Geomorphologie des deutschen Alpenanteils und Alpenvorlandes


Hausarbeit (Hauptseminar), 1998

33 Seiten

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Deutsches Alpenvorland
1.1 Tertiäre Geomorphogenese
1.1.1 Untere Meeresmolasse (UMM)
1.1.2 Untere Süßwassermolasse (USM)
1.1.3 Obere Meeresmolasse (OMM)
1.1.4 Obere Süßwassermolasse (OSM)
1.1.5 Tektonik des Alpenvorlandes
1.2 Quartäre Geomorphogenese
1.2.1 Biber-Kaltzeitengruppe
1.2.2 Donau-Kaltzeitengruppe
1.2.3 Günz-Eiszeit
1.2.4 Mindel-Eiszeit
1.2.5 Riß-Eiszeit
1.2.6 Würm-Eiszeit
1.2.7 Holozän

2 Deutsche Alpen
2.1 Präquartäre Geomorphogenese
2.2 Quartäre Geomorphogenese
2.3 Allgäuer Alpen
2.4 Bayerische Alpen westlich der Saalach
2.5 Berchtesgadener Alpen
2.5.1 Watzmann- und Hochkalterregion
2.5.2 Steinernes Meer

Einleitung

Die vorliegende Arbeit behandelt die Geomorphologie des südlichsten Abschnitts unserer Bundesrepublik, jenes Gebiet südlich der Donau, zu Bayern und Baden-Württemberg gehörig. Immerwährend faszinierend und eindrucksvoll zugleich ist der sprunghafte Übergang vom Alpenvorland zu den Alpen, diese gewaltige Felswildnis, deren Formen interessanter und vielfältiger nicht sein können. Seit Jahrmillionen laufen die Prozesse der Landformung nirgends auf unserem Kontinent mit solch einer Kraft und Intensität ab. Die Geomorphologie der Alpen kommt daher dem höchsten Anspruch dieser Wissenschaft am nächsten. Selbst die oft als unbedeutend bezeichneten deutschen Alpen bieten Hochgebirgsformen par excellence. Man kann sie als den finalen Glanzpunkt der deutschen Landschaften sehen, in einem gewaltigen Inferno den Abschluß bildend. Nebenbei ist ja gerade der Rand der Alpen so reizvoll und auch geologisch am vielfältigsten. Die Zentralalpen sind zwar bedeutend höher, die Kalkalpen übertreffen jene aber in puncto Wildnis und Kühnheit der Formen. Von den Alpen schweift der Blick nordwärts in das weitläufige, bis zum Horizont reichende, häufig nur schwach reliefierte Alpenvorland mit seinen großen Seen. Kulturelle Zentren sind München und die alte, früher so bedeutende Römerstadt Augsburg.

1 Deutsches Alpenvorland

Das deutsche Alpenvorland ist ein bis 120 km breiter Streifen, der entlang dem Alpennordrand vom Bodensee bis zum Inn verläuft. Die nördliche Grenze stellen Schwäbisch-Fränkische Alb und Bayerischer Wald dar (entspricht ungefähr dem Donauverlauf). Morphologisch ist es im Süden eine Moränenlandschaft mit nördlich anschließenden glaziofluvialen Schotterplatten/-feldern. Im Norden gliedert sich das fluviale Tertiärhügelland an. Die Höhen reichen von 290 m bis über 900 m am Alpenrand. Seine Entstehung steht im Zusammenhang mit der alpidischen Orogenese: Es fungierte als Auffangbecken des Abtragungschutts des Orogens. Die tertiäre Sedimentfüllung bezeichnet man als Molasse. Im Quartär sedimentierten über die südliche Molassezone Moränen und glaziofluviale Schotter (vgl. HABBE 1995, S. 440, JERZ 1995, S. 298, SCHOLZ 1995, S. 143, SEMMEL 1996, S. 155).

1.1Tertiäre Geomorphogenese

Ausgelöst durch die Hebung der Alpen bildete sich an deren Nordrand seit dem Oligozän eine Geosynklinale, in die der Abtragungsschutt des Gebirges sedimentiert wurde. Fortschreitende Senkung der Geosynklinale ermöglichte große Sedimentmächtigkeiten. Mehrmalige Meeresvorstöße bewirkten Fazieswechsel von fluvialem zu marinem Milieu, entsprechend unterscheidet man mehrere Molasse-Fazies: Untere Meeresmolasse (UMM), Untere Süßwassermolasse (USM), Obere Meeresmolasse (OMM) und Obere Süßwassermolasse (OSM). Im Laufe des Jungtertiärs erweiterte sich der Sedimentationsraum immer weiter nach Norden. Daher ist die Gesamtabfolge der Molasse nur in Alpennähe vorhanden und erreicht dort die größten Mächtigkeiten mit über 5000 m. Nach Norden hin nimmt die Mächtigkeit ab.

Den Untergrund der Molasse bilden mesozoische Sedimente: Weißjurakalke (kommen in der Schwäbischen Alb zum Vorschein), südlich übergehend in Quintner Kalke. Seit Ende Miozän unterlag das Molassebecken einer Hebung, wobei es viele 100 m, stellenweise über 1000 m gehoben und in ähnlichen Größen erodiert wurde.

Petrographisch besteht die Molasse aus Sandsteinen, Mergeln und Konglomeraten.

Tektonisch läßt sie sich in eine nördliche Vorlandmolasse und in eine südliche, z.T. den Alpen angehörige Faltenmolasse unterteilen. Die Faltenmolasse ist in die Orogenese miteinbezogen worden, wobei sie abgeschert, gefaltet und steilgestellt wurde. Die Vorlandmolasse hingegen weist weitgehend ihre ursprünglichen Lagerungsverhältnisse auf (vgl. HABBE 1995, S.440-441, SCHOLZ 1995, S.144-148).

1.1.1 Untere Meeresmolasse (UMM)

Die UMM ist am ältesten und kommt nur in der Faltenmolasse in zwei schmalen, wenige 100 m breiten Streifen entlang des Alpenrands an die Oberfläche. Nach Norden dünnt sie rasch aus. Nach oben geht sie in die USM über. Ihre Genese ist an eine Meerestransgression im Mitteloligozän geknüpft (vgl. SCHOLZ 1995 S. 150-152).

1.1.2 Untere Süßwassermolasse (USM)

Die USM ist im nördlichen Teil verborgen, weiter südlich kommt sie tektonisch bedingt zum Vorschein. Dort ist sie wesentlich und bildet viele höhere Bergrücken, als höchsten die Nagelfluhkette in den Allgäuer Alpen.

Sie besteht aus einer Wechselfolge von Sandsteinen, Mergeln und Konglomeraten. Nach Norden dünnen die Konglomerate aus und werden durch Sandsteinbänke ersetzt. Entstanden ist die USM durch einen Meeresrückzug im Oberoligozän, was fluviale Sedimente zur Folge hatte. Im Allgäu entstanden in Alpennähe aufgrund des stärkeren Gefälle der Gewässer grobkörnige und mächtige Schwemmfächer aus Konglomeraten. In Wechselfolge mit den Mergeln treten die morphologisch härteren Konglomerate als Steilstufen und Rippen hervor. Weiter nördlich kommen Wechselfolgen von Sandsteinen und Mergeln vor. Dort sind in den Sandsteinen Schichtköpfe ausgebildet, die lang hinziehende Hügelketten bilden. In den Senken dazwischen bildeten sich über Mergeln viele Moore und Seen. In Oberbayern läßt sich die USM in eine Obere und Untere Bunte Molasse untergliedern, die durch eine Brackwassermolasse getrennt ist.

Häufig findet man in der USM Pechkohlestücke in Sandsteinen oder Konglomeraten. An manchen Stellen sind sie als Kohleflöze angereichert, wovon die größten bis 1971 abgebaut wurden. Die Pechkohle entstand aus Sumpfwäldern, die durch Meeresvorstöße abstarben und mit Schlamm bedeckt wurden. Anschließend setzte neuerliches Waldwachstum ein. Durch Absinken des Beckens bildeten sich auf diese Weise viele übereinanderliegende Flöze (vgl. SCHOLZ 1995, S. 153-155, 159-160).

1.1.3 Obere Meeresmolasse (OMM)

Die OMM ist im nördlichen Teil der Faltenmolasse und Südrand der Vorlandmolasse zugänglich. Weiter nördlich ist sie von der OSM bedeckt. Die OMM setzt sich abschnittsweise aus Wechselfolgen grober Konglomerate und Sandsteinen zusammen, zum größten Teil besteht sie aus Sandsteinen und sandigen Mergeln. Morphologisch auffällig sind Steilstufen und Hügelketten aus Konglomeraten und festen Sandsteinbänken.

Die Entstehung der OMM geht auf einen Meeresvorstoß im Untermiozän zurück, wobei fast das gesamte Molassebecken überflutet wurde. Als Folge bauten die Flüsse von Süden her Kiesdeltas ins Meer vor. Mehrmalig ereignete sich ein Vor- und Zurückweichen des Meeres. Ursache für Transgressionen war der Deltavorbau. Regressionen kamen in einer Periode mit rascherer Senkung zustande. Bei Transgression entstanden Bryozoensandsteine, bei Regression Muschelsandsteine und Konglomerate (vgl. SCHOLZ 1995, S. 160-162, 166- 167).

1.1.4 Obere Süßwassermolasse (OSM)

Die OSM ist die jüngste und verbreitetste oberflächliche Molasseablagerung. Sie baut Berge bis 1100 m und Sockel von Höhenrücken entlang der Talsysteme auf. Im Süden besteht sie z.T. aus über 1000 m mächtigen Konglomerat-Mergel-Wechselfolgen. Nach Norden erfolgt ein Übergang in Sandstein-Mergel-Wechselfolgen. Die Erosion hat die Konglomeratbänke als Steilstufen herauspräpariert.

An vielen Stellen kommt Braunkohle vor, die z.T. als ehemalig genutzte Kohleflöze vorliegen. In Sanden sind über wasserstauenden Mergeln stellenweise rostbraune Brauneisenkonkretionen (mit Eisenhydroxid verfestigte Sandkörner) vorhanden. Größere Knollen wurden früher in metertiefen, trichterförmigen Erzgruben gewonnen. An manchen Orten sind bis heute Grubenfelder aus vielen nebeneinanderliegenden Trichtern erhalten (vgl. SCHOLZ 1995, S. 170-171, 179-180).

Für die Bildung der OSM ist ein Meeresrückzug aus dem mittleren Miozän verantwortlich. Dabei kam es zur Erosion einer 10-20 km breiten, zunächst marinen Rinne (Graupensandrinne), die während der OSM-Zeit als Vorfluter der in das Molassebecken mündenden Flüsse diente. Später wurde die Rinne verfüllt und es setzte eine breitflächige fluviatile Schottersedimentation ein. Regelmäßig eingeschaltet sind limnische und terrestrische Relikte. Aus den Allgäuer Alpen sedimentierten während der gesamten OSM- Zeit große Schwemmfächer als Folge der kräftigen Hebung. Tektonische Prozesse verursachten Verwerfungen, die zur Bildung eines Systems aus Hoch- und Tiefschollen führten.

Die Störungen begünstigten im mittleren Mittelmiozän die Entstehung des Hegau- Vulkanismus. Wichtigstes Förderprodukt waren silikatarme Deckentuffe, die seitlich in die OSM eindrangen und mit ihr verzahnt sind. Punktuell sind die Deckentuffe und OSM von Basalten und Basalttuffen durchschlagen worden. Abschließend kam es zur Förderung von Phonolithen, die im Schlot steckenblieben. Heutzutage sind von den Hegau-Vulkanen oberflächlich nur noch Schlotruinen erhalten (vgl. HAEFKE 1959, S. 84, HABBE 1995, S. 443-444, RUTTE 1981, S. 223).

Auf eine Vulkantätigkeit geht auch ein mächtiger Tonhorizont zurück, der in die OSM eingelagert ist. Es handelt sich um Bentonit, der v.a. aus Montmorillonit besteht und einen begehrten Rohstoff darstellt, der deswegen früher im Alpenvorland abgebaut wurde (heute nur noch in Niederbayern). Bentonit entsteht durch Verwitterung von vulkanischen Glasaschen. Unklar ist, woher die Aschen stammen. Wegen einer Kornvergröberung in westlicher Richtung vermutet man das Bodenseegebiet.

Ebenfalls aus dem mittleren Mittelmiozän stammt das Ries-Ereignis. Der ca. 1 km große Meteorit sprengte einen gewaltigen Krater in die Albhochfläche. Die weit transportierten Auswurfmassen lagerten sich ursprünglich als flächiger Horizont in die OSM ein. Durch Erosion sind heute nur noch die widerstandsfähigen Weißjurakalktrümmer (bis kubikmetergroß) als lückiger Brockhorizont erhalten.

Im Pliozän stellte sich als Folge der stärkeren Hebung im Westen ein neues Entwässerungssystem nach Osten ein (vorher nach Westen), was die Entwicklung des Donausystems einleitete. Der Hauptzubringer war der Ur-Alpenrhein, der noch nicht im Rheintal verlief, da ein nach Norden aufgeschütteter Schwemmkegel den Rhein zur südlichen Umgehung, folgend dem Gefälle zur Donau, zwang (vgl. HABBE 1995, S. 444-445, SCHOLZ 1995, S. 189-190).

1.1.5 Tektonik des Alpenvorlandes

Die Vorland- und Faltenmolasse grenzen entlang einer Störungszone aneinander, der sog. Südrandstörung (Abb.1). Diese Störung stellt eine Aufschiebung dar: Im Laufe der Orogenese ist die Faltenmolasse von ihrem ursprünglichen Untergrund abgeschert und als Decke mindestens 50 km weit nach Norden transportiert und auf die Vorlandmolasse aufgeschoben worden.

Aufgebaut ist die stark gefaltete Faltenmolasse aus mehreren, hintereinander gestaffelten, alpenparallel verlaufenden Muldenzügen, in denen die Sedimente trogförmig verbogen sind (Abb. 1). Die Sättel sind durch Auf- und Überschiebungen zerstört worden. Westlich der Iller sind viele der Mulden als Schuppen ausgebildet. Als Schuppen bezeichnet man in der Mitte durchgerissene Mulden, wodurch der Südflügel stark reduziert ist. In den Mulden findet man die USM und UMM an der Oberfläche, da die OSM und OMM durch die starke Hebung erodiert wurden.

Der südlichste Muldenzug ist am Hochgebirge beteiligt: er bildet die Nagelfluhkette in den Allgäuer Alpen, die Höhen bis 1834 m NN erreicht. Ursache hierfür ist die Miteinbeziehung eines mächtigen Konglomerat-Schwemmfächers in die Alpenhebung.

Morphologisch sind in der Faltenmolasse Schichtköpfe mit südlich einfallenden Stufen und Rippen ausgebildet. Die dazwischen liegenden Mergel sind als Ost-West-streichende Verebnungsflächen und Mulden herausgewittert. Dieses Relief wird durch Waldstreifen (Konglomeratrippen) und Wiesen (Mergel) nachgezeichnet. Im Frühsommer werden die Mulden zusätzlich durch Schneestreifen betont.

Die unmittelbar an die Südrandstörung angrenzende ungefaltete Vorlandmolasse ist steil aufgebogen (Abb. 1). Da die Gesteine dort v.a. resistente Konglomerate sind, wird die aufgerichtete Vorlandmolasse durch Höhenzüge nachgezeichnet, von denen die bekanntesten der Pfänder (1064 m NN) am Bodensee und der Peißenberg (988 m NN) in Oberbayern sind. Durch die starke tektonische Beanspruchung sind die Gesteine stark zerklüftet. Bei Sandsteinen und Konglomeraten sind die Klüfte mit Calcit verheilt (vgl. RICHTER 1984, S.99-100, SCHOLZ 1995, S. 193-195).

1.2 Quartäre Geomorphogenese

Im Quartär ereignete sich ein rascher Wechsel von Warm- und Kaltzeiten. Mindestens sieben (bis zehn) Eiszeiten überprägten die tertiäre Landschaft. Eine Reihe von Glazialformen sind erhalten. In besonderem Maße trifft das für die letzte Eiszeit zu: Der würmzeitliche Formenschatz ist am reichsten. Aber auch aus dem am weitesten vorgestoßenen Riß-Glazial existieren noch viele Moränen. Geringer ist die Anzahl der mindelzeitlichen Moränen. Günzzeitliche Moränen sind dagegen schon selten. Spärlich sind die Spuren der ältesten Eiszeiten (Biber, Donau): Moränen findet man keine mehr, nur noch Schotter.

Dementsprechend auffällig ist der Unterschied zwischen der Altmoränenlandschaft und der Jungmoränenlandschaft. Das würmzeitliche Jungmoränengebiet ist im Bereich der End- und Rückzugsmoränenwälle stark reliefiert, umgeben von einer flachwelligen Grundmoränenlandschaft. Kleinformen wie Drumlins, Oser und Kames sind fast ausschließlich im Jungmoränengebiet erhalten.

Das Altmoränengebiet (ältere Glaziale) bildet einen Saum vor den Jungmoränen, der beim würmzeitlichen Gletschervorstoß nicht mehr überfahren wurde. Kennzeichnend ist die starke Erosion und die folglich schwache Reliefierung (wellig und seenlos) (vgl. HAEFKE 1959, S. 88-89, JERZ 1995, S. 298, 300-301).

Spuren der Interglaziale sind Hangschuttbrekzien, fossile Böden, geologische Orgeln, Seetone, Braunkohle und fluvialerosive Formen (vgl. RUTTE 1981, S. 228-229).

Nördlich schließt sich den Altmoränen die Schotterlandschaft an. Aufgebaut ist sie aus zerschnittenen Schotterplatten. Als charakteristisch gilt die Riß-Iller-Lech-Platte (Abb. 3). Sie stellt eine ausgeprägte Terrassenlandschaft dar. Insgesamt vier Terrassenniveaus lassen sich unterscheiden: Ältere Deckenschotter (Biber-, Donau- und Günz-Eiszeit), Jüngere Deckenschotter (Haslach- und Mindel-Eiszeit), Hochterrassenschotter (Riß-Eiszeit) und Niederterrassenschotter (Würm-Eiszeit). Diese Anordnung ist durch eine Reliefumkehr entstanden; die ältesten Schotter liegen im Süden teilweise mehr als 100 m über dem heutigen Talboden. Im Norden ist die Höhendifferenz wegen des abnehmenden Gefälles wesentlich geringer.

Die Ursache der Terrassenbildung war der Klimawechsel: In den Inter- und Spätglazialen schnitten sich die Flußsysteme in die Schotter und Moränen der vorangegangenen Eiszeit ein, wobei sie breite und tiefe Täler formten. In den Hochglazialen füllten die Schmelzwasserflüsse die Täler aufgrund der großen Geröllfracht wieder auf, wobei jedoch das Niveau der älteren Schotter nicht ganz erreicht wurde. Auf diese Weise kam es zu einer fortschreitenden Tiefenerosion mit Bildung von Terrassentreppen (Abb. 2). Nach SEMMEL (1996) spielte bei der Einschneidung auch die Hebung des Alpenvorlandes eine Rolle (vgl. HAEFKE 1959, S. 95-97, SCHOLZ 1995, S. 214-215, 217, SEMMEL 1996, S. 156-157).

Ostwärts der Riß-Iller-Lech-Platte breitet sich die Münchener Schotterebene aus. Phasenhafte kräftige Tiefenerosion fehlt hier, die Schotterkörper sind deswegen nicht ineinanderverschachtelt, sondern lagern übereinander. An der Oberfläche findet man fast nur Niederterrassenschotter. Eine Ausnahme stellt das Nordende dar: dort kommen Hochterrassenreste über der Niederterrasse vor.

Entstanden ist die Ebene durch Seitenerosion mehrerer Täler. Trennende Höhenzüge wurden dabei ganz oder teilweise erodiert, die Täler wuchsen zu einer Fläche zusammen. Den Untergrund bilden wasserstauende molassische Mergel (Flinz), woraus ein mächtiger Grundwasserstrom gegen Norden resultiert. Infolge des Ausdünnens der Schotter nach Norden und Abnahme des Gefälles treten ab einer bestimmten Grenze Quellen aus, die zur Bildung von mächtigen Quellmooren geführt haben (Erdinger und Dachauer Moos).

Nordwärts geht die Schotterebene in das Tertiärhügelland über. Die Oberfläche wird hier durch die Molasse gebildet, da eine eiszeitliche Sedimentation nicht stattfand (vgl. HAEFKE 1959, S. 98-100).

1.2.1 Biber-Kaltzeitengruppe

Von der ältesten Eiszeit sind nur sehr spärliche Reste erhalten, im Süden fehlen sie völlig. Ausschließlich auf der Riß-Iller-Lech-Platte findet man Biber-Schotter als oberstes Glied von Terassentreppen. Die ältesten biberzeitlichen Schotter bezeichnet man als Hochschotter, jüngere als Obere und Mittlere Deckschotter.

Petrographisch handelt es sich um stark verwitterte Lehme mit resistenten Geröllen aus Quarz, Radiolarit und Flyschsandstein (vgl. HABBE 1995, S. 449, 451, SCHOLZ 1995, S. 219).

1.2.2 Donau-Kaltzeitengruppe

Die Donau-Schotter entstammen mindestens zwei verschiedenen Kaltzeiten und kommen als Untere Deckschotter auf der Riß-Iller-Lech-Platte vor. Lößdecken erreichen Mächtigkeiten über 10 m. Die Schotter haben sich oft vollständig zu mächtigen Verwitterungsdecken (bis zu 10 m) entwickelt.

Teilweise in ganzen Schwärmen treten röhrenförmige Verwitterungsschlote auf, die als geologische Orgeln bezeichnet werden. Entstanden sind sie durch Lösung von Kalk- und Dolomitkomponenten in Konglomeraten, wobei sich Lehme als Schlottfüllung angereichert haben. An Steilwänden sind die Orgeln durch Erosion angeschnitten worden, wodurch die Lehme ausgeflossen sind. Zurückgeblieben sind senkrechte, glatte Röhren von oft größer als 10 m Tiefe, die vielfach bis zur Oberfläche durchgebrochen sind (vgl. SCHOLZ 1995, S. 213- 214, 219, 221).

1.2.3 Günz-Eiszeit

Die günzzeitlichen Schotter (Zwischenterrassenschotter) sind mit Calcit meist zu Konglomeraten verkittet, über denen eine 5-7 m mächtige Verwitterungsdecke mit geologischen Orgeln und Lößdecken (größer 10 m möglich) ausgebildet ist.

Nach HABBE (1995) und JERZ (1995) existierte im Anschluß der Günz-Eiszeit die HaslachEiszeit. In Deutschland ist sie bisher nur an einer Stelle nachgewiesen worden. SCHOLZ (1995) bezweifelt deren Existenz jedoch (vgl. HABBE 1995, S. 454, JERZ 1995, S. 300, SCHOLZ 1995, S. 223, 225).

1.2.4 Mindel-Eiszeit

Aus der Mindel-Eiszeit sind erstmals komplette Glaziale Serien sowie kräftige Übertiefung der Zungenbecken nachweisbar. Vielfach sind undeutliche Endmoränenwälle erhalten. Die stark verfestigten Schotter (Jüngere Deckenschotter) sind deutlich tiefer gelegen als die Älteren Deckenschotter und oft bereits entlang heutiger Täler abgelagert. Die 3-5 m mächtigen Verwitterungsdecken besitzen taschenartige Ausbuchtungen, die teilweise schon als Orgeln bezeichnet werden können. Nach Süden gehen die Schotter in Schottermoränen (bis zu 30 m mächtig) über, die mit gekritzten Geschieben durchsetzt sind. Ihre Entstehung steht in Zusammenhang mit der unmittelbaren Nähe mindelzeitlicher Eisränder.

Als Folge der übertieften Zungenbecken entstanden zentripetale, d.h. gegen die Fließrichtung des Eises und der Schmelzwässer gerichtete Bachtäler, die in der folgenden Eiszeit neue Wege für Gletschervorstöße eröffneten (vgl. HABBE 1995, S. 454-455, SCHOLZ 1995, S. 225-226).

1.2.5 Riß-Eiszeit

In der Riß-Eiszeit kam die größte Vorlandvergletscherung zustande, was aus der Lage der z.T. noch deutlich erkennbaren Moränenwälle belegbar ist. Als größter Gletscher reichte der Rheingletscher bis zum Albrand.

Charakteristisch ist die außergewöhnlich intensive Glazialerosion und Akkumulation. Auch im nördlichen Alpenvorland außerhalb der Gletscherwirkung wirkten Periglazialerscheinungen stark reliefformend. Die wichtigsten Prozesse waren Frostsprengung, Solifluktion und besonders Lößakkumulation, die erstmalig verbreiteter auftrat. Gegenwärtig ist der Riß-Löß nur an vom Relief und Klima begünstigten Stellen erhalten. Die manchmal nur wenige Dezimeter dicken Lößdecken können abrupt auf viele Meter anwachsen. Als Ursache gelten Gletscherfallwinde, die eine Lößdünenbildung bewirkten.

In Gletschervorfeldern kam es als Folge der Schotterakkumulation unter dem Einfluß des Permafrostes und nachfolgender Überlaufdurchbrüche zu zahlreichen Talwechseln, so an Donau, Iller und Rhein.

Die Schotter sind meist nur lagenweise verfestigt. Verwitterungsdecken sind im Schnitt 1,5-3 m mächtig und gehen mit taschenartigen Ausbuchtungen in die Schotter über (vgl. HABBE 1995, S. 455, SCHOLZ 1995, S. 226-227).

1.2.6 Würm-Eiszeit

Die letzte Eiszeit läßt sich in drei Abschnitte unterteilen: Frühglazial, Hochglazial und Spätglazial. Im Frühglazial stießen die Gletscher nur gering vor. Innerhalb dieser Zeit gab es eine Reihe wärmerer Phasen (Interstadiale) mit relativ kurzer Dauer, die ihre Spuren in Form von Torflagen und Bodenbildungen hinterlassen haben. Vor etwa 25000 Jahren begann das Hochglazial. Das Klima wurde extrem kalt (unter − 3°C Jahresmitteltemperatur). Die Gletscherzungen stießen vor 23000 Jahren in das Alpenvorland vor und erreichten ihre Maximalstände vor 20000 Jahren (heutige Äußere Jungendmoränen).

In der folgenden Zeit schmolzen die Gletscher etappenweise, durch einige erneute Vorstöße unterbrochen, zurück. Zwischenzeitlich hatte sich eine beständigere Gleichgewichtslinie ausgebildet, die zur Entstehung der Inneren Jungendmoränen führte. Die Inneren Jungendmoränen sind oft Stauchmoränen, d.h. ältere Moränenwälle wurden durch einen Vorstoß zusammengeschoben u.U. gefaltet (vgl. SCHOLZ 1995, S. 237-238, 240).

Eine interessante Ansicht vertritt GAREIS (1978). Aufgrund der kurzen Zeitspanne und Fehlen von Rückzugsmoränen nimmt er ein flächenhaftes Abschmelzen von bewegungslos gewordenen Eismassen an. Als Begründung führt er das Einsacken des alpinen Eisstromnetzes an, wodurch die Verbindung zu den Vorlandgletschern verlorenging. Durch den Verlust des Nachschubs schmolzen die stagnierenden Gletscherzungen vertikal ab und zerbrachen in einzelne Toteisblöcke. Ein lineares Zurückweichen der Gletscherstirn ist daher unmöglich (vgl. GAREIS 1978, S. 7-8, 76-77).

Aus dem Würmglazial ist ein vollständiger Formenschatz erhalten. Die Glaziale Serie stammt vom letzten Gletschervorstoß, der vor 18000 Jahren seinen Höhepunkt hatte. Ältere würmzeitliche Ablagerungen wurden dabei überfahren und völlig überformt. Durch Oszillationen des Gletscherrandes entstanden komplexe Wallsysteme.

Beispielhaft für die würmzeitlichen Glazialen Serien ist der Inn-Chiemsee-Gletscher (Abb. 4, 5): Mehrmalige Eisvorstöße und -rückzüge hinterließen vier hintereinanderangeordnete Endmoränenwälle (Stadien). Die drei äußeren Stadien umschließen ein Stammbecken mit Zweigbecken. Die Zweigbecken sind eine Folge der Divergierung in mehrere, durch Mittelmoränen getrennte, Gletscherströme. Innerhalb des Stammbeckens liegen regelhaft angeordnete Drumlinfelder. An manchen Stellen haben Schmelzwässer Trompetentälchen in die Endmoränen und anschließenden Schotterflächen eingetieft. Vor und während dem letzten Stadium konzentrierte sich der Abfluß auf die Innfurche, welche die Schmelzwässer nur durch Umfließen des Eisrandes erreichen konnten. Dabei schnitten sie sich fortwährend ein, was im Spätglazial die Entleerung eines Zungenbeckensees zur Folge hatte (vgl. HABBE 1994, S. 455-457, SEMMEL 1996, S. 155).

Ähnlich aufgebaut sind alle anderen großen Vorlandgletscher. Diese waren (von Westen nach Osten): Rhein-Gletscher, Iller-Wertach-Lech-Gletscher, Isar-Loisach-Gletscher sowie Saalach-Salzach-Gletscher. Das große Eisvolumen dieser Gletscher (Mächtigkeiten am Alpenrand bis 1500 m) erklärt sich durch eine Speisung mit zentralalpinem Eis, mit dem über Transfluenzpässe eine Verbindung bestand. Dazwischen breiteten sich kleinere Gletscher wie z.B. der Ammergletscher aus. Die Ausdehnung der einzelnen Gletscher war von dem zur Verfügung stehenden alpinen Einzugsgebiet abhängig.

Ortsfremdes Material, das mit dem Eis z.T. aus den Zentralalpen hertransportiert wurde, sind die Erratika. Großformen sind die Findlinge, auch als erratische Blöcke bezeichnet. Der größte Findling befindet sich im Allgäu. Das ursprüngliche Volumen des Kalkblocks (vor der Steinbruchnutzung) wird auf 3000-4000 m3 geschätzt (vgl. JERZ 1995, S. 298, 301, RUTTE 1981, S. 230, SEMMEL 1996, S. 155).

Viele glaziale und glaziofluviale Formen sind keine Bildungen des Eishöchststandes, sondern der Abschmelzperiode. Zu ihnen zählen Rückzugsmoränen, die verschiedene Rückzugsphasen wiederspiegeln. Zwischen den Rückzugsmoränen und der Gletscherstirn sammelten sich die Schmelzwässer in Form kleinerer Eisstauseen und einem Netz von Schmelzwasserrinnen. Mit der Zeit bauten die Schmelzwasserströme Deltas in die Seen vor und sedimentierten Bänderschluffe. Die meisten der Seen sind dadurch verlandet und zu Mooren entwickelt. Die Erhaltung der Seen war nur möglich, wenn der Schmelzwasserzulauf schnell unterbrochen wurde (vgl. SCHOLZ 1995, S. 243, 245-246, 249).

Drumlins sind eine Bildung stagnierender Gletscher mit geringer Mächtigkeit. Ihre Entstehung ist an Riedel geknüpft, an deren Stelle die Eisstromlinien divergierten. Nachrückende Eismassen verursachten eine Stauchung des Eis gegen die stark ansteigende Grundmoräne, wodurch sich Spalten mit subglazialen Hohlräumen bildeten. Die Eisunterkanten fungierten als Schaufeln und transportierten Moränenmaterial in die Hohlräume. Das Gewicht der auflastenden Eispakete preßte das plastische Substrat nach oben (der Permafrost war daher bereits abgetaut). Eine zusätzliche Erhöhung bewirkte im Anschluß eingespültes Geschiebematerial (vgl. GAREIS 1978, S. 30-32, 78).

Charakteristisch für den Gletscherschwund und von großer morphologischer Bedeutung war der Zerfall in isolierte, bewegungslose Toteismassen, die unter Schotterbedeckung noch längere Zeit überdauerten. Nach ihrem Abschmelzen hinterließen sie eine Eiszerfallslandschaft mit Toteislöchern, Toteisseen, Kames, Kamesterrassen und selten in kleinem Ausmaß Oser. Nach GAREIS (1978) enstanden die Oser während der Gletscherschwundes vor dem Eiszerfall in subglazialen Spalten, in die Schottermaterial durch unter hohem hydrostatischem Druck stehende Schmelzwasserströme eingefüllt wurde. Eine Genese durch Toteis fand nicht statt, da der hydrostatische Druck nicht mehr gegeben war.

Ebenfalls eine Bildung von Schmelzwässern mit hohem hydrostatischen Druck sind Gletschertöpfe. Durch Aufstau der Schmelzwässer in zu engen Tunneln bildeten sich hohe Drücke, die extrem hohe Strömungsgeschwindigkeiten mit Wirbeln verursachten. In den Wirbeln erfolgte eine sehr schnelle Drehbewegung von Sand, Geröllen und Blöcken, wodurch metertiefe, glatte Löcher erodiert wurden (vgl. GAREIS 1978, S. 20-21, JERZ 1995, S. 301, SCHOLZ 1995, S. 209, 247).

Im Bereich außerhalb der Gletscher überformten Periglazialprozesse das Relief. Typische Erscheinungen waren Frostspalten, Kryoturbation, Solifluktion sowie Steinnetz- und Steinstreifenböden. Eine Sonderform sind Buckelwiesen, die ein regelmäßiges Kleinrelief aus Kuppen und Mulden darstellen. Für ihre Entstehung werden kryoturbate Vorgänge im Permafrostboden verantwortlich gemacht.

In Konglomeraten der OSM und verfestigten Schottern älterer Kaltzeiten führte Frostverwitterung zu Schuttbildung. Die Konsequenz war die Entstehung von mächtigen Solifluktionsschuttdecken, die im Oberlauf von Bächen, wo die Solifluktion überwog, zur Entwicklung von Muldentalprofilen führten. Weiter bachabwärts herrschten fluvialmorphologische Prozesse vor, welche Kastentalprofile schufen. Assymetrische Talquerschnitte gehen auf eine klimatisch bedingte ungleichmäßige Schuttzufuhr zurück. Der auf den ostexponierten Hängen abgelagerte Schnee taute zur Zeit der 01 hatte (Sekundäre Asymmetrie).

In Flußtälern kam es zu einer verstärkten Seiten- und Tiefenerosion, ausgelöst durch Klufteis, das sich im Winter in den wasserarmen Flußbetten bildete. Die Folge war im Sommer eine starke Erosion des gelockerten Gesteins durch den hohen Schmelzwasserabfluß (vgl. HABBE 1994, S. 457, JERZ 1995, S. 309).

Äolische periglaziale Sedimente sind Löß und Flugsand. Der Löß wurde aus Niederterrassenfeldern, die im Winter trocken lagen, ausgeweht und in wenigen Kilometern Entfernung akkumuliert. Die Verbreitung ist aufgrund von Vegetations- und Geländeverhältnissen (Luv- und Lee-Effekte, Neigung) lückig und unterschiedlich mächtig. In wärmeren Phasen gab es vielfach eine Unterbrechung der Lößakkumulation durch Bodenbildungen.

Der Flugsand wurde vorzugsweise aus Flußterrassen und Verwitterungsschutt v.a. während des Spätglazials ausgeblasen. Er tritt besonders im Donaugebiet und im Tertiärhügelland auf. Größere Flächen sind nur mit einem Schleier überzogen. Gebietsweise ist der Sand zu Dünen zusammengeweht worden. Sandaufwehungen jüngerer Zeit sind durch Rodungen entstanden.

Der Beginn des Spätglazials wurde vor 15000 Jahren durch eine deutliche Erwärmung eingeleitet. Während des Spätglazials wechselten sich Stadiale mit Steppenvegetation und Interstadiale mit Baumvegetation ab. Spätestens vor 14000 Jahren war das Alpenvorland eisfrei. Die zahlreichen Zungenbecken bildeten eine Seenplatte, wovon ein Teil mit verkleinerter Fläche wie Bodensee, Ammersee, Starnberger See und Chiemsee erhalten ist. Die Existenz verlandeter Seen belegen über 100 m mächtige Seesedimente (Seetone) aus den von Schmelzwässern transportierten Tonen, Schluffen, Sanden und Deltaschottern.

Vor 11000 Jahren ereignete sich der Laacher See-Ausbruch. Davon zeugt eine zentimeterdicke Aschelage in verschiedenen voralpinen Seen.

Vor 10200 Jahren endete das Würmglazial mit dem Beginn des Holozäns (Postglazial) (vgl. HABBE 1995, S. 457, 459, JERZ 1995, S. 305, 312, SCHOLZ 1995, S. 250-253).

1.2.7 Holozän

Die Morphogenese hat auch im Spätglazial und im Holozän ihre Formen hinterlassen. Das Schwinden des Permafrosts im Spätglazial ermöglichte eine starke Erosion der eiszeitlichen Sedimente. Die Flüsse schnitten sich bis weit unter das Niederterrassenniveau ein. Nach dem Ausgleich des neuentstandenen Flußlängsprofils (bis ins Holozän) kam es in der Folgezeit zur Akkumulation von Flußbettsedimenten bis in der Regel wenige Meter unter das Niederterrassenniveau.

An Mündungen von Seitentälern kam es zur Aufschüttung von Bachschwemmfächern und - kegeln. Eine Folge der anthropogenen Bodenerosion, ausgelöst durch intensive Rodungen, war die Ablagerung von meterdicken Auenlehmen in den Talauen. In zahlreichen Seen kam es zur Ausfällung feingeschichteter Kalksedimente, die als Seekreiden bezeichnet werden.

Auffällige Kalkabsätze stellen die Sinterkalke dar. An Stellen, wo das kalkhaltige Grundwasser der Moränen und Schotter über der wasserstauenden Molasse austritt, entstanden Kalktuffe, die häufig größere Hangbereiche überziehen. In Fließgewässern bildeten sich im Anschluß von Geländestufen Kaskadentuffe (bis über 20 m mächtig). In Niederungen und Mooren kommt an kalkreichen Quellaustritten Alm vor, ein lockerer Wiesenkalk (vgl. HABBE 1995, S. 459-460, JERZ 1995, S. 322-325).

2 Deutsche Alpen

Der deutsche Alpenanteil beträgt 2,2% und erstreckt sich in einem schmalen West-Ost- verlaufenden, 260 km langen Streifen mit einer maximalen Breite von 35 km, der zu den nördlichen Ostalpen gehört. Große Teile davon zählen zu den Nördlichen Kalkalpen. Trotz der geringen Breite sind großartigste Hochgebirgsformen mit gewaltigen Felswänden vertreten. Der höchste Gipfel ist die 2962 m hohe Zugspitze.

Der Alpenrand ist geomorphologisch sehr deutlich ausgebildet, nur in den westlichen Allgäuer Alpen ist der Übergang zum Alpenvorland allmählich. Tektonisch sind die deutschen Alpen aus mehreren überschobenen Decken aufgebaut. Geologisch handelt es sich daher um ein Deckengebirge, geomorphologisch um ein Kettengebirge. Das Relief ist stark vom geologischen Bau bestimmt (vgl. FISCHER 1995, S. 478-479, 482).

Allgemein kann man vier Baueinheiten unterscheiden. Die nördlichste Einheit ist die Faltenmolasse, die aber nur in den Allgäuer Alpen zu den Alpen zählt. Südlich schließt sich das Helvetikum an, das im Allgäu seine größte Ausdehnung hat. Weiter östlich bildet es eine schmale, wenige 100 m breite Zone am Alpenrand. Ein bedeutendes Gestein des Helvetikums ist der Schrattenkalk, der bei steiler Lagerung markante Gipfel bildet.

Die nächste Zone ist der Flysch, eine Wechselfolge von Mergel-, Ton- und Sandstein, die wiederum im Allgäu ihre größte Breite erreicht. Ostwärts erfolgt eine Verengung auf wenige km, teilweise ist der Flysch völlig vom Kalkalpin überschoben worden. Morphologisch sind runde Vollformen mit Mittelgebirgscharakter entwickelt.

Den südlichen Abschluß bildet das Kalkalpin. In den deutschen Alpen repräsentiert es weitgehend das Hochgebirge. Im Kalkalpin sind alle hohen Gipfel und die größten Felsformationen vertreten (vgl. FISCHER 1995, S. 479, 481).

2.1 Präquartäre Geomorphogenese

Die Entstehung der Alpen ist auf plattentektonische Vorgänge zurückzuführen. Während des Zerfalls von Pangäa im Perm verschoben sich die eurasische und afrikanische Platte, wodurch sich ein schmaler Geosynklinal-Ozean öffnete. Die fortschreitende Senkung der Geosynklinale führte zu riesigen Sediment-Mächtigkeiten. Am Ende der Kreide änderten sich die Plattenbewegungen: Die afrikanische Platte begann sich der eurasischen Platte zu nähern, was eine Einengung der dazwischenliegenden Geosynklinale einleitete. Im weiteren Verlauf kam es zur Subduktion der afrikanischen Platte. Die fortwährende Einengung der Geosynklinale bewirkte eine intensive Faltung der Sedimente mit Metamorphose- und Magmatismus-Erscheinungen. Schließlich kam es zu einem Abscheren der Sedimente von ihrer Unterlage und ein Überschub in Decken. Dabei lösten sich die Decken von ihrem Ursprungsort (Wurzelzone) und wurden hunderte von Kilometern weit nach Norden transportiert (Abb. 6).

Da die Subduktion eine Anhäufung von weit in den Erdmantel reichender, leichter kontinentaler Kruste bewirkte, entstand ein Schweredefizit. Die isostatische Ausgleichsbewegung führte zur Hebung des Orogens und damit zur Entstehung des morphologischen Gebirges (vgl. RICHTER 1992, S. 284, 285, 287, 291, SCHOLZ 1995, S. 9- 11).

In den Alpen läßt sich eine Vielzahl von Hebungsphasen unterscheiden, die von unterschiedlich langen Ruhephasen unterbrochen waren. Charakteristisch für die Ruhephasen war eine mehr oder weniger starke Einebnung. Die anschließenden Hebungsphasen lösten eine intensive fluviale Zerschneidung aus, wodurch Verebnungsflächen in Form von Terrassen, Leisten und Gesimsen erhalten blieben. Das Ergebnis der phasenhaften Eintiefung ist ein Stockwerkbau aus Verebnungen und Versteilungen. Die jüngeren Täler sind in die breiteren, älteren Täler als Einschachtelung eingetieft. Die Hebungsbeträge waren regional verschieden, weswegen gleichalte Verebnungsflächen unterschiedliche Höhenlagen aufweisen können.

Ein sehr bedeutendes Stockwerk ist das oberste, die Raxlandschaft, ein ehemaliges Mittelgebirge aus dem Mittelmiozän mit Höhenunterschieden bis 600 m. Überliefert ist sie vor allem in den Berchtesgadener Alpen. Die intensiv verkarsteten und flachlagernden Kalke haben dort eine Konservierung bewirkt. Westlich davon ist die Erhaltung aufgrund einem Wechsel von Gesteinen unterschiedlicher Resistenz, rascher Änderung der Lagerungsverhältnisse sowie intensiverer Zertalung schlecht.

Ein weiteres, noch älteres Flachrelief, das aber weitgehend zerstört und nicht mehr rekonstruierbar ist, stellt die oligozäne bis miozäne Augensteinlandschaft dar. Erhaltene Reste sind die Augensteine - Kristallingerölle, die auf Plateaus der Nördlichen Kalkalpen als gerundete Schotter (v.a. aus Quarz, auch Granit und Gneis) vorkommen. Entstanden sind sie durch fluvialen Transport von den Zentralalpen nach Norden über das Kalkalpin, als zwischen Nord- und Zentralalpen noch keine Längstäler vorhanden waren.

Das unmittelbar präglaziale Relief war tief zertalt, aber ausgeglichener und sanfter als heute. Hochgebirgsformen wie Wände, gezackte Grate und scharf zugeschnittene Gipfel waren kaum vorhanden. Die Täler mündeten gleichsohlig ineinander und wiesen eine höheres Niveau auf als die heutigen (vgl. HAEFKE 1959, S. 54-56, FISCHER 1995, S. 482-483).

2.2 Quartäre Geomorphogenese

Die Hochgebirgsformen sind vor allem in den quartären Kaltzeiten entstanden. Ein gewaltiges Eisstromnetz füllte die Täler aus. Nur höhere Gipfel ragten als Nunatakker aus dem Eis empor. Dort herrschten periglaziale Prozesse vor.

Die Glazialerosion überformte das Relief und hinterließ einen Formenschatz aus Karen, Karlingen, zugeschärften Kämmen und Graten, Trogtälern und Hängetälern. Hängetäler bildeten sich in Nebentälern, in denen die Glazialerosion gegenüber dem Haupttal geringer war. An den Hängetalmündungen sind häufig enge Kerbtäler, Klammen oder Wasserfälle entstanden. Typisches Merkmal der Glazialerosion war eine abschnittsweise Übertiefung der Täler mit zwischenliegenden Gesteinsschwellen, was ein ungleichsinniges Gefälle zur Folge hat. Die z.T. über die Talsohle ragenden Schwellen weisen ein Rundhöckerrelief auf. Ursache für den Wechsel von Übertiefungen und Schwellen waren in hohem Maße Gesteinswechsel, daneben auch Konfluenz von Gletschern, fluviale Vorformen und tektonische Differenzen (vgl. FISCHER 1995, S. 484-485, 489).

Außergewöhnlich starke Übertiefungen sind an Konfluenzstellen geknüpft. In den deutschen Alpen beträgt die größte Übertiefung 500 m (Loisachtal bei Garmisch-Partenkirchen). Die größten Beträge erreichten die rißzeitlichen Gletscher; die der Würm-Eiszeit waren gering.

Die eiszeitlichen Sedimente sind zum großen Teil würmzeitlich. Ablagerungen älterer Eiszeiten wurden von nachfolgenden Gletschern weitgehend ausgeräumt und sind deswegen nur selten erhalten (vgl. FISCHER 1995, S. 487, JERZ 1995, S. 306-307).

Mit dem Spätglazial begann die Zerstörung der Glazialformen. Besonders effektiv waren gravitative Prozesse, da die Glazialerosion die Hänge versteilt hatte. Durch Fels- und Bergstürze entstanden Tomalandschaften, deren Anzahl auch in Deutschland beträchtlich ist. Verbreitet haben die Sturzmassen Seen aufgestaut, die teils verlandet, teils erhalten sind.

Als größter Bergsturz gilt der Eibsee-Bergsturz unterhalb der Zugspitze. Er bedeckt eine Fläche von 15 km2. Sein Volumen wird auf 400 Mio m3 geschätzt.

Viel häufiger waren Rutsch-, Gleit- und Kriechbewegungen in mergel- und tonreichen Gesteinen (insb. Flysch) und steilen Moränenhängen. Erkennbare Formen sind Schlipfe sowie Schutt- und Erdströme.

Im Verlauf des Eisrückzugs waren die Seitentäler zuerst eisfrei, wodurch die Eisblockade eine starke Akkumulation der Bäche sowie die Enstehung von Eisstauseen am Ausgang ins Haupttal verursachte. Konsequenzen waren Talverschüttungen und Verfüllung der Seen. Ähnliches ereignete sich auch beim Eisvorstoß. Eine weitere Erscheinung war die Ausweitung von periglazialen Prozessen. Die Solifluktion führte zur Bildung von Hangdellen und Schuttdecken, die sich hangabwärts bewegten und gleichfalls Täler verschütteten.

Nach dem Abschmelzen des Eises entstanden in den übertieften Talabschnitten zunächst Seen, die mit Delta- und Flußschottern aufgefüllt wurden und dadurch schließlich verlandeten. Schon im Spätglazial begann die Zerschneidung der Seesedimente und Talverschüttungen zu Terrassen.

Rezente Morphodynamik findet in Form von Massenbewegungen, Muren, Lawinen, Schneeschurf (Blaikenbildung) und Rinnenerosion statt. Die glaziale Formung ist äußerst gering, da die Gletscheroberfläche insgesamt weniger als 100 ha beträgt (vgl. FISCHER 1995, S. 489-492).

2.3 Allgäuer Alpen

Der westlichste Teil der deutschen Alpen, ostwärts bis zum Lech, wird Allgäuer Alpen gennannt. Den Hauptteil bildet die Umrahmung des Oberstdorfer Talbeckens. Nach Norden öffnet sich das breite Talbecken ins Alpenvorland. In südwestlicher bis nordöstlicher Richtung erhebt sich die Front der Nördlichen Kalkalpen. Dort werden im dritthöchsten deutschen Gebirge Höhen bis 2648 m NN erreicht.

Im Norden bildet die Faltenmolasse mit Höhen über 1800 m NN den Alpenrand. Die sich anschließende Flysch-Zone begleitet östlich der Iller das Helvetikum als mehrere km breiten Streifen. Westlich der Iller ist sie in zwei viele km breite Zonen aufgespalten, die das Helvetikum umschließen. Der Flysch besteht aus einer mehr als 2000 m mächtigen Wechselfolge von Mergel-, Ton- und Sandsteinen mit einer gradierten Schichtung, die eine Abfolge von Turbiditen darstellt. Während der Orogenese fungierte es als Gleitmittel der kalkalpinen Decken. Dabei erfolgte eine Schieferung der Mergel und Tone und eine Stauchung zu intensiv gefalteten, langgezogenen Sattel- und Muldenzonen.

Morphologisch ist es ein wenig resistentes Gestein, mit Ausnahme von Sandsteinbänken, die als Stufen ausgebildet sind. Der Tonanteil verhindert eine rasche Infiltration der Niederschläge. Der Oberflächenabfluß erodierte daher zahreiche Tobel (tiefe Hangeinschnitte). Aufgrund der hohen Anfälligkeit für Rutschungen, Kriech- und Gleitvorgänge sind gerundete Formen typisch. Insgesamt ist der Flysch durch relativ eintönige, weitgehend vegetationsbedeckte Berge mit mächtigen Verwitterungsdecken gekennzeichnet. Die starke Vernässung bedingt ein Vorkommen von Mooren. In der südlichen Flyschzone werden Höhen bis 2038 m NN (Fellhorn) erreicht (vgl. FISCHER 1995, S. 479, 481, 493, SCHOLZ 1995, S. 13, 74, 133).

Das Helvetikum ist im Westen mehr als 10 km breit und dünnt nach Osten aus. Ursprünglich war es vom Flysch ganz bedeckt, durch Erosion wurde es freigelegt. Das Helvetikum setzt sich aus einer komplexen Schichtfolge aus Schrattenkalk, Kieselkalk, Mergeln, Sandsteinen und Tonen zusammen. Am auffälligsten ist der hellgraue, dickbankige Schrattenkalk, der die markanten Felswände und Gipfel bildet; als höchsten den 2230 m hohen Hohen Ifen. Aufgrund der hohen Reinheit und der starken Zerklüftung ist der Schrattenkalk intensiv verkarstet. Im Bereich des Hohen Ifen hat sich in flachlagerndem Schrattenkalk ein eindrucksvolles Karstplateau entwickelt (Gottesacker), das von Karren beherrscht wird. Andere Karstformen treten dem gegenüber zurück.

Aufgebaut ist das Helvetikum aus Ost-West orientierten Falten, die meist nach Norden überkippt sind. Die Sattelumbiegungen aus Schrattenkalk sind wegen besonders starker Zerklüftung vielfach aufgebrochen. Daraus resultieren nach Norden gerichtete schroffe Felswände. Von Süden betrachtet sind es gemächliche Berge (vgl. FISCHER 1995, S. 493, SCHOLZ 1995, S. 13, 87, 92, 97).

Das Kalkalpin umfaßt den größten Teil und bildet die markantesten Gipfel und schroffsten Formen. Zusammengesetzt ist das Kalkalpin aus der übereinanderliegenden Allgäu- und Lechtaldecke sowie zuunterst der Kalkalpinen Randschuppe (vgl. SCHOLZ 1995, S. 13).

Die Allgäudecke stellt einen komplizierten Komplex aus Kalken, Mergeln, Dolomit und kieseligen Gesteinen dar. Ein verbreitetes Gestein sind die Allgäuschichten, eine deutlich geschichtete Wechselfolge von festen Kalkbänken und weichen Mergelbänken. Die Mächtigkeiten reichen bis 1500 m. Durch tektonische Beanspruchungen sind die Mergel geschiefert und besitzten ein blättriges Gefüge. Stellenweise sind in den Kalken Hornsteinknollen und -lagen, teilweise auch Kieselkalke, eingelagert.

Charakteristisch sind die steilen Grasberge, die mit Erosionsrinnen durchfurcht sind, und breite, pyramidenähnliche Gipfel. Der kleinräumige Wechsel von resistenten und wenig resistenten Gesteinen bedingt einen wechselvollen Formenreichtum. In den Kalken sind scharfe Gipfel, Zacken und Wände entstanden. Die Mergel bilden Hangverflachungen, Einsattelungen und Mulden. Auf ihnen haben sich lehmige Böden entwickelt, die vorzugsweise almwirtschaftlich genutzt werden.

Mancherorts kommen als Relikt hydrothermaler Meeresbodenprozesse schwärzliche Manganschiefer vor. Sie bestehen aus manganreichen Tonsteinen, die gelegentlich Bergkristalle enthalten (vgl. FISCHER 1995, S. 481, 493, SCHOLZ 1995, S. 48-50).

Als wichtigster Gipfelbildner der Allgäudecke tritt der Hauptdolomit auf. Bedeutenste Formation ist die Daumengruppe (Großer Daumen 2280 m NN, Nebelhorn 2224 m NN).

In einem kleinen Bereich sind kieselige Gesteine (Radiolarit, Aptychenschichten, Kieselkalk) dominant. Radiolarit ist ein hartes, sehr resistentes, reines Kieselgestein. Aptychenschichten sind eine Wechselfolge aus Mergel und Kalk, der stellenweise einen hohen Kieselgehalt in Form von Kieselknollen und -bänder aufweist.

Diese kieseligen Gesteine haben zu eigentümlichen Bergformen mit verwegenen Zacken und schroffen, messerscharfen Graten mit äußerst steilen, grasbewachsenen Flanken geführt. Ein eindrucksvolles Beispiel sind die Höfats (2259 m NN) (Abb. 7). Sie besteht aus einer gefalteten, z.T. senkrecht gestellten Folge von Hauptdolomit, Kieselkalk, Radiolarit und Aptychenschichten. Der Hauptdolomit ist weniger resistent als die kieseligen Gesteine und erscheint daher weniger schroff (vgl. SCHOLZ 1995, S. 54-55, 58).

Die Lechtaldecke baut sich um Oberstdorf aus Hauptdolomit auf. Weiter östlich tritt auch Wettersteinkalk auf. Der Hauptdolomit bildet die höchsten und imposantesten Gipfel des Allgäuer Hauptkamms: Biberkopf (2599 m NN), Hochfrottspitze (2648 m NN), Mädelegabel (2645 m NN), Trettachspitze (2595 m NN), Hochvogel (2592 m NN). Eindrucksvoll ist die mit scharfer Grenze ausgebildete Überschiebungsbahn des Hauptdolomits über die Allgäuschichten, woraus sich ein wirkungsvoller Gegensatz zwischen grünen Hängen und grauen Felsmauern darstellt (Abb. 8).

Ursprünglich reichte die Lechtaldecke viel weiter nach Norden. Durch Erosion wurde sie beseitigt, sogar in Teilen des Hauptkamms. Die Mächtigkeit des Hauptdolomits beträgt 600 - 1000 m. Als Folge der intensiven tektonischen Beanspruchung ist er stark zerklüftet, was zu einer starken Strukturierung und riesiger Schuttbildung (der Hauptdolomit ist überhaupt der größte Schuttbildner der Alpen) geführt hat. Nachträglich sind die Klüfte mit Calcit ausgeheilt, wodurch sich ein enges Netz weißer Adern ergibt. Von weitem betrachtet erscheint der Hauptdolomit als ein rhytmischer Stapel dicker Bänke, die von parallelen Schichtfugen begrenzt sind. Aus der Nähe erkennt man kaum eine deutliche Schichtung, stattdessen Wollfadenstrukturen (Stromatolithen), die Spuren von Cyanobakterien darstellen.

Der Hauptdolomit ist bitumös, d.h. Abbauprodukte organischer Substanz sind im Gestein konserviert. Der tektonische Bau spiegelt sich in der Geomorphologie wieder: die nach Norden gerichtete Stirn der Decke bildet steile Wände mit gewaltigen Schutthalden. Nach Süden sind dachartig gestufte Grate entstanden (RICHTER 1984, S. 47, RUTTE 1981, S.106, SCHOLZ 1995, S. 32-33).

Die Kalkalpine Randschuppe ist aus isolierten, zerscherten Glimmerschiefer- und Amphibolit-Schollen aufgebaut. Ihren Ursprung haben sie im kristallinen Untergrund der Wurzelzone der kalkalpinen Decken. Beim kalkalpinen Deckentransport wurden sie an der Basis mitgeschleppt. Die größte Scholle erreicht eine Länge von 250 m (vgl. SCHOLZ 1995, S. 18).

Den gesamten Bau der Allgäuer Alpen verdeutlicht Abb. 9. In den Allgäuer Alpen sind Reste eines ehemaligen Rumpfflächen-Systems erhalten. Als höchste Altfläche findet sich im Bereich des Hauptkamms eine Gipfelflur in 2500-2650 m NN. Vor ihr und teilweise verzahnt mit ihr liegt eine 2200 bis 2300 m hohe Gipfelflur (Hoher Ifen, Daumengruppe). In 1900 bis 2000 m breitet sich das nächste Niveau aus. Gelegentlich sind noch tiefere Altflächen erkennbar. Zwischen den steilen Gipfelfluren und Talflanken befinden sich Reste eines Flachreliefs wie z.B. Gottesacker und Koblat am Nebelhorn. Die Entstehung der Altflächen geht vermutlich auf die erste bedeutende Hebungsphase zurück. Die anschließende Einebnung des Gebirges ließ eine Raxlandschaft entstehen. Die folgende zweite Hebungsphase führte zu einer Zerschneidung der Altflächen (vgl. RICHTER 1984, S. 101-102).

2.3 Bayerische Alpen westlich der Saalach

Im Nordteil herrscht ein rascher Wechsel zwischen resistenten und weniger resistenten Gesteinen und eine komplizierte Tektonik vor. Infolgedessen ist die Formenvielfalt hoch. Partnach-, Raibler- und Kössener Schichten, Cenomanmergel sind leicht erodierbar und bilden daher Verflachungen, Jöcher und vernäßte Mulden. Jurasedimente ergeben rundliche Formen. Kiesel- und Hornsteinkalke sind zu steileren Hängen und kleinen Felswänden hreauspräpariert worden. In reinen Kalken haben sich auffallende Bergformen, Wände, Hangstufen und Rippen entwickelt.

Weiter südlich tritt das häufig steilgestellte Kalkalpin zum Vorschein, das aus einer Mulden- und Sattelzone aufgebaut ist (Abb. 10). Der Nord- und Südflügel der Muldenzone besteht aus Hauptdolomit, Plattenkalk und Oberrätkalk, wodurch die Muldenränder hervorgehoben sind. Die Kerne der Mulden enthalten vielfältige Gesteine des Lias und Oberjura mit wenig schroffem Relief. Im Süden der Muldenzone erstreckt sich ein breites Hauptdolomit-Gewölbe (1300 bis 1500 m mächtig), das randlich vom Plattenkalk bedeckt ist. Da die beiden Gesteine die gleiche Resistenz aufweisen, herrscht eine Monotonie der Formen vor. Im Dolomit ist ein dichtes und verästeltes Netz aus Kerbtälern (Gräben) und die starke Schuttentwicklung augenfällig, die Talverfüllungen mit breiten Aufschüttungstalsohlen (Gries) zur Folge hat (vgl. FISCHER 1995, S. 481, 494-495, HAEFKE 1959, S. 66-67).

Südwärts wird der Wettersteinkalk dominant. Der Wettersteinkalk ist ein sehr reiner, heller Kalk, der in einer ungebankten, massigen Riff-Fazies und einer gebankten Lagunen-Fazies vorkommt. Aufgrund seiner hohen Resistenz bildet er sehr auffällige Formen mit teils gewaltigen Felswänden. Die tektonische Beanspruchbarkeit ist höher als beim Dolomit, was eine weitständigere Klüftung zur Folge hat. Daher findet man im Gegensatz zum Dolomit auf Schutthalden große Blöcke (vgl. SCHOLZ 1995, S. 27, 123).

Die Täler bilden eine vergittertes Netz von Längs- und Quertälern mit zahlreichen Talwasserscheiden. Die Flüsse wechseln heute mehrfach die Laufrichtung. Ursache hierfür war der Eiszerfall.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 10: Profil durch die Bayerischen Alpen (Mangfallgebirge) mit der typischen Abfolge Helvetikum-Flysch-Kalkalpin (schmale Allgäudecke und breite Muldenzone der Lechtaldecke; ganz im Süden Wettersteinkalk).

(Quelle: FISCHER 1995, S. 480)

Die Ammergauer Alpen als westlichster Teil weisen im Norden wegen des Flyschs Mittelgebirgscharakter auf. Auch im übrigen nördlichen Bereich sind die Hochgebirgsformen mäßig, da die Gesteinsmächtigkeiten gering sind. Lediglich im Wettersteinkalk sind schroffere Formen entwickelt. Im westlichen Teil erreicht der Wettersteinkalk größere Mächtigkeiten, weswegen dort imposante Felswände entwickelt sind. Als Beispiel wären die Hochplatte (2082 m NN) und der Säuling (2047 m NN) zu nennen. Südlich des Ammerquertals ist der Hauptdolomit dominant. Er bildet die höchsten Erhebungen (Kreuzspitze 2185 m NN), die von mächtigen Wänden mit relativ gleichförmigen Gipfeln und gewaltigen Schutthalden gekennzeichnet sind. Nordseitig sind in den ganzen Ammergauer Alpen Kare ausgebildet, die von einer Eigenvergletscherung im Glazial stammen. Das Ammertal ist mit Dolomitschutt aufgefüllt (Gries). Im Gries findet wegen der starken Infiltration keine oberirdische Entwässerung statt. Infolge der Ausdünnung des Schutts nach Osten tritt dort der unterirdische Wasserstrom in Quellen aus (vgl. FISCHER 1995, S. 495- 496).

Südlich der Ammergauer Alpen ragt das höchste deutsche Gebirge, das Wettersteingebirge, in einer gewaltigen Felsmauer (bis 1400 m mächtig) mit scharfen, gezähnten Graten empor. Die Zugspitze erreicht eine Höhe von 2962 m NN. Ursache dieser enormen Hochgebirgsformen waren die sehr starke glaziale Übertiefung, die große Resistenz der Kalke und die große Zertalung infolge der starken Hebung. Die Kare und Trogformen sind gut erhalten.

Unterhalb des Zugspitzgipfels breitet sich eine schwach geneigte Altfläche aus (Zugspitzplatt). Sie stellt den Rest eines stark überprägten Altreliefs der Raxlandschaft dar. Auf dem Zugspitzplatt befinden sich zwei Gletscher, der Nördliche und Südliche Schneeferner. Der Nördliche Schneeferner besitzt noch eine ansehnliche Fläche, seine Zunge endet bei 2550 m NN. Der Südliche Schneeferner war im letzten Jahrhundert noch größter deutscher Gletscher. Heute ist er stark zurückgeschmolzen und nur noch von geringer Größe. Nordöstlich des Zugspitzgipfels existiert noch ein weiterer Gletscher: der Höllentalferner, dessen Zunge bis 2200 m NN reicht. Er wird hauptsächlich von Lawinen ernährt. Aufgrund seiner Nord-Exposition wird für ihn noch eine längere Existenzdauer vorhergesagt.

Tektonisch baut sich das Wettersteingebirge aus einer freischwimmenden WettersteinkalkScholle der Lechtaldecke auf, die auf Muschelkalk, Hauptdolomit u.a. überschoben ist (vgl. FISCHER 1995, S. 496, HAEFKE 1959, S. 69, JERZ 1995, S. 317).

Östlich des Wettersteingebirges erhebt sich das Karwendelgebirge, dessen Hauptteil aus vier hintereinanderliegenden Ketten mit nordwärts überkippten Sättel aus Wettersteinkalk besteht. Morphologisch sind es ähnlich gewaltige Wettersteinkalk/Muschelkalk-Wände mit zahlreichen Karen. Lediglich die nördlichste Karwendelkette gehört noch zu Deutschland. Den höchsten Gipfel stellt dort die Östliche Karwendelspitze (2538 m NN) dar.

Im Vorfeld des Hochkarwendels existiert das niedrigere Vorkarwendel, das vom Hauptdolomit (zahllose Runsen und Gräben) und Plattenkalk (plattenartig gebankter Gipfelbildner) beherrscht wird. Zu den eindruckvollsten Formen des Vorkarwendels zählt die Soierngruppe (Soiernspitze 2258 m NN) mit ihren Karseen umgeben von riesigen Schutthalden (vgl. FISCHER 1995, S. 497, HAEFKE 1959, S. 69).

Östlich der Isar erstreckt sich das Mangfallgebirge, ein relativ niedriges, aber formenreiches Gebirge (höchster deutscher Gipfel: Rotwand 1884 m NN). Im Norden liegt ein komplizierter Schuppen- und Faltenbau vor. Das Helvetikum bildet dort auffällige Erhebungen vor den Flyschbergen. Das nördliche Kalkalpin baut sich aus einer abwechslungsreichen Folge von Kalk/Dolomit (Gipfelbildner) und Ton-/Mergelsteinen (Almen, Wiesen) auf. Ein sehr bekannter Gipfel ist dort der Wendelstein (1838 m NN). Südlich überwiegt der Hauptdolomit, wodurch die Formen eintönig sind.

Aufgrund des größeren Gefälles zum Inntal ist die südliche Hauptdolomitzone stark zerschnitten. Aus gleichem Grund ereigneten sich Flußverlegungen und -anzapfungen. Moränenverbauungen führten zu epigenetischen Tälern. Die Täler weisen als Folge der Glazialerosion ein unausgeglichenes Gefälle auf, woraus eine Tiefenerosion mit Bildung von engen Kerbtälern und Klammen resultierte. Innerhalb der Längstäler sind zwei Zungenbeckenseen erhalten: Tegernsee und Schliersee (vgl. FISCHER 1995, S. 497).

Östlich vom Inntal befinden sich die Chiemgauer Alpen. Hochgebirgsformen sind dort relativ gering verbreitet. Nur in den wenigen Gipfeln aus Wettersteinkalk oder Plattenkalk findet man imposantere Formen. Hierzu gehört das Sonntagshorn, mit 1961 m NN der höchste Berg. Die Eigenvergletscherung war nur am Sonntagshorn bedeutsam, weswegen andernorts Kare selten sind (vgl. FISCHER 1995, S. 499).

2.5 Berchtesgadener Alpen

Als Berchtesgadener Alpen bezeichnet man den östlichsten Teil der deutschen Alpen. Zentraler Teil ist der Nationalpark Berchtesgaden mit der großartigsten deutschen Hochgebirgslandschaft (zweithöchstes deutsches Gebirge). Die beherrschenden Bergformen sind Watzmann (höchster Berg, 2713 m NN), Hochkalter (2609 m NN), Hoher Göll (2523 m NN) und Reiteralpe (2234 m NN). Südlich schließt sich das Steinerne Meer an, eine Plateaufläche, aus der einzelne Gipfel wie z.B. der Große Hundstod (2593 m NN) emporragen. In einem der tiefen Quertäler liegt der Königssee (601 m NN).

Geomorphologisch existieren zwei Reliefgenerationen: ein Altrelief in den Hochlagen, das ein Plateaugebirge darstellt und ein eingeschachteltes Tälerrelief mit einem Gratgebirge. Das Plateau ist an flachlagernde, mächtige Dolomite und Kalke gebunden. Infolge schwächerer Hebung und Taleintiefung ist es vom Gratgebirge getrennt.Stärker gestörte oder gefaltete Schichtserien haben ebenso bei tiefgreifender Zertalung von Norden und Westen zu kleineren Gebirgsgruppen mit scharfen Graten geführt (vgl. FISCHER 1984, S. 9, 42).

2.5.1 Watzmann- und Hochkalterregion

Watzmann und Hochkalter stellen gewaltige, vielfach gegliederte Nord-Süd verlaufende Felsformationen dar, die mit großartigen, teils wenig strukturierten, teils zerrissenen Wandfluchten abfallen. Die Watzmann-Ostwand (1750 m mächtig) ist die höchste Felswand der Nördlichen Kalkalpen.

Die Gesteine von Hochkalter und Watzmann wurden um 1500 m und mehr gehoben. Ursprünglich stellten Hochkalter und Watzmann eine große Antiklinale dar, die durch zahlreiche Brüche zerteilt war. Während des Tertiärs und Pleistozäns erfolgte eine tiefe Zertalung. Am Hochkalter sind staffelförmige Bruchschollen nach Norden abgesunken. Im hinteren Wimbachtal sind die Bruchstrukturen deutlich am Verlauf eines Bandes aus Raibler Schichten (relativ schnell verwittert) ersichtlich, das die Verwerfung als Versatz schwarzer Schichten nachzeichnet. Auch die SW-NO streichenden Störungen treten geomorphologisch deutlich hervor. Beispiele sind der Königssee und das Watzmannkar. Allgemein sind Störungen verantwortlich für viele Einschnitte und Scharten in den Graten sowie Steinschlagrinnen und Lawinenbahnen. Auch Karstformen treten entlang von Störungen auf, gehäuft im Kreuzungsbereich von Störungen (vgl. FISCHER 1984, S. 9, 12, 14-15, 37).

Größte morphologische Bedeutung besitzt der Ramsaudolomit. Er stellt ein massiges, selten gebanktes, helles, bis 900 m mächtiges Gestein dar. Eine Folge der hohen Beanspruchung bei der Deckenbewegung, Einengung und Hebung ist die extrem dichte Zerklüftung, wodurch eine relativ rasche physikalische Verwitterung zu Gries (meist 2-60 mm) erfolgt. Der Gries führt zu gewaltigen Talverschüttungen, wodurch Trogtäler im Dolomit nicht mehr erkennbar sind.

Bestes Beispiel ist das Wimbachtal (Wimbachgries) zwischen Watzmann und Hochkalter, die größte Schuttlandschaft Deutschlands. Ursache hierfür sind Störungsscharen im hinteren Wimbachtal, die zu einer intensiven Zerrüttung des Ramsaudolomits geführt haben. Daraus resultiert eine intensivste Verwitterung mit riesiger Schuttproduktion.

Charakteristisch ist die Herauspräparierung kleiner Felstürme und bizarrer Säulen sowie die Eintiefung von zahlreichen wilden Gräben, Rinnen und Kaminen. Die brüchigen, schrofigen Wände und Steilhänge erscheinen daher intensivst gegliedert. Die Grate bestehen aus kühnen Zacken, Nadeln, Zinnen und Türmen. Weniger steile Hänge besitzen eine mächtige Schuttbedeckung (vgl. FISCHER 1984, S. 15-16, 34).

Den wichtigsten Gipfelbildner stellt der Dachsteinkalk da. Seine hohe Reinheit bedingt eine intensive Verkarstung. Die Mächtigkeiten reichen bis 1200 m. Die Wände sind häufig in gigantische Stufen gegliedert, verursacht durch einen Wechsel von 3-10 m mächtigen Dachsteinkalk-Bänken und weniger resistenten Zwischenlagen aus Brekzien und Dolomiten, welche die Schichtfugen hervorheben. Tektonische Bewegungen wurden vorzugsweise an Schichtflächen abgegleitet. Daher ist die Zerrüttung und damit die Schuttlieferung deutlich geringer als im Dolomit (vgl. FISCHER 1984, S. 16).

Im Liegenden des Ramsaudolomits kommen Muschelkalk, Reichenhaller Schichten, Werfener Schichten und Haselgebirge vor, gering resistente Gesteine, die nur an wenigen Stellen aufgeschlossen sind. Haselgebirge und Werfener Schichten verwittern zu tonreichen Substraten, in denen Rutschungen vorkommen. Reichenhaller Schichten sind ein Komplex aus Dolomit, Rauhwacken, dolomitisierten Brekzien und Kalken. Der Muschelkalk ist faziell sehr verschieden. Vorkommen sind kieselreiche Dolomite, bitumöse Kalke und sedimentäre Brekzie. Geomorphologisch sind sie durch ihre relativ geringe Resistenz als Ausraumzonen bedeutsam. Die Raibler Schichten setzen sich aus Mergeln, bitumösen Kalken und Sandsteinen zusammen. Sie bilden begrünte Bänder und Absätze in den Dolomitwänden (vgl. FISCHER 1984, S. 15).

In tieferen Lagen sind als Folge einer phasenweisen Eintiefung in das Altrelief Terrassensysteme aus Talboden- und Talhangresten entwickelt. Der präglaziale Talboden wies eine Höhe von 800-900 m NN auf. Belege dafür sind flache Hänge an Talausgängen sowie Hangversteilungen. Der Betrag der glazialen Taleintiefung beträgt maximal 400 m. Der Hochgebirgscharakter war aber bereits präpleistozän ausgebildet.

Eine große Verbreitung besitzen Moränen. Eine kräftige Eigenvergletscherung blockierte zumindest im Würm-Glazial den Ferneiszugang. Kristalline Geschiebe fehlen daher. Das Ausmaß der Glazialerosion war sehr unterschiedlich. Sehr stark war sie im Königssee- und Wimbachtal. Durch Karbildung erhielten die Gipfel ihre markante Gestalt. Kämme und Grate wurden zugeschärft.

Im Spät- und Frühglazial fand eine starke Schuttbildung und -verlagerung statt, die sich im Lauf der Wiederbewaldung verlangsamte und durch anthropogene Eingriffe wieder verstärkt wurde.

Größte Bedeutung für die Morphodynamik hatten die bis in höchste Lagen durchgeführten Salinenkahlschläge und die almwirtschaftlichen Waldvernichtungen durch Überweiden und Roden. Als Ergebnis der verstärkten Erosion wurden Rundkarrenflächen freigelegt. An Stelle der Wälder wuchsen Latschenfelder.

Infolge der Verkarstung fehlen oberflächliche Fließgewässer, im Gegensatz zu stehenden Gewässern. Der Königssee (130 m tief) ist durch eine kräftige Glazialerosion eines schon präglazial tiefen Tals trogförmig vertieft worden. Vom Obersee ist er durch eine Moränenbarriere getrennt (vgl. FISCHER 1984, S. 29, 33, 35-36).

Eine glaziale Formung ist auf ca. 30 ha beschränkt. Sämtliche Gletscher liegen erheblich unter der mittleren Gleichgewichtslinie der Region. Ursache hierfür ist die Nord-Exposition verbunden mit hohen Niederschlägen, hohe Bergumrahmung mit gewaltiger Lieferung von Lawinenschnee und großer Verlust an Sonnenstrahlung durch Horizontüberhöhung. Infolge einer fehlenden oberirdischen Entwässerung kommen rezente glaziofluviale Sedimente nicht vor.

Am Hochkalter befindet sich der nördlichste Gletscher der Alpen, das Blaueis. Begünstigt wird seine Existenz durch steile Wände mit extrem ausgeprägter Horizontüberhöhung. Die Zunge des stark lawinenernährten Gletschers (ca. 10 ha groß) reicht bis 2140 m NN. Mit 30° Neigung ist es der steilste Gletscher Deutschlands.

Der Watzmanngletscher stellt einen Grenzfall dar, da die Eismächtigkeit gering ist und eine Bewegung nicht erkennbar ist. Sein Umriß ist von Jahr zu Jahr sehr variabel; der Mittelwert beträgt 9 ha. Die Ernährung erfolgt v.a. durch windverfrachteten Schnee und Lawinen. Nach der alpinen Gletscherdefinition (Mindestgröße 10 ha, rezente Bewegung und geringe Entfernung von der Gleichgewichtslinie) handelt es nicht um einen Gletscher.

Ein Kuriosum stellt die Eiskapelle dar. Es handelt sich um strukturiertes Eis mit Spalten und daher rezenter Bewegung in einer Höhe von nur 834 m NN. Im Allgemeinen wird die Eiskapelle nicht als Gletscher bezeichnet, obwohl wesentliche Gletschermerkmale (sogar Gletschertor) erfüllt sind. Die außergewöhnliche Lage ist durch eine gewaltige Horizontüberhöhung der Watzmann-Ostwand mit entsprechenden Lawinenschneemengen zu erklären.

In kleinen Teilen sind kryogene Prozesse wie Solifluktion, Kryoturbation und Steinstreifenund Rasengirlandenbildung aktiv (vgl. FISCHER 1984, S. 30-31, 46-47).

2.5.2 Steinernes Meer

Das Steinerne Meer ist ein Karstplateau par excellence. Infolge des flachlagernden Dachsteinkalks ist es zur Entstehung eines reichen Karstformenschatzes mit Karrenfeldern, zahllosen Dolinen aller Größenordnungen, Uvalas, Trockentälern, Karstgassen, Karstschächten und riesigen Höhlensystemen (längste Höhle Deutschlands mit 8 km) gekommen. Die Großformen wurden bereits im Präglazial angelegt, als die Korrosionsbeträge höher waren als rezent.

Postglaziale Formen mit rezenter Weiterbildung sind Karsttische, Rillen- und Rinnenkarren, Trittkarren, ein Teil der Kluftkarren und Rundkarren. Größte Verbreitung haben Rinnenkarren. Trittkarren kommen auf schwach geneigten wenig geklüfteten Flächen vor. Sie stellen halbkreisförmige Hohlformen mit flachem Boden dar, die häufig zu girlandenartigen Reihen zusammengeschlossen sind. Für ihre Entstehung ist rückschreitende Korrosion verantwortlich. Rundkarren bilden sich unter Bodenbedeckung. Durch das zirkulierende Bodenwasser werden alle scharfkantigen Teile zugerundet. Sichtbar werden die Karren erst nach der Erosion des Bodens und sind daher ein Indiz für ehemalige Waldbedeckung. Weit verbreitet sind Kluftkarren. Ihre Entstehung ist an Klüfte und Schichtgrenzen geknüpft. Durch die Wasserbewegung ist die Korrosion dort bevorzugt. Neben den Karren sind Dolinen typisch. Ihre Größe schwankt von einem bis zu 200 m Längsachse. Nach ihrer Genese sind es ausschließlich Lösungsdolinen (vgl. FISCHER 1984, S. 38-39, 46, FISCHER 1985, S. 29, 31- 32, FISCHER 1995, S. 501).

Lokal existiert ein Schichttreppen- und Schichtrippenkarst. Beide Formen sind das Ergebnis aus dem Zusammenwirken von Korrosion und Glazialerosion. Die Korrosion bewirkte eine Loslösung von Gesteinspaketen entlang von Klüften und Schichtflächen. Das Eis hob dann das Gestein ab und transportierte es weiter. So entstand eine getreppte Oberfläche (bei flacher Schichtlagerung) bzw. Schichtkamm-Oberfläche (bei mäßig steilem Einfallen) (vgl. FISCHER 1985, S. 33).

Trotz der Verkarstung existieren oberflächliche Gewässer, Seen wie z.B. der Funtensee (1601 m NN). Der Funtensee ist eine Uvala, das aus zwei Dolinen entstand. Durch fluviale Ausräumung weniger resistenter Gesteine, kräftige glaziale Übertiefung und Korrosion bildete sich eine große Wanne. Entscheidend für die Seebildung war dann der Permafrost, der die Karstwasserwege verschloss. Demzufolge lagerte die oberflächliche Entwässerung abdichtendes Feinmaterial ab. Rezent erfolgt eine unterirdische Entwässerung über ein Ponor (vgl. FISCHER 1985, S. 23, 26, 28, Abb. 10).

Das Steinerne Meer ist eine überlieferte, alte Mittelgebirgslandschaft (Raxlandschaft). Die Verkarstung verhinderte eine fluviale Zerschneidung. Aus diesem Altrelief erheben sich Gipfel, die Ruinen horizontaler Höhlensysteme enthalten. Als Höhlenruinenreste kommen Lehmbänke, Augensteine und Sinterbrocken mit Bohnerzen vor. Bohnerze und Augensteine sind mehrfach umgelagert worden. Sie sind Reste der nicht mehr erhaltenen Augensteinlandschaft aus dem Oligozän bis Mittel-Miozän.

Im Verlauf der weiteren Reliefentwicklung entwickelten sich infolge der starken Hebung und Taleintiefung vertikale Höhlensysteme (unter 2000 m NN). Die flächenhafte Korrosion beträgt seit dem Pliozän nach heutigen Lösungsraten (ca. 1 cm pro 1000 Jahre) 50-70 m, dürfte aber höher sein, da das Klima im Pliozän wärmer und feuchter war. Für die Umgestaltung des präglazialen Reliefs war die Gazialerosion von größerer Bedeutung als die Verkarstung.

Die Glazialerosion wirkte sich in Teilen des Steinernen Meers gering (fast konservierend) aus. Die Gesteine wurden nur überschliffen. Häufige Spuren sind gestriemte, polierte oder rundgebuckelte Oberflächen sowie geköpfte Kluftkarren. Konservierenden Einfluß übten Moränenauskleidungen von Dolinen und anderen Karstformen aus. Bei kräftiger Glazialerosion sind unterirdische Karstformen zerstört, ansonsten erhalten worden. In den Randgipfeln des Steinernen Meers sind viele Höhlenruinen erhalten, da die Erosionskraft der Plateaugletscher im Gegensatz zu den Talgletschern wegen Mächtigkeiten von nicht mehr als 100-250 m gering war. Große Teile des Karstplateaus sind aber höhlenarm bis -frei, da die mächtigeren Abflußbahnen des Plateaueises 100 bis 150 m in die Tiefe erodierten (vgl. FISCHER 1984, S. 32-33, 35, 40, 45).

Fazit

Die Geomorphogenese der Alpen und des Alpenvorlandes stehen in einem engen Zusammenhang, ist doch das Alpenvorland sozusagen ein riesiger Schwemmfächer des Alpenschutts. Ähnliches wiederholte sich in den Glazialen: Die Alpen schufen die Vorraussetzung für die gewaltige Vergletscherung, die dann direkt (Glazialerosion- und akkumulation) und indirekt (Moränenschwemmfächer) das Alpenvorland vielseitig umgestaltete. In Bezug auf die kanozäne Morphodynamik fällt auf, daß die Alpen eine Erosionslandschaft sind, während das Alpenvorland eine (erosiv überformte) Akkumulationslandschaft ist. Die Komplexität des Ganzen ist auf die Interaktion tektonischer, sedimentologischer, erosiver, klimatischer, korrosiver und biogener Prozesse zurückzuführen. Ganz im Sinne der Landschaftsökologie stellt es ein Kompartiment der Geoökofaktoren dar. Nebenbei prägte die Alpenorogenese auch den Charakter der heutigen Mittelgebirge. Die schon eingeebneten variszischen Gebirge erfuhren dabei eine erneute Hebung.

Schließen möchte ich meine Arbeit mit einem Extrakt aus der Ode "Die Eiszeit" von Karl Friedrich Schimper, Neuchâtel 1837:

"...Ureis von damals, als die Gewalt des Frostes Berghoch verschüttet selbst den Süden, Ebnen verhüllt so Gebirg als Meere!"

Literaturverzeichnis

FISCHER, Klaus (1984): Erläuterungen zur Geomorphologischen Karte 1:25000 der Bundesrepublik Deutschland GMK 25 Blatt 16 8443 Königssee.- Berlin

FISCHER, Klaus (1985): Das Funtensee-Uvala im Steinernen Meer.- In: Nationalpark Berchtesgaden (Hrsg.): Der Funtensee, Berchtesgaden, S. 23-36

FISCHER, Klaus (1995): Deutschlands Alpenanteil.- In: LIEDTKE, Herbert / MARCINEK, Joachim (Hrsg.): Physische Geographie Deutschlands, 2. Auflage, Gotha, S. 477-501

GAREIS (1978): Die Toteisfluren des Bayerischen Alpenvorlandes als Zeugnis für die Art des spätwürmzeitlichen Eisschwundes.- Würzburger Geographische Arbeiten, Heft 46, Würzburg

HAEFKE, Fritz (1959): Physische Geographie Deutschlands.- Berlin

HABBE, Karl Albert (1995): Das deutsche Alpenvorland.- In: LIEDTKE, Herbert / MARCINEK, Joachim (Hrsg.): Physische Geographie Deutschlands, 2. Auflage, Gotha, S. 439-475

JERZ, Hermann (1995): XII. Bayern.- In: BENDA, Leopold (Hrsg.): Das Quartär Deutschlands, Stuttgart, S. 296-326

RICHTER, Dieter (1984): Allgäuer Alpen.- Sammlung Geologischer Führer, Band 77, 3. Auflage, Stuttgart

RICHTER, Dieter (1992): Allgemeine Geologie.- 4. Auflage; Berlin, New York

RUTTE, Erwin (1981): Bayerns Erdgeschichte. Der geologische Führer durch Bayern.- 1. Auflage, München

SCHOLZ, Herbert (1995): Bau und Werden der Allgäuer Landschaft.- Stuttgart

SEMMEL, Arno (1996): Geomorphologie der Bundesrepublik Deutschland.- Erdkundliches Wissen, Heft 30, 5. Auflage, Stuttgart

TOLLMANN, Alexander (1976): Der Bau der Nördlichen Kalkalpen.- Wien

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Geomorphologie des deutschen Alpenanteils und Alpenvorlandes
Hochschule
Universität Trier
Veranstaltung
Oberseminar: Geomorphologie der BRD
Jahr
1998
Seiten
33
Katalognummer
V96261
ISBN (eBook)
9783638089371
Dateigröße
511 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Inhalt: Geologie, Formenschatz und Landschaftsgenese der deutschen Alpen und Alpenvorland
Schlagworte
Geomorphologie, Alpenanteils, Alpenvorlandes, Oberseminar, Geomorphologie
Arbeit zitieren
Anonym, 1998, Geomorphologie des deutschen Alpenanteils und Alpenvorlandes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96261

Kommentare

  • Lora Tanzel am 20.3.2011

    Bitte sag mir jetzt, dass dein Prof die Arbeit nicht angenommen hat. Die Einleitung ist für einen Studenten höheren Semesters an einer UNIVERSITÄT keinesfalls angebracht. Für einen Reiseführer wäre sie ganz pasabel, als wissenschaftliche Arbeit ist sie absolut unbrauchbar! Und diese Arbeit dann zu veröfentlichen und Geld zu verlangen - finde ich nicht ok, zumal zahlreiche exzellente Arbeiten zu diesem Thema vorliegen (z.B. JERZ 1993)

  • Gast am 26.3.2002

    Bemerkung.

    Perfekt! Danke für meine Eins in Erdkunde!

  • Gast am 25.9.2001

    Geomorphologie des deutschen Alpenanteils und Alpenvorlandes.

    sprachlich ungeschickt, sachlich vollständig

  • Gast am 18.8.2001

    :-((.

    Die Einleitung - in puncto Stil - wirklich allererste Sahne!
    Das bestätigt natürlich gewisse Vorurteile über die Geographie (

  • Gast am 22.5.2001

    Saublöder Text.

    Schlechter kann die Einleitung für eine wissenschaftliche Arbeit kaum sein. Es wimmelt geradezu von subjektiven Superlativen

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Titel: Geomorphologie des deutschen Alpenanteils und Alpenvorlandes



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