Sollte § 251 II S. 1 BGB neu gefaßt werden?


Hausarbeit, 1999

11 Seiten, Note: 14 Punkte


Leseprobe


I. Einleitung

*Die nachstehende Arbeit will versuchen anhand von Fällen die sich mit § 251 II S.1 ergebenden grundlegenden Problematiken durch juristische Argumentation auf bestehender Rechtsgrundlage einer geeignet erscheinenden Lösung zuzuführen. Basis für die Erörterung der Notwendigkeit einer Gesetzesänderung ist, daß wirklicher Änderungsbedarf an bestehenden Rechtsnormen nur unter Ausschöpfung des vorher zur Verfügung stehenden Mittels der Norminterpretation oder bei schweren Fehlregelungen attestiert werden sollte.

II. Bedeutung des § 251 II S.1 für das Schadensersatzrecht

Wer Schadensersatz geltend macht, wird wegen Art und Umfang seines Ausgleichsanspruches auf die Vorschriften der §§ 249 ff. verwiesen. Das Gesetz stellt dort zwei Ausgleichsmodi zur Verfügung: Wiederherstellung des Zustandes, der ohne das schädigende Ereignis bestünde (Naturalrestitution, § 249 S. 1 u. S. 2) und - soweit Restitution nicht möglich, nicht ausreichend oder aber unverhältnismäßig ist - Entschädigung in Geld (Vermögenskompensation, § 251 I und § 251 II S.1).

Die Unterscheidung zwischen Naturalrestitution und Kompensation hat für die Beteiligten dann besondere Bedeutung, wenn von der Art der Schadensersatzleistung auch ihr Umfang abhängt. Es stellt sich somit zunächst allgemein die Frage, ob der Ersatzpflichtige statt einer kostspieligen Naturalrestitution auf eine Entschädigung in Geld ausweichen kann. Nach § 251 II S.1 soll er dies können, „wenn die Herstellung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist“. Diese für das Schadensersatzrecht bedeutsame „Opfergrenze“ ist in ihrem Verlauf jedoch vage.

Zur Verdeutlichung:

Der konkrete Schaden einer etwa zerstörten Sache kann entweder durch Wiederherstellung oder durch Ersatzbeschaffung einer gleichwertigen anderen Sache ausgeglichen werden. Hier wird das Vermögen des Geschädigten nicht nur seinem Wert nach, sondern auch seiner Zusammensetzung nach wiederhergestellt. Es wird also mit dem Integritätsinteresse auch das Wertinteresse ersetzt.

Der Schaden kann aber auch durch den Geldbetrag ersetzt werden, der sich aus der Differenz der Vermögenslagen vor und nach dem schädigenden Ereignis ergibt. Hierbei ist jedoch nicht mehr sichtbar, welche konkreten Vermögensgüter der Geschädigte eingebüßt hat. Diesen Vermögensschaden - also nur das Wertinteresse und nicht das Integritätsinteresse - gleicht § 251 II S.1 aus.

Das deutsche BGB geht - anders als die Länder des common law - vom Vorrang der Naturalrestitution aus. Der Ersatzpflichtige soll also nach § 249 S. 1 soviel reparieren oder (was er regelmäßig tun wird) soviel reparieren lassen bzw. nach § 249 S. 2 soviel bei Sach- und Personenschäden an den Ersatzpflichtigen zahlen, wie zur völligen Herstellung nötig ist. Denn wären die Herstellungskosten lediglich an die Höhe der Vermögensminderung gebunden, hätte der Geschädigte das geschädigte Gut auch immer gleichsam verkauft. Daher ist die Höhe der Integritätseinbuße für den Geschädigten, für den Ersatzpflichtigen gleichzeitig die Höhe der Belastung. § 251 II S. 1 setzt diesen Grundsatz jedoch zu Gunsten des Ersatzpflichtigen außer Kraft. Die „Unverhältnismäßigkeit“ des § 251 II S. 1 entspricht daher dem Interesse des Ersatzpflichtigen an einer Begrenzung seiner Belastung im Verhältnis zum Integritätsinteresse des Geschädigten.

Infolgedessen ist zu untersuchen, wie die Interessen der Akteure gegeneinander zu bewerten sind.

III. Problembereiche des § 251 II S. 1

Folgende Fallkonstellationen scheinen im Zusammenhang mit der Bewertung der unterschiedlichen Interessen denkbar:

(1) A verschuldete den Untergang des Segelbootes des B. B ließ es bergen. Wegen technischer Schwierigkeiten kostete das aber 50.000 DM; inklusive Reparatur 60.000 DM. A will nur den Wert des Bootes vor dem Unfall, also 20.000 DM zahlen.
(2) C verschmutzte den Teppich des D. D ließ den Teppich reinigen. Dies gelang jedoch nicht mehr. D verlangte daher von C den Wert des Teppichs, sowie die Kosten für die mißglückte Reinigung
(3) Durch die Schuld des E wird die nagelneue Uhr des F beschädigt. F ließ die Uhr für 1000 DM reparieren. E will aber nur den Wert der Uhr von 100 DM zahlen. Abwandlung:Die Uhr ist alt und wertlos, aber traditionelles Familienerbstück.
(4) G verschuldete einen Unfall, bei dem der Rentner H die Funktionsfähigkeit seiner Beine verlor. Durch eine sehr teure Operation - mit nur geringen Erfolgsaussichten - könnte H vielleicht wieder gesund werden.
(5) In einem Bericht in einer Illustrierten des Verlages I, wird J schwer beleidigt. Nach Druck, jedoch vor Erscheinen der Illustrierten erfährt J hiervon. Mit einer einstweiligen Verfügung will J die Verbreitung stoppen. Der Verlag rechnet sich aus, daß ein Neudruck 100.000 DM, die Zahlung eines Schmerzensgeldes hier aber nur - nach entwickelter Rechtsprechung - 10.000 DM kosten würde.

In allen diesen Fällen ist Herstellung immer teurer als Entschädigung in Geld. Kann der Ersatzpflichtige unter Anwendung von § 251 II S. 1 auf Entschädigung ausweichen?

IV. Herstellungsaufwand und § 251 II S.1

Zu Fall (1): Hier hat der Geschädigte die Herstellung selbst durchgeführt, bevor der Ersatzpflichtige seine „Ersetzungsbefugnis“1(Kompensation statt Restitution) überhaupt ausüben konnte. Der Geschädigte kann solche von ihm selbst aufgewandten Kosten natürlich als Folgeschaden und somit Vermögensschaden gem. § 249 S. 2 ersetzt verlangen. In Fall (1) scheint aber diskutabel, ob überhaupt ein ersatzfähiger Folgeschaden vorliegt. Wenn nicht, könnte § 251 II S. 1 dem Ersatzpflichtigen A doch Hoffnung auf billigere Entschädigung geben.

Festzuhalten ist zunächst, daß B´s Vermögen tatsächlich gemindert wurde, da er die 60.000 DM aufwenden mußte. A muß auch nur den adäquten Schaden ersetzen. Der Schaden ist adäquat, wenn der durch A besorgte Untergang des Bootes, den B zur teuren Bergung und Reparatur veranlassen konnte. Da die erheblichen Mehrkosten für B nicht voraussehbar waren, war klar, daß B guten Gewissens sein Boot bergen lassen werde - daher adäquater Schaden bei B. A muß Schadensersatz leisten, ohne sich auf § 251 II S. 1 berufen zu können.

Hinzu kommt, daß B die Bergung ja auch von A hätte verlangen können, § 249 S. 1. Dieser hätte zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht auf die „Unverhältnismäßigkeit“ des § 251 II verweisen können, da die Unwirtschaftlichkeit der Bergung nicht absehbar war. B hätte die Kosten somit auch selbst tragen müssen.

Im Fall der Herstellung nach § 249 S. 1 hat also der Ersatzpflichtige das Risiko zu tragen, daß die Herstellungskosten unvorhergesehen unverhältnismäßig höher sind. Dies gilt klar auch für § 249 S. 2: Bei S. 2 soll der Geschädigte nämlich nur nicht gezwungen sein, dem Ersatzpflichtigen Gesundheit oder Sachen zur Herstellung anvertrauen zu müssen. Das Prognoserisiko trägt der Ersatzpflichtige.2 Vorhersehbar unnützer Aufwand ist mithin kein adäquater Schaden und falls doch geltend gemacht, durch Anwendung des § 254 II zu versagen oder aber zu begrenzen.

§ 251 II S. 1 ist daher nicht in Gefahr unterlaufen zu werden.

Ähnlich gestrickt ist Fall (2). Der Geschädigte geht den Weg über § 249 S.2 und hinterher erweist sich der Aufwand als nutzlos. Hier ist zu klären, ob der getätigte Aufwand überhaupt „erforderlich“ i. S. des § 249 S. 2 ist. Aber wiederum ist zu beachten, das die Nutzlosigkeit der Aufwendungen unvorhersehbar war. Und erneut ist zu argumentieren, daß der Ersatzpflichtige bei Herstellung nach § 249 S.1 auch das Risiko nutzloser oder höherer Aufwendungen hätte tragen müssen. Das dies bei § 249 S.2 nun nicht mehr gelten sollte, ist nicht ersichtlich. Der Ersatzpflichtige kann daher nicht über § 251 II S. 1 gehen und sich darauf berufen, der unvorhersehbar nutzlose Herstellungsaufwand sei kein Vermögensschaden. Und bei Vorhersehbarkeit greift ohnehin wiederum § 254 II.

In Fall (2) kann daher nach § 249 S. 2 und wegen Unmöglichkeit der Herstellung nach § 251 I 1. Alt. gleichzeitig Restitution und Kompensation verlangt werden. Dieses Ergebnis überzeugt.

V. Affektionsinteresse und § 251 II S. 1

Anders als in Fall (1) ist in Fall (3) von vornherein klar, daß der Herstellungsaufwand den Wert der beschädigten Sache weit überragen wird.

Das Problem ist hier, daß Naturalrestitution bei vertretbaren Sachen i. S des § 91 - also bei der neuen Uhr des F - auch durch Ersatzbeschaffung möglich ist3(meiner Einschätzung nach nur bei solchen und daher entgegen dem BGH4, keinesfalls bei älteren Gebrauchtwagen). Bei der Möglichkeit der Ersatzbeschaffung als Form von Restitution ist § 251 II S. 1 also nicht anwendbar, solange die Ersatzbeschaffung selbst nicht unverhältnismäßig teuer ist.

Die Armbanduhr in Fall (3) ist neu, also eine vertretbare Sache. E könnte sich darauf beschränken eine gleichwertige Uhr an F zu liefern. Die Kosten für die Reparatur müßte er nicht ersetzen, weil die Reparatur nur eine von zwei Formen der Naturalrestitution darstellt und daher ohne weiteres abwählbar ist.

Kann E, wie in der Abwandlung des Falles nicht auf die billigere Ersatzlieferung ausweichen, weil die Armbanduhr keine vertretbare Sache ist, weil etwa antiquiert, fragt sich wie das Integritätsinteresse des F gegenüber dem Interesse des E an möglichst schonender Inanspruchnahme abzuwägen ist. Absolut gesehen, sind 1000 DM Reparaturaufwand zu 100 DM Vermögenswert als Verhältnis zehn zu eins ohne Frage unverhältnismäßig. § 251 II S. 1 würde Anwendung finden.

Sollte jedoch ein Affektionsinteresse des D, etwa weil die Uhr uraltes Familienerbstück ist, im Raum stehen, wäre erneut zu klären.

Teilweise wird vertreten, Affektionsinteressen an der Herstellung seien bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung des § 251 II S. 1 außer acht zu lassen und nur Vermögensinteressen zu beachten.5 Nach zutreffender h. M. meint man, das Affektionsinteresse doch berücksichtigen zu müssen.6 Unterstellt man, die uralte Uhr habe gar keinen Vermögenswert mehr und ein Affektionsinteresse wird nicht zugelassen, ist jede Reparaturaufwendung i. S. von § 251 II S. 1 schon unverhältnismäßig. Folglich wären wertlose Güter nicht mehr schadensrechtlich geschützt, da § 251 II S. 1 jede Herstellung verhindern würde. Dieses Ergebnis ist wohl kaum hinnehmbar und würde § 249 zuwiderlaufen, nach dem unstreitig auch Herstellung von Gütern geschuldet wird, an denen rein immaterielles Interesse besteht.7

Da Affektionsinteressen, wie herausgearbeitet wurde, zu berücksichtigen sind, stellt sich das Problem, wie diese mit dem in Geld gemessenen Herstellungsaufwand zu vergleichen sind. Wohl am besten dadurch, sie ebenfalls in Geld umzurechnen. Dem widerspricht jedoch der Sinngehalt des § 253, nach dem nur die wenigen gesetzlich anerkannten immateriellen Interessen in Geld zu bewerten sind. § 251 II S. 1 ist aber hier der Vorrang zu geben: Schon allein um überhaupt die Möglichkeit zu haben Affektionsinteressen bewerten zu können, da diese nach Treu und Glauben des § 242, dessen Ausprägung § 251 II S. 1 ist, ja auch irgendeine Grenze für den ersatzfähigen Herstellungsaufwand haben müssen. Für Fall (3) bedeutet das, die 1000 DM Herstellungsaufwand können unter Berücksichtigung des Affektionsinteresses des D grundsätzlich verhältnismäßig sein.

In Fall (4) könnte man annehmen, diese Schwierigkeit werde bereits dadurch vorweggenommen (unterstellt man, es gäbe keine materiellen Nachteile für H), indem das immaterielle Interesse des H an der Funktionsfähigkeit seiner Beine bereits durch das Schmerzensgeld des § 847 I S. 1 gemessen wurde.

Fraglich ist aber, ob dies der richtige Maßstab für immaterielle Interessen unter § 251 II S.1 sein kann, da Schmerzensgeld als „billige Entschädigung in Geld“ auch Genugtuungsfunktion für den Geschädigten gegenüber dem Ersatzpflichtigen haben soll, was für die Motivation am Integritätsinteresse des Geschädigten völlig irrelevant ist. Durch z. B. den Verschuldensgrad des Ersatzpflichtigen oder dessen Vermögensverhältnisse wird das Herstellungsinteresse auf Seiten des Geschädigten nicht verändert. Sowieso ist Schmerzensgeld hier ungeeignet, da Spätschäden meist nicht absehbar und daher noch nicht meßbar sind, was nicht im Sinne vollen Schadensausgleichs wäre. Daher kann der Herstellungsaufwand auch ersatzfähig sein, wenn er weit über dem Schmerzensgeld liegt. Für Fall (4) heißt das die Operationskosten sind nicht durch § 251 II S. 1 zu begrenzen.

VI. Analogie und § 251 II S.1

In Fall (5) ist die Unterlassung der Verbreitung der Illustrierten durch den Verlag I unverhältnismäßig höher, als die Unterlassung der Schädigung durch Persönlichkeitsverletzung an J. Ein Fall für § 251 II S. 1?

Hier ist nicht die Situation nach einem Schadenseintritt gegeben, die von den §§ 249 ff. erfaßt würde, sondern die unmittelbar vor einem Schadenseintritt. Es geht also um die analoge Anwendung von § 251 II S. 1 auf nicht gegen Schadensersatz gerichtete dingliche Ansprüche. Die h. M. befürwortet dies.8Dem ist aber nicht zu folgen.9 Die Anwendung des § 251 II auf die negatorischen Ansprüche würde bedeuten, man darf in fremde Rechte zwar nicht eingreifen, wenn aber doch, würde dieser Zustand vom Störer solange erhalten bleiben, solange das Interesse des Störers an der Fortdauer noch größer ist, als das Interesse des Beeinträchtigten. Jeder Störer könnte auf Kosten des Beeinträchtigten zu seinem eigenen Nutzen agieren. Das wäre private Enteignung und daher unhaltbar.

In Fall (5) kann J daher vom Verlag I ohne Rücksicht auf die entstehenden Kosten die Unterlassung der Verbreitung verlangen.

Als Zwischenergebnis läßt sich damit festhalten:

a) Das Risiko unvorhergesehen höherer und nutzloser Aufwendungen trägt im Rahmen der Naturalrestitution der Ersatzpflichtige. Es bildet daher keine Grundlage für eine Anwendung des § 251 II S. 1.
b) Immaterielle Interessen des Geschädigten an der Herstellung werden durch § 251 II S. 1 berücksichtigt.
c) Das gem. § 847 berechnete Schmerzensgeld bildet keinen geeigneten Maßstab für die Abwägung nach § 251 II S. 1.
d) § 251 II S. 1 ist auch nicht analog auf negatorische Ansprüche anwendbar.

VII. Verhältnismäßigkeit und § 251 II S.1

Gänzlich ungeklärt ist bisher geblieben, wie der Maßstab an die Verhältnismäßigkeit zu setzen ist. Der Gesetzgeber hat es insofern versäumt, ausdrücklich den Bezugspunkt zu bestimmen, zu dem der Herstellungsaufwand ins Verhältnis zu setzen ist.10

Die Rechtsprechung trägt hier nur wenig zur Klärung bei: Einerseits sollen Herstellungskosten pauschal in Höhe bis zu 130 % des Wiederbeschaffungswertes ersatzfähig bleiben.11 Andererseits sei eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalles erforderlich, da kein allgemein gültiger Grenzwert bestimmbar sei.12 Am interessantesten ist bei solcher Rechtsprechung noch, daß der erste Fall nicht einmal als Anwendung des § 251 II S. 1 gesehen wurde, sondern die „Erforderlichkeit“ in § 249 S. 2 betraf. Im Schrifttum hält man die von § 251 II S. 1 geforderte Verhältnismäßigkeitsprüfung überwiegend für eine Einzelfallabwägung, der eine schematische Grenze an sich zuwiderlaufe.13 Trotzdem billigt man die von der Rechtsprechung entwickelten Prozentsätze aber letztlich doch, wohl um den massenhaft auftretenden Schadensphänomen heutiger Zeit gerecht werden zu können.14 Bei materiellen Interessen des Geschädigten an der Herstellung scheint ein Vergleich des Herstellungsaufwandes mit dem Vermögensschaden sinnvoll.15 Unverhältnismäßigkeit läge in solchen Fällen dann vor, wenn die Differenz so groß ist, daß das Beharren auf dem Herstellungsanspruch für einen wirtschaftlich denkenden Geschädigten unvertretbar wäre und deshalb gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstieße.16 Um eine möglichst hohe Rechtssicherheit zu erlangen, wäre eine pauschalisierende Anwendung von § 251 II S. 1 durchaus sinnvoll.

Bei vorwiegend immateriellen Interessen an der Herstellung ist eine Bewertung in Geld schwierig. Jedoch sollte hierbei der immaterielle vom materiellen Wert völlig unabhängig sein und keinen Prozentsatz des Wiederbeschaffungswertes bilden. Daher wird vorgeschlagen einen nach Fallgruppen gestaffelten Unverhältnismäßigkeitszuschlag zu ermitteln und ebenso in Fallgruppen die immateriellen Interessen festzuschreiben (z.B. gewerbliche Kfz., private Kfz., Oldtimer bzw. Dauer des Besitzes, Schenkung, Kauf). Dies bliebe dann Aufgabe entwickelter Rechtsprechung.

VIII. Ergebnis

In der Fassung des § 251 II treten zu den hier vertretenen Ansichten nun also folgende juristisch angreifbare Punkte hervor: Das Risiko des Ersatzpflichtigen unvorhersehbar hoher und nutzloser Aufwendungen ist nicht eindeutig festgeschrieben. Auch geht nicht zwingend hervor, daß immaterielle Interessen des Geschädigten an der Herstellung zu berücksichtigen sind. Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist auch nicht auf das hier vertretene Maß begrenzt. Insbesondere ist auch der Maßstab zur Unverhältnismäßigkeit nicht gesetzt.

Trotz allem ist aber - in Entsprechung zu den oben genannten Kriterien - kein Bedarf nach gesetzlicher Änderung des § 251 II festzustellen.

Frankfurt/Oder, im Juli 1999

[...]


1Grunsky, in: Müko, § 251 Rn. 15;Heinrichs, in:Palandt, § 251 Rn.6.

2So die h. M., z. B.BGHZ63, 182 (185f.);BGHZ115, 364 (371);Medicus, JuS 1973, 211 (213);Heinrichs, in:Palandt, § 251 Rn. 9, 25.

3Allgemeine Ansicht, vgl. nurLange, Schadensersatz, S. 215;Medicus, in:Staudinger, § 249 Rn. 204.

4BGHZ66, 239 (247); st. Rspr. seitBGHZ92, 85 (87f.).

5LG Wuppertal, NJW 1979, 2213 (2214); ebensoAG Augsburg, VersR 1976, 648 (648);Schmid, VersR 1979, 404.

6LG Lüneburg, NJW 1984, 1243 (1243);Medicus, in:Staudinger, § 251 Rn. 18;Heinrichs, in:Palandt, § 251 Rn. 2;Grunsky, in: MüKo, § 249 Rn. 11.

7HierzuOetker, NJW 1985, S. 347f.

8BGHZ62, 388 (391);BGHNJW 1970, 1180 (1181);BayObLGNJW-RR

1990, 1168;Grunsky, in: MüKo, § 251 Rn 21;Heinrichs, in:Palandt, § 251, Rn. 2.

9So auchRGZ51, 408; 95, 100;Picker, in: FS für Hermann Lange, 625ff.;Medicus, in:Staudinger, § 251 Rn 31.

10Reiff, NZV 1996, 425 (428).

11BGHZ115, 364.

12BGHNJW 1993, 3321 = NZV 1994, 21.

13So etwaMedicus, JuS 1973, 212;Oetker, NJW 1985, S. 348.

14Lange, Schadensersatz, S. 236f., 401f.;Grunsky, in: MüKo, § 251 Rn. 7a- d;Oetker, NJW 1985, S. 345 (348);Medicus, in:Staudinger, § 251 Rn. 21;Schiemann, NZV 1996, S. 6.

15Medicus, in:Staudinger, § 251 Rn. 17.

16Reiff, NZV 1996, 425 (428).

* §§ ohne Gesetzesangabe sind solche des BGB.

Ende der Leseprobe aus 11 Seiten

Details

Titel
Sollte § 251 II S. 1 BGB neu gefaßt werden?
Hochschule
Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)
Veranstaltung
Grundlagenseminar "Sinn der Haftung"
Note
14 Punkte
Autor
Jahr
1999
Seiten
11
Katalognummer
V96050
ISBN (eBook)
9783638087278
Dateigröße
352 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit wurde im Rahmen des, gemeinsam von Prof. Frey (Jur. Fakultät) und Prof. Ribhegge (Wiwi Fakultät) angebotenen, interdisziplinären Grundlagenseminars "Sinn der Haftung" angefertigt. Bemängelt wurde, daß von dem Bearbeiter innerhalb eines interdisziplinären Seminars - auch ohne entsprechenden Hinweis - eine wirtschaftswissenschaftliche Betrachtung des Themas erwartet werden könne.
Schlagworte
Sollte, Grundlagenseminar, Sinn, Haftung
Arbeit zitieren
R. Hänneschen (Autor:in), 1999, Sollte § 251 II S. 1 BGB neu gefaßt werden?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96050

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