Berufliche und betriebliche Sozialisation


Seminararbeit, 1999

12 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Arbeit als Sozialisationseinrichtung
2.1 Warum gibt es Berufliche Sozialisation?

3. Sozialisation vor dem Beruf
1. Schichtspezifische Einflüsse
2. Familieneinflüsse
3. Schulische Einflüsse
4. Zusammenfassung

4. Sozialisation für den Beruf
1. Schulische Phase
2. Berufsausbildung

5. Sozialisation im Beruf
1. Berufliche Identität
2. Berufliche Sozialisation

6. Fazit und Schlußbemerkungen

7. Literaturverzeichnis

Berufliche und betriebliche Sozialisation

1. Einleitung

Die berufliche Sozialisation war lange Zeit nicht Gegenstand der aktuellen Forschung. Erst in den siebziger Jahren erkannte man ihre Bedeutung auf den Arbeitenden und untersuchte nun intensiv die Zusammenhänge zwischen Arbeitssituation und Individuum.

Diese Arbeit stellt nun verschiedene theoretische Ansätze der beruflichen Situation vor und bezieht diese dann vor allem auf die Sozialisationsphase zwischen Schule und Beginn des Arbeitslebens und die Relation zwischen Familie und Beruf.

2. Arbeit als Sozialisationseinrichtung

Die Arbeit als Institution stellt unterschiedlichste Forderungen an den Arbeitende. Zunächst benötigt man für jede Arbeit eine bestimmte Qualifikation. Um diese zu erreichen müssen bestimmte Kenntnisse und Fertigkeiten vorhanden sein, welche man in der vorberuflichen Phase, bzw. während der Ausbildung erwirbt. Man spricht von vorberuflicher Sozialisation, bzw. von Sozialisation für den Beruf.

Weiterhin kommt es während der Arbeit zu Fluktuationsprozessen, die der Arbeitsmarkt oder der Arbeitgeber diktiert und die dann Auswirkungen auf das Individuum Arbeitnehmer haben. Dies können Faktoren wie notwendige Zusatzqualifikationen oder auch Arbeitslosigkeit sein. Konfrontiert man den Arbeitenden mit diesen Faktoren ist der Prozeß, in dem er diese verarbeitet die Sogenannte Sozialisation im Beruf.

Die Arbeit kann vielfältig in das Leben eines Menschen eingreifen. Sie ist an sich schon ein zentraler Aspekt des Lebens, im Idealfall sichert sie die Existenz des Arbeiters und dessen Familie, kann aber auch weitreichende Konsequenzen auf das Leben nicht nur des Arbeiters, sondern auch auf Partner oder Kinder haben ( siehe Kap. 3 und 4 ).

2.1 Warum aber gibt es berufliche Sozialisation?

Ausgehend von verschiedenen Theorien ergibt sich folgender Kernsatz:

Der Zweck der Sozialisation liegt in der F ö rderung von Motivationen, F ä higkeiten und Kenntnissen, die f ü r die Aus ü bung definierter Berufsrollen n ü tzlich sind. [ Vgl. HEINZ 1991, S.506 ]

Dabei werden zwei Hauptaufgaben an die berufliche Sozialisation gestellt:

1. Vermittlung einer Leistungsorientierung, die zu Kooperation innerhalb repressiver ( hierarchischer ) Bedingungen befähigt.

2. Bereitschaft zur Unterordnung innerhalb des Betriebes, bei Beibehaltung des individuellen Selbstwertgefühls.

Der Arbeiter wird von Geburt an mit Handlungsnormen und Wertevorstellungen soweit erzogen und gebildet, daß er später die optimalen Fähigkeiten für einen gewählten Beruf erworben hat und diese nun im vollem Umfang anwendet. Dabei ist nicht nur lernqualifizierte Ausbildung gefragt, sondern auch sozialqualifizierte Handlungsnormen sollen soweit beigebracht werden, daß sich der Arbeiter problemlos in die Arbeitsstruktur eines Betriebes integrieren kann ohne das es zu Identitätskonflikten oder Konflikten zwischenmenschlicher Art kommt, die der Effizienz abträglich sind. Hierbei wird unterschieden zwischen den Aufgaben des Sozialisierungsprozesses bei Jugendlichen vor dem Einstieg in die Berufswelt, Berufsanfängern und Personen, die bereits in einem Arbeitsverhältnis stehen. Die Aufgabe bei den beiden ersten Gruppen ist der Aufbau von Wertmodellen und Orientierungen, z.B. die Implementierung von Arbeitstugenden wie Pünktlichkeit, Fleiß, Diese bilden den Grundstock für eine Integration in die Arbeitswelt ( mehr in Kap.3 ). Bei bereits im Beruf stehenden Arbeitern besteht die Hauptaufgabe darin, Verhaltensmuster und Handlungsstrategien in Verbindung mit nachträglicher Zusatzqualifikationen weiter auszubauen um zu gewährleisten, das die Arbeitskraft immer dem Stand der Technik und des Ablaufes innerhalb des Betriebes angepaßt bleibt, um so möglichst effizient und produktiv zu handeln ( siehe Kap.5 ). Eine Parallele zur marxistisch kapitalistischen Theorie bleibt hier nicht unverborgen. Tatsächlich erweist sie sich als ein Ansatzpunkt zur Interpretation des Arbeiters als Arbeitskapital und damit als eine Rollenstruktur in der Arbeitswelt.

2. Sozialisation vor dem Beruf

Die vorberufliche Sozialisation ist durchaus von großer Bedeutung bei der anschließenden Berufswahl und für die Art von Beruf , die sich ein Jugendlicher wünscht auszuüben. Drei wesentliche Faktoren sind Bestandteil der subjektorientierten Theorien, die sich hauptsächlich mit der Rolle und der Entwicklung des Individuums und seinen Voraussetzungen beschäftigt, nämlich die Rolle der Schichtzugehörigkeit der Person ( Unterschicht, Arbeiterschicht oder privilegierter Oberschicht ), die Rolle von Familie und Freunden auf den vorberuflichen Sozialisationsprozeß und die Rolle der schulischen Ausbildung.

1. Schichtspezifische Einflüsse

Die soziale Herkunft eines Individuums hat großen Anteil an seiner Sozialisation, auch an der beruflichen. Untersuchungen haben ergeben, daß bereits Kinder verschiedene Ansichten über die Arbeitswelt haben und je nach Schichtzugehörigkeit die Berufe nach einer unterschiedliche

Prestigeskala bewerten. So ist für Kinder, die der Unterschicht angehören stufen z.B. den Lehrerberuf niedriger ein als den Elektriker- oder Schlosserberuf, obwohl diese den potentiell niedrigen Lohnstatus beinhalten. Durch das sie umgebende soziale Milieu werden Kinder und Jugendliche in eine berufliche Wertevorstellung kanalisiert, die sich oft auch in der folgenden Berufswahl niederschlägt, man spricht von einer Milieukonformität der Berufseinmündung. Berufe, die eine zu große Milieudistanz aufweisen, werden tendenziell nicht gewählt.

Bei der Erklärung dieser Theorie wird zumeist auf die psychoanalytische Sozialisationstheorie zurückgegriffen, die einen Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Berufswahl konstruiert:

- aus dem Milieu der unterprivilegierten Arbeiterschicht entstehen ichschwache, mit geringem Über-Ich ausgestattete Arbeitskräfte, bei denen selbst einfache Tätigkeiten zu sozialen Überforderungen führen können. Eine anspruchsvolle Tätigkeit käme für diese Gruppe nicht in Frage, allerhöchstens, so die Theorie eine repetitive, gleichförmige Tätigkeit, da das intellektuelle Niveau nicht weit genug entwickelt sei.
- Aus der stabilen Arbeiterschicht erwachsen durch schichtspezifische Sozialisation Menschen mit rigidem Über-Ich, das aus Abhängigkeiten von Autoritäten und durch disziplinierte Erziehung entstanden ist. Diese Arbeitskräfte haben potentiell die geringsten Anpassungsschwierigkeiten sich in eine hierarchische Betriebsstruktur einzufügen, da sie bereits aus frühester Kindheit autoritär erzogen, d.h. sozialisiert worden sind.
- Aus dem Sozialisationsprozeß der Mittelschicht entsteht ein Über-Ich, das dem Ich einen Entwicklungsspielraum läßt, da nicht die gesamten intellektuellen Fähigkeiten zur Arbeit gebraucht werden. Arbeitskräfte aus dieser Schicht sind potentiell geeignet für kaufmännische und Verwaltungstätigkeiten.
- Aus den Schichten der privilegierten Oberschicht entstehen Arbeitskräfte, mit einem flexibles Über-Ich in Verbindung mit Ich-Stärke, die reflektiv mit ihrer sozialen Umgebung, ihren Wertevorstellungen und Normen umgeht und eine Synthese aus Erwartungen, Möglichkeiten und Bedürfnissen entwickeln können, die ihnen erlaubt, besonders selbständige und qualifizierte Berufe zu ergreifen und innerhalb ihrer Handlungskompetenzen diese zu variieren, denn in der hierarchischen Struktur des Arbeitsplatzes stehen sie an den höchsten Stellen.

Soweit die Theorie. Da aber die Schichtzugehörigkeit nur einen Teil der beruflichen Sozialisation ausmacht, kann diese nicht als Schablone für den Arbeitsmarkt gewertet werden, denn es spielen noch sehr viele andere Faktoren in die Berufssozialisation der Jugendlichen hinein, die hier noch keine Berücksichtigung finden. Es kann also davon ausgegangen werden, daß diese Tabelle nur Anschauungs-, bzw. unterstützenden Charakter hat. Sie bietet dennoch eine in das Gesamtkonzept passende Konzeptionalisierung der Schichtensozialisation, die, bei aller Kritik, dennoch in die Gesamtbetrachtung einfließen kann und muß, denn in Verbindung mit anderen Aspekten beruflicher Sozialisation kann sie in der Interpretation von Persönlichkeitsstrukturen nützlich sein.

2. Familieneinflüsse

Die Einflüsse der Familie ( hier seien auch Freunde einbezogen ) spielt eine erhebliche Rolle in der beruflichen Sozialisation von Kindern und Jugendlichen. Eigentlich ist sie ein Teil der schichtspezifischen Einflüsse, ist aber dennoch soweit autonom, als das sie auch genau das Gegenteil der Schichtkonformität vermitteln kann.

Die Zusammengehörigkeit von Schichtzugehörigkeit der Eltern und ihrem Erziehungsstil ist durchaus als meistenteils gegeben anzusehen. So wird ein Vater aus der Arbeiterschicht, der in seinem Leben bislang nur autoritäre Lernmethoden kennengelernt hat, seine Kinder wahrscheinlich auch in dieser Art erziehen, währen ein Vater, dessen Arbeitsplatz eine gewisse Selbständigkeit voraussetzt, auch seine Kinder zur Selbständigkeit erziehen. Diese Beispiele zeigen, daß Eltern ihren Kindern das vermitteln, was sie in ihrer Arbeitswelt erleben. Haben sie positive Erlebnisse an ihrem Arbeitsplatz, so wird ihnen ihr Erziehungsstil als richtig erscheinen, denn mit ihren Fähigkeiten leisten sie die Unterhaltssicherung ihrer Familie und sind dabei glücklich. Dementsprechend ist es nur logisch, daß sie ihre berufliche Sozialisation als positiv empfinden und ihren Kinder diese Lebensweise nahebringen, damit sie ähnlich ihren Eltern und vor allem auf die Weise der Eltern in ihrer Berufswahl verfahren. Da sich die Lebensweise der Eltern bewährt hat, geben sie nun ihren Kinder das Beispiel einer funktionierenden beruflichen Sozialisation.

Auch werden wie in anderen Bereichen ( z.B. Politik ) die Interpretationsmuster der Eltern von den Kindern übernommen. Durch Gespräche oder Ratschläge der Eltern übernehmen sie jetzt Wertungen, die auf dem Beispiel der Erwachsenen basieren.

Es können aber auch ambivalente Konzepte vermittelt werden, bzw. die Interpretation des Jugendlichen kann eine exakt gegenteilige Wirkung haben. So kann das Kind als Protest auf elterliches Regime durchaus eine Wertungsumkehr von elterlichen Wertungsnormen entwickeln. Aus Verhaltenskonformität wir Protest und Unangepasstheit, aus Gleichgültigkeit wird Engagement. Letztendlich beziehen sich die Handlungsnormen doch auf das Beispiel, das die Eltern ihren Kindern geben, in die eine oder andere Richtung.

Eltern können aber nicht nur indirekt in den Bildungs- und Berufsweg der Kinder eingreifen. Sie sind durchaus in der Lage gewisse direkte Zwänge nach dem Belohnungs- und Bestrafungsprinzip aufzustellen, oder sogar konkret z.B. in die schulische Laufbahn des Kindes eingreifen. Als Beispiel seien hier Belohnungen für gute Noten oder die erzwungene höhere Schulbildung auf dem Gymnasium ohne nötige Basisqualifikation genannt. So können Eltern steuernd in den beruflichen Entwicklungsprozeß eingreifen.

Ein Zwang nach höherer Bildung ergibt sich meist aus der Tatsache, daß Eltern mit ihren Lebens- und Arbeitsbedingungen nicht zufrieden sind. Dadurch drängen sie darauf, daß ihr Kind ungeachtet der Bildungsvoraussetzungen eine höhere Bildung anstreben soll. Dies wird mit allen Mittel versucht zu erreichen, sei es durch Nachhilfe oder gezwungene Schulbesuche. Meist wird dies mit dem bekannten Satz " Du sollst es einmal besser haben als wir" begründet, ist aber häufig der Ursprung familiärer Probleme, die hier aber nicht näher aufgegriffen werden sollen.

3. Schulische Einflüsse

Sozialisation in der Schule bezieht sich vor allem auf die Vermittlung von qualifizierenden Kenntnissen, die für verschiedenste Berufe von Vorteil sind. Erst nach der Trennung von Haupt-, Realschule und Gymnasium entstehen Bildungsschwerpunkte für einzelne Berufsschichtungen. Diese vermitteln dem Schüler und baldigem Arbeitnehmer einen ersten Eindruck der hierarchischen Struktur der Arbeitswelt und versucht Arbeitstugenden wie Fleiß oder Gründlichkeit nahezubringen, die der Schüler in der Arbeitswelt benötigen wird. Dabei ist zu beachten, daß die Qualifikation des Schulabschlusses nur bedingt relevant für die Berufsqualifikation ist, da durch die Arbeitsmarktsituation in fast allen Bereichen spezialisiertes Wissen benötigt wird und die Schule nur einen Basisrahmen beibringen kann auf den dann die Weiterbildung in der Berufsausbildung und in der Weiterbildung innerhalb des Berufes basieren kann.

Die Schulbildung hat allerdings die direkte Abhängigkeit von erreichbaren Berufsfeldern zur Folge, denn je nach Abschluß kann nur eine bestimmte Gruppe von Berufe aufgegriffen werden, und bekanntlicherweise sind die Hauptschulabsolventen die am meisten benachteiligten innerhalb dieses Systems, da ihnen der geringste Pool an Berufen offensteht und sie sich am härtesten der Konkurrenz von oben ( durch Realschüler und in neuer Zeit auch Gymnasiasten ) ausgesetzt sehen.

In der Schule entsteht auch der erste Kontakt zu Gleichaltrigen. Hier werden zum ersten Mal die sozialen Unterschiede deutlich, die sich im Sozialverhalten und in den Handlungs- und Bildungshorizonten der Kinder widerspiegeln. Erstmals ist das Individuum einer Konkurrenzsituation ausgeliefert, in der es lernen muß, sich zu behaupten. In der schulischen Sozialisation entdeckt man nun erste Parallelen zum Berufsleben, das sich durch Konkurrenz und Leistungsdruck hervorhebt und bald seine Schatten auf den Sozialisationsprozeß wirft.

4. Zusammenfassung

Der Prozeß der vorberuflichen Sozialisation ist eine Orientierung auf ein bestimmtes Berufsfeld hin, die von vielen Faktoren abhängt und die nur in der Gesamtbetrachtung einen logisch nachvollziehbaren Zusammenhang bilden. Im Wesentlichen wird in diesem Prozeß die Implementierung von spezifischen, berufsrelevanten Merkmalen vollzogen, die meist als Basisorientierung bis in das Berufsleben hinein erhalten bleiben. Die beiden wichtigsten Merkmale sind:

- Qualifikation
- Orientierungen ( soziale Normen und Wertevorstellungen )

Diese sollen dazu beitragen, daß der Übergang in die Berufswelt so problemlos wie möglich abläuft bei gleichzeitiger maximierter Bildungsmerkmale, die einen Arbeiter zu einer möglichst hohen Bandbreite von Tätigkeiten qualifiziert, ohne das eine sehr lange Ausbildung vonnöten ist.

4. Sozialisation für den Beruf

Die Sozialisation für den Beruf findet im wesentlichen in den letzten Jahren der schulischen Ausbildung und in den Jahren der Berufsausbildung statt. Zunächst wird aus den durch die vorberuflichen Sozialisationsprozessen erworbenen Werte und Normenvorstellungen eine oder mehrere Berufsvorstellungen gebildet und dann die Chancen auf diesen Beruf abgewogen.

1. Die schulische Phase

In den letzten Jahren der schulischen Ausbildung wird den Jugendlichen die nahende Arbeitswelt immer bewußter. Sie erkennen langsam, daß sie bald einen Wechsel im Leben erleben werden. Diesen Übergang sehen die meisten Jugendlichen positiv entgegen, bedeutet er doch die ökonomische und soziale Unabhängigkeit von den Eltern. Diese Auffassung vertreten vor allem die Jugendlichen aus dem Arbeitermilieu so. Trotz der sozialen Schwierigkeiten bei der Berufswahl ist für die meisten Jugendlichen der Beginn des Arbeitsprozeß ein wichtiger Schritt zum Erwachsenwerden.

Durch schulische Instrumente, wie beispielsweise Berufspraktika oder Berufsberatung wird der Noch-Schüler mit dem Angebot und den Selektionsvorgaben der Berufswelt konfrontiert und muß sie nun mit seinen Qualifikationen vergleichen. Zumeist wird dabei eine relevante Diskrepanz zwischen gewünschter Arbeitsstelle und der Erreichbaren festgestellt. Deshalb müssen sie im Lauf der schulischen Phase zumeist ihre Berufswünsche modifizieren, d.h. in den meisten Fällen nach unten korrigieren.

Dies macht diese vorberufliche Phase nicht nur zu einer Realitätserfahrung auf dem Arbeitsmarkt, sondern sie ist durchaus ein Prozeß der Sozialisation von Verarbeitungen von sozialen Enttäuschungen und Selektionsvorgaben.

Der Zugang zum Berufsleben allein ist allerdings zuerst mit einem weiteren Selektionsprozeß verbunden, der nach der Selektion der Berufsart nun einen passenden Betrieb zur Ausbildung finden. Dies ist bei der heutigen Arbeitsmarktsituation durchaus eine schwierige Aufgabe.

Diese oft ernüchternden Erkenntnisse führen dazu, daß die Berufswahl zu einem Kompromiß aus Wünschen und realistischen Möglichkeiten wird, der allerdings zumeist auf die Kosten des Jugendlichen geht. Die Verschärfungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zwingt zudem die Jugendlichen dazu, auf weniger zukunftssichere Ausbildungsplätze auszuweichen, die auch weniger Gehalt versprechen. Es kommt oft zu Resignation und Stagnation der Motivation, da gewünschte Berufschancen einfach nicht gegeben sind. Es kommt zu einer Reduktion der beruflichen Interessen nach dem Motto "Hauptsache eine Lehrstelle".

2. Die Berufsausbildung

Die Ergebnisse des Berufsfindungsprozesses werden in den meisten Fällen akzeptiert, auch wenn sie nicht mit den Wünschen übereinstimmen.

Ist ersteinmal ein Beruf gefunden und eine Ausbildungstelle gesichert, so beginnt die Phase der Berufsausbildung.

Die Aufgabe der Berufsausbildung liegt darin, Qualifikationen zu vermitteln, die für die Berufstätigkeit wichtig erscheinen.

Sie bestehen aus drei verschiedenen Ebenen:

1. Handwerkliche manuellen Fertigkeiten ( hauptsächlich für Arbeiter )
2. Technische Kenntnisse ( Facharbeiter )
3. Unabhängige Fertigkeiten

1.und 2. sind dabei prozeßabhängige Fähigkeiten, die im Laufe von Ausbildung und Arbeit erlernt werden. Die Fertigkeiten unter 3. Sind nicht von einer Arbeitsstelle abhängig und können bei einem Wechsel konvertiert werden.

Für eine optimale Ausbildung sind folgende Fähigkeiten notwendig:

Flexibilität, technische Intelligenz, technische Sensibilität, Wahrnehmung und Verantwortung.

Ausbildung zielt außerdem auf den Wandel der Persönlichkeit, die eine Einfügung in die Berufsrolle ermöglichen soll, die schließlich im Idealfall in der Identifikation mit dieser endet. Die erworbenen Qualifikationen sind allerdings sehr spezifisch auf den Beruf, zumeist sogar auf den Betrieb ausgerichtet ( siehe 1. und 2. ) und sind daher nicht kompatibel bei einem Berufswechsel. Eine sehr bedenkliche Entwicklung, da in heutiger Zeit die traditionelle Arbeitsweise, in der man ein Leben lang in einem Betrieb bleiben kann, dahingehend ausgedient hat, daß heute der überwiegende Teil der Arbeitnehmer ein- oder mehrmals ihren Beruf wechseln, da sie durch bestimmte Arbeitsmarktkriterien dazu gezwungen werden. Besonders deutlich ist diese Entwicklungstendenz in kleinen Betrieben festzustellen, in denen Arbeitsaufgaben nach Bedarf an die Lehrlinge gestellt werden und keine einheitliche Qualifikation der Lehrlinge in unterschiedlichen Betrieben vorausgesetzt werden kann.

So kann man das jetzige Ausbildungsmodell nur noch bedingt auf den heutigen Arbeitsmarkt anwenden, denn spezielle Qualifikationen nützen bei Berufswechsel den Ausgebildeten nur sehr wenig. Es kommt dadurch zu weiteren Qualifikationshürden auf dem Arbeitsmarkt, die nur mit umfangreicher Nachqualifikation oder Weiterbildung überwunden werden kann.

Weiter muß kritisiert werden, daß in einer Arbeiterausbildung nur auf sachliche Qualifikation Wert gelegt wird und nicht auf soziale und zwischenmenschliche Kompetenz. Ein Gegenbeispiel für diese Einseitigkeit mag die Ausbildung zum Arzt sein. Zumeist werden Ärzte schon in vorberuflicher Sozialisation in die Rolle eines Arztes kanalisiert und die Ausbildung gezielt angestrebt. Ein Arzt wird neben seinen physischen Kompetenzen auch gezielt psychisch und soziokulturell geschult werden, um mit seinen Patienten besser umgehen zu können und auch, was sehr wichtig ist, ihn mit seiner Arbeitswelt fertig werden zu lassen, in der er mit sozialen Ausnahmesituationen wie Tod oder Krankheit konfrontiert wird. Eine solche Ausbildung ermöglicht es ein Gleichgewicht, ein Arzt ist nicht abhängig von einem Betrieb, er ist zu sämtlichen Orten kompatibel.

Man spricht in diesen Zusammenhang von Schlüsselqualifikationen, die eine Festlegung auf einen Betrieb vermindern, da sie in verschiedenen Ausbildungsgängen überschneidende Qualifikationen ermöglichen, die einen Wechsel erleichtern. Ausbildung würde dann zu einer Art Baukasten, an dem nur noch geringe Veränderungen vorgenommen werden müssen, damit eine Kompatibilität entstehen kann. Diese Qualifikationen würden dann für eine gesteigerte Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt sorgen und durch Ungleichheiten entstandene soziale Diskrepanzen vermindern.

1. Zusammenfassung

Die Freiheit der Berufswahl ist durch die vorberuflichen Sozialisationsprozesse sehr weit eingeschränkt. So kann die Sozialisation für den Beruf meist nur eine Enttäuschung für den Berufsanfänger bedeuten. Untersuchungen haben gezeigt, daß die meisten Jugendlichen nach Abschluß der Lehre der Meinung sind, daß ein anderer Beruf besser zu ihnen gepaßt hätte oder der Ansicht waren, daß sie durch Familie und soziales Umfeld in eine Berufsrichtung gedrängt worden sind.

Durch die Selektivität des Arbeitsmarktes werden viele Träume zerstört und Karrieren angefangen, die so nicht gewollt worden sind und oft nur Notlösungen darstellen. Dabei ist aber überraschenderweise zu bemerken, daß keineswegs eine grundsätzliche Resignation über die Ausweglosigkeit des Berufslebens herrscht, sondern stattdesen durchaus Ansprüche nach einer sinnvollen und ausfüllenden Tätigkeit bestehen. Sie stellen auch nicht, wie oftmals angenommen, ihre Freizeit über ihre Arbeit, sondern sind sehr realitätsbezogen. Ihnen geht es meist auch eher darum, eine inhaltlich sinnstiftende Tätigkeit auszuführen, die ihren Handlungsspielraum ausnutzt. Sie würden eine solche Arbeit einer repetitiven aber besser bezahlten Tätigkeit vorziehen.

Das darauffolgende Arrangement mit den Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt läßt sich also als Sozialisation für den Beruf zusammenfassen.

Damit entwickeln sie die Basis für berufsbezogene Handlungsstrategien, die ihren beruflichen Werdegang mit hoher Wahrscheinlichkeit begleiten werden.

5. Sozialisation im Beruf

Sozialisation im Betrieb erklärt sich aus den dort herrschenden Bedingungen und den sich daraus ergebenden Problemen für den Arbeitenden. Ein wichtiger Bestandteil ist die Ausbildung der beruflichen Identität.

1. Die berufliche Identität

Die berufliche Identität entwickelt sich aus der Synthese von beruflichen Vorstellungen und Arbeitsanforderungen im Betrieb und fließen in den Sozialisationsprozeß mit ein. Um diese berufsbezogene und meist untergeordnete Identität zu kompensieren muß sie durch inner- oder außerbetriebliche Interaktionsprozesse stabilisiert werden muß.

Da Arbeit eine aufgezwungene Identität ist entsteht durch die Anpassung an den Arbeitsprozeß eine Bedrohung der individuellen Identität, wenn diese nicht durch obengenannte Faktoren oder durch eine Steigerung des Selbstwertgefühls aufgefangen wird.

Selbstwertgefühl ist eine der wichtigsten Komponenten innerhalb der betrieblichen Sozialisation.

Wird es vermindert so sinkt die Motivation des Arbeiters, er fügt sich resigniert in die Routine und wird dadurch weniger effektiv, was in einem Kreislauf mündet, der ihm schließlich seine Identität nimmt. Ohne das Selbstbewußtsein, das heutzutage nötig ist um auf dem Arbeitsmarkt zu bestehen, wird die Arbeitsbereitschaft abnehmen und das Ansehen des Arbeiter sinkt, was wiederum einen Verlust an Selbstwertgefühl verursacht.

Beispiel Arbeitslosigkeit: Die Identität verschiebt sich vom Erwerbstätigen hin zum Arbeitslosen, soziale Anerkennung geht verloren, oftmals gibt sich der Betroffene selbst die Schuld. Durch fehlende Einkünfte kommt es zu Abhängigkeiten an das soziale Netz des Staates. Durch diese Abhängigkeit geht das Selbstwertgefühl in den Keller.

Die Hauptaufgabe der beruflichen Sozialisation besteht nun darin, die Flexibilität des Arbeitenden soweit zu fördern, daß Arbeitsumstellungen ohne Identitäts- und Sozialprobleme ablaufen können.

Dies ist eine nur schwierig zu bewältigende Aufgabe, da durch Monotonie und restriktiver Arbeitssituation psychische Belastungen und identitätszerstörende Faktoren auftreten können, die durch die berufliche Sozialisation aufgefangen und kompensiert werden müssen.

2. Berufliche Sozialisation

Die berufliche Sozialisation soll die Anpassung und Integration des Individuums in den Betrieb ermöglichen und seine Motivation so zu fördern, daß der Arbeiter effektiv und produktiv arbeitet. Dabei soll aber auch Rücksicht auf die soziale Problematik der Arbeit und die Identität der Arbeiter genommen werden.

Verlauf der beruflichen Sozialisation im Idealfall:

1. Erlernen von Kenntnissen und technischen Fähigkeiten
2. Übernahme normativer Orientierungen, damit sich eine Vertrautheit mit der Arbeiterrolle bildet.
3. Identifikation mit der Arbeit

Beim Verlauf dieser Sozialisation kommt es zu einem Normenkonflikt, in dem der Arbeiter seine bisherige ( freie ) Identität an die ( unfreie ) Berufsidentität anpassen muß.

Dabei treten aber einige Schwierigkeiten auf:

Die zu verrichtende Arbeit ist meistens durch wenig Abwechslung geprägt. Gerade in der produzierenden Industrie fühlen sich die Arbeiter als "Sklaven der Maschine", die den Takt der Arbeit vorgibt. Durch Restriktivität und hierarchische Kontrolle kommt es bei den Arbeitern zu Langeweile und Motivationslosigkeit. Dies ist ein besonders schwerwiegendes Problem bei Produktionsarbeitern, bzw. Im Verkaufs- und Bürosektor, die beide durch mangelnde Gestaltungschancen und restriktive Strukturen gekennzeichnet sind. Dementsprechend fällt die Zufriedenheitsquote aus:

- Bei Wissenschaftlern liegt sie bei 90%,
- Bei ungelernten Automobilarbeitern nur bei 16%
- nur ca. 25% der Facharbeiter würden ihren Beruf wiederwählen, und
- 50% der kleinen Angestellten würden einen anderen wählen

Ältere Arbeiter sind im Durchschnitt zufriedener als Junge, da sie einen Ausgleich ihrer Berufsidentität in einer Familie haben und sich mit ihrer Rolle als Arbeiter abgefunden haben, während jung, noch relativ freie Arbeiter, die sich noch in den Betrieb einfügen müssen normalerweise damit noch Schwierigkeiten haben.

In letzter Zeit zeigt sich der Erfolg von autonomen Handlungsstrukturen, die sich positiv auf die Motivation der Arbeiter auswirkt. Dabei haben die Arbeiter den Eindruck, daß mehr von ihren Fähigkeiten gefordert werden und sie können beweisen, was in ihnen steckt. Dadurch bedarf es weniger Kontrolle von oben, denn der Arbeitsprozeß regelt sich so auf Basis der Arbeiter.

Durch Abbau von Monotonie und Kontrolle verringert sich die Indifferenz des Arbeitenden zu seiner Arbeit. Dem Arbeiter steht nun ein erweiterter Handlungsspielraum zur Verfügung innerhalb dessen er seine Arbeit gestaltet. Wird diese Rollennorm erfüllt arbeiten die Arbeiter auch in Abwesenheit von Kontrolle, da sie so sehr motiviert sind, daß ein Zwang nicht mehr nötig ist. Im Idealfall tritt diese Identifizierung mit der Arbeit an die Stelle hierarchischer Kontrolle.

Natürlich hat dieses System auch Nachteile. Damit ein größerer Handlungsspielraum gewährt werden kann, muß der Arbeiter meistens zusätzliche Qualifikation erhalten, um einen besseren Einblick in den Arbeitsablauf zu bekommen. Dies muß zumeist parallel zur Arbeit passieren, wodurch sich ein Streß außerhalb des Betriebes aufbaut, denn Zusatzqualifikation bedeutet weniger Freizeit. Viele Arbeitskräfte können auch die Neuqualifikationen aus ihren Bildungsniveaus nicht mehr erreichen. Dadurch vergrößert sich der Konkurrenzdruck innerhalb des Kollegiums. Somit müssen Arbeiter sich vielmals im Nachhinein als Facharbeiter qualifizieren, was nicht allen gelingt. Außerdem ist vielfach diese Nachqualifikation nur bedingt anwendbar und nur ein geringer Teil des neuen Wissens kann angewendet werden. Der begreifenden Einsicht in die Prozesse steht der Zwang zur Leistungserfüllung gegenüber, der Arbeiter oft auf niedrige kognitive und moralische Entwicklung begrenzt.

Desweiteren kann man in einer so hochtechnisierten Arbeitswelt nicht verlangen, daß jeder Arbeiter über das Funktionsprinzip seiner Maschine bescheidweiß, denn die Veränderungen treten viel zu schnell ein, als daß ein einfacher Arbeiter die Tätigkeiten eines Ingenieurs übernehmen könnte.

So steht der Arbeiter vor einem ihm unverständlichen System aus Technik und fühlt sich immer mehr nur noch als Teil von ihm. Seine individuelle Identität geht verloren. Dies zu verhindern muß Aufgabe der beruflichen Sozialisation sein, denn das ist nicht nur im Interesse des Arbeitenden, sondern auch der Industrie, die möglichst kompetente, sozial gesunde Arbeiter braucht, damit sie effektiv arbeiten kann.

Das Resultat der beruflichen Sozialisation ist immer ein innerer Konsens zwischen Individuum und Organisation der im optimalen Fall ein Gleichgewicht der beiden Kräfte entstehen läßt.

6. Fazit und Schlußbemerkungen

Die berufliche Sozialisation ist ein zentraler Punkt im Leben eines jeden Menschen, denn die Arbeit ist Existenzerhaltung und -Sicherung. Man benötigt nun einmal Geld um sich und seine Familie zu ernähren. Da Menschen nicht alle gleich sind und auch nicht zu einem Maschinenteil gemacht werden können ist sicherlich nachvollziehbar. Die Identität des Individuums ist innerhalb des Arbeitsprozesses gefährdet und muß durch eine positiv wirkende Sozialisation im Beruf ausgeglichen werden. Wenn ein Arbeiter Freude an seiner Arbeit hat und nicht nur durch den Lohnzwang und dem Druck seiner Existenzsicherung bei einer Arbeit bleibt, dann funktioniert die Maschinerie wesentlich effektiver, der Arbeiter geht in seiner Arbeit auf und hat außerhalb des Betriebes weniger Probleme zu kompensieren.

Die Sozialisation hat dahingehen auch Einfluß auf die Familie des Arbeitenden, daß sie in das Familienklima mit einfließt und so das Verhältnis der Familienmitglieder beeinflußt. So kann die berufliche Sozialisation auch Folgen für die nächste Generation haben. Lebt man ständig in einer Existenzangst, denn Arbeitsverlust bedeutet einen schweren Identitätsverlust, so gibt man seine negativen Erfahrungen auch an seine Kinder weiter.

Ein angenehmes Arbeitsklima und die vollständige Identifikation des Arbeiters mit seiner Arbeit kann nur positiv für alle Beteiligten ausfallen.

7. Literaturverzeichnis

1. HEINZ, W.R.: Berufliche und betriebliche Sozialisation;: in: Hurrelmann/Ulich: Neues Handbuch der Sozialisationsforschung, Weinheim und Basel 1991 ( Studienausgabe ), S.499-520
2. HEINZ, W.R.: Arbeit, Beruf und Lebenslauf, München 1995
3. WALTHER, ANDREAS ( Hrsg. ): Junge Erwachsene in Europa, Opladen 1996

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Berufliche und betriebliche Sozialisation
Hochschule
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig  (Institut für Sozialwissenschaften)
Veranstaltung
Proseminar: Einführung in die Sozialisationsforschung
Autor
Jahr
1999
Seiten
12
Katalognummer
V96402
ISBN (eBook)
9783638090780
Dateigröße
355 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Berufliche, Sozialisation, Technische, Universität, Braunschweig, Institut, Sozialwissenschaften, Proseminar, Einführung, Sozialisationsforschung, Dozentin, Gabriele, Daut
Arbeit zitieren
Horst Schilling (Autor:in), 1999, Berufliche und betriebliche Sozialisation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96402

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