” Unterricht

12. Abschließende Gedanken

Literaturverzeichnis

Literaturverzeichnis der Abbildungen

VORWORT

Vor 33 Jahren kamen meine Eltern als Arbeitsmigranten nach Österreich. Ich wurde 1971 in Baden geboren und wuchs dreisprachig auf. Kroatisch und slowenisch wurde bei uns zu Hause gesprochen. Die deutsche Sprache lernte ich auf dem Spielplatz und später im Kindergarten. Somit habe ich die Migration als Betroffene in Österreich miterlebt. Heute, fast 30 Jahre später, kann ich es rückblickend betrachten und bin froh, multikulturell aufgewachsen zu sein. Meine Mehrsprachigkeit konnte ich auch im beruflichen Leben nutzen. Ich arbeitete im Bundesministerium für Inneres als Dolmetsch und war zuständig für die “De Facto Flüchtlinge” aus Bosnien. Diese Erfahrung möchte ich nicht missen.

Ich möchte mich auch auf diesem Weg beim Bundesasylamt in Traiskirchen, besonders bei Hrn. Pratschner und Hrn. Poeffel für die Infos bezüglich meiner Arbeit bedanken. Dank aussprechen möchte ich auch meinem Gatten, der sich die Mühe machte und meine Arbeit korrigierte und meinen Kindern, die während meiner Diplomarbeit die Nerven behielten.

“Wir leben in einer multikulturellen Gesellschaft. Dieser Tatsache sollte durch einen angemessenen interkulturellen Unterricht und multikulturelle Erziehung Rechnung getragen werden.” (Praxis Grundschule 6, S 4)

Durch den europäischen Integrationsprozess wurde ein Wandel ausgelöst, der neues Denken notwendig macht. (Vgl. Erziehung und Unterricht 1/97, S 73)

Die heranwachsende Generation soll ein Bewusstsein für eine gemeinsame Identität erhalten. Die Jugendlichen werden aufgefordert, aktiv an einer europäischen Zukunft mitzuarbeiten. Der “Europäischen Dimension” muss im Unterricht mehr Freiraum gewährt werden. (Vgl. Dr. G. Harecker / Referat zum EPSO ´96, S 1)

Ich habe versucht, in meiner Arbeit die Dringlichkeit und Notwendigkeit des interkulturellen Unterrichts in Einbezug des europäischen Gedankens nahezubringen.

3. ARBEITSMIGRATION IN EUROPA

Weltweit wurden Mitte der 80er Jahre mindestens 23 Millionen Arbeitemigranten geschätzt. In den USA und in Westeuropa leben davon etwa 6,5 Millionen Menschen. Der Rest verteilt sich auf den Mittleren Osten, auf West- und Südafrika und auf Lateinamerika. Mehr als die Hälfte der Arbeitemigranten kommen aus Entwicklungsländern. Die heutige Migrantenpopulation in Westeuropa beläuft sich, die Familienmitglieder eingeschlossen, auf etwa 16 Millionen.

Seit der Nachkriegszeit sind etwa 30 Millionen Menschen, auf der Suche nach Arbeit, mit ihren Angehörigen nach Westeuropa gekommen, die aber teilweise wieder in ihre Herkunftsländer zurückgekehrt sind. So hat die Arbeitsmigration in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts ein gewaltiges Ausmaß erreicht und ist zu einem weltweiten Phänomen geworden.

Generell dient die Ausländerbeschäftigung in Zeiten wirtschaftlicher Expansion der Deckung des Zusatzbedarfs an Arbeitskräften zur Entlastung des Arbeitsmarktes, wobei Arbeitsmigranten häufig für Arbeitsplätze mit niedrigen Anforderungen und hohen Belastungen herangezogen werden.

Den wirtschaftlichen Vorteil wie z.B. Einsparung der Kosten für Erziehung, Ausbildung, gesundheitliche Versorgung der Arbeiter und deren Familien hatte man in den 50er und 60er Jahren im Auge.

Der Import von Arbeitskräften spiegelt eine bestimmte Entwicklungsperiode der kapitalistischen Produktionsweise wider, in dem eine langandauernde Zeit der Expansion die Öffnung des nationalen Arbeitsmarktes erforderlich machte.

Die Entwicklungsperiode des Arbeitsprozesses, die die Arbeitsmigration erforderte, endete in den meisten Westeuropäischen Ländern in den frühen 70er Jahren.

Nach Castles wurden drei Phasen der Arbetismigration unterschieden:

1.) Die massenhafte Arbeitsmigration,
2.) die Familienzuführung und
3.) die Niederlassung und Herausbildung neuer ethnischer Minderheiten.

Viele Arbeitsmigranten ließen ihre Familien nachkommen. Der Bedarf an infrastrukturellen Einrichtungen, an Kindergärten, Schulen usw. erhöhte sich. Da dieser Bedarf häufig ungedeckt blieb, kam es in manchen Ländern zu sozialen Spannungen. Die Herausbildung neuer ethnischer Minderheiten begann sich in den 80er Jahren abzuzeichnen. Die Rückkehrförderung wurde eingeleitet und ist gekennzeichnet durch wachsende Arbeitslosigkeit unter Ausländern, sowie die Tendenz zu Ghettoisierung der Arbeitnehmerfamilien. Mehr und mehr bildeten sich Ausländerviertel mit eigener ethnischer Infrastruktur. Durch die Arbeitsmigration entstanden neue Minderheiten in Westeuropa. (Vgl. Auernheimer, S 36-49)

3.1 MIGRATION IN ÖSTERREICH

Anfang der 60er Jahre stieß das Wirtschaftswachstum in Österreich an seine Grenzen. Der Bedarf der expandierenden Wirtschaft an Arbeitskräften konnte im Inland nicht mehr gedeckt werden und so wurden Arbeitskräfte im Ausland gesucht. Österreich fand genügend Arbeitskraftreserven in Jugoslawien und in der Türkei. Die Zahl der in Österreich beschäftigten Ausländer/innen erreichte im Jahr 1973 das Maximum von 226.000 . Der weltweite Konjunktureinbruch (”Ölschock”) im Jahr 1973/74 führte dazu, dass der Zuzug weiterer Arbeitskräfte gestoppt wurde und die Zahl bis zum Jahre 1989 auf 130.000 reduziert wurde. Durch die günstige Konjunkturentwicklung im Jahre 1990 war die Nachfrage nach ausländischen Arbeitskräften groß. Die Zahl der Beschäftigten stieg wieder auf beachtliche 217.000 an. Österreich ist über einen längeren Zeitraum zum Einwanderungsland geworden. Gastarbeiter und Flüchtlinge haben sich dauerhaft niedergelassen und Tatsache ist, dass es kaum mehr freiwillige Rückkehrer/innen gibt. (Vgl. BMUK, S 8-9)

Bekanntlich ist es ein Menschenrecht, bei der Familie zu sein. Das heißt, es kamen nicht nur Arbeitskräfte nach Österreich, sondern auch deren Kinder. Diese Kinder wurden und werden als defizitäre Wesen angesehen, die nur schwer in unser Bildungssystem integrierbar wären. In der Zwischenzeit hat man erkannt, dass das Bildungssystem sich ändern müsse, um der neuen Situation gerecht zu werden. (Vgl. Wurst, Rothbucher, Donnenberg, S 169-170)

“Das Phänomen der Migration betrifft nicht allein die Migranten, sondern die ganze Gemeinschaft, in den Aufnahmeländern wie in den Herkunftsländern. Es handelt sich um einen Prozess der Begegnung, bei dem jede Kultur herausgefordert ist, zweifellos, aber auch durch die Werte anderer kultureller Ausdrucksmöglichkeiten bereichert wird, wenn sie sich ihnen zu öffnen weiß.” (BMUK, S 393)

“Die Träume vom besseren Leben"

Die Träume vom besseren Leben vor dem Automaten in den Fabrikshallen stehend und in der Hand einen lauwarmen Kaffeebecher haltend. Als Sieger werden wir nicht zurückkehren, weil unser Auszug ohnegleichen war. Wir wollten in die Zukunft schauen und unser tägliches Brot sehen, vom Weltgenuss war keine Rede. Natürlich hegten wir den Wunsch, uns zu verbessern, und darum suchten wir ein unverbotenes Glück und wurden Gastarbeiter.” (Gauß, S 301)

3.2 ASYLWERBER UND FLÜCHTLINGE

Die Asylanten sind erst in den 80er Jahren öffentlich zum Thema geworden. Im Gegensatz zu den Arbeitsmigranten mussten diese Leute ihre gewohnte soziale Umgebung wegen politischer und kultureller Motive verlassen. Die Asylwerber müssen bei dem Bundesasylamt einen schriftlichen Antrag stellen und um Anerkennung als Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention, die seit 1968 in Österreich in Kraft ist, ansuchen. Die Aufenthaltsmöglichkeiten werden dort genau geregelt. Ein Flüchtling wird einem österreichischen Staatsbürger gleichgestellt. Er bekommt eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung, freien Zugang zum Arbeitsmarkt und hat Anspruch auf sonstige soziale Dienste. Derzeit gibt es in Österreich etwa 6000 Flüchtlinge. Auf den verstärkten Zustrom von Flüchtlingen reagierten viele europäische Regierungen mit einer Reihe restriktiver Maßnahmen. Rassistische Kampagnen in Wahlkämpfen und in den Medien gegen eine angebliche “Überfremdung” waren zu hören. (Die Verfasserin)

3.3 AUSLÄNDERFEINDLICHKEIT

Durch Medien und auch durch Ereignisse in unserer unmittelbaren Umgebung erfahren wir, dass viele Leute in Österreich ausländerfeindlich eingestellt sind. Es kommt zu Aggressionen und Gewalttaten gegenüber Menschen, die wir in unser Land geholt haben, damit sie für uns arbeiten. Diese Menschen leben oft schon seit Jahren hier und viele davon fühlen sich aufgrund bestehender Tatsachen bei uns nicht wohl. Verständnis für das Leben anderer zu wecken und zu schaffen, wird zu einer vordringlichen Aufgabe im multikulturellen, gesellschaftspolitischen und sozialen Bereich. (Vgl. Grundschulmagazin 3/94, S 55)

“Wir und die anderen Völker der Welt sind alle Ausländer. Diese Aussage hat um so mehr Gewicht und ist von um so größerer Bedeutung für jeden einzelnen, je mehr multikulturelle Beziehungen und Verflechtungen sich im Zusammenleben und im Umgang der einzelnen Völker miteinander vollziehen. Um die Konflikte untereinander nicht eskalieren zu lassen, muss sich möglichst jeder mit jedem auseinandersetzen, versuchen, ihn besser zu verstehen, ihn in seiner Eigenart zu akzeptieren und lernen, sich so zu verhalten, dass ein geordnetes Zusammenleben gewährleistet ist.” (Grundschulmagazin 3/94, S 55)

3.4 Was versteht man unter dem Begriff “Vorurteil” ?

1. Jede vorgefertigte Meinung oder Ansicht im positivem oder negativem Sinn.
2. Festhalten an einer Meinung trotz gegenteiliger Erfahrungen, Informationen oder Beweise.
3. Jede voreilig gefällte negative oder positive Meinung oder Ansicht ohne sorgfältiges Abwägen.
4. Jede unbegründete feindselige Ansicht, Meinung oder Haltung gegenüber einer Gruppe, die einer anderen Religion, Rasse oder Nationalität angehört.
5. Jede teilweise Ablehnung einer Person aufgrund ihrer spezifischen Merkmale.
6. Die Neigung zu voreingenommenen Urteilen, die man eher bei anderen wahrnimmt als bei sich selbst.
7. Die Unfähigkeit, weiter als bis zum ersten Eindruck zu kommen. (Vgl. Hohmann, Reich, S 237-239)

Das Erkennen von Vorurteilen und ein Versuch diese abzubauen lassen erst gar keinen Rassismus wachsen. (Die Verfasserin)

3.5 MIGRATION UND SCHULE

An österreichischen Schulen wurde muttersprachlicher Unterricht in türkischer und serbo- kroatischer Sprache seit Mitte der 70er Jahre angeboten. Für jugoslawische Kinder wurde im Schuljahr 1975/76 ein bilaterales Abkommen zwischen Österreich und Jugoslawien geschlossen. Das Herkunftsland entsandte Lehrer/innen, die den muttersprachlichen Zusatzunterricht anboten. Auch für die türkischen Kinder kam so ein Abkommen zustande. Rund fünfzehn Jahre hindurch beruhte dieser Unterricht auf zwischenstaatliche Abkommen.

Mit der Erkenntnis, dass es sich bei der Arbeitsmigration um ein dauerhaftes Phänomen handelte, beendete man das Abkommen und der muttersprachliche Unterricht ging in die Kompetenz der österreichischen Behörden über. In erster Linie sind die zwei Einwanderergruppen aus dem ehemaligen Jugoslawien und der Türkei betroffen, jedoch zeigt die Statistik eine Sprachenvielfalt von rund 140 Staaten an. (Vgl. Eichelberger, Furch, S 48-49)

“Gesellschaftliche Prozesse sind - soweit sie unter dem Einfluss der Migration stehen - als multikulturell zu bezeichnen. Aus der Einsicht in die Existenz einer multikulturellen Gesellschaft muss also ein tragfähiges Erziehungskonzept entwickelt werden, das von einer realistischen Einschätzung der Wirklichkeit ausgeht und gleichzeitig Veränderungen im Hinblick auf ein humanes Zusammenleben zwischen Menschen unterschiedlicher sprachlicher, sozialer und religiöser Herkunft anstrebt. Ein solches Erziehungskonzept nenne ich “interkulturell”.” (Grundschulmagazin 3/94, S 6)

Das BMUK führt seit Jahren bundesweite Erhebungen zur Anzahl der Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache durch. Diese Zahlen beinhalten lediglich Kinder, die eine fremde Staatsbürgerschaft besitzen. Dies führt zu einer Verzerrung der Gesamtzahl der Schüler/innen mit nicht-deutscher Muttersprache. (Vgl. Eichelberger, Furch, S 49)

3.6 SPRACHERWERB IN DER MIGRATION

Der Erwerb der Muttersprache ist mit dem Schuleintritt noch nicht abgeschlossen.

Wesentliche Teile der Grammatik, des Wortschatzes und der Rechtschreibung müssen ergänzt bzw. überhaupt erst erworben werden. Bei den meisten Kindern wird die Entwicklung der Muttersprache beim Schuleintritt abrupt abgebrochen und sie lernen in der Zweitsprache lesen und schreiben. Das Resultat ist ein Phänomen, das mit dem umstrittenen Terminus “Halbsprachigkeit” bezeichnet wird. Auf Grund des ungünstigen Verlaufs wird weder die eine noch die andere Sprache voll entwickelt. Muttersprachenunterricht behindert und stört das Erlernen der Zweitsprache nicht. Kindern zu verbieten, sich in der Schule in ihrer Muttersprache zu unterhalten, zeugt nicht nur von mangelnder Sensibilität und einer gehörigen Portion ethnozentristischer Arroganz, es verhindert auch, dass das Verständnis des Unterrichtsstoffes gesichert wird. Sprachkenntnisse in der Muttersprache der Migrantenkinder sind keineswegs unnütz, es besteht durchaus Nachfrage nach zweisprachigen Menschen und eine zusätzliche Qualifikation begünstigt die Chancen auf dem Arbeitsmarkt. (Vgl. BMUK Nr. 3, S 1-3)

4. UNTERRICHTSPRINZIP “Interkulturelles Lernen”

Mit dem Schuljahr 1991/92 wurde an Volks- und Hauptschulen Interkulturelles Lernen als Unterrichtsprinzip verankert. Einige Jahre später waren auch die Sonderschulen, Polytechnischen Schulen und allgemein bildende höhere Schulen davon betroffen.

Interkulturelles Lernen soll unter anderem zu ...

- Verständnis und Achtung für kulturelle, sprachliche und ethnische Vielfalt, · kritischer Auseinandersetzung mit Ethno- und Eurozentrismus,
- Vorurteilen und Rassismus zur Festigung der sprachlichen, kulturellen und ethnischen Identität beitragen.

Es soll sich wie ein roter Faden durch den schulischen Alltag ziehen und nicht nur in Projekten seinen Niederschlag finden. (Vgl. BMUK Nr. 1, S 15)

Durch den interkulturellen Unterricht muss die Schule die Inhalte und Strategien entwickeln, die notwendig sind, damit österreichische und ausländische Kinder möglichst konfliktfrei miteinander zusammenleben wollen, sich gegenseitig als Gewinn betrachten können und auf die kulturelle Vielfalt in der Gesellschaft vorbereitet sind. Die Schüler können so voneinander lernen und füreinander eintreten.

Das interkulturelle Lernen darf nicht missverstanden werden als Nostalgie des Heimatlandes, es dient vielmehr der gemeinsamen Lebensbewältigung von österreichischen Kindern und Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache. (Vgl. Grundschulmagazin 7/8/92, S 15)

Beim interkulturellen Lernen geht es vor allem darum, die Lebensbedingungen der Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache und die aus der Migration erwachsenden Probleme zu berücksichtigen.

In der Schule ist es eine Bereicherung für alle Schüler und eine gute Vorbereitung auf ein Leben in einer multikulturellen Weltgemeinschaft. (Vgl. Lehrplan der VS / 1996, S 273)

4.1 INTERKULTURELLE PÄDAGOGIK

Die Gastarbeiterproblematik, die in den letzten beiden Jahrzehnten stattgefunden hat, stellt Kinder mit anderer Muttersprache, die Schule und deren Lehrer/innen immer wieder vor neue Aufgaben.

Im österreichischen Lehrplan wurden 1992 zwei wesentliche Bereiche verankert:
- Deutsch für Schüler mit nicht-deutscher Muttersprache
- Muttersprachlicher Unterricht

Die gleichzeitige Einführung des Unterrichtsprinzips “Interkulturelles Lernen”, die Ergänzung der allgemeinen Bestimmungen zum Grundschullehrplan, die Ausdehnung des allgemeinen Bildungsziels, die strikte Zuordnung der inhaltlich relevanten Lernsituationen zu Themen, die immer alle vertretenen Kulturen in der Schulklasse berücksichtigen und vor allem die didaktischen Grundsätze weisen diese Lehrplanreform als über den bloßen Spracherwerbsgedanken weit hinausreichend aus. (Vgl. Eichelberger, Furch, S 92)

4.1.1 DIDAKTISCHE GRUNDSÄTZE

- Der Unterricht soll an ein vorhandenes Bedürfnis nach Kommunikation in der Zweitsprache und nach sozialer Integration in die Lerngemeinschaft anknüpfen.
- Der “Lebensbezogenheit und Anschaulichkeit” soll große Beachtung geschenkt werden.
- Wesentlich sind auch die Fortschritte im Prozess des Spracherwerbes. Die eigenen Sprachäußerungen im Wechselspiel der Kommunikation müssen reflektiert, verglichen und korrigiert werden.
- Der Bezug zur Muttersprache und dem Herkunftsland muss immer wieder hergestellt werden.
- Die vorhandene Leistungsbereitschaft soll erhalten und womöglich noch gesteigert werden.
- Der Lehrer soll besondere Hilfsmittel bereitstellen bzw. einsetzen und verschiedene Arbeitstechniken vermitteln.
- Die Korrekturen in sprachlicher und in sachlicher Hinsicht sind sehr behutsam und taktvoll vorzunehmen. (Vgl. Lehrplan der VS / 1996, S 286-288)

4.2 INTERKULTURELLER UNTERRICHT

Lernen in multikulturellen Klassen erfordert grundsätzlich einen Unterricht mit stark eingeschränktem Frontalunterricht und weitgehenden Verzicht auf Gleichschritt. Offene Unterrichtsformen müssen angestrebt werden, um den Kindern eine Entfaltungsmöglichkeit zu bieten. Die immer größer werdenden Leistungsunterschiede zwischen den Kindern in einer Klasse zwingen zu einer notwendigen Differenzierung. Findet Unterricht im Teamteachig statt, so kommt dies allen Kindern zugute. Die Kompetenzverteilung im Lehrerteam soll Klarheit verschaffen und Konkurrenzverhalten vermeiden. Vorteile in einem gut funktionierenden Lehrerteam sind das gemeinsame Planen von Unterricht, die sich daraus ergebende Ideenvielfalt und das gemeinsame Besprechen von Problemen. Es ergeben sich Arbeits- und Aufgabenteilung, die intensive Förderung von Kindern mit sehr wenig Deutschkenntnissen kann durchgeführt werden und zusätzlich kann man besser auf Sorgen, Nöte und Stärken der einzelnen Kinder eingehen. Sollte ein Mitglied des Lehrerteams erkranken, so setzt die andere Lehrkraft, die den Kindern bekannt ist, den Unterricht fachgerecht und informiert fort. Es empfiehlt sich, Einzel- oder Kleingruppenförderung nur dann einzusetzen, wenn Lerninhalte möglichst intensiv und rasch an Kinder herangebracht werden müssen. Die Unterbrechung des Integrationsprozesses, der letztlich angestrebt wird, sollte nur in Ausnahmesituationen erfolgen. (Vgl. Eichelberger, Furch, S 94-95)

Da der herkömmliche Unterricht den verschiedensten Anforderungen der Schüler multikultureller Klassen immer weniger gerecht wird, beginnt die Suche nach neuen Lehr- und Lernformen. Die Antwort findet man zum Teil in der bereits vergessenen Reformpädagogik, die jedoch im Pflichtschulbereich wieder ins Leben gerufen wird. (Die Verfasserin)

5. REFORM DURCH REFORMPÄDAGOGIK

Diese Epoche einer pädagogischen Erneuerung, die ungefähr mit dem Ende des vorherigen Jahrhunderts begonnen hat und von dem Auftreten der großen Persönlichkeiten her gesehen abgeschlossen zu sein scheint, ist gekennzeichnet durch die Suche nach humaneren Formen im Unterricht. (Vgl. Eichelberger, Furch, S 7)

Das Denken der Reformpädagogen bezog sich auf eine bessere Zukunft, die durch Erziehung zu erreichen sei. Die Bildung in diesem Erziehungskonzept wird jedoch nicht durch die Erwachsenen bestimmt, sondern habe vom Kinde aus zu gehen.

5.1 Maria Montessori

Das Ziel aller Erziehungsbemühungen ist für Maria Montessori die aktive Förderung kindlicher Unabhängigkeit und Selbstständigkeit durch Selbsttätigkeit. Wichtig ist die Freiheit für die eigene individuelle Entwicklung des Kindes innerhalb eines pädagogisch definierten Rahmens, der diesen Prozess der Selbstschöpfung erst möglich macht. Dies bezieht sich natürlich nicht nur auf die frühkindliche Entwicklung, sondern auf die Entwicklung und das Lernen des Menschen in jedem Alter, vor allem aber auf die Entwicklung der jungen Menschen in den Schulen.

Zusammenfassung der Erziehungsziele:

- Selbstfindung, Selbstverwirklichung,
- selbstständiges und selbstorganisiertes Lernen, · Fähigkeit zum lebenslangen Lernen, · Fähigkeit zur Arbeit im Team und das · friedliche Zusammenleben in einer Gemeinschaft. (Vgl. Eichelberger, Furch, S 69-71)

Kinder verschiedener Muttersprachen in einer Montessori-Klasse

Kinder, die sich in ihrer Eigenart angenommen fühlen, sind eher bereit Andersartigkeit zu akzeptieren. Große Vorteile bringt in Montessori-Klassen die Freiheit zu wählen, ob die Kinder lieber alleine oder in Gruppen mit Kindern der gleichen oder anderer Muttersprache arbeiten wollen. Das Angebot an Montessori-Materialien und anderen Materialien macht handlungsorientiertes Lernen möglich. Das Kind kann sich mit Arbeitsmitteln zurückziehen, Erfahrungen sammeln, ohne die Sprache gebrauchen zu müssen. Kinder erklären einander die Rechnungen oder umschreiben Begriffe in ihrer Muttersprache. Die Zusammensetzung einer multikulturellen Klasse ist auf jeden Fall eine Bereicherung für alle Kinder. (Vgl. Furch, Pirstinger, S 110-111)

5.2 Helen Parkhurst

Helen Parkhurst´s Daltonplan wurde nach der Stadt Dalton in Massachusetts benannt. Vor allem englische Pädagogen haben dieses Reformkonzept international bekannt gemacht. (Vgl. Furch, Pirstinger, S 10)

Drei Grundprinzipien der Pädagogik Helen Parkhursts: “Education on the Dalton Plan (1922)

1. Prinzip: Freiheit
2. Prinzip: Kooperation
3. Prinzip: Selbsttätigkeit

Helen Parkhurst meint mit dem Begriff “Freiheit” jene, welche die persönliche Entscheidung erlaubt und fordert. Die Aufgabe des Lehrers ist es, dem Kind in seiner Entwicklung zu helfen und ihm nicht immer zu sagen, was es tun soll. Dalton definiert Freiheit als Wahlfreiheit, verbunden mit der Verantwortung für die Entscheidung. Der Schüler ist selbst verantwortlich für sein Tun und seinen Fortschritt und sucht alleine oder in Kooperation Lösestrategien zu gestellten Problemen. Der Daltonplan zielt auch darauf hin aus der Schule eine kooperative Gemeinschaft zu machen. Für diese Aufgabe sind hauptsächlich die Lehrer der Schule verantwortlich. Diese sollen auch über entsprechende Methoden, Hilfsmitteln, Art der Pensen, Verhaltensregeln und vieles mehr diskutieren und die Schule für ihre Kinder nach den Dalton- Prinzipien schaffen. Nach Helen Parkhurst ist Dalton keine Methode, kein System sondern ein Einfluss, “a way of life”. (Eichelberger, Furch, S 71-73) Die Lernpensen im Daltonplan Ein charakteristisches Merkmal der Daltonschule ist das Pensum. Mittels Pensenbrief erarbeitet der Schüler selbstständig und in einem vom ihm gewählten Zeitraum Aufgaben, die vom Auswendiglernen von Fakten über die Aneignung von Wissen bis hin zu problemlösendem Denken reichen. Der Lernfortschritt erfolgt über ein persönliches Gespräch zwischen Lehrer und Schüler. Erst wenn der Schüler sein Lernziel erreicht hat, wird das nächste Pensum vergeben. In vielen Dalton-Schulen werden Noten und verbale Beurteilungen vergeben. (Vgl. Furch, Pirstinger, S 20-24) Beispiel eines Pensenblattes in der Grundschule

5.3 Celestine Freinet

Freinet ist davon überzeugt, dass das Kind von Anfang an danach strebt es seinen Eltern gleichzutun. Seine Pädagogik ist für das breite Volk und führt zur Einrichtung einer Arbeitsschule. Er will sinnvolle, schöpferische Arbeiten zum zentralen Inhalt der Schule machen. In einem hohen Maß erfolgt schulisches Lernen handlungsorientiert und wird vom Lernenden selbst bestimmt. Freinet geht davon aus, dass jedes Kind die wichtigen Erfahrungen in seinem Leben selbst machen muss und Wahrheiten selbst entdecken soll. Lebendiges Lernen ist eingebunden in die emotionellen und sozialen Beziehungen der Gruppe und steht in enger Verbindung zum Milieu. Der Unterricht erfolgt erfahrungsorientiert, sachbezogen und für das Kind sinnvoll erlebbar. Die differenzierten Arbeitsmittel und die besonderen Organisationsformen der Klasse erlauben es jedem Kind, gemäß seinen Interessen, seinen Talenten und seinem individuellen Lernrhythmus vorzugehen. Das Klassenzimmer ähnelt eher einer Werkstatt, in der entdeckendes und forschendes Lernen möglich ist und in der eine freundliche und entspannte Atmosphäre herrscht. Das Wissen eignen sich die Kinder mit Arbeitsmaterialen, mit Büchern, Informationsheften und Nachschlagewerken an. Der Lehrer soll das Wissen den Schülern nicht servieren, sondern eine vorbereitete Arbeitsumgebung schaffen. Im Unterricht gehen die Kinder verschiedenen Arbeiten alleine, zu zweit oder in Gruppen nach. Sie verwenden vor allem Druckerpressen, Schreibcomputer, die Arbeitsbibliothek und dgl. mehr. Der Unterricht wird vom Lehrer und vom Schüler gemeinsam gestaltet. Wochenplanung, Tagesplanung, Exkursionen u.s.w. helfen dabei. Der Lehrer hat eine helfende, koordinierende und beratende Funktion und sorgt dafür, dass die Lerngruppen auch Teile des Lehrplanes erfüllen. In jeder Form der Freiarbeit muss der Lehrer präsent sein und die Aktivitäten der Kinder wichtig nehmen. Außerschulische Kontakten wird hohe Bedeutung zugemessen. Möglichst viele Exkursionen und lebensechte Erfahrungen werden angestrebt. Das Elternhaus und die Schule dürfen nicht in einem pädagogischem Widerspruch stehen. Für die Entwicklung der Kinder ist es wichtig, dass sich die Eltern mit dem schulischen Geschehen identifizieren. Die Arbeit nach der Freinet- Pädagogik ist nach Aussagen vieler Freinet-Lehrer schwierig, da dies meist mehr Arbeit bedeutet, aber auch Konflikte mit Eltern und Lehrerkollegen, die nach der herkömmlichen Methode unterrichten, mit sich bringt. Eines der schwerwiegendsten Probleme in Freinet- Klassen stellt das Ziffernnotensystem dar. Ein weiteres Problem sind Schularbeiten, die zu einem bestimmten Zeitpunkt durchgeführt werden müssen. Sie verursachen nach Freinet einen unnötigen Druck, der die Entwicklung der Kinder hemmt. (Vgl. Furch, Pirstinger, S 26-40) Skizze einer Freinet-Klasse

5.4 Peter Petersen

“Wer von “Elementen”, “Merkmalen” oder “Formen” des JENA-Plans sprechen will, muss zunächst “voll und ganz begreifen, dass fremdes Seelenleben vom Ursprung her unsere Seele nährt, dass wir auf Gemeinsamkeiten und aus Gemeinsamkeiten leben, und dass wir erst schöpferisch werden in dem Augenblick, wo das fremde Seelenleben auf uns einwirkt. Und da dies vom ersten Augenblick an geschieht, so steht demnach jeder Mensch vom Ursprung her auf der Gemeinschaft”.” (Furch, Pirstinger, S 44) Peter Petersen wurde in den Zwanzigerjahren unseres Jahrhunderts in Jena beauftragt, die universitäre Volksschullehrerausbildung aufzubauen. (Vgl. Furch, Pirstinger, S 44)

Der Jenaplan Peter Petersens ist keine Unterrichtsmethode, sondern vielmehr ein pädagogisches Konzept für eine freie allgemeine Volksschule nach den Grundsätzen neuer Erziehung. Er selbst bezeichnet ihn als “Ausgangsform”. Pädagogen erhalten von Petersen eine Form und einen Plan von denen sie ausgehen können. Doch es ist ihre Entscheidung auf welchem Weg sie versuchen ihr Ziel zu erreichen. Grundsätzlich geht Petersen davon aus, dass der Jenaplan in jeder Schule verwirklicht werden kann, vorausgesetzt, die Erziehungsidee leitet alles pädagogische Tun und kann frei um ihren reinsten Ausdruck ringen. Erziehung vollzieht sich durch die Gemeinschaft und das Individuum wird zur Persönlichkeit durch das Leben in der Gemeinschaft. Erst wenn ein echtes und reiches Zusammenleben funktioniert, kommen didaktische und methodische Überlegungen zu ihrem vollen Recht und zur Entfaltung ihres schulpädagogischen Sinns. Durch das gemeinschaftliche Leben erlebt der junge Mensch, dass es für ihn notwendig ist, sich zu entwickeln und zu kultivieren. Er erfährt wozu nur Menschen fähig sind: zur Güte, zum Mitleid, zum Verstehen, zur Ehrfurcht, zur Treue, zur Rücksicht, zum Verzeihen, zur Freude usw. Die Jenaplan-Schule ist frei und allgemein, weil sie Kinder aller Volksschichten, unabhängig von Religion, Herkunft und Elternhaus aufnimmt. (Eichelberger, Furch S 69-74)

6. INTERKULTURELLE PÄDAGOGIK UND REFORMPÄDAGOGISCHE ANSÄTZE “Eine Sprache ist ein Leben - eine Welt.

Je mehr Sprachen ich beherrsche, desto mehr Leben lebe ich, in desto mehr Welten lebe ich.” (Furch, Pirstinger, S 75)

Wenn man mit Kindern nichtdeutscher Muttersprache arbeitet, ist es ein unbedingtes Muss, sich eingehend mit Wegen der Reformpädagogen um die Jahrhundertwende und danach auseinander zu setzen. Ein integrativer Unterricht in allen Bereichen verlangt nach einer Verknüpfung der Reformpädagogik und der Interkulturellen Pädagogik. Lehrer/innen bemerken immer häufiger, dass es nicht nur an den Kindern, sondern auch an der Unterrichtsmethode liegt, warum manche Lernprozesse nur sehr langsam ablaufen. Der überaus sensible Bereich des Sprachenlernens kann nur in einer partnerschaftlichen, kindgemäßen und spannungsfreien Atmosphäre stattfinden. In der Pädagogik Celestin FREINETS ist die angenehme Klassenatmosphäre ein wichtiger Faktor. Die Klasse, in kleine Ateliers unterteilt, motiviert die Schüler zu lustbetontem, ungezwungenem und selbstständigem Arbeiten.Selbsttätigkeit und Individualität werden durch diese Form von Pädagogik gefordert und gefördert. Die langsam heran- und zusammenwachsende Gemeinschaft und die rege Kommunikation beim gemeinsamen Arbeiten sind für Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache von großer Bedeutung. Unbewusstes Lernen der Sprache findet im Austausch mit Klassenkameraden statt. Einen hohen Stellenwert hat die Wortschatzarbeit, das Gestalten von freien Texten und das Gespräch. Im Kreisgespräch kann gegenseitiges Verständnis für auftretende Probleme diskutiert werden. Die Beurteilung ist wohl der heikelste Punkt in Verbindung mit Interkulturalität. Mit der verbalen Mitteilung kann auf die Sprachdefizite rücksichtsvoll eingegangen werden. Im Mittelpunkt des Unterrichts soll laut Maria MONTESSORI die Liebe zum Kind und die zwischenmenschliche Beziehung stehen. Wenn der Lehrer seine Dominanz zurücknimmt, kann er sich dem Kind zuwenden und es können Gefühle wie “Nähe”, “Vertrauen” und “Sicherheit” entstehen. Hier sollte die Verbindung zur Interkulturellen Pädagogik beginnen. Kinder aus anderen Ländern mit anderem kulturellem Hintergrund müssen erst zur inneren Ruhe gelangen. Damit ein Kind eine neue Sprache erlernen kann, muss es den inneren Drang nach Selbstentfaltung verspüren. Die drei Grundbedingungen, wie die vorbereitete Lernumgebung, demütige Lehrperson und das didaktische Material wären durchaus im Umgang mit Kindern nicht deutscher Muttersprache Vorraussetzungen, dass kindgerechtes, individualisierendes und emotionell positives Lernen ermöglicht werden kann. Kinder mit geringem Wortschatz werden verständlicherweise zuerst zum didaktischen Material des Bereichs Mathematik greifen und sich dort rasch weiterentwickeln. Die nötige Selbstsicherheit für ihre Persönlichkeitsentwicklung wird durch Erfolge auf diesem Gebiet erlangt. Eine Zusammenarbeit mit Kollegen oder Kolleginnen, die die Muttersprache der Kinder sprechen, wäre unumgänglich. Lehrpersonen mit der Denkweise Montessoris unterstützen eine zwangslose, fließende Integration von Kindern mit Defiziten speziell im sprachlichen Bereich.

Helen PARKHURSTS Wochenpläne, die auf jedes einzelne Kind zugeschnitten sind, eignen sich für Kinder mit besonderen Bedürfnissen im sprachlichem Bereich. Die Lehrkraft hat beratende und begleitende Funktion und kann auf die unterschiedlichen Neigungen, Interessen und Begabungen der Schüler eingehen. In Österreich kennt man die pädagogischen Grundsätze der Helen Parkhurst kaum, obwohl sie für den Regelunterricht durchaus geeignet wären und in interkulturell zusammengesetzten Klassen angewendet werden könnten. Leider genauso wenig bekannt sind die Jenaplan-Schulen, basierend auf dem pädagogischen Konzept von Peter Petersen. Er vertrat ein Unterrichtssystem, dass vom Kind ausgeht, individuelle Anlagen fördert und Lern- und Stammgruppen mit jeweils drei Jahrgängen umfasst. Dieses verspricht ideale Voraussetzungen für Integration von Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache. Einige Ansätze wurden im Schulversuch “Neue Grundschule” erprobt und verwirklicht. Kinder steigen in die nächsthöhere Lerngruppe auf, wenn sie das Lernniveau erreicht haben. Nicht zu vergessen, dass die Kinder mit anderen Muttersprachen bereits eine Sprache erlernt haben und österreichischen Kindern in einigem voraus sind. (Vgl. Furch, Pirstinger, S 75-82)

7. SPRACHEN IN EUROPA

In Europa gibt es 62 Sprachen. Die meisten Sprachen gehören zu drei großen Sprachfamilien. Indogermanische Sprachen:

- Germanische Sprachen

z.B. Deutsch, Englisch, Niederländisch, Dänisch und Schwedisch

- Romanische Sprachen

z.B. Französisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch und Rumänisch · Slawische Sprachen

z.B. Russisch, Polnisch, Tschechisch und Bulgarisch · Keltische Sprachen

z.B. Irisch, Schottisch und Walisisch

Es gibt Sprachen, die zwar indogermanischen Ursprung haben, aber keiner dieser Sprachgruppen angehören, wie Griechisch, Albanisch oder Litauisch.

- Finno-ugrische Sprachen:

Zu dieser Sprachfamilie zählen unter anderem Finnisch und Ungarisch.

Deren Sprecher lebten vor etwa 6000 Jahren im Uralgebirge und zogen dann nach Nordeuropa bzw. ins heutige Ungarn.

- Turksprachen und andere Sprachen:

Die bedeutendste Turksprache Europas ist Türkisch. In bestimmten Gebieten wird Tartarisch oder Gagausisch gesprochen, die ebenfalls zu der Familie der Turksprachen gehören.

Eine besondere Sprache:

Die geheimnisvollste und vermutlich schwierigste Sprache in Europa ist das Baskische. Bis jetzt hat noch niemand herausgefunden, mit welcher Sprache sie verwandt ist. Baskisch wird in Frankreich und Spanien gesprochen. (Vgl. Brosche, Rösel, Ruoß, S 9)

8. EUROPAKLASSEN AN DER GRUNDSCHULE

Ist die Fähigkeit der Kinder ein wesentliches Kriterium für pädagogisches Handeln, so sind zwei- und mehrsprachig aufwachsende Kinder in der Schule als solche wahrzunehmen. Wird eine spezifische schulische Förderung der Minderheitensprachen nur zur mündlich gepflegten Familiensprache, werden beruflich relevante Kompetenzen weitgehend verloren gehen. Anlass und Aufforderung, “Europaklassen” einzurichten, sind zweisprachige Kinder aus den großen Minderheitengruppen. Europaklassen gibt es in Österreich im Gegensatz zu unserem Nachbarland Deutschland bis dato keine. Dort wurden sie in großen Städten aufgrund des dortigen hohen Ausländeranteils eingerichtet.

Ihre wesentlichen Merkmale sind:
- Die primäre Unterrichtssprache ist die Landessprache. Die Kinder lernen in dieser Sprache Lesen und Schreiben und werden auch in den Kernfächern so unterrichtet. Die Erstsprache der Minderheit wird zur Zweitsprache.
- Die Anzahl inländischer Schüler soll in der Klasse dominieren.
- Der Lese- und Schreiblehrgang in der Zweitsprache soll bis zum Ende der Grundstufe I abgeschlossen werden.
- Europaklassen verwirklichen zweisprachige Schullaufbahnen. Der Kontakt mit einer vergleichbaren Partnerschule des Nachbarlandes wird gepflegt. Gegenseitige Besuche bzw. auch Schüleraustausch sind durchaus möglich.
- Die zwei durchgehend unterrichteten Sprachen sichern eine Schullaufbahn, die mehrsprachig abgeschlossen wird. Zusätzlich zu Englisch und einer 2. Fremdsprache kommt eine weitere voll entwickelte Nachbarsprache hinzu.

Die Finanzierung dieser spezifischen Form der Schullaufbahn kann verwirklicht werden. Die Herkunftsländer bieten nicht nur Lehrer/innen an, sonder finanzieren die Personalkosten mit. Die Europäische Union fördert bilinguale Programme innerhalb von COMENIUS und LINGUA. Gegenwärtig kann man sich nicht vorstellen, welche sprachlichen und interkulturellen Kompetenzen gesichert und zur vollen Entfaltung gebracht werden könnten, wenn auch nur einem Teil der Kinder nichtdeutscher Muttersprache in österreichischen Schulen die Möglichkeit angeboten würde, zusammen mit einem Teil der Kinder der Mehrheit kompetent zweisprachig ausgebildet zu werden. Minderheiten, die bisher als Problem erachtet wurden, würden sich als kulturelle Chance und einmaliger Kompetenzgewinn im europäischen Vergleich erweisen. Eine Generation neuer Europäer würde ausgebildet werden, die in mehr als einer Sprache zu Hause ist, mehr als nur eine Lebensform beherrscht und sich im europäischen Kulturraum kompetent zu bewegen versteht. Diese jungen Menschen würden nicht nur für sich, sondern für die Gesellschaft insgesamt tragfähige Brücken des interkulturellen Verstehens zwischen den Gruppen und Ländern aufspannen. (Vgl. Eichelberger, Furch, S 302-304)

9. FREMDSPRACHENUNTERRICHT IN EUROPA

Europa hat verhältnismäßig wenig Sprachen, wenn man bedenkt, wie stark die Staatenwelt Europas gegliedert ist. Die gegenwärtige Entwicklung zeigt ein Vordringen des Englischen als Zweit- und Fremdsprache. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass nur eine Sprache als Bildungssprache dominant bleibt. (Vgl. Leitner, S 29-41)

Der Europarat misst dem Fremdsprachenlernen große Bedeutung zu und ist entschlossen, bildungspolitische Voraussetzungen zu schaffen. Europa benötigt für sein Zusammenwachsen Bürger, die zu internationaler und interkultureller Kooperation fähig sind. Europas Bürger müssen vor allem zu Kommunikation bereit sein, was die Erziehung in europäischen Ländern vor konkrete Aufgaben stellt. In praktisch jedem europäischen Land gibt es Fremdsprachenunterricht in der Grundschule, manchmal noch in Form von vorsichtigen Versuchen, manchmal in weit fortgeschrittenen regionalen Projekten und in einigen wenigen Staaten wie Österreich als landesweite Einrichtung mit der obligatorischen Teilnahme aller Kinder. Wenn wir Erziehung als Lebenshilfe begreifen und wenn Kinder in unserer multikulturellen Welt zum Ende des 20. Jahrhunderts ständig Menschen und Gegenständen anderer Sprache, Gesellschaft und Kultur begegnen, dann muss die Schule sich bemühen, ihnen bei der Bewältigung der aus den Begegnungen entstehende Aufgaben zu helfen. Diese Begegnungen finden schon im Kindesalter statt. Also muss schon die Grundschule versuchen, ihren Beitrag zu leisten, dass sie ihre Schüler und Schülerinnen auf interkulturelle Begegnungen vorbereitet. Das multikulturelle Leben von Morgen verlangt von der Grundschule Beiträge zu einer Erziehung zu Aufgeschlossenheit und Toleranz gegenüber anderen Nationen. (Vgl. Erziehung und Unterricht 2/3/95, S 52-54)

9. EUROPAPÄDAGOGIK

Konkrete Lehrinhalte für zukünftige Lehrer/innen gibt es noch nicht, jedoch sind bei Reich folgende Vorschläge zu finden:
- Hinführen zur Kulturoffenheit - Kommunikationstraining - Integrationsfähigkeit - Kooperationsfähigkeit
- Einblick in die europäische Bildungspolitik
- Unterrichtsmethoden in verschiedenen europäischen Ländern - Kulturunterschiede und kulturelle Eigenarten
- Migrationsbewegung in Europa
- Umgang mit Grenzen
- Informationen zu aktuellen EU-Projekten (Vgl. Eichelberger, Furch S 98-100)
Weitere Überlegungen haben die Pädagogischen Akademien in Österreich angebracht: - Europäische Bildung
- Sprache als Faktor für Integration in eine neue Gesellschaft - Interkulturelle Didaktik und Methodik
- Europäische Dimension der interkulturellen Erziehung - Rassismus - Antirassismus
- Ethnozentrismus
- Mono- und Bilingualismus
- Umgang im Schulalltag mit Fremdsprachen
- Muttersprache - Zweitsprache - Fremdsprache
- Minderheiten in Österreich und Europa
Im Sinne einer grundschulgemäßen Europapädagogik wurde vom Europäischen Erzieherbund folgendes festgehalten:
- Niemals das Wort “Ausländer” aussprechen, sondern immer von Partner, Freund oder Nachbar reden.
- Europa dem Grundschulkind schrittweise von Beginn an näher bringen. - Europabewusstsein schon im jüngsten Alter erwecken. (Vgl. Hahn, S 28)
Das europäische Parlament fordert seit 1989:
- Anwendung mehrerer Unterrichtssprachen in der Schule,
- Berücksichtigung der sprachlichen und kulturellen Spezifika der Kinder,
- Berücksichtigung der sprachlichen und kulturellen Kompetenzen der Migrantenkinder, - Berücksichtigung und Förderung ihrer Sprache und Kultur sowie die - Vorbereitung der Kinder und Jugendlichen auf das zukünftige Europa und die zukünftige Position als europäischer Bürger.

Die traditionelle Grundschule mit ihrer Konzentration auf die eigene Gesellschaft und Sprache mochte ausreichen in einer Welt, in der Menschen verschiedener Kulturen nur selten begegneten. Das multikulturelle Leben der Gegenwart verlangt mehr. Die Einführung des Fremdsprachenunterrichts kann nicht früh genug beginnen. (Vgl. Erziehung und Unterricht, 2/3 95, S 52-53)

9.1 EUROPA als Begriff für den Lehrer

Je besser es der Lehrer versteht, den europäischen Gedanken zu integrieren, desto erfolgreicher werden seine Vermittlungen sein. Es erfordert dies einige Grundkenntnisse über die Dimension des Europabegriffs. Im folgenden soll versucht werden, diesen Begriff grob zu umreißen und auf einige eng verbundene Prozesse und Institutionen zu verweisen.

Europa kann von verschiedenen Bezugsebenen aus gesehen werden:

- von der politischen
- von der kulturellen
- von der institutionellen
- von der geografischen
- von der emotionalen
- von der historischen

Die politische Sicht auf Europa

Europa ist ein Kontinent, der in viele Nationalstaaten gegliedert ist. Es ist anzunehmen, dass diese politische Gliederungsform, die sich im Laufe der Geschichte stets “zufällig” ergibt, noch lange Zeit bestehen wird. Das schließt ein, dass Staaten immer zerfallen und neue entstehen können. Das Europa der Staaten ist gemessen an der Geschichte Europas eine junge Erscheinung. Der vorwiegend größte Teil der Geschichte Europas beruht auf dem Europa der Völker und Regionen. Wie die gegenwärtige Entwicklung in Osteuropa zeigt, haben Völker und Regionen eine historisch gewachsenen Identität, die sich unter gegebenen Bedingungen auch über die Grenzen der Länder erhält. Versuche, historisch gewachsene Identitäten zu zerstören, zu leugnen oder zu unterdrücken, sind bisher sowohl in West- und Osteuropa gescheitert. Europa ist eine reiche Insel, die zu oft auf Kosten der Entwicklungsländer lebt. Bei aller Dynamik der europäischen Prozesse im Augenblick dürfen auch die Einbindungen Europas in globale Prozesse nicht vergessen werden.

Die institutionelle Sicht auf Europa

Viele Menschen glauben, dass Europa die EG sei. Sicher ist, dass Organisationen wie EG, EURATOM, Montanunion sowie der Europarat untrennbar mit der Nachkriegsgeschichte Europas verbunden sind. Der Europarat entstand nach Beendung des zweiten Weltkrieges. Von zehn Staaten wurde das Statut des Europarates am 10. Mai 1945 unterzeichnet und hat seinen Sitz in Strassburg/Frankreich. Im Gebäude des Europarates tagt auch das Europäische Parlament, welche nichts mit der parlamentarischen Versammlung des Europarates zu tun hat.

Die wichtigsten Arbeitsgebiete des Europarates sind:

- Menschenrechte und Grundfreiheiten

- Medien in der demokratischen Gesellschaft

- Soziale und sozioökonomische Fragen

- Bildung, Kultur und Sport

- Gesundheit

- Kulturelles Erbe der Umwelt

- Gemeinden und Regionen

- Rechtliches Zusammenarbeiten

Damit ist der Europarat in seiner Geschichte an nahezu allen Prozessen der Europäischen Einigung beteiligt. Bedeutsamstes Dokument des Europarates ist die Europäische Menschenrechtskonvention, die am 3. November 1953 in Kraft trat. Mit dieser Konvention und dem Europäischen Gerichtshof steht jedem Menschen Europas ein Instrumentarium zur Verfügung, mit dem er seine Menschenrechte durchsetzen kann, wenn er sich in diesen verletzt fühlt. Ein weiteres bedeutsames Dokument ist die Europäische Sozialcharta, die am 26. Februar 1965 in Kraft trat. Europa verfügt mit dieser Organisation über einen entscheidenden Anteil am Aufbau eines demokratischen Europa im Sinne der Schaffung eines einheitlichen europäischen Rechtsraumes. Der Europarat ist für die neu entstandenen Demokratien in Osteuropa eine der ersten Adressen, um den tatsächlichen Willen zu Veränderungen hin zur freiheitlichen Demokratie zu bekunden und die Erfahrungen dieser Organisation in Anspruch zu nehmen. Die UNESCO hat eine spezielle europäische Achse insbesondere auf den Gebieten der Bildung, Wissenschaft und Kultur. Die historische Rolle der UNESCO bei der Förderung des europäischen Gedankens ist unbestritten, wenn man bedenkt, dass diese zwischenstaatliche Organisation eine wichtige Komponente der Ost-West- Zusammenarbeit vor dem Zerfall des Warschauer Vertrages war. Eine Vielzahl nichtstaatlicher Organisationen spielen ebenfalls eine große Rolle, wenn es um die Förderung der europäischen Zusammenarbeit geht.

Die geografische Sicht auf Europa

Die geografische Dimension Europas ist auf der Landkarte sofort zu erkennen. Der Kontinent ist klar umrissen und eindeutig bestimmbar sind seine Grenzen im Norden, Osten, Süden und Westen.

Die emotionale Sicht auf Europa

Europäisches Indentitätsgefühl bedeutet, dass auf der Grundlage des alten Europas ein neues Europa mit neuen Mechanismen des Lebens und der Entscheidung im Entstehen begriffen ist. Dazu brauchen wir ein Bewusstsein, das weiter reicht als über die politischen Grenzen des Nationalstaates hinaus. Nicht nur die Kinder sollen eine angeborene Offenheit für alles Neue erhalten. Nur wer Interesse hat, wird sich bemühen, die Mechanismen und Ebenen Europas für sich zu erschließen. (Grundschulmagazin 7/8 92, S 4-7)

9.2 EUROPA als kindgemäßer Begriff

Die Schule hat die Aufgabe, die Annäherung der europäischen Völker, Länder und die Neuordnung ihrer Beziehungen im Wege der Gemeinschaftsbildung bewusst zu machen. Die Schule trägt dazu bei, dass in der heranwachsenden Generation ein europäisches Zusammengehörigkeitsbewusstsein entsteht und Verständnis dafür geweckt wird, dass in vielen Bereichen unseres Lebens nicht mehr nur nationale, sondern europäische Entscheidungen zu treffen sind. Der Begriff “Europa” ist in der Volksschule nicht ganz einfach zu erfassen. Es müssen unter anderem politische, wirtschaftliche, historische und ökologische Zusammenhänge in der jeweiligen Grundstufe Gegenstand der didaktisch- methodischen Aufbereitung und Zielsetzung sein. Die pädagogischen Bemühungen das Kind zu einem Europabürger zu machen, darf nicht voreilig oder überstürzt stattfinden. Die Altersgemäßheit, das Fassungsvermögen und das kindliche Interesse müssen berücksichtigt werden. Vorgefundene Voraussetzungen in der Klassengemeinschaft (z.B. Mitschüler mit nicht-deutscher Muttersprache, Urlaube in Europa u.ä.) verlangen einen pädagogischen Europabegriff, der die Persönlichkeit des Kindes immer berücksichtigt. Der Europabegriff darf sich nicht auf die Mitgliedstaaten eines Bündnisses (Nato, EG usw.) stützen. Dies wäre eine unzulässige Einschränkung auf West- und Mitteleuropa und würde bald Problem mit sich bringen, da nicht alle unsere Nachbarländer diesen Bündnissen angehören.

Sind unsere Mitschüler aus Kroatien keine “Europäer”? Wie steht es mit dem Urlaubsland Türkei ?

Die Thematik wird in der Volksschule dort aufgegriffen, wo der Erlebnis- und Erfahrungswert der Kinder dies erlaubt. Die Erschließung der europäischen Dimension kann die ganze Bandbreite des täglichen Lebens umfassen. (z.B. Familie, Essen, Trinken, Spielen, Singen, Tanzen, Urlaub, Konsum, Sprache usw.) In allen Fächern und Lernbereichen kann europäische Bewussteinsbildung stattfinden. (Vgl. Hahn, S 5-6)

10. EUROPA im Unterricht kennenlernen

Saßen früher Ulrike und Thomas in einer Tischgruppe zusammen mit Camilla und Jovana, so sind inzwischen Sergej und Irina hinzugekommen. Die Kinder erfahren täglich, wie man bei uns mit ausländischen Mitbürgern zusammenlebt, was man über sie denkt und spricht. Ohne das Wort “ausländisch” auch nur ins Kalkül zu ziehen, ist für sie Europa, z.B. anhand des Warenangebotes auf dem Markt und im Kaufhaus, tägliche emotionale Erfahrungswelt geworden. Wertschätzung, Neutralität oder Ablehnung von Fremden, Bereitschaft zur Verständigung oder Verfallen in Vorurteile und Klischees - solche Einstellungen und Konzepte bilden sich in tiefen emotionalen Schichten des Bewusstseins heraus, noch ehe die Schule eingreifen kann. Untersuchungen zeigen, dass die in de frühen Kindheit erworbenen Einstellungen und affektiven Bindungen relativ konstant bleiben, obwohl sie durch schulisches Lernen kognitiv differenziert werden. Die Bedeutung des Themas “Europa” wird dadurch nur unterstrichen. (Grundschulmagazin 7/8/92, S 4)

Durch Konfrontation mit anderen Lebensweisen, mit Andersartigem, mit Fremdem kann man einerseits Sicherheit und Gewissheit über sich selbst und die eigene Kultur gewinnen und zugleich Weltoffenheit entwickeln. (Vgl. Glumpler, S 45)

Das reichhaltige Angebot an Thematiken in der Volksschule kann um die europäische Dimension erweitert werden. Sie ist nicht nur alltagsbestimmend, sondern auch in einem größeren Maß in der unmittelbaren Zukunft von Wichtigkeit. Die Auswahl der europäischen Themen zwingt zu einer schülerbezogenen Auswahl und verlangt nach stimmiger Integration in den allgemeinen Unterricht der Grundschule. In diesem Sinne kann die Einbindung einer Thematik Ad-hoc geschehen, geplant werden oder in einem projektorientierten Unterricht stattfinden. Das Alter des Kindes und seine erworbenen Fertigkeiten und Fähigkeiten bestimmen den didaktisch-methodischen Zuschnitt durch den/die Lehrer/in. So wird bei einem noch nicht abgeschlossenem Schreib- und Leselernprozesses der Schwerpunkt auf dem Mündlichen mit hoher Erlebnisbetonung liegen. (z.B. Obst und Gemüse aus Europa - anfassen, riechen ...) Später kommen ergänzende, sachgemäße Arbeitsweisen hinzu. (z.B. Interview auf dem Gemüsemarkt, Erstellen einer Fotoreihe ...) Da man den Europagedanken nicht auf einzelne Gegenstände beschränkt kann, ergibt sich ein fächerübergreifender

Unterricht. Das Anbahnen von Europabewusstsein erfolgt von innen nach außen, vom Nahen zum Fernen, vom Erlebten und Bekannten zum weniger und noch nicht so Vertrauten und Zukünftigen. Der erweiterte Heimatbegriff, der mit der europäischen Dimension hinzukommt, bedingt die Erschließung eines erweiterten Heimatverständnisses beim Volksschulkind. Heimatgeschichte in der Volksschule endet nicht an den Grenzen eines Schulortes. Europabewusstsein kann jedoch nicht verordnet oder übergestülpt werden, es muss wachsen und gedeihen. (Vgl. Hahn, S 7-9)

10.1 Mit dem Ballon über Europa

Das Anliegen dieses Europathemas ist es, die Schüler alters- und kindgemäß an die Europakarte zu gewöhnen. In diesem Zusammenhang ist die Europakarte im Klassenzimmer unverzichtbar. In der ersten Grundstufe sollte eine erlebnisbetonte Phantasiereise im Vordergrund stehen. Das Vorstellungsvermögen der Kinder soll gefördert werden. In der zweiten Grundstufe bleibt das erlebnisbetonte Element erhalten und es kommt die Umsetzung einer Reihe von fachlichen Zielen hinzu. (z.B. Karten mit verschiedenem Maßstab, Himmelsrichtungen ...)

Die Reise

- Die Reise beginnt an einem zentralen Platz des Heimatortes. Motivationsfördernd währe eine begleitende Einspielung eines Tonbandes mit den originalen Geräuschen dieses Platzes z.B. Das Läuten der Kirchenturmuhr löst Erfahrungen, Erinnerungen und Erlebnisse beim Kind aus, die zum Erzählen anregen.
- Der Ballon hebt ab und befindet sich über dem Heimatort. Die Straßen und Häuser sind noch zu sehen. Die Kinder können ihre Straße und das Wohnhaus suchen und es den Mitschülern vorstellen.
- Der Ballon steigt immer höher und höher. Phantasie und Vorstellungskraft sollten hier im Vordergrund stehen. Die Kinder fliegen zu den Orten wo sie Erfahrungen und Erlebnisse einbringen können.
- Der Ballon befindet sich nun schon so hoch, dass der Heimatort kaum zu sehen ist. Andere Orte bieten Anlass zum Erzählen.
- Der Ballon steigt so hoch, dass man die Umrisse des Heimatlandes erkennen kann. Andere Länder sind auch zu sehen. Die Kinder versuchen herauszufinden, wo sich ihr Heimatort befindet.
- Jetzt fliegt der Ballon über Europa. Verschiedenste volkstümliche Musik könnte jetzt die Reise begleiten. In der ersten Grundstufe sollten die Kinder ohne Überforderung an die Europakarte gewöhnt werden. Verschiedenste Länder werden nun besucht und die Kinder erzählen von ihren Erlebnissen. (z.B. Urlaub, Verwandte ...)
- Die Rückkehr wird vorbereitet. Zum erlebnisbetonten Rückflug könnte die Musik, die Bilder u.v.m. in umgekehrter Reihenfolge verwendet werden. Der Ballon verliert langsam an Höhe und kehrt im Heimatort sicher zurück.

Je nach Jahrgangsstufe können nun die Erlebnisse schriftlich festgehalten werden. Die Kinder können Bilder zuordnen und sortieren oder die Urlaubsländer markieren. Mitschüler mit nichtdeutscher Muttersprache können ihre Herkunftsländer näher vorstellen. Dem Ausbau einer Europa-Ballonfahrt sind keine Grenzen gesetzt. (Vgl. Hahn, S 12-18)

10.2 Weihnacht daheim und anderswo

Das Gesicht unserer Schulen ist in den letzten Jahrzehnten zunehmend farbiger geworden.

Immer mehr Schüler und Schülerinnen anderer Nationen bilden mit österreichischen Kindern eine Klassengemeinschaft. Es wird selbstverständlich vorausgesetzt, dass das Zusammenleben im Klassenzimmer friedlich verläuft. Die Förderung des gegenseitigen Kennenlernens und Verständnisses für einander ist eine pädagogischer Auftrag. Unterrichtseinheiten, die sich mit der Kultur und anderen Völkern beschäftigen, leisten ihren Beitrag dazu. (Vgl. Praxis Grundschule Nr. 6, S 6)

Eine Möglichkeit den Kindern andere Traditionen und Lebensweisen, andere Werte und Normen nahe zu bringen, bietet das Thema Weihnachten. Dabei sollen Akzeptanz und Toleranz für die Andersartigkeit der Mitschüler/innen entwickelt werden, wie auch die eigene Kultur zu reflektieren und wertzuschätzen. Die Kinder haben die Möglichkeit das Weihnachtsfest in seiner Bedeutung innerhalb des jeweiligen Kulturkreises und damit die andere Kultur selbst schätzen lernen. Dies stellt eine positive Beziehung zwischen den Kindern her und hilft Vorurteile abzubauen. (Hahn, S 53)

Damit ist ein Grundstein des gewaltlosen Zusammenlebens gelegt, das die wechselseitige Bereicherung der unterschiedlichen Kulturen ermöglicht. Dieses Thema kann in einem fächerübergreifendem Projekt unter Einbeziehung von Fächern wie Deutsch, Sachunterricht, Religion und Musik, aber auch als kurze Unterrichtseinheit gestaltet werden. (Vgl. Praxis Grundschule Nr. 6, S 4)

Die Realisierung

In Kulturkreisen mit anderen Religionen gibt es das Weihnachtsfest nicht. Dies betrifft die türkischen Kinder in unseren Klassen- gemeinschaften. Das Verständnis für Andersartigkeit soll entwickelt werden.

Eingebunden wird die Thematik “Weihnachten in Europa” in die vorgesehenen Themen der vorweihnachtlichen Zeit:

- Basteln von Weihnachtsschmuck, Weihnachtskarten u.v.m.
- Backen von Weihnachtskeksen
- Singen von Weihnachtsliedern
- Einüben und Aufführen von Theaterstücken und Tänzen
- Erzählen und Hören von Weihnachtsgeschichten

Es empfiehlt sich, mit den Ländern zu beginnen, aus denen ausländische Kinder in der konkreten Klassengemeinschaft stammen. Sie können eigene Erfahrungen und Erlebnisse erzählen. (Vgl. Hahn, S 53)

11. ANREGUNGEN FÜR EINEN “FARBIGEN” UNTERRICHT

Die vorliegende Sammlung an Geschichten, Liedern und Lernspielen habe ich aus verschiedenen Literaturwerken ausgewählt. Natürlich stellen diese nur eine kleine Auswahl an vorhandenen Möglichkeiten dar.

12. Abschließende Gedanken

Zweifellos ist die europäische Einigung eine Herausforderung für eine interkulturelle Erziehung. Während meiner Arbeit bemerkte ich, wie umfangreich dieses Thema eigentlich ist und welche Dinge damit verbunden sind und im weiteren Sinne auch dazugehören. Für mich war es schwierig meine Arbeit auf eine bestimmte Seitenanzahl zu minimieren und auf gewisse Themenbereiche - wie die Reformpädagogik, Beispiele für einen europabewussten Unterricht, u.v.m. - zu verzichten. Ich habe versucht die wesentlichen Themen anzusprechen und war bemüht mich kurz und prägnant auszudrücken.

“Endlich erreichten sie ein Land, das Europa gänzlich unbekannt war. Vorsichtig ließ der Stier die Königstochter von seinem Rücken gleiten und verschwand. Da erschien ihr plötzlich Aphrodite.

“Dein Name” sagt sie, “wird unsterblich werden, denn der Erdteil, der dich aufgenommen hat, wird hinfort Europa heißen.””

(Grundschulmagazin 7/8 95, S 47)

LITERATURVERZEICHNIS

1.) AUERNHEIMER, Georg: Einführung in die interkulturelle Erziehung. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1990. ISBN 3-534-10358-0
2.) BMUK (Hrsg.): Neues Lernen für die Gesellschaft von Morgen, Wien: Studienverlag GmbH, 1996. ISBN 3-7065-1167-3
3.) EICHELBERGER, Harald / FURCH, Elisabeth: Kulturen, Sprachen, Welten. Wien: Studienverlag, 1998. ISBN 3-7065-1302-1
4.) FURCH, Elisabeth / PIRSTINGER, Susanne: Lebendige Reformpädagogik. Wien: Verein der Förderer der Schulhefte, 1995. ISBN 3-224-19407-3
5.) GLUMPLER, Edith: Interkulturelles Lernen im Sachunterricht. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt, 1996. ISBN 3-7815-0779-3
6.) HAHN, Manfred: Europa in Unterricht und Erziehung der Grundschule, München: R. Oldenbourg Verlag GmbH, 1992. ISBN 3-486-98634-1
7.) HAHN, Manfred / MOSER, Monika: Sommer in der Grundschule, München: R. Oldenbourg Verlag GmbH, 1991. ISBN 3-486-98614-7
8.) HOHMANN, Manfred / REICH, Hans H.: Ein Europa für Mehrheiten und Minderheiten, Münster: Waxmann Verlag GmbH, 1989. ISBN 3-89325-025-5
9.) LEHRPLAN der Volksschule: Wien: ÖBV Pädagogischer Verlag, 1996/8. ISBN 3-215- 06587
10.) LEITNER, Leo (Hrsg.): Lernen für Europa, Wien: Österreichischer Bundesverlag, 1992. ISBN 3-215-11020-2
11.) PINTERITS, Manfred: Schule und interkulturelle Gesellschaft. In: Neues Lernen für die Gesellschaft von Morgen Innsbruck - Wien: Studienverlag GmbH, 1996. ISBN 3-7065-1167- 3
12.) WURST, Franz / ROTHBUCHER, Heinz / DONNENBERG, Rosemarie: Braucht eine neue Generation eine neue Pädagogik?, Salzburg: Otto Müller Verlag, 1993. ISBN 3-7013- 0847-0

ZEITSCHRIFTEN

1.) BMUK (Hrsg.): Interkulturelles Lernen als Unterrichtsprinzip in einer HS, Wien: Studienverlag, 1991.
2.) BMUK (Hrsg.): Gesetzliche Grundlagen schulischer Maßnahmen für SchülerInnen mit einer anderen Muttersprache als Deutsch - Nr. 1, Wien: Studienverlag, 1999.
3.) BMUK (Hrsg.): Spracherwerb in der Migration - Nr. 3, Wien: Studienverlag, 1999.
4.) DOYÉ, Peter: Frühes Fremdsprachenlernen in Europa. In: Erziehung und Unterricht Wien: ÖBV Pädagogischer Verlag GmbH, 1995, Heft 2/3.
5.) ELBERT, Marina: Weihnacht hier und anderswo. In: Praxis Grundschule Braunschweig: Westermann Schulbuchverlag GmbH, 1999, Heft 6.
6.) ENGEMANN, Christa: Hallo, Europa!. In: Grundschulmagazin Wien: Ehrenwirt/Oldenbourg/Prögel, 1995, Heft 7/8
7.) HARECKER, Gabriele: Referat zum EPSO 1996
8.) KOPPISCH, Thomas: Europa im Unterricht. In: Grundschulmagazin Wien: Ehrenwirt/Oldenbourg/Prögel, 1992, Heft 7/8.
9.) KUNZE, Sigrid: Miteinander, voneinander lernen. In: Grundschulmagazin Wien: Ehrenwirt/Oldenbourg/Prägel, 1994, Heft 3.
10.) POMMERIN, Gabriele: Was bedeutet Interkulturelles Lernen für die Schule ?. In: Grundschulmagazin Wien: Ehrenwirt/Oldenbourg/Prögel, 1994, Heft 3.
11.) SCHREINER, Manfred: Ideen für den interkulturellen Unterricht. In: Grundschulmagazin Wien: Ehrenwirt/Oldenbourg/Prögel, 1992, Heft 7/8.
12.) SPOHN, Gabriele: Unterschiede wahrnehmen - Gemeinsamkeiten erkennen. In: Praxis Grundschule Braunschweig: Westermann Schulbuchverlag GmbH, 1999, Heft 6.
13.) WEBER, Petra Maria: Zur Weihnacht man in aller Welt ... In: Praxis Grundschule Braunschweig: Westermann Schulbuchverlag GmbH, 1999, Heft 6.

LITERATURVERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN

Abb. 1 - 2 BMUK (Hrsg.): Statistische Übersicht - Schuljahre 1993/94 bis 1997/98, Wien: Studienverlag, 1999

Abb. 3 - 4 FURCH, Elisabeth / PIRSTINGER, Susanne: Lebendige Reformpädagogik. Wien: Verein der Förderer der Schulhefte, 1995. ISBN 3-224-19407-3

Abb. 5 MAIERHOFER, Lorenz / KERN, Renate und Walter: SIM - SALA - SING, Innsbruck: Edition Helbing, ISBN 3-900590-61-3

Abb. 6 BROSCHE, Heidemarie / RÖSEL, Astrid / RUOSS, Christof: Ich lebe in Europa, Ravensburger Buchverlag, 1998. ISBN 3-473-35465-1

Abb. 7 - 8 ADELMUND, Danny u.a.: Europa - Lernspiele ohne Grenzen, Mühlheim. Verlag an der Ruhr, 1998. ISBN 3-86072-324-3

Abb. 9 - 10 SPOHN, Gabriele: Unterschiede wahrnehmen - Gemeinsamkeiten erkennen. In: Praxis Grundschule Braunschweig: Westermann Schulbuchverlag GmbH. 1999, Heft 6.

Abb. 11 HAHN, Manfred / MOSER, Monika: Sommer in der Grundschule, München: R. Oldenbourg Verlag GmbH, 1991. ISBN 3-486-98614-7

Abb. 12 - 16 MAIERHOFER, Lorenz / KERN, Renate und Walter: SIM - SALA - SING, Innsbruck: Edition Helbing, ISBN 3-900590-61-3

Erklärung:

Ich erkläre, dass die vorliegende Diplomarbeit von mir selbst verfasst wurde und dass ich dazu keine anderen als die angeführten Behelfe verwendet habe. Außerdem habe ich die Reinschrift der Diplomarbeit einer Korrektur unterzogen und ein Belegexemplar verwahrt.

Bad Vöslau, 11. Januar 2000

Natalie Kern

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Das Unterrichtsprinzip "Interkulturelles Lernen" als erfolgreicher Vermittler des europäischen Gedanken
Autor
Jahr
2000
Seiten
25
Katalognummer
V96519
ISBN (eBook)
9783638091954
Dateigröße
391 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Unterrichtsprinzip, Interkulturelles, Lernen, Vermittler, Gedanken
Arbeit zitieren
Natalie Kern (Autor:in), 2000, Das Unterrichtsprinzip "Interkulturelles Lernen" als erfolgreicher Vermittler des europäischen Gedanken, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96519

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