Die Bedeutung der Arbeit für die Persönlichkeit des Menschen


Seminararbeit, 1999

19 Seiten


Leseprobe


Gliederung

Einleitung

1. Der Begriff „Arbeit"

2. Funktionen und Bedeutung der Arbeit im Wandel der Zeit
2.1 Psychologische Aspekte des Arbeitsbegriff
2.2 Historischer Abriß
2.3 Wertewandel
2.4 Bedeutung der Freizeit
2.5 Humanisierung der Arbeit durch Arbeitsgestaltung

3. Die Bedeutung der Arbeit für die Persönlichkeit des Menschen
3.1 Realitätsbindung und Identitätsbildung
3.2 Erfahrungen und Funktionen

4. Erwerbslosigkeit
4.1 Begriffsbestimmung und Fakten
4.2 Erfahrungen mit Erwerbslosigkeit
4.3 Mögliche Reaktionen der Betroffenen auf die EL

5. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Einleitung

Der Mensch zeichnet sich dadurch aus, daß er sich seinen Lebensraum selbst gestaltet und verändert, statt sich ihm anzupassen. Diese verändernde Gestaltung ist Arbeit. „Arbeit eröffnet neue Möglichkeiten der Lebensführung und dient damit der Daseinsbereicherung" (Prof. Dr. G. Wiendieck 1993, S. 39). Dabei kann mit dem Begriff „Arbeit" sowohl die Erwerbsarbeit wie auch alle anderen Formen der Arbeit gemeint sein, die ich hier die „Nicht-Erwerbsarbeit" nennen will.

In der Literatur findet man zum eindeutig überwiegenden Teil Texte und wissenschaftliche Abhandlungen über die Erwerbsarbeit bzw.

- arbeitslosigkeit, während Veröffentlichungen zur Hausarbeit oder sonstigen Tätigkeiten ohne Bezahlung oder Berufsbezeichnung verschwindend gering sind.

Daher gestaltet sich der Hauptteil meiner Ausführungen auch größtenteils aus Themen, die mit der Erwerbsarbeit und Erwerbslosigkeit zusammenhängen.

„Die Erwerbsarbeit nimmt im Leben des modernen Menschen einen zentralen Platz ein, da sie nicht nur der Sicherung des Lebensunterhalts dient, sondern auch Einfluß auf die Entwicklung und Entfaltung der

Persönlichkeit hat"(Statistisches Bundesamt Deutschland 1999).

Mit dieser Bedeutung der Arbeit für die Persönlichkeit des Menschen möchte ich mich in meiner Arbeit auseinandersetzen.

1. Der Begriff „Arbeit"

Aus dem mittelhochdeutschen Wort „arebeit", welches Not und Mühsal bedeutet, hat sich der heute gebräuchliche Begriff „Arbeit" durchgesetzt, welcher immer noch mit Anstrengung und Fremdbestimmung assoziiert wird und als Gegenstück zum Spiel und zur Freizeit gesehen wird. Auch im Germanischen bedeutet „arbejo" soviel wie „bin ein verwaistes (und darum zu harter Arbeit verdingtes) Kind" (Schumacher 1986, S.12).

Im Allgemeinen bedeutet der Begriff „Arbeit" eine „...geordnete Tätigkeit, die der Erzeugung, Beschaffung, Umwandlung, Verteilung oder Benutzung materiellen oder ideellen Daseinsgütern dient"(nach Hellpach in Dorsch 1994, S. 49).

Diese Tätigkeit führt nach Hoyos (1974) zu einem „materiellen und/oder immateriellen Arbeitsergebnis, [ ... ] das in einem Normensystem bewertet werden kann (nach Hoyos in Dorsch 1994, S.49). Bei diesen Definitionen bleibt offen, ob der beschriebenen Arbeit eine monetäre oder andere materielle Belohnung folgt, also eine Erwerbsarbeit ist, oder nicht. Dies entspricht der komplexen Bandbreite des Begriffs „Arbeit" und ist in der Umgangssprache wie in der wissenschaftlichen Literatur nicht gerade selbstverständlich. Dort werden nämlich „Arbeit und Erwerbstätigkeit oft als gleichbedeutend verwendet" (M. Jahoda 1983, S.24). Jahoda betont aber, daß es sich bei dem Begriff der Arbeit „eindeutig um einen übergeordneten Begriff [handelt], der Erwerbstätigkeit einschließt, jedoch nicht darauf beschränkt ist" (M. Jahoda 1983, S. 25).

Jahoda beschreibt in ihrem oben zitierten Buch drei Formen der Arbeit: Erstens die Arbeitsleistung, die als geistige oder körperliche Anstrengung auf ein Ziel gerichtet ist, ohne ökonomischen Zwecken zu dienen, zweitens die nicht vertraglich geregelte ökonomische Tätigkeit und drittens die vertraglich geregelte Erwerbsarbeit.

Unter der ersten Kategorie fallen z.B. Handgriffe oder Denkleistungen, die zur Ausübung eines Hobbys notwendig sind. Unter „nicht vertraglich geregelte ökonomische Tätigkeiten" versteht man solche, die zwar auf ein ökonomisches Ziel gerichtet sind und oft auch entlohnt werden, jedoch ohne vertragliche Vereinbarungen ausgeführt werden wie z.B. die sog. Schwarzarbeit.

Die dritte Kategorie umfaßt u.a. alle Tätigkeiten, die die Ausübung eines Berufs erfordern. Hier ist auch im alltäglichen Sprachgebrauch von „der Arbeit" statt von dem Beruf die Rede.

Das Statistische Bundesamt Deutschland bezeichnet alle diejenigen Personen als erwerbstätig, die „eine haupt- bzw. nebenberufliche Erwerbsarbeit ausüben, während zu den Erwerbslosen alle Nichtbeschäftigten zählen, die sich nach eigenen Angaben um eine Arbeitsstelle bemühen, unabhängig davon, ob sie beim Arbeitsamt registriert sind oder nicht" (Statistisches Bundesamt Deutschland, 1999).

Diese verschiedenen Kategorien von „Arbeit" definieren Tätigkeiten unter sehr verschiedenen Bedingungen. Dadurch ergibt sich eine ebenso große Bandbreite von Auswirkungen der Arbeit auf die Persönlichkeit des Menschen. Dies läßt sich auch anhand der verschiedenen Bedeutungen und Funktionen von Arbeit - je nachdem um welche Arbeit es sich handelt - ablesen.

2. Funkt ionen und Bedeutung der Arbeit im Wandel der Zeit

2.1 Psychologische Aspekte des Arbeitsbegriffs

„Nach Auffassung psychischer Tätigkeits- und Handlungstheorien eignen sich die Menschen durch ihre Arbeitstätigkeit ihre Erfahrungen über die physische und soziale, äußere wie innere Wirklichkeit an und verändern sich unwillkürlich in bewußter Selbstreflektion." (Dorsch 1994 S.49).

Die Arbeitstätigkeit wird hier ganz allgemein als eine Möglichkeit verstanden, sich die reale Umwelt anzueignen und sich selbst dadurch zu entwickeln. Die Lernfähigkeit und der Gestaltungswille zeichnet den Menschen aus und hebt ihn von anderen Lebewesen ab. Um den Lebensraum gestaltend verändern zu können, gebraucht der Mensch seine Hände und Werkzeug, außerdem organisiert er sich mit anderen Menschen um durch Arbeitsteilung einen Leistungsvorteil zu gewinnen, was ihn insgesamt auch wieder von den meisten anderen Lebewesen unterscheidet. Durch diese arbeitsteilende Organisiertheit gerät der Mensch allerdings auch in eine wechselseitige soziale Abhängigkeit. Dadurch, daß Menschen innerhalb ihrer Gesellschaftsform, ihrem Lebensraum also, unterschiedliche Aufgaben erfüllen, machen sie im Leben unterschiedliche Erfahrungen, bilden unterschiedliche Fähigkeiten aus und entwickeln unter Umständen auch verschiedenste Selbst- und Weltbilder. Neben diese identitätsbildende Funktion der Arbeit, auf die ich später noch näher eingehen werde, beschreibt Wiendieck (1993 S.48ff) fünf weitere psychologische Aspekte des Arbeitsbegriffs:

1. Arbeit als Last und Pflicht. Die Arbeit wird mit einem Auftrag verbunden, den man unter physischen und psychischen Belastungen fremdbestimmt erfüllt.
2. Arbeit als Leistung und Wert. Die Arbeit wird zur normativen Kategorie, indem sie als Grundlage von Ansehen und Wohlstand gewertet wird. Dies wird im religiösen Sinn in der protestantischen Ethik unterstützt, wobei hier allerdings Wohlstand der Ehre Gottes und weniger der irdischen Bereicherung dient.
3. Arbeit als soziale Strukturierung. Durch den Ersatz menschlicher Arbeit durch produktivitätssteigernden Maschinen und den Einsatz organisatorischer Maßnahmen zur Arbeitsteilung entstehen soziale Strukturen, Abhängigkeiten und Einflußmöglichkeiten.
4. Arbeit als Vermittlung und Veränderung. Arbeit wird hier als Vermittler zwischen Mensch und Natur verstanden. Durch die gestaltende Veränderung der Natur durch den Menschen verändert dieser auch sich selbst und ermöglicht so Kultur- und Identitätsbildung.
5. Arbeit als Persönlichkeitsentfaltung. Arbeit beeinflußt und prägt den Menschen. Eine persönlichkeitsförderliche bzw. -hinderliche Arbeit wird hier in Abhängigkeit zu den gegebenen Arbeitsbedingungen untersucht. Als Fazit zitiert Wiendieck: „Ein ausreichender Spielraum für individuelle und kollektive Selbstregulation unter Einbezug der Möglichkeit, auf die eigene Arbeitssituation gestaltend Einfluß zu nehmen, scheint eine unabdingbare Voraussetzung dafür zu sein, daß eine Arbeitssituation persönlichkeitsförderliche Entwicklungsprozesse zuläßt." (Wiendieck 1993, S.54).

2.2 Historischer Abriß

Nach Schumacher (1986) hat sich die Einstellung zur Arbeit im Laufe der Menschheitsgeschichte immer wieder stark verändert. Was die Arbeit für den einzelnen Menschen bedeutet ist demnach abhängig von seiner kulturellen, politischen, sozialen und religiösen Umwelt, sowie von der Zeit, in der dieser Mensch gerade lebt.

Während in der Antike und bei den Germanen die Arbeit unter Zwang von Sklaven oder Unfreien ausgeübt wurde, bedeutete im Christentum die Arbeit eine Art der Hinwendung zu Gott. Sie wurde als gottgewollte Pflicht gesehen, deren Erfüllung eine soziale und ethische Aufgabe darstellte. Aus diesem göttlichem Gebot und der Tatsache, daß Arbeit für den Menschen lebensnotwendig ist, leitet auch noch im Mittelalter Thomas von Aquino die allgemeine Arbeitspflicht ab.

Im 16. Jh. „adelt" Calvin die Arbeit als zentralen Lebensinhalt. Mit dieser „Protestantischen Arbeitsethik" erhält die Arbeit nun eine religiöse, positive Bedeutung, indem sie als Berufung von Gott betrachtet wird. Erstmalig wird in dieser Zeit die Arbeit mit persönlich empfundenen Qualifikationen in Verbindung gebracht. Da die Arbeit ein von Gott erteilter Auftrag ist, bedeutet das Gelingen derselben auch, sich dem Wohlwollen Gottes verdient gemacht zu haben: „Zunächst ist der Beruf nicht viel mehr als der Platz, an den Gott den Menschen „berufen" hat, mit dem er sich deshalb bescheiden muß, dessen er sich aber auch nicht zu schämen braucht. In dieser „selbstbewußten Bescheidung" liegt aber auch ein normatives Element: Indem sich der Mensch mit dem Platz, an den Gott ihn gestellt hat, identifiziert, erwächst auch die Pflicht, ihn so auszufüllen, wie es Gott wohlgefällig ist" (In: Wilhelm-Reiss 1980, S.52).

Im 17. und 18. Jh. profiliert sich die bürgerliche Gesellschaft, in der Sparsamkeit und rationale Lebensplanung propagiert und die allgemeine Arbeitspflicht für alle arbeitsfähigen Gesellschaftsmitglieder gefordert wird. Müßiggang wird in dieser Zeit als Faulheit verdammt und Arbeitslosigkeit bedeutet selbstverschuldete Armut. In diesem Zeitalter der Aufklärung wird „die geistige Arbeit als die eigentliche Arbeit verstanden und ihr somit ein höheres soziales Ansehen verliehen als der körperlichen Arbeit, die auch ein bestimmtes Maß an Anerkennung erlangte" (Schumacher 1986, S.25). Nach Bahrdt (In: Wilhelm-Reiss 1980, S.53) gründeten auch die körperlich Arbeitenden ihr Selbstbewußtsein auf einer disziplinierten und fleißigen Arbeit und verinnerlichten somit die bürgerliche auf Tüchtigkeit bauende Arbeitsmoral.

Die heutige Auffassung von der Bedeutung der Arbeit entspringt dieser Arbeitsmoral des Aufklärungszeitalters. Sie erhält ihren Sinn nicht mehr in Bezug auf Gott, sondern aus sich selbst heraus und „wird zum Weg in die Glückseligkeit" (Myrell, 1985 S.79).

2.3 Wertewandel

Nach W.R. Heinz verliert der Beruf in der heutigen Zeit an Wichtigkeit. Er ist nicht mehr die unmittelbar identitätsstiftende Instanz und die Bedeutung von Karriere- und Leistungsorientierung werden geringer. An seine Stelle treten „neue Werte, wie Selbstverwirklichung, Partizipation und Solidarität" (In: Kieselbach u.a. 1985, S.242).

Auch M. Ruthmann (In: Myrell 1985, S.72) stellt in einem Interview mit erwerbslosen Frauen fest, daß sich vor allem junge Leute nicht mehr über den Beruf definieren, ihn statt dessen als Mittel zum Zweck sehen (Geld verdienen um „über die Runden zu kommen") und den Lebenssinn eher in ihrer Freizeit suchen, diese sinnvoll gestalten wollen.

„Alle scheinen sich einig zu sein. Wir befinden uns zur Zeit in einer Phase des Wertewandels; weg von der Arbeitsorientierung, hin zur Freizeitorientierung. (Opaschowski/Raddatz, 1982 in: Myrell 1985, S.116). Laut U. Rothaus (In: Myrell 1985 S. 117) ist für jeden dritten Bundesbürger mehr Freizeit zu haben wichtiger als mehr Lohn zu bekommen.

M. Esser unterscheidet in seinem Artikel „Vom Phänomen der freien Zeit - Die Zukunft von Arbeit und Freizeit" (In: Myrell 1985, S.147ff) zwei gegenwärtig existierende Bewußtseinsrichtungen: Der einen Gruppe, deren Anhänger nach Erfolg im Berufsleben streben, unterstellt er eine „Nach-uns-die-Sintflut-Mentalität", da ihr wirtschaftliches Wachstumsbestreben nur mit der Ausbeutung der Erde zu bezahlen sei.

Die andere Gruppe beschreibt er als „Gesellschaft der freien Zeit" (S.150), deren Angehörige in ihrer freien Zeit Verantwortung für die Zukunft übernehmen wollen. Aufgrund der wachsenden Zahl von Arbeitslosen sieht Esser für die Zukunft die Arbeit als eine von unseren Freizeitvorstellungen geprägte Institution. In dieser Zukunft wird „der wichtigste Maßstab (...) aber nicht mehr Leistung und Einkommenshöhe sein, sondern die Frage nach dem individuellen Sinn der Tätigkeit und ihrer Bedeutung für die Gemeinschaft" (In: Myrell 1985, S.151). In ähnlicher Form unterteilt H. Klages (1985, S.58) die Gesellschaft in zwei Wertegruppen: Den Trägern von Pflicht- und Akzeptanzwerten und den Trägern von Selbstentfaltungswerten. Im Schaubild (s.S.6) verdeutlicht Klages, daß diese beiden Gruppen zwar darin übereinstimmen, daß sie sich nicht mit Unternehmenszielen wie Wachstum und Gewinn identifizieren, sondern „eine Verlagerung der Unternehmensziele auf Umw elt, Persönlichkeit und Arbeitsplätze" (Klages 1985, S.60) wünschen, daß jedoch bei der „Selbstentfaltungsgruppe" diese Abweichung von Wunsch und Wirklichkeit wesentlich stärker ausgeprägt ist. Klages interpretiert diese Nichtübereinstimmung mit etablierten Zielen als „Ziel-Abkehr".

Die sprichwörtliche Frage, ob die Bundesbürger leben, um zu arbeiten oder arbeiten, um zu leben, beantwortet E. Noelle-Neumann durch eine Umfragereihe von 1956-1982: Demnach hat sich die Einstellung zur Arbeit in diesem Zeitraum folgendermaßen geändert:

Von der gesamten Bevölkerung sahen 1956 59% ihr Leben als Aufgabe, während im gleichen Jahr nur 28% ihr Leben primär genießen wollten. Bis 1977 sank die Zahl der „Pflichtbewußten" kontinuierlich bis auf 48%, während die Zahl der „Genießer" ebenso konstant anstieg. Zwischen den Jahren 1977 und 1980 erlebte die Bevölkerung offenbar einen markanten Wertewandel: 1980 waren es wieder 51%, die ihr Leben als Aufgabe betrachteten und nur noch 29%, die ihr Leben genossen. Bis 1982 stieg die Zahl der Genießer aber wieder auf 36% und die Zahl der Pflichtbewußten sank entsprechend auf 43%. (Vgl.: Noelle-Neumann 1984, S.10).

Die Tatsache, daß unter den Genießern ein hoher Anteil unter 30-Jährige sind erklärt Noelle-Neumann u.a. so: „Die jungen Leute befinden sich noch in einer Phase der Orientierung, stehen vor dem häufig schmerzhaften Zwang, ihre durch die Prosperität der älteren Generation geprägten Ansprüche mit der Realität der Berufswelt in Einklang zu bringen." (Noelle-Neumann 1984, S.13),

Schaubild zur Identifikation von Führungskräften und Studenten mit Organisationszielen. Die Länge der Balken über der Mittellinie zeigt das Ausmaß der von den Befragten wahrgenommenen faktisch vorhandenen Organisationsziele. Der Balken darunter das Ausmaß, in dem diese Ziele nach Auffassung der Befragten befolgt werden sollten.

Ohne Abb.

(Aus: Klages 1985, S.61)

Anhand einer weiteren internationalen Umfrage, woraus Noelle-Neumann die Ergebnisse für die Bundesrepublik Deutschland abdruckt, bestätigt sie, daß die Arbeit heute (1982) nicht mehr in Verbindung gebracht wird „mit einer Vision, die ihn (den Menschen) hinaushebt über seine private Existenz und ihm ein Stück Identität mit Zielen von hohem moralischen Anspruch vermittelt" (Noelle-Neumann 1984, S.22). Diese Aussage muß jedoch differenziert betrachtet werden, da auffällt, daß je eigenverantwortlicher die Tätigkeit, bzw. je höher der berufliche Status ist, desto eher setzen sich die Erwerbstätigen für ihren Beruf ein und identifizieren sich mit diesem. E. Schumacher (1986) schränkt die Aussagekraft der Statistik zusätzlich ein, indem er behauptet, daß Deutsche im Vergleich mit anderen Ländern wie Japan, USA, oder Schweden ohnehin unzufriedener mit ihrer Arbeit und weniger engagiert sind. Aufgrund dessen bezieht er sich auf Pawlowsky & Flodell (1984), die „in diesen Fakten keinen tiefgreifenden Verfall arbeitsbezogener Grundwerte, sondern einen Wandel von Ansprüchen an die Arbeit" sehen (Schumacher 1986, S.27).

2.4 Bedeutung der Freizeit

Wenn heutzutage ein Wertewandel festzustellen ist, der dazu führt, daß die Gesellschaft sich immer mehr auf die sinnvolle Ausfüllung der Freizeit konzentriert, und sich gleichzeitig entsprechend weniger an der Arbeit als persönlichkeitsfördernde Institution orientiert, erscheint es sinnvoll, an dieser Stelle die Bedeutung der Freizeit für den Bundesbürger näher zu betrachten.

Laut Noelle-Neumann ist es „ein alter aristotelischer Gedanke, daß es zwei streng getrennte Bereiche im Leben und in der menschlichen Gesellschaft gibt: den Bereich der Arbeit, der Notdurft, der Plackerei und den Bereich des Vergnügens, der Freizeit, des Konsums. Die eine Sphäre ist gekennzeichnet durch Zwang, Disziplin, Ordnung; die andere durch Freiheit und Individualität." (Noelle-Neumann 1984, S.8). Laut dem „Psychologisches Wörterbuch" bedeutet Freizeit die „von Abhängigkeit und Zwang befreite Zeit, die freie Wahlmöglichkeiten, eigenständige Entscheidungen und soziale Mitverantwortung ermö glicht" (Dorsch 1994, S.257). Weiter wird an dieser Stelle bedauert, daß Arbeit und Freizeit meist als Gegensätze dargestellt werden und es wird betont, daß die Freizeitforschung weit über den Aspekt der Erholung hinausgeht nämlich auch u.a. mit der Humanisierung der Arbeitswelt und der Lebensqualität in engem Zusammenhang steht.

Was fangen also die Deutschen mit ihrer Freizeit an? M. Ruthmann stellt in Gesprächen mit Erwerbstätigen fest, daß die meisten - ob Selbständiger oder Lohnabhängiger - die Zeit, in der sie nichts tun (nämlich in den Abendstunden fernsehen) als die eigentliche „echte" Freizeit beschreiben. (In: Myrell 1985, S.70).

E. Schumacher betont, daß die Freizeit für den deutschen Arbeitnehmer in den letzten Jahren zwar an Bedeutung zugenommen habe, dies jedoch die Bedeutung der Arbeit als Erfüllungsort materieller wie immaterieller Bedürfnisse nicht gemindert habe: „Vielmehr macht der Mensch sowohl bei der Arbeit als auch in der Freizeit bestimmte Erfahrungen, wobei sich die Erfahrungen des einen Lebensbereiches immer stärker auf den anderen auswirken (Schumacher 1986, S.28).

Dies wird vor allem dann deutlich, wenn die Freizeit nicht mehr „freie Zeit" nach der Arbeit ist, sondern durch Arbeitslosigkeit aufgezwungen ist: „Selbst wenn die erste Zeit der Arbeitslosigkeit zunächst als eine Chance zu mehr Freizeit angesehen wird, wird diese bei länger anhaltender Erwerbslosigkeit nicht mehr als Freizeit im positiven Sinne erlebt" (Schumacher 1986, S.59). Die Freizeit wird, vor allem bei Jugendlichen, während der Arbeitslosigkeit zur Langeweile, u.a. weil das nötige Geld für Aktivitäten und die Freunde dazu fehlen. Die zeitstrukturierende Funktion der Arbeit geht verloren, wodurch die Freizeit nicht mehr als erholsamen „Feierabend" erlebt wird, sondern eine Ziel- und Planlosigkeit im Arbeitslosen verursacht: „Die Zeit wird zu einem unstrukturierten Kontinuum ohne Abwechslung und ohne Besonderheiten." (Schumacher 1986, S.61).

Um Freizeit sinnvoll nutzen zu können, scheint der Mensch in der Regel also einen entsprechenden Ausgleich zu brauchen, der ihn erfüllt und seinem Leben Sinn gibt. Diesen Sinn könnte er durch entsprechende Aktivitäten auch in einer Zeit der Arbeitslosigkeit finden, wenn diese Tätigkeiten genügend Selbstwertgefühl vermitteln kann. So sind einige Arbeitslose z.B. vermehrt politisch engagiert, wozu sie in der Zeit, in der sie einer regelmäßigen Arbeit nachgingen keine Zeit hatten. Bleibt die Frage, ob solche Tätigkeiten dann nicht auch wieder als „Arbeit" bezeichnet werden kann, die allerdings ohne Vergütung und evtl. auch ohne vertragliche Regelung geleistet wird, jedenfalls aber nicht als „Freizeit" verstanden wird.

2.5 Humanisierung der Arbeit durch Arbeitsgestaltung

Um den o.g. „Wandel von Ansprüchen an die Arbeit" gerecht zu werden, zeichnen sich in Deutschland Humanisierungstendenzen der Arbeit durch persönlichkeitsfördernde Arbeitsgestaltung ab.

Ich möchte hier nur kurz die wichtigsten Maßnahmen nennen und umreißen, da mein eigentliches Thema nicht die Auswirkungen von Arbeitsbedingungen auf die Handlungsfähigkeit des arbeitenden Menschen und die Optimierung der geleisteten Arbeit durch diese ist, sondern die Bedeutung der Arbeit im Generellen auf die Persönlichkeit des Menschen.

Vorwegnehmend zitiere ich L. Montada, der die empirische Forschung von Effekten auf Arbeitnehmern durch entsprechende Arbeitsbedingungen zwar skeptisch betrachtet, trotzdem aber zusammenfassend feststellt: „‘Gute’ Arbeitsanforderungen sind solche, die Entscheidungs- und Gestaltungsmöglichkeiten, damit also Eigenverantwortlichkeiten läßt, die nicht restriktiv sind, und die inhaltlich vielfältig, komplex und problemhaltig sind. ‘Schlechte’ Arbeitsanforderungen sind das Gegenteil hierzu." (In: Udris 1991, S.64).

Auch Jahoda (1983) spricht davon, daß Menschen die Erfahrungen, die sie bei der Arbeit (also der Erwerbstätigkeit) machen, brauchen und daher diese unter bestimmten positiven Bedingungen machen wollen. Sie betont die Forderung daß der arbeitende Mensch „Kontrolle über die Art und Geschwindigkeit seiner Tätigkeiten hat, in der er die Gründe für Regeln und Anordnungen versteht und als menschliches Wesen anstatt als Werkzeug behandelt wird." (Jahoda 1983, S.141).

Als Mittel für eine angemessene Humanisierung schlägt Jahoda zwei Kategorien vor: Veränderungen in der Organisation und Veränderungen in der Aufgabenzuordnung. Als Möglichkeiten der ersten Kategorie sieht sie die „Mitbestimmung auf verschiedenen Ebenen, Anreicherung und Erweiterung der Arbeitsplätze und eine Vielzahl von Modellen der Kooperationsformen und der Gewinnbeteiligung." (Jahoda 1983, S.142). Für die Durchführung der zweiten Kategorie setzt Jahoda voraus, daß individuelle Unterschiede bei den Arbeitern berücksichtigt werden müssen, um „ein angemessenes Verhältnis zwischen den Neigungen und Fähigkeiten eines Arbeitnehmers und seiner Zuweisung zu spezifischen Aufgaben anzustreben" (Jahoda 1983, S.146). In der Übereinstimmung von der Anzahl der entsprechenden offenen Arbeitsstellen und den dazu qualifizierten Arbeitnehmern sieht Jahoda die hervorstechende Schwierigkeit für die Durchsetzung dieser Form der Humanisierung.

Insgesamt betrachtet Jahoda die Humanisierung der Arbeit als zwar dringend notwendig, sie sieht auch die Existenz möglicher Methoden, diese zu erreichen, hält es aber für zum Scheitern verurteilt, „wenn man sie in der falschen Erwartung einführt, daß dadurch auch die Produktivität gesteigert wird." (Jahoda 1983, S.147). Jahoda warnt aber auch davor, daß Humanisierung, auch wenn sie zum Selbstzweck dient, Probleme mit sich bringt und einen hohen Einsatz von Unternehmen und Angestellten fordert.

3. Die Bedeutung der Arbeit für die Persönlichkeit des Menschen

Trotz des offensichtlich erscheinenden Wertewandels von der Arbeitsethik zur Freizeitgesellschaft hält Jahoda es dennoch für zweifelhaft, daß „alle verfügbaren Belege verarbeitet worden sind und ob die Annahmen über die Vergangenheit zutreffen." (Jahoda 1983, S.67). Sie unterstützt diese Zweifel durch Untersuchungen, nach denen viele Menschen ohne ökonomische Notwendigkeit arbeiten oder arbeiten wollen. Warum dies so ist, bzw. was die Arbeit neben der bloßen materiellen Existenzsicherung noch für die Persönlichkeit des Menschen bedeutet, möchte ich an dieser Stelle versuchen zu erläutern.

3.1 Realitätsbindung und Identitätsbildung

S. Freud lehrte 1930, daß die stärkste Bindung des Menschen an die Realität die Arbeit sei. Das Streben nach unmittelbarer Triebbefriedigung (Lustprinzip) werde im Laufe der menschlichen Entwicklung durch die Fähigkeit ersetzt, die Realität wahrzunehmen und den Trieb dieser anzupassen (Realitätsprinzip).Sublimierung ist eine Form der Triebverschiebung, bei der die Triebenergie auf anerkannte soziale Leistungen umgelenkt wird. Die Arbeit ist dabei die hauptsächliche Form der Sublimierung. (Vgl: Schumacher 1986, S.12f).

„Schmale (1983) zufolge kann Arbeit nach Freud als eine Tätigkeit verstanden werden, die über den Weg der Triebverschiebung zur Ich-Bildung führt" (Schumacher, 1986, S.13).

H. Hartmann hat 1964 diese Theorie ausgearbeitet und dabei drei Formen unterschieden, durch die wir uns an die Realität binden: „dadurch, daß wir aus beobachteten Folgen von Handlungen schließen, daß die äußeren Dinge wirklich so sind, wie sie es nach unserer Meinung sein sollten; indem wir mit anderen ein ‘konventionelles’ oder ‘sozialisiertes’ Wissen von der Realität teilen; und durch das Zeugnis unserer Wahrnehmung, das heißt, durch die Welt der unmittelbaren Erfahrungen." (Jahoda 1983, S.102). Jahoda sieht in der Arbeit alle diese drei Formen der Realitätsbindung vereint.

Die Arbeit als identitätsstiftende Institution ist ein oft zitierter Aspekt auch in der Arbeitslosenforschung. So beschreibt A. Wacker den Begriff Identität als eine wechselseitige Beziehung zwischen dem Inneren einer Person und den äußeren gesellschaftlichen Gegebenheiten: „in ihm [dem Ich] fassen sich über einen Prozeß der Synthetisierung individuelle Lebensgeschichte, soziale Anforderungen und die Perzeption der inneren und äußeren Realität zusammen." und weiter: „Anerkennung und Ablehnung, Anforderungen und Leistungen, Wünsche und Möglichkeiten konstituieren das Gehäuse der Realitätserfahrungen und bringen ihre Wirklichkeit in das Gerüst der Selbstorientierung ein."(Wacker 1983,S.123).

E. Schumacher bezieht sich auf Goffman (1964), wenn er bei der Ich-Identität zwischen der persönlichen und sozialen Identität unterscheidet. Die persönliche setzt sich demnach aus den individuellen Daten einer Person zusammen, die seine Biographie bestimmen wie z.B. Name oder körperliche Merkmale. Die soziale Identität dagegen wird von der Gesellschaft bestimmt und „bezieht sich auf die Erwartungen der Umwelt, die diese an den einzelnen richtet. Solche Erwartungen sind an strukturelle Merkmale wie z.B. die Berufsposition angebunden." (Schumacher 1986, S. 48). Die Erreichung der Ich-Identität ist demnach abhängig von der Fähigkeit, den Erwartungen beider Identitäten gerecht zu werden. Da aber eine wesentliche dieser Erwartungen im gesellschaftlichen Bereich die Ausübung eines Berufs ist, ist die Erwerbsarbeit also eine wichtige Voraussetzung zur erfolgreichen Bildung einer Ich-Identität.

Auch aus entwicklungspsychologischer Sichtweise wird der Mensch zu bestimmten Zeiten seines Lebens mit bestimmten Entwicklungsaufgaben konfrontiert, wobei die Bewältigung dieser Aufgaben innerhalb der entsprechenden Zeitperiode zur Anerkennung in der Gesellschaft und zur Zufriedenheit des Individuums führt. Eine dieser Entwicklungsaufgaben ist der Einstieg in das Berufsleben zwischen dem 18. und dem 30. Lebensjahr. Dieser Schritt bedeutet auch die Abnabelung vom Elternhaus und ermöglicht die Gründung einer eigenen Familie sowie den sozialen Aufstieg in der Gesellschaft. (Nach: Schumacher 1986, S.15f). Schumacher beschreibt die Arbeit und den Beruf als „persönlichkeitsfördernde Lern- und Verhaltensbereiche, durch die die persönliche und soziale Identität des Individuums stark geprägt werden." Die Sozialisation eines Jugendlichen erfährt im Schritt der Abnabelung vom Elternhaus durch den Berufseinstieg die nötige Kontinuität und trägt so wesentlich zur Identitätsbildung bei. Auch hier wird wieder betont, daß der Mensch im Beruf die Erfahrungen von Kompetenz und Selbstwertschätzung macht. In der Entwicklungspsychologie wird also „die Bedeutung der beruflichen Position (als kontinuierliche Entwicklungsbedingung) und die Bedeutung erfolgreich bewältigter Arbeitsveränderungen für die Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung (...) nicht unbeachtet bleiben können." (Udris 1991, S.138).

Welche berufliche Position jeweils erreicht wird, bzw. welche Berufsziele vorhanden sind und welcher Beruf letztendlich gewählt wird hängt von mehreren Voraussetzungen bzw. Bedingungen ab, was die Wechselbeziehung zwischen Beruf/Arbeit und Persönlichkeit verdeutlicht.

L. Montada beschreibt in diesem Zusammenhang Variablen verschiedener Ebenen, die für die Bildung von Bedingungshypothesen zu bedenken seien, die also für die Berufswahl entscheidend sind:

a) auf der biologischen Ebene, z.B. Geschlecht und Größe
b) auf der psychologischen Ebene, z.B. Wertorientierungen und Fertigkeiten
c) auf der Arbeitsplatzebene, z.B. Leistungsanforderungen und soziale Organisation
d) die Ebene der sozialen Mikrosysteme, z.B. Peergruppe und Elternfamilie (Berufe der Mitglieder und die Bewertung dieser Berufe)
e) die Ebene der sozialen Mesosysteme, z.B. Separierung oder Integration zwischen den Mikrosystemen, denen die Person angehört
f) die Ebene der Exosysteme, denen die Person nicht angehört aber die Einfluß üben
g) die Ebene der Makrosysteme, z.B. Wirtschaftsstruktur und gesellschaftliche Einstellungen zu Beruf und Personenmerkmalen. (In: Udris u.a. 1991, S.58).

Diese Variablen interagieren miteinander und werden somit in einem komplexen Zusammenhang betrachtet. Viele äußere und innere Faktoren der Persönlichkeit bestimmen also die Berufswahl, während die Ausübung dieses Berufes wiederum ganz spezifische Erfahrungen für den arbeitenden Menschen mit sich bringt und gewisse Funktionen erfüllt. Beide (Erfahrungen und Funktionen) prägen die Persönlichkeit des Menschen und dessen Identitätsbildung wesentlich.

3.2 Erfahrungen und Funktionen

Neben den oben beschriebenen Erfahrungen, die für die Ich-Bildung wesentlich sind, macht der Mensch bei der Arbeit (Erwerbsarbeit) weitere wichtige Erfahrungen, die unabhängig von der Organisation zwangsläufig durch die Struktur der Erwerbstätigkeit gegeben sind: „die Auferlegung einer festen Zeitstruktur, die Ausweitung der Bandbreite sozialer Erfahrungen in Bereiche hinein, die weniger stark emotional besetzt sind als das Familienleben, die Teilnahme an kollektiven Zielsetzungen oder Anstrengungen, die Zuweisung von Status und Identität durch die Erwerbstätigkeit und die verlangte regelmäßige Tätigkeit." (Jahoda, 1983, S. 99).

Jahoda beschreibt diese fünf Erfahrungskategorien als „psychische Notwendigkeit des modernen Lebens" (Jahoda 1983, S.100) und stellt die Behauptung auf, daß sie bleibenden menschlichen Bedürfnissen entsprechen, die weder zeit- noch kulturgebunden sind. Diese These stützt sie durch Beispiele nach denen in Gesellschaften, in denen die Institution „Erwerbsarbeit" aus gegebenen Gründen nicht existiert, Ersatzhandlungen zu finden sind, die diese fünf Erfahrungen auf der Basis religiöser Praktiken oder anderen Ritualen bieten. Arbeit ist demnach nur eine Möglichkeit, dem dauerhaften Bedürfnis nach diesen Erfahrungen nachzukommen. In unserer mitteleuropäischen Gesellschaft ist sie jedoch eine der wichtigsten Institutionen, in der diese Bedürfnisbefriedigung möglich gemacht wird, da die Erwerbsarbeit neben der automatischen Bereitstellung dieser fünf Erfahrungskategorien hier auch der ökonomischen Notwendigkeit, seinen Lebensunterhalt zu verdienen nachkommt. Die Qualität dieser in der Erwerbsarbeit gemachten Erfahrungen ist allerdings nicht immer gut, was zu den oben beschriebenen Humanisierungsversuchen der Arbeit führte. H. Schindler u.a. unterscheiden hierbei zwischen kontrollierbaren und nicht kontrollierbaren Umwelten, wobei die eine befähigend und kompetenzfördernd, die andere aber behindernd und entwicklungshemmend sei: „Soziale Rollen (...) erfüllen eine befähigende, fördernde Funktion, wenn sie durch den einzelnen kontrolliert werden können, so daß er persönliche Ziele erreichen kann, während die gleichen Rollen eine behindernde Funktion innehaben, wenn sie sich seiner Kontrolle entziehen." (Schindler 1990, S.25). Weiter erklärt Schindler, daß die befähigende Umwelt die Entwicklungsmöglichkeiten eines Menschen dadurch erweitere, „daß sie ihn an Aktivitäten teilhaben läßt, die er alleine nicht ausführen könnte. Sie verhilft ihm zu einem Platz in einem allgemein anerkannten Wirkungskreis und bestätigt die eigene Wertschätzung durch ein unterstützendes Feedback." (Schindler 1990, S.25). Schindler benennt hier also drei Funktionen der Arbeit, die auch bei Jahoda schon beschrieben wurden: Integration, Sozialisation und eigene Wertschätzung.

Die oben genannten fünf Erfahrungskategorien der Erwerbsarbeit finden sich - manchmal leicht abgeändert oder erweitert - bei verschiedenen Autoren in der Literatur wieder. So beschreiben die psychologischen Berufsverbände 1983 in der Zeitschrift „Psychologie heute" (3/83, S.18f) die wichtigsten sozial- und individualpsychologischen Funktionen der Erwerbsarbeit so:

n Kompetenzgefühl durch Objektivierung der eigenen Fähigkeiten in der Bewältigung der Arbeitsaufgabe.

n Entwicklung der personalen Identität durch die Erfahrung, die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausführung einer bestimmten Arbeit zu besitzen.

n Entwicklung kooperativer Fähigkeiten durch die Arbeit in einem sozialen Kontaktfeld.

n Erfahrung, nützlich für die Gesellschaft zu sein durch Leistung und Produktivität.

n Einkommen und Arbeitsinhalt als Voraussetzung für eine sinnvolle Nutzung der Freizeit.

Schumacher (1986, S. 19f) benennt verschiedene Autoren zusammenfassend zehn Funktionen der Arbeit, bzw. deren positiven psychosozialen und materiellen Konsequenzen:

1. Existenzsicherung - durch finanzielle Entlohnung können die Grundbedürfnisse wie Wohnen, Essen und Konsum befriedigt werden.
2. Prägung von Persönlichkeitsmerkmalen - durch Entwicklung individueller Fähigkeiten, Einstellungen und Weltanschauungen durch die Arbeit.
3. Zeitstrukturierung - von der Tages- bis hin zur Lebensplanung wird der zeitliche Ablauf durch die Arbeitszeit bestimmt. Auch die Freizeit wird durch Arbeitsbedingungen und das Einkommen beeinflußt.
4. Identitätsbildung - durch Vermittlung der Erfahrung, für bestimmte Tätigkeiten die dazu notwendigen Fähigkeiten zu besitzen ( führt auch zum gesteigerten Selbstwertgefühl ).
5. Umwelt- und Innenstabilisierung - Aufbau eines durch soziale Rollen geprägtes Handlungssystems.
6. Handlungskomp etenz - durch die Arbeit angeeignete Kenntnisse und Fähigkeiten.
7. Statuszuweisung - Bewertung der Person durch die Gesellschaft aufgrund seiner beruflichen Position.
8. Sozialintegrative Wirkung - durch Verhaltensstabilisierung und Strukturierung des sozialen Umfelds.
9. Kontakt - und Interaktionsfeld - Förderung der kooperativen Fähigkeiten, sozialer Orientierungsrahmen zur Selbsteinschätzung, Einbezogensein in die soziale Realität.
10. Soziale Anerkennung - Vermittlung des Gefühls, etwas Wert zu sein und gebraucht zu werden.

M. Wilhelm-Reiss zitiert Nibbrig, 1977, wenn sie den Beruf neben der materiellen Existenzsicherung als „den wichtigsten Faktor für ‘Sozialisation, Enkulturation und Personalisation’ des Individuums" darstellt (Wilhelm-Reiss 1980, S.48).

Sie betont damit von den bisher genannten Funktionen den Aspekt des Sozialprestiges, der durch die soziale Anerkanntheit des ausgeübten Berufs bestimmt wird und damit auch den Aspekt der Integration beschreibt. Nach einer Umfrage des EMNID - Instituts ergibt sich für das Berufsimage folgende Rangfolge (in Auszügen):

Die ersten drei Plätze werden von medizinischen Berufen (Arzt, Tierarzt und Zahnarzt) belegt gefolgt von Rechtsanwalt und Pfarrer. Handwerker und Hausfrau/-mann bilden das Mittelfeld auf Rang sieben und an letzter Stelle stehen Finanzbeamter und Versicherungsvertreter. (In: Wiendieck 1993, S.42).

Dem arbeitenden Menschen wird also bei Antritt eines bestimmten Berufes „ein Platz in der betrieblichen und gesellschaftlichen Hierarchie der Macht und des Ansehens zugewiesen, d.h. er wird aufgrund der Rangzuordnung der Berufe, ihrer unterschiedlichen Bewertung hinsichtlich Einkommen, Geltung und Nachfrage sozial integriert."(Wilhelm-Reiss 1980, S.48).

Auch Wilhelm-Reiss (1980, S.49f) verweist auf verschiedene Autoren wie Schelsky, Kudera oder Jahoda und zählt so einige der Funktionen der Arbeit auf, die oben bereits genannt wurden: Verhaltensstabilisierung und Mitkonstitution der sozialen Identität. Einbezogenheit in die soziale Realität der Gesellschaft und sozialer Orientierungsrahmen. Umwelt- und Innenstabilisierung des Arbeitenden. Gefühl der Nützlichkeit für die Gesellschaft.

Alle genannten Funktionen und Bedeutungen der Arbeit für die Persönlichkeit des Menschen können sich natürlich auch ins Negative wandeln, sobald die Arbeit für einen Menschen ausbleibt, bzw. wegfällt. Diese möglichen Folgen der Erwerbslosigkeit werde ich im folgenden Kapitel beschreiben

4.Erwerbslosigkeit

4.1 Begriffsbestimmung und Fakten

Um die Bedeutung von Arbeit für die Persönlichkeit des Menschen zu begreifen, scheint es mir sinnvoll zu sein, Reaktionen und Auswirkungen zu betrachten, die entstehen, wenn die Arbeit fehlt. Hierbei muß nun allerdings wieder berücksichtigt werden, daß, wenn von Arbeitslosigkeit die Rede ist, in den meisten Fällen Erwerbslosigkeit gemeint ist.

So bezeichnet das Psychologische Wörterbuch den Begriff der Arbeitslosigkeit als „irreführend, da ‘Arbeitslose’ keineswegs aufhören zu arbeiten, sondern immer auch unbezahlte Arbeit, etwa im Haushalt oder in der Familie ausführen ..." (Dorsch 1994, S.52). Dementsprechend meint auch A. Wacker wohl die Erwerbstätigkeit, wenn er (Bogs, 1956 zitierend) seinen Definitionsansatz der Arbeitslosigkeit darauf beschränkt sie als „Nichtbeschäftigung lohnabhängiger Arbeitskräfte" zu bezeichnen, „die zwar rechtlich frei, aber wirtschaftlich auf die Fremdverwertung ihrer Arbeitsleistung als des einzigen und persönlichen Mittels ihrer Existenzerhaltung angewiesen sind." (Wacker 1983, S.13). Für das Statistische Bundesamt Deutschland zählen alle Nichtbeschäftigten als erwerbslos, „die sich nach eigenen Angaben um eine Arbeitsstelle bemühen, unabhängig davon, ob sie beim Arbeitsamt registriert sind oder nicht. Die von der Bundesanstalt für Arbeit gemeldete Zahl der Arbeitslosen umfaßt dagegen nur die bei den Arbeitsämtern gemeldeten Arbeitsuchenden." (Statistisches Bundesamt 1999).

M. Jahoda faßt alle gängigen Definitionen zusammen und beschreibt Erwerbslosigkeit ganz allgemein und umfassend folgendermaßen: „man kann all jene als erwerbslos betrachten, die keine Stelle haben, aber gerne eine hätten, oder die für die Zeit, in der sie keine Stelle haben, auf finanzielle Unterstützung angewiesen sind, um überleben zu können. (Jahoda 1983, S.32).

Die Arbeitslosenzahl stieg Ende der 20er Jahre von eine auf zwei Millionen an. Januar 1932 erreichte sie während der Weltwirtschaftskrise ihren Höchststand, der bis heute nicht mehr erreicht wurde: 6,04 Mio. Menschen waren in Deutschland arbeitslos. Danach sank die Zahl wieder kontinuierlich auf unter einer Millionen ab. Ende der 60er und Mitte der 70er überschritt sie dagegen wieder im Zuge der Wirtschaftskrise die Millionengrenze und seitdem steigt die Zahl der Arbeitslosen bis heute stetig an.

Während aber in den 20er und 30er Jahren Arbeitslosigkeit materielle Not bedeutete und die pure Lebensexistenz gefährdete (Arbeitslosenunterstützung lag weit unter dem Existenzminimum), hat die Bedrohung durch Arbeitslosigkeit durch sozialstaatliche Sicherheitsgarantien eher psychische Dimensionen als physische angenommen. Dazu schreibt A. Wacker: „Zwar ist im Falle der Arbeitslosigkeit einerseits das erreichte und gewohnte Niveau der materiellen Lebensführung gefährdet; in den Vordergrund schieben sich jedoch andererseits psychologisch aufzuklärende Phänomene wie Verunsicherung der Lebensperspektive, soziale Isolierung, Ohnmachtserfahrungen und Diffusion der sozialen Identität."(In: Wilhelm-Reiss 1980, S.26).

4.2 Erfahrungen mit Erwerbslosigkeit

Die Art und das Ausmaß der Erfahrungen, die gemacht werden, wenn Menschen arbeitslos im Sinne von erwerbslos werden, variieren vielfältig und hängen von Faktoren ab wie Geschlecht, Alter, Familienstand, Qualifikation oder Berufserfahrungen vor der Erwerbslosigkeit und lokale Arbeitsplatzsituation. Ein häufig genannter Aspekt ist vor allem, wie lange die Erwerbslosigkeit andauert.

Über die Erwerbslosigkeit von Frauen (Faktor: Geschlecht) schreibt M. Jahoda: „wenn die Frauen lieber arbeiten gehen, dann trifft sie die Erwerbslosigkeit weniger hart als die Männer, weil - psychologisch gesprochen - ihnen mit der Rückkehr in die traditionelle Hausfrauenrolle eine Alternative offensteht, die eine gewisse Zeitstruktur, ein gewisses Gefühl der Zweckbestimmung, des Status und des Beschäftigtseins mit sich bringt, auch wenn die Bandbreite der umfassenderen sozialen Erfahrungen ziemlich eingeschränkt wird. (Jahoda 1983, S.91f).

Jahoda benennt hier wieder die fünf Erfahrungskategorien die die Erwerbsarbeit zwangsläufig mit sich bringt: Zeitstruktur, Zweckbestimmung (Teilhabe an kollektiven Zielen), Statuszuweisung, regelmäßige Beschäftigung und erweiterte Bandbreite sozialer Beziehungen. Die Hausfrau macht in ihrer „Nicht-Erwerbsarbeit" mit Ausnahme der letzt genannten Kategorie alle diese für die Psyche so wichtigen Erfahrungen. In der Regel fehlt aber im Kontext der Erwerbslosigkeit die Möglichkeit, den Mangel an Erfahrungen zu kompensieren. Während der Erwerbstätige sich über die geringe Qualität der Erfahrungskategorien beschwert, ist es beim Erwerbslosen das Fehlen derselben, die ihn frustrieren. Dieses Fehlen der Erfahrungskategorien wird in unterschiedlichen Gruppen unterschiedlich erlebt: Während Frauen hauptsächlich unter das Fehlen sozialer Kontakte leiden, ist für Jugendliche die fehlende Zeitstruktur der am meisten belastende Faktor und Manager haben den Statusverlust zu verarbeiten. (Nach Jahoda 1983, S.139). Dementsprechend sind die Reaktionen auf den Verlust der automatischen Bedürfnisbefriedigung vielfältig: „Die Erwerbslosen können an ihren Bedürfnissen festhalten und die daraus resultierende Frustration an sich selbst oder an ihren Familien auslassen; sie können sich allmählich an die Erwerbslosigkeit gewöhnen, indem sie ihre Bedürfnisse aufgeben; sie können andere Einrichtungen schaffen oder finden, die ihre Bedürfnisse befriedigen; sie können in organisierter Form gegen ihr Schicksal revoltieren; sie können ihrer Frustration und ihrer angestauten diffusen Feindseligkeit in gelegentlichen Ausschreitungen und Plünderungen Luft machen." (Jahoda 1983, S. 150).

Kieselbach und Wacker betonen die unterschiedliche Intensität der Belastung von Erwerbslosigkeit: „Vergleichsweise stark belastet sind z.B. folgende Gruppen von Arbeitslosen: nicht verheiratete Männer, nicht verheiratete Frauen mit Kinder (unter 14 Jahren), Angehörige von Einpersonenhaushalten oder Haushalten mit mehr als 4 Personen, Arbeitslose mit einem ebenfalls arbeitslosen Ehepartner, Angehörige der mittleren Altersgruppen, unqualifizierte Arbeitslose, Langfristarbeitslose und Arbeitslose ohne Alternativrollen (vor allem als Hausfrau oder Rentner)." (Kieselbach 1985, S.191).

Schindler u.a. beschreiben Erfahrungswerte arbeitsloser Männer als Infragestellung ihrer (der arbeitslosen Männer) Persönlichkeit, der Verlust einer Beschäftigung und der Zugehörigkeit zu einer Firma und das Fehlen einer Zukunftsperspektive. Außerdem gaben die befragten Männer an, „eine wichtige Quelle ihres Selbstwertgefühls, das sie bisher zu wesentlichen Teilen aus ihrer beruflichen Tätigkeit gewonnen hatten" (Schindler u.a. 1990, S.49f) und den Wert für ihre Familie (auch finanziell) verloren zu haben.

Wacker faßt das Erleben der Erwerbslosigkeit als „Verengung bzw. Blockade des individuellen Handlungsfeldes" (Wacker 1983, S.109) zusammen. Der erwerbslos gewordene Mensch muß sich neu orientieren und „Strategien entwickeln, um entweder den Belastungen seiner Situation zu entgehen oder mit ihnen fertig zu werden (Wacker 1983, S.109).

4.3 Mögliche Reaktionen der Betroffenen auf die Erwerbslosigkeit

Diese Strategien als mögliche Reaktionen auf die Erwerbslosigkeit sind in der Arbeitslosenforschung eingehend untersucht worden. Wacker beschreibt die Ergebnisse einer Konfliktforschung auf der Grundlage feldtheoretischer Konzepte in Kombination mit dem medizinisch orientierten Streßmodell, die den phasischen Verlauf von Lösungsstrategien bei Erwerbslosigkeit in Form eines Verlaufsmodell von Schwellenhierarchien darstellen:

1. Anreiz-Schwelle. Erprobung aussichtsreich erscheinender Bewältigungsversuche
2. Frustrations-Schwelle. Überlagerung der rein sachbezogenen Lösungsstrategien durch subjektbezogen Verhaltensäußerungen.
3. Streß-Schwelle. Aktualisierung von Abwehrmechanismen und Selbstschutzreaktionen.
4. Erschöpfungs-Schwelle. Gefühl der Hoffnungs- und Hilflosigkeit verbunden mit zunehmender Aphatisierung.

Jede dieser Stufen kommt zum Einsatz, wenn die vorherige nicht ausreichte und scheiterte. (Nach Wacker 1983, S.111).

Dem Schwellenhierarchiemodell sehr ähnlich sind die Haltungstypen, die Jahoda u.a. als die Stadien eines psychischen Hinabgleitens in der klassischen und viel zitierten Marienthal-Studie beschrieben, die 1933 „ein Bild von der psychologischen Situation eines arbeitslosen Ortes" (Jahoda 1975, S.9) anhand einer soziographischen Studie aufzeigte.

So konnten die arbeitslosen Dorfbewohner alle einer der vier folgenden Grundhaltungen zugeordnet werden: Die Ungebrochenen waren diejenigen, die sich subjektiv wohl fühlten, aktiv waren und optimistisch in die Zukunft schauten. Die Resignierten hatten keine Pläne und Hoffnungen für die Zukunft mehr und beschränkten sich auf ihre existentiellen Bedürfnissen, fühlten sich dabei aber immer noch relativ wohl. Die Verzweifelten fielen durch ihre Hoffnungslosigkeit und Depressionen auf. Sie hatten das Gefühl, daß alle Bemühungen vergebens seien und verglichen ihre Situation mit der besseren Vergangenheit. Die zu der Gruppe der Apathischen gehörigen hatten bereits alle Versuche aufgegeben, an ihrer Situation etwas zu ändern. Sie sahen tatenlos zu, stritten sich, tranken und wußten überhaupt nichts mit sich und ihrer Zeit anzufangen.

Wilhelm-Reiss stellt zusammenfassend fest: „Fügt man alle Einzelergebnisse der Untersuchung zu einem Gesamteindruck zusammen, schält sich die ‘Formel von der Reduktion des Anspruchs- und Aktivitätsbereichs, vom Zeitverfall und vom Hinabgleiten entlang der ... dargestellten Haltungsreihe heraus. Das Dorf bietet den Eindruck allgemeinen Verfalls." (Wilhelm-Reiss 1980, S.33).

Es wird in der Literatur immer wieder betont, daß die Dauer der Erwerbslosigkeit einen wesentlichen Einfluß auf die Art und Weise der Auswirkungen auf die Betroffenen hat.

Schumacher bezieht sich auf eine Studie von Opaschowski (1976), wenn er ähnlich wie bei Jahoda vier Haltungstypen von Erwerbslosen unterscheidet, wobei „mit der Dauer der Arbeitslosigkeit eine kontinuierliche Entwicklung entlang der Haltungsreihe ‘zuversichtlich’, ‘pragmatisch’, ‘resignativ’ und ‘apathisch’" (Schumacher 1986, S.87) beobachtet wurde.

Mit zunehmender Dauer der Erwerbslosigkeit werden auch die psychischen Belastungen und die soziale Isolierung immer problematischer und das Gefühl des persönlichen Unvermögens steige stetig an, so Schumacher weiter (1986, S.170).

5. Zusammenfassung

Die Bedeutung der Arbeit für die Persönlichkeit des Menschen hat sich im Laufe der Menschheitsgeschichte zwar verändert, für die Psyche des Menschen hat sie aber nie an Wichtigkeit verloren, zumal wenn man den Begriff Arbeit nicht auf die Erwerbsarbeit beschränkt.

Neben der Funktion der bloßen Existenzsicherung, welche oberflächlich gesehen sicher die Wichtigste ist, ist die Erwerbsarbeit in unseren Gebieten die wichtigste Quelle vielfältiger Lebenserfahrungen und Mitgestalter der eigenen Identität.

Deutlich wird dies auch, wenn man die Folgewirkungen der Erwerbslosigkeit betrachtet, die sich sehr komplex gestalten und das Ausmaß der psychischen Notwendigkeit von Arbeit erkennen lassen:

„Emotionale Labilität, Gefühle der Wertlosigkeit und des Überflüssigseins, Einschränkung der Handlungsfähigkeit, Abbruch sozialer Beziehungen sowie psychosomatische Beschwerden waren Beispiele möglicher Verarbeitungsformen [von Erwerbslosigkeit]" (Schumacher 1988, S.13). Die Umkehr dieser Negativfolgen zeigen die positiven Funktionen von Erwerbsarbeit auf: Innere Stabilität, Selbstwertgefühl, Teilhabe an gemeinsamen Zielen, Kompetenzgefühl, vielfältige soziale Kontakte und nicht zuletzt psychische Gesundheit.

Literaturverzeichnis

DORSCH, Friedrich (Hrsg): Psychologisches Wörterbuch. 12. überarbeitete und erweiterte Auflage. Bern, Göttingen u.a.: Hans Huber Verlag 1994.

JAHODA, Marie: Wieviel Arbeit braucht der Mensch. Arbeit und Arbeitslosigkeit im 20. Jahrhundert. Weinheim und Basel: Beltz 1983

KIESELBACH, Thomas; WACKER, Ali (Hrsg): Individuelle und gesellschaftliche Kosten der Massenarbeitslosigkeit. Psychologische Theorie und Praxis. Weinheim und Basel: Beltz 1985

KLAGES, Helmut: Wertorientierungen im Wandel. Rückblick, Gegenwartsanalyse, Prognosen. Frankfurt/Main; New York: Campus 1985

MYRELL, Günter (Hrsg): Arbeit, Arbeit über alles? Arbeit und Freizeit im Umbruch. Köln: vgs 1985

NOELLE-NEUMANN, Elisabeth; STRÜMPEL, Burkhard: Macht Arbeit krank? Macht Arbeit glücklich? Eine aktuelle Kontroverse. München: Piper 1984

SCHINDLER, Hans; WACKER, Ali; WETZELS, Peter (Hrsg): Familienleben in der Arbeitslosigkeit. Ergebnisse neuer europäischer Studien. Heidelberg: Asanger 1990

SCHUMACHER, Egbert: Arbeitslosigkeit und psychische Gesundheit. Ergebnisse der Forschung. München: Profil 1986

SCHUMACHER, Egbert: Selbstbild, Arbeits- und Leistungsverhalten bei Arbeitslosen im Vergleich zu Erwerbstätigen. Eine empirische Untersuchung. München: Profil 1988

STATISTISCHES Bundesamt Deutschland: 03.06.1999 www.statistik-bund.de/basis/d/erwerb/erwerbtxt/htm

UDRIS, Ivars; GROTE, Gudela (Hrsg): Psychologie und Arbeit. Arbeitspsychologie im Dialog. Weinheim: Psychologie Verlags Union 1991

WACKER, Ali: Arbeitslosigkeit. Soziale und psychische Folgen. Frankfurt/Main: Europäische Verlagsanstalt 1983

WIENDIECK, Gerd: Einführung in die Arbeits- und Organisationspsychologie. Hagen: Fernuniversität 1993

WILHELM-REISS, Monica: Psychische Veränderungen bei Jugendlichen ohne Arbeit. Eine empirische Studie zu den Folgewirkungen der Arbeitslosigkeit. Weinheim und Basel: Beltz 1980

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Die Bedeutung der Arbeit für die Persönlichkeit des Menschen
Veranstaltung
Kurs4751 "Einführung in die A-O-Psychologie"
Autor
Jahr
1999
Seiten
19
Katalognummer
V95923
ISBN (eBook)
9783638086011
Dateigröße
403 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kommentar: Gute Arbeit zu einem anspruchsvollem Thema. Geschichtliche Entwicklung und Wirkung unterschiedlicher Arbeitsgestaltung etwas zu kurzbearbeitet
Schlagworte
Bedeutung, Arbeit, Persönlichkeit, Menschen, Arbeits-, Organisationspsychologie, Prof, Wiendieck, Grundstudium, Kurs4751, Einführung, A-O-Psychologie
Arbeit zitieren
Christian Otto (Autor:in), 1999, Die Bedeutung der Arbeit für die Persönlichkeit des Menschen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95923

Kommentare

  • Gast am 6.3.2003

    Arbeit und Persönlichkeit.

    Sitze gerade an meiner Hausarbeit in der A&O Psychologie an der Fernuni zu einem ähnlichen Thema. Diese Arbeit hat einige gute Aspekte, die ich weiterbearbeiten kann. Besonders das Literaturverzeichnis ist hilfreich!
    Viele Grüße, Sabine

  • Gast am 6.9.2000

    Die Bedeutung der Arbeit für die Persönlcikeit des Menschen.

    Saubere Leistung, und hilfreich obendrein!!!
    Gruß

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Titel: Die Bedeutung der Arbeit für die Persönlichkeit des Menschen



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