Kindliches Temperament: Erprobung einer deutschen Version der EAS-Skalen von Buss und Plomin - Altersgruppen- und Geschlechtseffekte


Diplomarbeit, 1998

75 Seiten


Leseprobe


INHALT

1 EINLEITUNG

2 TEMPERAMENT ALS PSYCHOLOGISCHES KONSTRUKT
2.1 Ursprung und alltagssprachliche Wurzeln
2.2 Temperament — ein heterogenes Konzept in der modernen Psychologie
2.3 Das Temperamentskonzept von Thomas und Chess
2.4 Weitere Temperamentskonzepte
2.5 Das EAS-Konzept von Buss und Plomin
2.5.1 Temperament - sich früh entwickelnde Persönlichkeitszüge
2.5.2 Die drei Temperamentsdimensionen
2.5.2.1 Emotionalität
2.5.2.2 Aktivität
2.5.2.3 Soziabilität
2.5.3 Schüchternheit — eine eigene Temperamentsdimension?
2.5.4 Orthogonalität der Dimensionen
2.5.5 Interaktion der EAS-Dimensionen mit der Umwelt
2.5.5.1 Drei Formen der Interaktion mit der Umwelt
2.5.5.2 Emotionalität und Umwelt
2.5.5.3 Aktivität und Umwelt
2.5.5.4 Soziabilität und Umwelt
2.6 Verhaltensgenetische Befunde
2.7 Die zeitliche Stabilität des Temperaments
2.8 Geschlechtsunterschiede
2.9 Messung der EAS-Dimensionen
2.9.1 Beobachtung
2.9.2 Selbstbeurteilungsbögen
2.9.3 Eltern als Informationsquelle
2.9.4 Das EAS Temperament Survey for Children
2.9.5 Projektintern entwickelte deutsche Version

3 FRAGESTELLUNG
3.1 Erprobung des deutschen EAS-Fragebogens
3.2 Alters- und Geschlechtseffekte

4 EMPIRISCHER TEIL
4.1 Untersuchungsrahmen
4.2 Untersuchungsdurchführung
4.2.1 Datenerhebung
4.2.2 Zusammensetzung der Stichprobe
4.3 Angewandte Methoden der Datenanalyse
4.4 Ergebnisse
4.4.1 Faktorenstruktur der EAS
4.4.1.1 Konfirmatorische Faktorenanalysen der EAS
4.4.1.2 Exploratorische Faktorenstruktur der EAS
4.4.2 Die Reliabilität der modifizierten EAS-Skalen
4.4.2.1 Interne Konsistenzen
4.4.2.2 Itemanalyse
4.4.3 Korrelation der modifizierten EAS-Skalen
4.4.4 Alters- und Geschlechtseffekte auf den Zusammenhang zwischen den EAS-Skalen
4.4.5 Alters- und Geschlechtseffekte auf die EAS-Ausprägungen

5 DISKUSSION
5.1 Die Eignung der deutschen EAS-Skalen als Forschungsinstrument
5.2 Aktivität, Soziabilität und Schüchternheit als abhängige Dimensionen
5.3 Temperament als stabile Persönlichkeitseigenschaften
5.3.1 Quantitative Alterseffekte
5.3.2 Qualitative Alterseffekte
5.4 Temperament und Geschlecht
5.4.1 Die Geschlechtslosigkeit der EAS-Dimensionen
5.4.2 Qualitative Geschlechtsunterschiede bei Soziabilität
5.4.3 Essen Mädchen unregelmäßiger als Jungen?

6 GRENZEN DIESER ARBEIT UND AUSBLICK
6.1 Psychometrische Einschränkungen
6.2 Einschränkungen durch Beschränkung auf das Elternurteil
6.3 Einschränkungen wegen der Selektivität der Stichprobe
6.4 Querschnitterfassung von Entwicklungseffekten
6.5 Ausblick

7 ZUSAMMENFASSUNG

8 LITERATUR

9 ABBILDUNGSVERZEICHNIS

10 TABELLENVERZEICHNIS

11 ANHANG

Dieser Diplomarbeit ist eine Diskette beigefügt, auf der sich der gesamte Output der durchgeführten Berechnungen sowie die für LISREL erforderlichen Matrizen befinden.

1 EINLEITUNG

„Alle Eltern sind Anhänger der Umwelt-Theorie ... bis sie ihr zweites Kind haben.“ Mit diesem Satz zitieren Lerner, Lerner, Windle, Hooker, Lenerz und East (1986, S.99) die Kinderpsychiaterin Stella Chess, eine Pionierin der modernen Temperamentsforschung. In der Tat sind manche Eltern erstaunt darüber, wie sehr sich ihre Kinder schon von frühem Alter an unterscheiden können, wie sehr Erzie- hungsstrategien, die bei dem einen Kind gefruchtet haben, bei seinem Geschwister wirkungslos er- scheinen. Die Eltern haben (unter anderem von Psychologen!) gelernt, daß sie nur die „richtige“ Er- ziehungsmethode anwenden müssen, um ein „wohlgeratenes“ Kind zu bekommen und daß Verhal- tensstörungen auf ein „schlechtes“ Elternhaus zurückzuführen sind. Nun beginnen Psychiater, Ent- wicklungs- und Persönlichkeitspsychologen sich damit zu beschäftigen, was ein Kind über ein Bün- del von Reflexen und eine leere wächserne Persönlichkeitstafel hinaus in die Eltern-Kind-Beziehung einbringt: sein Temperament. Kinder sind nicht beliebig formbar; mit ihrem Temperament beeinflussen sie, wie sie dereinst als Erwachsene sein werden, ohne daß damit gesagt werden soll, daß ihre Per- sönlichkeit dadurch vorherbestimmt wäre. Das Temperament hat Einfluß darauf, ob Eltern es „leicht“ oder „schwer“ mit ihrem Kind haben. Es hat Einfluß darauf, welche Umwelten ein Mensch bevorzugt aufsucht, die ihn wiederum in seiner Persönlichkeit beeinflussen. Es kann zur Umwelt „passen“ oder zu ihr im Widerspruch stehen und damit Schutz- und Risikofaktor in der Entwicklung eines Menschen sein; und es verdient daher die gleiche wissenschaftliche Beachtung, die in den vergangen Jahrzehn- ten der sozialen Umwelt zuteil wurde. Das Temperament ist ein bisher fehlendes Glied in einer sys- temischen, transaktionalen Sichtweise psychischer Entwicklung.

Wie kann kindliches Temperament erfaßt werden? Wie entwickelt es sich? Haben Mädchen und Jun- gen ein unterschiedliches Temperament? Diesen Fragen ist in Deutschland noch wenig nachgegan- gen worden. In dieser Arbeit soll mit einer deutschen Version der Temperamentsskalen von Buss und Plomin (1984) anhand einer Stichprobe von Kindern an der Schwelle zum Kindergartenalter bis zu jenen, die vor dem Wechsel zu einer weiterführenden Schule stehen, ein kleiner Beitrag zu ihrer Auf- klärung geleistet werden.

2 TEMPERAMENT ALS PSYCHOLOGISCHES KONSTRUKT

2.1 Ursprung und alltagssprachliche Wurzeln

Der Begriff des Temperaments wurde bereits in der Antike von Hippokrates benutzt, um Persönlich- keitsunterschiede der Menschen anhand von vier Temperamentstypen (Sanguiniker, Choleriker, Me- lancholiker und Phlegmatiker) zu beschreiben und aus endogenen Faktoren heraus (nämlich den „Körpersäften“ Blut, gelbe Galle, schwarze Galle und Schleim) zu erklären (vgl. Zentner, 1993; Zim- bardo, 1988). In seiner lateinischen Urversion bedeutete es „das richtige Verhältnis gemischter Din- ge“, womit die Mischung eben dieser „Körpersäfte“ gemeint war. Im 17. Jahrhundert wurde es schließ- lich aus dem Französischen ins Deutsche entlehnt und bezeichnet seitdem den „Schwung“ oder das „Feuer“ einer Persönlichkeit (Duden, 1963). In dieser Bedeutung hat es auch heute noch einen festen Platz in unserer Alltagssprache, wenn etwa von einem „temperamentvollen“ Kind die Rede ist oder gar einem Menschen „das Temperament durchgeht“. In Ausdrücken wie dem eines „heißblütigen“ Men- schen wird deutlich, daß Hippokrates’ Vorstellung von den Körpersäften in Alltagsvorstellungen impli- zit noch immer eine Rolle spielt.

2.2 Temperament — ein heterogenes Konzept in der modernen Psychologie

Lange Zeit ging man auch in der Wissenschaft davon aus, daß sich Persönlichkeitsunterschiede vornehmlich aus biophysischen Faktoren ableiten lassen, wie es etwa in den konstitutionstypologi- schen Ansätzen (z.B. Kretschmer, 1921) versucht wurde, die gar einen Parallelismus zwischen der äußeren Gestalt eines Menschen und seiner Persönlichkeit im Sinne einer Anfälligkeit für bestimmte psychische Störungen sahen. Unter Pawlows Einfluß hat das Temperament in der psychologischen Forschung der ehemaligen Ostblockstaaten bis heute kontinuierlich eine Rolle gespielt, hier vor allem im Sinne von bestimmten Eigenschaften des Nervensystems (Strelau, 1984; Zentner, 1993).

Nachdem es in der westlichen Psychologie durch Watsons Behaviorismus reichlich still um das Temperament wurde — es wurde als Erklärungsvariable schlicht nicht mehr benötigt, weil in dieser Sichtweise der Mensch als Tabula Rasa auf die Welt kam —, hat dieser Begriff nach dem Zweiten Weltkrieg von den USA ausgehend eine Renaissance erfahren, aber mit modifizierter Bedeutung. Grob gesprochen sollen heute mit Temperament eher formale Persönlichkeitsaspekte beschrieben werden, die über Zeit und Situationen relativ stabil sind und in ihrer Ausprägung stärker durch geneti- sche Einflüsse bestimmt werden als andere Persönlichkeitsmerkmale, also eine gewisse biologische Fundierung besitzen. Da die Temperamentsforschung noch recht jung ist, findet man eine Vielzahl von verschiedenen Konzepten, die aber auch einige Gemeinsamkeiten haben. Zu nennen ist die Ab- kehr von der Beschreibung von Temperaments typen, von denen die oben genannten Lehren von den vier Temperamenten und Kretschmers (1921) Konstitutionslehre die bekanntesten Vertreter sind. Fast ausschließlich findet man heute dimensionale Eigenschaftskonzepte, die eine Erfassung durch Fra- gebögen ermöglichen, so daß es bisweilen schwierig wird, die Konstrukte Temperament und Persön- lichkeit auseinanderzuhalten. Eysenck, ein starker Verfechter eines biologisch fundierten dreidimen- sionalen Persönlichkeitskonzepts, nimmt sogar an, daß Persönlichkeit und Temperament im Grunde Synonyme seien (Eysenck, 1991). Eine Folge dieser Entwicklung ist, daß die wissenschaftliche und die alltagssprachliche Bedeutung des Begriffs „Temperament“ sich ziemlich voneinander entfernt ha- ben. Was den heutigen wissenschaftlichen Begriff von der ursprünglichen Sicht (und damit auch von der noch heute vorherrschenden Alltagssicht) ebenfalls deutlich unterscheidet, ist die Einbettung in eine interaktionistische, ganzheitliche Betrachungsweise menschlicher Entwicklung: Temperament und soziale Umwelt treten miteinander in Interaktion und beeinflussen sich gegenseitig.

Trotz dieser Gemeinsamkeiten ist die heutige Temperamentsforschung noch weit davon entfernt, ein einheitliches Konzept ihres Forschungsfeldes abzuliefern. Es gibt Forscher, die sich wie einst Paw- low stärker an der Physiologie des Nervensystems orientieren, wie z. B. Zuckermann, Rothbart, Ka- gan oder Strelau, andere vor allem westliche Forscher wiederum, die den Temperamentsbegriff mehr phänomenologisch konzeptualisieren, so vor allem Thomas und Chess (1980), aber auch Goldsmith sowie Buss und Plomin (vgl. hierzu Goldsmith et al., 1987; Strelau & Angleitner, 1991).

Zentner bietet folgende übergreifende Merkmalsbeschreibung der verschiedenen Temperamentskonzeptionen an (Zentner, 1993):

(1) Ein umfassender Begriff, der sich auf verschiedene Dimensionen des Verhaltens be- zieht.
(2) Ein Phänomen, das hauptsächlich im Säuglingsalter hervortritt und eine Art Funda- ment der späteren Persönlichkeit darstellt.
(3) Im Vergleich zu anderen Komponenten des Verhaltens relativ zeitstabil. Diese Stabili- tät mag im Säuglingsalter, bevor die konstituierenden Prozesse abgeschlossen sind, noch nicht beobachtbar sein.
(4) Zumindest hinsichtlich einiger Merkmale biologischen Ursprungs, so schwer es ange- sichts unseres gegenwärtigen Wissensstandes über die Zusammenhänge zwischen Biologie und Verhalten noch sein mag, dieses biologische Substrat näher zu bestim- men.
(5) In seinem Ausdruck oder seiner Manifestation durch Umwelteinflüsse, wie elterliche Erziehungspraktiken, modifizierbar. (S.83f)

Das Temperament steht somit in enger Beziehung zur verhaltensdispositionellen Ausstattung des Individuums, die vor allem im frühen Kindesalter zum Ausdruck kommt. So betrachtet handelt es sich um einen Unterbegriff des allgemeineren Konstrukts „Persönlichkeit“, das Elemente wie Selbstkonzept, Werte, Einstellungen, Motivation etc. umfaßt, von denen man gemeinhin annimmt, daß sie vor allem ein Produkt der Sozialisation des Individuums sind.

Die meisten Forschungen beziehen sich auf das Kindesalter in der Hoffnung, Temperamentsmerkma- le noch in relativ „unverfälschter“ Form vorfinden und studieren zu können. Ein weiterer Grund für die Konzentration auf das Kindesalter ist sicher darin zu sehen, daß durch die New Yorker Längsschnittstudie unter der Leitung von Thomas und Chess (1980) die pädagogische und klinische Relevanz dieses Themas wissenschaftlich zum Tragen kam. Wegen des Impulses, der von Thomas und Chess ausging, aber auch, weil ihr Temperamentskonzept noch heute in der Forschung weitverbreitet ist, soll im folgenden Abschnitt die New Yorker Längsschnittstudie (NYLS) und das aus ihr entstandene neundimensionale Temperamentskonzept exemplarisch etwas ausführlicher beschrieben werden.

2.3 Das Temperamentskonzept von Thomas und Chess

Thomas und Chess gehören zu den Pionieren der modernen Temperamentsforschung; ihr Verdienst ist es, den Begriff Temperament wieder in die Psychologie eingeführt zu haben. Ihnen fiel auf, daß nicht alle Kinder, die in ungünstiger Umgebung aufgewachsen waren, psychische Störungen entwi- ckelten, während auf der anderen Seite ein „intaktes“ Elternhaus kein Garant dafür war, daß sich keine Auffälligkeiten entwickelten. In ihrer Längsschnittstudie, die 1956 begann, befragten sie die Eltern von 85 amerikanischen Familien über das Verhalten ihrer insgesamt 141 Kinder in teilstandar- disierten Interviews. Später wurden zu Vergleichszwecken noch 95 Kinder aus puertorikanischen Ar- beiterfamilien, eine kleine Stichprobe von Kibbuzkindern, sowie Vergleichsgruppen von Kindern mit abweichendem Verhalten und von Kindern, die 1964 infolge der Rötelnepidemie mit Röteln zur Welt gekommen waren, in die Stichprobe mit aufgenommen. Ausgehend von der Annahme, daß sich Kin- der bereits im frühen Alter in ihren Verhaltensbereitschaften unterscheiden, die sie anfangs „primäre Reaktionsmuster“ oder „anfängliche Reaktivität“ nannten, wollten sie den Einfluß dieser Verhaltensbe- reitschaften auf den gesamten Entwicklungskontext untersuchen (Thomas & Chess, 1980). Wichtig war ihnen dabei der formale Anteil des Verhaltens, d.h. wie ein Kind etwas machte im Unterschied zur Motivation (dem „Warum“), der Fähigkeit (dem „Wie gut“) und dem Verhaltensinhalt (dem „Was“). Diesen formalen Anteil nannten sie schließlich „Temperament“ und setzten ihn synonym mit „Verhal- tensstil“ (Thomas & Chess, 1980, S. 8).

Bei der inhaltsanalytischen Auswertung der Interviews fanden sie neun Dimensionen, in die sich die verhaltensstilistischen Beschreibungen einordnen ließen:

1. Aktivit ä t: motorische Aktivität, Anteile von Aktivität und Inaktivität während des Tages.
2. Tagesrhythmus (Regelm äß igkeit): zeitliche Vorhersagbarkeit von Schlaf-Wach-Rhythmus, Hunger, Essensverhalten, Ausscheidungsgewohnheiten.
3. Ann ä herung / R ü ckzug: die Art der Reaktion auf einen neuen Reiz in positivem und negativem Sinne auf der motorischen und emotionalen Ebene. Der neue Reiz kann sozialer (unbekannte Person) oder nicht-sozialer Natur (neues Essen, Spielzeug, Umgebung) sein.
4. Anpassungsf ä higkeit: die Leichtigkeit, mit der erste Reaktionen auf neue oder veränderte Situatio- nen in die gewünschte Richtung gelenkt werden können.
5. Sensorische Reizschwelle: die nötige Stärke eines Reizes, um eine darauf gerichtete Reaktion hervorzurufen, unabhängig von der Sinnesmodalität.
6. Reaktionsintensit ä t: Die Stärke, mit der eine Reaktion ausgedrückt wird, unabhängig von Qualität und Richtung.
7. Stimmungslage: Das Verhältnis zwischen angenehmem, freundlichem Verhalten zu negativem, unangenehmem und unfreundlichem Verhalten.
8. Ablenkbarkeit: Die Stärke, mit der aktuelles Verhalten gestört oder in seiner Richtung geändert werden kann.
9. Aufmerksamkeitsdauer und Durchhalteverm ö gen: Die Zeit, die ein Kind mit einer bestimmten Aktivität verbringt, auch wenn sich Hindernisse auftun.

Durch qualitative Datenanalyse und faktorenanalytisch arbeiteten sie aufgrund dieser neun Dimensionen drei Temperamentskonstellationen heraus, in die 65% der Kinder der NYLS-Stichprobe eingeordnet werden konnten, was aber gleichzeitig bedeutet, daß über ein Drittel der Kinder keiner Kategorie angehörten. Es handelt sich hier nach Angabe der Autoren nicht um psychopathologische Labels, sondern um normale Variationen kindlichen Verhaltensstils.

1. Das einfache Kind (40%): Diese Kinder haben einen vorhersehbaren Rhythmus, überwiegend posi- tive Stimmungslage, sind neuen Reizen gegenüber offen und anpassungsfähig und wenig intensiv in ihren Stimmungsäußerungen. Sie stellen daher für ihre Umwelt erfreuliche Mitmenschen dar.
2. Das schwierige Kind (10%): Schwierige Kinder sind durch unregelmäßigen Rhythmus, wie etwa unvorhersehbare Schlafgewohnheiten, negative und intensive Stimmung, Zurückgezogenheit ge- genüber Neuem und niedriger Anpassungsfähigkeit gekennzeichnet.
3. Das langsam auftauende Kind(15%): Es handelt sich um Kinder, die leicht negative Reaktionen gegenüber Neuem zeigen, bei längerem Befassen mit dem neuen Objekt aber positive Reaktionen zeigen. Sie besitzen in den anderen Dimensionen eher mittlere Ausprägungsgrade.

Ein wichtiger Begriff, der von Thomas und Chess in diesem Zusammenhang geprägt wurde, ist der des „Goodness-of-Fit“ oder, zu deutsch, der „Passung“. Wie bereits erwähnt, konnten sie keinen be- friedigenden Zusammenhang zwischen der Beschaffenheit des Elternhauses einerseits und kindlichen Verhaltensstörungen andererseits feststellen. Die Interaktion zwischen Umwelt und kindlichem Te m- perament dagegen vermochte in dieser Hinsicht mehr zu leisten: Kinder, die von ihren Tempera- mentseigenschaften her im Widerspruch zu den Erwartungen ihrer Umwelt stehen, sind eher in Ge- fahr, Verhaltensauffälligkeiten oder psychische Störungen zu entwickeln. Zu diesen Kinder zählen in unserer westlichen Kultur vor allem jene, die zu den „schwierigen“ Kindern zählen.

Das Konzept von Thomas und Chess hat mittlerweile eine so hohe Popularität entwickelt, daß auch die nicht wissenschaftliche Welt von ihm Notiz nimmt, wie ein Artikel in der Zeitschrift „Eltern for Family“ beweist (Maus, 1998). Dies gründet auf der Tatsache, daß für Eltern die Erkenntnis, nicht für sämtliche Eigenschaften ihres Kindes mit ihrer Erziehung alleine verantwortlich zu sein, aber auch die Chance zu besitzen, unter Kenntnis des kindlichen Temperaments adäquat reagieren zu können, eine große Erleichterung und Hilfe darstellen kann.

Thomas und Chess’ System ist vor allem aus faktorenanalytischen Erwägungen heraus kritisiert wor- den. Die Dimensionen sind nicht orthogonal, sondern erfassen teilweise Ähnliches. Sanson et al. (1994) fanden hohe signifikante Korrelationen zwischen einzelnen Skalen (z.B. zwischen „Annäherung“ und „Anpassungsvermögen“ zwischen r = .50 und r = .59). Ähnlich konnten Buss und Plomin (1984) die NYLS-Dimensionen faktorenanalytisch nicht replizieren. Zentner (1993) hält dem jedoch entgegen, daß für eine klinische Fragestellung weniger orthogonale Dimensionen im Sinne einer Datenreduktion benötigt werden, sondern Beschreibungsdimensionen, die das Temperament eines Kindes in möglichst umfassender Weise wiedergeben.

Problematisch, wenn auch in klinischer Sicht sicherlich sinnvoll, ist die Einführung eines Typenkonzepts „durch die Hintertür“ mit den Kategorien „einfaches“, „schwieriges“ und „langsam auftauendes Kind“. Abgesehen von der Tatsache, daß ein nicht unerheblicher Teil der Kinder in keine Kategorie paßte (s.o.), geschieht diese Einteilung vor dem Hintergrund der westlichen Industriekultur. Verhaltensweisen, wie zum Beispiel hohe Aktivität, mögen hier von vielen Eltern als „schwierig“ empfunden werden, während sie in anderen Kulturen sogar erwünscht sind oder zumindest toleriert werden (Rutter, 1989). Thomas und Chess haben diese Schwierigkeiten auch erkannt; da es ihnen jedoch an einem anderen weniger problematischen Begriff als dem des „schwierigen“ Kindes mangelte, haben sie weiter daran festgehalten (Thomas und Chess, 1986).

Die andere Kritik betrifft die Diskrepanz zwischen Temperamentsdefinition einerseits und Inhalt der Dimensionen andererseits: Viele der Dimensionen beinhalten keine verhaltensstilistischen Aspekte sondern solche des Verhaltensinhalts (z.B. Stimmungslage), so daß nach wie vor die Frage besteht, wie die Begriffe Temperament und Persönlichkeit genau voneinander unterschieden werden.

2.4 Weitere Temperamentskonzepte

Zusammenfassend, ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit erfüllen zu können, sollen weitere bedeutende Temperamentskonzepte erörtert werden, bevor wir uns dem eigentlichen Gegenstand dieser Arbeit, Buss und Plomins EAS-Konzept, zuwenden werden.

Windle und Lerner (1986) sind mit ihrem Konzept dem von Thomas und Chess sehr nah. Auch sie sehen im Te mperament verhaltensstilistische Merkmale eines Menschen jenseits vom Verhaltensin- halt. Im Zentrum auch ihres Augenmerks steht das Konzept der Passung. Entgegen der allgemeinen Stoßrichtung der Temperamentsforschung untersucht die Gruppe um Lerner nicht Kinder sondern Menschen, die in Pubertät und jungem Erwachsenenalter stehen. Aus faktorenanalytischen Erwä- gungen nehmen sie eine Dimensionalität an, die von der ursprünglichen Dimensionalität von Thomas und Chess abweicht. So gibt es drei Rhythmizitätsdimensionen (Schlaf, Essen, Tagesgewohnheiten) und zwei Aktivitätsdimensionen (generelles Niveau und Aktivitätsniveau im Schlaf); Ablenkbarkeit und Ausdauer werden zu einer Dimension Aufgabenorientierung. Von ihrem revidierten Fragebogen, dem Dimensions of Temperament Survey Revised, gibt es eine Selbstbeurteilungs- und eine Elternversion, die sich nur in der Subjektwahl der Items unterscheiden, ansonsten aber identisch sind. Eine Skala einer deutschen Version des DOTS-R (Köfel, 1988), nämlich Rhythmizität-Essen, wird in dieser Arbeit näher untersucht werden (s. weiter unten). Ein Hauptaugenmerk legt die Gruppe um Lerner auf die quantitative Erfassung und Evaluierung eines Passungsmodells.

Eine andere Hauptgruppe bilden Temperamentsforscher mit Bezug auf regulatorische Eigenschaften des Nervensystems. Zu diesen gehört Rothbart (Goldsmith et al., 1987). Rothbart definiert Tempera- ment als relativ stabile, primär biologisch fundierte individuelle Differenzen der Reaktivität und Selbst- regulation. Dabei schließt sie neben behavioralen Aspekten der Erregung oder Erregbarkeit auch en- dokrine, autonome und solche des zentralen Nervensystems ein. Die von ihr studierten Dimensionen sind ähnlich denen von Thomas und Chess, jedoch liegt die Betonung mehr auf dem biologischen Aspekt und weniger auf dem auf der Verhaltensebene beobachtbaren verhaltensstilistischen. Persön- lichkeitspsychologisch bildet das Temperament somit nach dieser Auffassung „die biologische Basis für die sich entwickelnde Persönlichkeit“ (Goldsmith et al., 1987). Mit dieser recht physiologischen Sichtweise ist diese Forschergruppe der östlichen Psychologie am nächsten, in der, anders als im Westen, physiologische und Temperamentsaspekte kontinuierlich eine Rolle gespielt haben (Zentner, 1993).

Goldsmith und Campos fassen lediglich emotionale Aspekte als temperamentsrelevant auf (Golds- mith et al., 1987). Emotionen regulieren nach ihnen innerpsychische Prozesse sowie soziale und interpersonale Verhaltensweisen. Besonderes Augenmerk legen sie auf die sogenannten Grundemoti- onen Zorn, Furcht, Freude und Interesse (letztere als emotionale Grundlage der Ausdauer) (Golds- mith, 1996). Diese sind bereits früh in der Ontogenese erkennbar und benutzen eine nicht kodierte Form der Kommunikation in Form von einzigartigen mimischen, vokalen und gestischen Ausdrucks- formen, von denen sie annehmen, daß sie eine angeborene Basis besitzen (Goldsmith et al., 1987). Ihrem Konzept entsprechend haben sie einen Elternfragebogen (Toddler Behavior Assessment Questionaire, TBAQ) mit den Dimensionen Aktivität, Freude, Soziale Furchtsamkeit, Neigung zu Zorn und Interesse/Ausdauer entwickelt (Goldsmith, 1996).

Kagan hat in seinen Untersuchungen festgestellt, daß es einerseits Kinder gibt, die sich angesichts unvertrauter Situationen zurückziehen, während andere spontan die Umgebung explorieren, und brachte dies mit dem Temperamentszug der „behavioral inhibition“ in Verbindung (Kagan, 1989). Ge- hemmte Kinder entsprechen C. G. Jungs introvertiertem Typus, ungehemmte dagegen dem extraver- tierten Typus (Zentner, 1993). Diese Hemmung scheint, wie Kagan vermutet, mit der Erregbarkeit der Amygdala-Formation im Hippocampus (zum Limbischen System gehörend) in Verbindung zu stehen, die wiederum Skelettmuskulatur und Stimmbänder beeinflußt. Unruhige und häufig schreiende Kinder entwickelten sich im Alter von 24 Monaten zu gehemmten Kindern. Gab man Säuglingen eine Flüs- sigkeit zu trinken, die süßer wurde, so wurden diejenigen im Alter von etwa 2 Jahren zu gehemmten Kindern, die beim Süßerwerden der Flüssigkeit stärker saugten (Zentner, 1993).

Wenn man den Namen Eysenck auch nicht direkt mit dem Begriff Temperament in Verbindung bringt, so spielt er dennoch eine nicht geringe Rolle, da in seiner Sichtweise die Begriffe Temperament und Persönlichkeit Synonyme sind (Eysenck, 1991). In Faktorenanalysen hat er immer wieder drei höhere Dimensionen gefunden, die er Extraversion, Neurotizismus und Psychotizismus nannte; für diese Dimensionen nimmt er an, daß sie eine biologische Fundierung besitzen. Extraversion, die Tendenz, Stimulation von außen aufzusuchen, hängt beispielsweise mit dem Grunderregungsniveau des auto- nomen Nervensystems sowie des Cortex zusammen, wie Messungen von Hautwiderständen von extravertierten und introvertierten Menschen ergeben haben. Extravertierte besitzen einen höheren Hautwiderstand als introvertierte Menschen; ebenso ist ihre Schmerzgrenze höher (Zimbardo, 1988). Zuckermann (1991) nimmt aufgrund von Faktorenanalysen an, daß Soziabilität, die Tendenz mit ande- ren zusammensein zu wollen, eine der Hauptkomponenten von Extraversion ist. Nach ihm sind Ey- sencks Hypothesen in psychophysiologischen Untersuchungen bisher eher nicht gestützt worden (ebd.). Neurotizismus beinhaltet Komponenten wie emotionale Labilität und Furchtsamkeit. Psychoti- zismus ist vor allem durch Verhalten charakterisiert, daß Impulsivität und die mangelnde Fähigkeit, sozial unangepaßtes Verhalten zurückzuhalten, erkennen läßt. Für letztere Dimension ließen sich laut Zuckermann (1991) Korrelate im Neurotransmittersystem und in Hirnstrommessungen nachwei- sen.

2.5 Das EAS-Konzept von Buss und Plomin

2.5.1 Temperament - sich früh entwickelnde Persönlichkeitszüge

Im Zentrum dieser Arbeit steht das Temperamentskonzept von Buss und Plomin (1984). Bei ihnen steht die Persönlichkeitsforschung und weniger die klinische Sichtweise im Vordergrund. Geht es den meisten Temperamentsforschern um formale Aspekte des Verhaltens so definieren Buss und Plomin in ziemlich rigider Weise Temperament als Persönlichkeitseigenschaften, die folgenden Kriterien ge- nügen:

1. Die Eigenschaften stehen unter hohem erblichem Einfluß. Sie haben ihre Wurzel in der Phyloge- nese.
2. Sie sind bereits früh in der Ontogenese (etwa in den ersten 2 Lebensjahren) beobachtbar.
3. Sie sind über die Zeit relativ stabil und somit auch relativ resistent gegen Umwelteinflüsse. Dies bedeutet nicht, daß sie nicht in beschränktem Maße durch die Umwelt in ihrer Ausprägung beeinflußt werden können.

Die Präferenz liegt bei breiten Persönlichkeitseigenschaften, die sich in mehreren Situationen und Verhaltensweisen äußern. Der Tradition der Persönlichkeitsforschung entsprechend schließen Buss und Plomin die Intelligenz aus der Temperamentsdefinition aus, obwohl sie den oben genannten Krite- rien genügt. Dies liegt darin begründet, daß Intelligenz die kognitive Seite menschlichen Verhaltens erfaßt, während es in der Persönlichkeitsforschung allgemein und insbesondere in der Tempera- mentsforschung um nicht-kognitive Aspekte geht (Buss & Plomin, 1984, S. 85). Da es sich beim Temperament um erbliche und daher um biologisch fundierte Merkmale handelt, die in ähnlicher Wei- se auch bei Säugetieren und Primaten nachweisbar sind, kann es dem stammesgeschichtlichen Erbe zugerechnet werden, das der Mensch in sich trägt und das sich im Verlauf der Phylogenese als nützlich erwiesen hat.

Da Temperamentsmerkmale erblich sein sollen, besitzen sie ein physiologisches Substrat. Dies sehen Buss und Plomin in Vorgängen des ZNS und rücken dabei das Konstrukt der Erregung in den Mittelpunkt. Sie unterscheiden dabei in Anlehnung an Lacey (1967) drei verschiedene Arten von Erregung (Buss und Plomin, 1984, S. 32):

(1) Behaviorale Erregung: Hier sind die beiden Ausdrucksformen Aktivität als Erregungsoutput und Sensitivität als der Erregungsinput zu unterscheiden.
(2) Autonome Erregung: Hier finden sich sämtliche Vorgänge wieder, die mit dem sympathischen und dem parasympathischen Nervensystem zusammenhängen, wie Herz- und Atemfrequenz, Blutdruck, Hautwiderstand usf.
(3) Erregung des Gehirns (brain arousal): Hierbei geht es um Zustände des Cortex, die mit dem EEG erfaßt werden können. Sie sind in hohem Maße abhängig von der Formatio reticularis, die den Erregungsgrad des Cortex steuert. Diese ihrerseits kann durch neue Reize von außen, durch den Cortex selbst und durch das Lymbische System, das die Gefühlswelt des Menschen maßgeblich mitbestimmt, beeinflußt werden.

Diese drei Formen der Erregung zeigen zwar Zusammenhänge, aber sie sind nicht vollkommen abhängig voneinander. Ähnliches hat man z.B. auch bei der Messung von Angst festgestellt: Die drei Komponenten körperliches Empfinden, Verhalten und Kognitionen sind relativ unabhängig voneinander (Davison & Neale, 1988).

Bei allen drei Formen der Erregung ließen sich interindividuelle Unterschiede finden (Buss & Plomin, 1984), und zwar sowohl die Erregbarkeit als auch die Intensität der Erregung betreffend. Buss und Plomin bauen auf diese Erkenntnis ihr Temperamentskonzept auf. Obwohl sie ihr Konzept mit diesen physiologischen Überlegungen einleiten, bleibt ihre Vorgehensweise dennoch eher eine phänomenologisch am beobachtbaren Verhalten orientierte, ohne auch physiologische Parameter in die Erfassung des Temperaments einzubeziehen.

Drei Temperamentsdimensionen werden von Buss und Plomin unterschieden, aufgrund derer der EAS-Fragebogen seinen Namen erhalten hat: Emotionalität, Aktivität und Soziabilität. Die in ihrem früheren Konzept dazugehörige Dimension der Impulsivität (daher das Kürzel der älteren Version „EASI“ von Buss & Plomin, 1975) ließen sie fallen: Sie besteht aus zu vielen einzelnen Komponen- ten, die sich in Faktorenanalysen als unterschiedlich stabil herausstellten. Als einzig stabile Kompo- nente blieb „excitement-seeking“, für dessen Erblichkeit sich allerdings keine empirische Evidenz finden ließ (Buss & Plomin, 1984, S. 87). Sämtliche Dimensionen sind eng mit dem Erregungskon- zept verbunden. (Vgl. zu den nachfolgenden Ausführungen Buss & Plomin, 1975, 1984 und 1986; Buss, 1991; Goldsmith et al., 1987.)

2.5.2 Die drei Temperamentsdimensionen

2.5.2.1 Emotionalität

Es werden Emotionen mit hoher Erregung von solchen mit niedriger Erregung unterschieden. Erstere besitzt nicht nur der Mensch, sondern sie sind auch anderen Säugetieren zu eigen und hatten im Verlaufe der Stammesgeschichte hohen adaptiven Wert. Ihr Repertoire beschränkt sich auf lediglich drei Zustände: Furcht, Ärger und sexuelle Erregung. Diese drei Zustände gehen mit starker Aktivi e- rung des autonomen Nervensystems einher und sind für das Überleben des Individuums oder seiner Spezies (letzteres im Fall der sexuellen Erregung) wichtig. Bei den Emotionen mit niedriger Erregung handelt es sich um solche, die soziale Verbindungen betreffen wie Zuneigung, Liebe oder Haß, und um kognitiv überformte Gefühle wie z.B. Stolz, Scham oder Hoffnung. Bei den zuletzt genannten kann nach Buss und Plomin davon ausgegangen werden, daß sie nicht zum Überleben wichtig waren, sondern sich im Rahmen der kognitiven Entwicklung des Menschen gebildet haben und eher als eine Folge der Fähigkeit zur Selbstreflexion anzusehen sind. Sie sind daher auch nur beim Menschen zu finden.

Da Temperamente erblich sein sollen, erfaßt die Emotionalitätsdimension nur Emotionen mit hoher Erregung, denn bei diesen wurde eine gewisse Erblichkeit nachgewiesen. Ausgenommen davon wur- de der Grad der sexuellen Erregbarkeit. Zwar lassen sich bei ihm interindividuelle Unterschiede nach- weisen, jedoch ließen sich nach Buss und Plomin bislang mangels empirischer Basis keine Eviden- zen für eine Vererbbarkeit dieser Eigenschaft nachweisen (Buss & Plomin, 1984, S. 50).

Die vererbbare biologische Grundlage von Emotionalität ist die Tendenz, leicht und intensiv autonom erregt zu werden (Buss & Plomin, 1984, S. 50). In dieser Eigenschaft unterscheiden sich bereits Säuglinge in den ersten Lebenstagen, indem sie unterschiedlich oft und unterschiedlich laut schreien. Beim Säugling finden wir zunächst allgemeine Unlust als negative Emotionsäußerung vor (Die Auto- ren nennen diese „distress“: Kummer). In den ersten Lebensmonaten bekommt diese Unlust zwei entgegengesetzte Richtungen: Furcht als Emotion, die zur Fluchtreaktion führt, und Zorn, der im An- griff mündet. Da Furcht weniger motorisches Geschick erfordert (Kopfabwenden) als Zorn (Treten, Schlagen, Angriff), nehmen Buss und Plomin an, daß Furcht sich früher von Unlust differenziert als Zorn.

Demnach hätte Emotionalität als Ausdruck autonomer Erregbarkeit bereits im Kleinkindalter drei Ausdrucksformen: allg. Unlust, Furcht und Zorn. Obwohl diese Unterscheidung schon bei jungen Kindern vorgenommen wird, finden wir in dem Temperamentsfragebogen, der für diese Arbeit zum Einsatz kam, nur eine einheitliche Temperamentsdimension. (Über diesen Fragebogen findet sich mehr in den Abschnitten 2.9.4 und 2.9.5.)

Es sei noch einmal darauf hingewiesen, daß Buss und Plomins Definition von Emotionalität von der von Goldsmith und Campos (Goldsmith et al., 1987) abweicht, die auch positive Emotionsäußerungen zum Temperament zählen. Nimmt man die Zorn-Komponente der Emotionalität aus der Betrachtung heraus, so finden wir starke Überschneidungen mit Eysencks Neurotizismus-Dimension. Emotionale Kinder haben mehr Gelegenheiten, Angst vor bestimmten Objekten und somit Vermeidungsverhalten zu lernen, so daß wir es mit einem Risikofaktor für die Ausbildung neurotischer Störungen zu tun haben.

2.5.2.2 Aktivität

Bei der Aktivitätsdimension ist vor allem die behaviorale Erregung angesprochen. Sie ist daher eine der augenfälligsten Dimensionen, die bereits bei Säuglingen gut erfaßbar ist. Drei Komponenten wer- den unterschieden, aus denen sich diese Dimension zusammensetzt. Tempo, Wucht und Ausdauer. Sie korrelieren jedoch so stark miteinander, daß eine gesonderte Messung dieser Komponenten auf- gegeben wurde.

Aktivität umfaßt sämtliche motorische Aktivität des Körpers, des Kopfes und der Extremitäten, was die aufgewendete Energie angeht. Ausdrücklich ausgeschlossen werden psychische Aktivitäten wie etwa Denken (was man ja auch unter Aktivität verstehen könnte) sowie emotionales Ausdrucksverhal- ten (das zur Emotionalitätsdimension zählt). Die Aktivitätsdimension ist die einzige Dimension, die ähnlich wie in Thomas und Chess’ Konzept verhaltensstilistische Aspekte erfassen soll. Durch unter- schiedliche Aktivitätsgrade können sich Menschen in der Geschwindigkeit der Sprache, in der Festig- keit ihres Ganges oder darin unterscheiden, wie lange sie bei einer Besprechung stillsitzen können.

2.5.2.3 Soziabilität

Soziabilität umschreibt die Tendenz, mit anderen Menschen zusammen zu sein. Daher wurde das englische Wort „sociability“ - wörterbuchgerecht - auch häufig mit „Geselligkeit“ übersetzt (z. B. Zentner, 1993; Asendorpf, 1993). Es soll hier jedoch der Ausdruck „Soziabilität“ verwendet werden, weil er näher am englischen Original steht, nicht Konnotationen im Sinne von: „Ein geselliger Mensch ist gerne in Vereinen“ besitzt und daher wertungsfreier ist.

Buss und Plomin analysieren bei der Besprechung dieser Dimension zunächst, warum Menschen soziale Kontakte aufsuchen. Neben den extrinsischen Motiven Geld, Güter, Dienstleistungen und Information, die auch als ökonomische Motive bezeichnet werden können, unterscheiden sie fünf intrinsische Motive (sogenannte „soziale Belohnungen“), die soziale Kontakte bieten können: Anwe- senheit von anderen, deren Aufmerksamkeit, das Teilen von Aktivitäten, die Resonanz von anderen (im Original „responsivity“, für das sich keine direkte Übersetzung finden ließ) und die Initiation von Inter- aktion (gemeint ist hier die Initiation durch den anderen). In aufsteigender Reihenfolge sind diese Be- lohnungen Quelle von Erregung: Die niedrigste Stimulation erfolgt durch die Anwesenheit von anderen Menschen, am meisten Stimulation entsteht dadurch, daß der andere eine Aktivität initiiert. Je nach Intensität kann diese Stimulation als angenehm oder als unangenehm empfunden werden. So bringt die Anwesenheit weniger anderer Menschen eine gewisse Stimulation mit sich, jedoch werden große Menschenansammlungen schnell als aversiv wahrgenommen. Soziable Menschen benötigen diese Erregung stärker als unsoziable. Menschen, die einen hohen Grad an Soziabilität aufweisen, geben sich nicht nur mit der Anwesenheit anderer zufrieden, sondern sie benötigen soziale Resonanz. In einer Umgebung, in der zwar andere Menschen sind, die aber nichts miteinander zu tun haben, langweilen sie sich eher als weniger soziable Menschen.

Buss und Plomin zeigen hier eine Überlappung mit Eysencks Extraversionsdimension (Eysenck, 1970) auf. Sie ordnen extravertierte Individuen als soziabel und nicht schüchtern ein, introvertierte entsprechend als wenig soziabel und schüchtern (Buss & Plomin 1984, S. 80f). Zuckermann (1991) verweist ebenfalls darauf, daß Soziabilität eine der Hauptkomponenten von Extraversion darstellt, die, anders als Furchtsamkeit, auf kognitiver Ebene von positiven Emotionen und — wie es auch Buss und Plomin annehmen — von einer Belohnungserwartung, nämlich der Erwartung der „social rewards“ geprägt ist.

2.5.3 Schüchternheit — eine eigene Temperamentsdimension?

Schüchternheit, so scheint es, ist der Gegensatz von Soziabilität: Wer schüchtern ist, sucht nicht die Gesellschaft anderer Menschen auf, und soziable Menschen gehen offen auf andere Menschen zu. Ganz so einfach ist dies jedoch nicht. Mit Soziabilität ist die allgemeine Tendenz gemeint, mit anderen Menschen zusammen zu sein, Schüchternheit dagegen bezieht sich auf ängstliches und zurückgezogenes Verhalten Fremden gegen ü ber und ähnelt damit Thomas’ und Chess’ AnnäherungRückzug-Dimension. Letztere bezieht sich jedoch allgemein auf Unvertrautes, schließt also neben neuen Kontaktpersonen fremde Situationen und Objekte ein.

Daß Schüchternheit und Soziabilität nur mäßig miteinander zusammenhängen, zeigt die Korrelation von -.30, die sich in einer Untersuchung von Cheek und Buss (1981, zit. n. Buss & Plomin, 1984) gezeigt hat. Das bedeutet: Ein soziabler Mensch ist mit gewisser Wahrscheinlichkeit wenig schüch- tern, muß es aber nicht sein. Er kann auch die Gesellschaft anderer suchen, wenn es sich z. B. um Freunde und Bekannte handelt, aber trotzdem sich Fremden gegenüber schüchtern verhalten und unter diesem Verhalten sogar leiden. Entsprechend mag ein unsoziabler Mensch schüchtern sein, es kann aber auch sein, daß er zwar nicht die Gesellschaft anderer sucht, aber wenig schüchtern ist und daher, wenn es sein muß, bei der Kontaktaufnahme mit fremden Personen keine Schwierigkeiten hat.

Auf der anderen Seite korreliert Schüchternheit höher mit Furchtsamkeit, während Soziabilität kaum mit Furchtsamkeit korreliert (-.09) (Buss & Plomin, 1984, S. 77f). Schüchternheit wäre demnach in erster Linie Furchtsamkeit unvertrauten Personen gegenüber. Mit Zuckermann (1991) ließe sich auf kognitiver Ebene folgende Unterscheidung zwischen Soziabilität und Schüchternheit treffen: Soziabili- tät ist mit einer Belohnungserwartung, nämlich der Erwartung der „social rewards“, verbunden, Schüchternheit jedoch, da sie mit Furchtsamkeit einhergeht, mit Bestrafungserwartung. Ein unsozi- abler Mensch sucht wenig Kontakt zu anderen Menschen, weil die „social rewards“ für ihn nicht so bedeutend sind, ein schüchterner Mensch hingegen, weil er sich vor negativen Konsequenzen fürch- tet.

Sowohl Schüchternheit als auch Soziabilität sind Persönlichkeitszüge, die früh beobachtbar, relativ stabil sind und eine höhere erbliche Komponente aufweisen. Damit wären beides nach Buss und Plomins Kriterien (s. o.) Temperamentsdimensionen. Weil Soziabilität aber eine allgemeinere Verhaltenstendenz beinhaltet (nämlich mit anderen Menschen zusammensein zu wollen) als Schüchternheit (die sich nur im Verhältnis zu fremden Menschen zeigt), nehmen Buss und Plomin an, daß Schüchternheit ein Abkömmling von Soziabilität und Furchtsamkeit und daher nicht originär als eine Temperamentsdimension anzusehen ist. Sie wird dennoch durch den Elternfragebogen, der für diese Arbeit in einer deutschen Übersetzung zum Einsatz kam, erfaßt (s.u.).

2.5.4 Orthogonalität der Dimensionen

Eine grundlegende Kritik, die gegen Thomas und Chess immer wieder vorgebracht wird, ist die, daß ihre Temperamentsdimensionen nicht unabhängig voneinander sind, sondern sich überschneiden und daher zum Teil beträchtliche Korrelationen untereinander aufweisen (z.B. Sanson et al., 1994). Diese Kritik machen sich auch Buss und Plomin zu eigen und fordern daher auch in ihrem Temperaments- konzept, daß die Temperamentsdimensionen weitgehend voneinander unabhängig zu sein haben, sprich: orthogonal zueinander stehen müssen. Es wird hier deutlich, daß Buss und Plomins Stoßrich- tung eine persönlichkeitspsychologische ist und weniger auf klinische Fragestellungen ausgerichtet ist (obwohl sie durchaus klinische und pädagogische Implikationen aus ihrem Konzept ableiten, z.B. in Buss, 1991). Sie suchen „reine“ Faktoren, die das Kräfteparallelogramm des Temperaments auf- spannen. Dieser Vorgehensweise wird wiederum von klinischer Seite vorgehalten, sie reduziere den Gegenstand auf zu wenige und zu allgemeine Dimensionen, um in der Praxis brauchbar zu sein (Zentner, 1993, S. 102ff).

2.5.5 Interaktion der EAS-Dimensionen mit der Umwelt

2.5.5.1 Drei Formen der Interaktion mit der Umwelt

Wenngleich nach Buss und Plomins Definition früh auftretende relativ stabile erbliche Persönlich- keitseigenschaften das Temperament konstituieren, so entwickelt es sich doch in Interaktion mit der Umwelt, denn was vererbt wird, sind die biologischen Korrelate, nicht das Temperament an sich. Drei Interaktionsformen mit der Umwelt haben die Autoren herausgestellt: Die Auswahl von Umwelten, die Beeinflussung sozialer Umwelten und die Modifizierung des Umwelteinflusses. Bei Buss und Plomin steht aber nicht das Konzept der Passung so sehr im Vordergrund, wie wir es bei Thomas und Chess (1980) oder der Gruppe um Lerner (Lerner et al., 1986) gefunden haben, durch das beschrieben wird, inwieweit das Temperament und Verhalten und Erwartungen der sozialen Umwelt miteinander im Ein- klang stehen. Der Einfluß der Temperamentsmerkmale auf die Umwelt macht sich vor allem an den Extrempunkten der einzelnen Dimensionen bemerkbar, während mittlere Ausprägungsgrade eine stärkere Beeinflussung durch die Umwelt nach sich ziehen (Buss & Plomin, 1984, S. 88). Daher wird im folgenden davon die Rede sein, welchen Einfluß Temperamentsausprägungen an den Extrempunk- ten der jeweiligen Dimensionen haben.

2.5.5.2 Emotionalität und Umwelt

Hohe Emotionalität kann, insbesondere wenn sie vor allem als Furchtsamkeit in Erscheinung tritt, zu einer massiven Einschränkung führen, indem Umwelten, die hohe Erregung nach sich ziehen, vermie- den werden, was wiederum verhindern kann, daß das Kind mit dieser Umwelt vertraut wird. Daher sehen Buss und Plomin Emotionalität als den Kern der von Eysenck (1970) beschriebenen Neuroti- zismusdimension an (Buss, 1991). Ein emotionales Kind wirkt auf seine soziale Umwelt ein, indem es sie möglicherweise dazu bringt, daß es geschont wird, um Angst oder Zornesausbrüche auf seiner Seite zu vermeiden. Durch dieses Verhalten der sozialen Umwelt wird dieser Te mperamentszug beim Kind wiederum unterstützt. Emotionalität beeinflußt die Wahrnehmung einer Situation. Furchtsame Kinder werden eine Situation eher so deuten, daß Vorsicht geboten ist, Kinder die wenig emotional sind, neigen eher dazu, eine Situation auf die leichte Schulter zu nehmen und sich dadurch vielleicht in Gefahr zu bringen.

2.5.5.3 Aktivität und Umwelt

Aktive Menschen werden sich mit größerer Wahrscheinlichkeit Umwelten aussuchen, in denen sie aktiven Tätigkeiten nachgehen können; so werden sie vielleicht einen entsprechenden Beruf ergreifen, wie ein Kraft erforderndes Handwerk, oder sie werden eher einem Sport als Hobby nachgehen. Sozia- le Interaktionen können sie durch die Geschwindigkeit oder die Lautstärke ihrer Sprache beeinflussen. Ebenso kann ein wenig aktives Kind den Ablauf einer Mahlzeit in der Familie stören, indem es für die Eltern zu lange braucht, um fertig zu werden. Besonders aktive Menschen nehmen vielleicht eine normal arbeitende Arbeitsgruppe als langsam wahr und fühlen sich durch sie aufgehalten.

2.5.5.4 Soziabilität und Umwelt

Auch Soziabilität hat an seinen Extrempunkten den stärksten Einfluß auf die Umwelt des Individuums. Menschen mit hoher Soziabilität suchen definitionsgemäß andere Menschen auf und erwerben dadurch leichter und schneller soziale Kompetenzen. Unsoziable Menschen meiden eher die Gesellschaft anderer und können so leicht für schüchtern gehalten werden. Da sie weniger gut soziale Kompetenzen erwerben, neigt diese Verhaltenstendenz auch dazu, aufrechterhalten zu werden und kann dadurch vielleicht auch in schüchternes Verhalten münden.

2.6 Verhaltensgenetische Befunde

Für Buss und Plomin ist Erblichkeit ein wesentliches Kriterium dafür, daß ein Persönlichkeitsmerkmal als Temperament verstanden wird. Daher ist der Nachweis dafür, daß die EAS-Temperamente erblich sind, ein Prüfstein dafür, daß ihre Theorie zutrifft. Würde bei einer dieser Eigenschaften gezeigt, daß sie nicht erblich ist, müßte sie entsprechend aus der Liste der Temperamente gestrichen werden. Aus diesem Grunde revidierten die Autoren auch ihre ursprüngliche Temperamentstheorie von 1975, indem sie Impulsivität als Temperamentsdimension aufgaben.

Die Verhaltensgenetik beschäftigt sich mit der Untersuchung der Frage, inwieweit psychische Merkmale erblich sind. Eine der einfachsten Möglichkeit besteht darin, Korrelationen zwischen dem Te m- perament der Eltern und denselben Temperamentszügen ihrer Kindern zu untersuchen, denn sie tei- len sich 50% des Erbguts. Dieses Verfahren birgt jedoch das Problem, daß Verhalten im Erwachse- nenalter mit Verhalten im Kindesalter korreliert wird. So mag es sein, daß das Verhalten eines Kindes dem eines Elternteils, als dieses im Kindesalter war, ähnelt, jedoch können Reifungs- und Sozialisa- tionsprozesse diese Ähnlichkeit schwinden lassen. Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, daß Eltern ihr eigenes Temperament in das ihrer Kinder projizieren, so daß eine Scheinkorrelation ent- steht. Buss & Plomin (1984) konnten aber nur geringe Korrelationen feststellen; dieser Befund konnte jüngst von Schmitz (1994) repliziert werden, unabhängig davon, ob es sich um leibliche oder Adoptiv- eltern handelte, so daß von dieser Seite nicht entschieden werden kann, ob diese geringen Korrelati- onen auf den oben genannten Alterseffekt oder fehlende Erblichkeit zurückzuführen ist. Sowohl Buss und Plomin (1984) als auch Asendorpf (1988) zeigen auf, daß nicht nur Ähnlichkeiten sondern auch Unterschiede genetischen Ursprungs sein können, weil eine gewisse Variabilität des Erbgutes sich im Sinne einer größeren Anpassungsfähigkeit im Verlauf der Evolution als vorteilhaft erwiesen hat.

Die populärste und am meisten angewandte Methode ist die Zwillingsuntersuchung. Man vergleicht die Korrelationen zwischen Temperamentszügen eineiiger Zwillinge mit denen von zweieiigen Zwillin- gen und schließt aus einer Differenz zugunsten eineiiger Zwillinge auf erbliche Einflüsse des Merk- mals. Da eineiige Zwillinge doppelt so viele Gene miteinander teilen wie zweieiige (nämlich 100% vs. durchschnittlich 50%), wird die Differenz zwischen den Korrelationen verdoppelt um den Anteil der durch Vererbung verursachten Varianz zu schätzen. Buss und Plomin (1984) konnten einige Evidenz dafür sammeln, daß sich tatsächlich eineiige Zwillinge in Temperamentszügen mehr ähneln als zwei- eiige Zwillinge oder normale Geschwister. Problematisch war jedoch, daß zweieiige Zwillinge sich im allgemeinen weniger ähnelten als man aufgrund der hohen Korrelationen zwischen eineiigen Zwillin- gen vermuten würde: Oft korrelierten sie sogar negativ miteinander, so daß von sehr großen Heredi- tätskoeffizienten ausgegangen werden müßte. Die Autoren vermuten, daß ein Kontrasteffekt eine Rolle spielen könnte, der dazu führt, daß die Eltern zweieiige Kinder unähnlicher einschätzen, als sie es vielleicht in Wirklichkeit sind.

Dieses Problem führte dazu, daß einige Forscher auch Beobachtungsdaten heranzogen. Dort wurde auch festgestellt, daß längsschnittlich betrachtet zweieiige Zwillinge häufig gegenläufige Temperamentsentwicklungen durchmachten, während die Verläufe eineiiger Zwillinge weitgehend parallel waren (z.B. bei Wilson & Matheny, 1986, in den ersten zwei Lebensjahren).

Eine andere zunehmend wahrgenommene Möglichkeit, um den Effekt von gemeinsamer familiärer Umwelt und Vererbung voneinander sauber trennen zu können, ist das Adoptions-Design: Ähnlichkei- ten zwischen Adoptiveltern und -kindern spiegeln den Effekt gemeinsamer Umwelt wider, Ähnlichkei- ten zwischen leiblichen Eltern und ihren wegadoptierten Kindern spiegeln Vererbungseffekte wider. Außerdem können leibliche und Adoptivgeschwister verglichen werden. Dieser Weg wird im Colorado Adoption Project (CAP) eingeschlagen (Plomin & DeFries, 1985). Schmitz hat 1994 Ergebnisse be züglich des Temperaments in der mittleren Kindheit veröffentlicht. Entgegen den Ergebnissen in obi gen Zwillingsstudien ließen sich in Elternurteilen keine Evidenzen dafür finden, daß die EAS- Dimensionen erblich seien. Demgegenüber ergaben Tester-Ratings im Labor und Lehrerbeurteilungen Hinweise darauf, daß vor allem Soziabilität1, Aktivität und Furchtsamkeit (eine Komponente von Emo- tionalität, die im IBR erfaßt wurde) erblich sind. Zwei Jahre später zeigte ein Vergleich von CCTI- Ratings von Lehrern mit denen von Beobachtern, daß nur in der Dimension „Aktivität“ bei beiden Da- tenquellen ein gemeinsamer genetischer Einfluß nachweisbar war (Schmitz, Saudino, Plomin, Fulker & DeFries, 1996). Schmitz vermutet ebenfalls, daß sich Kontrasteffekte beim Elternurteil dafür ver- antwortlich zeichnen, daß nur beim Lehrer- und Beobachterurteil Hinweise für genetische Einflüsse zu finden waren. Im übrigen vermutet sie, daß nicht-additive genetische Varianz (Dominanz und Epista- sis) die so auffallend hohe Ähnlichkeit von eineiigen Zwillingen gegenüber zweieiigen Zwillingen und sonstigen Geschwistern hervorruft, die in Zwillingsstudien regelmäßig beobachtet wurde.

2.7 Die zeitliche Stabilität des Temperaments

Die meisten Untersuchungen deuten darauf hin, daß die EAS-Dimensionen in der Tat relativ stabile Merkmale darstellen. Buss und Plomin (1975) berichten von moderaten Längsschnittkorrelationen im frühen und mittleren Kindesalter. Soziabilität — die allerdings oft in der Erfassung mit Schüchternheit vermischt ist — und Aktivität wiesen dabei die höchsten Koeffizienten auf. Bei Soziabilität ließ sich sogar Kontinuität bis ins Erwachsenenalter nachweisen (Buss & Plomin, 1984, S. 146). In einer neue- ren Untersuchung von Schmitz (1994) ließen sich für die Altersspanne zwischen 7 und 10 Jahren ebenfalls die höchsten Stabilitätskoeffizienten für Soziabilität ermitteln (r = .74 im Eltern- und r = .44 im Lehrerurteil), aber auch die anderen EAS-Dimensionen zeigten moderate und signifikante Korrela- tionen. Als Entwicklungstrend konnte sie feststellen, daß die Kinder mit zunehmendem Alter sozi- abler und weniger aktiv wurden. Guerin und Gottfried (1994) ermittelten in einer Längsschnittuntersu- chung basierend auf den neun NYLS-Dimensionen für die Dimensionen „Aktivität“ und „Annäherung“ (die sich mit Schüchternheit bedeutungsmäßig überschneidet) Stabilitätskoeffizienten von r = .40 bzw. r = .42 (p<.001) in einer Altersspanne von 2 bis 12 Jahren. Für die Dimensionen „Intensität“, „Stimmungslage“, die noch am ehesten mit der EAS-Dimension „Emotionalität“ vergleichbar sind, waren die Korrelation zwar geringer, aber immer noch signifikant. Ähnlich wie bei Schmitz (1994) ergab sich in der mittleren Kindheit (8-12jährige) ein signifikanter Alterseffekt in der Dimension „Aktivi- tät“. Aufgrund dieser Befunde kann von einer mittleren bis hohen Stabilität der EAS-Dimensionen aus- gegangen werden, was die interindividuellen Differenzen betrifft.

2.8 Geschlechtsunterschiede

Vom Alltagsgefühl her würde man vermuten, daß sich Jungen und Mädchen in einigen Tempera- mentsdimensionen unterscheiden. Ein Geschlechtsstereotyp ist beispielsweise, daß Mädchen ge- fühlsbetonter und soziabler seien. Man denke nur an die „klassische“ Aufgabenteilung in vielen Ehe- paaren, nach der die Frauen eher für soziale Belange wie etwa das Einhalten von Gratulationstermi- nen (Geburtstage etc.) zuständig sind. In den meisten Untersuchungen konnte jedoch gezeigt wer- den, daß sich die Geschlechter in nur wenigen EAS-Dimensionen unterscheiden. Es scheint so zu sein, daß Jungen aktiver als Mädchen sind. Dieser Befund ist jedoch nicht durchgängig erhalten wor- den, und der Unterschied ist im Allgemeinen nicht sehr groß (Buss, 1991). In Selbstbeurteilungen unterschieden sich erwachsene Männer und Frauen nur in der Dimension „Emotionalität- Furchtsamkeit“ signifikant voneinander (Buss & Plomin, 1984). Nach Schmitz (1994) werden Jungen von ihren Eltern als aktiver eingeschätzt als Mädchen; in Selbstbeurteilungen schätzen sich Jungen im Alter von 9 und 10 Jahren als aktiver und soziabler ein als gleichaltrige Mädchen. Aber auch hier sind die Geschlechtseffekte nur sehr gering: Sie erklären nur zwischen 1% und 5% der Varianz.

Buss (1991) macht speziell im Zusammenhang von Soziabilität darauf aufmerksam, daß Geschlechtsunterschiede nicht unbedingt nur quantitativ hervortreten, sondern auch qualitativ: So sollen soziale Interaktionen zwischen Männern wettbewerbsorientierter sein als solche zwischen Frauen. Es ist jedoch mehr als fraglich, ob dieser qualitative Unterschied, der bei Kleinkindern nicht beobachtbar ist, biologisch, z.B. über die Geschlechtshormone, vermittelt wird, oder ob es sich hier nicht eher um durch die Sozialisation vermittelte Geschlechtsstereotype handelt.

2.9 Messung der EAS-Dimensionen

2.9.1 Beobachtung

Die direkteste Methode, Temperament zu erheben, ist die Beobachtung oder sogar die direkte Erfas- sung mit entsprechenden Instrumenten. Buss und Plomin (1984) erwähnen die Messung der Tempe- ramentsdimension Aktivität mit einem Actometer, das, einer sich selbst aufziehenden Uhr vergleich- bar, das Aktivitätsniveau einer Person erfassen kann. Dabei hat sich jedoch gezeigt, daß eine reliable Messung erst dann möglich ist, wenn Actometermessungen über mehrere Tage vorgenommen wer- den. Dieses Problem kann man allgemein auf die Methode der Beobachtung anwenden: Um eine genügend große Verhaltensstichprobe für die Erfassung von Temperamentsmerkmalen zu bekommen, muß die Beobachtung über einen entsprechend langen Zeitraum erfolgen. Dies geht sehr zu lasten der Ökonomie. Wird die Beobachtung im Labor durchgeführt, muß mit entsprechenden Verfälschun- gen durch die Laborsituation gerechnet werden. Aus diesem Grund haben Buss und Plomin und die meisten anderen Temperamentsforscher keine Beobachtungssysteme hervorgebracht, sondern sich, wie allgemein in der Persönlichkeitsforschung verbreitet, auf Fragebogenmethoden beschränkt. Im oben erwähnten Colorado Adoption Project wollte man aber trotzdem nicht auf die Vorzüge von Labor- untersuchungen verzichten (relative Vorurteilsfreiheit des Beobachters, fehlender Kontrasteffekt gegenüber dem Elternurteil) und wandte das Infant Behavior Record (IBR) von Baley (1969, zit. nach Buss & Plomin, 1984, 1986) als Beobachtungsinstrument an, das jedoch nicht genau die EASDimensionen erfaßt, sowie eine Beobachterversion des Colorado Childhood Temperament Inventory (Rowe & Plomin, 1977) (vgl. Schmitz, 1994; Schmitz et al., 1996).

2.9.2 Selbstbeurteilungsbögen

Selbstbeurteilungsbögen kommen nur bei der Erhebung des Temperaments von Erwachsenen und älteren Kindern in Frage, da für ihre Bearbeitung ein Mindestmaß an Lesekompetenz und Selbstrefle- xionsvermögen notwendig sind. Für die Erfassung der EAS-Dimensionen haben Buss und Plomin einen zwanzig Items umfassenden Selbstbeurteilungsbogen für Erwachsene entworfen (EAS Tempe- rament Survey for Adults) mit den Dimensionen „Emotionalität-Kummer“, „Emotionalität- Furchtsamkeit“, „Emotionalität-Zorn“, „Aktivität“ und „Soziabilität“, die jeweils vier Items umfassen.

2.9.3 Eltern als Informationsquelle

Eltern spielten schon bei Thomas und Chess die Rolle der Hauptinformationsquelle. Entsprechend haben auch andere Temperamentsforscher Elternfragebögen entwickelt, mit dem sie das kindliche Temperament erfassen. Einen Überblick über die verschiedenen Instrumente über die EASDimensionen hinaus liefern zum Beispiel Slabach, Morrow und Wachs (1991).

Das Temperament durch Elternbeurteilung zu erfassen hat mehrere Vorzüge. Zunächst erhebungs- technische: Die Information ist einfach und kostengünstig einzuholen. Weder muß ein Kind in ein Labor geholt werden, noch muß aufwendig ein Beobachter über längere Zeit in die Familie oder die Schulklasse kommen. Aber auch inhaltlich spricht für die Erhebung mittels der Eltern, daß sie dieje- nigen sind, die ihre Kinder bereits über einen langen Zeitraum über viele Situationen hinweg beobach- ten konnten und daher gut „kennen“. Sie sind daher auch am ehesten in der Lage, formale Aspekte aus den vielen Verhaltensinhalten zu abstrahieren. Buss und Plomin (1984) haben aufgezeigt, daß Temperamentsdimensionen per definitionem breite Persönlichkeitseigenschaften sind, unter denen viele verschiedene Verhaltensweisen subsumiert sind. Aggregation über viele Situationen und Verhal- tensweisen erhöht daher die Reliabilität und Validität der Temperamentsmessung erheblich. Eltern liegt aus dieser Sicht die breiteste Informationsbasis vor.

Auf der anderen Seite birgt die Erhebung per Elternfragebogen auch Risiken. Denn erhoben wird letztendlich nicht das Temperament selbst, sondern die Wahrnehmung desselben durch die Eltern. Es sind daher Verzerrungen zu erwarten durch ihr unterschiedliches Verständnis der Items, durch ihre momentane psychische Verfassung, durch das Maß, in dem sie gerade das Verhalten ihres Kindes im Gedächtnis abrufen können und durch das Verhältnis, das sie im Moment des Ausfüllens ihrem Kind gegenüber besitzen (Goldsmith, 1996). Ebenso hat sich gezeigt, daß Eltern im Sinne eines Kontrasteffekts dazu neigen, eher die Unähnlichkeiten ihrer Kinder zu sehen (s.o.). Effekte der sozia- len Erwünschtheit müssen beim Elternurteil ebenfalls erwartet werden, weil sich Eltern für Eigen- schaften ihrer Kinder verantwortlich fühlen können.

Buss und Plomin haben auf der Grundlage ihrer revidierten Temperamentstheorie einen Elternfragebo- gen zur Erfassung des kindlichen Temperaments vorgeschlagen.

2.9.4 Das EAS Temperament Survey for Children

Bereits 1975 hatten Buss und Plomin einen Elternfragebogen herausgebracht, der auf die damals gültige EASI-Theorie zugeschnitten war. Der neue EAS-Temperamentsfragebogen (EAS Temperament Survey for Children) setzt sich zum einen zusammen aus den Skalen Emotionalität, Aktivität und Soziabilität, die dem Colorado Childhood Temperament Inventory (CCTI) von Rowe und Plomin (1977) entnommen wurden. Dieses wurde entworfen, indem die 20 Items einer Kurzform der EASI-Skalen zusammen mit neu formulierten Items, die auf den neun NYLS-Dimensionen basierten, einer gemein- samen Faktorenanalyse unterzogen wurden. Drei der auf diese Weise erhaltenen sechs Skalen ent- sprechen dem EAS-Konzept. Bei der Soziabilitätsskala fiel auf, daß sie eine Mischung aus Soziabili- tät und Schüchternheit darstellt und daher, wie in den meisten Temperamentsstudien, eher Schüch- ternheit erfaßt. Soziabilität und Schüchternheit werden von vielen Forschern nicht unterschieden, zum Teil sicherlich auch, weil im frühen Kindesalter Soziabilität schwierig zu erheben ist (Buss & Plomin, 1984, S. 102). Wie aber bereits oben ausgeführt wurde, sehen Buss und Plomin sehr wohl einen Unterschied zwischen diesen beiden Persönlichkeitszügen. Die Soziabilitätsskala des CCTI wurde daher in umgekehrter Codierung als Schüchternheitsskala in den EAS-Fragebogen aufgenommen. Versuchsweise wurden die Soziabilitätsitems des Erwachsenenfragebogens adaptiert und als Sozia- bilitätsskala beigefügt. Es existieren daher auch keine Daten hinsichtlich der psychometrischen Ei- genschaften dieser Skala; zu den anderen Skalen werden Mittelwerte und Standardabweichungen bei Buss und Plomin (1984), sowie bei Rowe und Plomin (1977) berichtet. Die englische Originalversion dieses Fragebogens ist in Tabelle 1 wiedergegeben:

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Tabelle 1 EAS Temperament Survey for Children: Elternversion (Buss & Plomin, 1984)

1. Child tends to be shy. (Schüchternheit)

2. Child cries easily. (Emotionalität)

3. Child likes to be with people. (Soziabilität)

4. Child is always on the go. (Aktivität)

5. Child prefers playing with others rather than alone. (Soziabilität)

6. Child tends to be somewhat emotional. (Emotionalität)

7. When child moves about, he usually moves slowly. (Aktivität) (-)

8. Child makes friends easily. (Schüchternheit) (-)

9. Child is off and running as soon as he wakes up in the morning. (Aktivität)

10. Child finds people more stimulating than anything else. (Soziabilität)

11. Child often fusses and cries. (Emotionalität)

12. Child is very sociable. (Schüchternheit) (-)

13. Child is very energetic. (Aktivität)

14. Child takes a long time to warm up with strangers. (Schüchternheit)

15. Child gets upset easily. (Emotionalität)

16. Child is something of a loner. (Soziabilität) (-)

17. Child prefers quiet, inactive games to more active ones. (Aktivität) (-)

18.When alone, child feels isolated. (Soziabilität)

19. Child reacts intensely when upset. (Emotionalität)

20. Child is very friendly with strangers. (Schüchternheit) (-)

Erläuterungen: Die Eltern werden aufgefordert, jedes der Items auf einer Skala von 1 = „not characte- ristic or typical of your child“ bis 5 = „very characteristic or typical of your child“ einzuschätzen; dabei sind nur die Skalenenden verbal bezeichnet. Skalenwerte werden gebildet, indem die Itemscores addiert und durch 5 (Anzahl der Items) dividiert werden, um einen Skalenwert zu erhalten, der im Sin- ne der 5-stufigen Itemskalen interpretierbar ist. Mit (-) gekennzeichnete Items werden vor der Auswer- tung umgekehrt codiert.

In der Folgezeit ist von diesem Fragebogen jedoch offensichtlich wenig Notiz genommen worden, obwohl er durch seine Kürze ein komfortables Meßinstrument zu bieten scheint. Im Colorado Adopti- on Project (CAP; Plomin & DeFries, 1985), an dem Plomin selbst beteiligt ist, kommt der CCTI zum Einsatz, dessen Skala Soziabilität auch Schüchternheit erfaßt (s.o.). Bei Durchsicht der Literatur wurden nur Standardwerte für eine niederländische Stichprobe gefunden, die diesen Fragebogen in einer niederländisch übersetzten Form vorgelegt bekommen hatte (Boer & Westenberg, 1994). Insbe- sondere was die Soziabilitätsskala anbelangt, sind daher bislang keine Angaben über die psychomet- rischen Eigenschaften verfügbar (mit Ausnahme, wie gesagt, von Boer & Westenberg, 1994). Auch ineiner Übersicht von Slabach et al. (1991) wird nur die Vorgängerversion EASI-III erwähnt, die jedoch nicht alle Items mit dem EAS-Fragebogen gemeinsam hat. Boer und Westenberg (1994) bemerken weiterhin, daß es keine Daten über die gesamte Altersspanne gibt, für die der Fragebogen aufgrund der Anlage der Items geeignet ist.

Um diese Lücke zu schließen, haben Boer und Westenberg (1994) eine niederländische Version des Fragebogens anhand von 222 Kindern im Alter von 4 bis 13 Jahren überprüft. In Faktorenanalysen konnten sie die Skalen, die aus dem CCTI stammen, replizieren. Die Items der Soziabilitätsskala bildeten jedoch keinen eigenständigen Faktor, sondern luden gleichermaßen auf Schüchternheit und auf Aktivität. Ein Soziabilitätsitem (Item 18, s.o.) lud mäßig auf Emotionalität. In einer Korrelationsanalyse der Skalen korrelierte Soziabilität mit Schüchternheit und mit Aktivität, wobei sich ein Alterstrend feststellen ließ, indem Soziabilität bei den jüngeren Kindern stärker mit Schüchternheit zusammenhing, bei den älteren stärker mit Aktivität. Diesen Befund schrieben sie jedoch dem Zufall zu und regten an, dies anhand klarer unterscheidbarer Gruppen zu überprüfen.

2.9.5 Projektintern entwickelte deutsche Version

Für das Forschungsprojekt „Soziale Übergänge im Kindesalter“ am Psychologischen Institut der Uni- versität zu Köln unter der Leitung von Dr. W. Beelmann wurde eine deutsche Version der EAS-Skalen entwickelt. Sie wurde außerdem mit den vier Items der Skala „Rhythmizität-Essen“ aus der deut- schen Version des DOTS-R von Windle und Lerner (1986) (Köfel, 1988, zit. nach Schwarz und Rinker, 1996) ergänzt, die für die Elternversion adaptiert wurden. Diese deutsche Fassung, die in Tabelle 2 wiedergegeben ist, enthält dadurch 24 Items, statt der 20 im Original. An diesen Fragebogen soll nicht der Anspruch eines psychologischen Tests angelegt werden, sondern er ist als Forschungsin- strument für Gruppenvergleiche konzipiert. Wenn im folgenden von der „deutschen Version des EAS- Fragebogens“ die Rede ist, so ist der Kürze halber auch die Skala Rhythmizität-Essen impliziert, im Bewußtsein, daß diese eigentlich nicht Buss und Plomins EAS-Konzept angehört.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2 Deutsche Fassung der EAS-Skalen

1. Mein Kind ißt jeden Tag normalerweise gleich viel. (Rhythmizität-Essen)

2. Mein Kind neigt zu Schüchternheit. (Schüchternheit)

3. Mein Kind fängt leicht an zu weinen. (Emotionalität)

4. Mein Kind ist gerne mit anderen zusammen. (Soziabilität)

5. Mein Kind ist immer in Bewegung. (Aktivität)

6. Mein Kind spielt lieber mit anderen als alleine. (Soziabilität)

7. Mein Kind ißt mittags ungefähr gleich viel, ganz egal, ob es zu Hause, auf Besuch oder unterwegs ist. (Rhythmizität-Essen)

8. Mein Kind neigt dazu, gefühlsmäßig zu reagieren. (Emotionalität)

9. Mein Kind bewegt sich eher langsam. (Aktivität) (-)

10.Mein Kind schließt leicht Freundschaften. (Schüchternheit) (-)

11. Schon bald nach dem Aufwachen ist mein Kind aktiv und rennt herum. (Aktivität)

12.Mein Kind beschäftigt sich lieber mit Menschen als mit irgend etwas anderem. (Soziabilität)

13.Mein Kind ißt täglich gleich viel zum Abendbrot. (Rhythmizität-Essen)

14.Mein Kind ist oft nörgelig und weinerlich. (Emotionalität)

15.Mein Kind ist sehr sozial. (Schüchternheit) (-)

16.Mein Kind besitzt sehr viel Energie. (Aktivität)

17.Mein Kind braucht lange, um mit Fremden warm zu werden. (Schüchternheit)

18.Mein Kind ist leicht aufgebracht. (Emotionalität)

19.Mein Kind hat täglich den gleichen Appetit. (Rhythmizität-Essen)

20.Mein Kind ist eher ein Einzelgänger. (Soziabilität) (-)

21.Mein Kind bevorzugt ruhige, passive Spiele gegenüber eher aktiven. (Aktivität) (-)

22. Sobald mein Kind alleine ist fühlt es sich einsam. (Soziabilität)

23.Mein Kind reagiert sehr intensiv, wenn es erregt ist. (Emotionalität)

24.Mein Kind ist zu Fremden sehr freundlich. (Schüchternheit) (-)

Erläuterungen: Die Items sollen von den Eltern auf einer 5-stufigen Skala eingeschätzt werden (Die Aussage trifft 1=gar nicht, 2=wenig, 3=teilweise, 4=ziemlich, 5=völlig zu). Skalenscores werden entsprechend der Originalversion gebildet. Mit (-) gekennzeichnete Items werden wie in der englischen Originalversion umgekehrt codiert.

3 FRAGESTELLUNG

3.1 Erprobung des deutschen EAS-Fragebogens

Das EAS-Temperamentsinventar wurde als Forschungsinstrument konzipiert und für diese Zwecke auch in die deutsche Sprache übersetzt. Zunächst soll untersucht werden, inwieweit dieser deutschen Version die gleiche faktorielle Struktur zugrundeliegt wie dem amerikanischen Original, so daß sie sich zur Erfassung der EAS-Dimensionen und von Rhythmizität-Essen nach Windle & Lerner (1986) eignet. Für die Soziabilitätsskala fehlen auch im amerikanischen Original psychometrische Kennwerte, denn sie wurde von Buss und Plomin „experimentell“ hinzugefügt. An der deutschen Version soll überprüft werden, ob diese Skala faktorielle Eigenständigkeit besitzt oder, wie bei Boer und Westenberg (1994), mit Aktivität und Schüchternheit zusammenhängt.

Mittels Itemanalysen und Konsistenzberechnung sollen die bestätigten oder aufgrund der Faktoren- analysen modifizierten Skalen auf ihre Tauglichkeit als Meßinstrument für Gruppenvergleiche unter- sucht werden.

Eine weitere Frage bezüglich des Instruments wird sein, ob die Dimensionen, wie eigentlich von Buss und Plomin (1984) gefordert, unabhängig voneinander sind.

3.2 Alters- und Geschlechtseffekte

Temperamentsmerkmale sind nach Definition von Buss und Plomin (1984) relativ stabile Merkmale. In unserer vorliegenden Stichprobe finden wir Kinder drei verschiedener Altersgruppen vor, die wir hinsichtlich ihres Temperaments vergleichen können. Relativ veränderungsresistente Merkmale müßten in den drei Altersgruppen zu gleichen Mittelwerten auf den fünf Skalen führen. Wie oben referiert, finden sich Alterstrends meist vor allem bei Rhythmizität, Aktivität und Soziabilität, indem die Kinder mit zunehmendem Alter vorhersehbarer in ihrem Rhythmus, weniger aktiv und soziabler werden. Eine Frage ist in diesem Zusammenhang auch, ob es qualitative Veränderungen in den Dimensionen gibt, erfaßbar über sich ändernde Skalenkorrelationen.

In allen menschlichen Gesellschaften sind die Geschlechterrollen mehr oder weniger diversifiziert. Eine Frage in diesem Zusammenhang wäre, ob Te mperamentsunterschiede zum Teil für diese Rol- lenunterschiede verantwortlich gemacht werden können. Der landläufigen Meinung nach billigt man z. B. Mädchen eher den Ausdruck von Gefühlen zu als Jungen (Emotionalität). Ein Fehlen von Geschlechtseffekten würde zumindest darauf hindeuten, daß Temperamentseigenschaften wenig Einfluß auf Geschlechterrollen nehmen und, unterschiedliche Sozialisation der Geschlechter vorausgesetzt (s. z.B. Schmidt-Denter, 1988), verhältnismäßig resistent gegenüber Umwelteinflüssen sind. Da in der einschlägigen Literatur meist von eher geringen Geschlechtseffekten berichtet wird (s.o.), wird auch in unserer Stichprobe mit nur wenigen und geringen Geschlechtseffekten gerechnet.

Wenngleich quantitativ mit wenigen Geschlechtseffekten gerechnet wird, so können doch qualitative Unterschiede bestehen, wie z.B. Buss (1991) in bezug auf Soziabilität angemerkt hat (s.o.). Diese können sich in unterschiedlichen Skalenkorrelationen niederschlagen. Da z.B. Jungen den aktiveren Spielstil ihrer Väter schätzen (Schmidt-Denter, 1988, S. 53), ist es denkbar, daß Soziabilität bei ihnen stärker mit Aktivität zusammenhängt als bei den Mädchen.

4 EMPIRISCHER TEIL

4.1 Untersuchungsrahmen

Das deutsche EAS Temperaments Survey wurde im Rahmen eines Forschungsprojektes über soziale Übergänge im Kindesalter der Universität zu Köln eingesetzt. Gegenstand dieses Forschungsprojek- tes war die kindliche und familiäre Bewältigung der drei Übergänge „Übergang in den Kindergarten“, „Übergang in die Grundschule“ und „Übergang auf die weiterführende Schule“. Als Rahmenkonzept diente das Konzept des Kritischen Lebensereignisses von Filipp (1990). Anhand von zwei Erhebun- gen, zwischen denen der Übergang stattfand, sollten Risiko- und Schutzfaktoren für die kindliche und familiäre Bewältigung dieses Ereignisses herausgestellt werden, um so gegebenenfalls Ansätze zu einer besseren Beratung und Begleitung von gefährdeten Kindern und ihren Familien zu finden. Inner- halb dieses Rahmens wurde das kindliche Temperament als Personenmerkmal des Kindes durch die Eltern erhoben.

Es wurden Stichproben von vollständigen deutschen Familien gezogen (d.h. mindestens ein Elternteil deutsch, Kind lebt mit beiden Eltern in einem Haushalt), deren ältestes oder einziges Kind einen dieser drei Übergänge im Erhebungsjahr vor sich hatte. Als Datenquellen dienten die Kinder selbst, ihre Eltern und eine Bezugsperson außerhalb der Familie. Dies war bei den Kindern, die in den Kin- dergarten kamen, entweder eine Spielegruppenleiterin oder eine andere Person außerhalb der Fami- lie, die das Kind gut kannte. Bei den angehenden Grundschülern wurde die Leiterin der Kindergarten- gruppe befragt, bei der Gruppe der Kinder, die in die weiterführende Schule kamen, die Klassenlehre- rin oder der Klassenlehrer. Falls sich von den oben genannten Personen jemand weigerte, den Frage- bogen auszufüllen, wurde von den betreffenden Eltern eine andere Person außerhalb der Kernfamilie ausgewählt (Eltern von Freunden, Nachbarn, die das Kind gut kannten, Großeltern etc.).

Da für diese Arbeit der EAS-Elternfragebogen alleinig interessiert, sind die Untersuchungsdimensionen sowie die zum Einsatz gekommenen Verfahren in Tabelle A 1 im Anhang aufgeführt.

4.2 Untersuchungsdurchführung

4.2.1 Datenerhebung

Die gesamte Untersuchung wurde von einer Diplomanden-Arbeitsgemeinschaft im Zeitraum vom März bis zum Juni 1997 durchgeführt. Diese Gruppe besorgte auch die Rekrutierung der Stichprobe. Dies geschah über Ansprache persönlich bekannter Familien sowie durch Aushänge und Vorsprache an Elternabenden der betreffenden Institutionen. Waren Eltern gefunden, kam jeweils ein Diplomand nach Terminabsprache zu den Familien nach Hause. Den Eltern wurden die Fragebögen vorgelegt, die sie während der Erhebung der kindlichen Daten bearbeiteten. Teilweise wurden die Fragebögen auch vorab vor dem Erhebungstermin zur Bearbeitung zugeschickt. Die Lehrer- bzw. Erzieherfragebögen wurden mit einem frankierten Rückumschlag über die Eltern an die betreffende Person weitergeleitet, die ihn dann direkt an das Psychologische Institut zurückschickte. Auf diese Weise konnten „Gefäl- ligkeitsantworten“ vermieden werden, die sonst entstanden wären, wenn die antwortenden Personen sich durch ein „Gegenlesen“ der Eltern kontrolliert gefühlt hätten.

4.2.2 Zusammensetzung der Stichprobe

In die Stichprobe gingen 223 Kinder ein. Von diesen sind 110 weiblichen und 113 männlichen Ge- schlechts. Die Verteilung der Geschlechter auf die Altersgruppen sowie die jeweiligen Mittelwerte, Standardabweichungen, Maxima und Minima der Altersvariablen sind in der Tabelle 3 wiedergegeben. Aus ihr ist ersichtlich, daß sich die Jungen altersmäßig unwesentlich von den Mädchen unterschei- den und daß die Übergangsgruppen klar unterscheidbare Altersgruppen ohne Altersüberschneidungen bilden.

Die meisten Familien (66,8%) stammten aus der Mittelschicht. Die genauen Anteile der Schichtzuge- hörigkeiten anhand des derzeit ausgeübten Berufs des Vaters sind in Abbildung 1 wiedergegeben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 3 Zusammensetzung der Stichprobe

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 Schichtzugehörigkeit der Familien in der Stichprobe, erfaßt über den derzeit ausge-

Zuordnung nach Kleining & Moore (1968). Feinunterteilungen in den Kategorien „Unterschicht“ und „Mittelschicht“ sind nicht wiedergegeben.

4.3 Angewandte Methoden der Datenanalyse

Um die faktorielle Validität zu überprüfen, wurden konfirmatorische Faktorenanalysen mit dem Pro- gramm LISREL 7.0, das als Zusatzmodul in SPSS für Windows, Version 6.1.3, integriert ist, durchge- führt. Wie Weede und Jagodzinski (1977) an einem pfadanalytischen Modell aufgezeigt haben, eignet sich dieses Verfahren besser, um Hypothesen über eine den Daten zugrunde liegende Faktorenstruk- tur zu überprüfen, als die gemeinhin angewandte exploratorische Faktorenanalyse, die streng ge- nommen weniger zur Hypothesentestung als zur Hypothesengenerierung angewandt werden darf (Bortz, 1985). Besonderer Vorzug ist, daß vermutete Faktorenladungsmuster (in unserem hier vorlie- genden Fall Null-Ladungen auf die Faktoren, denen die Items a priori nicht zugeordnet sind) vorgege- ben werden können und Maße für die Güte der Anpassung des Faktorenmodells existieren (c², Good- ness-of-Fit-Index). Danach wurde eine exploratorische Faktorenanalyse nach dem Hauptkomponen- tenverfahren mit anschließender Varimaxrotation durchgeführt mit dem Ziel, die Items zu erfassen, die offensichtlich anderen Dimensionen angehören als eigentlich vorgesehen. Aufgrund des Ergebnisses dieser Faktorenanalyse wurden sodann die Skalen modifiziert.

Die Reliabilität der modifizierten Skalen wurde mit Hilfe der internen Konsistenzen, gemessen an a- Koeffizienten, abgeschätzt. Neben der Berechnung univariater Statistiken für alle Items wurden Itema- nalysen vorgenommen, indem die korrigierten Skalen-Item-Korrelationen sowie die Schwierigkeitsin- dizes berechnet wurden. Die Unabhängigkeit der gefundenen Dimensionen wurde durch Berechnung der Pearson-Korrelationen zwischen den Skalenwerten überprüft. Da sich signifikante Korrelation zwischen den Dimensionen Aktivität, Soziabilität und Schüchternheit nachweisen ließen (s.u.), wur- den mittels Hauptachsenanalyse die Ladungen dieser Dimensionen auf einen gemeinsamen Faktor ermittelt.

Zur Überprüfung von Altersgruppen- und Geschlechtseffekten auf die Skalenwerte wurde eine multiva- riate Varianzanalyse durchgeführt. Bei vorhandenen Altersgruppeneffekten wurde in einfaktoriellen Varianzanalysen mittels des Scheffé-Tests auf dem Signifikanzniveau von a = 5% getestet, welche Altersgruppen sich signifikant in den Skalenmittelwerten voneinander unterscheiden.

4.4 Ergebnisse

4.4.1 Faktorenstruktur der EAS

4.4.1.1 Konfirmatorische Faktorenanalysen der EAS

In diesem Abschnitt soll die Hypothese getestet werden, daß die Items die einzelnen Dimensionen messen, denen sie jeweils a priori zugeordnet wurden. Hierzu wurde im SPSS-Zusatzprogramm LIS- REL 7.2 die Nullhypothese getestet, daß die Items auf die jeweils korrespondierenden Faktoren la- den, auf die anderen jedoch nicht. Die Faktoren wurden als orthogonal zueinander stehend festge- setzt. Das Programm LISREL schätzt die freien Parameter standardmäßig nach der Maximum- Likelihood-Methode. Diese darf aber nur dann angewandt werden, wenn die Variablen intervallskaliert und multivariat normalverteilt sind. Beide Voraussetzungen können jedoch bei den vorliegenden Daten nicht unbedingt als gegeben angesehen werden. Berechnungen von Schiefe und Exzeß der einzelnen Items ergaben, daß zumindest für einige Items die Normalverteilungsvoraussetzung als nicht gegeben angesehen werden kann (s. Tabelle A 2 im Anhang). Wenn auch meistens Ratingskalen in Fragebö- gen so behandelt werden, als seien sie intervallskaliert, so ist die realistischere Einschätzung sicher- lich die, daß es sich um Skalen handelt, die schlechter als Intervallskalen und besser als Ordinalska- len sind (Bortz, 1985). Die Programmautoren von LISREL 7.0 schlagen in diesem Fall vor, eine Matrix polychorischer Korrelationen zwischen den Items mit Hilfe der Methode der gewichteten kleinsten Quadrate (Weighted Least Squares, WLS) einer Parameterschätzung zugrundezulegen, die vertei- lungsunabhängig ist (Jöreskog & Sörbom, 1988). Die hierzu erforderlichen Matrizen wurden mit PRE- LIS, ebenfalls unter SPSS verfügbar, erstellt.

Zur Abschätzung der Frage, wie gut das Modell die beobachteten Itemkorrelationen erklärt, stehen verschieden Maße zur Verfügung: Das c ² stellt einen Signifikanztest für das gesamte Modell dar. Da es hier darum geht, die Nullhypothese anzunehmen, sollte es im Vergleich zu den Freiheitsgraden möglichst niedrig sein bei einer entsprechend hohen a-Wahrscheinlichkeit. Dieses Maß ist jedoch problematisch bei großen Stichprobengrößen und bei der Analyse von Korrelationsmatrizen (Jöreskog & Sörbom, 1988). Zusätzlich gibt es den Goodness-of-Fit-Index (GFI) und den Ajusted Goodness-of- Fit-Index (AGFI), die den Zuwachs an Information durch geschätzte Parameter angeben. Letztere sind unabhängig von der Stichprobengröße und robust gegenüber Verletzungen der Normalverteilungsannahme, jedoch ist wenig über ihre Verteilung bekannt. Sie sollten sich konventionsgemäß über .90 befinden, wenn von einem angepaßten Modell ausgegangen werden soll.

In einer ersten konfirmatorischen Faktorenanalyse wurden die Ladungen der Items auf den korrespon- dierenden Faktoren und die Itemfehlervarianzen (d) zur Schätzung freigegeben. Der Orthogonalitätsannahme entsprechend wurden die Faktorenkorrelationen auf Null festgesetzt. Die Ergebnisse sind in Tabelle 4 dargestellt.

Die Ladungen sind mit Ausnahme bei Rhythmizität-Essen eher mäßig oder sogar sehr niedrig (insbe- sondere Item 22 und Item 15). Ein im Vergleich zu den Freiheitsgraden sehr hohes c ² und Anpas- sungsindizes von unter .90 lassen darauf schließen, daß das A-priori-Modell die Daten eher schlecht repräsentiert. Ein naheliegender Grund könnte sein, daß die Faktoren nicht orthogonal sind, wurden doch signifikante Korrelationen unter den Skalen in der Literatur berichtet (Boer & Westenberg, 1994). Daher wurden in einer weiteren konfirmatorischen Faktorenanalyse die Faktorkorrelationen als zu schätzende Parameter freigegeben. Die Ergebnisse dieser Faktorenanalyse sind in Tabelle 5 wieder- gegeben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 4 Konfirmatorische Faktorenanalyse der deutschen EAS-Skalen, orthogonale Lösung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 5 Konfirmatorische Faktorenanalyse der deutschen EAS-Skalen, Faktorenkorrelationen freigegeben

Das Modell ist nun deutlich angepaßter. Ein GFI von über .90 und ein AGFI von knapp .90 sprechen für diesen Sachverhalt. Daß das c ² weiterhin signifikant ist, kann mit der Tatsache zusammenhängen, daß die Stichprobe recht groß ist. Zieht man noch hinzu, daß hohe Variablenzahlen zu weniger ange- paßten Modellen führen, so kann ungeachtet eines noch recht hohen c ² aufgrund des GFI-Wertes insgesamt von einem einigermaßen angepaßten Modell ausgegangen werden; das heißt, die Dimen- sionalität des Fragebogens ist im Großen und Ganzen bestätigt, mit Ausnahme einiger Items.

Die Faktorenkorrelationen fallen deutlich stärker aus als die korrespondierenden Korrelationen der Skalenwerte, die bei Boer und Westenberg (1994) berichtet werden. Dies liegt darin begründet, daß in die Skalenwerte auch die durch das d erfaßten Itemvarianzen, die per Modelldefinition unkorreliert sind, einfließen, während es sich bei den Faktoren um latente Variablen handelt, die durch diese Fehlervarianzen unbeeinflußt sind. Die latenten Temperamentsdimensionen sind also nicht unabhän- gig voneinander. Besonders fällt auf, daß Aktivität, Soziabilität und Schüchternheit deutlich miteinan- der korrelieren. Dieser Befund wird breiten Raum im Diskussionsabschnitt einnehmen.

4.4.1.2 Exploratorische Faktorenstruktur der EAS

Da einige Ladungen weiterhin sehr niedrig sind (wiederum vor allem Item 15 und Item 22), soll im Folgenden in exploratorischen Faktorenanalysen der Frage nachgegangen werden, wie sich die Items auf die einzelnen Dimensionen verteilen. Es wurden exploratorische Faktorenanalysen nach dem Hauptkomponentenverfahren für die gesamte Stichprobe mit Varimaxrotation durchgeführt.

Obwohl anzunehmen ist, daß die Dimensionen miteinander korrelieren, wurde auf eine orthogonale Rotationstechnik zurückgegriffen, weil Gorsuch (1970, zit. n. Bortz, 1985) zeigen konnte, daß sie zu ähnlichen Resultaten führt wie die obliquen Techniken. Die Voreinstellung von SPSS legt das Kaiser- Guttmann-Kriterium (KGK: Eigenwert > 1) als Abbruchkriterium zugrunde. Dies führt jedoch häufig zu einer Überschätzung der Anzahl bedeutsamer Faktoren. Daher wurden nur die Faktoren rotiert, die sich vor dem Knick des Scree-Diagramms der Faktoren-Eigenwerte befinden (Bortz, 1985). Zusätzlich fanden die Kriterien von Rost und Schermer (1986, zit. n. Beelmann, 1994) Anwendung. Nach ihnen sind über die oben genannten Kriterien hinaus nur solche Faktoren zu interpretieren, die mindestens drei Markiervariablen aufweisen (d.h. Variablen mit folgenden Eigenschaften: h² ³ .16, a ³ .40, a²/h² ³ .50 und relative Eindimensionalität, d.h. die Differenz der Anteile der höchsten Ladungen an der Kommunalität beträgt mindestens 25%) und die inhaltlich im Sinne einer psychologischen Theorie oder der vorliegenden Befunde interpretierbar sind. In unserer Stichprobe ergeben sich nach dem Scree-Test fünf Faktoren, die 54,0% der Varianz aufklären (Siehe Eigenwertediagramm Abbildung A 1 im Anhang). Die Ladungen und Kommunalitäten sind in Tabelle 6 wiedergegeben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 6 Varimax-rotierte Faktorenladungen der deutschen EAS-Version

Im großen und ganzen finden wir auch bei der exploratorischen Vorgehensweise eine Bestätigung der a priori vorgegebenen faktoriellen Struktur. Wir erhalten fünf Faktoren, die sich inhaltlich entsprechend dem Ursprungskonzept interpretieren lassen. Im Sinne einer Einfachstruktur besitzen die meisten Items die deutlich höchste Ladung auf „ihrem“ Faktor. „Rhythmizität-Essen“ zeigt durch seine auffällig hohen Ladungen, daß die Items in hohem Maße das gleiche messen. Der Emotionalitätsfaktor dage- gen fällt durch größtenteils mäßige Ladungen (knapp über .50) auf. Abweichungen von der A-Priori- Struktur ergeben sich im einzelnen bei den Items 15 und 22, die jeweils auf andere Faktoren hoch laden, als sie eigentlich „sollen“. Item 12 kann eigentlich keinem Faktor zugeordnet werden, da die Ladungen sehr niedrig und dazu noch auf zwei Faktoren nahezu gleich hoch sind. Mit einer Kommu- nalität von .27 wird der überwiegende Teil der Varianz nicht durch die Faktoren erklärt. Es sollte daher aus der Skala herausgenommen werden. Daß dies so ist, erklärt sich möglicherweise dadurch, daß dieses Item in seinem Bedeutungsgehalt nicht nur die Tendenz widerspiegelt, mit anderen zu sein, sondern Menschen als Beschäftigungsobjekt gegenüber anderen Objekten überhaupt in den Mittel- punkt rückt. „Sich mit Menschen beschäftigen“ besitzt im übrigen auch Bedeutungen wie etwa „Men- schen beobachten“ oder „sich mit Menschen befassen“, und dieser Bedeutungsaspekt geht an der eigentlichen Bedeutung von Soziabilität etwas vorbei. Das amerikanische Originalitem „Child finds people more stimulating than anything else“ gibt den Erregungsaspekt von Soziabilität auch besser wieder.

Item 15 wechselt zum Soziabilitätsfaktor. Bei Boer und Westenberg (1994) lud dieses Item sehr hoch auf den Schüchternheitsfaktor, ebenso ist dieses Item im CCTI, aus dem es stammt, klar dieser (dort aber als Soziabilität bezeichneten) Dimension zugeordnet. Diese Diskrepanz ist möglicherweise daraus erklärbar, daß die deutsche Übersetzung dieses Items („Child is very sociable.“) nicht ganz korrekt ist: „Sociable“ bedeutet eigentlich „gesellig“, während die Übersetzung „sozial“ eher Konnotationen wie: „Teilt gerne mit anderen“ beinhaltet.

Item 22 lädt am höchsten auf den Emotionalitätsfaktor. Dieser Befund deckt sich mit dem von Boer und Westenberg (1994). „Alleine sein“ fassen die Eltern offensichtlich eher als „getrennt von den El- tern“ auf als im Sinne von „ohne Freunde“. Daher bekommt dieses Item einen Bezug zu Furchtsam- keit, die auch eine Komponente von Emotionalität ist. Auf der anderen Seiten erniedrigte Item 22 bei der niederländischen Stichprobe die internen Konsistenzen sowohl der Soziabilitäts- als auch der Emotionalitätsskala. Bei der Überprüfung der Reliabilitäten (s. Abschnitt 4.4.2) wird dieses Item daher versuchsweise der Skala Emotionalität zugeordnet, um zu sehen, ob dieser Befund auch bei unserer Stichprobe vorliegt.

Ein „Sorgenkind“ ist somit die Soziabilitätsskala, die sich nicht auf einem Faktor abbildet, sondern sich über drei verschiedene Faktoren „verstreut“. Dies mag eine Folge der Tatsache sein, daß sie die Adaption einer Skala ist, die der Selbstbeurteilung von Erwachsenen dient. Hier haben wir es aber mit der Beurteilung von Kindern durch ihre Eltern zu tun. Hinzu kommen Ungenauigkeiten in der Überset- zung (s.o.). Da der Soziabilitätsfaktor so schwach ist, stellt sich die Frage, ob nicht eine Lösung mit vier Faktoren ebenfalls ausreichend ist. In einer solchen Lösung (s. Tabelle A 3 im Anhang) laden die Soziabilitätsitems zusammen mit den Aktivitätsitems auf einem Faktor (Ausnahme: Item 22, das weiterhin im Emotionalitätsfaktor verbleibt). Auch dies ist ähnlich dem Befund von Boer und Westen- berg (1994). Die Ladungen sind dann aber niedriger, außerdem werden nur noch 47,9% der Varianz durch die Faktoren aufgeklärt. Item 4 verliert seine Eindimensionalität. Inhaltlich ist anzumerken, daß Aktivität und Soziabilität zwei unterschiedliche Merkmale bleiben, wenn sie auch miteinander zu- sammenhängen mögen. Daher wird angenommen, daß die Fünf-Faktoren-Lösung die Struktur der Daten besser reproduziert. Mit kleinen Modifikationen der Itemzuordnung können also mit diesem Fragebogen die EAS-Dimensionen und das Temperamentsmerkmal Rhythmizität-Essen erfaßt werden, wenn auch von der Skala „Soziabilität“ nicht mehr viele Items übrig bleiben.

4.4.2 Die Reliabilität der modifizierten EAS-Skalen

4.4.2.1 Interne Konsistenzen

Anhand der Faktorenanalysen konnte nachgewiesen werden, daß die ursprüngliche Dimensionalität des Fragebogens auch für die deutsche Stichprobe anhand der deutschen Version zutrifft. Es soll nun anhand der internen Konsistenzen (Cronbachs a) und durch Itemanalysen untersucht werden, wie zuverlässig die Messung der EAS-Dimensionen und von Rhythmizität-Essen ist. Als Grundlage sollen dabei die Skalen dienen, die sich aus der obigen Faktorenanalyse ergeben, wenn Items mit Faktoren- ladungen a ³ .50 berücksichtigt werden. Da weiter unten ein Gruppenvergleich hinsichtlich der Ska- lenwerte vorgenommen werden soll, wird auch der Frage nachgegangen werden, ob hinsichtlich Alter und Geschlecht der Kinder augenfällige Unterschiede in den Reliabilitäten bestehen. Die mittels des Moduls RELIABILITY in SPSS für Windows ermittelten a-Koeffizienten für die Gesamtstichprobe und für die einzelnen Alters- und Geschlechtsgruppen sind in Tabelle 7 wiedergegeben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 7 a-Koeffizienten der modifizierten EAS-Skalen: gesamte Stichprobe und getrennt nach

Emotionalität mit Item 22; Soziabilität mit Item 15, ohne Item 12 u. 22; Schüchternheit ohne Item 15. Die anderen Skalen sind wie im Original zusammengesetzt.

Zahlen auf zwei Stellen hinter dem Komma gerundet.

Für die gesamte Stichprobe erhalten wir Werte, die für den dem Fragebogen zugedachten Zweck ausreichend sind (Lienert, 1989). Betrachtet man die Ergebnisse in den Subgruppen, so finden sich teils erhebliche Unterschiede. Auffällig ist in der Gruppe der angehenden Kindergartenkinder ein nied- riger a-Koeffizient der Soziabilitätskala bei sonst guten Werten bei den anderen Skalen. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, daß den Eltern der angehenden Kindergartenkinder noch die Erfahrungs- grundlage zur Beurteilung dieser Dimension fehlt: Sie erleben ihre Kinder vorwiegend in der häuslichen Umgebung; Freunde spielen (von Spielegruppen abgesehen) noch eine untergeordnetere Rolle als in den anderen Altersgruppen.

Emotionalität besitzt in allen Altersgruppen die gleiche Zuverlässigkeit, vergleicht man aber den Wert bei den Mädchen mit dem bei den Jungen, so fällt auf, daß die Skala bei den Mädchen deutlich we- niger konsistent ist; den gleichen Befund bekommen wir bei der Skala Soziabilität. Beide Tempera- mentsdimensionen sind, entsprechend Buss’ und Plomins Präferenz, sehr breite Persönlichkeitsei- genschaften. So gehen Buss und Plomin davon aus, daß Emotionalität sich mit wachsenden Alter in Zorn, Furcht und Unlust differenziert. Dennoch ist nur eine Skala für Emotionalität vorhanden, so daß diese verständlicherweise eine niedrigere Konsistenz aufweisen muß. Mädchen sind im Ausdruck von Emotionalität möglicherweise differenzierter als Jungen, oder dieser Ausdruck wird von den Eltern differenzierter wahrgenommen, so daß sich dies in einer niedrigeren Konsistenz der Skala „Emotiona- lität“ niederschlägt. Ähnlich mag es bei Soziabilität sein, auch wenn Buss und Plomin konzeptuell keine Differenzierung dieser Eigenschaft vornehmen. Die Werte fallen jedoch nicht unter die kritische Marke von a=.50, so daß auch hier die Brauchbarkeit als eine einheitliche Skala immer noch gewahrt bleibt.

Stabilste und konsistenteste Skala über alle Alters- und Geschlechtsgruppen hinweg ist die Skala Rhythmizität-Essen. Das war auch bei den Faktorenanalysen dadurch erkennbar, daß diese Items auf einen Faktor hoch luden. Die Gründe liegen einmal in der Itemformulierung, die fast tautologisch anmutet (Item 1, 13 und 19 fragen den gleichen Sachverhalt ab). Zum anderen haben die Eltern beim Eßverhalten den sichersten Überblick, denn es kann davon ausgegangen werden, daß die Kinder in den meisten Familien unabhängig vom Alter zumindest Frühstück und Abendessen mit mindestens einem Elternteil zusammen einnehmen.

Über alle Skalen betrachtet interessant ist ein gewisser Alterseffekt; bei den ältesten Kindern sind die Skalen auch gleichzeitig am wenigsten konsistent (Ausnahmen: Emotionalität und Soziabilität).

Insgesamt betrachtet sind die Ergebnisse also etwas heterogen; geht man aber von der Anforderung aus, daß mit dem Fragebogen lediglich Gruppenvergleiche angestellt werden sollen, so reichen Koef- fizienten von ungefähr .50 aus (Lienert, 1989). Von dieser Seite aus betrachtet eignen sich die vorlie- genden Skalen für den in dieser Arbeit noch vorzunehmenden Vergleich der Alters- und Geschlechts- gruppen.

4.4.2.2 Itemanalyse

Bereits in den konfirmatorischen Faktorenanalysen (s.o.) fiel auf, daß einige Items nur sehr niedrig auf den Faktor luden, dem sie zugeordnet sind (vor allem die Items 15 und 22). In der exploratori- schen Faktorenanalyse ergab sich dann auch erwartungsgemäß, daß diese Items anderen Dimensi- onen angehören. Item 12 war keiner Dimension mehr zuzuordnen. Keines der übrigen Items war mehrdimensional. Es soll nun durch Itemanalysen untersucht werden, ob durch Auslassung von „schlechten“ Items, das heißt von solchen, die nur eine niedrige Trennschärfe besitzen, die Konsistenzmaße der Skalen weiter erhöht werden können. Die korrigierten Item-Skala-Korrelationen — das Maß für die Trennschärfe — wurden ebenfalls mit dem Modul RELIABILITY in SPSS für Windows berechnet. Zusätzlich wurde für jedes Item der a-Koeffizient ermittelt, der sich bei seiner Auslassung jeweils für die restliche Skala ergibt. Als zugrundeliegende Skalen wurden auch hier die modifizierten Skalen genommen, die sich aus der exploratorischen Faktorenanalyse ergeben, wenn Items mit einer Ladung von a ³ .50 Berücksichtigung finden. Da SPSS keine Option zur Berechnung von Schwierig- keitsindizes bereithält, wurden neue Variablen gebildet, indem die ursprünglichen Ausprägungen nach der Formel (xi-1)$100/4 umcodiert wurden. Die Mittelwerte der so erhaltenen Variablen entsprechen den Schwierigkeitsindizes der Ursprungsvariablen (vgl. Formel 8 in Jäger, 1995, 312: Der Schwierigkeits- index P entspricht dem Quotienten aus dem Spaltenmittelwert und dem höchstmöglichen Spaltenmit- telwert bei einem von 0 bis k gestuften Item).

Zunächst sollen diejenigen Items identifiziert werden, die so stark aus den Skalen herausfallen, daß ihre Auslassung die jeweiligen Skalenkonsistenzen erhöht. Durchgängig ist dies der Fall bei Item 7 in der Skala „Rhythmizität-Essen“ (s. Tabelle 8, zum Vergleich sind die Reliabilitäten der Gesamtskalen mitangegeben. Die Trennschärfekoeffizienten finden sich in der nachfolgenden Tabelle 9). Trotzdem wird es beibehalten, weil die Werte auch mit diesem Item noch sehr gut sind und weil dieses Item eine nicht ganz so tautologische Formulierung besitzt wie die anderen Items.

Entgegen den Ergebnissen der Faktorenanalyse wirkt Item 15, sowieso originär nicht der Skala „So- ziabilität“ angehörend, in den meisten Subgruppen und in der Gesamtstichprobe konsistenzmindernd. Dies ist nicht weiter verwunderlich, denn „sozial“ bedeutet weniger „gesellig“, wie das englische „soci- able“, sondern eher „gerne mit anderen teilend“ oder „soziale Regeln beachtend“, was über die eigent- liche Bedeutung der Dimension „Soziabilität“ hinausgeht. Für die Skala „Soziabilität“ bleiben somit nur noch drei Items, die aber eine passable Skala bilden, wenn man die Kürze bedenkt.

Anders als bei Boer und Westenberg (1994) wirkt Item 22 nur in der Gruppe der Kindergartenkinder konsistenzmindernd, ansonsten hat es einen leicht konsistenzerhöhenden Effekt, der sich zugegebenermaßen am ehesten aus der Verlängerung der Skala erklärt. Daher kann es in die Skala „Emotionalität“ aufgenommen werden, auch wenn es, anders als die anderen Items dieser Skala, Emotionalität in einer bestimmten Situation (nämlich beim Alleinsein) erfaßt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 8 a-Koeffizienten der modifizierten EAS-Skalen nach Entfernung eines Items

fett und unterstrichen: erhöhter a-Koeffizient gegenüber der Gesamtskala, wenn Item entfernt. KG: Kindergarten, GS: Grundschule, WS: Weiterführende Schule, M: Mädchen, J: Jungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 9 Trennschärfekoeffizienten der EAS-Items, gesamt, nach Übergang und nach Ge- schlecht

Der Blick auf die Trennschärfeindizes zeigt, daß sich die niedrigsten Trennschärfen bei den Skalen

Emotionalität und Soziabilität finden lassen. Den hohen a-Koeffizienten entsprechend besitzen die Items der Skala Rhythmizität-Essen sehr hohe Trennschärfen; selbst Item 7, das konsistenzmindernd wirkt, korreliert höher mit seiner Skala als so manches Item aus den anderen Skalen. Auch dies spricht dafür, dieses Item in der Skala zu belassen.

Ein entscheidendes Kriterium für die Differenzierungsfähigkeit eines Items ist der Schwierigkeitsin- dex. Tabelle 10 gibt einen Überblick über die Schwierigkeitsindizes. In den Skalen Aktivität und Sozi- abilität finden wir hohe bis zum Teil sehr hohe Indizes (Item 4!), Schüchternheit dagegen besteht aus Items mit relativ niedrigen Indizes. Hätten die Items der Skala Emotionalität nicht so niedrige Trenn- schärfen, so hätten wir eine beinahe lehrbuchhafte Skala, die optimal im unteren, mittleren und obe- ren Bereich differenziert, da sie sowohl leichte als auch mittlere und schwierige Items umfaßt.

Bei der Skala Rhythmizität-Essen finden wir im großen und ganzen in etwa mittlere Itemschwierigkeiten, so daß eine gute Differenzierungsfähigkeit erwartet werden kann.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 10 Schwierigkeitsindizes der EAS-Items

4.4.3 Korrelation der modifizierten EAS-Skalen

Zur Überprüfung der Frage, inwieweit die Skalen voneinander unabhängig sind wurden Pearson- Korrelations-Koeffizienten zwischen den Skalenwerten berechnet. Sie sind in Tabelle 11 wiedergege- ben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 11 Korrelationen zwischen EAS-Skalenwerten

Auf dem ersten Blick fällt auf, daß insbesondere die drei Skalen Aktivität, Soziabilität und Schüch- ternheit nicht orthogonal zueinander stehen, sondern — wenn auch nur mäßig — miteinander korre- lieren; ein Befund, der bereits bei der konfirmatorischen Faktorenanalyse nach Freigabe der Faktor- korrelationen zutage trat. Die signifikante Korrelation von r = -.34 zwischen Soziabilität und Schüch- ternheit ist der von Cheek und Buss (1981, zit. n. Buss & Plomin, 1984) bei Erwachsenen beobachte- ten von r = -.30 sehr ähnlich. Die höchste Korrelation finden wir zwischen Aktivität und Soziabilität, während Aktivität und Schüchternheit mäßiger miteinander korrelieren. Dies zusammen ist ein Indiz dafür, daß Soziabilität und Schüchternheit tatsächlich nicht pure Gegensätze sind (was eine höhere negative Korrelation zur Folge gehabt hätte), sondern eigene, wenn auch voneinander abhängige As- pekte des Temperaments wiedergeben, wie es auch von Buss und Plomin postuliert wurde (Buss & Plomin, 1984). Wird mit den Skalen Aktivität, Soziabilität und Schüchternheit eine Faktorenanalyse nach der Hauptachsenmethode durchgeführt, so erhalten wir einen Faktor höherer Ordnung, auf den die drei Variablen mit a = .71 für Soziabilität, a = .60 für Aktivität und a = -.49 für Schüchternheit la- den. Dieser Faktor erklärt 57,2% der gemeinsamen und 36,8% der gesamten Varianz und könnte mit einiger Vorsicht als Eysencks Faktor „Extraversion“ interpretiert werden, dessen Hauptkomponente Soziabilität ist (Zuckermann, 1991).

Emotionalität bildet eine unabhängige Dimension. Rhythmizität-Essen ist keine Originalskala von Buss und Plomin, die aber offensichtlich den Fragebogen um eine weitere unabhängige Temperamentsdimension erweitert.

4.4.4 Alters- und Geschlechtseffekte auf den Zusammenhang zwischen den EAS-Skalen

Sich verschiebenden Zusammenhänge zwischen nicht orthogonalen Dimensionen können Ausdruck qualitativer Verschiebungen dieser Dimensionen sein. Bedeutsame Alters- und Geschlechtsunterschiede konnten nur bei den Korrelationen zwischen den Skalen Aktivität, Soziabilität und Schüchternheit beobachtet werden. Daher werden nur diese hier wiedergegeben. Tabelle 12 gibt einen Überblick über die Korrelationen in den Alters- und Geschlechtsgruppen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 12 Alters- und Geschlechtsunterschiede bei den Korrelationen zwischen Aktivität, Sozi- abilität und Schüchternheit

Bei den Jungen korrelieren Aktivität und Soziabilität deutlich stärker miteinander als bei den Mäd- chen. Deutlicher ist dieser Unterschied noch bei der Korrelation zwischen Soziabilität und Schüch- ternheit. Bezüglich der Altersgruppen finden wir einen Trend zu höherer Korrelation zwischen Aktivität und Soziabilität mit steigendem Alter; den stärksten Zuwachs finden wir vom Vorschulalter zu den Viertklässlern. Hier nimmt auch die Korrelation zwischen Aktivität und Schüchternheit zu. Soziabilität und Schüchternheit hängen im Grundschulalter weniger zusammen als in den anderen Altersgruppen. Abbildung 2 und Abbildung 3 sollen diese Gruppenunterschiede noch einmal grafisch veranschauli- chen. Da bei dieser Betrachtung weniger die Richtung der Korrelationen interessiert, wurden die Be- träge ohne Vorzeichen eingegeben.

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Abbildung 2 Korrelationen zwischen Aktivität, Soziabilität und Schüchternheit nach Alter Kinderg.

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Abbildung 3 Korrelationen zwischen Aktivität, Soziabilität und Schüchternheit nach Geschlecht

Korrelationen zwischen Aktivität und Schüchternh. sowie zwischen Aktivität und Soziabilität sind ne- gativ.

4.4.5 Alters- und Geschlechtseffekte auf die EAS-Ausprägungen

Nachdem die deutsche Version des EAS-Temperamentsinventars auf ihre psychometrischen Eigen- schaften hin untersucht und zur Verbesserung modifiziert wurde, kann in diesem Abschnitt der Frage nachgegangen werden, ob sich Temperamentseigenschaften über das Alter hin verändern und ob sich die Geschlechter in einzelnen Temperamentsdimensionen unterscheiden. Hierfür wurde eine multiva- riate Varianzanalyse mit der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Übergangsgruppe und der Ge- schlechtzugehörigkeit als Faktoren und den Temperamentsscores der einzelnen Dimensionen als abhängige Variablen durchgeführt. Dort, wo sich signifikante Effekte der Variablen „Übergang“ zeigten, wurde mittels Scheffé-Test in einfaktoriellen Varianzanalysen ermittelt, welche Altersgruppen sich signifikant unterscheiden. In der Tabelle 13 finden sich die Mittelwerte und Standardabweichungen sowie, soweit signifikant, die F-Werte für die Variablen „Übergang“ und „Geschlecht“. Da keine signifi- kanten Interaktionseffekte von Übergang und Geschlecht zu beobachten waren, werden sie nicht be- richtet. Zur besseren Vergleichbarkeit wurden nur die Fälle berücksichtigt, bei denen sämtliche Ska- lenwerte verfügbar waren. Dadurch betrug die Gesamtfallzahl N =214.

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Tabelle 13 Mittelwerte und Standardabweichungen der modifizierten EAS-Skalen, gesamt und getrennt nach Alters- und Geschlechtsgruppen, sowie F-Werte von signifikanten Al- ters- und Geschlechtseffekten

Berücksichtigt sind nur die Fälle, bei denen sämtliche Skalenwerte zur Verfügung stehen.

* p £ .05; ** p £ .01; ns.: nicht signifikant.

KG = Übergang Kindergarten; GS = Übergang Grundschule; WS = Übergang Weiterführende Schule. Zahlen gerundet.

Signifikante univariate Effekte finden wir bei Rhythmizität-Essen sowohl für Übergang als auch für Geschlecht, bei Aktivität nur für Übergang. Die Jungen werden gleichmäßiger im Essensrhythmus eingeschätzt als die Mädchen. Dasselbe gilt nach dem Scheffé-Test für die Kinder, die auf die weiterführende Schule kommen, gegenüber den angehenden Kindergartenkindern. Der Geschlechtseffekt auf Rhythmizität-Essen ist jedoch recht gering: Es werden nur 2,1% der Varianz durch das Geschlecht erklärt. Beim Alter sind es immerhin 8,7% der Varianz.

Die angehenden Kindergartenkinder werden nach dem Scheffé-Test von ihren Eltern als aktiver sowohl gegenüber den künftigen Grundschülern als auch gegenüber den Kindern der Gruppe „Weiterführende Schule“ erlebt. Die durch das Alter der Kinder erklärte Varianz von Aktivität beträgt 5,3%. Der Unterschied zwischen den Gruppen „Grundschule“ und „Weiterführende Schule“ hingegen ist nicht signifikant. Sowohl hinsichtlich Emotionalität als auch hinsichtlich Soziabilität und Schüchternheit lassen sich keine Unterschiede zwischen den Altersgruppen und zwischen den beiden Geschlechtern feststellen. Zur Veranschaulichung sind die Skalenausprägungen für die Geschlechts- und die Altersgruppen in Abbildung 4 und Abbildung 5 wiedergegeben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4 EAS und Rhythmizität-Essen nach Geschlecht

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Abbildung 5 EAS und Rhythmizität-Essen nach Alter

5 DISKUSSION

5.1 Die Eignung der deutschen EAS-Skalen als Forschungsinstrument

Die erste Frage dieser Arbeit war, ob sich die deutsche erweiterte Version der EAS-Skalen von Buss und Plomin 1984) als Forschungsinstrument zur Erfassung des kindlichen Temperaments eignet. Diese Frage können wir für die vorliegende Stichprobe bejahen. Zum einen finden wir befriedigende faktorielle Validität vor, zum anderen sind die internen Konsistenzen, wenn man den Fragebogen nicht als psychologischen Test anwenden möchte, hinreichend.

Einzelne Items mußten wegen zu niedriger Ladungen aus den Fragebogen herausgenommen werden (Item 15 der Skala „Schüchternheit“, Item 12 der Skala „Soziabilität“), und ein Item wurde einer ande- ren Skala zugeschlagen (Item 22 wechselte von der Skala „Soziabilität“ zur Skala „Emotionalität“). Im Fall von Item 15 („Mein Kind ist sehr sozial“) muß dies einem Übersetzungsfehler angelastet werden: Das englische Wort „sociable“ ist nicht gleichbedeutend mit dem Wort „sozial“, sondern es wäre bes- ser wörterbuchgerecht mit dem Wort „gesellig“ übersetzt worden (Klatt, 1970). Dieses Item beinhaltet auch eher einen Sachverhalt, der zur Dimension Soziabilität besser paßt. Von dieser Seite betrachtet ist es aus inhaltlichen Erwägungen heraus sowieso überlegenswert, dieses Item grundsätzlich aus dieser Skala, die den engeren Zug Schüchternheit erfassen soll, herauszunehmen.

Nach der Modifizierung des Fragebogens finden wir zum anderen für Gruppenvergleiche hinreichende interne Konsistenzen der Skalen vor, vor allem wenn man bedenkt, daß die Anzahl der Items pro Ska- la recht gering ist (von sechs Items in der Skala „Emotionalität“ bis zu drei Items in der Skala „Sozia- bilität“) und daß Temperamentsdimensionen breite Persönlichkeitseigenschaften darstellen, die sich in vielen Situationen und bei vielen Verhaltensweisen zeigen. Angleitner und Riemann (1991) haben aufgezeigt, daß aus letzterem Grunde bei Temperamentsskalen niedrigere interne Konsistenzen zu erwarten sind als bei anderen Persönlichkeitsfragebögen und daß eine „blinde“ Anwendung itemanaly- tischer Strategien zur Erreichung homogener Skalen nicht ratsam ist. Die Gefahr ist dann groß, zu tautologischen Itemformulierungen zu kommen, die für die Erfassung von Temperamentsdimensionen inhaltlich zu enge Skalen herbeiführen. Ein Beispiel hierfür ist die Skala „Rhythmizität-Essen“, die aus Items besteht, die eigentlich nur einen einzigen Sachverhalt abfragen, nämlich den, ob das Kind jeden Tag die gleiche Menge Essen zu sich nimmt. Aus diesem Grund wurde auch Item 7 in der Ska- la belassen, auch wenn es leicht konsistenzmindernd wirkt. Es fragt nämlich ab, ob das Kind auch in verschiedenen Kontexten regelmäßiges Eßverhalten zeigt.

Es muß dennoch angemerkt werden, daß die internen Konsistenzen weit niedriger sind, als Rowe und Plomin (1977) für die Skalen Emotionalität, Aktivität und Schüchternheit im Original berichteten. Auch gegenüber der niederländischen Version von Boer und Westenberg (1994) sind bei unserer deutschen Version zum Teil deutlich niedrigere Konsistenzmaße zu vermerken. Ein auffälliges Bei- spiel ist die Skala Emotionalität (a=.61 ohne hinzugenommenes Item 22), die deutlich weniger konsi- stent ist als das amerikanische Original (a=.80 nach Rowe & Plomin, 1977) und die niederländische Version (a=.79 bei den Müttern, a=.78 bei den Vätern; Boer & Westenberg, 1994). Auch hier sind m. E. Fehler bei der Übersetzung einzelner Items unterlaufen, die den Items teilweise einen anderen Unterton gegeben haben. Auffälligstes Beispiel ist Item 14 (Original Item 11), das amerikanisch lautet: „Child often fusses and cries.“ (Buss & Plomin, 1984). Die Übersetzung der deutschen Version sieht so aus: „Mein Kind ist oft nörgelig und weinerlich.“ Aus der Beschreibung einer sich wiederholenden Aktivität ist zunächst einmal eine Beschreibung von Eigenschaften geworden, was dem Item die Schärfe nimmt. Zum zweiten bedeutet englisch „to fuss“ „viel Aufhebens machen, hasten, nervös ma- chen, belästigen“ (Klatt, 1970). Nimmt man hinzu, daß das Wort „to cry“ auch „schreien“ bedeuten kann, so wird klar, daß die Autoren mit diesem Item nicht ein eher depressives Nörgeln und Weinen gemeint haben, sondern daß das Kind schon um kleine Dinge Lärm macht, sich also — ganz im Sinne der eigentlichen Definition von „Emotionalität“ — schnell aufgeregt, und daran lautstark seine Umgebung teilhaben läßt. Ähnlich hätte „Child cries easily“ statt mit „Mein Kind fängt leicht an zu weinen“ eher mit „Mein Kind schreit schnell“ übersetzt werden können. In dieser Version hätte dieses Item bedeutungsmäßig stärker zu den anderen Items gepaßt, die den Sachverhalt abdecken, daß das Kind schnell und stark erregt ist.

Eine weitere Einschränkung ist eventuell bei der Skala „Soziabilität“ zu machen. Da diese Skala aus- schließlich aus leichten Items besteht und dadurch recht hohe Mittelwerte zeigt, ist ihre Differenzie- rungsfähigkeit im oberen Bereich etwas eingeschränkt. Verantwortlich für diese Eigenschaft ist mögli- cherweise die Tendenz der Eltern, bei der Frage der Geselligkeit ihrer Kinder sozial erwünscht zu antworten. Welches Elternteil möchte schon nicht ein Kind haben, das gerne mit seinen Freunden spielt und Menschen um sich herum hat? Hier müßten eventuell schwierige Items gefunden werden, um die Skala etwas „mittiger“ zu bekommen. Aufgrund eines Deckeneffekts muß damit gerechnet werden, daß Alters- und Geschlechtseffekte bei dieser Dimension nicht gefunden wurden, obwohl sie vielleicht doch existieren.

5.2 Aktivität, Soziabilität und Schüchternheit als abhängige Dimensionen

Sowohl die konfirmatorische Faktorenanalyse als auch die Korrelationen zwischen den Skalenwerten haben gezeigt, daß Aktivität, Soziabilität und Schüchternheit keine vollständig unabhängigen Dimen- sionen bilden. Denkbar ist somit, daß diese Dimensionen von einer übergeordneten Dimension ab- hängen, nämlich der Dimension „Extraversion“ nach Eysenck (1970, 1991). Gesellige Kinder benöti- gen Stimulation durch andere, weil sie vielleicht „von Natur aus“ ein geringeres kortikales Erregungsni- veau besitzen. Sie neigen dazu, auch aktiver zu sein; einmal, weil sie diese Aktivität zur eigenen Stimulation benötigen, zum anderen, weil höhere Aktivität notwendig ist, um die sozialen Kontakte zu knüpfen, die sie brauchen. Schüchterne Kinder hätten demnach ein höheres Erregungsniveau (wären nach Eysenck also introvertierter), so daß sie weniger Stimulation brauchen und dadurch auch weni- ger gesellig und aktiv erscheinen (vgl. auch das Konzept des gehemmten Kindes von Kagan, 1989). In Übereinstimmung mit Zuckermanns (1991) Ansicht, daß Soziabilität eine Hauptkomponente von Extraversion darstellt, besitzt in einer Faktorenanalyse höherer Ordnung Soziabilität die höchste Ladung auf einem höheren Faktor. Schüchternheit ist schwächer von diesem Faktor abhängig als Soziabilität und Aktivität. Dies steht ganz im Einklang mit Buss und Plomins (1984) Hypothese, daß Schüchternheit eine Mischung von Unsoziabilität und Furchtsamkeit darstellt und daher Beziehungen zu Emotionalität besitzt. Letzteres ließ sich in unseren Daten jedoch nicht verifizieren, denn die Skalenkorrelation zwischen Schüchternheit und Emotionalität bewegt sich nahe Null. Dabei muß jedoch bedacht werden, daß Furchtsamkeit mit dieser Skala kaum erfaßt wird.

Es bliebe demnach festzuhalten, daß wir uns zwar, was Aktivität, Soziabilität und Schüchternheit angeht, nicht auf dem höchsten Abstraktionsniveau der Temperamentsdimensionen befinden, da die- se drei Dimensionen offensichtlich von der „Superdimension“ Extraversion abhängen. Auf der anderen Seite muß bei der Suche nach einem Temperamentsmodell immer ein Kompromiß geschlossen wer- den zwischen dem Bestreben nach möglichst hoher Datenreduktion, wie es das statistische Verfah- ren der Faktorenanalyse nahelegt, und dem Wunsch, möglichst homogene und daher inhaltlich enge Dimensionen zu finden, die nah am beobachtbaren Verhalten liegen. Bedenkt man, daß die Skalen- korrelationen zwar signifikant, aber nur mäßig hoch sind, so ist es weiterhin berechtigt, von inhaltlich eigenständigen, wenn auch voneinander abhängigen Temperamentsdimensionen zu sprechen, und sie als solche auch zu erfassen, wenngleich Buss und Plomin orthogonale Dimensionen postuliert ha- ben.

5.3 Temperament als stabile Persönlichkeitseigenschaften

5.3.1 Quantitative Alterseffekte

Buss und Plomin (1984) definieren Te mperament als sich früh entwickelnde und relativ stabile Persön- lichkeitseigenschaften, die in hohem Maße erblich sind. In unserer Untersuchung konnte durch einen Altersgruppenvergleich querschnittlich der Frage nachgegangen werden, ob Temperamentseigen- schaften in ihrer Ausprägung tatsächlich relativ stabil sind. Für drei der von uns gemessenen Dimen- sionen — Emotionalität, Soziabilität und Schüchternheit — kann davon ausgegangen werden, daß sie vom Vorkindergartenalter bis zur Vorpubertät relativ stabil sind. Lediglich bei Rhythmizität-Essen und bei der Aktivität lassen sich Entwicklungen feststellen in Richtung gleichmäßigerer Rhythmizität und geringerer Aktivität mit steigendem Alter — bei letzterer Dimension gilt dies jedoch nur für die angehenden Kindergartenkinder im Vergleich mit den anderen beiden Altersgruppen. Unsere Ergeb- nisse entsprechen somit im großen und ganzen Ergebnissen der einschlägigen Forschung (z.B. Schmitz, 1994; Guerin und Gottfried, 1994), wenn man von Soziabilität absieht.

Ob diese Entwicklungen Resultat von Reifungs- oder von Sozialisationsvorgängen sind, läßt sich an dieser Stelle kaum entscheiden. Im Falle der Aktivität ist jedoch festzustellen, daß Kinder, bevor sie in eine Institution eintreten, signifikant aktiver sind, als wenn sie bereits Erfahrungen mit dem Kinder- garten oder der Schule haben. Dies legt die Vermutung nahe, daß die Kinder dadurch ruhiger werden, daß sie in beiden Institutionen das „Stillsitzen“ lernen müssen: ein Hinweis auf Sozialisationseinflüsse.

Bedacht werden muß allerdings auch, daß die Eltern ihre Kinder ab dem Eintritt in den Kindergarten nicht mehr den ganzen Tag bei sich haben. Wenn die Kinder dann mittags oder sogar erst nachmittags aus dem Kindergarten bzw. aus der Schule kommen, sind sie meistens erst einmal erschöpft und schon aus diesem Grund zu Hause weniger aktiv.

Im Falle von Rhythmizität-Essen müssen wir sicherlich annehmen, daß Eltern sich in diesem Punkt berechenbare Kinder wünschen und daher in ihrem Erziehungsverhalten darauf hin wirken, daß sie immer regelmäßigeres Eßverhalten an den Tag legen. Niedrige Rhythmizität zählt ja auch zu den konstituierenden Merkmalen eines „schwierigen“ Kindes (Thomas & Chess, 1980), das heißt, eines Kindes, das eher den elterlichen Erwartungen entgegensteht. Die Annahme, daß Einflüsse der Sozia- lisation eine Rolle spielen, wird dadurch gestützt, daß Sanson et al. (1994) in Varianzanalysen zeigen konnten, daß der sozioökonomische Status einen Einfluß auf die Ausprägung der Skala „Rhythmizi- tät“ ihres Fragebogens hatte. Ein Grund für diesen Einfluß können unterschiedliche Sozialisationssti- le bei unterschiedlichem sozioökonomischen Status sein (zu schichtspezifischen Sozialisationsstilen vgl. Fischer & Wiswede, 1997).

Emotionalität, Soziabilität und Schüchternheit sind querschnittlich betrachtet relativ stabile Temperamentsmerkmale. Dies entspricht auch längsschnittlichen Befunden anhand von CCTI-Daten bei den Skalen Emotionalität und Schüchternheit (letztere im CCTI als Soziabilität) (Schmitz, 1994). Zusammen mit unserem querschnittlichen Befund finden wir somit eine hohe Stabilität von Temperamentsmerkmalen, denn es ist damit gezeigt, daß diese Temperamentsdimensionen nicht nur stabil hinsichtlich der interindividuellen Differenzen sind, sondern auch in unterschiedlichen Kohorten zu einem Zeitpunkt gleiche Ausprägungen haben. Emotionalität, Soziabilität und Schüchternheit erreichen somit früh ein bestimmtes Niveau, das sich in der mittleren Kindheit hält, und es liegt daher der Verdacht nahe, daß erbliche Komponenten eine höhere Rolle spielen.

Im Falle der Skala „Soziabilität“ muß jedoch die Einschränkung gemacht werden, daß wir es in allen drei Altersgruppen mit Mittelwerten zu tun haben, die sich am oberen Rand der Skala befinden. Mit einem Instrument, das schwierigere Items enthielte, wären vielleicht doch noch Entwicklungstendenzen beobachtbar gewesen, die in unserer vorliegenden Untersuchung durch Deckeneffekte bei der Messung nicht erkennbar geworden sind.

5.3.2 Qualitative Alterseffekte

Die Skalenkorrelationen zwischen Aktivität, Soziabilität und Schüchternheit haben deutlich gemacht, daß über das Alter hinweg Aktivität und Soziabilität immer stärker miteinander zusammenhängen. Es kann nicht entschieden werden, worauf dieser Effekt beruht. Denkbar ist, daß mit zunehmendem Alter gesellige Kinder auch aktiver erscheinen, weil Aktivität immer mehr an soziale Situationen gekoppelt ist. Hüpft ein sich langweilendes soziables Kindergartenkind, das gerade alleine ist, in der Wohnung herum, so wird sich ein älteres Kind in der gleichen Situation vielleicht mit Lesen oder Fernsehen beschäftigen. Aber auch die instrumentelle Funktion körperlicher Aktivität darf nicht übersehen wer- den: Weil die Kinder mit zunehmendem Alter lernen, daß aktives Verhalten zum Knüpfen sozialer Kontakte wichtig sein kann, werden die Kinder, die diese Kontakte brauchen, auch mit der Zeit motorisch aktiver sein als diejenigen, die sie nicht benötigen.

Nach Buss und Plomin (1984) sind Soziabilität und Schüchternheit im Kleinkindalter schwieriger zu unterscheiden als bei größeren Kindern. In gewisser Weise zeigte sich dies auch in unserer Stich- probe, indem bei den angehenden Kindergartenkindern eine höhere Korrelation zwischen diesen Di- mensionen zu verzeichnen war als bei den angehende Grundschülern. Bei den Viertklässlern ist die- se Korrelation aber wieder so hoch wie bei den jüngsten Kindern. Wie ist dies zu erklären? Buss und Plomins (1984) Hypothesen über die Interaktion von Temperament und Umwelt geben einen Hinweis darauf: Unsoziable Kinder erlernen weniger soziale Kompetenzen als soziable (s.o. Abschnitt

2.5.5.4). Erstere stehen daher in Gefahr, in sozialen Situationen unsicherer zu erscheinen als letzte- re, und diese Unsicherheit kann schließlich in schüchternes Verhalten münden. Genau dieser Lernef- fekt mag zu einem wieder anwachsenden Zusammenhang zwischen Soziabilität und Schüchternheit geführt haben.

5.4 Temperament und Geschlecht

5.4.1 Die Geschlechtslosigkeit der EAS-Dimensionen

Bei allen EAS-Dimensionen ließen sich keinerlei Geschlechtseffekte nachweisen. Temperament, wie es von Buss und Plomin definiert wird, ist also in seinen Ausprägungen eine „geschlechtslose“ Eigen- schaft.

Welche Schlüsse können daraus gezogen werden? Ein Schluß ist wiederum, daß Temperament offensichtlich weitgehend sozialisationsunabhängig ist, denn wenn sich Eltern auch immer mehr um eine egalitäre Erziehung ihrer Kinder bemühen mögen, so ist unterschiedliches Erziehungsverhalten je nach Geschlecht dennoch nicht von der Hand zu weisen (vgl. Schmidt-Denter, 1988, S. 53). Hinzu kommt, daß eine egalitäre Erziehung von seiten der Eltern mit dem Eintritt in die Institutionen Kinder- garten und Schule oft dadurch relativiert wird, daß sich hier geschlechtsspezifische Gruppennormen ausbilden. Es ließ sich nicht nachweisen, daß sich ältere Kinder in ihren Temperamentsausprägun- gen tendenziell stärker unterschieden als jüngere Kinder (fehlender nteraktionseffekt von Alter und Geschlecht in der Varianzanalyse), nicht einmal in der Dimension Aktivität, für die andere Autoren leichte Geschlechterunterschiede nachweisen konnten (Buss, 1991; Schmitz, 1994; in stärkerem Maße Rowe & Plomin, 1977). Nimmt man Buss und Plomins (1984) Befund hinzu, daß sich auch erwachsene Frauen und Männer in den meisten Temperamentsdimensionen nicht unterscheiden (Frauen schätzen sich lediglich als furchtsamer ein als Männer), so spricht dies schon für eine starke konstitutionelle Fundierung der EAS- Temperamentsdimensionen. Auch Zentner (1993) nimmt an, daß Temperamentsunterschiede, wenn sie denn einmal mit zunehmendem Alter auftreten, eher ein Produkt von Überformungen durch die Sozialisation als von konstitutionellen Unterschieden sind. Somit kann davon ausgegangen werden, daß Unterschiede in den Geschlechterrollen sich kaum im Temperament ausdrücken, geschweige denn, daß das Temperament einen Anteil in der Ausbildung von Geschlechterrollen hat.

Ein anderer Schluß hängt mit der Erfassung des Temperaments durch die Eltern zusammen. Es ist durchaus denkbar, daß sich die Geschlechter zwar in einigen Temperamentsdimensionen unterschei- den, diese Unterschiede aber nicht zutage treten, weil Eltern bei der Wahrnehmung und Einschät- zung dieser Temperamentsdimensionen unterschiedliche Maßstäbe anlegen. Nehmen wir als Beispiel Aktivität: Es sei angenommen, daß bei Jungen größere Aktivität erwartet und toleriert wird als bei Mädchen. Ein aktives Mädchen wird dann den Eltern stärker auffallen als ein ebenso aktiver Junge, was zur Folge haben könnte, daß das Mädchen höher geratet wird als der Junge, obwohl vielleicht beide bei Actometermessungen ähnliche Werte bekommen würden. Angenommen, Jungen wären wirklich im Durchschnitt aktiver als Mädchen, wie es in anderen Untersuchungen sichtbar wurde, so wäre der Effekt dann eine Nivellierung tatsächlich vorhandener Geschlechtsunterschiede. Gestützt wird diese Vermutung dadurch, daß Schmitz (1994) in einem Vergleich der Datenquellen (Eltern, Leh- rer, Tester, Selbsteinschätzung) bei Fremdeinschätzungen über geringere Geschlechtseffekte berich- tet als bei Selbsteinschätzungen durch die Kinder.

5.4.2 Qualitative Geschlechtsunterschiede bei Soziabilität

Buss (1991) hat bezüglich Geschlechtsunterschiede in der Dimension Soziabilität festgehalten, daß zwar keine bis geringe quantitative Geschlechtseffekte vorhanden sind, wohl aber vielleicht qualitative. Nach seinen Ausführungen kanalisiert sich Soziabilität bei Frauen eher im interpersonellen Austausch von Gefühlen, während Männer sich eher in größeren Gruppen zusammentun, in denen sie sowohl kooperieren als auch konkurrieren. Ein Blick auf den Schulhof während einer Pause bestätigt dies in Form der Alltagserfahrung, daß meist größere Guppen von Jungen mit Fußballspielen beschäftigt sind, während sich Mädchen häufig eher in kleineren Gruppen mit Rollenspielen oder ähnlichem die Zeit vertreiben.

Betrachtet man die Korrelationen zwischen Aktivität, Soziabilität und Schüchternheit, so wird Buss’ Hypothese und auch obige Alltagsbeobachtung gestützt: Aktivität und Soziabilität hängen bei Jungen stärker zusammen als bei Mädchen, weil sich bei ihnen geselliges Verhalten stärker in aktiven Spielen äußert. Beim Spiel in größeren Gruppen ist die Wahrscheinlichkeit größer, daß auch weniger bekannte Personen dabei sind. Infolgedessen hängen Schüchternheit und Soziabilität bei Jungen stärker zusammen, denn ein schüchterner Junge wird es schwieriger haben, geselliges Verhalten zu zeigen als ein schüchternes Mädchen, das dann schneller die Gelegenheit haben wird, mit wenigen, aber festen Freundinnen in kleinen Gruppen zu spielen.

5.4.3 Essen Mädchen unregelmäßiger als Jungen?

Bei Rhythmizität-Essen wurde sichtbar, daß die Mädchen unserer Stichprobe ein signifikant unzuver- lässigeres Eßverhalten zeigen als die Jungen, dies aber nur auf dem 5%-Signifikanzniveau; Mädchen werden als weniger gleichmäßig eingeschätzt als Jungen. Dieser Befund deckt sich mit dem von Windle (1992, zit. nach Schwarz & Rinker, 1996), jedoch konnten Schwarz und Rinker (1996) in einer bundesweiten Untersuchung an 700 10-13jährigen Kindern keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern in dieser Dimension feststellen. Auch hier kann nur spekuliert werden, worauf der Geschlechtseffekt beruht. Ist das labilere Eßverhalten der Grundstein dafür, daß Mädchen und Frauen wesentlich anfälliger für Eßstörungen sind als Jungen und Männer? Und handelt es sich bei dieser geringeren Stabilität um eine konstitutionell gegebene Eigenschaft, die, wie es in biologisch fundierten Theorien von Eßstörungen angenommen wird, im Hypothalamus ihren Anfang nimmt (Davison & Neale, 1988), oder sind die Mädchen unserer Stichprobe im Eßverhalten bereits verunsichert, weil sie zum Teil bei ihren Müttern Figurprobleme und damit einhergehende Diäten miterlebt haben, d.h. Modelle haben, die unsicheres Eßverhalten vorgelebt haben?

Der Sachverhalt könnte aber auch hier erfassungstechnisch betrachtet werden. Weil Eltern aus Geschlechtsstereotypen heraus bei Mädchen eher Figurprobleme antizipieren als bei Jungen, sehen sie das Eßverhalten ihrer Töchter tendenziell mit kritischeren Augen. Auf diese Weise ist es möglich, daß Mädchen und Jungen bei objektiv gleichem Eßverhalten unterschiedlich beurteilt werden. Daß Schwarz und Rinker (1996) keinen signifikanten Geschlechtseffekt bei Rhythmizität-Essen fanden, paßt gut in diese Erklärungsmöglichkeit hinein, denn bei ihnen haben sich, anders als in unserer Stichprobe, die Kinder selbst in ihrem Temperament eingeschätzt, so daß geschlechtsspezifische Erziehungswünsche geringeren Einfluß hatten.

Da der Effekt der Zugehörigkeit zu einem Geschlecht auf Rhythmizität-Essen auch in unserer Stichprobe recht gering ist (2,1% erklärte Varianz), sollte er indes nicht überinterpretiert werden, denn es kann sich durchaus auch um einen Stichprobeneffekt handeln, der sich z.B. aus der großen Mittelschichtlastigkeit unserer Stichprobe ergeben könnte.

6 GRENZEN DIESER ARBEIT UND AUSBLICK

6.1 Psychometrische Einschränkungen

Im Original sind die EAS-Skalen von Buss und Plomin (1984), soweit dies in der Literatur ersichtlich ist (Slabach et al., 1991 in bezug auf das CCTI, aus dem die meisten Skalen stammen), ein sehr zuverlässiges Meßinstrument zur Erfassung von Temperamentsdimensionen. Die deutsche Version ist für die in dieser Arbeit angestrebten Zwecke zwar ausreichend, dennoch hätten mit einem zuver- lässigeren Meßinstrument feinere Unterschiede erfaßt werden können, die in dieser Arbeit mangels Erfassungsschärfe verloren gegangen sind. Insbesondere die Ergebnisse der Skala „Soziabilität“ kön- nen nur mit Vorsicht genossen werden, weil sämtliche Gruppenmittelwerte sich so weit am oberen Rand befinden, daß aufgrund eines Deckeneffekts die Alters- und Geschlechtsgruppen ähnlicher er- scheinen als sie es vielleicht in Wirklichkeit sind. Verstärkt wird diese Einschränkung dadurch, daß die Skala mit drei brauchbaren Items auf reichlich wackligen Füßen steht.

6.2 Einschränkungen durch Beschränkung auf das Elternurteil

In dieser Arbeit haben wir uns ausschließlich auf das Elternurteil verlassen, das in der Temperamentsforschung aus den weiter oben angeführten Gründen eine beliebte Datenquelle ist. Das Elternurteil ist aber auch mit einigen Fehlern behaftet.

Zum einen erfassen wir mit dem Elternurteil nur das Temperament, wie es sich in der häuslichen Um- gebung ausdrückt. Nun ist den meisten Temperamentsdefinitionen inhärent, daß es sich um ein sta- biles Merkmal handelt, das in unterschiedlichen Situationskontexten einen ähnlichen Verhaltensstil hervorbringt. Dennoch wäre es lohnenswert zu untersuchen, ob dies auch tatsächlich so ist. Am Bei- spiel der Dimension „Aktivität“ wäre es interessant zu wissen, ob Kinder, bevor sie in eine Institution kommen, insgesamt aktiver sind als Kindergarten- und Schulkinder, oder ob Kindergarten- und Schul- kinder ihren Eltern nur weniger aktiv erscheinen, weil diese müde nach Hause kommen und daher zu Hause weniger Aktivität an den Tag legen. Von dem EAS-Temperament Survey existiert auch eine Lehrerversion, deren Ratings man mit Elternratings hätte vergleichen können.

Zum anderen ist das Elternurteil, so sehr Eltern Experten in Belangen ihrer Kinder sein mögen, auch nicht frei von Verzerrungen durch die Wünsche der Eltern bzw. ihren Vorstellungen, wie ihre Kinder nach der Meinung ihres sozialen Umfeldes sein sollten. Erkennbar ist dies in unseren Daten an den hohen Werten auf der Skala Soziabilität, die sich auch aus dem Effekt der sozialen Erwünschtheit erklären lassen. Desgleichen waren in unserer Untersuchung Nivellierungseffekte denkbar (s.o.). Bei Schmitz (1994) wurde sichtbar, daß Eltern ihre Kinder im Durchschnitt auf allen EAS-Skalen des CCTI höher eingeschätzt haben als die Kinder ihrerseits sich selbst. Ebenso wurde in dieser Unter- suchung sichtbar, daß die Korrelationen zwischen Eltern- und Lehrerurteil höher als jene zwischen Eltern- und Selbstbeurteilung waren (zugegebenermaßen korrelierten Lehrer- und Selbstbeurteilung noch weniger miteinander). Geschlechtseffekte waren beim Selbsturteil höher als bei den anderen Datenquellen.

Eine weitere Frage ist, ob das Elternurteil in allen Altersgruppen gleich zuverlässig sein kann. Immer- hin kann behauptet werden, daß Kinder mit zunehmendem Alter immer weniger zu Hause sind und die Eltern daher einen immer größeren Ausschnitt aus dem Verhalten ihrer Kinder nicht mitbekom- men. Sichtbar wurde dies auch an den internen Skalenkonsistenzen, die mit zunehmendem Alter der Kinder abnahmen. Die Eltern werden unsicherer im Urteil über ihre Kinder und reagieren daher auf die verschiedenen Items einer Dimension immer inkonsistenter. Zugegebenermaßen ist auch eine andere Sichtweise möglich: Wegen der immer größeren Varianz der Situationen, in denen Eltern ihre Kinder direkt oder über dritte erleben, kapitulieren sie immer mehr vor den doch recht pauschalen Items des Temperamentsfragebogens. In beiden Fällen muß aber damit gerechnet werden, daß Eltern nicht in allen Altersstufen gleich zuverlässig über das Temperament ihrer Kinder befragt werden können. Viel- leicht kann zur Klärung dieser Frage beitragen, daß man den Effekt der Zeit, die Eltern pro Tag mit ihren Kindern verbringen, sowie andere Reliabilitätsmaße hinzuzieht. Aber auch die Hinzunahme des Lehrerfragebogens und bei den älteren Kindern von Selbstbeurteilungsbögen hätte hier mehr Klarheit bringen können.

6.3 Einschränkungen wegen der Selektivität der Stichprobe

Aufgrund der Anlage des Projekts „Soziale Übergänge im Kindesalter“, von dem diese Arbeit ein „Ne- benprodukt“ darstellt, sind in diese Stichprobe nur Kinder eingegangen, die vor einem Kritischem Le- bensereignis stehen und sich dazu auf der ersten Position der Geschwisterreihe befinden bzw. Ein- zelkinder sind. Daher können wir nichts darüber sagen, ob die Geschwisterposition eine Auswirkung auf die Manifestation des Temperaments hat und somit unsere Daten beeinflußt hat. Es ist sicherlich zu erwarten, daß es keine Effekte geben wird, denn bislang hat die Geschwisterforschung nur geringe Beziehungen zwischen Geschwisterposition und Persönlichkeit nachweisen können (Kasten, 1993). Auf der anderen Seite ließ sich feststellen, daß zweieiige Zwillinge von ihren Eltern als eher unähnlich beurteilt wurden (Buss & Plomin, 1984, berichten teilweise sogar über negative Korrelationen). Es wäre interessant gewesen, festzustellen, ob es hier elterliche Zuschreibungsprozesse gibt (beispiels- weise, indem Zweitgeborene als aktiver oder schüchterner eingestuft werden), die unsere vorliegenden Befunde beeinflußt haben könnten.

6.4 Querschnitterfassung von Entwicklungseffekten

Um Entwicklungseffekte auf die Temperamentsdimensionen zu erfassen, konnte in dieser Arbeit nur auf die Methode der Querschnittuntersuchung zurückgegriffen werden. Das einzige, was wir durch diese Methode feststellen konnten, ist die Tatsache, daß sich die drei Kohorten zu einem bestimm- ten Zeitpunkt in den meisten Dimensionen nicht signifikant voneinander unterscheiden sowie daß die Kinder aus der jüngsten Kohorte aktiver sind und arhythmischer essen als die Kinder aus den älteren Kohorten. Gerade dort, wo sich die Mittelwerte unterscheiden, bleiben jedoch Fragen offen: Handelt es sich um einen Entwicklungs- oder um einen Zeittrend (im Sinne von: die spätergeborenen Kinder sind, aus welchen Gründen auch immer, aktiver)? Angenommen, — und die Befunde aus der gesichteten Literatur (z.B. Guerin & Gottfried, 1994) sprechen dafür — wir hätten tatsächlich Entwicklungstrends vorliegen, erklären sich diese dadurch, daß z.B. die Kinder allgemein weniger aktiv werden, oder nur dadurch, daß die besonders aktiven Kinder sich beruhigen? Wir waren hier also nicht in der Lage, zu prüfen, ob die individuelle Position innerhalb der Populationsverteilung stabil bleibt oder sich ändert; dies kann nur eine Längsschnittuntersuchung leisten, in deren Rahmen Korrelationen zwischen Messungen von verschiedenen Zeitpunkten berechnet werden können.

6.5 Ausblick

Für die Zukunft steht für die Untersuchung der EAS-Dimensionen an deutschen Kindern und Erwach- senen noch einiges an. Zunächst einmal wird es darum gehen müssen, die deutsche Version der Skalen zu verbessern, insbesondere die Skalen Emotionalität und Soziabilität. Am günstigsten wäre eine Neukonstruktion über einen größeren Itempool, der genauere Übersetzungen der Originalitems und Alternativitems erhält, um so zum Schluß reliable Skalen von genügender Länge zu erhalten. Sehr ausführlich wird diese Vorgehensweise z.B. von Windle und Lerner (1986) anhand der Revision des DOTS beschrieben.

Interessant wäre es sicherlich, verschiedene Datenquellen miteinander zu vergleichen: Wie wird Te m- perament von verschiedenen Personen in verschiedenen Situationen wahrgenommen? Finden sich auch in Deutschland verschiedene Erblichkeitskoeffizienten je nach Datenquelle, wie z.B. in den Ver- einigten Staaten bei Schmitz (1994)? Schmitz et al. (1996) konnten anhand von Lehrer- und Beo- bachterurteilen sogar feststellen, daß bei beiden Beurteilungen neben einem gemeinsamen ein je- weils individueller genetischer Faktor existiert. Wie ändert sich die Zuverlässigkeit und damit auch die Validität des Elternurteils in Abhängigkeit von der Zeit, die Eltern mit ihren Kindern verbringen (diese Frage wäre mit den EFÜ-Daten des Projektes „Soziale Übergänge“ überprüfbar)?

Schließlich muß darauf hingewiesen werden, daß bislang in Deutschland Längsschnittdaten bezüglich des Temperaments fehlen, so daß nicht gesagt werden kann, ob die in anderen Ländern vorgefundenen Entwicklungsmuster auch in Deutschland vorzufinden sind. Ebenso finden sich meines Wissens keine Zwillings- oder Adoptionsstudien, die der Frage nachgehen könnten, einem wie starken erblichen Einfluß die EAS-Dimensionen bei deutschen Kindern ausgesetzt sind, bzw. inwieweit gemeinsame und nicht gemeinsame Umwelten Geschwister in der Ausprägung und Entwicklung des Temperaments ähnlicher oder unähnlicher machen.

Da es bei Erblichkeit von Merkmalen immer öfter um die Frage geht, wie Genom und Umwelt mitein- ander kovariieren (Asendorpf, 1993), wird die Frage nach dem Einfluß von kindlichem und elterlichem Temperament auf Familienvariablen wie Familienklima, Eltern-Kind-Beziehung usf. einen gewissen Raum erhalten müssen. Scarr und McCartney haben 1983 darauf aufmerksam gemacht, daß geneti- scher Einfluß auf Persönlichkeitsmerkmale sich nicht darin erschöpft, daß bestimmte biologische Strukturen geschaffen werden, sondern daß Menschen mit einer bestimmten genetischen Ausstattung bevorzugt solche Umwelten aufsuchen, die der Unterstützung ihrer Eigenschaften dienen (aktive Genom-Umwelt-Kovariation). Außerdem sind sie in ihrer Familie vornehmlich von Menschen ähnlicher genetischer Ausstattung umgeben (passive Genom-Umwelt-Kovariation) und sie begünstigen be- stimmte Reaktionen von seiten der sozialen Umwelt (reaktive Genom-Umwelt-Kovariation). Denkbar ist also, daß kindliche Prädispositionen wie das Temperament dadurch auf sich selbst stabilisierend wirken, indem sie bestimmte für sie günstige Interaktionsformen in der Familie (Familienklima, Erzie- hungsstil) schaffen und indem sie vornehmlich mit solchen Familienmitgliedern in Interaktion treten, die für sie förderlich sind. Die Frage der gelungenen Passung beschränkt sich dann nicht darauf, ob das Kind mit seinem Temperament in die Umgebung „paßt“, sondern die Frage ist dann, ob das Kind die Möglichkeit hat, Umwelten so zu gestalten und aufzusuchen, wie sie für es am günstigsten sind. Dies gilt vornehmlich für Temperamentsausprägungen, die sich nahe den Extrempunkten der Skalen befinden, wie es auch Buss und Plomin (1984) bei der Erörterung der Interaktion zwischen Tempera- ment und Umwelt herausgestellt haben (s.o.). Im Forschungsprojekt „Soziale Übergänge im Kindesal- ter“ ist auch das Bewältigungsverhalten in Streßsituationen erfaßt worden, so daß untersucht werden kann, ob Kinder mit unterschiedlichem Temperament diese Situationen unterschiedlich erfassen und bewältigen.

All diese Fragen werden sicherlich zu den interessantesten gehören, die über die bloße Berechnung von Heritabilitäts- und Stabilitätskoeffizienten für Persönlichkeitsmerkmale von Menschen hinausge- hen und den transaktionalen und systemischen Aspekt der menschlichen Entwicklung in den Mittel- punkt rücken.

7 ZUSAMMENFASSUNG

Buss und Plomin (1984) schlagen vor, Temperament zu definieren als Persönlichkeitseigenschaften, die früh in der Ontogenese eines Menschen beobachtbar sind, zeitlich relativ stabil sind und eine höhere Erblichkeit aufweisen. Diesen Kriterien genügen nach ihrer Auffassung und ihren Erkenntnis- sen die Dimensionen Emotionalität, Aktivität und Soziabilität (EAS), für deren Erfassung bei Erwach- senen sie einen Selbstbeurteilungsbogen für Erwachsene, sowie zur Erfassung kindlichen Tempera- ments einen Eltern- und einen Lehrerfragebogen vorgeschlagen haben. Die Skala Soziabilität ist bei letzteren Instrumenten eine Adaption der Erwachsenenskala. Zusätzlich wird Schüchternheit erfaßt, die nicht das Gegenteil von Soziabilität ist, sondern, anders als Unsoziabilität, die Furcht vor Frem- den und vor ungewohnten Personen beinhaltet. Sie nehmen an, daß die Dimensionen voneinander unabhängig sind. Für die Erblichkeit dieser Dimensionen existieren empirische Evidenzen auch aus jüngerer Forschung (Schmitz, 1994; Schmitz et al., 1996).

In dieser Arbeit wird eine um die Dimension Rhythmizität-Essen (Windle & Lerner, 1986) erweiterte deutsche Version der EAS-Skalen von Buss und Plomin (1984) anhand einer Stichprobe von 223 erstgeborenen bzw. Einzelkindern, die am Forschungsprojekt „Soziale Übergänge im Kindesalter“ des Psychologischen Instituts der Universität zu Köln unter der Leitung von Dr. W. Beelmann teilgenom- men haben, auf ihre psychometrische Tauglichkeit für Gruppenvergleiche überprüft. Nach Faktoren- analysen und Konsistenzberechnungen und infolge dessen nach Wegnahme ungeeigneter Items wird er für Gruppenvergleiche für brauchbar befunden. Leichte Übersetzungsfehler haben jedoch die inter- nen Konsistenzen einzelner Skalen (Emotionalität, Soziabilität) gegenüber dem amerikanischen Ori- ginal herabgesetzt. Bei der Skala Soziabilität muß mit einem Deckeneffekt zum oberen Ende der Skala gerechnet werden. Entgegen Buss und Plomins Annahme korrelieren die Dimensionen Aktivi- tät, Soziabilität und Schüchternheit miteinander und können daher als abhängige Dimensionen des höheren Faktors Extraversion gedeutet werden. Ihre getrennte Erfassung erscheint dennoch sinnvoll.

In einer multivariaten Varianzanalyse zeigt sich, daß Alterseffekte auf die Skalen Aktivität und Rhythmizität-Essen im Sinne abnehmender Aktivität vom Vorkindergarten- zum Vorschulalter und zunehmender Rhythmizität mit zunehmendem Alter zu beobachten sind. Ein (weniger) signifikanter Geschlechtseffekt konnte nur bei der Skala Rhythmizität-Essen gefunden werden, indem Mädchen etwas arhythmischer sind als Jungen. Letzter Effekt erklärt jedoch nur 2,1% der Varianz. In den ande- ren Dimensionen waren keine signifikanten Effekte zu beobachten. Ebenso gab es keine Interakti- onseffekte von Alter und Geschlecht. Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit einem großen Teil bisheriger Temperamentsforschung. Die meisten Temperamentsmerkmale sind demnach zeitlich sta- bil. Es wurde diskutiert, ob die größtenteils fehlenden Geschlechtseffekte auf einen nivellierenden Effekt des Elternurteils zurückzuführen sind oder darauf, daß sich die Geschlechter temperaments- mäßig nicht unterscheiden und infolgedessen Temperamentsmerkmale keinen Anteil an der Ausbil- dung geschlechtsrollenspezifischen Verhaltens haben. Qualitativ ließ sich feststellen, daß männliche Soziabilität stärker mit Aktivität zusammenhängt als weibliche.

In der Zukunft werden neben einer Verbesserung des deutschen Instrumentes und dem Vergleich verschiedener Datenquellen Längsschnittstudien, Zwillings- und Adoptionsstudien in Deutschland nötig sein, um den Zusammenhang von Vererbung, geteilter und ungeteilter Umwelt und der Wirkung der verschiedenen Formen von Genom-Umwelt-Kovariationen (Scarr & McCartney, 1983) erfassen zu können.

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9 ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 1 Schichtzugehörigkeit der Familien in der Stichprobe, erfaßt über den derzeit ausgeübten Beruf des Vaters

Abbildung 2 Korrelationen zwischen Aktivität, Soziabilität und Schüchternheit nach Alter

Abbildung 3 Korrelationen zwischen Aktivität, Soziabilität und Schüchternheit nach Geschlecht

Abbildung 4 EAS und Rhythmizität-Essen nach Geschlecht

Abbildung 5 EAS und Rhythmizität-Essen nach Alter

Abbildung A 1 Scree-Diagramm der Hauptkomponentenanalyse, ganze Stichprobe

10 TABELLENVERZEICHNIS

Tabelle 1 EAS Temperament Survey for Children: Elternversion (Buss & Plomin, 1984)

Tabelle 2 Deutsche Fassung der EAS-Skalen

Tabelle 3 Zusammensetzung der Stichprobe

Tabelle 4 Konfirmatorische Faktorenanalyse der deutschen EAS-Skalen, orthogonale Lösung

Tabelle 5 Konfirmatorische Faktorenanalyse der deutschen EAS-Skalen, Faktorenkorrelationen freigegeben

Tabelle 6 Varimax-rotierte Faktorenladungen der deutschen EAS-Version

Tabelle 7 a-Koeffizienten der modifizierten EAS-Skalen: gesamte Stichprobe und getrennt nach Alters- und Geschlechtsgruppen

Tabelle 8 a-Koeffizienten der modifizierten EAS-Skalen nach Entfernung eines Items

Tabelle 9 Trennschärfekoeffizienten der EAS-Items, gesamt, nach Übergang und nach Geschlecht

Tabelle 10 Schwierigkeitsindizes der EAS-Items

Tabelle 11 Korrelationen zwischen EAS-Skalenwerten

Tabelle 12 Alters- und Geschlechtsunterschiede bei den Korrelationen zwischen Aktivität, Soziabilität und Schüchternheit

Tabelle 13 Mittelwerte und Standardabweichungen der modifizierten EAS-Skalen, gesamt und getrennt nach Alters- und Geschlechtsgruppen, sowie F-Werte von signifikanten Alters- und Geschlechtseffekten

Tabellen im Anhang

Tabelle A 1 Datenquellen, Untersuchungsdimensionen und Untersuchungsinstrumente im Forschungsprojekt „Soziale Übergänge im Kindesalter“

Tabelle A 2 Univariate Itemstatistiken der deutschen EAS-Skalen

Tabelle A 3 Varimax-rotierte Vierfaktorenlösung der deutschen EAS-Version

11 ANHANG

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung A 1 Scree-Diagramm der Hauptkomponentenanalyse, ganze Stichprobe Faktornummer

Die waagerechte Linie markiert das Kaiser-Guttmann-Kriterium (λ>1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle A 1 Datenquellen, Untersuchungsdimensionen und Untersuchungsinstrumente im For- schungsprojekt „Soziale Übergänge im Kindesalter“ Untersuchungsdimension Erhebungsinstrumente

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle A 2 Univariate Itemstatistiken der deutschen EAS-Skalen

Itemzuordnung entsprechend A-Priori-Konstruktion der Skalen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle A 3 Varimax-rotierte Vierfaktorenlösung der deutschen EAS-Version

Fett: Ladungen von a ³ .40; kursiv und unterstrichen: Ladungen von .40 > a ³ .30. h² = Kommunalität.

Anteil der erklärten Varianz: 47,9%

(-) = Item wurde umgekehrt codiert.

Versicherung

Es wird hiermit versichert, daß die vorliegende Diplomarbeit von mir selbständig verfaßt wurde. Dabei kamen keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel zur Anwendung. Die Diplomarbeit hat in dieser oder in ähnlicher Form noch keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegen.

Köln, den 28. August 1998

(Benedikt Bock)

[...]


1 Die dort angewandte Skala entspricht umgekehrt codiert der Skala „Schüchternheit“ des EASTemperament Surveys von Buss und Plomin (1984), das für diese Arbeit angewandt wurde (s.u.).

Ende der Leseprobe aus 75 Seiten

Details

Titel
Kindliches Temperament: Erprobung einer deutschen Version der EAS-Skalen von Buss und Plomin - Altersgruppen- und Geschlechtseffekte
Hochschule
Universität zu Köln
Autor
Jahr
1998
Seiten
75
Katalognummer
V95978
ISBN (eBook)
9783638086554
Dateigröße
588 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Temperament als psychologisches Konstrukt, Das Temperamentskonzept von Thomas und Chess, Verhaltensgenetische Befunde, die zeitliche Stabilität des Temperaments, Geschlechtsunterschiede, Messungder EAS-Dimensionen, Erprobung des deutschen EAS-Fragebogens, Alters- und Geschlechtseffekte, Empirischer Teil mit: Untersuchungsrahmen, Untersuchungsdurchführung, Datenerhebung, Zusammensetzung der Stichprobe, Angewandte Methoden der Datenanalyse
Schlagworte
Kindliches, Temperament, Erprobung, Version, EAS-Skalen, Buss, Plomin, Altersgruppen-, Geschlechtseffekte, Universität, Köln
Arbeit zitieren
Benedikt Bock (Autor:in), 1998, Kindliches Temperament: Erprobung einer deutschen Version der EAS-Skalen von Buss und Plomin - Altersgruppen- und Geschlechtseffekte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95978

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