Social Cognition - Das Menschenbild


Ausarbeitung, 1999

14 Seiten

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. EINFÜHRUNG

2. KOGNITION - WAS IST DAS ÜBERHAUPT?

3. KATEGORISIERUNG UND SCHEMATISIERUNG
3.1 KATEGORISIERUNG
3.2 SCHEMATA

4. SOZIALE INFORMATIONSVERARBEITUNG

5. FÜNF VERSCHIEDENE MENSCHENBILDER DER „SOCIAL-COGNITION“- FORSCHUNG
5.1 DIE KONSISTENTE ODER RATIONALISIERENDE P ERSON
5.2 DER LAIENPSYCHOLOGE
5.3 DER DATENVERARBEITUNGSLEHRLING
5.4 DER „KOGNITIVE G EIZHALS “
5.5 DER MENSCH ALS KOGNITIV - AFFEKTIVES W ESEN ( MOTIVIERTER S TRATEGE )

6. RESÜMEE

7. LITERATURVERZEICHNIS

1. Einführung

Menschen beziehen nicht nur externe Informationen. Sie bearbeiten diese und werden somit Architekten ihrer eigenen sozialen Umgebung1. Das Verständnis, wie Menschen zu ihrer jewei- ligen Konstruktion der sozialen Umwelt gelangen, ist das Forschungsgebiet der sozialen Kognition (z.B. Arcuri 1985; Beauvois 1984; Devine et al. 1994; Fike u. Taylor 1991). Was genau aber bedeutet „soziale Kognition“ (Social Cognition)? Das Grundlegendste hier- bei ist wohl, daß soziale Kognition nicht nur die Wahrnehmung der Menschen von sich selbst und von den anderen betrifft, sondern auch die naiven Theorien, die sie zur Begründung dieser Wahrnehmungen heranziehen. Menschen denken nicht nur über sich selbst und die anderen nach, sondern auch darüber, wie diese Überlegungen vor sich gehen. Oftmals wird dieser Vorgang durch Theorien und Methoden der kognitiven Psychologie beeinflußt, die sich darauf konzentrieren,

- wie Informationen verarbeitet werden und
- wie dieser Verarbeitungsprozeß sich auf die Urteilsbildung auswirkt.

Die vorliegende Referatsausarbeitung beschränkt sich auf eine kurze Einführung von Grund- begriffen der sozialen Kognition. Diese Begriffe sollen anhand der verschiedenen Auffassungen veranschaulicht werden, die Forscher sich vom Menschen gemacht haben, d.h. Bilder oder Metaphern, welche ihrerseits „naive Theorien“ von Experten auf dem Gebiet der sozialen Kognition darstellen. Dazu sollen auch die abschließenden fünf Menschenbilder der „ Social Cognition-Forschung “ dienen.

2. Kognition - Was ist das überhaupt?

Jeder Mensch ist ständig einer großen Menge von höchst unterschiedlichen Informationen aus- gesetzt. Manche erreichen uns über Sinneswahrnehmungen, andere über das Gedächtnis. Wieder andere leiten wir uns aus unserem Vorwissen her. Kognition bezieht sich auf die Ab- läufe, durch die alle diese Informationen verarbeitet werden. Es bietet sich an, diesen Prozeß als einen über viel Stufen hinweg ablaufenden Vorgang zwischen Reiz und Reaktion anzusehen. Aus der Sicht der Informationsverarbeitung ist Kognition „die Wissenstätigkeit, d.h. der Er- werb, die Organisation und der Gebrauch des Wissens“2. Die Werkzeuge zur Erlangung die- ses Wissens sind Wahrnehmung, Gedächtnis, Überlegung, Sprache usw. All diese Phänomene sind fest miteinander verbunden. Wissen beispielsweise entsteht aus dem Gedächtnis und aus Schlußfolgerungen. Manchmal können Menschen nicht einmal genau zwischen den einzelnen Quellen unterscheiden. Außerdem sind diese Phänomene dahingehend miteinander verflochten, daß sie fortwährend interagieren, d.h. einander entweder vorausgehen oder nachfolgen.

Kognition ist eine Aktion, die sich auf „Objekte“ auswirkt. In seiner grundlegendsten Bedeu- tung ist ein Objekt alles was sich außerhalb des Organismus befindet. Dieses kann ebenso ein Werkzeug oder auch eine Person sein. Auch wenn solche Objekte untereinander sehr ver- schieden sind, so lassen sich doch die Grundprinzipien der Kognition auf sie alle anwenden.

3. Kategorisierung und Schematisierung

3.1 Kategorisierung

Es erweist sich als wichtig, daß jeder Organismus die Objekt der Welt identifizieren kann, ihnen eine bedeutungshaltige Struktur gibt und dadurch vermeidet, daß zu einem früheren Zeitpunkt gelerntes wieder in Frage gestellt werden muß. Dabei nimmt das Individuum jedoch nur einen Teil der Signale auf, die die Umgebung liefert. Die Fähigkeit, Informationen zu verarbeiten, ist in der Tat sehr begrenzt im Vergleich zu der Informationsmenge, der Menschen im allgemeinen ausgesetzt sind. Um die schwierigen Verarbeitungsaufgaben zu erleichtern, entwickeln Menschen ganz unterschiedliche Einsparungsstrategien. Die Informationsaufnahme unterliegt somit Gesetzen und Vorgängen, die die Wahrnehmung verzerren. Sie funktioniert zum Beispiel durch Auswahl, Rigidität oder Vereinfachung.

Wenn man ein Individuum mit einem neuen Objekt konfrontiert, vergleicht es dieses zunächst mit anderen Objekten, die es bereits kennt und dessen Merkmale im Gedächtnis gespeichert sind. Wenn man einen exotischen Vogel zum ersten Mal sieht, so weiß man wahrscheinlich nicht, um was für einen Vogel es sich handelt oder zu welcher Gattung er gehört. Aber man kann ihn als Vogel identifizieren, weil man gelernt hat, daß Vögel Federn haben und daß sei fliegen und singen. Es stimmt zwar, daß nicht alle Vögel Federn haben, daß sie nicht alle fliegen und singen können und daß es andere Tiere mit Flügeln gibt, die keine Vögel sind, dies spielt jedoch keine Rolle.

Der vereinfachende, aber bedeutsame Vergleich von Neuem mit bereits Erworbenem findet im Verlauf des Prozesses der Kategorisierung statt. Vereinfacht läßt sich sagen, daß eine Kategorie das Gruppieren zweier oder mehrerer unterscheidbarer Objekte ist, die als gleich behandelt werden. Der Kategorisierungsprozeß unterstützt die Ökonomisierung der Kogniti- on3. Er ermöglicht es dem kategorisierenden Menschen, „über die gegebene Information hi- nauszugehen“4 und erlaubt durch die Kombinierung von Kategorien das Herausbilden von komplexen Begriffen5 (Osherson u. Smith 1981). Nichts ist grundlegender für die Wahrneh- mung, das Gedächtnis, das Denken und Handeln als die Kategorisierung. Wie Smith und Me- din6 es ausdrücken: „Ohne Begriffe wäre das mentale Leben chaotisch.“

Das Objekt, das eine Kategorie am besten definiert oder repräsentiert, bezeichnet man als Prototyp („Idealwert“). Inwieweit ein Objekt für typisch für eine bestimmte Kategorie gehal- ten wird, hängt davon ab, wie ähnlich es dem Prototyp ist. Dieses Ausmaß nennt man Typika- litätsgrad. Nimmt man unsere Kultur als Beispiel, so gilt hier die Kuh als typischer für die Kategorie „Säugetier“ als ein Wal oder eine Fledermaus, obwohl diese beiden ebenso Säuge- tiere sind. Es läßt sich hierbei erkennen, daß Kategorien in ihrer Komplexität variieren. Unter- scheidungen in der Komplexität haben unterschiedliche Beurteilungen von Mitgliedern der Ei- gen- und der Fremdgruppe zur Folge.

Unter dem Einfluß sozialer Normen oder auf der Grundlage eigener Erfahrungen bewertet das Individuum bestimmte Merkmale von Objekten und setzt sie damit in Beziehung zu Verhal- tensmustern.

3.2 Schemata

Aufgrund persönlicher und sozialer Erfahrungen, die ein gegebenes Objekt beinhalten, tendie- ren Menschen dazu, die Merkmale und Eigenschaften eines Objekts in bezug auf Raum und Zeit zu verallgemeinern. Die Generalisierung wiederum beeinflußt die nachfolgende Herausfil- terung von Information, die Integration und die Organisationsprozesse in bezug auf andere Objekte. Die allgemeinere Form dieser Generalisierung und ihr Ergebnis wird gewöhnlich Schema genannt7.

Kognitive Schemata organisieren die Vorstellungen, welche Menschen sich von einem gegebenen Aspekt ihrer Umwelt machen. Die Organisierung erfolgt hierarchisch nach niedrigerem („Spatz“), grundlegenden („Vogel“) und höheren („Tier“) Kategorieebenen. Die nützlichste Ebene, die sowohl Schlußfolgerungen und damit auch Vorhersagen ermöglicht, ist die grundlegende Ebene. Diese ist auch reich an Assoziationen und relativ konkret8.

Menschen werden zwar in ihrem Alltagsleben nicht mit einem kompletten Satz von Attributen versorgt, sie können jedoch viele davon rekonstruieren oder herleiten:

- Jeder Begriff hat einen ständigen Wert („default value“). (Der Begriff „Clown“ trägt zum Beispiel das Attribut „Unterhaltung“.)
- Mehrere Schemata können miteinander zu einem semantischen Netz verbunden sein. Je enger 2 Schemata miteinander verbunden sind, desto wahrscheinlicher werden sie zur glei- chen Zeit aktiviert und liefern nützliche Information
- Die Beziehungen zwischen Attributen sind ebenfalls Ausgangspunkt für eine Reihe von Schlußfolgerungen (Bsp.: Rüpel ➔ sozial anstößig ➔ verhaßt)

4. Soziale Informationsverarbeitung

Menschliche Informationsverarbeitung kann auf dreierlei Art als sozial gekennzeichnet werden:

1. Ihr Ursprung ist sozialer Natur, da sie aufgrund sozialer Interaktion entsteht und durch sie gefördert wird.
2. Ihr Objekt ist sozial, da sie sich auf soziale Sachverhalte bezieht.
3. Sie ist sozial geteilt, da die Verarbeitung von Information durch verschiedene Mitglieder einer bestimmten Gesellschaft oder Gruppe Gemeinsamkeiten9
5. Fünf verschiedene Menschenbilder der „social-cognition“-Forschung

Die nun folgenden fünf Menschenbilder werden von den Psychologen im Rahmen der Forschung über soziale Informationsverarbeitung vertreten.

5.1 Die konsistente oder rationalisierende Person

Der erste Ansatz nimmt Bezug auf eine Reihe von Annahmen, die auf der Vorstellung beruhen, daß Inkonsistenz zwischen Kognitionen eine unangenehme psychische Spannung hervorruft, die durch die Suche nach Konsistenz behoben werden soll. In diversen Lehrbüchern hat die Inkonsistenz verschiedene Namen bekommen, wie: kognitives Ungleichgewicht (Heider), A- symmetrie (Newcomb), Inkongruenz (Osgood & Tannenbaum) und Dissonanz (Festinger).

Hier soll nur kurz die einflußreichste Theorie dieser Richtung, die Theorie der kognitiven Dissonanz skizziert werden. Zwischen zwei Kognitionen besteht kognitive Dissonanz, wenn - betrachtet man ausschließlich diese beiden - aus der einen das Gegenteil der anderen folgt. Ein Beispiel hierfür ist, daß ich rauche und gleichzeitig weiß, daß Rauchen krebsfördernd ist. Mit dem Rauchen aufzuhören, wäre die radikalste Art die Dissonanz zu beseitigen. Es gibt jedoch auch andere Möglichkeiten der Spannungsreduktion. Man könnte zum Beispiel argu- mentieren, daß es keine kausale Beziehung zwischen Rauchen und Krebs gibt. Somit könnte es ja sein, daß nur Raucher eines bestimmten Persönlichkeitstypus Krebs bekommen, und offensichtlich gehört man selbst nicht dazu. Außerdem kennt man Leute, die ihr ganzes Leben lang rauchten und sehr alt wurden.

Dieses Beispiel zeigt wohl, daß die Suche nach Konsistenz häufig Rationalisierung bedeutet. Die Kognition wird mit Unterstützungsargumenten ausgeglichen, was zu einer „Harmonie“ führt. Sollten eventuell Spannungen auftauchen, so muß die Motivation untersucht werden.

5.2 Der Laienpsychologe

Nimmt man Asch‘ Studien zur Eindrucksbildung (Er gab seinen Versuchsteilnehmern eine Liste mit Persönlichkeitsmerkmalen einer imaginären Person. Die Befragten machten sich rasch ei- nen Eindruck von dieser Person und konnten leicht entscheiden, welches deren zusätzliche Merkmale waren), so glaubte er, daß sich die Eigenschaften gegenseitig beeinflußten und mit- einander zu der Form zusammensetzten, die schließlich den Gesamteindruck ergaben. Verschiedene Autoren betrachten übereinstimmend ihre Versuchsteilnehmer als naive Theore- tiker der Persönlichkeit und des Wissens über andere und über sich selbst. Mit festen Vorstel- lungen - ganz gleich, ob richtig oder falsch.

Nimmt man diese Konzeption, so ist der naive Psychologe eher Rationalist als Empiriker, eher Cartesianer oder Kantianer als Hume-Schüler. Er hat eine Theorie im Kopf und trifft seine Entscheidungen über die Welt anhand dieser Theorie, insbesondere wenn es um Verhalten geht. Wenn wir einen Person als warm oder kalt empfinden, wenden wir verschiedene Theorien an, aber unser Verhalten dieser Person gegenüber wird ebenfalls unterschiedlich sein10. Somit ergibt sich ein rationales (unbewußtes) bewegendes Selbstverständnis. Die Motivation wird hierbei nicht berücksichtigt, statt dessen erfolgt eine Gestaltbildung.

5.3 Der Datenverarbeitungslehrling

Asch gegenüber steht Anderson. Er interpretiert das Experiment mit den „warm“- „kalt“- und „höflich“- „unhöflich“-Kombinationen anders als Asch. Für Anderson ist die letzte Antwort, die die Befragten schließlich geben, nicht das Ergebnis eines allgemeinen Eindrucks oder einer impliziten Persönlichkeitstheorie, sondern eher einer „linearen Kombination der gewichteten Bewertungen von Einschätzungen“, die den verschiedenen Eigenschaften attribuiert werden. Somit wäre man bei der Konzeption der Person als ein Datenverarbeiter. Wahrscheinlich hat bisher kaum einer angenommen, daß der Eindruck, den man sich von jemanden gebildet hat, sei das Ergebnis der „linearen Kombination der gewichteten Bewertungen von Einschätzun- gen“ der einem selbst verfügbaren Information.

Dieses soll kurz erläutert werden. In jeder Kultur können Persönlichkeitseigenschaften positiv oder negativ bewertet sein. So erhielte zum Beispiel „nett“ eine positivere Bewertung als „or- dentlich“, während „unordentlich“ eine weniger negative Bewertung erhielte als „aggressiv“. Für Anderson ist die endgültige Bewertung einer Person eine Funktion der Bewertungen jeder bekannten Eigenschaft dieser Person. Man muß dazu nur noch wissen, wie diese Bewertungen miteinander verknüpft sind: durch einfache Addition, durch die Bildung des Mittelwerts oder mit Hilfe einer anderen Methode. Somit kann man von einer kognitiven Algebra sprechen. Auf die genauere Ausarbeitung dessen, soll jedoch aufgrund des Umfangs verzichtet werden (vgl. Anderson).

Ein weiterer Ansatz zur Person als Datenverarbeiter, verwendet den Begriff des Ereignis- schemas, des sogenannten „ scripts “. Schank & Abelson bezeichnen ein Script als eine zu- sammenhängende Folge von Ereignissen, die ein Individuum erwartet und die es selbst entweder als Teilnehmer oder als Beobachter einbezieht. Wesentliches Grundelement von Scripts ist ein „ frame “, ein Bild mit einem Kommentar. Mehrere dieser Frames, die eine Einheit bilden (eine Geschichte) ergeben ein Script.

Erst eine Kategorie von Vorgängen befähigt uns dazu, größere Einheiten von Information ohne allzu große Anstrengung zu verarbeiten und, wenn das Script hinreichend ausgeklügelt ist, ohne uns dessen bewußt zu sein.

Anderson zeit hiermit zwei verschiedene sozialpsychologische Konzeptionen von Menschen als Datenverarbeitern. Er sieht sie einerseits als Datenmanipulatoren, die eigene Programme schreiben, andererseits als Anwender von Subroutinen, wobei natürlich im letzteren Fall Fehler auftreten können.

5.4 Der „ kognitive Geizhals “

Wenn wir bei unserer Wahrnehmung der sozialen Welt Fehler machen, welche Prinzipien sind dann für unsere Unzulänglichkeit verantwortlich? Diese Prinzipien werden auch unter der Be- zeichnung Heuristiken oder Fehler der Informationsverarbeitung zusammengefaßt11. Einer dieser Fehler führt man auf die Verfügbarkeit bestimmter Informationen im Gedächtnis zurück. Wenn wir eine soziale Situation beurteilen müssen, so geben wir den Merkmalen Prio- rität, die am leichtesten verfügbar sind. Ist für eine Person das Wort „feindlich“ leichter verfüg- bar als das Wort „freundlich“, weil es ihm kürzlich in verschiedener Form begegnet ist, würde er es deshalb mit größerer Wahrscheinlichkeit bei der Interpretation einer mehrdeutigen Situa- tion verwenden. Ist das Wort „freundlich“ verfügbarer als „feindlich“, so ist in dieser Situation mit dem gegenteiligen Effekt zu rechnen12. Diesen Effekt bezeichnet man als „ priming “. Der Grund warum bestimmte Informationen leichter verfügbar sind ist, weil sie eher ins Auge fallen. Ist zum Beispiel ein Asiate inmitten von Europäern, so hebt er sich klar vom Hintergrund ab.

Als weitere Fehler läßt sich die Repräsentativität nennen - d.h. Menschen geben ihr Urteil häufig auf der Grundlage der Ähnlichkeit mit einem Prototyp ab. Anders ausgedrückt lassen sich Menschen häufig eher von subjektiv wahrgenommenen Ähnlichkeiten leiten als von objektiven Daten.

Der dritte Fehler wird als Ankerbildung („anchoring“) bezeichnet und bezieht sich auf unsere Schwierigkeiten bei der Veränderung unserer Meinungen aufgrund neuer Informationen, die diesen Meinungen widerspricht.

Bei der Meinungsbildung setzt sich klar der Primacy-Effekt gegenüber dem Recency-Effekt durch.

5.5 Der Mensch als kognitiv-affektives Wesen (motivierter Stratege)

Der Ansatz des „kognitiven Geizkragens“ zeigt, daß er allzu häufig an den Klippen der Logik Schiffbruch erleidet. Zunächst scheint dieses nicht besonders wichtig. In der Interaktion im Alltag ist Logik ja nicht so wichtig wie „Psycho-Logik“, Empfiehlt beispielsweise die Statistik das Auto der Firma Y zu kaufen, und man folgt der Empfehlung eines Freundes und kauft ein Auto der Firma Z, verhält man sich vielleicht nicht gerade vernünftig, aber man behält einen Freund13.

Hier kommt die emotional-motivationale Seite des sozialen Lebens zum Ausdruck. Dieses stellt einen Aspekt dar, der von kognitiven Ansätzen offenbar nicht berücksichtigt wird. Nach Neiser, dem „Vater“ der heutigen kognitiven Psychologie, ist das Bedürfnis, alles und jedes in kognitiven Begriffen ausdrücken zu wollen, lediglich einen intellektuelle Übung, und wie jedermann weiß, sind intellektuelle Übungen für den normalen Sterblichen keine zentrale Tätigkeit14.

Auch bei anderen Autoren wie zum Beispiel Clark & Fiske (1983) tauchen die Emotionen im Bereich des sozialen Wissens wieder auf. So wurde etwa aufgezeigt, daß man sich besser an etwas erinnern kann, wenn die Erinnerung in derselben Stimmung erfolgt (traurig, glücklich etc.), in der man war, als man die entsprechende Information aufnahm15. Erfuhren Menschen, daß ihre Lieblingsmannschaft soeben gewonnen hat, so schätzten sie auch andere Elemente ihres Lebens, die mit dem Sport an sich gar nichts zu tun haben, als befriedi- gender ein. (Schwarz).

Dies wirkt sich dann natürlich auch auf das Verhalten aus. Ist jemand gut gelaunt, so wird er eher bereit sein Hilfe zu leisten, als wenn er durchschnittliche oder schlechte Laune hat. Ebenso ist man dann auch eher dazu bereit, sich mit einem Unbekannten zu unterhalten (Clark & Isen). Dieser Ansatz zeigt Ähnlichkeiten mit der „ Emotionalen Intelligenz16 von David Goleman auf. Nach dieser kennt ein emotional intelligenter Mensch (EQ) seine eigenen Gefühle und deren Auslöser und kann aus diesem Grund mit den eigenen Gefühlen und denen seiner Mit- menschen sensibel und phantasievoll umgehen, und so verschiedene Lebens- und Arbeitssitua- tionen besser und für alle nutzbringend bewältigen. Durch Integration von IQ und EQ werden Prozesse möglich, die die persönliche Integrität wahren und bereichern.

6. Resümee

Ganz allgemein gesagt bezieht sich Kognition auf all jene Aktivitäten, durch die ein intellektuel- les System Information in Wissen umstrukturiert. Etwas genauer ausgedrückt untersucht die Theorie der sozialen Kognition, wie Menschen über andere denken und wie sie glauben, über andere zu denken.

In der vorliegenden Referatsausarbeitung wurde versucht aufzuzeigen, wie zu verschiedenen Zeitpunkten innerhalb der Geschichte der Sozialpsychologie einzelne Forscher bei der Unter- suchung der Prozesse, durch die soziales Wissen erworben wird, jeweils bestimmten Perspek- tiven den Vorrang gaben. So veränderten sich im Laufe der Jahre die Metaphern oder Bilder, die man zum Verständnis der der sozialen Kognition unterliegenden Prozesse heranzog: · der nach Konsistenz strebende Beobachter, der häufig rationalisieren muß, um Konsistenz herbeizuführen,

- der Laienpsychologe, der seine soziale Wahrnehmung an impliziten Theorien orientiert,
- der Datenverarbeiter, der vorurteilslos Informationen integriert und somit seine Wahrneh- mung an den Daten orientiert,
- der kognitive Geizhals, der seine Wahrnehmung am Prinzip des geringsten Aufwands ori- entiert und sich durch Verwendung von Heuristiken und Stereotypen das Leben verein- facht,
- der Mensch als kognitiv-affektives Wesen (der motivierte Stratege), der seine Wahr- nehmungsstrategie an der Bedeutung des Ergebnisses orientiert und so gut urteilt, wie es die gegebene Situation verlangt.

Mit der neueren von der sozialen Kognitionsforschung vertretenen Auffassung, daß Wahr- nehmungsstrategien sich an der sozialen Situation und insbesondere an der Wichtigkeit der Handlungsergebnisse orientieren, konnte endlich der Streit zwischen den Vertretern von An- sätzen, die soziale Wahrnehmung als theoriegeleitet oder datengesteuert interpretieren, beige- legt werden.

Leider bleiben im Zuge dieser Verschriftlichung einige würdigende Diskussionspunkte unge- klärt. Welches sind die Hauptunterschiede zwischen einem Prototypen und einem Schema? Oder welche Unterschiede gibt es zwischen einem Schema und einer sozialen Repräsentation?

Wann ist man gewöhnlich von seinen Urteilen über andere Menschen überzeugt und wann sollte man weniger von seinen Urteilen überzeugt sein?

Diese wichtigen Antworten bleiben unter anderem noch offen und müßten im Zuge einer weiteren ausführlicheren Ausarbeitung oder im Rahmen eines Seminars (o.ä.) geklärt werden.

7. Literaturverzeichnis

Anderson, J.R.: Cognitive psychology and its implications, San Francisco 1980 Bower, G.H.: Emotional mood and memory, American Psychologist, 36, 1981 Bruner, J.S.: A study of thinking, New York 1956

Cantor, N. and Mischel, W.: Prototypes in person perception. In L. Berkowitz (ed.), Advances in experimental social psychology, New York 1979

Goleman, D.: Emotionale Intelligenz, München 1996

Kelley, H.H. and Thibaut, J.W.: Interpersonal relations. A theory of interdependence, New York 1978

Kelley, H.H. and Thibaut, J.W.: Interpersonal relations. A theory of interdependence, New York 1978

Kruglanski, A.W.: Motivations for judging and knowing. Implications for causal attribution. In E.T. Higgins and R.M. Sorrentino (eds), Handbook of motivation and cognition, New York 1990

Leyens, J-P., Herman, G. and Dunand, M.A.: Towards a renewed paradigm in movie violence research. In P. Stringer (ed.), Confronting socila issues: applications of social psychology, London 1982

Lukes, S.: Individualism, Oxford 1973

Markus, H. und Zajonc, R.: The cognitive perspective in social psychology. In G. Lindzey and

E. Aronson (eds), Handbook of Social Psychology (Vol. 1), New York 1985 Neisser, U.: Cognition and Reality, San Francisco 1976

Osherson, D.N. and Smith, E.E.: On the adequacy of prototype theory as a theory of concepts, 1981

Rosch, E.: Cognitive representations of semantic categories, Hillsdale 1975

Scrull, T.K. and Wyer, R.S.: Category accessibility and social perception. Some implications for the study of person memory and interpersonal judgment, 1980

Smith, E.E. and Medin, D.L.: Categories and concepts, Cambridge 1981 Stroebe, W.: Introduction to Social Psychology, New York 1996

Tversky, A. and Kahnemann, D.: Judgment under uncertainty: heuristics and biases, 1974

[...]


1 Markus, H. und Zajonc, R.: The cognitive perspective in social psychology. In G. Lindzey and E. Aronson (eds), Handbook of Social Psychology (Vol. 1), New York 1985, S. 137-230

2 Neisser, U.: Cognition and Reality, San Francisco 1976, S. 1

3 Rosch, E.: Cognitive representations of semantic categories, Hillsdale 1975, S. 192-233

4 Bruner, J.S.: A study of thinking, New York 1956

5 Osherson, D.N. and Smith, E.E.: On the adequacy of prototype theory as a theory of concepts, 1981, S. 35-58

6 Smith, E.E. and Medin, D.L.: Categories and concepts, Cambridge 1981

7 Anderson, J.R.: Cognitive psychology and its implications, San Francisco 1980

8 Cantor, N. and Mischel, W.: Prototypes in person perception. In L. Berkowitz (ed.), Advances in exp erimental social psychology, New York 1979

9 Lukes, S.: Individualism, Oxford 1973

10 Kelley, H.H. and Thibaut, J.W.: Interpersonal relations. A theory of interdependence, New York 1978

11 Tversky, A. and Kahnemann, D.: Judgment under uncertainty: heuristics and biases, 1974

12 Scrull, T.K. and Wyer, R.S.: Category accessibility and social perception. Some implications for the study of person memory and interpersonal judgment, 1980

13 Leyens, J-P., Herman, G. and Dunand, M.A.: Towards a renewed paradigm in movie violence research. In P. Stringer (ed.), Confronting socila issues: applications of social psychology, London 1982

14 Kruglanski, A.W.: Motivations for judging and knowing. Implications for causal attribution. In E.T. Higgins and R.M. Sorrentino (eds), Handbook of motivation and cognition, New York 1990

15 Bower, G.H.: Emotional mood and memory, American Psychologist, 36, 1981, S. 129

16 Goleman, D.: Emotionale Intelligenz, München 1996

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Social Cognition - Das Menschenbild
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Fakultät für Sozialwissenschaft, Sektion für Sozialpsychologie und Sozialanthropologie)
Veranstaltung
Handlung, Interaktion, Kommunikation II, Arbeit am Selbstverständnis - Arbeit am Mythos
Jahr
1999
Seiten
14
Katalognummer
V95912
ISBN (eBook)
9783638085908
Dateigröße
370 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Der Begriff der Social Cognition und 5 verschiedene Menschenbilder
Schlagworte
Social, Cognition, Menschenbild, Ruhr-Universität, Bochum, Fakultät, Sozialwissenschaft, Sektion, Sozialpsychologie, Sozialanthropologie, Handlung, Interaktion, Kommunikation, Arbeit, Selbstverständnis, Arbeit, Mythos, Dozent, Ferdinand, Brüngel
Arbeit zitieren
Anonym, 1999, Social Cognition - Das Menschenbild, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95912

Kommentare

  • Gast am 12.1.2002

    Social Cognition.

    hervorragend abgeschrieben, tolle Einzelleistung

  • Gast am 12.1.2001

    Abgeschrieben?.

    Der Inhalt des Referats erinnert sehr stark an folgenden Titel:
    Jacques-Philippe Leyens und Benoit Dardenne: Soziale Kognition: Ansätze und Grundbegriffe. In: W. Stroebe, M. Hewstone, G. M. Stephenson (Hrsg.): Sozialpsychologie. Einne Einführung. 3. erw. u. überarb. Aufl. Berlin u.a.: Springer 1996, S. 115- 141.
    Unerklärlicherweise taucht aber gerade dieser Titel nicht im Literaturverzeichnis von Markus Kauth auf.

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