Wolframs Tagelied - Sîne klâwen - Eine Interpretation


Seminararbeit, 1999

36 Seiten, Note: 1


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG

2. ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR
2.1 Übersetzungsvorschlag
2.2 Kommentar zu problematischen Textstellen

3. DARSTELLUNGSÄSTHETIK
3.1 Formale Analyse
3.1.1 Metrik und Strophik
3.1.2 Konstitutive Elemente des Tageliedes
3.1.3 Stilistik und Bildlichkeit
3.2 Inhaltliche Analyse
3.2.1 Thematik
3.2.2 Minnekonzeption
3.3 Synthese

4. REZEPTIONSÄSTHETIK
4.1 Besonderheiten der mittelalterlichen Rezeption
4.2 Probleme der modernen Rezeption

5. ABSCHLIEßENDE BEWERTUNG

LITERATURVERZEICHNIS

1. Einleitung

Wolframs Tagelied "Sîne klâwen" hat zweifelsfrei eine große Berühmtheit erlangt, was sich vor allem daran zeigt, daß es in keiner Anthologie zur mittelalterlichen Lyrik im deutschen Sprachraum fehlen dürfte und eine vergleichsweise reiche Produktion von Sekundärliteratur zu einem einzelnen lyrischen Text angeregt hat. Als Tagelied läßt es sich in den literarhistorischen Kontext des Minnesangs einordnen, da dieses Genus eine besondere Blüte im deutschen Mittelalter parallel zur höfischen Lyrik des Hohen Sangs entfaltete, wobei man einschränkend bemerken muß, daß sich Elemente des Tageliedes in den Literaturen vieler Völker nachweisen lassen.1

In der vorliegenden Arbeit soll der Versuch unternommen werden, dieses Tagelied unter Berücksichtigung einer Auswahl wissenschaftlicher Publikationen möglichst umfassend zu deuten, wobei ich mich als Textgrundlage auf die Edition Lachmanns stütze.2 Hierzu erscheint es mir angebracht, nach einem Übersetzungsvorschlag und Kommentar von einer zweifachen Interpretation auszugehen, die sich am Modell der literarischen Kommunikation orientiert. Da uns für das Mittelalter nur sehr wenige gesicherte Informationen zum Autor und seinen Lebensumständen vorliegen, erweist sich der produktionsästhetische Ansatz, der den Dichter und seine Biographie in das Zentrum der Analyse stellt, als nicht ergiebig bezogen auf den konkreten Fall des Wolframliedes "Sîne klâwen". Daher verzichte ich auf biographische Spekulationen und konzentriere mich auf eine ausführliche werkimmanente Analyse des Textes, welche die literarische Botschaft in den Mittelpunkt der Interpretation stellt. Schließlich werde ich Rezeptionsprobleme des Mittelalters und der Moderne andeuten. Hierzu wird der Rezipient und sein Verständnis des Liedes Gegenstand der Untersuchung sein. Mein Ansatz ist folglich ein integrativer Versuch, verschiedene literaturwissenschaftliche Methoden sinnvoll miteinander zu verbinden, da jede auf ihre Weise wichtige Ergebnisse liefert, jedoch immer auch an ihre Grenzen stößt. Ein solches Vorgehen scheint mir an einem kurzen, überschaubaren Text wie dem vorliegenden Tagelied praktikabel und gerechtfertigt zu sein, aus Gründen der Arbeitsökonomie dürfte er sich jedoch bei umfangreichen Werken verbieten. Trotz des Methodenpluralismus möchte ich den Schwerpunkt auf die textimmanente Interpretation legen, da sie meines Erachtens am tiefsten in die Problematik des Textes eindringt. An geeigneter Stelle wird diese durch Erkenntnisse der Geschichtswissenschaft zur gesellschaftlichen Realität und zur höfischen Kultur ergänzt.

Was die Forschungsliteratur betrifft, so kann Wapnewskis Monographie zum lyrischen Werk Wolframs als eines der Standardwerke bei der Beschäftigung mit Wolframs Tageliedern gelten.3 Außer ihm habe ich mich auf Kühnels knappe Analyse4 und auf Bumkes sehr aufschlußreiche Untersuchung zur höfischen Gesellschaft5 sowie auf seine knappe Analyse der Tagelieder Wolframs6 gestützt. Ebenfalls fließen Argumente des Johnsonaufsatzes7 in diese Arbeit ein. Als hilfreich erwiesen sich außerdem die Darstellungen Wehrlis8 und Schweikles9 zur mittelalterlichen Literatur im allgemeinen und zum Minnesang im besonderen. Wehrlis Untersuchung zur Literaturrezeption im Mittelalter, insbesondere zum hermeneutischen Prinzip der Allegorese, leistete mir im Abschnitt zur Rezeptionsästhetik gute Dienste. Schweikle wiederum gibt einen leicht verständlichen Überblick über Gattungen, Thematik, Motivik und Topik des Minnesangs und leistete damit einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der konkreten Gestaltungsmechanismen in "Sîne klâwen".

2. Übersetzung und Kommentar

Zu Beginn dieser Arbeit soll als Grundlage der sich anschließenden Interpretation ein eigener Übersetzungsversuch des bereits häufig übersetzten Textes10 zur Diskussion gestellt und im Anschluß kommentiert werden.

2.1 Übersetzungsvorschlag

I.) Seine Klauen

sind durch die Wolken geschlagen, er steigt auf mit großer Kraft; ich sehe ihn heraufdämmern 5 Tag für Tag, wenn er anbrechen will, Ihn, den Tag, der ihn um das Zusammensein mit seiner Geliebten bringen will, den edlen Mann, den ich voller Sorge hereingelassen habe; ich werde ihn auch wieder fortbringen, wenn ich kann- 10 seine überaus große Tugendhaftigkeit hat mir dies befohlen.

II.) Wächter, was Du singst,

nimmt mir jedes Glück
und vergrößert meine Klage.
Du bringst Neuigkeiten,
5 die mir leidvoll und nicht willkommen sind,
jeden Morgen bei Tagesanbruch-
die sollst Du mir gänzlich verschweigen.
Das befehle ich Dir bei Deiner Treueverpflichtung.
Ich werde Dich dafür belohnen, wie ich es vermag,
10 auf daß mein Geliebter hier bleiben kann.

III.) Er muß fort von hier,

sogleich und ohne Zögern.
Jetzt laß ihn gehen, liebliche Frau!
Laß ihn später und so im Verborgenen

5 Dich lieben,

daß er seine Ehre und sein Leben behalte.
Er vertraute sich meiner Treue an,
daß ich ihn auch wieder von hier wegbrächte.
Es ist jetzt Tag. Nacht war es, als
10 in inniger Umarmung Dein Kuß mir ihn entzog.

IV.) Was Du auch willst,

Wächter, das sing nur, aber laß den hier,
der Liebe schenkte und Liebe empfing.
Von Deinem Ruf
5 sind er und ich jedesmal erschrocken,
selbst wenn der Morgenstern noch gar nicht aufgegangen war
über Ihm, der um der Liebe willen hierher gekommen ist,
und wenn das Tageslicht noch keineswegs leuchtete.
Du hast ihn mir oft entrissen

10 aus meinen nackten Armen, aus dem Herzen aber nicht.

V.) Durch die Blicke,

die der Tag durch die Fenster schickte,
und als der Wächter zur Warnung sang,
mußte sie aufschrecken,

5 um seinetwillen, der dort bei ihr war.

Ihre zarten Brüste drückte sie an seine Brust.
Den Ritter überkam erneut die Leidenschaft,
davon wollte ihn das Wächterlied abbringen.
Der immer näher rückende Abschied

10 gab ihnen mit Küssen und auch auf andere Weise Liebeserfüllung.

2.2 Kommentar zu problematischen Textstellen

Einige zentrale Begriffe des mittelhochdeutschen Liedes wie tugent, triuwe, urloup und minne entziehen sich aufgrund ihrer Polysemie einer allen Bedeutungsebenen adäquaten Übersetzung, da sie zum Neuhochdeutschen hin entweder ausgestorben sind oder eine Spezialisierung erfahren haben. Das bedeutet, der mittelhochdeutsche Begriff besaß mehr Seme als seine ausdrucksseitige neuhochdeutsche Entsprechung. Deshalb läßt sich tugent nicht mit Tugend, triuwe nicht unbedingt mit Treue übersetzen, andererseits verbieten sich als Übersetzungen weitausgreifende Umschreibungen, die eher einer Kommentierung des mittelhochdeutschen Originals gleichkämen. An dieser Stelle kann aus Platzgründen nicht ein allgemeiner Kommentar zu den genannten Schlüsselbegriffen des Minnesangs geleistet werden, vielmehr werde ich mich auf konkrete Verständnis- und Übersetzungsprobleme im vorliegenden Text beschränken.

Eine umfangreiche Diskussion befaßt sich mit der Frage, wie "tegelîch"11 in der Übersetzung wiedergegeben werden solle. Hierbei stehen sich zwei Alternativen gegenüber: Die einen wollen das Adjektiv mit dem Ableitungssuffix - l î ch im Sinne von ,Tag für Tag` verstanden und mit seiner neuhochdeutschen Entsprechung ,täglich` übersetzt wissen.12 Dem setzen Wapnewski und andere die Auffassung entgegen, man müsse das Suffix quasi wörtlich verstehen13 und dem entsprechend mit ,nach Art des Tages` übersetzen. Wapnewski sucht diese These zu stützen, indem er auf eine postulierte Vorliebe Wolframs verweist, "mit Hilfe der Ableitungssilben -l î ch und -ic selbständige Adjektive und Adverbien zu bilden."14 Über diese Frage konnte in der Germanistik bisher keine Einigkeit erzielt werden, doch scheint mir Wapnewskis Argumentation auf schwachen Beinen zu stehen. Ich bevorzuge daher die Deutung ,täglich`, die sich ohne Spekulationen über mögliche stilistische Vorlieben des Autors unmittelbar aus dem Wort und dem Liedkontext ergibt, der an zwei Stellen darauf hindeutet, daß sich die dargestellte Situation des Liebespaares bei Tagesanbruch schon öfters ereignet hat.15 Dies stützt die Übersetzung von "tegelîch" mit ,täglich` oder ,Tag für Tag`.

Ebenfalls strittig ist die semantische Deutung der "blicken,/ die der tac tet durch diu glas".16

Als Übersetzungsalternativen bieten sich ,Blicke` oder ,(Sonnen-)Strahlen` an, wobei beide Bedeutungen in mittelhochdeutschen Texten belegt sind.17 Ich bevorzuge aufgrund meiner Argumentation zur Personifikation des Tagesanbruchs in der ersten Strophe18 den Vorschlag ,Blicke`, der den Text so versteht, daß die Personifikation in der letzten Strophe wieder aufgriffen wird. Doch ist die Alternative sicher gleichfalls sinnvoll, wenn sie auch dem Lied etwas von seiner Gestaltungskraft abspricht und ihm eine wörtliche Lesart aufzwingt. In der fünften und letzten Strophe stellt sich noch ein weiteres Übersetzungsproblem, daß sich aus der Doppeldeutigkeit des Begriffes "urloup"19 ergibt. Hierbei sind zwei semantische Ebenen zu unterscheiden. Zum einen bedeutet urloup,Abschied`, zum anderen gewinnt dieser Begriff im vorliegenden Lied zusätzlich die Bedeutung von ,Hingabe, (Liebes-)Erfüllung`. Diese Polysemie läßt sich in der Übersetzung nicht adäquat wiedergeben, da daß Neuhochdeutsche keinen Begriff kennt, der beide Bedeutungen umfaßt, und die ausdrucksseitige Entsprechung ,Urlaub` inhaltsseitig nicht mehr direkt mit dem Mittelhochdeutschen verbunden ist. Das sich daraus ergebende Dilemma zeigt die Grenzen der Übersetzung aus älteren Sprachstufen auf und verdeutlicht, daß eine Übersetzung immer nur eine unvollkommene Annäherung an den ursprünglichen Text darstellen kann. Dem entsprechend erhebt die vorliegende Übersetzung auch nur den Anspruch, im Gegenüber zum mittelhochdeutschen Original den Wortlaut des Liedes dem neuhochdeutschen Leser verständlicher zu machen.

3. Darstellungsästhetik

Im Mittelpunkt der Analyse soll nun der literarische Text selbst stehen. Zur Deutung des Liedes bediene ich mich einer textimmanenten Interpretation, in die an geeigneter Stelle auch das Wissen der Geschichtswissenschaft zur gesellschaftlichen Wirklichkeit des Hohen Mittelalters, dem "Sîne klâwen" entstammt,20 einfließt, um die poetische Konzeption mit der Realität zu kontrastieren.

3.1 Formale Analyse

Zunächst soll die formale Struktur des Liedes analysiert und in Hinblick auf ihre inhaltlichen Funktionen befragt werden, was bereits impliziert, daß keine scharfe Trennung zwischen Form und Inhalt gezogen werden kann. Daher muß an manchen Stellen auf die inhaltliche Aussage vorausgedeutet werden, die ausführlich im entsprechenden Abschnitt21 untersucht wird.

3.1.1 Metrik und Strophik

Die metrische und strophische Gestaltung des vorliegenden Liedes, die zu Beginn der formalen Interpretation untersucht werden soll, läßt sich nicht zweifelsfrei aus dem nur einmal handschriftlich überlieferten Text erheben, so daß sich in der mediävistischen Forschung eine rege Diskussion vor allem zur Metrik von "Sîne klâwen" entwickelt hat.22 Außer Frage steht die Gliederung des Liedes in fünf Strophen, wobei zwar weitgehende Einigkeit über die Kanzonenform des Liedes herrscht, doch insbesondere die Frage strittig ist, ob Kurzzeilen oder lange Zeilen mit Binnenreim anzusetzen seien. Ausgehend von Kurzzeilen läßt sich ein metrisches Grundschema abstrahieren, das sich folgendermaßen darstellt:23

xx/-/x^// 3kl a

xx/xx/xx/__^// 4mv b I. Stollen

x/xx/xx/xx/x^// A 4mv c

x/xx/-/x^// A 3kl a Aufgesang mit xx/xx/xx/__^// 4mv b II. Stollen verschränktem Reim x/xx/xx/xx/x^// A 4mv c

x/xx/xx/xx/x^// A 4mv d

x/xx/xx/xx/x^// A 4mv e Abgesang mit Kreuzreim

x/xx/xx/xx/x^// A 4mv d

?mv e

Größere Schwierigkeiten ergeben sich bei der Analyse des letzten Verses einer jeden Strophe, da die Hebungszahl nicht einheitlich geregelt ist. Es bieten sich zwei Möglichkeiten an, wobei ich mich zwecks größerer Anschaulichkeit auf die erste Strophe beziehe:

1.) __/__x/xx/xx/xx/x^// 2A 5mv
2.) xx/__x/xx/xx/xx/x^// 6mv

Das erste Schema halte ich für äußerst unwahrscheinlich, da sich vier Achtel in Folge höchst disharmonisch und dissonant in die Struktur des Liedes einfügten, ohne daß ein solcher Verstoß gegen ästhetische Gebote der mittelalterlichen Metrik inhaltlich gerechtfertigt wäre. Diesem Schema steht die zweite Möglichkeit alternativ gegenüber, die sehr flüssig und melodisch durch das weitgehende Vorherrschen der Alternation von Hebung und Senkung wirkt. Sie ist folglich dem ersten Vorschlag vorzuziehen, doch stößt man mit dem zweiten Schema auf neue Schwierigkeiten, da sich diese Alternative in den Strophen vier und fünf als unmöglich herausstellt. Dort ergibt sich eindeutig folgendes metrisches Schema:

x/xx/xx/xx/xx/x^// A 5mv

Die zweite Strophe stützt jedoch wiederum das Postulat eines sechshebigen Verses:

xx/xx/-/xx/xx/x^// 6mv

Dies führt uns zur Problematik, daß ein metrisches Grundschema offenbar nicht für das gesamte Lied verbindlich ist. Am sinnvollsten dürfte es daher sein, diesem Dilemma Rechnung zu tragen und für die Strophen eins bis drei einen Sechsheber anzusetzen, für die Strophen vier und fünf jedoch einen fünfhebigen Vers. Eine solche metrische Unregelmäßigkeit bedürfte strenggenommen einer inhaltlichen Erklärung, die aber alles andere als leicht fällt; eine plausible Erklärung bleibt die Germanistik bislang schuldig, was nahelegt, dieser Unregelmäßigkeit keine inhaltliche Funktion zuzuschreiben. Zum metrischen Grundschema muß noch bemerkt werden, daß Auftaktregelung und Taktfüllung von diesem Schema in einzelnen Strophen abweichen können und daß außerdem die Kadenzen 1mv und 2mv austauschbar sind, ohne daß solche Varianten eine Unregelmäßigkeit im Gesamtkontext des Liedes bedeuteten.24

Ebenfalls möglich ist ein anderes metrisches Grundschema, das eine lange Zeile mit Binnenreim ansetzt, indem die Kurzzeilen eins und zwei, sowie drei und vier oben ausgeführten Schemas zu jeweils einer langen Zeile zusammengefaßt werden. Die Verse des Abgesangs verbleiben analog zum obigen Schema. Daraus ergibt sich folgende Struktur:

xx/xx/xx/xx/xx/__^// 6mv 2a + 4b = 6b I. Stollen

x/xx/xx/xx/x^// 4mv c Aufgesang

x/xx/xx/xx/xx/xx/__^// 6mv 2a + 4b = 6b II. Stollen

x/xx/xx/xx/x^// 4mv c

Abgesang

(siehe oben)

Beide Vorschläge sind sicher nachvollziehbar, doch bevorzuge ich Wapnewskis Auffassung von einer stringenteren Gliederung des Liedes anhand von Kurzzeilen. Mir scheint aber im Gegensatz zu Wapnewski das Ansetzen von klingenden Kadenzen in den Versen eins und vier sinnvoller zu sein.25 Gerade die erste Strophe gewinnt durch die Einteilung in Kurzzeilen zu drei- und vierhebigen Versen an Dramatik, da sich nach einem längeren Verweilen des Vortragenden auf der klingenden Kadenz des ersten Verses und der sich anschließenden kurzen Pause die aufgebaute Spannung um so eindringlicher auflöst. Das Gefühl der Bedrohung, das bereits im ersten Vers "Sîne klâwen" spürbar ist, entlädt sich kraftvoll in der raschen Alternation von Hebung und Senkung im zweiten Vers: "durch die wolken sint geslagen". Hierbei entspricht meiner Auffassung nach die schwebende Bedrohung der Doppelmore im ersten Vers, die Schnelligkeit des Tagesanbruchs und die von ihm ausgehende Gewalt im Zerreißen der Wolkendecke dem schnellen Wechsel von betonten und unbetonten Vierteln im zweiten und dritten Vers. Die bedrohliche Dynamik des Morgengrauens staut sich im dritten Vers, um um so rascher in den Versen vier und fünf voranzuschreiten. Das Gesagte dürfte analog für die Verse des Aufgesangs der übrigen Strophen gelten, die in ihrer identischen metrischen Gestaltung an das unaufhaltsame Voranschreiten des Sonnenaufgangs erinnern, während sich die Diskussion zwischen Dame und Wächter entfaltet. Von der meinerseits postulierten Dynamik ginge in einer langen Zeile viel verloren. Die Doppelmore würde aufgeben für eine durchgängige Alternation von Hebung und Senkung, was den Versen aber ein gleichförmiges und iteratives Moment verleihen würde, was im deutlichen Gegensatz zur inhaltlichen Aussage der Bedrohung und Gefahr stünde. Doch versteht sich diese Argumentation nicht als hinreichender Beweis für die Richtigkeit des von mir bevorzugten metrischen Grundschemas, da eine bei der Klärung dieser strittigen Frage hilfreiche Melodie zu diesem Lied nicht überliefert ist. Sie macht es aber zumindest plausibel.

Unabhängig davon, welche der beiden Alternativen bevorzugt wird, kann man doch von einer Kanzonenform ausgehen,26 die sich durch galloromanische Vermittlung als bevorzugter Strophentypus des höfischen Minneliedes im deutschsprachigen Raum etabliert hat. Die disparate Verteilung von Hebungen und Kadenzen läßt eine heterometrische Strophenform erkennen.

3.1.2 Konstitutive Elemente des Tageliedes

Das vorliegenden Lied gehört zur Gattung des weltlichen Tageliedes, genauer: des Wächtertageliedes. Als Liedtypus ist somit ein objektives Genus anzusetzen, daß ohne greifbares lyrisches Ich im Wechsel mehrerer Stimmen ein Thema entfaltet. Die Gattungszuordnung ergibt sich aus der tageliedtypischen Thematik und der nachweisbaren gattungsbedingten Textstruktur. Nach Schweikle ist das "Thema des Tageliedes (..) der Abschied zweier Liebender bei Tagesanbruch nach einer Liebesnacht", wobei die Liebe gegen gesellschaftliche Normen verstößt und daher im Heimlichen ausgelebt werden muß. Hieraus lassen sich "feste Strukturelemente" ableiten.27 Außerdem gilt als "kennzeichnend für das höfische Tagelied (..) die feudale Kulisse",28 die sich aus der damals vorherrschenden Gesellschaftsstruktur erklärt.

In "Sîne klâwen" begegnet uns daher ein höfisches Liebespaar: Die Geliebte wird zwar nicht als vrouwe angesprochen, "doch ergibt sich ihr gesellschaftlich hoher Rang aus dem herrischen Auftreten gegenüber dem Wächter (II, 8 - 10.)";29 ihr Geliebter wird explizit mit dem Standesprädikat "rîter" bezeichnet.30 Der Tagesanbruch ist von Wolfram in Form einer Personifikation gestaltet, indem sich einzelne Signale des Sonnenaufganges zu einem bedrohlichen Untier zusammenfügen. Die ersten Sonnenstrahlen, die durch die Wolken dringen, werden als "klâwen" des Ungeheuers, das Heraufziehen des Tages als Aufsteigen des als geflügelt gedachten Monsters begriffen.31 Als weiteres Signal für den Tagesanbruch findet auch der "morgenstern" Erwähnung.32 Daß dem Zusammensein des Paares eine erfüllte Liebesnacht voranging, geht aus der Wendung "der minne brâht und minne enpfienc" eindeutig hervor.33

Darüber hinaus ist die Abschiedsklage, die sich aus der erzwungenen Trennung des Liebespaares ableitet, konstitutiv für das Genus des Tageliedes. Im vorliegenden Text ist sie vor allem in der zweiten Strophe faßbar, in der sogar das Stichwort "klage" fällt.34 Der Abschied selber findet sich in der fünften Strophe im mehrdeutigen Ausdruck des urloubes, auf den im Übersetzungskommentar schon eingegangen wurde.35

Die Zweier-Personenkonstellation aus Dame und Ritter wird im Wächtertagelied um die dritte Person des wachtaeres erweitert und stellt seit Wolfram von Eschenbach die häufigste Form des Tageliedes im deutschsprachigen Mittelalter dar.36 In "Sîne klâwen" weckt der Wächter die Liebenden mit seinem Morgenlied und fordert den Ritter auf, sich so schnell wie möglich aus der für ihn bedrohlichen Situation zu entfernen.

Einige "variable Zusatzmotive" nach Schweikle finden sich auch im vorliegenden Lied in der "Ausschmückung des Abschieds", die als letzte Hingabe der Liebenden in der epischen narratio der fünften Strophe gestaltet ist, sowie in "Hinweise(n) auf die Gefährlichkeit der Situation" im Drängen des Wächters auf einen schnellen Abschied des Ritters. Außerdem ließe sich im Angebot der Dame, den Wächter dafür zu belohnen, daß er ihr den Tagesanbruch verschweigt, das Motiv eines "Bestechungsversuch(es) des Wächters" sehen.37 Ein von Schweikle postulierter formaler "Grundtypus" des Tageliedes, der sich durch Dreistrophigkeit, Refrain und Dialog konstituiere,38 findet sich nicht in Wolframs Lied, wenn auch der dialogischen Gestaltung eine große Bedeutung zukommt. Aus dem Wächtermonolog der ersten Strophe, der von der Dame als Morgenlied aufgefaßt wird,39 entwickelt sich ein Gespräch zwischen Dame und Wächter. Der Ritter bleibt stumm, doch ist er als Gesprächsthema stets präsent. Neben dieser dialogischen Gestaltung als dramatisches Element des Liedes findet ich in vielen Tageliedern zusätzlich ein episches Element, das als "Erzähler-Einschübe und Erläuterungen"40 vorliegen kann. "Sîne klâwen" schließt mit dem epischen Element in der fünften und letzten Strophe, dem als narratio die Funktion des Resümees zukommt. Die erste Strophe steht aufgrund ihres monologischen Charakters dem Epischen, aufgrund ihrer Beurteilung als Morgenlied durch die Dame dem Lyrischen als Gattung nahe. Betont man den epischen Charakter der ersten Strophe, so ergibt sich eine Art epischer Rahmen, indem die Strophen eins und fünf den eigentlichen Dialog umgreifen. Diese Struktur läßt sich inklusive des jeweiligen Aussagetyps tabellarisch folgendermaßen darstellen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Hinzu tritt die lyrische Gestaltung auch des dramatischen und des epischen Elements in strophischer Gliederung.

3.1.3 Stilistik und Bildlichkeit

Das Lied "Sîne klâwen" ist sehr bewußt mittels verschiedenster rhetorischer Figuren strukturiert, welche die inhaltliche Aussage wirkungsvoll unterstützen. Phonemrekurrenzen verbinden oder trennen inhaltliche Elemente. Das Reimschema aus reinen Endreimen41 verdeutlicht die Trennung einer Strophe in Auf- und Abgesang und verstärkt die analoge Gliederung der Stollen des Aufgesangs. Alliterationen führen zur Emphase des Gesagten an mehreren Stellen, vor allem in den Strophen der Dame.42 Besonders wichtig scheint mir für die Interpretation des Liedes die nachweisbare Antithetik von Leitbegriffen zu sein, die an zwei Stellen durch die Stellungsfigur des Chiasmus unterstrichen wird.43 Als Gegensatzpaare stehen sich in "Sîne klâwen" gegenüber:

"vreude" versus "klage" (II, 2/3)

"tac" versus "naht" (III, 9)

Außerdem antithetische verbale Fügungen "involving coming and going, staying and departing, bringing and taking away, giving and depriving":44

erwenden, î n verl â zen, hinnen bringen (cf. I, 7-9); nemen, m ê ren, bringen, bel î ben (cf. II, 2- 4/10); hinnen m ü ezen, urloup geben, dan bringen, angewinnen (cf. III, 1/3/8/10); hie l â n, minne bringen, minne enpf â hen, her komen, benemen (cf. IV, 2-3/7/9); b î wesen, wenden (cf. V, 5/8).

Der für das Tageliedgenus typische Gegensatz von Tag und Nacht ist von Wolfram in der dritten Strophe auf drei Ebenen gegeneinander abgegrenzt:

"ez ist nu tac. naht was ez, dô

mit drucken an brust dîn kus mir in an gewan."45

Beide Begriffe stehen sich direkt gegenüber, die zeitliche Distanz der Tageszeiten ist im Präsens und Präteritum von s î n beziehungsweise wesen und in den Temporaladverbien "nu" und "dô" umgesetzt.46 Diese Struktur setzt sich im Gegensatz von Dame und Wächter fort und verweist auf die besondere Tageliedsituation, die an der Grenze der Nacht zum Tag, zwischen erfüllter Liebe und gesellschaftlicher Bedrohung, somit zwischen "vreude" und "klage" angesiedelt ist und folglich in Antithetik und Chiasmen die ihr angemessene Form findet. Was die Metaphorik des Textes betrifft, so stellt sich das Lied nach der unvermittelt einsetzenden Personifikation des Tagesanbruchs in der ersten Strophe weitgehend bilderlos dem Rezipienten dar,47 doch dafür ist dieser Tropus besonders eindringlich gestaltet. Der Wächtermonolog führt uns ohne Erklärung direkt in eine bedrohliche Atmosphäre, indem wir einem Untier gegenübergestellt werden, daß seine Fänge48 dem Wächter entgegenzustrecken scheint und wie auf der Jagd nach einer Beute in der Luft emporsteigt.49 Dem Rezipienten ist zu Beginn nicht klar, daß es sich hierbei um ein Bild handelt. Er wird wohl zunächst von einer konkreten Bedrohung des Sprechers durch ein wildes Tier ausgehen. Diese verrätselte Struktur löst sich erst nach einer wirkungsvollen retardatio, wobei die Spannungsbildung noch durch Vorausdeutungen in Form einer figura etymologica, also als Spiel mit verschiedenen Erscheinungsweisen der Morphologie des erlösenden Wortes "tac", gesteigert ist, das rückwirkend das Untier als Personifikation des Tages und den Aufgesang der ersten Strophe als Variante eines Natureinganges entlarvt.50 Normalerweise dient der Topos des Natureinganges im Minnesang zur Verdeutlichung der psychischen Gestimmtheit des lyrischen Ich in Analogie oder Widerspruch zu Vorgängen in der Natur.51 Das Gesagte läßt sich auf den konkreten Fall übertragen. Dem lyrischen Ich entspricht in der ersten Strophe der Wächter, der Gestaltung des Sonnenaufgangs in subjektiver Bewertung durch diesen als bedrohlichem Untier seine psychische Gestimmtheit, die hier Angst und Mitgefühl für das ihm anvertraute Liebespaar empfindet. Hierbei verdichten sich einzelne Anzeichen des nahen Tagesanbruchs zu einer schemenhaften Tierdarstellung. Was den Zusammenhang dieser außergewöhnlichen Gestaltung mit früheren Tageliedern betrifft, so halte ich Johnsons Feststellung für interessant:

"The alba's traditional signs of the dawn, light, clouds passing, the song of a little bird, are here varied, combined and transmuted by Wolfram. The little bird is suppressed as such, but the `meteorological' signs of day are themselves personified, or rather animalised (...) The little bird has become a monstrous phenomenon, incarnating the threat which day represents to the happiness and even to the lives of the lovers."52

Über das Wesen dieses Tieres ist viel spekuliert worden, wobei die definitive Festlegung auf ein Tier müßig und für die Interpretation des Liedes wenig hilfreich scheint. Wichtig sind jedoch mögliche Assoziationen, die sich für den mittelalterlichen Menschen aufdrängen und von Wolfram bei der Komposition des Liedes sicher berücksichtigt wurden. Ausgehend von den im Text genannten "klâwen", der Flugfähigkeit und der von diesem Tier ausgehenden großen Bedrohung bleiben aber nur wenige Tiere, Misch- und Fabelwesen übrig. Einen "riesig(n) Raubvogel"53 wie Adler oder Falke schließe ich aus, da diese Tiere in der höfischen Gesellschaft eher positiv besetzte Konnotationen beinhalteten54 und auch nicht als Gefahr für Menschen auftreten konnten.

Der von Bumke beschworene "Tagesdämon" ist dem gegenüber viel zu unbestimmt und vage, als daß er viele Assoziationen hervorrufen könnte.55 Daher spreche ich mich dafür aus, daß der Tagesanbruch im vorliegenden Lied Attribute und Qualitäten eines Drachen oder Greifen erhält, ohne natürlich mit einem der beiden Fabelwesen vollständig gleichgesetzt zu werden. Ausschlaggebend sind dabei die negativen Konnotationen, welche insbesondere mit dem Drachen als Tier des Teufels verbunden sind, sowie seine "grôze(..) kraft" und die sich hieraus ergebende Bedrohung für den Menschen. Auch lassen sich interessante, aber keineswegs zwingende Parallelen zur Darstellung von Drachen und Greifen in Wolframs epischem Werk finden.56 Festzuhalten ist, daß sich mit der Personifikation des Tages Assoziationen eines gewaltigen, teuflischen Tieres verbinden, das gleichsam auf Jagd durch die Lüfte zieht und dabei mit seinen Krallen die Wolkendecke zerreißt. Diese vage Vorstellung, die sich meiner Meinung nach am ehesten mit einem Drachen deckt, wird möglicherweise in der fünften Strophe wiederaufgenommen. Es herrscht jedoch keine Einmütigkeit bei der Bewertung der Verse eins und zwei57, möglich ist auch ein Verständnis der "blicken" als Sonnenstrahlen, die der Tag ins Schlafgemach der Dame durch die Fenster wirft. Im Gesamtkontext des Liedes bietet sich aber auch eine bildliche Deutung als Fortführung des Tagesungeheuers der ersten Strophe an, das bereits bedrohlich nahe nach seiner Beute Ausschau hält und dabei das Liebespaar aufschreckt.58 Diese Interpretation läßt einen Rahmen sichtbar werden, der über das gemeinsame Strukturelement der Personifikation eine Verbindung zwischen erster und letzter Strophe anlegt und die Strophen zwei bis vier umschließt. Die These von der Existenz eines solchen Rahmens könnte sich auch auf das bereits Festgestellte stützen, daß der Monolog des Wächters nämlich Züge eines epischen Elementes aufweist, da er außerhalb des Dialoges steht, und sich folglich gut mit dem eigentlichen epischen Element der narratio in der letzten Strophe verbindet.

Unabhängig davon und auch ohne Rücksicht auf die Spekulationen zum Wesen des Tieres lassen sich die Funktionen der Personifikation plausibel aus dem Text erheben. Sie verleiht dem Tagesanbruch eine Lebendigkeit und besondere Plastizität. Der Tag entwickelt ein dämonisches Eigenleben. Damit kreiert die Personifikation eine eigentümliche Stimmung der Bedrohung, die sich aus der Gedichtsituation der illegitimen, im Schutze der Nacht verborgenen Liebe ergibt.

Das tertium comparationis des Tropus läßt sich ungefähr folgendermaßen formulieren: Der Tag ist für das Liebespaar so gefährlich wie ein Untier, das sie aus überlegener Position verfolgt, die schützende Wolkendecke zerreißt, es somit ans Licht der Öffentlichkeit zerren und vernichten wird,59 sollten sich Ritter und Dame nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen, also die Trennung vollziehen. Indem Wolfram den Tagesanbruch personifiziert und mit Raubtierattributen versieht, gewinnt das an sich harmlose oder sogar erfreuliche Geschehen des Sonnenaufgangs von Anfang an eine neue, gefahrvolle Dimension und stellt damit die Grundstimmung des Tageliedes auf beeindruckende Weise dar. Da bisher kein Vorbild für diese kühne Schöpfung gefunden wurde, kann man die Personifikation in "Sîne klâwen" wohl als Wolframs Innovation verbuchen. Sie läßt den Tagesanbruch als das erscheinen, was er im subjektiven Empfinden des Liebespaares und seines Helfers ist: eine tödliche Bedrohung.

3.2 Inhaltliche Analyse

Nachdem während der formalen Untersuchung des Liedes bereits mehrmals auf die inhaltliche und thematische Gestaltung vorausgedeutet werden mußte, um die Funktion einzelner Gestaltungselemente in bezug auf die inhaltliche Aussage erläutern zu können, soll nach dieser geleisteten Vorarbeit Thematik und Argumentationsstruktur des Textes analysiert werden. Die inhaltliche Analyse des Liedes wird ihrerseits zur Präzisierung von Aussagen beitragen, die in der formalen Untersuchung getroffen wurden. Bei jeder Untersuchung höfischer Literatur muß man sich dabei stets bewußt sein, daß sie "als Gegenentwurf zur Realität konzipiert worden (ist) und (..) so interpretiert werden" muß.60 Diese Tendenz zur Stilisierung und Sublimierung der mittelalterlichen Wirklichkeit wird im Abschnitt zur Minnekonzeption in "Sîne klâwen" angesprochen.61

3.2.1 Thematik

Das für das Genus des Tageliedes konstitutive Thema des erzwungenen Abschieds eines Liebespaares voneinander nach einer gemeinsam verbrachten Liebesnacht unter dem Zeichen einer gesellschaftlich nicht legitimierten Liebe ist auch im vorliegenden Lied gestaltet, wobei sich Wolfram zu diesem Zwecke eines Streitgesprächs zwischen Dame und Wächter bedient. Der Ritter bleibt stumm, nimmt jedoch im Dialog von Dame und Wächter einen zentralen Platz ein. Da dieser Dialog als Stilisierung einer realen Gesprächsführung gestaltet ist, wurden Zweifel am dialogischen Charakter der Strophen eins bis vier geäußert. Kühnel spricht davon, es handele sich dabei "nicht um einen ,echten` Dialog", Dame und Wächter trügen ihre Standpunkte "nur abwechselnd" vor. Auch wenn die Gestaltungsmittel in "Sîne klâwen" an die "altertümliche Form des Wechsels, bei dem ein ,Thema` abwechselnd durch verschiedene Sprecher beleuchtet wird, erinnern mögen, so steht meiner Meinung nach die Argumentation auf schwachen Füßen, da auch Kühnel einräumen muß, daß die Reden von Dame und Wächter "dialogisch aufeinander bezogen"62 und sogar durch drei Vokative miteinander verzahnt sind.63 Mir erscheint die Deutung stimmiger, das dramatische Element als stilisierten, lyrischen Dialog aufzufassen.

In diesem Dialog "erscheint (der Ritter) nur in der Perspektive des Wächters und der Dame",64 jeweils in unterschiedlicher Darstellung, die nun näher untersucht wird.

Die Dame vertritt die Position der unumschränkten minne und steht damit im Gegensatz zur Auffassung des Wächters, der auf eine schnelle Trennung von Mann und Frau drängt und rational begründet auf gesellschaftliche Normen verweist. Die ambivalenten Perspektiven von Dame und Wächter setzen das Streitgespräch in Gang, welches die vom Tagesanbruch der ersten Strophe ausgehende Spannung in dialogischer Gestaltung fortführt. Dabei erklärt sich der Gegensatz der beiden Figuren in "Sîne klâwen" durch den jeweils anderen Standpunkt bei der Bewertung des Ritters. In ihren Strophen spricht die Dame vom Ritter als ihrem Geliebten, für den sie tiefe und aufrichtige Zuneigung empfindet und den sie mit allen Mitteln bei sich halten will. "Die Dame (..) sieht den Ritter unter dem Aspekt der minne."65 Die Liebe steht dabei für die Dame über allem anderen, über gesellschaftlichen Normen und sogar über den Naturgesetzen. Konsequenterweise fordert sie den Wächter auf, ihr den leidbesetzten Tagesanbruch zu verschweigen,66 damit ihr Geliebter bei ihr bleiben kann, und verspricht ihm eine Belohnung für diesen Dienst.67 Das zeigt, daß sie nicht gewillt ist, die Realität anzuerkennen, sondern ihre subjektive Liebe über die objektive Wirklichkeit stellt: Sie vertritt "den Absolutheitsanspruch der minne."68 Ihre irrationale Rebellion gegen die Realität des Tagesanbruchs und der Trennung weicht in ihrer zweiten Dialogstrophe Bitten, Klagen und leiser Resignation. Sie hält dem Wächter vor, er habe durch sein Morgenlied schon mehrmals ihr Zusammensein mit dem Geliebten beendet,69 was impliziert, daß sie nun bereit ist, ihn wieder gehen zu lassen. Sie betont, daß man ihr den Geliebten zwar physisch nehmen könne, er aber in ihrem "herzen", in ihrer Psyche, einen festen Platz auch in seiner Abwesenheit habe. Damit bekräftigt sie die eigene Liebe zum Ritter, und ergibt sich zugleich in die Sachzwänge, die der Wächter in seiner Argumentation rational entfaltet. Sein Blickwinkel ist bezogen auf den Ritter natürlich ein anderer. Für ihn steht bei der Beurteilung des Ritters das höfische Wertesystem, das der Ritter in vorbildhafter Weise erfüllt,70 sowie die gesellschaftlichen Normen, die seine "êre unde den lîp"71 bedrohen, im Vordergrund. Als sein Vertrauter verweist er auf die große Gefahr, die sich der Liebhaber im Wohnbereich der Dame aussetzt. Die Bedrohung findet bereits in der ersten Strophe Ausdruck in der Personifikation des Tagesanbruchs als jagendes Ungeheuer und ist in den weiteren Strophen im Begriff "tac" immer präsent.72 Der Tag bedeutet die Konzentration aller Gefahren und Bedrohungen des Liebespaares: Sie erstrecken sich auf Ansehen und Leben des Mannes, falls er entdeckt wird. Hieraus ergibt sich ein Gegensatz von Dame und Wächter, der dialogisch in "Sîne klâwen" gestaltet ist, indem beide Positionen zu Wort kommen. Doch muß bei der Bewertung des Gegensatzes Kühnels Bemerkung berücksichtigt werden:

Dieser

"Gegensatz zwischen den gesellschaftlichen Normen auf der einen Seite und der minne auf der anderen Seite (... darf jedoch) nicht im Sinne neuzeitlicher, bürgerlicher Moral interpretiert werden (..) Es geht nicht um gesellschaftlich sanktionierte Moralbegriffe und eine amoralische Liebe; es geht nicht um eine Frage des Gewissens. Vielmehr geht es um zwei Prinzipien (Liebe und Normen), die beide Gültigkeit beanspruchen und dabei nicht moralisch bewertet werden."73

Daher erklärt sich auch, daß der Wächter die illegitime Liebe des Paares bejaht und den Tagesanbruch als böses Wesen erlebt, daß "dem werden man" "geselleschaft erwenden will",74 wobei er die besondere Exzellenz des Ritters im höfischen Tugendsystem betont.75 Er drängt auf schnellen Abschied und versucht, die Dame mit der Aussicht auf die Fortsetzung der heimlichen Liebe in der kommenden Nacht zu trösten.76

Im Rahmen der höfischen Kulisse sind der Dame verschiedene Begriffe zugeordnet, welche die Antithetik zum Wächter wirkungsvoll verstärken. Als Repräsentantin der minne steht sie in engem Zusammenhang mit der Nacht als dem Herrschaftsbereich der Liebe im Verborgenen und im erklärten Gegensatz zum Tag, der auch als "Symbol der Öffentlichkeit."77 aufgefaßt werden kann. Sie schläft mit ihrem Geliebten in ihrem Wohnbereich, also im Innenraum der Burg, die sich aus der höfischen Kulisse schemenhaft herausschälen läßt. Antithetisch hierzu stehen die dem Wächter zugeordneten Leitbegriffe. Als rational argumentierender Mahner der gesellschaftlichen Normen und der von ihnen für das Liebespaar ausgehenden Gefahr ist er der Verkünder des Tagesanbruchs, wobei dieser auch als Signal der Grenze zwischen Tag und Nacht fungiert: "(M)it ihm erlischt der Gültigkeitsanspruch der minne, er setzt die gesellschaftlichen Normen in Kraft."78 Als Künder des kommenden Tages befindet sich der Wächter zwangsläufig außerhalb der Wohnräume, mit einiger Plausibilität auf dem Turm oder den Mauern der Burg. Als Burgwache ist er Teil der Öffentlichkeit, zugleich aber auch enger Vertrauter des Ritters und damit des Liebespaares. Tabellarisch läßt sich die Antithetik folgendermaßen darstellen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten79

Man muß bei dieser Dichotomie aber betonen, daß der Wächter die gesellschaftlichen Normen nicht verinnerlicht hat, sondern sie als Bedrohung für das Liebespaar auffaßt und hiervon ausgehend für einen schnellen Abschied des Mannes argumentiert. Der Wächter als Vertrauter des Ritters, dem er mittels seiner "triuwen" verbunden ist,80 erkennt zwar, daß diese Liebe gegen gesellschaftliche Normen verstößt, er enthält sich aber jeder Kritik. Vielmehr verweist er auf die höfische Perfektion des "werden man", auf seine "vil manegiu tugent".81 Offensichtlich erscheint die Liebe im Spiegel einer so positiven Bewertung des Mannes keineswegs als etwas Verwerfliches, Amoralisches oder Sündhaftes. Auch sie wird vom Wächter positiv als "geselleschaft" bewertet82 und beschützt, indem er das Liebespaar vor dem Tagesanbruch warnt. Daraus ergibt sich die Darstellung des Tages als furchtbares Ungetüm im Morgenlied des Wächters, das wie bereits bemerkt die große Bedrohung für Mann und Frau dem Rezipienten plastisch vor Augen führt.83 Der Wächter stellt somit die Dame nicht vor eine Gewissensentscheidung zwischen ihrer illegitimen Liebe und der gesellschaftlichen Norm, sondern drängt als ihr Vertrauter auf die rasche Trennung, um dem Paar die Fortsetzung der Liebe in einer der kommenden Nächten zu ermöglichen.84 Daß der Wächter im Dialog die Seite der Ratio vertritt, die Argumentation der Dame hingegen in ihrer absoluten Setzung der minne von Irrationalität geprägt ist, erklärt sich aus der mittelalterlichen Auffassung vom Wesen der Liebe: Ihr haftet "immer etwas Unvernünftiges" an. Bumke hat hierfür eine interessante Parallele in Wolframs Parzival aufgedeckt. Er habe dies "in der Episode der drei Blutstropfen im Schnee dadurch zum Ausdruck gebracht, daß ,Frau Witze` jedesmal weichen mußte, wenn ,Frau Minne` erschien".85 In "Sîne klâwen" steht der Wächter für die witze, die Dame für die Minne.

3.2.2 Minnekonzeption

Die dargestellte Liebe in "Sîne klâwen" beruht auf wechselseitiger Zuneigung von Mann und Frau, die sich in den Begriffen "geselleschaft", "geselle mîn" und insbesondere der antithetischen Fügung von "minne (bringen)" und "minne (enpfangen)" nachweisen läßt.86 Sie ist als sinnlich erfüllte Liebe gestaltet. Der Erotik wird vor allem in der narratio viel Raum gegeben87 und sie verdichtet sich zu einer "großen Szene".88 Dem Motiv des doppeldeutigen urloubes, der zugleich ,Hingabe` und ,Abschied` bezeichnet,89 kommt dabei wie in Wolframs übrigen Tageliedern ein zentraler Platz zu. Es stellt eine Engführung der Tageliedsituation in einem Wort dar, das sowohl auf erotische Erfüllung in einer auf gegenseitiger Zuneigung gegründeten Liebe als auch auf die leidbesetzte Konsequenz des Abschieds bei Morgengrauen verweist. Als Leitbegriff bezeichnet urloup"den einen Augenblick, in dem, an der Grenze zwischen Nacht und Tag, der Anspruch der minne noch, der Anspruch der Gesellschaft schon gilt."90

Sitz der Liebe im Körper ist nach mittelalterlichem Verständnis das h ê rze,91 in dem auch andere Gefühle und Gedanken, also die Psyche des Menschen angesiedelt wurde und das "in der Metaphorik des Minne sangs (explizit) als Herrschaftsbereich der minne" gilt.92 Die Liebe in "Sîne klâwen" erweist sich für die Dame als so stark, daß ihr der Geliebte zwar physisch genommen werden kann,93 doch seinen unverrückbaren Platz in ihren Gedanken und Gefühlen hat. Diese Liebe ist eingebunden in die höfische Gesellschaft, da sie in einem Ritter und seiner Dame im Lied konkretisiert wird. Sie verstößt offenbar gegen gesellschaftliche Normen und muß daher im Geheimen ausgelebt werden:94 Als Refugium ist ihr die Nacht zugewiesen. Sobald der Tag anbricht ist die Entdeckungsgefahr besonders für den Ritter sehr groß, so daß er die Räume der Dame schnellstmöglich verlassen muß, da sonst sowohl sein Ansehen in der Gesellschaft als auch konkret sein Leben auf dem Spiel stünden.95 Das Liebespaar hat im Wächter einen Verbündeten und Vertrauten, der am Abend den Ritter zur Dame läßt,96 über sie beide in der Nacht wacht und den Tagesanbruch verkündet, um sie zu warnen und den Ritter sicher wieder wegzubringen.

Die im Tagelied gestaltete Liebe war in der Realität des Hohen Mittelalters kaum vorstellbar. Bei ihr handelt es sich um eine Projektion des Dichters, ein Wunschbild oder, wie es Bumke bezogen auf höfische Liebe des Minnesangs im allgemeinen nennt, "eine Gesellschaftsutopie." Diese poetisch konzipierte Liebe "stand als Kennwort für eine neue, bessere Gesellschaft, eine Gesellschaft, die es nicht gab und die es in der Wirklichkeit nicht geben konnte, die nur im (..) Entwurf der Dichter existierte."97

In der Darstellung erfüllter Liebe steht das Genus des Tageliedes im Gegensatz zur Werbelyrik des Hohen Sangs, die zwar nach Liebeserfüllung strebt, doch in der Werbung um eine Dame noch nicht zum Erfolg gelangt ist. Dieser Umstand ist dem vorliegenden Lied aber nicht inhärent, so daß wir den Bereich der textimmanenten Interpretation verlassen würden. Eine Erörterung bieten sich daher eher im Bereich der mittelalterlichen Rezeption an.98

3.3 Synthese

Zur Darstellung der inhaltlichen Aussage korrespondiert der bereits analysierte formale Aufbau des Liedes. Die antithetische Zuordnung von Leitbegriffen, die dialogische Gestaltung der Diskussion zwischen Dame und Wächter, die Funktion der Personifikation des Tagesanbruchs und nicht zuletzt die metrische Struktur, die in ihrer Wiederholung an das schnelle Voranschreiten des Sonnenaufganges gemahnt, nachdem es mit diesem Naturvorgang in der ersten Strophe verknüpft wurde: dies alles fügt sich in den thematischen Rahmen der inhaltlichen Aussage und unterstützt diese wirkungsvoll. Sie stellt sich als Variation einer Tiefenstruktur dar, die dem Genus des Tageliedes innewohnt und sich im Thema des erzwungenen Abschieds eines höfischen Liebespaares nach gemeinsam verbrachter Nacht im Morgengrauen manifestiert. Die thematische Analyse hat die Besonderheiten in der konkreten Behandlung im vorliegenden Lied herausgearbeitet. Die Liebe von Dame und Ritter ist zwar als illegitim erkennbar, doch wird sie in "Sîne klâwen" geradezu überhöht gezeichnet, obwohl sie von der namenlos und anonym bleibenden ,Gesellschaft` verworfen wird. Der Geliebte der Dame erscheint in den Wächterstrophen als herausragendes Beispiel für perfekte Erfüllung höfischer Kultur und des ritterlichen Tugendsystems, seine moralische Integrität wird mehrfach betont. Daraus abgeleitet ergibt sich für die Tageliedminne, daß sie sich in das idealisierte Bild höfischer Kultur und ihrer Normen einfügt und gleichzeitig von einer ,Gesellschaft`, die dieses höfisch-ritterliche Ideal nicht unbedingt erfüllt, negativ sanktioniert wird. Das Liebespaar befindet sich an der Wende von der Nacht zum Tag in der leidvollen Situation, sich den gesellschaftlichen Normen beugen zu müssen, obgleich sie ihre Liebe als hohen Wert und keineswegs als sündhaft oder verbrecherisch empfinden. Aus dieser ursprünglichen Antithetik entfalten sich in "Sîne klâwen" die analysierten übrigen Dichotomien der Leitbegriffe und der formalen Struktur. Als Intention des Dichters in der Darstellung dieses Wunschbildes einer erfüllten Liebe99 könnte sich die Forderung nach einer Revision gesellschaftlicher, nicht unbedingt höfischer Normen ableiten. Die ohnmächtige Wut der Protagonisten projiziert sich im interpretierten Lied aus Unfähigkeit, gegen die Gesellschaft etwas auszurichten, auf andere und anderes. Die Dame diskutiert heftig, leidenschaftlich und irrational mit dem Wächter als Künder des verhaßten Tages, der ja nicht der Repräsentant der Normen, sondern im Gegenteil Vertrauter ihres Geliebten ist. Der Wächter richtet seinerseits seine Gefühle gegen die objektiv neutralen Signale des Tagesanbruchs, die ihm subjektiv als bedrohliches und grausames Untier erscheinen, als personifizierte tödliche Bedrohung für Ansehen und Leben des Liebespaares.

4. Rezeptionsästhetik

Nachdem das Lied "Sîne klâwen" textimmanent interpretiert ist, stellt sich abschließend die Frage, wie es in seiner rhetorisch-metaphorischen Gestaltung und Aussage auf den Zeitgenossen wirkte und wie es der moderne Leser aufnimmt und bewertet, der durch ungefähr 800 Jahre von ihm getrennt ist.

4.1 Besonderheiten der mittelalterliche Rezeption

Die mittelalterliche Rezeption von Literatur unterscheidet sich prinzipiell von der in der Neuzeit üblichen Lektüre von Texten. Mittelalterliche Lyrik ging eine enge Verbindung zur Musik ein, indem ein Lied zusammen mit einer eigenen Melodie gestaltet wurde. Dieser Lieder waren zum Vortrag vor einem mehrheitlich illiteraten Publikum bestimmt, das heißt, Lyrik wurde in der geselligen Atmosphäre des Hofes im Vortrag des Dichters rezipiert.100 Hierbei war normalerweise "the weight of tradition (..) such that an audience could discern the genre from the opening words."101 Folglich müßte "Sîne klâwen" die Zuhörer zunächst verwirrt haben, da bis zur Auflösung der Personifikation nur einzelne verfremdete und stilisierte Signale auf den Tagesanbruch als Wesensmerkmal des Genus hindeuten. Daß es eines der wenigen von Wolfram überlieferten Lieder darstellt, läßt jedoch auf eine große Beliebtheit in höfischen Kreisen schließen.

Auffällig im vorliegenden Lied ist der Umstand, daß die Liebe des Tageliedes im Gegensatz zu Konzeption der sogenannten Hohen Minne der Minnekanzone steht. Dies wird auch dem höfischen Publikum offenbar gewesen sein. Es gibt daher Theorien, die von einer "Ventilfunktion" des Tageliedgenus im Kontrast zur unerfüllten Liebe der Minnekanzone ausgehen, in seiner thematischen Gestaltung ein Gegenkonzept erblicken und es in toto dem "Gegengesang" zuordnen.102 Im Tagelied konnten die Freuden einer erfüllten Liebesnacht besungen werden, ohne dabei Leid und Gefahr auszuklammern, so daß dieses Genus "durch die leidbesetzte Situation des Abschieds (doch) im Stimmungsrahmen des Minnesangs" verbleibt.103 Für das zeitgenössische Verständnis mittelalterlicher Texte kann darüber hinaus eine Auslegungsmethode fruchtbar gemacht werden, die sich zwar primär auf das Verstehen der Heiligen Schrift bezog, doch möglicherweise auch bei der Beschäftigung mit profaner Literatur eine Rolle dabei spielte, wie ein Lied vom Publikum verstanden wurde und welche Assoziationen bei der Rezeption des Textes geweckt werden konnten.104 Es handelt sich hierbei um die hermeneutische Methode der Allegorese, die einen drei- oder vierfachen Schriftsinn eines Textes nachzuweisen sucht. Dieses polyvalente Verständnis von sprachlichen Zeichen läßt sich ausgehend von der Bibelexegese auch in verschiedenen epischen Werken des Mittelalters als bewußtes Gestaltungsprinzip nachweisen,105 und könnte deshalb auch zum besseren Verständnis lyrischer Texte beitragen, doch ist dies in der Forschung umstritten.106 Die vierfache Schriftsinn stellte sich jedenfalls unter Berufung auf Kirchenväter folgendermaßen dar:

"historisch (buchstäblich), moralisch (ethisch, tropologisch), allegorisch (typisch), anagogisch. Dieser vierte Sinn richtet sich auf die kommenden Dinge".107

Dabei müssen nicht in jedem Fall alle vier Sinne zur Anwendung kommen. Die Methodik der Allegorese paßt sich also jedem konkreten Text und seinen Besonderheiten an. Es soll nun in Anwendung auf das hier vorliegende Lied "Sîne klâwen" versucht werden, Tragfähigkeit und Grenzen dieser Auslegungsmethode bei einem lyrischen Text auszuloten. Der erste, buchstäbliche Sinn versteht den Text seinem Wortlaut gemäß und entspricht bei "Sîne klâwen" ungefähr einer Inhaltsangabe. Der Tagesanbruch zwingt ein als real gedachtes höfisches Liebespaar zur Trennung, wobei im Gespräch die Dame an ihrer Liebe festhält und der Wächter als Vertrauter des Ritters auf die konkreten Gefahren für "êre unde den lîp" des Mannes verweist.108

Der zweite, tropologische Sinn wurde bereits in der textimmanenten Interpretation herausgearbeitet.109 Die Protagonisten des Tageliedes werden hierbei zu Typen, denen eine inhaltliche Funktion zugeordnet ist. Die Dame argumentiert somit im Sinne der unumschränkten minne, der Wächter als ihr Antagonist ausgehend von gesellschaftlichen Normen und der mit ihnen verknüpften Gefahr. Der Tagesanbruch wird im tropologischen Sinn zum Sinnbild für den Wechsel der Vorherrschaft der jeweiligen Position: Die Nacht ist der Liebe zugeordnet, der Tag ist Herrschaftsbereich der gesellschaftlichen Normen. Bis hierher bewegen wir uns im Bereich der textimmanenten Interpretation. Beim Versuch, einen allegorischen Sinn im vorliegenden Text nachzuweisen, verlassen wir jedoch den sicheren Boden moderner Wissenschaftlichkeit. Vieles kann daher nur spekulativ und assoziativ aus dem Lied erhoben werden. Andererseits laden manche Elemente des Liedes gerade zu einer allegorischen Deutung ein, die ihrerseits aber in verschlungene Pfade führt. Wenn man als tropologischen Sinn ausgemacht hat, daß Dame und Wächter die jeweilige Position der minne beziehungsweise der gesellschaftlichen Normen repräsentieren, dann ist der Schritt sicher nicht allzu groß, die Dame als Allegorie der minne, den Wächter als allegorische Darstellung der Normen zu interpretieren. Das äußerst positive Bild, das wir vom Wächter in "Sîne klâwen" gewinnen, könnte sich dem entsprechend dadurch erklären, daß "the figure of the watchman in serious literature (gemeint dürfte wohl geistliche Literatur sein) symbolised the highest spiritual authority"110 und daß diese allegorische Deutung der konkreten Burgwache auch im vorliegenden Lied mitschwingt.

Bemerkenswert ist der Umstand, daß positiv besetzte christliche Symbole im Genus des Tageliedes in ihr negatives Gegenteil verkehrt werden. Im Christentum steht Licht, Sonne und Tag üblicherweise mit der Erleuchtung der Menschen durch die göttliche Offenbarung in Jesus Christus im Zusammenhang, wohingegen Finsternis und Nacht Heidentum, Ketzerei und den Teufel repräsentieren können. Auch der "morgenstern"111 wird gemäß christlicher Tradition häufig mit Jesu Geburt und der Verheißung auf das kommende Reich Gottes in Verbindung gebracht. Im Tagelied ist davon nichts geblieben. Dunkelheit und Nacht sind der Zufluchtsort für eine illegitime Liebe zwischen Ritter und Dame, der Tag mit all seinen Signalen wird verflucht und in "Sîne klâwen" als dämonisches Wesen geschildert. Die Assoziation eines fliegenden Drachen liegt nahe und damit auch die Verbindung zum Teufel und dem Bösen, dessen Tier traditionell der Drache ist.112 Die von der Gesellschaft -und damit wohl auch von der christlichen Kirche- nicht legitimierte Liebe wird nicht etwa als Sünde gebrandmarkt, sondern erscheint nicht nur im vorliegenden Lied sondern auch in den anderen überlieferten Tageliedern Wolframs als eine gegenseitige, erfüllte und überaus positiv bewertete Liebe. In "Sîne klâwen" wird der Ritter vom Wächter sogar als herausragendes Beispiel für höfische Tugenden dargestellt.

Heute nicht mehr nachzuvollziehen ist die Wirkung, die das Tagelied vor einem höfisch- christlichen Publikum entfaltete. Auch stellt sich die Frage, warum es sich gerade im deutschsprachigen Raum großer Beliebtheit erfreute. Klar dürfte geworden sein, daß eine stringente allegorische Deutung des Bildschatzes des Liedes nicht möglich ist. Die übliche, christliche Bedeutungsfüllung wurde im Tagelied ummarkiert, die Semantik von Symbolen geradezu auf den Kopf gestellt.113 Man könnte diese Erkenntnis als weiteres Beispiel dafür auffassen, daß im Mittelalter zwei sich anscheinend widersprechende Positionen nebeneinander stehen konnten, ohne daß die eine als richtig, die andere als falsch bewertet werden mußte.114

Nachdem ein allegorisches Verständnis des Textes schnell an seine Grenzen stieß, fällt der Nachweis eines vierten, anagogischen Sinnes, der sich auf die Zukunft bezieht, noch schwerer. Denkbar wäre, eine Intention Wolframs anzusetzen, die in "Sîne klâwen" zum Ausdruck kommt, und sich ungefähr so fassen läßt: Die gegenseitige, erfüllte Liebe hat einen so hohen Wert, daß sie über den gesellschaftlichen Normen stehen sollte. Ausgehend von dieser Erkenntnis könnte auch an eine Veränderung dieser Normen gedacht worden sein. Möglicherweise wird damit aber dem mittelalterlichen Autor, der ja in die zutiefst christlich geprägte Gesellschaft eingegliedert war und seiner Kunst, die als Auftragsarbeit verstanden werden muß, zu viel unterstellt. Andererseits bringt gerade Wolframs Werk des öfteren überraschende und für seine Zeit unbequeme Meinungen zum Ausdruck.115

4.2 Probleme der modernen Rezeption

Der moderne Leser mittelalterlicher Lyrik steht gleich vor einer Fülle von Problemen, die aber auch einen besonderen Reiz im Umgang mit solchen Texten ausmachen können.

Zunächst findet er sich einer sprachlichen Distanz gegenüber, die ein unmittelbares Verstehen der sprachlichen Zeichen des Textes verhindert oder zumindest erschwert. Ähnliche Probleme ergeben sich natürlich auch bei der Rezeption moderner fremdsprachlicher Texte und sind nicht unüberwindlich. Gravierender ist da schon die historische Distanz, der Abstand vieler Jahrhunderte, die den modernen Leser in eine ihm unbekannte und fremde Welt entführt und ihn zwingt, sich Kenntnisse über die geschichtliche Wirklichkeit des deutschen Mittelalters, über die Sozialordnung der höfischen Gesellschaft und nicht zuletzt über die poetischen Konzeptionen der Zeit anzueignen, vorausgesetzt, er strebt ein adäquates Verständnis des Textes an. Doch nie wird der moderne Mensch sich ganz in das untergegangene Zeichensystem des Mittelalters hineindenken können, da er seinen modernen Erwartungshorizont und sein Wissen von der Welt nicht einfach aus seinen Gedanken verbannen kann. Daß Erwartungen an Literatur herangetragen werden, ist natürlich. Deshalb erscheint es mir sinnvoll, solche Erwartungen, die an das vorliegende Lied und auch an mittelalterliche Literatur im allgemeinen herangetragen werden, zu analysieren, und damit auf die unterschiedlichen Erwartungshorizonte des mittelalterlichen Rezipienten und des modernen Lesers aufmerksam zu machen.

Ein fundamentaler Unterschied im Umgang mit literarischen Texten ergibt sich bereits aus der Rezeptionssituation. Als Zeitgenosse des 20. Jahrhunderts ist man daran gewöhnt, Lyrik in schriftlich fixierter Form zu konsumieren, also simpel gesagt: zu lesen.116 Die für die mittelalterliche Rezeption typische Vortragssituation mit Musik vor einem mehrheitlich illiteraten Publikum läßt sich heute nicht mehr nachvollziehen, nicht nur deshalb, weil die Melodie zu "Sîne klâwen" nicht überliefert ist. Hinzu treten die bereits erwähnten verschiedenen Erwartungen, die nun konkretisiert werden sollen. Es ist sicher für die überwiegende Mehrheit moderner Leser richtig, wie Johnson davon auszugehen, daß "we (das heißt, die modernen Leser) are wont to assign to imagery in poetry an importance which raises it to the level of an essential element and (that) we are apt to feel disappointed or even cheated when our expectations are not met and a poet does not provide our due share of simile and metaphor."

Während für das mittelalterliche Publikum die Berufung auf Autoritäten und formale Virtuosität im Umgang mit traditionellen Tropen und rhetorischen Figuren als Garanten für den künstlerischen Rang eines Textes und nicht etwa Originalität im Umgang mit der Sprache von Wichtigkeit waren, nimmt die überraschende Wortschöpfung und originale Metaphorik einen herausragenden Platz in moderner Lyrik ein. Daraus folgt, daß der moderne Leser im Umgang mit mittelalterlicher Literatur auf spezifische Schwierigkeiten stößt, die mit dem Literaturgeschmack des 19. und 20. Jahrhunderts zusammenhängen. Die moderne Literaturkritik "can lead us into literary judgements which, consciously or unconsciously, are based on the correspondence of earlier poetry with our modern fancies and expectations and our joy at discovering in the past what we seek in the present may even restrict our understanding of the (medieval) works concerned."117

Bezogen auf "Sîne klâwen" bedeutet dies, daß der moderne Leser nach der überwältigenden Personifikation der ersten Strophe höchstwahrscheinlich enttäuscht die Bilderlosigkeit der kommenden vier Strophen mit wachsendem Desinteresse an sich vorüberziehen läßt und dabei die enge funktionale Verknüpfung der Strophen untereinander verkennt, wie sie in der formalen und inhaltlichen Analyse der vorliegenden Arbeit nachgewiesen wurde. Dies bestätigt auch Johnson: "(...) the mysterious opening of Sîne klâwen (...) has close atmospheric, thematic and functional links with the rest of the poem."118

Der Umgang des heutigen Rezipienten mit der grandiosen Eingangsmetaphorik des Liedes im Kontrast zu den übrigen Strophen verdeutlicht somit en miniature, daß gerade auch Kunst und Literatur historischen Wandlungen unterworfen sind und nicht etwa anthropologische Konstanten darstellen.119 Für den modernen Leser mittelalterlicher Lyrik stellt sich also die Herausforderung, sich auf das Dichtungsverständnis einer weit zurückliegenden Epoche einzulassen, und gleichzeitig offen zu sein für die Aussage, die uns auch noch nach 800 Jahren erreichen kann.

5. Abschließende Bewertung

Die vorliegende Arbeit stellte die textimmanente Interpretation des Liedes "Sîne klâwen" in den Mittelpunkt der Analyse und konnte eine enge funktionale Verzahnung von formaler Gestaltung und inhaltlicher Aussage nachweisen. Die hohe dichterische Qualität, welche die handschriftliche Überlieferung und heutige weite Verbreitung in Anthologien erklärt, wurde außerdem in der Untersuchung der metaphorisch-rhetorischen Gestaltung nachvollziehbar. Der Gehalt läßt sich abschließend folgendermaßen zusammenfassen: Eine auf gegenseitige Zuneigung beruhende Liebe hat einen so hohen Eigenwert, daß sie sich über die enge Moral gesellschaftlicher Normen erhebt und in der Psyche der Liebenden ihren unverrückbaren Platz einnimmt. Doch steht sie nicht außerhalb von Realität und Gesellschaft. Eingebunden in das soziale Umfeld muß sich das Liebespaar den Normen tagsüber, also im öffentlichen Raum, beugen und dafür ihre Liebe nachts im Verborgenen ausleben. Aus dieser Zerrissenheit ergibt sich Leid und Schmerz im erzwungenen morgendlichen Abschied.

Diese inhaltliche Aussage des Textes kann trotz mannigfacher Schwierigkeiten im Umgang mit mittelalterlicher Lyrik auch noch Menschen des 20. Jahrhunderts erreichen, auch wenn sich der Literaturgeschmack deutlich zur mittelalterlichen Poetik verändert hat. Gerade der moderne Leser wird aber sicher von der grandiosen Personifikation des Tagesanbruchs in "Sîne klâwen" angesprochen. Die Probleme moderner Rezeption wurden ausgehend von dieser Metaphorik analysiert. Mit dem Ergebnis, daß ein unmittelbarer Zugang aufgrund der Trennung vom Text durch viele Jahrhunderte zwar nicht möglich scheint, die Aussage jedoch auch in der Moderne immer noch faßbar ist. Die mittelalterliche Rezeptionssituation läßt aus heutiger Sicht viele Fragen offen. Unsere Informationen sind zu spärlich, als daß sie erklären könnten, wie Menschen des 12. und 13. Jahrhunderts Literatur verstanden. Der Versuch, die Allegorese als eine zeitgenössische Auslegungsmethode auf "Sîne klâwen" anzuwenden, stellte mehr Fragen als sie beantwortete. Diese Fragen muß ich an die Germanistik zurückgeben, da es aussichtslos wäre, sie im Umfang der vorliegenden Arbeit klären zu wollen. Doch hat dieses hermeneutische Experiment etwas deutlich werden lassen: Mittelalterliche Texte eröffnen bei genauer Rezeption mehrere Ebenen des Verständnisses. Auch das interpretierte Lied erschöpft sich keineswegs in einer wörtlichen Lesart und selbst nach der textimmanenten Analyse bleibt ein Überschußpotential von Assoziationen, die zwar eine stringente allegorische Deutung nicht restlos ermöglicht, aber auch nicht endgültig ausschließt. An dieser Stelle müssen die bereits angedeuteten Fragen bedauerlicherweise offen bleiben.

LITERATURVERZEICHNIS

I. Ausgaben, Übersetzung und Kommentar

Backes, Martina (ed.): Tagelieder des deutschen Mittelalters. Mittelhochdeutsch/ Neuhochdeutsch, Stuttgart 1992 (= RUB 8831), 90 - 95 und 244 - 245.

Des Minnesangs Fr ü hling, unter Benutzung der Ausgaben von Lachmann, Karl/Moritz Haupt et al., bearbeitet von Moser, Hugo/Helmut Tervooren, Stuttgart 381988 (vol. I, Texte), 437 - 439.

Wapnewski, Peter: Die Lyrik Wolframs von Eschenbach. Edition, Kommentar, Interpretation, München 1972, 91 - 112.

II. Forschungsliteratur

Bumke, Joachim: Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter, München 81997 (= dtv 4400).

Idem: Wolfram von Eschenbach, Stuttgart/Weimar 71997 (= SM 36).

Dinzelbacher, Peter (ed.): Sachwörterbuch der Medi ä vistik, Stuttgart 1992 (= Kröners Taschenausgabe 477).

Hatto, Arthur T. (ed.): Eos. An enquiry into the theme of lovers' meetings and partings at dawn in poetry, London/La Hague/Paris 1965.

Johnson, Leslie Peter: "`Sîne klâwen'. An Interpretation"; in: Green, Dennis Howard/ Leslie Peter Johnson (ed.): Approaches to Wolfram von Eschenbach. Five Essays, Bern/Frankfurt am Main/Las Vegas 1978, 295 - 334.

Kühnel, Jürgen: "Das Tagelied. Wolfram von Eschenbach: Sîne klâwen"; in:

Tervooren, Helmut (ed.): Gedichte und Interpretationen. Mittelalter, Stuttgart 1993 (= RUB 8864), 144 - 169.

Lexer, Matthias: Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch, Stuttgart 371986. Schweikle, Günther: Minnesang, Stuttgart/Weimar 21995 (= SM 244).

Wehrli, Max: Literatur im deutschen Mittelalter. Eine poetologische Einf ü hrung,

Stuttgart 1984 (= RUB 8038).

[...]


1 Cf. Hatto, Arthur T. (ed.): Eos. An enquiry into the theme of lovers' meetings and partings at dawn in poetry, London/La Hague/Paris 1965.

2 Des Minnesangs Fr ü hling, unter Benutzung der Ausgaben von Lachmann, Karl/Moritz Haupt et al., bearbeitet von Moser, Hugo/Helmut Tervooren, Stuttgart 381988 (vol. I, Texte), 437 - 439.

3 Wapnewski, Peter: Die Lyrik Wolframs von Eschenbach. Edition, Kommentar, Interpretation, München 1972, 91 - 112.

4 Kühnel, Jürgen: "Das Tagelied. Wolfram von Eschenbach: Sîne klâwen"; in: Tervooren, Helmut (ed.): Gedichte und Interpretationen. Mittelalter, Stuttgart 1993 (= RUB 8864), 144 - 169.

5 Bumke, Joachim: Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter, München 81997 (= dtv 4400).

6 Bumke, Joachim: Wolfram von Eschenbach, Stuttgart/Weimar 71997 (= SM 36).

7 Johnson, Leslie Peter: "`Sîne klâwen'. An Interpretation"; in: Green, Dennis Howard/ Leslie Peter Johnson (ed.): Approaches to Wolfram von Eschenbach. Five Essays, Bern/Frankfurt am Main/Las Vegas 1978, 295 - 334.

8 Wehrli, Max: Literatur im deutschen Mittelalter. Eine poetologische Einf ü hrung, Stuttgart 1984 (= RUB 8038).

9 Schweikle, Günther: Minnesang, Stuttgart/Weimar 21995 (= SM 244).

10 Cf. Wapnewski: Die Lyrik Wolframs, 111 - 112; Kühnel: "Sîne klâwen", 145 - 146; Backes, Martina (ed.): Tagelieder des deutschen Mittelalters. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch, Stuttgart 1992 (= RUB 8831), 90 - 95.

11 I, 5; zur Zitation des Liedes sei bemerkt: Römische Ziffern geben die Strophe, Arabische die Zeile an. Zählung und Wortlaut richtet sich generell nach der in Fußnote zwei genannten Ausgabe.

12 Cf. zur Diskussion: Wapnewski: Die Lyrik Wolframs, 102 und Johnson: "`Sîne klâwen', 305 - 307.

13 Im modernen Englisch ist dieses Verständnis in der Übersetzung noch nachvollziehbar: day-like oder "dawn-like" bei Hatto: Eos, 452.

14 Wapnewski: Die Lyrik Wolframs, 102.

15 "immer morgens gegen dem tage": II, 6; "du hast in dicke mir benommen": IV, 9.

16 V, 1 - 2.

17 Cf. Lexer, Matthias: Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch, Stuttgart 371986, 23.

18 Cf. 3.1.3.

19 V, 9.

20 Das Lied kann man ungefähr auf 1200 datieren.

21 Cf. 3.2.

22 Cf. zur Diskussion der Metrik: Wapnewski: Die Lyrik Wolframs, 96 - 97.

23 Als Beispiel dient die erste Strophe des Liedes.

24 Die Austauschbarkeit der männlichen Kadenzen zeigt sich bei einem Vergleich mit überlieferten Melodien zur höfischen Lyrik. Ein Wechsel der männlichen Kadenzen führt nämlich nicht zu einer veränderten Melodie.

25 Cf. Wapnewski: Die Lyrik Wolframs, 96 - 97.

26 Auch wenn selbst dies nicht völlig frei von Kritik blieb: Cf. zur Diskussion Fußnote 22.

27 Schweikle: Minnesang, 137

28 Bumke: Wolfram, 27.

29 Kühnel: "Sîne klâwen", 152.

30 V, 7.

31 Cf. I, 1-4.

32 IV, 6.

33 IV, 3.

34 II, 3.

35 Cf. 2.2.

36 Schweikle: Minnesang, 137.

37 Ibid., 138; cf. Drängen des Wächters III, 1 - 3 und Verweis auf Gefahren III, 6; Bestechungsversuch der Dame II, 7 - 10.

38 Schweikle: Minnesang, 137.

39 Cf. II, 1; IV, 4; V, 3.

40 Schweikle: Minnesang, 138.

41 Mit Ausnahme des unreinen Reimpaares "lieht" und "niht" in IV, 8/10, was für die Hochphase der höfischen Lyrik ungewöhnlich ist.

42 I, 5 auf `t'; II, 2 - 10 et IV, 3 auf `m'; IV, 8 auf `n' und `l'; V, 3/8 auf `w' und V, 6 auf `b'.

43 II, 2/3; III, 9.

44 Johnson: "`Sîne klâwen'", 308.

45 III, 9 - 10.

46 Cf. Johnson: "`Sîne klâwen'", 307 - 308.

47 Cf. zur Bilderlosigkeit: 6.2.

48 "Sîne klâwen": I, 1.

49 Cf. I, 3.

50 I, 1 - 6.

51 Cf. Schweikle, Minnesang, 203 - 205.

52 Johnson: "`Sîne klâwen', 298.

53 Kühnel: "Sîne klâwen", 153.

54 Cf. zur Tiersymbolik im Mittelalter die entsprechenden Artikel "Adler", "Drache", "Falke", "Greif", "Monster" in: Dinzelbacher, Peter (ed.): Sachwörterbuch der Medi ä vistik, Stuttgart 1992.

55 Bumke: Wolfram, 27.

56 Cf. Johnson, "`Sîne klâwen'", 298 - 299.

57 "Von den blicken,/ die der tac tet durch diu glas".

58 Cf. V, 4.

59 Die Bedrohung für Leib und Leben läßt sich aus III, 6 ablesen: "daz er behalte êre unde den lîp."

60 Bumke: Höfische Kultur, 12.

61 Cf. 3.2.2.

62 Kühnel, "Sîne klâwen", 164 - 165.

63 Cf. "Wahtaer": II, 1; "süezez wîp": III, 3; "wahtaer": IV, 2.

64 Kühnel: "Sîne klâwen", 150.

65 Kühnel: "Sîne klâwen", 151.

66 "Diu solt du mir verswîgen gar": II, 7.

67 "des lôn ich dir, als ich getar": II, 9.

68 Kühnel: "Sîne klâwen", 152.

69 "von dînem schalle/ ist er und ich erschrocken ie": IV, 4 - 5 und: "du hâst in dicke mir benomen/ von blanken armen, und ûz herzen niht": IV, 9 - 10.

70 Cf. I, 10.

71 III, 6.

72 Cf. II, 6; III,9; IV, 8; V, 2.

73 Kühnel: "Sîne klâwen", 157.

74 I, 6 - 7.

75 "sîn vil manegiu tugent mich daz leisten hiez": I, 10.

76 "lâze in minnen/ her nâch sô verholn dich": III, 4 - 5.

77 Kühnel: "Sîne klâwen", 157.

78 Ibid., 158.

79 III, 5.

80 III, 7.

81 I, 7/10.

82 I, 6.

83 Cf. 4.1.3.

84 Cf. III, 4 - 6.

85 Bumke: Höfische Kultur, 520 - 521.

86 I, 6; II, 10; IV, 3.

87 Cf. "brüstlîn an brust si dwanc" , "ellen(..)", "urloup", "kusse", "minne lôn": V, 6-10.

88 Bumke: Wolfram, 27.

89 Cf. Kühnel: "Sîne klâwen", 160 und 2.2.

90 Kühnel: "Sîne klâwen", 160.

91 Cf. IV, 10; teilweise wirkt die mittelalterliche Vorstellung vom Herz als Sitz der Liebesgefühle bis in die Moderne nach.

92 Kühnel: "Sîne klâwen", 159.

93 Cf. "du hâst in dicke mir benomen/ von blanken armen": IV, 9 - 10.

94 Cf. "verholn": III, 5.

95 Cf. "êre unde den lîp": III, 6.

96 "den ich mit sorgen în [ ] verliez": I, 8.

97 Bumke: Höfische Kultur, 528.

98 Cf. 5.1.

99 In einer Zeit gesellschaftlich arrangierter Heiraten und Fremdbestimmung insbesondere der Frau in Fragen der Sexualität.

100 Cf. Bumke, Höfische Kultur, 751 - 755.

101 Hatto: Eos, 435.

102 Cf. Schweikle, Minnesang, 138.

103 Ibid., 137.

104 Cf. Wehrli: Literatur im Mittelalter, 236 - 237.

105 Cf. ibid., 246 - 247.

106 Cf. zur Diskussion: ibid., 266 - 270.

107 Ibid., 247.

108 III, 6.

109 Cf. 4.2.

110 Hatto: Eos, 433.

111 IV, 6.

112 Cf. 3.1.3.

113 Die hier aufgeworfenen Fragen können natürlich in der vorliegenden Proseminararbeit nicht weiter behandelt werden. Gerade die Problematik der ummarkierten Symbolik im Tagelied scheint mir aber ein Desiderat der Forschung zu sein.

114 Zum Beispiel schlossen sich Frauenpreis und tiefverwurzelte Misogynie keineswegs aus: Cf. Bumke: Höfische Kultur, 459.

115 Man könnte beispielsweise auf die positive Darstellung der Muslime im "Willehalm" verweisen: Cf. Bumke, Wolfram, 218 - 221.

116 Eine Ausnahme könnten nur die lyrics moderner populärer Musik darstellen, deren überwiegend zweifelhafte künstlerische Qualität sie aber häufig nicht zum Gegenstand der Literaturwissenschaft werden läßt.

117 Beide Zitate aus: Johnson: "`Sîne klâwen'", 296.

118 Ibid., 297.

119 Der unterschiedliche Dichtungsgeschmack läßt sich auch an anderen Beispielen mittelalterlicher Lyrik nachweisen, wie es für die verschiedene Bewertung Heinrichs von Morungen und Reinmars im Hochmittelalter angenommen wird: Cf. Schweikle, Minnesang, 89.

Ende der Leseprobe aus 36 Seiten

Details

Titel
Wolframs Tagelied - Sîne klâwen - Eine Interpretation
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Veranstaltung
Germanistisches Seminar
Note
1
Autor
Jahr
1999
Seiten
36
Katalognummer
V95777
ISBN (eBook)
9783638084550
Dateigröße
542 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Proseminararbeit interpretiert das berühmte Tagelied Wolframs von Eschenbach
Schlagworte
Wolframs, Tagelied, Sîne, Eine, Interpretation, Germanistisches, Seminar
Arbeit zitieren
Christian Grünnagel (Autor:in), 1999, Wolframs Tagelied - Sîne klâwen - Eine Interpretation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95777

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