Das Leben der Edith Stein


Facharbeit (Schule), 1999

35 Seiten, Note: 13 Punkte


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1.- Einleitung
1.1.- Eine kurze Biographie

2.- Hauptteil
2.1. Das Leben Edith Steins bis zu ihrer Zeit als Karmelitin (1891 bis 1933)
2.1.1.- Die Kindheit Edith Steins (1891 bis 1904)
2.1.2.- Die Jugend Edith Steins (1905 bis 1911)
2.1.3.- Die Lehrzeit Edith Steins (1911 bis 1917)
2.1.4.- Edith Stein in ihrer Zeit als Lehrerin und Christin (1918 bis 1933)
2.2.- Edith Steins Zeit als Karmelitin (1933 bis 1942)
2.2.1.- Der Bund der Karmeliter
2.2.2.- Die heilige Theresia von Avila und die Trennung der Karmeliten
2.2.3.- Die Geschichte des Kölner Karmels
2.2.4.- Edith Stein im Kölner Karmel
2.3.- Die Heiligsprechung Edith Steins (11.10.1998)
2.3.1.- Über Heiligsprechungen und das Heiligsprechungsverfahren
2.3.2.- Die Begründung der Heiligsprechung Edith Steins
2.3.3. Die Heiligsprechung als Augenzeugenbericht

3.- Schlußteil

Selbständigkeitserklärung

Quellennachweis und Bildnachweis

Vorwort

Als ich im Herbst des Jahres 1998 an der Ministranten-Wallfahrt nach Rom teil- nahm, war mir der Name Edith Stein, wie vielen anderen Teilnehmern der Wallfahrt überhaupt kein Begriff. Ich wußte nichts über ihre Person oder ihr Le- ben. Daher war ich sehr erstaunt, wie viel ich in nur einer Woche über diese Person gelernt und erfahren habe. All das hat mich neugierig gemacht, denn ich wollte nach Möglichkeit mehr über diese herausragende Persönlichkeit des 20.Jahrhunderts kennenlernen. Diese Möglichkeit eröffnete sich mir in der Facharbeit. Ich erkannte, daß ich hier die Gelegenheit haben sollte, mich ge- nauer mit dem Leben dieser großen Glaubenszeugin auseinanderzusetzen, und das Ergebnis der Untersuchungen präsentieren zu können.

Bei der Anfertigung meiner Arbeit habe ich von vielen Seiten Hilfestellung er- fahren, für die ich mich jetzt ganz herzlich bedanken möchte. Ich bedanke mich bei Msgr. Dr. Dieter Froitzheim, Pfarrer in St.Joseph, Leverku- sen-Manfort, Ralf Steiner, Gemeindereferent in St. Thomas-Morus in Leverku- sen-Schlebusch, und Dipl.-Theologe Patrick Höring, die mir alle geholfen ha- ben, Material für diese Arbeit zu sammeln. Weiter bedanke ich mich bei Josef Borsbach, Gruppenleiter der Katholischen Jungen Gemeinde in St.Joseph, Leverkusen-Manfort, für seinen Rat und seine unaufgeforderte Hilfe in der Ma- terialbeschaffung.

Schließlich bedanke ich mich bei Heinz Thiel, Ulrich Hennes und all jenen die es mir ermöglicht haben, als Opfergänger aktiv an der Heiligsprechungszere- monie am 11.10.1998 in Rom teilzunehmen. Ohne die Teilnahme am Opfer- gang wäre mir die tiefe Bedeutung der Heiligsprechung teilweise verschlossen geblieben, so daß ich auch nicht dieses Thema für diese Arbeit hätte wählen können.

Leverkusen, 25.Februar 1999

1.- Einleitung

In der Woche nach der Heiligsprechung Edith Steins durch Papst Johannes Paul II am 11.10.1998 in Rom fragte die BILD-Zeitung: „Wer ist die Frau die der Papst heilig sprach?“

Anhand einer kurzen Übersicht der markantesten Punkte, die ihren Lebensweg säumten, erkennt man sofort, daß diese Edith Stein ein außergewöhnliches Leben hatte.

Edith Stein, Jüdin, in ihrer Kindheit zur Atheistin geworden, später zum Katholizismus konvertiert, hat als Philosophin und Lehrerin gearbeitet, trat mit 42 Jahren in den Bund der Karmelitinnen-Schwestern ein, wurde schließlich von den Nazis gefangengenommen und in Ausschwitz hingerichtet, wurde mehr als 50 Jahre nach ihrem Tod heilig gesprochen.

Die Biographie Edith Steins offenbart einige Facetten, die sicherlich geeignet sind, Interesse für verschiedenste Nachforschungen zu erwecken.

Die wichtigsten Phasen und Station ihres Lebens könnten lauten:

1.- Ihre Kindheit, in der sie sich von ihrem jüdischen Glauben lossagte,
2.- Ihre Studienzeit, während dieser sie sich taufen ließ,
3.- Ihre Zeit als Lehrerin und Philosophin, in der sie einige bedeutende Werke für die Philosophie schreib
4.- Ihre Zeit im als Karmelitin.

Jedoch würden detaillierte Ausführungen zu jeder einzelnen Phase den Rah- men dieser Arbeit sprengen, so daß es für mich nötig war, das Thema einzu- grenzen.

Daher habe ich mich entschieden, die Heiligsprechung Edith Steins als einen Schwerpunkt der Arbeit auszuwählen, da ich selbst während der Ministranten- Wallfahrt nach Rom Augenzeuge der Heiligsprechung sein durfte, was mir die nötige Inspiration zur Wahl des Themas gegeben hat. Da die Heiligsprechung ein sehr bewegender Moment in meinem Leben war, habe ich mich ent - schlossen, die Heiligsprechung anhand eines Augenzeugenbericht zu erarbeiten. Zwar ist dies keine gewöhnliche Methode für eine Arbeit dieses Ausmaßes, doch denke ich auf diese Weise eine unmittelbare Nähe zu dem Geschehen herstellen zu können.

Schließlich wollte ich aber auch den biographischen Hintergrund Edith Steins nicht vernachlässigen. Da für eine Analyse ihrer Kindheit mit ihrer atheistischen Phase wohl mehr als nur rudimentäre Kenntnisse aus dem Bereich der Pädagogik vonnöten gewesen wären, und auch ihre Zeit als Studierende und Lehrende die Bereiche der Philosophie und der Pädagogik berührten, ent schloß ich mich, die Zeit im Kölner Karmel zu einem zweiten Schwerpunkt zu machen, da sie hier ausschließlich ihren Dienst an Gott ausübt.

Aus Gründen des Umfangs dieser Arbeit ist Edith Steins Biographie bis zu ihrem Eintritt in den Karmel nicht in aller Ausführlichkeit beschrieben, um den beiden anderen Schwerpunkten der Arbeit, der Zeit als Karmelitin und ihrer Heiligsprechung, ebenfalls einen gebührenden Rahmen einzuräumen.

Auch wenn das Erscheinungsbild dieser Arbeit mit mehr als 30 Seiten sehr um- fangreich erscheint, ist dies auf ästhetische Aspekte des Layouts zurückzufüh- ren. Der Textteil umfaßt nach den vorgegebenen Richtlinien, ca. elf bis zwölf Seiten, so daß die Vorgabe für den Umfang der Arbeit eingehalten wurde.

1.1. Ein kurze Biographie

Am 12. Oktober des Jahres 1891, an dem die Juden das Versöhnungsfest Yom Kippur, den religiösen Höhepunkt des Jahres in der jüdischen Tradition, feiern, wird Edith Stein als jüngste Tochter von Auguste Stein, geborene Courand und Siegfried Stein in Breslau geboren. Durch ihre Geburt am Versöhnungstag ist die Familie, ganz besonders die Mutter, sehr stolz auf Edith; sie genießt seitens der Eltern und auch der Geschwister eine sehr große Zuneigung.

Die Familie lebt von einem Holzhandel, den der Vater mit Mühe betreibt. Als der Vater im Juli 1893 plötzlich stirbt, sieht sich die Mutter mit der schwierigen Aufgabe konfrontiert, die Familie weiter ernähren zu müssen. Es gelingt ihr, aufgrund ihrer großen Willenskraft und Arbeitsamkeit, den Holzhandel zu beleben, und so die Versorgung der Familie zu gewährleisten.

Als Kind besucht Edith Stein anfangs mit großer Begeisterung die Schule, im Jahre 1906 jedoch hat sie alle Lust zur Schule zu gehen verloren. Ebenfalls in dieser Zeit beschließt sie, nicht mehr in die Synagoge zu gehen. Mit 14 Jahren bezeichnet sie sich selbst als Atheistin; sie hat sich das Beten abgewöhnt. Ihre Mutter entscheidet sich daraufhin, die Tochter nach Hamburg zu einer Tante zu schicken. Dort findet sie ihre Begeisterung für die schulischen Studien wieder und absolviert 1911 in Breslau ein hervorragendes Abitur. Im Anschluß beginnt sie an der Universität zu Breslau das Studium der Philosophie, Psychologie, Geschichte und Germanistik. 1913 geht sie nach Göttingen, wo sie Schülerin und später auch Assistentin des Philosophen und Phänomenologen Edmund Husserl wird, bei dem sie schließlich auch doziert.

Als der erste Weltkrieg ausbricht, entschließt sie sich zu einem freiwilligen Dienst beim Roten Kreuz im Seuchenlazarett in Mährisch-Weißkirchen. 1916 geht sie mit Husserl als Assistentin nach Freiburg im Breisgau und promoviert dort. 1918 verläßt sie Husserl, um als freie Wissenschaftlerin in Breslau zu arbeiten. Sie versucht vergeblich, an einer deutschen Universität zu habilitieren, doch dies war für Frauen in dieser Zeit noch unmöglich.

Sie läßt sich am 1. Januar des Jahres 1922 in Bergzabern taufen und empfängt einen Tag später die erste heilige Kommunion. Einen Monat später läßt sie sich firmen. Sie übernimmt bis 1931 ein Stelle als Deutsch- und Geschichtslehrerin in Speyer in einer Augustinerinnen-Schule. Bis 1933 arbeitet Sie als Dozentin für wissenschaftliche Pädagogik in Münster, bis die Nationalsozialisten sie zwin- gen, diese Tätigkeit aufgrund ihrer jüdischen Herkunft, aufzugeben.

Im Oktober 1933 tritt sie in den Kölner Karmel ein; ihre Einkleidung erfolgt am 15.4. 1934. Ihr Ordensname ist Teresa Benedicta a Cruce.

Nachdem sie 1938 Zeugin des Judenprogroms wird, verläßt sie am 31.12.1938 den Karmel in Köln, um ihn zu schützen und siedelt in den Karmel im nieder- ländischen Echt. Dort wird sie jedoch von der Gestapo ausfindig gemacht und am 2.8.1942 verschleppt und am 9.8. 1942 in Ausschwitz in der Gaskam- mer getötet.

Am 1.5.1987 wird sie von Papst Johannes Paul II. im Müngersdorfer Stadion in Köln selig gesprochen.

Ihre Heiligsprechung erfolgte am 11.10.1998 in Rom durch Papst Johannes Paul II, der damit ihr Leben nach dem Vorbild Christi würdigte.

2.1. Das Leben Edith Steins bis zu ihrer Zeit als Karmelitin

2.1.1. Die Kindheit Edith Steins

Edith Stein wurde am jüdischen Versöhnungsfest Yom-Kippur, dem höchsten Fest im jüdischen Jahr, den die Juden mit Fasten, Beten und Sühne für die Sünden begehen, geboren. Sie hatte elf Geschwister, von denen vier bereits klein gestorben waren. Für die Eltern war die letztgeborene Tochter Edith et- was Besonderes. Dies wurde auch von ihren älteren Geschwistern neidlos res- pektiert; sie erfuhr sei- tens der Eltern und auch ihrer Geschwister ein hohes Maß an Zunei- gung. Da der Vater starb, bevor Edith zwei Jahre alt war, ist ihre Erziehung allein der Mutter zuzuschreiben, die es durch ihre Tüchtigkeit und Arbeitsamkeit geschafft latte, den familiären iären Holzhandel zu revitalisieren. Friedrich Kardinal Wetter, Erzbischof Münchens und Freisings sagt, sie habe den starken Frauen geglichen, wie sie im Alten Testament im Buch der Sprichwörter (31, 10-31, „Das Lob der tüchtigen Frauen“) beschrieben wird.1 Die Mutter war gläubig und fromm. Sie versuchte ihren Kindern ein Vorbild zu sein und ermutigte sie zu selbstverantwortlichen und einsatzwilligen Handeln.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1- Ein Familienbild der Familie Stein um 1895

Edith Stein sagt von sich selbst: „ In den ersten Lebensjahren war ich von einer quecksilbrigen Lebhaftigkeit, immer in Bewegung,übersprudelnd von drolli- gen Einfällen, keck und naseweis, dabei unbezähmbar eigenwillig und zornig, wenn etwas gegen meinen Willen ging. “ 2

Als sie in das schulpflichtige Alter kam, ließen ihre eigenwilligen Temperamentsausbrüche nach und sie entwickelte einen Widerwillen gegen alles was die Freiheit des Geistes oder der Menschenwürde einschränkte, eine Eigenschaft, die ihren Charakter bis zum Tod geprägt hat.

In der Schule, in die sie schon ein Jahr früher als geplant kam, da sie sich nicht mehr mit dem Kindergerten zufrieden geben wollte, gehörte sie sofort zu den besten Schülern und erledigte ihre Aufgaben mit besonderem Fleiß. Am liebsten hatte sie die Fächer Geschichte und Deutsch, die Bereiche, die sie auch später studieren sollte. Die Begeisterung für das schulische Lernen blieb bis zu ihrem vierzehnten Lebensjahr ungebrochen.

2.1.2. Die Jugend Edith Steins

Mit 14 Jahren verlangte Edith Stein immer mehr nach Selbständigkeit und versuchte sich von dem Einfluß und der Führung der Mutter und der Geschwister loszusagen. Ihre Lehrer waren sehr überrascht und bestürzt, als sie ihnen eröffnete, die Schule verlassen zu wollen, obwohl sie noch immer eine mustergült i- ge Schülerin war . „ Zum Teil lag es wohl daran, daßmich mancherlei Fragen, vor allem weltanschauliche, zu beschäftigen begannen, von denen in der Schule wenig die Rede war. Hauptsächlich ist es aber wohl durch die körperliche Entwicklung zu erklären, die sich in mir vorbereitete “ . 3

Die Mutter respektierte den Willen ihres Kindes und beschloß, sie für kurze Zeit zu deren Schwester Else nach Hamburg zu schicken. Dort half sie der Familie im Haushalt und beschäftigte und beaufsichtigte die Kinder der Familie. Der Aufenthalt dauerte letztendlich zehn Monate, so daß Edith Zeit hatte, sich mit den Fragen, die sie beschäftigten, auseinanderzusetzen. Sie selbst beschreibt die Zeit in Hamburg, als Zeit der Reife: „ Die Zeit in Hamburg kommt mir, wenn ich jetzt darauf zurückblicke, wie eine Art Puppenstaduim vor. “ 4 In Hamburg legte sie den Glauben ihrer Mutter, den sie ohnehin nie mit gan- zer Hingabe gelebt hatte, endgültig ab und bezeichnete sich bis zu ihrem 21. Lebensjahr als Atheistin; sie hatte sich das Beten aus freiem Entschluß abge- wöhnt. „ [...]wie damals viele intellektuelle Juden verlor auch Edith Stein ihren Glauben. “ 5

Nachdem sie nach Breslau zurückgekehrt war, absolvierte sie 1911 ein glänzendes Abitur. Sie war zu einem zuverlässigen und charakterfesten Menschen herangereift.

2.1.3. Die Lehrzeit Edith Steins

Nachdem sie ihr Abitur bestanden hatte, begann sie in der Universität zu Breslau das Studium der Psychologie. Sie knüpfte zahlreiche Kontakte zu Kommili- tonen und beschäftigte sich besonders mit Frauenfragen und Fragen der Emanzipation. „ Als Gymnasiastin und junge Studentin war ich radikale Frauenrechtlerin gewesen. Dann ver- lor ich das Interesse an der ganzen Frage. Jetzt suche ich nach rein sachlichen Lösun- gen. “ 6 Sehr schnell bemerkte sie aber, daß ihr wahres Interesse der Philosophie galt. Man hatte sie daraufhin auf den Göttinger Profes- sor Edmund Husserl, der als Meister der Phä- nomenologie galt, hingewiesen. 1913 rang sie sich dazu durch, Abschied von der Familie zu nehmen, Breslau zu verlassen und nach Göttingen zu gehen. Dort studierte sie weiter Psychologie, Philosophie, Geschichte und Germanistik. 1915 absolvierte sie das philosophisch-propädeutische Staatsexamen, ebenso wie das Staatsexamen in Geschichte und Deutsch mit der Note Eins; sie war nach wie vor eine herausragende Schülerin. Sie wurde schnell zu Husserls engster Mitar- beiterin und später auch zu seiner Assistentin. Husserl selbst war der Begründer der Phänomenologie, einem eigenen Zweig der Philosophie. Sie umfaßt die Lehre von der Entstehung und der Form der Erscheinungen im Bewußtsein auf analytischer- und zugleich intuitiv-wissenschaftlicher Basis. Husserl und Dr. Rei- nach, ebenfalls Professor der Universität zu Göttingen, waren wichtige Perso- nen für Edith Stein während ihres Studiums. Von Husserl war sie aufgrund seiner fachlichen Kompetenz begeistert, Dr. Reinach beeindruckte sie als Mensch, so daß sie auch mit Frau Reinach schnell Freundschaft schloß.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2 - Edmund Husserl

Als der erste Weltkrieg ausbracht, wurden viele ihrer männlichen Kommilitonen zum Wehrdienst abberufen. Sie selbst fühlte sich ebenfalls verantwortlich, den Not leidenden Menschen zu helfen und meldete sich freiwillig zum Dienst in einem Seuchenlazarett, wo sie direkten Kontakt mit Leidenden und Sterben hatte. Auf die Frage, warum sie für diesen freiwilligen Dienst ihre Studien ruhen lasse, antwortete sie einem Arzt: „ Ich erklärte ihm, meine Studiengefährten seien alle im Feld, und ich sähe nicht ein, warum ich es besser haben sollte, als sie. Das schien ihm Eindruck zu machen “ 7

Nachdem das Lazarett 1916 geschlossen wurde, nahm sie ihre Studien in Göttingen wieder auf und arbeitete dort als Assistentin Husserls und folgte diesem im selben Jahr nach Freiburg im Breisgau. Hier promovierte sie ein Jahr später mit der Arbeit „Das Problem der Einfühlung“.

2.1.4. Edith Stein in ihrer Zeit als Lehrerin und Christin

1917 fiel Prof. Dr. Reinach im Ersten Weltkrieg. Frau Reinach, die gemeinsam mit ihrem Mann ein Jahr zuvor protestantische Christin geworden war, bat E- dith Stein, den philosophischen Nachlaß ihres Mannes zu ordnen. Als sie e- doch Frau Reinach traf, war sie sehr überrascht, in welchem emotionalen Zu- stand die Witwe sich befand; „ Sie fand keine gebrochene, verzweifelte Witwe vor, sondern eine Frau, die sich am Kreuz Kraft holte, ihren abgrundtiefen Schmerz tapfer zu tragen. “ 8 . Auch sie selbst schildert dieses Erlebnis: „ Es war meine erste Begegnung mit dem Kreuz und der göttlichem Kraft, die es seinen Trägern mitteilt. Ich sah zum erstenmal die aus dem Erlöserleiden Christi gebo- rene Kirche in ihrem Siegüber dem Stachel des Todes handgreiflich vor mir. Es war der Augenblick, in dem mein Un- glaube zusammenbrach, das Judentum verblaßte und Christus aufstrahlte: Chris- tus im Geheimnis des Kreuzes. “ 9 . Sie hatte schon vorher, allerdings nur aus Studienzwecken, Werke und Bücher über das Christentum gelesen, doch nach der Begegnung mit der Witwe begann sie, sich intensiv mit dem Evan- gelium auseinanderzuset zen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3 - Edith Stein in Speyer

Sie berichtet von Erlebnissen in katholi- schen Kirchen: „ Wir traten für einige Mi- nuten in den Dom [der Stadt Frankfurt ], und während wir in ehrfürchtigem Schweigen dort verweilten, kam eine Frau mit ihrem Marktkorb herein und kniete zu kurzem Gebet in einer Bank nieder. Das war für mich etwas ganz Neues. In die Synagogen und die protes- tantischen Kirchen, die ich besucht hatte, ging man nur zum Gottesdienst. Hier aber kam jemand mitten aus den Werktagsgeschäften in die menschen- leere Kirche wie zu einem vertrauten Gespräch. Das habe ich nie vergessen können. “ 10

1918 verließ sie Husserl und kehrte zurück nach Breslau, wo sie als freie Philoso- phin arbeitete. In diesem Beruf fühlte sie sich wohl und war auch durchaus erfolgreich. Durch ihren Ehrgeiz und ihre Freude an der Arbeit, versuchte sie 1919 an der Göttinger Universität zu habilitieren. Zwar sprach auch Prof. Hus- serl ihr eine Empfehlung für ihre Habilitation aus, doch blieb ihr dieser Weg ver- sperrt, da die akademische Laufbahn für Frauen noch nicht möglich war.

Im August 1921 besuchte sie ihre Freundin Hedwig Conrad-Martuis in Bergzabern in der Pfalz. Dort las sie durch Zufall die Biographie der Theresia von Avila11, einer geistlichen Schriftstellerin und Gründerin des Orden der unbeschuhten Karmeliter. „ Das Buch fesselte sie so sehr, daßsie die ganze Nacht hin durch las. Als sie es am Morgen schloßsagte sie sich: „ Das ist die Wahrheit. “ [...] Von jetzt ab wußte sie, welchen Weg sie wählen sollte. Sie erkannte, daßGott, an dessen Existenz sie jahrelang gezweifelt hatte, sie liebte und von ihrer ganzen Person eine Antwort der Liebe erwartete. “ . 12.

Am 1.1.1922 empfing Edith Stein die Taufe in der Pfarrkirche St.Martin in Berg- zabern und wählte den Namen Teresia Hedwig. Am 2.2., dem Lichtmeß-Fest 1922 empfing sie in der Hauskapelle des Speyrer Bischofs Ludwig Sebast ian die Firmung.

Von nun an wollte sie ihren Dienst an Gott in einem Kloster ausüben, doch ge- traute sie sich dieses, mit Rücksicht auf ihre Mutter, noch nicht. Sie sagt: „ Von diesem Augenblick an [nach der Lektüre der Biographie der Theresia von Avila ] war der Karmel mein Ziel. “ 13 . Sie hielt ständig Kontakt zum Erzbischof von Beuron, Raphael Walzer, der sie, aufgrund ihrer großen Fähigkeiten, davon abhielt in den Karmel zu gehen, sondern ihr riet, mit ihren Gaben in der Welt aktiv zu werden.

Da sie sich in ihrer philosophischen Tätigkeit Gott nicht nah genug fühlte, ließ sie sich ein Stelle als Lehrerin am Lehrerinnenseminar in Speyer bei den Domin- kanerinnen von St.Magdalena vermitteln. Die Schüler berichteten, daß sie ei- ne fachlich versierte, aber sehr strenge Lehrerin war. Sie lehrte Geschichte und Deutsch und „ war [...] für viele eine Ratgeberin in Lebensfragen, nicht nur von Schülerinnen, auch für Priester und Ordensleute. “ 14

1925 wurde sie von dem Jesuiten Erich Przywara, den sie durch ihren priesterli- chen Ratgeber Generalvikar Schwind kennengelernt hatte, gebeten, die „Quaestiones disputatae de veritate“ von Thomas von Aquin zu übersetzen. So wurde sie auf den Philosophen, Theologen und Kirchenlehrer der 13. Jahr- hunderts aufmerksam . „ Durch die Beschäftigung mit Thomas von Aquin lernte Edith Stein, daßman als Christ nicht in einem Rückzug aus der Welt leben darf, sondern das, was man von Gott erfahren hat, in alle Lebenszüge umset- zen muß. “ 15.

Sie hielt bis 1931 zahlreiche Vorträge, da sie noch immer als Wissenschaftlerin geschätzt war, besonders häufig zu Frauenfragen. 1932 versuchte sie - wiederum vergebens - an der Breslauer und Freiburger Universität zu habili- tieren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4 - Die Lehrerin Edith Stein

Erzabt Raphael Walzer von Beuron, der mit Edith Stein befreundet war, vermittelte ihr 1932 eine Stelle als Dozentin am Deutschen Institut für wissenschaftliche Pädagogik in Münster 1933 ergriffen die Nationalsozialisten in Deutschland die Macht. Durch die Nürnber- ger Rassengesetze war sie gezwungen, ihre Dozentur in Münster nach nicht mal einem Jahr wieder aufzugeben. „ Wenn es hier nicht mehr geht, so gibt es in Deutschlandüberhaupt keine Möglichkeit mehr für mich. “ 16 Edith Stein besuchte im Oktober 1933 zum letzten Mal ihre Mutter, die sehr darunter litt, daß die Tochter, nachdem diese sich schon taufen gelassen hatte, nun auch noch in das Kloster eintreten wollte.

2.2. Edith Steins Zeit als Karmelitin

2.2.1. Der Bund der Karmeliter

Der ursprüngliche Name des Ordens lautete im lateinischen „ Ordo Fratrum Beatae Maria Virginis de Monte Carmelo “ (OCarm), was übersetzt soviel be- deutet wie: „Brüderlicher Orden der seligen Jungfrau Maria vom Berg Kar- mel.“

Im 12. Jahrhundert gründeten Kreuzfahrer eine Einsiedlerkolonie auf dem Berg Karmel17. Hier lebte seit ca. 1185 eine Eremitengruppe, die in einem Bettelorden lebte und sich selbst verpflichtende Regeln gab. Die Gemeinschaft wählte einen Prior und lebte in Gehorsam, Armut, Keuschheit, Stillschweigen und Fasten. Die Regel besagte: „Jeder bleibe in seiner Zelle, Tag und Nacht das Gesetz des Herrn betrachtend und in Gebet wachend.“18. Diese Regel wurde 1209 von Papst Honorius III bestätigt.

Ab 1238 siedelten die Karmeliter nach Zypern, Sizilien, England und Südfrank- reich.

Zunächst lebten die Mönche weiter nach dem erimitischen Prinzip. Simon Stock, Angehöriger des Ordens, erarbeitete allerdings noch im 13.Jahrhundert Änderung der Regel, die Papst Innozenz IV 1247 bestätigte. Sie beinhaltete eine Anpassung an abendländische Verhältnisse; der Orden durfte von nun an auch in Städten siedeln und somit seelsorgerische Tätigkeiten ausüben. Das erste deutsche Kloster wurde 1249 in Köln gegründet. Weitere Klöster in der deutschen Provinz waren in Würzburg, Boppard, Frankfurt, Bamberg, Augsburg, Kreuznach, Eßlingen, Trier, Mainz, Nürnberg, Vogelsburg, Weinheim, Regensburg und Rottenburg. Die Karmeliter waren beim Volk für ihre Marien- verehrung beliebt.

Ab dem 14. Jahrhundert begann sich der Orden zu spalten; viele Patres brachten Reformvorschläge zum Ausdruck. 1452 wurde ein weiblicher Stamm der Gemeinschaft gegründet; die Schwes- tern nennen sich Karmeliterinnen oder Karmelitinnen. Während der Reforma- tionszeit wurden viele Klöster geschlossen; die Gemeinschaft drohte zu zer- brechen.

Die wohl wichtigste Persönlichkeit für den weiblichen Zweig des Ordens war die Heilige Theresia von Avila.19 Sie reformierte den Orden und gründete Re- formklöster der „unbeschuhten Karmeliter“ (OCD: Ordo Fratrum Discalceato- rum) gemeinsam mit dem Heiligen Johannes vom Kreuz. Die Konflikte, die zwi- schen dem Zweig und dem Stammorden herrschten, wurden 1593 durch die völlige Abtrennung voneinander gelöst. Der Stammorden gab sich den Na- men Karmeliter der alten Observanz (OCarm). Die unbeschuhten Karmeliter gründeten in der Folgezeit zahlreiche Klöster und Missionen in ganz Europa und auch anderen Teilen der Welt.

Die unbeschuhten Karmeliter zählen heute etwa 14000 Mitglieder in 710 Klöstern und sind damit der größte beschauliche Orden der Kirche. Ihre Klöster befinden sich heute auf der ganzen Welt; die meisten sind in Spanien der Heimat der Theresia von Avila.

2.2.2. Die heilige Theresia von Avila und die Trennung der Karmeliten

Theresia wurde am 28.März 1515 in Avila geboren. Schon 1530 wurde sie von ihrem Vater den Augustinerinnen-Orden anvertraut. „Sie las die Briefe des hei- ligen Hieronymus, die für ihre klösterliche Berufung ausschlaggebend wur- den“20. Am 2.11.1535 trat sie in das Karmelitenkloster der Menschwerdung von Avila ein. „Von nun an gab sie sich mit ganzem Herzen dem Gebet und über- strenger Buße hin“21. 1539 bis 1542 überlebte sie eine schwere Krankheit. „Nach einer schrecklichen Vision der Hölle 1560 legte sie das Gelübde ab, immer das Vollkommenere zu tun, und beschloß, die Regel vollständig zu be- obachten. Dies war der Ausgangspunkt ihrer reformatorischen Tätigkeit“22. Sie begann eine Reform heranzuführen, die sich wieder an die Gründer, die karmelitischen Siedler, anlehnte (OCD). Beim Volk und den Mitschwestern er- fuhr sie starken Widerstand, und doch erreichte sie am 24.8.1562 die Bestäti- gung ihrer Regel durch den Papst. 1567 wurde sie aufgefordert, weitere Klös- ter zu gründen. Während dieser Gründungsphase erhielt sie Unterstützung durch Johannes vom Kreuz, der ihr in ihrer Theologie die letzte Klarheit gab.23 Gegen den die Verbreitung des unbeschuhten Ordens in den Provinzen gab es zahlreiche Proteste und auch Verbote; Theresia hatte harte Auseinander- setzungen mit dem Stammorden zu führen. 1571 wurde Theresia gegen den Willen der dortigen Nonnen durch einen päpstlichen Visitator zu Priorin des Klosters der Menschwerdung von Avila ernannt. „Mit Hilfe des Beichtvaters Johannes vom Kreuz hob sie das geistige Niveau der Gemeinschaft“24. Der Konflikt zwischen den Unbeschuhten und dem Stammorden wurde 1580 durch die Lostrennug der jeweiligen Provinzen entschärft. Theresia starb nach der Vollendung ihres Lebenswerkes am 4.Oktober 1582 in Alba de Tommes.

1593 trat schließlich die vollständige Trennung der Zweige OCarm und OCD ein.

Theresia von Avila wurde 1614 selig gesprochen und 1622 heilig gesprochen. Seit 1617 gilt sie als Patronin von Spanien. Ihre Attribute sind das Herz, der Pfeil, das Buch und die Taube.

2.2.3. Die Geschichte des Kölner Karmels

Seit 1247 gab es ein Kloster des Stammordens OCarm in Köln. 1637 gründeten zwei Nonnen des von Theresia von Avila reformierten Ordens OCD ein Kloster der Unbeschuhten in Köln. Während der Säkularisation zu Beginn des 19.Jahrhunderts wurde das Kloster vorübergehend aufgehoben und erst 1845 wieder erneuert. Durch den Kulturkampf Bismarcks waren die Schwestern gezwungen, das damalige rheinisch-preußische Gebiet zu verlassen und nach Echt in den Niederlanden umzusiedeln. 1899 schließlich konnten die Karmelit e- rinnen in dem Kölner Vorort Lindenthal, an der Dürener Straße, ein neues Kloster errichten. Dieses wurde während des Zweiten Weltkriegs zerstört, so daß die Schwestern ein neues Kloster in Nähe der Innenstadt - Vor den Siebenburgen 6 - nahe der Severinsstraße, beziehen mußten, in dem sie noch bis heute ihren Dienst an Gott in strenger Klausur nachgehen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5 - Der Karmel in Köln-Lindenthal

2.2.4. Edith Stein im Kölner Karmel

Seitdem Edith Stein die Biographie der hl. Theresia von Avila gelesen hatte, war der Karmel ihr Ziel.25 Ihr Berater, der Erzabt von Beuron, hatte sie immer davon abgehalten, da er sie für eine aktive Tätigkeit in der Welt für geeigne- ter hielt. Als aber die Nationalsozialisten in Deutschland 1933 die Macht ergrif- fen, gab es für Edith Stein nicht mehr die Möglichkeit in der Welt aktiv zu sein. Ihr Streben in den Karmel wurde daher immer größer. Sie berichtet von einem Ereignis in der Ludgerikirche: „ Am später Nachmittag ging ich dorthin und sagte mir: ich gehe nicht wieder fort, ehe ich Klarheit habe, ob ich jetzt in den Karmel gehen darf. Als der Schlußsegen gegeben war, hatte ich das Jawort des guten Hirten “ 26.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6 - Edith Stein bei ihrer Einkleidung

Sie sprach 1933 zum ersten Mal bei der Priorin, Teresia Renata, des Kölner Karmels mit den folgenden Worten vor: „ Nicht die menschliche Tätigkeit kann uns helfen, sondern das Leiden Christi. Daran Anteil zu haben ist mein Verlan- gen “ 27. Nachdem sie ihre Mutter und die Familie das letzte Mal besucht hatte, trat sie am 14. Oktober in den Kölner Karmel ein. Sie sagte: „ Ichüberschritt in tiefem Frieden die Schwelle zum Hause des Herrn “ 28. Gemäß der Traditionen des Karmel war sie zunächst Postulan- tin29, die um ihre Aufnahme in die Gemeinschaft der Karmelitinnen bat. Während dieser Zeit sollten die anderen Schwestern des Ordens sie beobachten und prüfen, ob die Postulantin geeignet sei, dem Orden beizutreten. Nachdem ihre Zeit als „Fordernde“, als Postulantin, vorbei war, folgte ihre Einkleidung. Diese fand statt am 15. April 1934. Die Messe hielt der ihr langjährige vertraute Erzabt Walzer von Beuron. Zu der Feierlichkeit erschienen auch zahlreiche alte Bekannte aus Edith Steins Studienzeit. Es wird von einem Fest berichtet, wie es die schlichten Mauern des Karmels noch nie erlebt hatten; „der Andrang der Gäste war groß“30. Edith Stein war nunmehr Novizin; sie hatte sich den Or- densnamen „Teresia Benedicta a Cruce“ ausgewählt, die vom Kreuz geseg- nete. Bei der Betrachtung ihres Ordensnamens läßt sich zum einen eine Asso- ziation zu ihrer ersten Begegnung mit dem Christentum feststellen, als sie die Witwe Reinach traf, und diese als Frau, die sich am Kreuze Christi Kraft holte, erkannte. Zumeist wird ihre Wahl des Ordensnamens bereits als Vorausahnung auf ihr eigenes Schicksal, welches den Leiden Christi, symbolisiert durch das Kreuz, sehr nahe kam. Trotz ihres ungewöhnlich hohen Alters beim Eintritt in den Orden und ihres Ansehens in der Welt, welches sie durch ihren Beruf be- reits erreicht hatte, gab es für sie keine Sonderregelungen was die Aufgaben im Karmel anbetraf; sie übernahm alle häuslichen Aufgaben, die auch ihre Mitschwestern ausüben mußten.

Viele Zeugen ihres Lebens berichten von einer Wandlung, die nun in Schwes- ter Benedicta vor sich ging. Galt sie in ihrer Zeit in Speyer noch als sehr strenge Lehrerin, so löste sich in den ruhigen und friedvollen Wänden des Karmels ihre Angespanntheit und sie wurde zu einem viel mütterlicheren Menschen.31 Am Ostersonntag 1935 legte Sr. Benedicta ihre erste Profeß32 ab. Ungeachtet des frohen Mutes, den sie im Karmel ausstrahlte, sah sie ihr eige- nes Schicksal mit dem schweren Schicksal ihres jüdischen Volkes verbunden und äußerte am Tag ihrer Profeß: „ Man wird mich hier sicher noch rausho- len “ 33. Im Gegensatz zu ihrer vorherigen pädagogischen und studierenden Lebensweise, lebte sie in den Wänden des Karmels sehr zurückgezogen. Den- noch hielt sie Kontakt zu vielen Menschen, zu ehemaligen Schülerinnen, Pries- tern, Gelehrten und Ordensleuten, mit denen sie einen regen Briefkontakt pflegte. Außerdem wurde sie häufig von alten Bekannten besucht, mit denen sie sich durch das Gitter der Pforte des Karmel unterhalten konnte. Zwar schreib sie auch regelmäßig an ihre Mutter, doch erhielt sie keine Antwort. Wie ihre Schwester Rose später berichten sollte, hatte sich die Mutter noch immer nicht damit abgefunden, daß ihre Lieblingstochter sie in Richtung der Christenheit und des Karmels verlassen hatte.

1936 starb ihre Mutter Auguste Stein in Breslau mit 84 Jahren. Der Schmerz saß bei Edith Stein tief, gerade weil sie wußte, was sie der Mutter mit der Konversation angetan hatte.34 Im Dezember 1936 trat auch Ediths Schweser Rosa Stein in den Kölner Karmel ein.

Mittlerweile hatte Sr. Benedicta wieder begonnen, wissenschaftlich zu arbei- ten. Im Kölner Karmel vollendete sie ihr Lebenswerk „Endliches und Ewiges Sein - Versuch eines Aufsteiges zum Sinn des Seins“. Andere Werke waren die endgültige Fassung ihrer Übersetzung „De veritate“ des Thomas von Aquin und der Bericht über ihr eigenes Leben unter dem Titel „Aus dem Leben einer jüdischen Familie“.

1938 legte Sr. Benedicta ihre ewige Profeß ab. Als am Ende des Jahres der Judenprogrom stattfand, beschloß sie, den Karmel in Köln zu verlassen, um den Nationalsozialisten keinen Vorwand zu geben, das Kloster aufzulösen. Sie floh in der Silvesternacht, am 31.12.1938 mit der Hilfe eines dem Kloster befreunde- ten Arztes, über die holländische Grenze in das Karmelitinnen-Kloster von Echt. Im Sommer 1940 folgte ihr ihre Schwester Ro- sa. Zwar waren sie und der Karmel in Köln auf diese Weise vorerst dem Schicksal entgangen, doch überrannten 1940 die nationalsozialistischen deutschen Truppen die niederländische Grenze.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7 - Rosa Stein

In Echt lebte Sr. Benedicta sehr zurückge- zogen. In Vorahnung auf ihr Schicksal schrieb sie 1939 ihr Testament, welches sie mit folgenden Worten beendete:

„ Schon jetzt nehme ich den Tod, den Gott mir zugedacht hat, in vollkomme ner Unterwerfung unter seinen heiligsten Willen mit Freuden entgegen. Ich bit te den Herrn, daßer mein Leben und mein Sterben annehmen möchte zu sei ner Ehre und Verherrlichung. “ 35

Sie widmete sich hier ihrem letzten großen Werk, einer Biographie des hl. Jo- hannes vom Kreuz, der mit der hl. Theresia von Avila den Orden der unbe- schuhten Karmeliter OCD gegründet hatte. Dieses Werk schreib sie unter dem Titel „Kreuzeswissenschaft“, konnte es jedoch nicht vollenden. Nachdem die niederländischen Bischöfe ein offizielles Protestschreiben gegen die Judenverfolgung verlesen hatten, suchte die Gestapo als Vergeltung auch nach den getauften Juden, zu denen auch Edith und Rosa Stein gehör- ten.

Am 2. August erschien die Gestapo an der Pforte des Echter Karmels und vermeldete, daß sich Edith und Rosa Stein innerhalb fünf Minuten zu stellen hätten. Daraufhin macht Sr. Benedicta ihre wohl prägendste Aussage zu ihrer Schwester: „ Komm, wir gehen für unser Volk “ 36.

Die beiden Schwestern werden nach Westerbork transportiert und am 7.8.1942 nach Ausschwitz verschleppt. Dort finden sie am 9.8. 1942 37 den Tod - mit großer Wahrscheinlichkeit in der Gaskammer.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8 - Das Konzentrationslager in Ausschwitz-Birkenau

2.3. Die Heiligsprechung Edith Steins

2.3.1. Über Heiligsprechungen und das Heiligsprechungsverfahren

Begrifflich bedeutet Heiligsprechung (auch Kanonisation) die feierliche Wür- digung des Papstes über das Leben von Dienern und Dienerinnen Gottes, die dem Vorbild Christi besonders gefolgt sind. Die Heiligsprechung ist heute aus- schließlich den Papst vorbehalten; eine Heiligsprechung durch Bischöfe, wie es in der Geschichte vereinzelt vorkam, ist nicht mehr zulässig. Die erste Heilig- sprechung fand 993 statt, seitdem setzen sich vor allem die Glaubensgemein- schaften und Orden dafür ein, daß ihre Ordensgründer oder Vorbilder zur Hei- ligsprechung gelangen.

Biographische Voraussetzungen können dadurch gegeben sein, daß die Person den Tod des Märtyrers fand oder ein hervorragendes Zeugnis für das Himmelreich abgelegt hat.38 Der oder die Heiliggesprochene wird aufgenommen in das Verzeichnis der Heiligen (canon). Eine Heiligsprechung gilt als endgültig und unfehlbar und bedarf deshalb vorher einer gründlichen Prüfung. Hierfür hat der Vatikan ein eigenes Gremium konstituiert, welches die Voraussetzungen für eine Heiligsprechung prüft.

Um heilig gesprochen zu werden, muß entweder bereit s eine Seligsprechung vollzogen sein, oder die Person muß seit Langem öffentlich verehrt worden sein. Heutzutage gilt aber die Seligsprechung als Voraussetzung. Für die Heilig- sprechung muß der Nachweis eines Wunders erbracht werden, das nach der Seligsprechung durch die Selige bzw. den Seligen geschehen ist. Der Ablauf der Zeremonie einer Heiligsprechung ist liturgisch genau definiert: Sie besteht aus der förmlichen Bitte des Antragstellers der Heiligsprechung, der Allerheiligenlitanei, dem Psalm Miserere, dem Hymnus Veni Creator und der abschließenden Kanonisationsformel des Papstes. Findet die Heiligspre- chung im Rahmen einer Messe statt, so beginnt diese mit dem Kanonisations- akt, der eigentlichen Heiligsprechung. Die folgende Predigt bezieht sich auf die neue Heilige bzw. den neuen Heiligen. Hinzu kommt ein Opfergang vor der Gabenbereitung; hier werden dem Heiligen Vater Geschenke gemacht, die mit dem Leben des bzw. der neuen Heiligen verbunden sind. Der Sinn und die Intention von Heiligsprechungen ist Folgender: Durch die Heiligsprechungen will die Kirche die Gläubigen bestärken, indem sie ihnen mit den Heiligen Vorbilder für das Leben mit Christus gibt.

2.3.2. Die Begründung der Heiligsprechung Edith Steins

Edith Stein gilt als großes Vorbild für die heutigen Karmelitinnen-Schwestern. Sie starb den Märtyrertod und ist ein exzellentes Beispiel für eine konvertierte Christin. Auf Grundlage dieser Überlegungen scheint die Heiligsprechung plausibel.

Da sie mehrere Jahre in Köln gelebt hatte, war es Kardinal Frings von Köln, der auf das Drängen einzelner Glaubensgemeinschaften, wie dem Karmel oder diversen Edith-Stein-Stiftungen, die Kongregation für Heiligsprechungen in Rom bat, ein Verfahren aufzunehmen, welches die Eignung Edith Steins als Heilige prüfen sollte. Nach der Einverständniserklärung des Vatikans wurde ein Kölner Priester beauftragt, sämtliche Unterlagen, Zeugnisse und Schriften Edith Steins zu sammeln. Er sollte so prüfen, „ ob die Karmelitin Glaube, Hoffnung und Liebe, dazu die Kardinaltugenden Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Ma ßüber das normale Maßhinaus gelebt habe “ 39. Die Sammlung dauerte zehn Jahre und umfaßte mehr als 2.000 Seiten, die schließlich zur Sichtung und Prüfung nach Rom geschickt wurden.

1978 erfolgte von der vatikanischen Heiligsprechungs-Kongregation die Bestätigung, daß die Schriften Edith Steins konform seien zum katholischen Glauben. Edith Stein erfüllte nach Meinung der Kongregation ebenso das Kriterium der Märtyrerin, wie auch das Kriterium der heroischen Tugenden, die für eine Heiligsprechung gegeben sein müssen (siehe 2.3.1.).

Papst Johannes Paul II ordnete 1987 die Seligsprechung Edith Steins an und begab sich hierfür am 1.5. 1987 nach Köln, wo er im Müngersdorfer Stadion die Seligsprechung in einer feierlichen heiligen Messe vollzog. Die Regeln der Heiligsprechung verlangen jedoch noch nach einem Wunder, welches nach der Seligsprechung durch die Selige geschehen sein mußte. Dieses Wunder geschah in den USA. „Ein schwer vergiftetes Kind wurde gesund, nachdem die Eltern die Selige intensiv, vertrauensvoll und beständig angerufen hatten“40. Eine amerikanische Ärztekommission, die den Fall untersuchte, kam zu dem Ergebnis, „daß eine extra-medikale Heilung vorläge, die nicht auf ärztliche Kunst zurückzuführen sei“41.

Dieses Ergebnis wurde von Medizinprofessoren römischer Universitäten best ä- tigt. Die Heiligsprechungskongregation im Vatikan beschloß 1997, daß dies den Tatbestand eines Wunders erfüllte, so daß die Heiligsprechung in die Wege geleitet werden konnte. Der Leiter der Kongregation überbrachte daher dem Heiligen Vater die Bitte um die Heiligsprechung Edith Steins. Nachdem der Papst Rücksprache mit den in Rom lebenden Kardinälen gehalten und deren Zusage eingeholt hatte, obwohl er allein über eine Heiligsprechung entscheidet, verkündete Papst Johannes Paul II. die Heiligsprechung der Jüdin Edith Stein für den 11.10.1998.

2.3.3. Die Heiligsprechung Edith Steins als Augenzeugenbericht

Im Rahmen der Heiligsprechung Edith Steins veranstaltete42 das katholische Fe- rienwerk Köln mit der Jugendseelsorge-Abteilung des Erzbistums Köln vom 5.10. bis zum 12.10. eine Rom-Wallfahrt für Ministranten unter dem Motto „ Von St.Peter nach St.Peter “ 43, an der ich zusammen mit ca. 1.400 anderen Minist- ranten teilnahm. Während dieser Woche gab es neben Sehenswürdigkeitstou- ren und aktiver Freizeitgestaltung viele Handreichungen, die die Ministranten mit dem Leben Edith Steins vertraut machen sollten. So feierten wir nach der Ankunft mit dem Diözesanjugendseelsorger Ulrich Hennes ein heilige Messe im Petersdom. Wie alle anderen Messen in dieser Woche, dann in kleineren Kirchen oder Kapellen, war auch diese thematisch mit Edith Stein beschäftigt, so daß die Ministranten eine gute Vorbereitung auf die Heiligsprechung, den Höhepunkt der Wallfahrt hatten.

Die gesamte Ministrantengruppe war unter der Woche eingeladen zur wö- chentlichen Papstaudienz auf dem Petersplatz, bei der der Papst die zahlrei- chen angemeldeten Pilgergruppen, die zur Heiligsprechung nach Rom ge- kommen waren, einzeln in der jeweiligen Landessprache begrüßte. Der Papst äußerte sich sehr erfreut über die Anwesenheit der 1.400 Ministranten aus Köln und sagte, daß diese ein gutes Zeichen einer starken Gemeinschaft junger Christen seien.

Doch nicht nur die Pilgergruppen bereiteten sich in der Vorwoche auf die Heiligsprechung vor: In ganz Rom fand man Souvenirstände, die neben den üblichen Heiligenanhängern und Bildern der Sehenswürdigkeiten auch Requisiten feilboten, die speziell auf Edith Stein bezogen waren, wie zum Beispiel Anhänger, Poster, Kalender oder Bildbände ihres Lebens.

Zwei Tage vor der Heiligsprechung erhielt ich durch die Hausleitung die Nach- richt, daß man mich ausgewählt hatte, am Opfergang der Heiligsprechungs- zeremonie teilzunehmen, um dem Heiligen Vater das Geschenk der Erzdiöze- se Köln zu überreichen. Es dauerte einige Zeit bis ich realisiert hatte, daß ich dem Papst, dem Oberhaupt der katholischen Kirche, dem höchsten Vertreter meines Glaubens gegenübertreten und sogar einige Worte mit ihm wechseln sollte. Von diesem Moment an, bereitete ich mich mental sehr bewußt auf die sonntägliche Heiligsprechung vor.

Als schließlich der Tag der Zeremonie gekommen war, befanden sich unüber- schaubare Menschenmassen auf den Straßen Roms. Zwischen Ottaviano, der einzigen U-bahn-Station die zum Vatikan führt, und dem Petersplatz herrschte riesiges Gedränge. Die angemeldeten Pilgergruppen, die Platzkarten für die Zeremonie erhalten hatten, wurden von Sicherheitskräften, die zur Sicherheit des heiligen Vaters die Gäste streng durchsuchten, zu ihren Sitzplätzen gelei- tet. Tausende weitere Gäste standen auf dem Vorplatz. Die große Schar der Kölner Ministranten, die sich allesamt in ihren feierlichen MeßdienerGewändern präsentierten, hatte auf dem Kolonnaden Platz genommen.

Unter dem Balkon des Petersdomes, von dem aus der Papst zu Ostern den Segen „Urbi et Orbi“ spendet, war ein großes Porträt Edith Steins angebracht. Vor dem Haupteingang des Petersdomes war ein großer Himmel aufgebaut, unter dem der Altar und der Heilige Stuhl stand.

Da ich Teilnehmer der Opferganges, sogenannter „Offerente“, war, hatte ich einen Platz nahe dem Altar. Um mich herum waren die anderen Opfergän- ger, einige Ordensfrauen und zahlreiche Geistliche in ihren liturgischen Ge- wändern versammelt. Durch diesen Platz nahe dem Altar, hatte ich die Mög- lichkeit die Feierlichkeit genau zu beobachten und aktiv an ihr teilzunehmen, was den vielen Gästen auf dem Vorplatz des Petersdomes vorenthalten blieb, da diese die Feierlichkeit nur aus großer Entfernung mitverfolgen konnten.

Der Beginn der Feierlichkeit war kurzfristig von 10.00 Uhr auf 9.30 Uhr vorverlegt worden, doch aufgrund der immer weiter auf den Petersplatz strömenden Menschenmassen, verzögerte sich der Beginn der Messe bis ca. 9.45 Uhr. Obwohl es während der gesamten Vorwoche regnerisches Wetter gegeben hatte, herrschten an diesem Sonntag sehr milde Temperaturen und die Sonne lachte über dem Petersplatz.

Gegen 9.30 Uhr regte sich aber unter dem Publikum ein erster Applaus: Der zu diesem Zeitpunkt noch amtierende deutsche Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl schritt über den Vorplatz zu den Ehrenplätzen neben dem Altar. Das Publikum stand auf und spendete dem Bundeskanzler, der nur wenige Tage zuvor die Wahl zum deutschen Bundestag verloren hatte, einen würdigenden Applaus, den Dr. Kohl mit sichtlicher Rührung zur Kenntnis nahm.

Ungleich größer war jedoch der Jubel, als der Heilige Vater, Papst Johannes Paul II. in der Pforte des Petersdomes erschien und langsam dem Heiligen Stuhl entgegenschritt, immer wieder anhaltend, das anwesende Volk begrüßend und den Segen Gottes spendend. Tatsächlich war es auch für mich ein Moment hoher Freude, den Papst, den höchsten Stellvertreter Gottes auf Erden, in königlichem Gewand, aus der Nähe zu sehen.

Obwohl die Zeichen seines Alters und seiner Krankheit nicht zu übersehen wa- ren, strahlte er große Freude aus; er machte den Anschein, als ob er die ca. 30.000 auf dem Petersplatz befindlichen Gäste einzeln begrüßen wollte.

Die Messe wurde auf Latein gehalten; den Gästen wurde ein umfangreiches Programm angeboten, in dem die Messe auf Deutsch, Italienisch und Englisch übersetzt wurde.

Der Papst sprach zu Beginn der Messe und während der Kanonisation auf Lateinisch, die Aussagen sind bereits übersetzt.

Der Papst begrüßte die Menschen mit den Worten:

„ Liebe Schwestern und Brüder! An diesem Tag, der dem Herrn geweiht ist, singen wir mit Freude dem Gott unserer Väter: Der Bogen der Frevler ist zer- brochen, große Dinge hat der Herr für uns getan. Bei dieser Feier gedenken wir des Todes und der Auferst ehung unseres Herrn Jesus Christus. Dabei be- trachten wir das Zeugnis, das Edith Stein, Teresia Benedicta vom Kreuz, im Le- ben und im Tod abgelegt hat. Dankbar würdigen wir das Zeugnis dieser Toch- ter Israels und Tochter des Karmel und stellen es der heiligen katholischen Kir- che als Modell vor Augen. Freilich ist unser Herz von Trauerüberschattet, wenn wir uns an die Schrecken von Zerstörung und Tod erinnern, die so viele unserer Brüder und Schwestern, unschuldige Männer und Frauen, getroffen haben. Der Bogen der Frevler ist zerbrochen, das Leben ist stärker als der Tod: Daraus schöpfen wir Hoffnung, Trost und Erbarmen. “ 44

Nach dem Schuldbekenntnis folgte die Kanonisation. Hier trat der Vorsprecher der Kongregation für Heiligsprechungen vor den Heiligen Vater und bat diesem mit den folgenden Worten um die Heiligsprechung von Sr. Teresia Benedicta a Cruce Edith Stein: „ Heiliger Vater, die Kirche bittet Sie, kraft Ihrer Apostolischen Autorität die Selige Teresia Benedicta vom Kreuz Edith Stein in das Verzeichnis der Heiligen aufzunehmen, damit sie von allen Christen als Heilige angerufen werden kann. “ 45

Anschließend trug er eine kurze Biographie der zukünftigen Heiligen vor (0:00:30 bis 0:07:00)46.

Der Heilige Vater antwortete mit den vorgeschriebenen Worten der Heiligenli- tanei (0:07:42): „ Liebe Schwestern und Brüder, richten wir unsere Bitten durch Jesus Christus an Gott, den allmächtigen Vater. Die selige Jungfrau Maria und alle Heiligen sollen Fürsprache für uns einlegen, damit der Heilige Geist uns erleuchte und das Licht Christi in der Kirche ausstrahle, die die Herrlichkeit einiger ihrer Kinder vor allen Menschen verkündet. “ 47 Es folgte das Kyriegebet (0:08:22) und anschließend die Allerheiligenlitanei (0:08:42 bis 0:15:42).

Danach richtete der Papst das Gebet an den Herrn (0:16:13): „ Erhöre gnädig, Herr die Bitten Deines Volkes und erleuchte uns mit dem Licht Deines Geistes, damit unser Dienst Dir wohlgefalle und die Kirche auf ihrem Weg weiterführe. Durch Christus, unseren Herrn. “ 48 Nun sprach der Papst die Kanonisationsfor- mel und besiegelte damit die Heiligsprechung (0:17:20): „ Zu Ehren der allerhei- ligsten Dreifaltigkeit, zum Ruhm des katholischen Glaubens und zur Förderung des christlichen Lebens entscheiden wir nach reiflicher Ü berlegung und Anru- fung der göttlichen Hilfe, dem Rat vieler unserer Brüder folgend, kraft der Au- torität unseres Herrn Jesus Christus, der heiligen Apostel Petrus und Paulus und in der Vollmacht des unsübertragenen Amtes, daßdie selige Teresia Benedic- ta a Cruce Edith Stein eine Heilige ist. Wir nehmen sie in das Verzeichnis der Heiligen auf und bestimmen, daßsie in der gesamten Kirche als Heilige ver- ehrt wird. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. “ 49 Auf dem ganzen Platz brach nun lauter Jubel aus; die Heiligsprechung war damit vollbracht und der Chor stimmte ein Halleluja an.

Nach dem Lied bedankte sich der Vorsprecher der Heiligsprechungskongre- gation beim Heiligen Vater für die Durchführung der Heiligsprechung (0:22:00): „ Heiliger Vater, im Namen der Kirche danke ich Ihnen für die Durchführung der Heiligsprechung und bitte Sie, die Ausfertigung des Apostolischen Schrei- bens anzuordnen. “ 50 Darauf antwortet der Papst nur: „ Decernimus! “, was schlicht „Es soll geschehen“ bedeutet. Von diesem kurzen und doch königlichen Wort ging eine große Wirkung aus: Auf dem Petersplatz brach wiederum lauter Jubel und Applaus aus.

Mit dem nachfolgenden gesungenen Gloria (0:23:50) war die Heiligsprechung abgeschlossen.

Die heilige Messe nahm nun den in der Liturgie vorgesehen Lauf. Die erste Lesung (0:30:55) war aus dem Buch Esther (4,17), die Zweite (0:38:42)aus dem Galaterbrief (6,14-16).

Das Evangelium aus dem Johannesevangelium (4,19-24) wurde auf Lateinisch (0:43:43) und Griechisch (0:46:22) vorgetragen.

Die folgende Predigt51 (0:51:05) hielt der Papst selbst und zwar auf Italienisch und Deutsch. Er begrüßte die vielen angereisten Pilgergruppen und ganz be- sonders die Angehörigen der Familie Stein. Nahezu alle Willkommensgrüße wurden mit Applaus unterbrochen. Der Papst berichtete von Edith Stein kurz vor ihrem Tod und von der Bedeutung des Kreuzes für ihr Leben. Danach kam der Papst zurück auf das Leben Edith Steins und ermahnte mit den folgenden Worten an die Verbrechen des Nationalsozialismus: „Um Got - tes und der Menschen Willen, erhebe ich noch einmal tief betrübt meine Stimme und rufe: Ein solch verbrecherisches Tun darf sich nicht wiederholen - an keiner ethnischen Gruppe, an keinem Volk, an keiner Rasse, nirgendwo auf dieser Welt. [...] Wir alle müssen zusammen stehen - die Würde des Men- schen ist es wert.“52

Die Eucharistiefeier begann mit der für die Heiligsprechung typischen Gaben- prozession (1:19:40 bis 1:26:00). Insgesamt zwölf ausgesuchte Gläubige, Vertre- ter der deutschen Edith Stein Gesellschaft, der polnischen Edith Stein Stiftung, Karmelitinnen und Pilger aus Speyer und Köln, darunter ich, brachten dem Heiligen Vater Geschenke. Diese hatten entweder symbolischen Charakter, wie eine Weinrebe aus Bergzabern, Edith Steins Taufstätte, und Bildbände ü-ber ihr Leben von den Stiftungen, oder waren Utensilien für die Gabenberei- tung, wie Kelch oder Hostienschale. Der Papst wechselte mit jedem der Op- fergänger kurze Worte, segnete jeden einzelnen, ließ sich die Geschenke prä- sentieren und nahm diese dann symbolisch in Empfang. Das von mir über- brachte Geschenk des Erzbistums Köln war ein Kelch, welcher mit Mosaiken, die Stationen aus dem Leben Edith Steins darstellten, geschmückt war (1:24:20).

Die Messe wurde dann nach dem in der Liturgie festgelegten Ablauf fortge- setzt; zur Kommunion waren zahlreiche Priester damit beschäftigt, daß mög- lichst alle Anwesenden die Kommunion in Empfang nehmen konnten. Zum Schluß der Messe sprach der Papst den Segen über die Besucher, die sich nun wieder in alle Teile der Welt verstreuten, bestärkt dadurch, Augen- zeuge eines großen Geschehnisses des katholischen Glaubens gewesen zu sein.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9 - Der Opfergang der Heiligsprechung am 11.10.1998

3. Schlußwort

Mit dieser Arbeit sollte ein Einblick in das Leben dieser neuen Heiligen Edith Stein gegeben werden. Dennoch beinhaltet ihre Biographie einige weitere interessante Facetten, die aber aus Platzgründen in dieser Arbeit nicht be- rücksichtigt werden konnten. Die Möglichkeiten das Studium des Lebens der Edith Stein zu vertiefen sind einfach, da gerade aufgrund der Heiligsprechung zahlreiche Werke über Edith Stein erschienen sind. Auch für ihr Seligsprechung ist eine Großzahl an Material über ihr Leben veröffentlicht worden. Hierzu ist die Diözesanbibliothek im Maternushaus besonders geeignet, da hier nahezu sämtliche Texte und Schriften über Edith Stein erhältlich sind.

Durch die Schilderung der Heiligsprechung sollte sowohl ein Verständnis für die Heiligenverehrung gegeben werden, als auch ein Eindruck einer solchen Zeremonie vermittelt werden, was durch den Augenzeugenbericht besonders betont wird.

Diese feierliche Zeremonie der Heiligsprechung, mit dem Papst, dem höchsten Vertreter Gottes aus Erden, in Rom, dem Zentrum der katholischen Weltkirche, unterstreicht die Energie, die Stärke und die Überzeugung, die noch immer vom katholischen Glauben ausgeht. Gerade jetzt, an der Schwelle zu einem neuen Jahrtausend mit vielen ungewissen Faktoren, ist dies ein Zeichen, welches hoffnungsvoll in die Zukunft blicken läßt.

Erklärung

Hiermit erkläre ich, daß ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne fremde Hilfe verfaßt und keine anderen als die im Literaturverzeichnis angegebenen Hilfsmittel verwendet habe.

Insbesondere versichere ich, daß ich alle wörtlich und sinngemäßen Übernahmen aus anderen Werken als solche kenntlich gemacht habe.

Quellennachweis

- Waltraud Herbstrith (Herausgeberin):

Edith Stein - Ein neues Lebensbild in Zeugnissen und Selbstzeugnissen Herderbücherei, Freiburg i.Br., 1983

- Waltraud Herbstrith (Herausgeberin):

Edith Stein - Eine große Glaubenszeugin Verlag Thomas Plöger, Annweiler, 1987

- Elisabet h Endres:

Edith Stein - Christliche Philosophin und jüdische Märtyrerin Piper Verlag, München, 1987

- Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz Edith Stein zur Heiligsprechung

Eigenverlag, 1998

- Lexikon für Theologie und Kirchenlehre Herderverlag, Freiburg i.Br., 1965

- Meyers großes Taschenlexikon in 24 Bänden B.-I .-Taschenbuchverlag, Mannheim 1998

- Diözesanjugendseelsorger Ulrich Hennes

KURSIV-Zeitschrift 3/98 - Jugendseelsorge im Erzbistum Köln Eigenverlag, 1998

- Ferdinand Schlickel Edith Stein

Verlag Schnell & Steiner, München 1987

- Edith Stein

Wie ich in den Kölner Karmel

Echter Verlag, Würzburg, 1994

- „Crocifissione“, Ordo Missae di Konrad von Rennenberg & Biblioteca Dio-

cesana di Köln

„Canonizzazione Della Beata Teresa Benedetta Della Croce Edith Stein“ (Programm der Heiligsprechungszeremonie)

Tipgraphia Vaticana, Vatikan, 1998

Bildnachweis

- Das Titelbild sowie sämtliche in der Arbeit gezeigten Abbildungen, außer Abbildungen 7 und 9, sind entnommen aus: Ferdinand Schlickel, Edith Stein, Verlag Schnell & Steiner, München, 1987.

- Abbildung 7

Edith Stein: „Wie ich in den Kölner Karmel kam“, Echter Verlag, Würzburg, 1994.

- Abbildung 9

L’Osservatore Romano, 11.10.1998

Anlage

- Eine Videokassette im VHS-Format. Sie beinhaltet die Aufzeichnung der Heiligsprechung aus der ARD unter dem Titel „Erinnerung für alle Zeit“, ge- sendet am 11.10.1998. Die Standangaben im Text beziehen sich auf nume- rische Zählwerke (h.mm.ss)

[...]


1 Vgl. Friedrich Kardinal Wetter: „Edith Stein- Zur Wahrheit berufen“, Pressereferat der Erzdiözese München und Freising, München, 1984, S. 3

2 zitiert nach Waltraud Herbstrith: „Edith Stein. Ein neues Lebensbild in Zeugnissen und Selbstzeugnissen“, Herderbücherei, Freiburg i.Br., 1983, S. 18

3 zitiert nach Waltraud Herbstrith, a.a.O., S. 23

4 ebd. S. 24

5 Ferdinand Schlickel: „Edith Stein“, Verlag Schnell & Steiner, München, 1987

6 Crocifissione, „Canonizzazione della Beate Teresa Benedetta della Croce Edith Stein“ (offizielles Programm der Heiligsprechungszeremonie), Tipografia Vaticana, Vatikan, 1998, S. 8

7 zitiert nach Waltraud Herbstrith, a.a.O., S. 30

8 Friedrich Kardinal Wetter, a.a.O., S.8

9 zitiert nach ebd. S. 9

10 zitiert nach Waltraud Herbstrith, a.a.O., S. 31.

11 siehe 2.2.2.

12 Waltraud Herbstrith, a.a.O., S. 33.

13 Friedrich Kardinal Wetter, a.a.O., S. 13

14 Friedrich Kardinal Wetter, a.a.O., S. 14

15 Waltraud Herbstrith, a.a.O., S. 37.

16 Crocifissione, a.a.O., S. 11

17 Der Karmel: (hebr.: Der Baumgarten) ist ein etwa 35 km langer Gebirgsrücken aus Kreidekalk in Nord-Israel, 546 m ü. M. Galt als Kultstätte vieler Glaubensgemeinschaften. In den Karmel-Höhlen wurden Stücke von Neandertalerskelette gefunden.

18 Lexikon für Theologie und Kirchenlehre, Band 5, Verlag Herder, Freiburg i.Br., 1965, S.1367

19 siehe 2.2.2.

20 Lexikon für Theologie und Kirche, Band 10, a.a.O. S. 98,

21 ebd. S. 98

22 Lexikon für Theologie und Kirche, a.a.O., S. 98 u. 99

23 Vgl. ebd. S. 101

24 ebd. S. 99

25 Vgl. Edith Stein: „Wie ich in den Kölner Karmel kam“, Echter Verlag, Würzburg, 1994, S. 20

26 Edith Stein, a.a.O., S.20

27 Crocifissione, a.a.O., S.12

28 Ferdinand Schlickel, a.a.O., S. 20

29 Postulantin: lat. postulatum: die Forderung

30 Ferdinand Schlickel, a.a.O., S. 20

31 Vgl. Friedrich Kardinal Wetter, a.a.O. S.21

32 mit der ersten Profeß verpflichtet man sich zu drei Jahren in dem jeweiligen Kloster

33 zitiert nach Friedrich Kardinal Wetter, a.a.O., S. 22

34 Vgl. Ferdinand Schlickel, a.a.O., S. 23

35 zitiert nach: Waltraud Herbstrith, a.a.O., S. 58

36 zitiert nach: Friedrich Kardinal Wetter, a.a.O., S. 26

37 zwar gaben die Unterlagen keinen genauen Aufschluß über den Tod der Schwestern, doch daß sie am 9.8.1942 den Tod fanden, gilt als sicher.

38 Vgl. Lexikon für Theologie und Kirche, Band 5, a.a.O., S. 142

39 Prälat Dr. Helmut Moll, „Wie wird man heilig“, in KURSIV, Jugendseelsorge-Zeitschrift des Erzbistums Köln, Ausgabe 3/98, Eigenverlag, S. 3

40 ebd. S. 3

41 ebd. S. 3

42 Dieser Augenzeugenbericht soll gestützt werden durch die Fernsehübertragung der Heiligsprechung „Erinne- rung für alle Zeit“, die um 10:00 Uhr begann. Hierfür kann die als Anlage beigefügte Videokassette genutzt werden.

43 sowohl der Kölner Dom als auch der Petersdom in Rom sind auf St. Peter geweiht.

44 Crocifissione, a.a.O., S. 110

45 ebd., S. 116

46 an dieser Stelle begann die Übertragung im deutschen Fernsehen. Die Zahlen in Klammern (h.mm.ss) geben die Stelle auf der Videokassette der Anlage an.

47 Crocifissione, a.a.O., S. 116

48 ebd., S. 122

49 ebd., S. 122-124

50 ebd., S. 126

51 Der genaue Wortlaut der Predigt ist der Videokassette zu entnehmen

52 Vgl. Videokassette „Erinnerung für alle Zeit: 1.00.30 bis 1.01.54

Ende der Leseprobe aus 35 Seiten

Details

Titel
Das Leben der Edith Stein
Note
13 Punkte
Autor
Jahr
1999
Seiten
35
Katalognummer
V96093
ISBN (eBook)
9783638087704
Dateigröße
1082 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Leben, Edith, Stein
Arbeit zitieren
Jens Schäfer (Autor:in), 1999, Das Leben der Edith Stein, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96093

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