Spezielle Orthopädie des Kindes- und Jugendalters


Skript, 1995

19 Seiten


Leseprobe


Spezielle Orthopädie des Kindes- und Jugendalters

Infantile Cerebralparesen (kindl. Hirnlähmung) sind Folgezustände frühkindlicher Hirnschäden mit Bewegungseinschränkungen. Die verursachenden Schädigungen treffen das unreife Hirn während der Schwangerschaft, um die Geburt oder in den ersten 18 Lebensmonaten, also bis zum Abschluß wesentlicher Entwicklungsschritte der Hirnstrukturen. In Industrieländern 0,2 - 0,3 % eines Geburtsjahrganges und ca. 2/3 der KB- Kinder in KB-Schulen.

Definition:

Unter Infantiler Cerebralparese versteht man Endzustände von Schädigungen des unreifen Gehirns, die motorische Störungen verursachen und mit weiteren zentralnervösen Syndromen einhergehen können.

Wesentliche Merkmale der ICP

Störungen in der Motorik, d.h. Lähmungen, Koordinations- und Bewegungsstörungen und ihre kausale Beziehungen zu Läsionen (Verletzungen, Störungen) des Gehirns während seiner Entwicklung sowie das fehlende Fortschreiten des Krankheitsprozesses. ICP ist keine Krankheitseinheit, sondern vielmehr ein Syndrom, d.h. es handelt sich um Gruppen zusammengehöriger Krankheitserscheinungen.

Zu ICP gehören nicht:

Hirnschädigungen in der späten Kindheit und im Erwachsenenalter, fortschreitende Hirnprozesse und Stoffwechselkrankheiten.

Ursächlich kommen Infektionen während der Schwangerschaft, insbesondere Virusinfektionen, angeborene Fehlbildung des Gehirns, Hirnblutungen unbekannter Ursache während der Schwangerschaft, Mangelgeburten bei abnormalen Schwangerschaftsablauf oder Insuffizienz der Plazenta (Schwäche, ungenügende Leistung eines Organs), Schädigungen durch Medikamente oder ionisierende Strahlen in Betracht. Etwa gleichhäufig wie die pränatalen (vor der Geburt) Ursachen sind die perinatelen (kurz vor, während, kurz nach der Geburt) Störungen während der Geburt und in der 1. Adaptionsphase an das Leben außerhalb des Uterus. Exakte Trennungen nicht möglich, weil Kinder mit

Schwangerschaftskomplikationen häufig zu schwierigen Geburten prädestiniert sind, die zusätzlich geburtshilfreiches Eingreifen mit seinen Risiken notwendig machen können. Auch verstärken sich die perinatalen Ursachen, etwa Sauerstoffmangel und Blutungsneigung, gegenseitig. Frühgeburtlichkeit prädestiniert zu Geburtskomplikationen, gleichfalls verzögerte Geburten, die zu Sauerstoffmangel und weiteren Einschränkungen führen. Gleichsinnig wirken Nabelschnurumschlingungen oder vorzeitige Lösung der Plazenta. Kritisch sind ebenfalls zu rasche Geburten. Blutungen im Gehirn oder zwischen Gehirn und Schädel entstehen mit und ohne geburtshilfreichen Eingriffen. Ein kleiner Teil der ICP entsteht jenseits der Neugeborenenphase durch äußere Gewalteinwirkung, die zu Hirnsubstanzverlust oder Blutungen führen können, und durch entzündliche Erkrankungen des Gehirns oder der Hirnhäute, auch erhebliche Wasserverlust und Verbrennungen kommen in Betracht. Auch Zwillinge und Steißlage.

Ursachen (kurz):

Fetalperiode (ca. 20%) u.a. Virusinfektionen, Toxine, Strahlen, Hirndurchblutungsstörungen, Antikörperreaktionen (Blutgruppenunverträglichkeit), unter der Geburt Blutungen, Verletzungen und postnatal (nach der Geburt) Traumen, Infektionen und Vergiftungen, die zu Enzephalitis (Gehirnhautentzündung) führen.

Je nach Lokalisation und Ausdehnung der Hirnparenegenschädigung kommt es zu Funktionsstörungen, welche die Entwicklung der Motorik des psychischen Verhaltens und der Intelligenz beeinträchtigen. Häufig bestehen Sinnes- und Sprachstörungen, Hüftdysplasie und Skoliose.

Spastische Lähmungen: Charakterisiert durch Muskelstarre (Hypertonus, Rigitidät (= Steifheit, Starre, Unnachgiebigkeit) und Reflexsteigerung. Die Spastik bei Cerebralparese kann als Diplegie (beide Beine und Rumpf), Tetraplegie (Rumpf und alle vier Gliedmaßen) oder Hemiplegie (halbseitig) auftreten. Die Monoplegie ist selten (Befall nur einer Extremität) Die Spastik tritt bevorzugt an bestimmten Muskelgruppen in Erscheinung und erzeugt dadurch typische Bilder, z.B. Adduktion (das Heranführen von Gliedmaßen zur Mittellinie des Körpers hin) und Innenrotation der Beine, Beugung von Hüfte und Knie, Faustschluß mit eingeschlagenen Daumen, Beugung von Hand und Unterarm, Pronation ( Einwärtsdrehung; Drehung des Handtellers bei herabhängendem Arm) nach hinten, wobei der Daumen einwärts gedreht wird.

Hauptkennzeichen der pyramidalen Lähmung, bekannt als Spastik, ist die Tonuserhöhung (Hypertonus). Die abnormhohe Co-Kontraktion, d.h. die gleichzeitige Anspannung von Agonisten (Arbeitsmuskelatur) und Antagonisten (Gegenpartie) führt zur Bewegungsbehinderung in den Gelenken. Die Bewegungen wirken mühsam, zähflüssig, sind in ihrem Ausmaß eingeschränkt und laufen in nur wenigen Schablonen ab. Die Muskeleigenreflexe sind in den meisten Fällen gesteigert. Häufigste Formen der Spastik stellen die Di- und Hemiglegien dar.

Spastische Diplegie:

Typisch ist Adduktion und Innenrotation der Beine, sowie die Beugung von Hüft- und Kniegelenken, was dann zum sogenannten Scherengang führt. Weiteres Kennzeichen ist die Spitzklumpfußstellung beim Gehen. Jede willkürliche Bewegung geht mit überschießenden Spannungsreaktionen der Muskulatur einher, nicht nur auf die Beine beschränkt.

Spastische Hemiplegie:

Kennzeichnend ist die einseitige spastische Tonuserhöhung, die am Arm meist ausgeprägter ist als am Bein. Die Tonuserhöhung ist in der Beugemuskulatur höher als in den Streckern. Beim Gebrauch der Hände fällt schon zu Beginn des Greifens die einseitige Bevorzugung auf, wobei es bei der Gegenseite zu assoziierten Reaktionen mit Faustschluß und eingeschlagenen Daumen kommt. Bezeichnend ist auch der Gang, es wird auf Zehen und äußeren Fußrand getreten, das betroffene Bein ist also funktionell länger.

Spastische Tetraplegie:

Die Spastische Tetraplegie kann als doppelseitige Hemiplegie aufgefaßt werden. Da sowohl Beine als auch Arme betroffen sind, sind die Möglichkeiten eine Gehfähigkeit zu erreichen, wesentlich geringer als z.B. bei der Diplegie, da der Gebrauch von Stock und Krücken u.Ü. nicht möglich ist.

Allgemein für spastische Lähmungen sind erhöhter Muskeltonus, vermehrter Dehnungsreflexität, assoziierte Bewegungen anstelle der normalen Mitbewegungen, eingeschränkten Bewegungsradius und unzureichender Differenzierung und Kontrolle der Feinmotorik. (Reflexbogen mit seiner Aktivität nicht zu beeinflussen)

Eine der häufigsten Form der extrapyramidalen Lähmung stellt die Athetose dar. Die Athetose beruht auf einer Schädigung des Striatums (Streifenhügel, Bezeichnung für ein Teil der basalen Stammganglien des Gehirns, gehört zum extrapyramidalen System), wodurch die hemmende Wirkung auf die Willkürmotorik entfällt. Das Hauptwesensmerkmal der Athetosen ist ihre gestörte tonische Koordination, die zu hyperkinetischen Bewegungsabläufen (übermäßige Bewegungstätigkeit, willkürlich ablaufende Körperbewegung, Muskelzucken) führt. Bei Aufmerksamkeitszuwendung und seelischer Erregung nimmt die Bewegungsunruhe zu, im Schlaf hört sie im allgemeinen auf. Ein beobachtbares Phänomenen der Athetose sind langsame, wahllose, wurm- oder schraubenförmige Bewegungen, besonders am Gesicht, der Halsmuskulatur und der distalen Gliedmaßenabschnitten (distal = von der Mitte des Körpers weiter entfernt liegend). Charakteristisch sind weiterhin bizarre Überstreckungen, die Spreizung der Finger, das Grimassieren bei geöffneten und verzerrten Mund, aus dem Speichel rinnt und die verkrampfte Nackenhaltung, sowie die Drehbewegung des Kopfes. Der Gang ist überschießend und stolpernd, im Gegensatz zur Spastik entsteht durch die ständig wechselnde Überschußbewegungen keine Ausbildung von Kontrakturen. Athetose und Spastik sind häufig kombiniert.

Ataxie:

Führende Symptome der Cerebralen (Kleinhirn) bzw. Ataktischen Lähmung sind die Hypotonie, sowie ein Mangel an koordinierter Muskelspannung. Bedingt durch den Koordinationsmangel kommt es zu wenig gesteuerten, fahrigen und eckigen Bewegungen. Die Abläufe sind unharmonisch und wenig flüssig. Sie müssen ständig in ihrer Richtung korrigiert werden und sind dadurch unökonomisch, es fehlt an Zielsicherheit, Abstufen und Dosierung. Bei vorwiegender Rumpfataxie ist das Stehen instabil, wackelig und durch die stark beeinträchtigten Balancereaktionen oft kaum möglich. Der Gang ist torkelnd und mit dem eines Betrunkenen ähnlich. Im Gegensatz zum Spastiker mit seiner motorischen Hemmung und zum Athetotiker mit seinen ungezügelten Überschußbewegungen kann der Ataktiker Arme und Beine willkürlich und im vollen Ausmaß bewegen. Jedoch sind die Bewegungen nicht sinnvoll gezielt und dosiert.

Ataktische Syndrome: niedriger Muskeltonus, mangelnde Bewegungssteuerung, insbesondere bezüglich des Bewegungsausmaßes und der Richtung sowie bei automatischen Mitbewegungen, gestörten Gleichgewichtsreaktionen und Artikulationsstörungen. In der Praxis findet man selten die hier aufgeführten reinen Formen der ICP, oftmals treten Mischformen auf. Für eine ätiologische Einordnung ist dann entscheidend, welche Komponente am stärksten ausgeprägt ist. Kennzeichnend für die meisten Syndrome cerebraler Bewegungsstörungen sind die abnorme Muskelspannung, die abnorme Koordination von Bewegungsabläufen, das den Bewegungsabläufen entsprechende veränderte Bewegungsempfinden. Die Symptome bestehen in fehlenden, fehlerhaften oder verzögert auftretenden Reaktionen des ZNS,, auf die die krankengymnastische Behandlung ausgerichtet ist. Operative Eingriffe an Muskeln, Sehnen und selten an Nerven dienen zur Verbesserung der statomotorischen Situation durch ein besseres Gleichgewicht der mukulären Funktion oder zur Beseitigung krankengymnastischer nicht angehbarer Fehlstellung, vorzugsweise der Fuße, außerdem zur Behebung von Kontrakturen (Gelenksteife) und Luxationen (Verrenkung, Ausrenkung / vor allem des Hüftgelenks) wobei aber berücksichtigt werden muß, daß zwar Gelenkstellung und Muskulatur total beeinflußt werden können, nicht aber die durch die Hirnschädigungen veränderte Innervation von Bewegungsmustern. Die entstehenden Fehlhaltungen führen auch zu Skoliosen.

Ebenfalls zentral bedingt finden sich Sprechstörungen bei 60 - 70% der Kinder, bei einem kleineren Teil Sprachstörungen, bei 25 - 30% Hörstörungen (häufiger bei athetotischen Formen) bei 40 - 50 % Sehstörungen oft als Schielen aufgrund schlechter Koordination der Augenmuskulatur, bei 30 - 50 % Beeinträchtigung der Intelligenz. Bei einem kleineren Anteil Sensibilitätsstörungen, vor allem bezüglich Temperatur und Druckempfindlichkeit. Verdachtsmomente auf cerebrale Schäden bei Neugeborenen sind Atem-, Saug- und Trinkschwäche, Schluckstörungen, Bewegungsarmut, Zittern, Krämpfe und abnormale Gliedschlaffheit. Ab 4-6 Monat sind Anzeichen eines Hirnschadens mangelnde Kontrolle der Kopfhaltung, geschlossene Faust mit eingeschlagenen Daumen, Gebrauch nur einer Hand, Fortbestehen des Saugreflexes, permanente Seitendrehung des Kopfes, Skoliose, Fortbestehen der tonischen Reflexe, fehlende Stützfunktion der Arme. Ab 7-9 Monat kann das cerebrale Kind nicht sich selbständig in Bauch- und Rückenlage drehen, frei sitzen, mit den Armen aufstützen und kriechen. Die Zeichen der Athetose treten meist erst später hervor.

Diagnostik:

Die Frühdiagnose des kindlichen Hirnschadens ist für das Schicksal dieser Patienten entscheidend. Es kommt darauf an, der Ausbildung pathologischer Reflexmuster und Bewegungsabläufe zuvor zu kommen, durch Reflexhemmung und Einübung normaler Bewegungen. Die Prognose ist jedoch weitgehend von der geistigen Entwicklung des Cerebralparetikers abhängig. Intelligente Kranken lernen meist gehen. Die kennzeichnenden pathologischen Haltungs- und Bewegungsmuster der CP-Kinder (als Folge mangelnder Dämpfung niedriger Hirnzentren durch höhere Zentren) lassen sich durch Beobachtung und die Auslösung notwendiger Reflexeund Reaktionen feststellen. Bei der Beurteilung der Spontanmotorik ist sowohl die Quantität (zu viel bzw. Zu wenig Bewegung) als auch die Qualität (Abnormität von Bewegungen hinsichtlich Form, Ausmaß und Tempo) der Bewegungsabläufe von Bedeutung.

Therapie:

Den Angriffspunkt der bewegungsmotorischen Maßnahmen stellen dabei nicht die Muskeln, sondern das Gehirn dar. Da die Störung der motorischen Entwicklung bei ICP im Wesentlichen auf der Entstehung und Fixierung pathologischer Reflexe beruht, die eine normale statische und motorische Entwicklung über das Kriechen, Stehen und aufrechte Gehen verhindern, muß durch möglichst frühzeitige Übungsbehandlung das Fixieren dieser Reflexabläufe zu verhindern versucht werden. In den letzten Jahren hat sich vor allem die neurologische Entwicklungsbehandlung von Bobath bewährt. Sie beruht auf dem Prinzip, die primitiven pathologischen Reflexstellungen zu hemmen und normale Bewegungsmuster zu bahnen und einzuüben. Bedeutende Fortschritte sind auch von Vojta, mit der von ihm entwickelnden Methode des ,,Reflexkriechens" erzielt worden.

Zusätzliche Begleitsymptome:

Bei ICP-Kindern häufig auch Anfallsleiden verschiedener Ausprägung. Dabei handelt es sich wie bei der im Vordergrund stehenden Bewegungsstörung ohne Zweifel um direkte Folgen des cerebralen Defekts. Orthopädische Komplikationen, wie Wachstumsstörungen, Kontrakturen und Deformitäten dagegen sind nur als indirekte Folgen anzusehen, denn sie kommen ja erst durch die motorische Störungen zustande und lassen sich somit nicht unmittelbar mit der Hirnschädigung in Verbindung bringen. Folgende Begleiterscheinungen können sowohl hirnorganischer Genese als auch sensomotorisch bedingt sein. Zunächst einmal wären die Sensibilitätsstörungen - insbesondere die Tiefensensibilität - zu erwähnen, die bei der Mehrzahl der ICP-Kinder nachgewiesen werden kann. Häufig treten auch sensorische Störungen, vor allem Beeinträchtigungen des Sehens und Hörens, sowie Wahrnehmungsstörungen im visuellen taktilkinetischen Bereich auf. Bei mehr als der Hälfte der CP-Kinder finden sich zusätzlich zentral bedingte Tonus- und Koordinationsstörungen im Mundbereich. Derartige Störungen beeinträchtigen zunächst nur die Nahrungsaufnahme, später auch die Lautbildung und Sprachbildung. Allerdings können auch Dysfunktionen im Bereich von Atmung und Stimmgebung zur Spachbehinderung führen. Außerdem auch feinmotorische Beeinträchtigungen. Auch Verhaltensabweichungen wie gesteigerte Ermüdbarkeit, sprunghafte oder verlangsamte Denkprozesse, die als hirnorganisches Psychosyndrom umschrieben werden.

Spina bifida:

Wirbelmißbildungen sind Differenzierungsstörungen während der Entwicklung an der bindegewebigen primären Wirbelanlage über den knorpeligen zum knöchernden Wirbel. Es lassen sich Mißbildungen der Wirbelkörper und Wirbelbögen abgrenzen. Sie können isoliert oder kombiniert auftreten. Es handelt sich um eine Hemmungsmißbildung mit je nach Zeitpunkt der Entstehung unterschiedlich ausgeprägten mangelnden Verschluß des Rückenmarkkanals, evtl. Genetisch bedingt. Da Rückenmark und Rückenmarkshäute durch den mehr oder minder offenen Kanal nach außen treten, entstehen Ausfälle von Motorik und Sensibilität sowie Blasen- und Mastdarmstörungen. Bei Lokalisation in Brustwirbelhöhe ergeben sich spastische Lähmungen der Beine mit Abdunktion (führen von Körperteilen weg von der Körperachse) Außenrotation und gebeugten Knien, in der Lendengegend teilweise Lähmung der Beine mit Abdunktion und Streckung der Knien, bei Sitz an den Sakralwirbelkörpern (Steißgegend) Fußlähmung im Sinne von Klumpfuß, Hackenfuß und Knickfuß, das Wachstum kann beschränkt bleiben. Neurochirurgische Eingriffe ermöglichen, sofern das RM nicht völlig freilegt, das Überleben. Neben den aus dem Lähmungsbild erklärbaren Blasen- und Mastdarmstörungen besteht oder entsteht nicht zelten ein Hydrocephalus, aufgrund von Mißbildungen im Bereich der hinteren Schädelgrube.

Lat. Spina = Wirbelsäule; bifidus = zweigeteilt / Spaltwirbel, Wirbelspalt, angeborene Spaltbildung der Wirbelsäule, meist an der hinteren Seite des Wirbelbogens des Lumbal- oder Sakralteils. Hemmungsmißbildung beruht auf unvollständigen Verschluß der Medullarrinde. Der Bogen schließt normalerweise im Dorn, bei der Spina bifida schließt er sich nicht, dadurch praktisch 2 Enden. Meist ist es so, daß sich nur Teile der Wirbelbögen nicht schließen. Sie ist am häufigsten im Bereich der Lendenwirbelsäule, weil sich diese bei der Geburt zuletzt schließt.

Spina bifida occulta:

Die verborgene Spina bifida, mit Haaren überwachsen, mit Haut bedeckter Wirbelspalt, ohne Vortreten von RM.

Spina bifida aperta:

Die offene Spina bifida, man kann auf das RM schauen. Bei offener Spina bifida müssen Kinder innerhalb der ersten 24 Std. Operiert werden, weil es sonst zu Infektionen des RM kommt. Verschlußstörung des Neuralrohrs (meist Lendenbereich oder tiefer).

Querschnittslähmung:

Die Leitungsunterbrechung des RM mit Querschnittslähmung ist Folge von Verletzungen, Blutungen, entzündlichen Prozessen der Wirbel und des RM, Strahlenschäden, Tumore und Entzündungen der das RM versorgenden Gefäße. Die Schädigung entsteht also durch Zerreißung, Quetschung, Blutung oder Kompression. Der sogenannte hohe Querschnitt (C4- Segment oder hoher) im Halsmark oder oberen Brustmark führt häufig zum Tod. Je distaler (von der Mitte des Körpers entfernt) die Schädigung liegt, desto größer wird die Überlebenschance. Ausschaltung der von der Hirnrinde zum RM ziehenden Bahnen - motorische Lähmung. Ausschaltung der vom RM zum Hirn ziehenden Bahnen - Ausfall der Sensibilität. Klinisch zeigt der komplette Querschnitt motorische und sensible Lähmung unterhalb des betroffenen Segment sowie Ausfall der Darm- und Blasenfunktion. Die Blasenlähmung stellt für den Paraplegtiker wegen der möglich aufsteigenden Infektion der Harnwege eine ständige ernste Gefahr dar. Bei plötzlicher Leitungsunterbrechung des RM, z.B. durch traumatische Quetschung oder Schußverletzung, sind die motorischen Lähmungen zunächst schlaff. Im Laufe von Wochen und Monaten entwickelt sich distal der Querschnittsläsion spastische Symptome und unkontrollierbare Bewegungsautomatismen infolge der Aktivierung autonomer RM-Zentren. Unsachgemäße Erstbehandlung kann vor allem im Zusammenhang mit der Spastizität Kontrakturen herbeiführen, bei tiefer sitzenden Schäden resultiert das Bild einer Paraplegie, bei höher lokalisierten das einer Tetraplegie, jeweils mit Blasen- und Mastdarmstörungen. Bei einer akuten RM-Läsion setzen die Zeichen der Spastik erst nach einem Intervall ein, unterhalb der Läsion sind die Eigenreflexe gesteigert, pathologische Reize nachweisbar und der Muskeltonus erhöht.

Vegetative Störungen:

Fehlende Vasomotorenkontrolle (Vasomotoren = Gefäßnerven, Nerven des vegetativen Nervensystem, die die Gefäße verengen und erweitern) führt zu weitgestellten Gefäßen beim Aufrichten, besonders der hohen Querschnittslähmungen ·, versackt das Blut der Schwere folgend im Bauchraum und den unteren Extremitäten. Blutverteilungsstörungen - Blutdruckabfall und Kollaps. Gestörter Wärmehaushalt - warme Kleidung und Decken. Beeinträchtigung der Verdauungsorgane - Verstopfung - Notwendigkeit einer entsprechenden Diät. Hohe Läsion - gestörte Atmung · negative Auswirkung auf den Kreislauf, Gefahr der Lungenentzündung. Schädigung der Blase, Blase ist vom Hirnzentrum getrennt - völlige Isolation der Blase, Geruchsbelästigung ist sicheres Zeichen von Hygienemangel und bakterielle Zersetzung.

Vertebrale Symptome (einen Wirbel oder Wirbelsäule betreffend):

Angeborene Querschnittslähmung: Primäre Fehlbildung meist am unteren Wirbelende, eine in der Regel mehr oder minder ausgeprägte Spaltbildung. Betroffen ist der rückwärtige, der Bogenanteil der Wirbel. Unter Schwerkrafteinwirkung und wenn die vordere Rumpfmuskulatur kräftiger ist, kommt es zur Kyphose anstatt zur normalen Lordose (Maßnahmen: Stützkorsett, operative Korrektur, Knochen- und Metallimplantate). Sekundäre Hüftluxation - Hohlkreuzbildung / Hyperlordosen, Wirbelkörperfehlanlagen mit Asymetrien und seitendifferenzierter Rumpfmuskelparesen - seitliche Wirbelsäulenverbiegung, Skoliose. Erworbene Querschnittslähmung: traumatische Schäden, Brüche und Verrenkung der Wirbel - Stabilisieren und Ruhigstellen für 2-3 Monate. Entzündlich-destruierende (zerstörende) Wirbelerkrankungen - nach längeren Ruhigstellungszeiten und anschließender Korsettversorgung evtl. Herdausräumung und Stabilisierungsoperationen. Beschäftigungstherapie: ergänzt das funktionelle Training · Greif- und Kräftigungsübung, Festigung der Stützbalance. Alle Halsmarks- und Brustmarksschädigungen bleiben durch Atemwegserkrankungen besonders gefährdet, weil die Atemmuskulatur geschädigt ist.

Sensible Störungen:

Schmerz- und Temperaturreize werden nicht wahrgenommen - Gefahr durch mechanischen Druck und thermischer Einflüsse, verstärkt durch gestörte Durchblutung. Normaler Mechanismus: Dauerdruck - Schmerzliches Unbehagen, Unbequemlichkeit ·

Positionsveränderung und damit Druckverlagerung und Wiederherstellung der ungehinderten Durchblutung. Mechanismus funktioniert beim Querschnittsgelähmten nicht - Entstehung von Druckgeschwüren (Dekubitus) innerhalb weniger Stunden, besonders über Knochenvorsprüngen. Mögliche Folgen eines Dekubitusgeschwürs: Übergriffe auf den Knochen, Flüssigkeits- und Eiweißverlust, Infektionen, Knochenvereiterung, Allgemeinschädigung durch eindringende Gewebezerfallsprodukte und aufgenommene Giftstoffe, etc. .

Zusätzliche Mißbildungen:

- Hydrocephlus
- Nierenschädigung, als Folge einer fast immer vorhandenen Blasenschädigung.
- Fußmißbildung, als Folge der Lähmung.
- Tetraplegien durch hohe Halsmarksschäden, einschließlich der gesamten Atemmuskulatur werden nicht überlebt.

Behandlung:

Schweregrad eines Querschnittsyndroms sind davon abhängig, ob die transversale (querlaufend) Schädigung komplett oder inkomplett ist. Je vollständiger und höher die Läsion ist, um so größer ist das Ausfallgebiet unterhalb der Schadensstelle, desto Gravierender müssen naturgemäß die Auswirkungen und desto umfangreicher die therapeutischen Probleme sein. Die Symtomatik bei Querschnittslässionen des RM und / oder Cauda (pferdeschweifartig angeordnete Gesamtheit aller in Lenden- und Kreuzbeinabschnitt den Wirbelkanal ausfüllenden RM-Nervenwurzeln) gliedert sich in drei große Gruppen:

1. motorische Störungen

2. sensible Störungen

3. vegetative Störungen

Dazu kommen die Wirbelsäulenveränderungen, also

4. vertebrale Störungen

Die orthopädische Behandlung richtet sich in erster Linie gegen die sensomotorischen Störungen und die Wirbelsäulenveränderungen. Querschnittslähmung erfordert eine Behandlung durch ein Team Orthopädie, innere Medizin (Atmungs-, Kreislauf-, Verdauungssystem), Urologie (Harn- und Geschlechtsorgane).Bei der frischen oder beginnenden Querschnittslähmung sie die pflegerischen Maßnahmen (Lagerung auf Schaumgummimatrazen, Drehbett, Dauerkatheder, Infektionsprophylaxe) und versucht, die Ursache der RM-kompression zu beseitigen (Stabilisierung, Dekompression, zytostatisch Medikamente, Röntgenbestrahlung).Die Gefahr des Aufliegens und der Entstehung von Dekubitalgeschwüren ist am Beginn besonders groß. Abgesehen von fortschreitenden Prozessen mit schlechter Prognose besteht bei vielen Querschnittlähmungen eine Rückbildungstendenz. Sie wird unterstützt durch krankengymnastische Behandlung. Entscheidend ist die Erlangung eines gewissen Automatismus der Blasen- und Darmentleerung.

Die Ausdehnung der Lähmung richtet sich nach der Rückenmarksniveau, welches geschädigt ist. Die der Läsionsstelle zugeordnete Muskulatur ist schlaff, die Muskulatur unterhalb davon ist spastisch gelähmt, Caudularläsionen verursachen schlaffe Lähmungen (Cauda = Rückenmarknervenwurzel)

Poliomyelitis (auch Polio oder Spinale Kinderlähmung)

Der Name ,,Spinale Kinderlähmung" ist irreführend, weil der Prozeß nicht nur das RM und nicht nur Kinder befällt. Die Spinale Kinderlähmung ist eine Viruserkrankung mit Schädigung der motorischen Vorderhornzellen des RM bzw. Der motorischen Hirnnervenkerne. Die Mehrzahl der Erkrankungen läuft in Form eines grippalen Infekts zu einer Enteritis (Dünndarmentzündung) ab. Nur bei einem verhältnismäßig kleinen Prozentzatz kommt es zu den gefürchteten Lähmungen. Da die akute Entzündung die graue Vorderhornsubstanz (polios = grau) befällt, sind die Ausfälle ausschließlich schlaffe motorische Lähmungen. Sensibilitätsstörungen gehören nicht zu dem Bild der Polio. Neben den bekannten Lähmungen der Rumpf- und Extremitätenmuskulatur werden auch Hirnnervenschädigungen, sowie ataktische Störungen beobachtet. Die Spinale Kinderlähmung beginnt mit einem fiebrigen Prodomalstadium, an das sich nach Stunden oder Tagen das Lähmungsstadium anschließt. Sitz und Ausbreitung der Paresen sind unterschiedlich. Die Entzündung am ZNS verursacht Quellung und schließlich Degeneration (körperlicher Verfall / Rückbildung) und fieberöse Entartung der Ganglienzellen. Klingt die Schwellung wieder ab, so bilden sich die Lähmungen zurück, andernfalls sind sie irreparabel. Lähmung der Bauchmuskulatur - Erschwerung der Harnentleerung, Ausfälle der Rückenmuskulatur - Skoliosen, Verunstaltungen der Wirbelsäule. Bei den Lähmungen handelt es sich um schlaffe Paresen mit herabgesetzten Tonus und Verlust der Eigenreflexe. Gefahr durch Lähmung der Atmungsmuskulatur. Die Durchblutung der gelähmten Muskeln ist empfindlich gestört, dies bedeutet eine schwere Gefahr für die Existenz der Muskelzelle. Unter den anfänglichen Schmerzen können sich bei unsachgemäßer Lagerung des Kranken rasch Gelenkfehlstellungen entwickeln.

Behandlung:

Durch richtige Lagerung ist der Entstehung von Kontrakturen besonders am Fuß, Knie und Hüfte vorzubeugen. Am besten eignen sich Gipsschalen, die angefertigt werden, sobald die akuten Schmerzen abgeklungen sind. Sehr wichtig ist die Verbesserung der Atmung, in schweren Fällen kann künstliche Dauerbeatmung nötig sein. Der entscheidene Schritt ist die Rückgewinnung der physischen Selbständigkeit, das Verlassen des Bettes, selbständiges Gehen und Stehen. Die muskuläre Regeneration kann bis zu 2 Jahren dauern.

Muskelerkrankungen:

Der ,,Motor" der Bewegungsorgane ist die Skelettmuskulatur, deren Funktion über zentrale und periphere Nervensysteme gesteuert wird, sie ist der aktive Bewegungsapparat. Eine Vielzahl progressiver Myopathien kann unterschieden werden. Liegt die Ursache im Muskel selbst, wird der Begriff Muskeldystrophie gebraucht, liegt sie im ZNS einschließlich des RM und der peripheren Nerven, wird von Muskelatrophie gesprochen.

Muskeldystrophie: Es handelt sich um Erkrankung der Muskulatur mit dominanten (Schultergürtelformen) oder rezessiven Erbgängen (Beckengürtelformen) bzw. Nach Spontanmutationen. Es sind fortschreitende Krankheiten, bei der die Muskulatur geschädigt wird. Man kann ca. 200 Verlaufsformen unterscheiden. Duchenne Verlaufsform nur bei männlichen Individuen, fängt an rumpfnahen Muskeln an, meist zuerst an der Beckenmuskulatur. Beim Typ Duchenne beginnt der Muskelschwund mit 3-5 Lebensjahren und eine Gehunfähigkeit tritt meist zwischen dem 10. Und 12. Lebensjahr auf. Die Hände bleiben lange Zeit intakt, Herz und Atemmuskel sind mit betroffen, der Tod tritt meist um das 3. Lebensjahrzent ein. Die Krankheit schreitet sowohl aufwärts wie auch abwärts fort. Die zugrundegehende Muskulatur bildet sich in Binde- und Fettgewebe um, vor allem im Wadenbereich (Pseudohypertrophien sog. Gnomenwaden). Diesen rezessiven Erbgang liegt eine x-chromosomale Vererbung zugrunde. Bei weiblichen Individuen ist ein Defekt von zwei X-Chromosomen letal. Betroffenes Kind zieht sich am eigenen Körper hoch. Es ist eine schlaffe Lähmung, die Ursache liegt in der Fehlernährung der Muskulatur. Das ZNS ist nicht geschädigt.

Muskelatrophie: Fortschreitende, erblich bedingte Krankheit, die die motorischen Vorderhornzellen schädigt, erzeugt schlaffe Lähmung. Es ist eine symmetrische Lähmung, d.h. sie beginnt an den äußeren Stellen der Extremitäten (Hände und Füße). Die Muskulatur ist in Ordnung, das ZNS ist geschädigt.

Friedreich'sche Ataxie:

Rezessiv vererbbares Leiden, befällt Rückenmarkhinterstränge, fortschreitende Krankheit, meist in der späten Kindheit auftretend. Symptome: Ataxie, Grimassieren, skandierende Sprache (abgehakte Sprache) Abschwächung bzw. Verlust des Sehnenreflex, Friedreich-Fuß (Hohl- und Spitzfußbildung) und Friedreich-Hand (Überstreckung der Fingergrund- und Handgelenke). Fast regelmäßig Herzbeteiligung, die zu EKG-Veränderung führt, z.B. Rhythmusstörungen · leichte oder schwere Gleichgewichtsstörungen bis hin zum Rollstuhl.

Contergan:

1958-1962 von Pharmacie-Konzern Grünwälder hergestellt, besonders gefährlich ist die Anwendung in der 4. - 7. Schwangerschaftswoche. Es gibt 10.000 Betroffene. Die Arme und/oder Beine sind verkürzt, auch innere Organe und die Wirbelsäule können betroffen und verkleinert sein. Je nachdem in welcher Entwicklungsphase des Säuglings Contergan verwendet wurde, sind die entsprechenden Gliedmaßen betroffen (Entwicklung verläuft vom Kopf zum Fuß).

Micromelie / Dysmelie:

Kurze Arme und/oder Beine, allgemein kurze Gliedmaßen. Eine Knorpelfehlbildung ist die Ursache. Der Rumpf hat eine normale Größe, auch Gelenkschäden treten auf.

Glasknochenkrankheit:

Die Knochen sind spröde und brüchig. Die Ursache hierfür ist das Fehlen bzw. Zu geringfügig Vorhandensein der Collagenfasern im Knochen. Die Collagenfasern fehlen nicht nur im Skelett, sondern auch in der Haut und am Auge. Das Weiße im Auge wird dann bläulich bis blau, weil die untere Schicht durchschimmert. Der Betroffene kann klein- oder zwergwüchsig sein und körperliche Mißbildungen (Arme und Beine seltsam verbogen) aufweisen. Glasknochen werden zur Stabilität genagelt.

Hüftluxation:

Verrenkung, bei der der Gelenkkopf aus der Gelenkpfanne tritt. Die Hüftgelenke sind nicht voll ausgebildet, d.h. sie sind unreif. Der Betroffene kann nicht stabil gehen oder stehen, wenn die Krankheit nicht frühzeitig erkannt und behandelt wird. Die Schädigung zeigt sich durch eine zu flache Hüftpfanne und einem zu kleinem Hüftkopf. Behandlung durch Bandagen, besonderes Windeln und häufig Hüftoperationen.

Skoliose:

Verbiegung der Wirbelsäule mit Drehung der einzelnen Wirbelkörper und Versteifung in diesem Abschnitt. Heilung nur im 1. Lebensjahr.

Formen:

- Totalskoliose: Krümmung nach einer Seite ohne Gegenkrümmung
- zusammengesetzte Skoliose: Krümmung und Gegenkrümmung (S-förmig)

Einteilung:

- 1. Grades: passive Korrektur leicht möglich
- 2. Grades: Rippen- und Lendenwulst deutlich ausgeprägt
- 3. Grades: deutliche Deformierung des Brustkorbes, Überhängen nach einer Seite

X-Bein:

Gelenkaußenseite, sowie der Knorpel werden stark beansprucht - früher hoher Verschleiß. Das gleiche gilt für O-Beine, nur hier liegt die Beanspruchung und der Verschleiß auf der Außenseite. In einem leichten Grad ist es bei Kindern zwischen dem 2. und 5. Lebensjahr physiologisch. Die Folgeerkrankung kann eine Arthrose sein.

Arthrosen:

Degenerative Gelenkkrankheit, entsteht vorwiegend aus Mißverhältnis zwischen Beanspruchung und Beschaffenheit bzw. Leistungsfähigkeit der einzelnen Gelenkanteile und -gewebe (Gelenkknorpel, Gelenkknochen, Gelenkkapsel). Die Degeneration beginnt im Gelenkknorpel dessen Knorpelzellen immer weniger Grundsubstanz produzieren. Durch den Verlust an Gelenksubstanz trocknet der Knorpel und verliert an Elastizität. Dadurch ist er der Belastung nicht mehr gewachsen. Es entstehen feine Risse, die sich allmählich verbreitern und vertiefen. Die ehemals glatte Oberfläche wird rauh und abgetragen. Nun erfaßt die Degeneration auch den darunter liegenden Knochen, der stellenweise einbricht und sich gleichzeitig verdichtet. An den Gelenkrändern bilden sich Randzacken, welche die Beweglichkeit des Gelenks einschränken. Im Verlaufe des degenerativen Geschehens kommt es immer wieder zu Entzündungen der Gelenkkapsel (Gelenke schwellen an und schmerzen). Häufige Entzündungen können eine Schrumpfung der Gelenkkapsel zur Folge haben, was zu einer Verspannung der an der Gelenkkapsel ansetzenden Sehnen und Muskeln führt (Anlaufschmerz, Morgenschmerz). Athrose entsteht durch: veränderte Gelenkstatik, erbliche Veranlagung, Erkrankung des Stoffwechsels (Diabetes, Gicht).

Rezeptoren:

Sinneszellen sind zur Aufnahme bestimmter Sinnesempfindungen spezialisiert, transformieren entsprechenden Reiz in elektrische Signale.

Zentrales Nervensystem:

ZNS umfaßt RM und Gehirn, verarbeitet die über afferente Nerven (zuführend) zu ihm eingeleitete Erregung, Umschaltung afferenter Erregung auf efferente (abführend) Impulse.

Reflexbogen:

Afferente (dem ZNS zuführende) und efferente (abführende) Neuronen sind zu Neuronenketten zusammengefügt, die eine funktionelle Einheit darstellen. Wir sprechen von afferenten (sensiblen) und efferenten (motorischen) Schenkel des Leistungsbogens.

- einfacher Leistungsbogen: je ein afferrenter sensibler und ein efferenter motorischer Neuron: im RM werden die aus der Peripherie (von dem Augenblick an, wo die Information das Zentrum verläßt) stammenden Erregungen verarbeitet und über das efferente Neuron wird die Antwort dem Erfolgsorgan zugeteilt.
- komplexer Leistungsbogen: afferente Erregungen werden auf viele neben- und hintereinander geschalteter Stationen verteilt. Leistungsbögen sind im allgemeinen Regelkreise, in denen durch Rückkopplung die zu regelnde Größe auf gleichbleibenden Niveau gehalten wird. Der Reflexbogen ist unwillkürlich, er bedarf eines Auslösers aus der Umgebung. Es werden Tastorgane aktiviert.

1. Sinnesorgan z.B. Auge, Hand, Haut, etc.
2. afferentes sensibles Neuron (zum ZNS führend) in die graue Substanz des RM
3. eine oder mehrere Synapsen
4. efferentes muskuläres Neuron (aus dem ZNS kommend)
5. Erfolgsorgan = Effektor - Muskel

Neuron _ Neuron = Synapse

Neuron _ Muskel = neuromuskläre Synapse

Bahn der bewußten Motorik = Pyramidenbahn

Bahn der unbewußten Motorik = Extrapyramidales System Koordination der Muskel = Extrapyramidales System

Reflexe:

physiologisch: unwillkürlich und regelhaft ablaufender Vorgang, (z.B. Muskelkotraktur, Massenbewegung, Haltungsänderung, Düsensekretion) als Antwort auf einen Reiz.

Verschiedene Unterscheidungen sind möglich, z.B. durch Reize im Körper, durch Reize von außen. Klinisch wichtig sind Eigenreflexe, Fremdreflexe, koordinierte Reflexe, bedingte Reflexe.

- Eigenreflexe: einfachste motorische Automatismen werden allein über das RM geregelt, ohne Einschaltung höherer Zentren. Der Rezeptor liegt im Erfolgsorgan. Der Eigenreflex ist ein aus einen afferenten und einen efferenten Schenkel bestehender monosynaptischer Reflexbogen eigen. Durch die Prüfung der wichtigsten Eigenreflexe kann u.U. auch die Segmenthöhe eines Prozesses bestimmt werden. Pathologisch sind Minderung / Erlöschen (als Zeichen einer Störung des 2. mot. Neurons / schlaffe Lähmung) oder Steigerung (spastische Lähmung).

Möglichkeiten der Hemmung: afferente Einflüsse, hemmende Schaltstellen im RM. Störung eines Hemmungsmechanismus kann zu krampfzuständen in der Muskulatur und zu verschiedenen neurologischen und psychatrischen Krankheitsbildern führen.

Funktion des Eigenreflexapparates: dient beim Menschen besonders der Einstellung des Körpers auf die Schwerkraft der Erde, da hierfür Streckmuskulatur besonders wichtig ist, sind Eigenreflexe vorzugsweise Streckreflexe.

Fremdreflexapparat:

- Funktion: dient der Abwehr von Störreizen durch zweckvolle Bewegungskombinationen, steuert den zweiten sensomotorischen Funktionskreis.
- Aufbau: afferente und efferente Fasern des Eigenreflexapparates stellen die Anfangs- und Endstrecken des Fremdreflexes dar, Rezeptoren liegen in der Hau bzw. In der Schleimhaut.
- Funktionsweise: Afferente Erregungen, die von den Hautrezeptoren aufgenommen werden, über die sog. Hinteren Wurzeln in das RM geleitet. Hier bestehen nun drei Schaltmöglichkeiten.

1. es gibt eine direkte Verbindung zu den Vorderhornzellen, wie beim Eigenreflex (Vorderhörner des RM = graue Substanz des RM, aus denen die vorderen Wurzeln der Spinalwurzeln hervorgehen / Beginn des 2. mot. Neuron).
2. synaptische Schaltungen zu dem sog. Elementarapparat des RM. Bei Fremdreflexen treten Neuronketten in Tätigkeit (polysynaptischer Reflexe) - zweckgerichtete Bewegungskombination mit Beteiligung verschiedener Muskelgruppen.
3. Nervenfasern ziehen zu höheren Zentren aufwärts. Anschllußneurone leiten Reize die von den hinteren Wurzeln übermittelt werden zu höheren Zentren (z.B. Kleinhirn) weiter. Fremdreflex meist aufgrund eines Schmerz oder Temperaturreizes. Wenn keine Schmerzwahrnehmung vorhanden ist, dann kann auch kein Reiz erfolgen, d.h. Menschen, die nicht sensibel auf äußere Reize sind haben stark verminderte motorische Reize. Das Sitzen bei einem Querschnittsgelähmten ist gefährlich (Dekubitus), auch Blase und andere Ausscheidungsorgane sind gefährdet.

Gehirn:

Das Gehirn läßt sich in drei Hauptgruppen teilen

- Großhirn mit linker und rechter Hemishäre. Es steuert die Motorik und die höheren Tätigkeiten des Menschen, in der Hirnrinde ist die Willkürmotorik.
- Kleinhirn, steuert die Abgleichung gegenüber der Schwerkraft, Bewegungsmuster, Koordination.
- Hirnstamm: Speicher, unwillkürliche Bewegungen

Pyramidenbahn:

Die Pyramidenbahn läuft vom Hirn über Synapsen ins RM (Vorderhornzellen) und dieses noch gekreuzt. Die Reizübertragung geht weiter zum Erfolgsorgan (Muskel / Weg der Information = motorische Bahn). Die Beine sind im oberen Teil des Gehirns angeordnet, der Kopf unten. Die Pyramidenbahn ist eine Bahn der unbewußten Motorik, sie läuft durchs RM, wird dort an den motorischen Zellen geschaltet und der Reiz weiter zum Muskel gegeben.

Kleinwüchsigkeit:

Größe unter 1.30 m, rezessiv erblich (bei Männern unter 1.50 m / bei Frauen unter 1.40 m / bei Kindern mehr als 23% Abweichung der alterstypischen Größe).

Rachitis:

Mangel an Vitaminen (Vitamin B). Ursache: Nahrungsmangel und Mangel an UltraviolettStrahlen. Frauen mit Rachitis haben zu enge Becken - Sauerstoffmangel des Kindes - schwerwiegende Behinderung. Nichtbehandlung der Rachitis führt zu Verformung des Skeletts (Buckel). (Calziumaustausch zwischen Blut und Skelett).

Pyramidenbahn:

Die Gesamtheit derjenigen absteigenden Leitungsbahnen des ZNS, die in der Großhirnrinde entspringen, und bis zu den motorischen Kernen der Hirnnerven oder zu den Vorderhornzellen des RM ziehen. Nach ihren Ursprung ziehen die Pyramidenbahnfasern durch die innere Kapsel, die Hirnschenkel und die Brücke zur Medulla. Dort kreuzen etwa 80 - 90 % aller Fasern auf die andere Seite und bilden hier die Pyramidenstrangbahn. Die ungekreuzt bleibenden die Pyramidenvorderstrangbahn. Beide endigen in den verschiedenen Höhen des RM an den Vorderhornzellen. Die Pyramidenbahn ist eine der wichtigsten Bahnen, sie leitet die willkürlichen Bewegungsimpulse für die Körpermuskular und wirkt hemmend auf die Regulation des Muskeltonus und auf das Zustandekommen der Muskeleigenreflexe. Symptome bei Pyramidenbahnläsion:

Spastische Reflexe, Hyperreflexie und Pyramidenbahnzeichen. Die Pyramidenbahn wird in ihrer Funktion durch eine Reihe von motorischen Nebenbahnen, extrapyramidalen Faserzügen, unterstützt. Ihre Ausgangspunkte weisen Verbindungen mit der motorischen Großhirnrinde auf, so daß auch bei Ausschaltung der Pyramidenbahn ein Teil der motorischen Impulse auf Umwegen zu den Vorderhornzellen bzw. Der Muskulatur gelangen kann.

-Motorische Großhirnrinde: Zentrale Schaltstelle des motorischen Systems, welches die willkürliche Innervation (Versorgung mit Nerven, Nervenfasern oder Nervenreizen) der mimischen, Sprach-, Stamm- und Gliedmaßenmuskulatur regelt.
-Anatomische Abgrenzung: Spitzendentriten gelangen zur Oberfläche der Hirnrinde, während die Neuriten nach abwärts ziehen und die Pyramidenbahn bilden.
-Beim Säugling ist die Pyramidenbahn noch unausgereift, seine ungezielten Massenbewegungen werden extrapyramidal gesteuert. Bei der Geburt von Hirnrinde bis Mittelhirn, um dann allmählich nach unten fortzuschreiten.
-Das RM wird ohne synaptische Umschaltung erreicht. Erst hier im Vorderhorn des RM erfolgt die Umschaltung aufs nächste Neuron, das vom Vorderhorn bis zum Muskel reicht.
- Syndrom der Zentralen Pyramidalen Lähmung: Spastische Lähmung mit erhöhten Muskeltonus, keine Muskelatrophie (Muskelschwund infolge Verkleinerung des Durchmessers der einzelnen Muskelfasern).
-Syndrom der Peripheren Lähmung: schlaffer Muskeltonus, umschriebene und stärkere Muskelatrophien, abgeschwächte oder erloschene Eigenreflexe.

Extrapyramidales System:

Bezeichnung für alle motorischen Kerngebiete in kortikalen und subkortikalen (Cortex = Hirnrinde) Bereichen des ZNS mit den zugehörigen Bahnen, die nicht dem Pyramidalsystem angehören. Von all diesen Kernen entspringen Bahnen, die im Vorderseitenstrang des RM absteigen und an den motorischen Vorderhornzellen enden. Funktion des e.S. = Regulierung des Muskeltonus, der unwillkürlichen und Koordinationsbewegungen, der Körperhaltung, der Ausdrucks- und Abwehrbewegungen, des Gleichgewichts.

Das kortikale System intendiert willkürliche Muskelbewegungen und ermöglicht das Erlernen neuer Bewegungen, das e.S. wirkt ausgleichend auf willkürliche Bewegungsabläufe. Jeder Impuls, der von der Großhirnrinde zur Auslösung einer Willkürbewegung geht, verläuft nicht nur über die pyrimidalen, sondern im Nebenschluß über die extrapyrimidalen Bahnen, die modifizierend und harmonierend auf diese einwirken. Neuartige Willkürbewegungen werden, nachdem sie erlernt und eingeschliffen sind, vollständig vom e.S. übernommen, so daß die Hirnrinde entlastet und somit frei für neue Übungen wird. - Bewegungsablauf wird flüssiger, wenn er extrapyrimidal gesteuert wird. Afferenzen für e.S. kommen aus den Hautrezeptoren. Extrapyramidale Erkrankungen: Störungen im Sinne einer Einbuße oder Übersteigerung von Bewegungsabläufen - Veränderung des Muskeltonus, Bewegungsunruhe oder Bewegungsarmut, die gezielte Bewegungen erschweren.

Unterscheidung zwischen 2 großen Syndromgruppen:

1. Hyperkinetisch-hypotone Syndrome: unwillkürliche reglose Bewegungen schießen bei herabgesetzten Muskeltonus ein (Athetose, Chorea, Ballismus, etc.). Betroffen sind hier vor allem die oberen Zentren (bes. Streifenhügel), die eine gewisse Hemmungsfunktion ausüben, so daß die untergeordneten Zentren mit ihren bewegungsstimulierenden Impulsen Oberhand gewinnen.

2. Hyperkinetisch-hypertone Syndrome: Bewegungsarmut (auch im Mimischen) neben Tonussteigerung (Steifheit) und Tremor (rhythmisches Zittern der Gliedmaßen und des Kopfes) z.B. Parkinson Krankheit.

Tonus:

Durch Nerveneinfluß beständig aufrechterhaltener Spannungszustand der Muskeln.

Ursache des erhöhten Muskeltonus des ICP:

Die extrapyramidalen Bahnen enden an den motorischen Vorderhornzellen des RM (den Gamma-Moto-Neuronen), deren Neuriten zu innerhalb der Muskelspindel gelegenen Muskelfaser führen. Die Muskelspindeln leiten über Afferenzen Informationen über die Muskelspannung weiter. Die pyramidalen Bahnen enden an den Alpha-Moto-Neuronen im Vorderhorn der grauen RM-Substanz, deren Neuriten zu der eigentlichen Arbeitsmuskulatur ziehen. Diese Fasern leiten schneller als die Gamma-Fasern.

Die Schädigung des Pyramidensystems durch Cerebralparese führt zu einem Überwiegen des extrapyramidalen Systems und damit zu einer Aktivierung der Efferenten-Gamma-Neuronen mit einer Erhöhung der Empfindlichkeit der Muskelspindeln und damit zu einem erhöhten Muskeltonus.

Aufgabe der Afferenzen des pyramidalen Systems: Bewußte Empfindung des Lage- und Bewegungssinnes, der Druck-, Schmerz-, Berührungs- und Temperaturempfindung in weiterer Großhirnrindenregion.

Reflexe bei Spastikern:

Spastiker leiden an einem Übermaß abnormer Haltungsreflexe als Folge der mangelnden Dämpfung niederer Hirnzentren durch höhere Zentren.

-Asymetrisch-tonischer Nackenreflex: Drehung des Kopfes zu einer Seite - Streckung der Gliedmaßen auf der Gesichtsseite und Beugung der Gliedmaßen auf der anderen Seite - Be/Verhinderung einer Auge-Hand-Koordination und Gleichgewichtsverlust durch den Reflex erschwertes Sitzen, Gehen oft unmöglich.
-Tonischer Labyrinth-Reflex (symetrisch tonischer Nackenreflex): Beugen des Kopfes - Beugen der Gliedmaßen (Sitzen); Strecken des Kopfes - Strecken der Gliedmaßen.

Orthopädie:

Die Orthopädie befaßt sich mit Stütz- und Bewegungsorganen (Knochen, Sehnen, Bänder, Muskulatur). Sie befaßt sich mit Form- und Funktionsstörungen des Stütz- und Bewegungsapperates (alle Knochen-, Gelenk- und Muskelveränderungen) egal welcher Ursache.

Spitzfuß:

Fußspitze steht ständig tiefer als die Ferse und kann weder aktiv noch passiv zur Mittelstellung gehoben werden (Operation). Hervorgerufen durch Kontraktion / Hypertonie der Wadenmuskulatur (Spastik).

Lehreraufgabe: Auf angemessene Sitzhöhe achten, Therapie, 90_-Schiene, orthopädische Schuhe, Stehbrett.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Spezielle Orthopädie des Kindes- und Jugendalters
Hochschule
Technische Universität Dortmund
Autor
Jahr
1995
Seiten
19
Katalognummer
V95809
ISBN (eBook)
9783638084871
Dateigröße
498 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Spezielle, Orthopädie, Kindes-, Jugendalters, Dortmund
Arbeit zitieren
Dieter Mattick (Autor:in), 1995, Spezielle Orthopädie des Kindes- und Jugendalters, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95809

Kommentare

  • Gast am 5.5.2002

    Kommentar zu "Pädagogik/Erziehungswissenschaften.

    also ich habe 2 stunden im internet nach informationen gesucht und nie waren sie ausreichend!
    aber in diesem beitrag stand alles drin was ich brauchte.
    find ich echt klasse!
    schön das du ihn hier zur verfügung gestellt hast!
    du hast mir damit sozusagen das leben gerettet!

Blick ins Buch
Titel: Spezielle Orthopädie des Kindes- und Jugendalters



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