Geschichte der Rhetorik


Referat / Aufsatz (Schule), 2000

13 Seiten, Note: 12NP


Leseprobe


Rhetorik in der klassischen Antike

Die antike griechische und römische Rhetorik hatte einen enormen Einfluss auf die späteren Perioden. Allerdings war der Einfluss der Rhetorik auf das Mittelalter und die Renaissance mit einem fortwährenden Prozess der Umformung und Auswahl verbunden, weshalb es für die antike Rhetorik eigentümliche Aspekte gibt, die das Altertum jedoch nicht überlebten. Die Rhetorik erschien nach der Mitte des 5. Jahrhundertds in Sizilien. Die ersten Textbücher wurden von Korax und Tisias geschrieben und versuchten Regeln für die Gerichtsreden zu formulieren, die von den Rechtsanwälten vor den Gerichtshöfen der griechischen Städte auf Sizilien gehalten wurden. Wegen diesem Ursprung legte die antike rhetorische Theorie bis zu ihrem Ende größeren Wert auf das gesprochene als auf das geschriebene Wort und befasste sich hauptsächlich mit der Gerichtsrede. Bald kamen noch zwei weitere Redegattungen dazu, die politische Rede vor einer öffentlichen Versammlung und die epideiktische Rede, mit der man sich vor einem öffentlichen Publikum zur Schau stellte.

Sophisten begannen nun in Athen und andern Städten während der zweiten Hälfte des 5. Jahrhundertd Rhetorik zu lehren, und wollten so Rechtsgelehrte und Staatsmänner für ihre Aufgaben ausbilden. Außer mit der Redekunst befassten sie sich auch mit andern Gebieten, wie Grammatik, Logik, Ethik und der Literaturkritik. Sokrates wurde von vielen seiner Zeitgenossen mit den Sophisten verwechselt, aber er und seine Schüler Plato und Xenophon interessierten sich nicht für die Rhetorik. Plato kritisierte besonders in seinem Gorgias die Sophisten und die Rhetorik und bezeichnete letzte als Scheinwissen, das nur Meinungen aber keine fundierten Erkenntnisse erzeugte. Später lässt er jedoch in seinem Werk Phaedrus Raum für Rhetorik, er grenzt sie also nicht mehr völlig aus seinen Lehren aus. Die Antike brachte die berühmten, attischen Redner hervor, besonders Lysias, Isokrates, Demonsthenes und Aeschines.

Isokrates verfasste Gerichts- und epideiktische Reden und gründetet eine Schule der Rhetorik, die neben der Akademie Platos existierte und mit ihr in bezug auf höhere Bildung konkurrierte. Die Schule beschränkte sich nicht auf die formale Rhetorik, sondern bot eine umfassende literarische, moralische und politische Unterweisung und beschäftigte sich mit Philosophie im weiteren Sinne. Isokrates wird als Prototyp des Humanisten bezeichnet, der sich für Literatur und Ethik, aber nicht für die Wissenschaften oder Fachphilosophie interessierte.

Der Höhepunkt der athenischen und griechischen Redekunst wurde während der Zeit von Demosthenes erreicht, der als Staatsmann zwar erfolglos war aber als Redner bewundert worden ist. Seine Reden galten als Vorbild für den klassischen Prosastil und die klassische Komposition.

Als eine der bedeutendsten rhetorischen Abhandlungen, die aus der Antike überliefert worden sind, ist ein Vorlesungstext aus der Schule, dem Lyzeum, des Schülers von Plato, Aristoteles, bekannt. In diesem Werk stellt Aristoteles die Rhetorik hinter die Politik und die Ökonomik und vor die Poetik. Er sah die Rhetorik als Teil der Philosophie, was sich dazu führte, dass spätere Berufsphilosophen die Rhetorik in ihr Fach mit einschlossen.

Epikur und seine Schule nahmen die Kritik Platos wieder auf, zumindest finden wir unter den neoplatonischen Philosophen einige, die sich mit dem Problem der Rhetorik befassten. Nach der Zeit des Isokrates und den letzten attischen Rednern ist die Geschichte der Rhetorik relativ unerforscht. Die Rhetorik wurde natürlich weiterhin in den alten griechischen Städten, aber auch in den neuen hellinistischen Städten, die in ganz Vorderasien von Alexander und seinen Nachfolgern gegründet wurden, gelehrt.

Später wurde kritisiert, dass die Beredsamkeit geschmacklos und künstlich wirkte. Da diese Kunst aber in Asien florierte wurde sie als Asianismus bezeichnet. Von dieser Zeit sind nur kleine Texte und wenige Namen überliefert.

Im 1. Jahrhundert v. Chr. begann der sog. Attizismus, eine starke klassizistische Reaktion, die die Theorie und Praxis der Rhetorik um das Ideal der Nachahmung klassischer Muster erweiterte. Vorbilder waren vor allem die attischen Redner, aber auch Plato, Xenophon und Thurkydides. Beispiele für attizischtischer Theorie und Literaturkritik sind die Schriften von Dionysus von Halikarnass, die zu Beginn unserer Zeitrechnung entstand. Danach begann die Blütezeit der sog. ,,zweiten Sophistik", die sich durch die epideiktische Redekunst der reisenden Redner auszeichnete (Bsp. Schriften von Dio von Prusa, Aristides, Libanius). Diese freie Redekunst setzte einen ausgedehnten und intensiven Unterricht voraus, der auf Theorien und Mustern aufbaute. Hermogenes (spätes 2. Jahrhundert) verfasste einige Lehrbücher, die die früheren Theorien vereinte und neue hinzufügte.

In der späten Antike führten politische Bedingungen dazu, dass sich in der rhetorischen Praxis und Theorie die Betonung von der Gerichts- und politischen Rede auf die epideiktische Rede verlagerte. Der Schwerpunkt wurde auf die Geschichtsrede und gelegentlich auf die Kunst des Briefeschreibens gesetzt. Für Dichter gab es eine Literatur zur Poetik die in vielen Punkten von der Rheotik beeinflusst war und so den Stil der späteren griechischen Dichtung formte. Durch die Entstehung und spätere Vorherrschaft des Christentums wurde ein neues Vorbild entdeckt, nämlich die Bibel, dadurch kam eine neue literarische Gattung, die Predigt, auf. Die christlichen Gelehrten eigneten sich bald die Kunst der Rhetorik an und die kappadozischen Kirchväter aus dem 4. Jahrhundert wurden bewunderte Vorbilder für christliche Redekunst und Literatur. Diese Tradition der geistlichen und weltlichen Rede dauerte ohne

Unterbrechungen von der späteren Antike über die byzantinische Epoche bis zum 15. Jahrhundert. Die lateinische Rhetorik ist wie alle anderen theoretischen Gebiete von der Griechenlands abhängig. Allerdings steuerten die Römer eine neue Sprache und eine einheimische Redetradition bei, die politische und die Begräbnisrede mit einschloss. Die griechische Rhetorik kam im 2. Jahrhundert v. Chr. nach Rom, als griechische Gesandte Ansprachen an den Senat hielten. Zu Beginn des 1. Jahrhunderts v. Chr. lehrten der griechische Philosoph Philo von Larissa und der rhetorische Redner Molo eine Zeitlang in Rom und wurden von dem jungen Cicero gehört. Konkreter rhetorischer Unterricht wurde von den römischen Behörden zunächst abgelehnt, jedoch triumphierte die Redekunst und die Rhetorik noch im gleichen Jahrhundert in Rom. Cicero war ein begabter Redner auf politischen und juristischen Gebieten. Seine Reden blieben Jahrhunderte lang Vorbilder für die lateinische Sprache und den Prosastil. Neben seiner Tätigkeit als Redner und Schriftsteller befasste sich Cicero auch Intensiv mit den Theorien der griechischen Rhetorik und schrieb wichtige und einflussreiche Abhandlungen über dieses Gebiet. Seine frühere Schrift ,,De inventione" bildet zusammen mit der ,,Rhetorica ad Herennium", die übrigens nicht von Cicero, sondern von einem älteren Zeitgenossen geschrieben wurde, das erste lateinische Corpus einer Theorie der Rhetorik. In diesen Werken wurde den lateinischen Lesern der grösste Teil der griechischen Rhetorik zugänglich gemacht. Die lateinische Rhetorik entstand dadurch, dass die wichtigen griechischen Begriffe wörtlich übernommen oder übersetzt wurden.

Cicero war nicht nur ein Redner und geschulter Rhetoriker, sondern auch ein Schüler der griechischen Philosophie. Einen Teil seiner Rhetorik hatte er sogar aus den Schriften des Aristoteles gelernt. Deshalb verband Cicero mehr als jeder römischer oder griechischer Berufsrhetoriker die Rhetorik mit der Philosophie und sah sie als Teil eines umfassenderen Erziehungs- und Bildungsystems. Seine späteren rhetorischen Schriften, besonders ,,De oratore", ,,Brutus" und ,,Orator" sind keine Lehrbücher für Rhetorikstudenten, sondern kulturelle Programme, die den Redner als vielseitig gebildete Persönlichkeit dar stellen.

Das Ideal des umfassend gebildeten, literarischen und philosophischen Redners, das Cicero in seinen reifen rhetorischen Schriften dar zustellen versuchte, spiegelte sich in den Schriften späterer römischer Redner wieder, insbesondere bei Quintilian und Tacitus. Mit dem Ende der römischen Republik wechselte das politische Klima des Kaiserreiches. Wie in Griechenland nach Alexander, wurde die juristische und politische Rede in ihrer Freiheit beschnitten und die epideiktische und zeremonielle Redekunst drang in den Vordergrund. Die meisten Reden, die aus dem römischen Kaiserreich überliefert sind, sind Lobreden. Aber nun gab es auch Schulbücher, die den lateinischen Studenten die alten Lehren der griechischen Rhetorik vermitteln, wie die Wortarten, die stilistischen Gattungen, die rhetorischen Figuren, den rhythmischen Satzbau und vieles andere. Spätere Kommentare zu Ciceros ,,De inventione" von Marius Victorinus und von Grillius beweisen, dass dieses Werk bereits im Altertum als Schulbuch benutzt wurde. Auch die Kunst des Briefeschreibens wurde schriftlich festgehalten. Einige rhetorische Abhandlungen der späteren Periode begannen damit, dem Brief Beachtung zu schenken, obwohl sie sich weiterhin auf die Abfassung von Reden konzentrierten.

Überall in den westlichen lateinischen-sprachigen Provinzen des römischen Reiches gab es ein dichtes Netz mehr oder weniger fortgeschrittener Rhetorikschulen. Sie stellten die einzige Form höherer Bildungstätten dar, die über das Niveau der Grammatik hinausgingen. Die rhetorische Ausbildung in lateinischer Sprache war leicht zu erhalten, während ein philosophisches Studium nur in griechischer Sprache und nur im Osten möglich war. Die Folgen der Christianisierung sind mit denen Griechenlands vergleichbar. Die lateinischen christlichen Schriftsteller nahmen grammatische und rhetorische Erziehung, die vor ihnen entstanden war, auf, setzten sie fort und fügten ihr das Studium der Bibel und der christlichen Theologen sowie die literarische Gattung der Predigt hinzu. Ein Problem bestand darin, dass die Bibel und die christliche Theologie aus dem Griechischen ins Lateinische übersetzt werden musste, d.h. in eine Sprache, die einen viel beschränkteren abstrakten und philosophischen Wortschatz besaß. Das bedeutet, dass oft die philosophische Eleganz der Wörter durch handfestere und juristischere Begriffe ersetzt wurde, die den Lateinern vertrauter waren.

Als am Ende des römischen Reiches die meisten politischen Einrichtungen und Bildungsstätten durch germanische und andere Invasoren zerstört wurden, blieb die Erziehung in den meisten Gegenden und in überwiegendem Maße ein Monopol, des Klerus und insbesondere der Mönche. Die Rhetorikschulen, die im lateinischen Westen sogar nach der Christianisierung blühten, verschwanden. Rhetorik war nun nur noch ein gewisser Teil des Lehrplans der Klöster.

Zusammenfasung: Die Rhetorik, die Lehre von der guten Rede, entstand als eine Theorie der juristischen und politischen Rede und entwickelte sich allmählich zu einem sorgfältig ausgearbeiteten System von Regeln und Vorschriften, das in zunehmenden Maße auch auf die epideiktische Redekunst, Aufsatzlehre und Literaturkritik Anwendung fand. Sie wurde in zahlreichen Schulen unterrichtet, die einen beherrschenden Platz in der fortgeschrittenen und höheren Bildung einnahmen, brachte umfangreiches Schrifttum hervor und übte einen tiefreichenden Einfluss auf alle Zweige der Literatur einschließlich der Geschichtsschreibung, Populärphilosophie und Dichtung aus. Die Römer nahmen die griechische Kultur auf und übernahmen die rhetorische Theorie und Praxis und errichteten ihr eigenes Netz rhetorischer Schulen, die überall im lateinischen Westen bis zum Ende des Kaiserreiches blühten.

Rhetorik im Mittelalter ( etwa 600 -1350 )

Das frühe Mittelalter ist von der Spätantike nur künstlich zu trennen. Den Gelehrten des Mittelalters war zumindest eine Reihe von Texten und Theorien allgemein bekannt und zugänglich. Dieses antike Erbe wurde aber in verschieden Gebieten, Zeiten und Interessen der Gelehrten auf unterschiedliche Weise genutzt und studiert. Besonders während der früheren Jahrhunderte gab es Zeiten des wissenschaftlichen Niedergangs, denen verschiedene Aufschwünge folgten; auf den Gebiet der Rhetorik ebenso wie auf anderen Gebieten. Außerdem wurden die klassischen Dokumente, auch wenn sie studiert und neu formuliert wurden, nicht notwendigerweise auf die gleiche Art wie in der Antike verstanden, bewertet oder benutzt. Oft wurden sie mit andern Ideen verknüpft oder anderen, eher zeitgenössischen Absichten untergeordnet. Im Mittelalter fehlte die Kenntnis des Griechischen, und daher waren die Originaltexte der griechischen Rhetorik und Beredsamkeit weitgehend unbekannt. Die antiken Quellen dieser Zeit waren römisch und lateinisch und umfassten z.B. bedeutenden Schriften von Cicero und Quintilian. Insgesamt fehlte jedoch der Reichtum der griechisch rhetorischen Tradition, der erst in der Renaissance allmählich wieder entdeckt wird. Nach dem 6. Jahrhundert wurden vor allem in Irland und England klassische Studien betrieben, doch auch in den Schulen Westeuropas gab es Elementarunterricht in den sieben freien Künsten, einschließlich der Rhetorik. Daneben gab es eine ungebrochene Tradition von Laienschulen in einigen Gegenden Italiens, die ebenfalls die freien Künste unterrichteten. Die sog. aroningische Renaissance im 8. und 9. Jahrhundert brachte eine Reform der Schrift, einen Zuwachs an Büchereien und einen Aufschwung des Schulunterrichtes und der Literatu mit sich. Alkuin, einer der führenden Gelehrten seiner Zeit, schrieb über die Rhetorik sowie über die anderen freien Künste, und Autoren wie Rhabanus Maurus behandelten die Rhetorik in ihren Enzyklopädien. Aber während der ganzen Epoche war die Grammatik das beherrschende Fach. Martianus Capella, ein Gelehrter, dessen Werke im Schulunterricht benutzt wurden, befasste sich in einem seiner Bücher mit der Rhetorik und die Glossen zu diesem Buch bilden die Hauptquellen für die rhetorische Theorie dieser Zeit. Diese Glossen verraten eine Grundkenntnis der römischen Quellen.

Im 10. und 11. Jahrhundert wurden nur wenige Fortschritte auf dem Gebiet der Rhetorik gemacht, wobei das 10. Jahrhundert. sowieso oft als eine Zeit des Niedergangs angesehen wurde. Das späte 11. und das ganze 12. Jahrhundert brachten einen Aufschwung der Gelehrsamkeit mit sich und die freien Künste blühten mehr als je zuvor, auch wenn sich das Interesse mehr auf die Logik verlagerte. Wegen der wachsenden intellektuellen Neugier und als Folge der zahlreichen neuen Übersetzungen aus dem Griechischen und Arabischen erwies sich das alte System der sieben freien Künste als zu eng. Neue Fächer wie Philosophie und Theologie, römisches und kanonisches Recht, sowie Medizin bildeten jetzt den Kern des höheren Studiums, auf das die freien Künste wie Grammatik, Rhetorik und selbst Logik nur vorbereiteten.

Im Mittelalter war die Briefstellerliteratur oder ars dictaminis oder die verwandten Bereiche wie die ars notaria, die ars poetica, die ars praedicandi und die ars arengandi die verbreitetsten Rhetorikbereiche. Schon in der römischen Antike hatten Notare die Aufgabe rechtlich gültige Dokumente nach festen Formeln aufzusetzen und niederzuschreiben, häufig für Klienten, die nicht lesen und schreiben konnten. Der Beruf des Notars wurde im Mittelalter immer noch ausgeübt und war sogar sehr angesehen, denn er erforderte Kenntnis der Schrift und juristisches Grundwissen, das zu der Zeit selten war. Die Notare schrieben nicht nur Rechtsdokumente, sondern auch Staats- und Geschäftsbriefe. Für diese Arbeit brauchten sie Formeln und Muster, nach denen sie ihre Briefe und Dokumente abfassten und es ist wahrscheinlich, dass solche Formel- und Mustersammlungen für Notare und Schreiber zu allen Zeiten in Gebrauch war. Gewisse Regeln für die Abfassung von Briefen wurden offenbar auch mündlich überliefert, bevor die theoretischen Lehrbücher gegen Ende des 11. Jahrhunderts in Erscheinung traten.

Bei Gunzo von Novara findet man bereits im zehnten Jahrhundert die Anwendung der späteren Regel, dass ein Brief aus fünf Teilen besteht. Das lässt sich nicht nur mit seiner Kenntnis der Rhetorica ad Herennium erklären, denn diese schrieb in Übereinstimmung mit der griechischen rhetorischen Theorie und Praxis für eine Rede sechs Teile vor: exordium, narratio, diviso, confirmatio, confutatio und conclusio, während antike Lehren die diviso fortlassen und confirmatio und confutatio durch argumento ersetzten. Die spätere Theorie des dictamen, der die Lehre von den fünf Teilen des Briefes enthält, ist wohl aus der Theorie der sechs Teile der Rede der Rhetorica ad Herennium entstanden. Die Lehren wurden geringfügig geändert und damit dezimiert und die salutatio, die in der Rede nicht vorkommt, im Brief jedoch die wichtigste Rolle spielt, muss am Anfang des Schemas hinzugefügt werden.

Der erste überlieferte Autor, der sich mit der Theorie des dictamen beschäftigte, ist Albrich von Monte Cassino. Zu seiner Zeit wurde das dictamen noch nicht als ein getrenntes Fach, sondern als Teil eines breiteren Lehrprogrammes behandelt, das die Grammatik und die anderen freien Künste umfasste. Seine unmittelbaren Nachfolger im zwölften Jahrhundert behandelten das dictamen als ein gesondertes Unterrichtsfach, das bedeutet, dass sich ein besondere Zweig der Rhetorik von dem gemeinsamen Ursprung der sieben Künste gelöst hat, ähnlich wie Jura und Medizin zu der Zeit.

Die Literatur an dictamina aus dem 12. Jahrhundert ist zahlreich vorhanden. Die Verfasser sind meist anonym, die bekannten Verfasser stammen aus Italien und Frankreich, aber die Schriften verbreiteten sich in andere Länder. Die Universität Bologna spielte während der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts und noch mindestens zwei folgende Jahrhunderte eine tragende Rolle in der Lehre der Rhetorik. Der Unterricht im dictamen wurde als Vorbereitung für die Jurastudenten genutzt, die Regeln und Formeln für die Abfassung von Briefen lernten. Jemand, der diese Ausbildung erhalten hatte konnte als Kanzler oder Sekretär im Dienste von Päpsten und Bischöfen, Kaisern und Königen, aber Feudalherren und Stadtbeamte arbeiten. Einige Kanzleien, speziell die päpstlichen Kurire hatten ihre eigen Abfassungsregeln für Briefe.

Ergänzend zu der Lehre von den Teilen des Briefes ist noch zu erwähnen, dass die salutio in der Literatur zum dictamen stets besonders erwähnt wurde, wofür es in der antiken Behandlung der Rede kein Vorbild gab. Später gab es sogar ganze Sammlungen von salutiones oder Adressformeln. Des weiteren befassten sich einige Werke über das dictamen mit der Interpunktion, mit Redefiguren und mit den cursus, den für das Ende eines Satzes und besonders eines ganzen Briefes vorgeschriebenen rhythmischen Formen. Die ars dictaminis, die sich im 12. Jahrhundert entwickelt hatte, blühte während des 13. und bis ins 14. Jahrhundert hinein. Der Bedarf an Formeln und Regeln für das Schreiben von Briefen war groß und wuchs ständig. Einige führende Lehrer in Bologna waren z. B. Boncompagno und Guido Faba, Metteo de´ Libri, Giovanni del Virgilio.

Die ars notaria, die sich mit der Abfassung von Rechtsdokumenten beschäftigt, hatte ihre eigne Literatur, besonderes im 13. Jahrhundert. Das berühmteste Werk war die Summa artis notariae von Rolandino Passeggeri, das ebenfalls in Bologna entstand. Die mittelalterlichen Werke von der ars poetica, die viel seltener sind als Werke über das dictamen, entstanden meist in Frankreich, allerdings existiert auch eine berühmte Poetria nova des Engländers Geoffrey von Vinsauf, die wiederum eine gewisse Verbindung zur Bologna erkennen lässt.

Zwischen dem dictamen und der antiken Rhetorik besteht eine grundsätzlicher Unterschied: die antike Rhetorik bezog sich auf die Rede und das gesprochene Wort, das dictamen auf den Brief und das geschriebene Wort. Einer der Gründe, warum die antike Rhetorik von den dictatores für unpraktisch gehalten wurde, bestand darin, dass die öffentliche Rede, für die die Vorschriften der antiken Rhetorik eigentlich bestimmt waren, seit dem Ende des römischen Altertums von der Bildfläche verschwunden war. Es soll nicht gesagt werden, dass der Brief in der klassischen Antike und im späteren Rom ohne Bedeutung war, aber er hinterließ in der überlieferten Literatur oder rhetorischen Theorie keine nennenswerte Spur. Im hohen Mittelalter wurde der Brief wichtiger und nahm mehr Raum in der rhetorischen Literatur ein. Der Unterschied zwischen dem gesprochenen und dem geschriebenen Wort ist wichtig, aber nicht entscheidend, denn der Brief wurde oft diktiert und bei seinem Empfang laut gelesen. Die Funktion des Briefes ist jedoch sehr unterschiedlich von der Funktion einer Rede vor einem Gerichtshof, einer politischen Versammlung oder in aller Öffentlichkeit. Der Brauch, vor einem versammelten Publikum laut zu sprechen existierte zwischen dem Ende des römischen Reiches und dem 12. Jahrhunderts überhaupt nicht.

In diesem Zeitraum kannte man die mündliche Mitteilung nur als Predigt in der Kirche. Im 12. und 13. Jahrhundert wurden in wachsender Zahl theoretische Handbücher für Prediger, die sog. ars praedicandi, verfasst. Das sind Lehrbücher für Prediger, die mit ihren Vorschriften häufig mit den antiken und mittelalterlichen Lehrbüchern der weltlichen Rhetorik übereinstimmen. Ein charakterliches Merkmal der mittelalterlichen Predigt ist der Brauch, einen Bibelvers als Thema an den Anfang zu setzen, an den sich eine diviso dieses Textes anschließt. Der Hauptteil der Predigt folgt ganz bestimmten Regeln der Komposition, wie sie in den Lehrbüchern vorgeschrieben werden.

Im Mittelalter gab es nur wenig weltliche Rhetorik, das Hauptaugenmerk wurde auf den Brief und die Predigt gelegt. Nur in Italien wurden Mitte des 12. Jahrhundert in unabhängigen politischen Einrichtungen öffentliche Reden vor Volksversammlungen, Stadträten und Gerichtshöfen gehalten. Die Redekunst der Italiener wurde schon zu Zeit Barbarossas von ausländischen Beobachtern bemerkt, doch sind aus diesem frühen Zeitraum keine Reden erhalten geblieben.

Seit dem 13. Jahrhundert wurden neben den Musterbriefen auch Musterreden überliefert, die italienischen Ursprungs sind. Es ist ganz deutlich, dass die ars arengandi, die Kunst, eine Rede zu verfassen, von den selben Meistern gelehrt wurde, die auch in der Kunst des Briefeschreibens Unterweisung erteilten. Aus Quellen erfuhr man, das bestimmte Arten von Reden gab, die häufig gehalten wurden, wie z.B. Leichenreden, Hochzeitsreden, Versammlungsreden, Gesandtenreden und Universitätsreden. Festzustellen ist also, dass alle Formen der weltlichen Rede, die man bei den Humanisten in der Renaissance im Gebrauch findet, in Italien bereits im 13. und vielleicht schon im 12. Jahrhundert vorkamen. Sie entstanden aus den rechtlichen, politischen und gesellschaftlichen Einrichtungen des späten Mittelalters und waren im rhetorischen Stil jener Zeit, dem Stil der dictatores, verfasst, lange bevor die Humanisten damit begannen, ihre eigenen, ganz anderen Stilvorstellungen anzuwenden.

Der Vorhumanismus steht für die Rückkehr der Antike, also auch für die Rhetorik der Antike. Das dictamen wird mit klassischen Studien kombiniert, wie z.B. mit Cicero, Ovid und andern antiken Dichtern. Im späten Mittelalter tauchten wieder die griechisch rhetorischen Texte auf, vier wichtige wurden erst im 12./13. Jahrhundert zum ersten mal vom Griechischen ins Lateinische übersetzt: Die Rhetorik des Aristoteles, die pseudoaristotelische Rheorica ad Alexandrum, die Schrift De elocutione des Demetrius und die Rede Ad Demonicum des Pseudo-Isokrates. Die drei letzt genannten Text haben nur wenig Bedeutung für die mittelalterliche Rhetorik gehabt, im Gegensatz zur Rhetorik des Aristoteles. Sie wurde als Lehrbuch in Schulen und Universitäten benutzt. Es besteht daher kein Zweifel, dass die Rhetorik des Aristoteles einen Einfluss auf das Denker der Menschen in dieser Zeit hatte. Allerdings nicht hauptsächlich auf das der Berufsrhetoriker, sondern auf das der scholastischen Philosophen, die sein Werk häufig kommentierten.

Zusammenfassung: Die Grundlage der mittelalterlichen Rhetorik ist die römische, nicht die griechische Rhetorik. Sie wurde speziell in der Form, wie sie in Ciceros De inventione, in der Rhetorica ad Herennium und bei Martianus Capelle erscheint mehr oder weniger gründlich studiert und ausgebeutet. Die griechische Rhetorik war bis zum 13. Jahrhundert unzugänglich, und als einige Texte, speziell die Rhetorik des Aristoteles durch lateinische Übersetzungen bekannt wurden, wurden diese vor allem von den Studenten der aristotelischen Philosophie gelesen und kommentiert, insbesondere mit seiner Ethik und Politik, während die Berufsrhetoriker wenig oder gar keine Notiz von ihr nahmen.

Diese Berufsrhetoriker wandten sich zunehmend den Rhetorikgebieten mit praktischer Bedeutung. Die meisten befassten sich mit der Abfassung der von Briefen (ars dictaminis) und Dokumenten (ars notaria), währen Theorie und Praxis der Predigt (ars praedicandi) von den Geistlichen gepflegt wurde. Nach dem 12. Jahrhundert bildet sich ein neuer Zweig der Rhetorik, der sich mit weltlicher Redekunst befasst (ars arengandi). Die Literatur der mittelalterlichen Rhetorik ist das dictamen und die verwandten Lehren. Was dieser Literatur an Gedankentiefen fehlt, gleicht sie nicht nur durch Quantität, sondern ihre historische Bedeutung aus, da sie einen unentbehrlichen Teil der mittelalterlichen Literatur und Kultur bildetet.

Rhetorik in der Renaissance ( etwa 1350-1600 )

In der Renaissance hat die Rhetorik einen größere und bedeutendere Rolle gespielt als im Mittelalter. Die Rhetorik erlebte einen großen Aufschwung und ihr Einfluss macht sich in allen Bereichen der Kultur bemerkbar. Allerdings hatte die Rhetorik in der Renaissance stets starke Rivalen neben sich, wie die scholastische Philosophie und Theologie, die Berufsfächer Rechtswissenschaften, Medizin und Mathematik, die Künste und die volkstümliche Literatur. Die Nachahmung und die Bewunderung des klassischen Altertums, eines der Merkmale der Renaissance, kamen der Entwicklung und der Verbreitung der Rhetorik zugute. Die Rhetorik zu dieser Zeit wurde durch neue zeitgenössische Faktoren beeinflusst. Sie war nicht hauptsächlich an der politischen oder Gerichtsrede orientiert, befasste sich mit allen Formen der Prosa und ging ein enges Bündnis mit der Ethik ein, da man Prosa und Versdichtung nur als verschiedene Ausdrucksformen für den selben Inhalt ansah. Das Hauptziel der Rhetorik und der Beredsamkeit war nicht mehr die Überredung. Während der Renaissance gehörte die Rhetorik zum Studienbereich der Humanisten und nahm einen wichtigen, vielleicht zentralen, aber nicht ausschließlichen Platz in ihren Studien ein. Die studia humanitatis umfassten außer der Rhetorik auch noch Grammatik und Dichtung, Geschichte und Moralphilosophie.

Den Aufschwung, den die Grammatik und Rhetorik im 14. Jahrhundert besonders in Italien nahmen, führte zu diesem neuen System der studia humanitatis. Wenn man es mit den älteren System der sieben freien Künste vergleicht, so fällt auf, dass sich Dichtkunst und Geschichte als eigenständige Fächer etabliert haben.

Die lateinischen Quellen der Rhetorik in der Renaissance waren die Rhetorica ad Herennium und Ciceros De inventione, die auch im Mittelalter schon zugänglich waren, aber auch Ciceros reifere rhetorische Werke wie De oratore, Orator und Brutus, die erst zu dieser Zeit wiederentdeckt und nun gründlich studiert wurden. Der andere große römische Rhetoriker, Quintilian, war im Mittelalter nur in gekürzter Fassung bekannt und der vollständige Text wurde erst im frühen 15. Jahrhundert wiederentdeckt. Auf jeden Fall hatte der Cicero-Kult der Renaissance, der mit Gasparino Barizza begann eine wesentlich breiter Textgrundlage, als die die den vorigen Jahrhundert zur Verfügung stand. Ein Unterschied von der mittelalterlichen und der Rhetorik in der Renaissance besteht in den unterschiedlichen Quellen und deren Nutzung. Die Rhetorik des Aristoteles wurde in der Renaissance neu übersetzt und viel mehr gelesen. Auch die Berufrhetoriker befassten sich nun mit diesem Werk, während es im Mittelalter fast nur von Philosophen genutzt wurde. Außerdem entstanden im 16. Jahrhundert sehr viele lateinische Übersetzungen aus dem Griechischen, die nun fast das gesamte Erbe der griechischen Kultur der westlichen Welt zugänglich machte. Griechische Redner wurden mehr gelesen und bewundert, besonders Lysias, Isokrates und Demosthenes.

Als Unterrichtsgrundlage benutzen die Renaissance-Humanisten zumeist antike oder sogar mittelalterliche Handbücher und machten Gebrauch von klassischen oder zeitgenössischen Mustern. Die Unterweisung in der Rhetorik beruhte aber wie in der Antike und im Mittelalter nicht nur auf theoretischen Abhandlungen, sondern auch auf Mustersammlungen. Zahlreiche Reden und Briefe von antiken und zeitgenössischen Autoren wurden zum Zwecke der Nachahmung abgeschrieben und gesammelt. Es gab Sammlungen von fingierten Reden und besonders Briefen und Muster für Einleitungen (exordia) und für Briefadressen (salutationes).

Allerdings sind die Reden und Briefe der Humanisten wohl die zahlreichsten Produkte humanistischer Prosa und bildetet trotzdem nur ein Teil von dem, was in der Renaissance geredet und geschrieben wurde. Das meiste, was die Humanisten rhetorisch zum Ausdruck gebracht haben ist, trotz heutiger Kritik, stilistisch sehr gewandt und nach klassischen Kriterien eleganter als die entsprechenden Schriften der mittelalterlichen dictatores. In der Renaissance gab es viele Gelegenheiten bei denen eine Rede vorgeschrieben war. Und bei denen man in späteren Zeiten die Rede durch ein Theaterstück oder eine Aufführung, durch Dichterrezitation oder ein Konzert begleitete oder ersetzte. Die Reden unterschieden sich in Stil und Inhalt vorteilhaft von den mittelalterlichen Beispielen: Es gab Leichen- und Hochzeitsreden, Gesandtenreden, Reden an Päpste, Fürsten oder Beamte bei ihrem Amtsantritt oder anlässlich des Besuches einer Stadt, seltener auch beratende Reden vor einer Versammlung oder einem Stadtrat oder Reden von Rechtsanwälten vor einem Gericht, häufig Universitätsreden (Einleitungsreden, Reden vor oder nach bestandener Prüfung), Reden bei einer akademischen oder geistlichen Zusammenkunft und Reden zum Lob bestimmter Heiliger.

Nicht minder umfangreich als die Reden sind die Briefsammlungen der Humanisten, wobei man zwischen Staats- und Privatbriefen unterscheidet. Die Staatsbriefe wurden zu rhetorischen Zwecken verfasst und kopiert und dienten der öffentlichen Propaganda, wenn sie verbreitet und publiziert wurden. Auch Privatbriefe verfolgten literarische und rhetorische Absichten. Sie wurden oft von ihren Verfassern kopiert und gesammelt. In der Renaissance gab es einen wechselseitigen Einfluss der Poetik und der Rhetorik. Je weniger die Rhetoriker Überredung und politisches Handeln betonten und je mehr sie auf guten Stil beim Reden und Schreiben Wert legten, um so mehr wurden Redekunst und Dichtung zu Geschwisterkünsten des guten Stils. Im 16. Jahrhundert wurde diese Einstellung durch das parallele Studium der aristotelischen Poetik und Rhetorik noch unterstützt. In der Rhetorik betonte man nicht mehr die Überredung, sondern den Stil und die Nachahmung, sowie die Literaturkritik. Die Poetik und die Rhetorik wurden in der Renaissance auch auf die Volkssprache übertragen. Aber die italienische und die andern Volkssprachen mussten ihren Wortschatz, ihre Grammatik und ihren Stil der lateinischen Sprache anpassen, bevor sie alle Funktionen des literarischen Lateins übernehmen konnten. Das zeigt sich deutlich bei Dante und Boccaccio und ist bei den Autoren des 16. Jahrhundert noch deutlicher. Die Stellung der Rhetorik innerhalb de humanistischen Wissenschaften und die Grundbegriffe der traditionellen Rhetorik blieben im 17. und einem Teil des 18. Jahrhundert unverändert. Als das neue System er schönen Künste im Laufe des 18. Jahrhundert allmählich Gestalt annahm, behielt die Beredsamkeit zunächst ihren Platz neben der Dichtkunst bei, wie man dem Werk Baumgartens entnehmen kann, der den Begriff der Ästhetik prägte und sie als philosophische Theorie der Kunst einführte.

Im 18. Jahrhundert vollzog sich ein tiefgehender Wandel in der Theorie und Praxis der Künste, der im frühen 19. Jahrhundert seinen Höhepunkt erreichte und in vieler Hinsicht bis heute andauert. Diese Zeit wird als Romantik bezeichnet. Die Ästhetik der Romantik lehnte alle Regeln in er Kunst ab und pries das Genie und seine Schöpferkraft. Die romantische Bewegung hatte bald zur Folge, dass die Rhetorik als ein System von Regeln vollständig abgelehnt wurde. Die Bewunderung des Ursprünglichen und Spontanen führte zu einer Betonung der Dichtung. Der in einem positiven Sinne verstandene Begriff ,,Rhetorik" verschwand allmählich, obwohl er als Unterrichtsgegenstand an einigen Universitäten fortgesetzt oder wieder eingeführt wurde. Der traditionelle Inhalt der Rhetorik wurde auf mehrere Disziplinen verteilt, die sich von einander in ihren Zielen unterscheiden und die anscheinend nicht einmal in Beziehung zueinander stehen: die Ästhetik, die ein Teil der Philosophie ist; die literarische Forschung und Aufsatzlehre, die verschiedene Teilbereiche der englischen Literatur und anderer Literaturen darstellten; und die Literaturkritik, ein Unternehmen, an dem sich Gelehrte, Schriftsteller und Journalisten beteiligten.

Die Rheorik heute:

Die alte ars dictaminis und die ars arengandi sind spießbürgerlicher Beschränktheit verfallen: Heutzutage gibt es Kurse und Handbücher über die Abfassung von Geschäftsbriefen für zukünftige Sekretärinnen, es gibt Briefsteller mit Vorlagen für Liebesbriefe und mit typischen Beileids-, Glückwunsch- und Empfehlungsschreiben. Es gibt Bücher mit Beispielen für Tischreden, die vor allem Witze und Anekdoten enthalten, die heute genauso regelmäßig eine Rede einleiten wie der Bibelvers die mittelalterliche Predigt. Es gibt in allen Ländern eine blühende Tradition der politischen Rede, aber obwohl man Reden hört, die von Ghostwriters geschrieben werden, ist zur Form und zum Vortrag keine Theorie bekannt.

Von der großartigen Tradition der Rhetorik sind nur einigen Bruchstücke übriggeblieben. Sie tragen nicht mehr ihren Namen, unterscheiden sich in Qualität und Anspruch voneinander, aber sie reichen manchmal aus, um erneut ein Interesse an der Geschichte der Rhetorik zu erregen. Sogar die Aufsatzlehre wurde durch einen Teil des persönlichen Ausdruck ersetzt, was wohl ein Teil jener unter den Pädagogen so weit verbreiteten Tendenz, das Unlehrbare, nicht aber das Lehrbare zu unterrichten.

Kommentar von Paul Oskar Kristeller:

,,Unsere Fähigkeit, gut zu schreiben und zu sprechen, muss durch den Erwerb von Kenntnissen und die Widerlegung von Irrtümern diszipliniert werden; und sie sollte als wirksames Mittel benutzt werden, um Wissen und Einsicht auszudrücken und zu übermitteln. Die Rhetorik ist heute ebenso wie früher wichtig als eine Technik des Ausrucks, denn wir möchten gut und klar schreiben und sprechen und bemühen uns darum. Aber in unserer geistigen Welt und in unserem Erziehungssystem, das diese Welt widerspiegeln sollte, darf die Rhetorik nicht im Mittelpunkt stehen, sondern muss sowohl der Philosophie, als auch den Wissenschaften, der Dichtkunst und den andern Künsten untergeordnet sein."

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Geschichte der Rhetorik
Veranstaltung
LK Deutsch - 13
Note
12NP
Autor
Jahr
2000
Seiten
13
Katalognummer
V95754
ISBN (eBook)
9783638084321
Dateigröße
414 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Geschichte, Rhetorik, Deutsch
Arbeit zitieren
Sabine Marx (Autor:in), 2000, Geschichte der Rhetorik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95754

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