Die Verwendung nicht-konkreter Substantive bei Kindern bis 4 Jahren


Seminararbeit, 1999

29 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


1. Einführung

In der folgenden Arbeit wird untersucht, welche Substantive ein Kind zuerst erlernt und nach welchen Merkmalen dieses Lernen geschieht. Es erscheint logisch zu behaupten, Kinder würden zuerst Substantive in ihren aktiven Sprachschatz aufnehmen, die sie sensomotorisch erfassen können. Erst später kommen dann die weniger konkreten Substantive hinzu, die nicht ausschließlich durch

Sinneswahrnehmungen begriffen werden. Hierzu zählen insbesondere Abstrakta und Substantive, die nur intellektuell-ideell erfasst werden können.

Diese These will die folgende Arbeit aufgreifen und untersuchen, wann welche Substantive im Sprachgebrauch eines Kindes auftauchen.1 Sollte die obengenannte These sich als haltbar erweisen, stellt sich die Frage, in welchem Alter sich der Wortgebrauch signifikant ändert und welche Besonderheiten die vom Kind benutzten Wörter aufweisen.

Eine solche Untersuchung erfordert umfangreiches „Beweismaterial“. Dieses Material ist durch mehrere Arten zu bekommen. Eine davon ist, regelmäßige Aufzeichnungen durch die Eltern oder einer nahestehenden Person mit ähnlich intensiven Kontakt zu dem Kind zu führen. Diese Methode, die sprachliche Entwicklung eines Kindes zu beobachten und aufzuzeichnen, erfordert viel Zeit und einen praktisch immer griffbereiten Stift mit Block. Der enorme Vorteil dabei ist, daß meist nur Eltern genau verstehen, was ihre Kinder zum Ausdruck geben. Bei Eltern lassen Aufzeichnungen weniger Interpretationen zu als bei fremden Beobachtern, da Eltern doch eher verstehen, was ihr Kind äussert, selbst wenn es noch relativ unverständlich erscheint. Der Nachteil einer Untersuchung durch die Eltern ist, dass das Ergebnis stark einer Voreingenommenheit ausgeliefert ist: die Eltern bestimmen, was aufgeschrieben wird und schreiben möglicherweise nur das auf, was für sie logisch und passend erscheint. Die Alternative zu handschriftlichen Aufzeichnungen, eine Beobachtung durch Video und Tonband, ist allerdings noch wesentlich aufwendiger und das Kind würde sich vermutlich beobachtet fühlen. Eine andere Möglichkeit an Beweismaterial zu gelangen, ist die, in bestimmten festgelegten Intervallen, beispielsweise jeden Dienstag Nachmittag, das Kind zu beobachten. Das Ergebnis wäre vermutlich ähnlich wie eine Dauerbeobachtung. Die Schwankung liegt hier in der Tagesform des Kindes. Eine dritte Möglichkeit ist es, gezielte Tests durchzuführen. Hier hängen die Antworten des Kindes aber sehr stark von der gestellten Frage oder Aufgabe und von der Tagesform des Kindes ab. Insofern ist ein Test stark manipulativ und kann ein Ergebnis verfälschen.

Sinnvoll für ein Ergebnis wären demnach mehrere Tagebücher und Aufzeichnungen, die miteinander verglichen werden müssten. Die Anzahl der Kinder, über die es Aufzeichnungen gibt, sollte so groß sein, dass ein repräsentatives Ergebnis zum Vorschein kommt, denn alle Kinder sind ja unterschiedlich in ihrer Entwicklung.2 Genau hier ist die natürliche Grenze der vorliegenden Arbeit: eine Gesamtuntersuchung über alle verfügbaren Aufzeichnungen kann sie nicht leisten, zumal die Aufzeichnungen in russischer Sprache sehr beschränkt sind. So basiert diese Arbeit hauptsächlich auf einem Tagebuch. Sofern von Belang sind auch Ergebnisse aus Forschungsarbeiten und Korpora in anderen Sprachen mit eingeflossen. Allerdings wird darauf hingewiesen, dass die meisten anderen Arbeiten ihr Potential bei den konkreten Substantiven ab dem 5. Lebensjahr haben, so dass die meisten von ihnen für diese Arbeit irrelevant waren.

Daher kann die vorliegende Arbeit auch kein absolutes und globales Ergebnis liefern, sondern „nur“ Theorien und Thesen unterstützen. Innerhalb der Arbeit gibt es aber ein Ergebnis, das sich zumindest statistisch einem Gesamtergebnis annähert, da dieses Tagebuch und die sich daraus ergebene Masse an Wörtern vollständig untersucht wurde.3

2. Theorie des Spracherwerbs

Der Spracherwerb bei Kindern stellt den Schlüssel zu vielen linguistischen Aufgabenstellungen dar und zählt daher zu einem der wichtigsten Bereiche der Linguistik. An verschiedenen Theorien und Ansätzen mangelt es bis heute nicht. Der intellektuelle Prozeß des Spracherwerbs ist dabei schwer zu erforschen, denn wer weiß schon genau, was ein Kind tatsächlich denkt. Zudem gibt es keine umfassende und zufriedenstellende Theorie der Wortbedeutungsentwicklung.4 Die zentrale Frage ist dabei, ob ein Kind Wörter bewusst erlernt oder der Gebrauch von Wörtern am Anfang quasi zufällig passiert. Theoretisch ist es so, dass der Inhalt bzw. die Bedeutung eines Wortes bekannt sein muss, um es passend zu äussern. Zudem muss dem Sprecher klar sein, in welchen Zusammenhängen und syntaktischen Strukturen ein Wort verwendet wird. Ein von einem Kind nachgeplappertes Wort muss diese Eigenschaften nicht besitzen, auch wenn es zunächst passend erscheint. Diese Tatsache ist besonders bei der Untersuchung von Kindersprache wichtig, denn das Kind muss die Beziehung einzelner Objekte zueinander erfassen lernen und sie demnach auch voneinander abgrenzen können. Das Kind muss begreifen, was ein Wort inhaltlich genau bezeichnet und was es von einem anderen Wort unterscheidet, das vielleicht ein sehr ähnliches Objekt bezeichnet. Die Bedeutung eines Wortes differenziert sich erst im Laufe der Zeit immer mehr. So ist für ein Kind ein Hund zunächst alles, was vier Beine hat und aufen kann. Nach und nach kommen dann Merkmale wie „Fell“, „bellen“, „an der Leine“, „Bein heben“ hinzu, die diesen Begriff gegenüber anderen Vierbeinern abgrenzt. Je jünger das Kind ist, desto häufiger gibt es Überdehnungen: am Anfang mag für ein Kind alles was vier Beine hat ein Hund sein, auch eine Kuh oder eine Maus. Dieses löst sich im Laufe der Zeit, wenn das Kind begreift, dass eine Kuh zwar auch vier Beine hat, aber im Gegensatz zum Hund Milch gibt und ein Euter hat. Erst wenn das Kind älter wird, wird die Bedeutung spezifischer.5

Bei der Untersuchung von Kindersprache ist es unerlässlich zwischen Konkreta und Abstrakta zu unterscheiden, weil ein konkretes Objekt, das ein Kind sehen, hören, fühlen, riechen oder schmecken kann, zeitlich viel eher „entdeckt“ und bezeichnet wird als etwas Abstraktes, was ausserhalb des sensomotorisch erfahrbaren Bereiches liegt.6 Am Anfang ist das Kind, die Situation und die umgebenden Objekte eine nicht voneinander trennbare Einheit. Diese Einheit ist im Gedächtnis des Kindes als holistische Ganzheit repräsentiert. Die meisten Kinder fangen mit einem Alter um 1;00 (ein Jahr und kein Monat) an, die ersten erkennbaren Wörter zu produzieren.7 Zunächst lernt das Kind 40-50 Wörter aus seinem unmittelbaren Umfeld. Welche Worte zuerst von einem Kind verwendet werden, hängt stark mit der unmittelbaren Umgebung eines Kindes ab. Die ersten benannten Denotata8 sind meist in direkter Umgebung des Kindes zu finden und sensomotorisch gut erfahrbar.9 Die Denotata müssen daher zählbar und in ihrer Gestalt erfassbar sein. Es ist aber noch weitestgehend ungeklärt, wie genau die Gestalt beschaffen sein muss, damit sich ein Kind an ihr orientiert.10

Ab etwa 1;08 bricht die Phase der Objektpermanenz11 auf; das Kind kann Objekte benennen, auch wenn sie im Moment nicht wahrnehmbar sind. Das bedeutet, dass das Kind nun in der Lage ist, „...das Objekt unabhängig von seiner physikalischen Präsenz im Gedächtnis zu repräsentieren.“12 Hier weitet sich der Wortschatz des Kindes sprunghaft aus. Meist geschieht dieses, wenn bereits 50-100 Wörter erworben wurden. In dieser Phase scheinen Kinder zu merken, dass alle Dinge Namen haben und kategorisiert werden können.13 Insgesamt spricht man in dieser Zeit von einer Vokabelexplosion oder einem Vokabelspurt. Dieser Vokabelspurt geht bis etwa 2;08 und flacht dann wieder ab. In dieser Zeit beschäftigen sich Kinder im wesentlichen mit konkreten Objekten; erst wenn sie etwas älter sind fangen sie an abstrakte und ideelle Wörter zu benutzen.14 Von etwa 2;00 Jahren an lernen Kinder etwa 10 neue Wörter pro Tag, bis sie mit 6;00 Jahren einen Wortschatz von etwa 14000 Wörtern beherrschen.15

3. Das Tagebuch Gvozdevs und weitere interessante Quellen

Die Basis zur Untersuchung von Kindersprache in dieser Arbeit war die Longitudinal-Studie des russischen Linguisten Aleksandr Nikolaevic Gvozdev (1892 - 1952): „Ot pervych slov do pervogo klassa. Dnevnik naucnych nabljudenij“16, erschienen 1981 im Verlag der Universität Saratov. In diesem Tagebuch notiert Gvozdev alle interessanten und neuen Äußerungen seines Sohnes Evgenij (Ženja, 1921 - 1941). Dieses Tagebuch ist die ausführlichste Quelle zur Kindersprache in russischer Sprache und in dieser Form auf dem Gebiet der UdSSR einmalig.

Gvozdev schreibt nicht nur oberflächlich mit, sondern notiert auch vieles, was sonst vielleicht als belanglos gegolten hätte. Nur dadurch ist eine enorme Fülle an Material vorhanden. Selten gibt es einen Tag, an dem er nichts zu schreiben hätte. Zudem wird fast jede Äußerung, die Ženja macht, von Gvozdev kommentiert. Er notiert sie in einer phonetischen Umschrift und ohne Fehlerkorrektur, übersetzt sie in die normale russische Schriftsprache und setzt dann, sofern erforderlich, die Situation in einen Gesamtkontext, um sie verständlich zu machen.

Sicher gibt es auch Wörter, die Gvozdev unterschlagen oder vergessen hat. Aber durch die Menge an Aufzeichnungen und die Länge des Beobachtungszeitraums ist es möglich statistisch allgemeine Aussagen zu treffen, die pauschal auch für andere Kinder gelten können.

Ausgehend von diesem Tagebuch existieren noch einige Forschungsarbeiten, die alle Ženjas erste Sprechversuche zum Untersuchungsgegenstand haben. Ein kleines Wörterbuch basierend auf dem Tagebuch ist 1990 in Saratov unter Gvozdevs Namen (bearbeitet von O. V. Djumina und anderen) erschienen: „Razvitie slovarnogo zapasa v pervye gody žizni rebenka“17. In monatlichen Abständen bis zum Alter von 2;0518 wird Bilanz gezogen und alle bei Ženja neu erscheinenden Wörter in verschiedene Kategorien gefasst.19 Der Schwerpunkt liegt dabei, trotz auch behandelter Verben, bei den konkreten Substantiven.

Eine weitere Abhandlung, die für diese Arbeit hilfreich war, ist das „Slovar‘ detskoj reci“20 von Vera Konstantinovna Charcenko aus Belgorod 1994. In dieser Querschnittsstudie sind, alphabetisch nach Wörtern, Sätze aufgenommen, die in irgendeiner Weise von verschiedenen Kindern geäußert wurden. Dabei handelt es sich ausschließlich um nicht „richtig“21 verwendete Wörter. Da nicht klar ist, wieviele Kinder untersucht wurden und es sich bei den aufgezeichneten Sätzen um gezielt ausgewählte handelt, kann dieses Werk aber lediglich als Ergänzung und zusätzliche Untermauerung für einzelne Thesen fungieren.

In der deutschen Sprache gibt es sechs große Korpora, die auf unterschiedlichste Weise Kindersprache aufgezeichnet haben.22 Die bedeutendste Arbeit im deutschsprachigen Raum dürfte dabei die Arbeit des Ehepaar Stern sein, die Anfang des 20. Jahrhunderts ihre drei Kinder beobachteten.23 Eine weitere interessante Arbeit dürfte das „Dortmunder Korpus“ von Klaus R. Wagner sein, der 13 Kinder im Alter von 1;05 bis 14;10 untersucht hat.24 Weiter sei auf die internationale Datenbank CHILDES (Child Language Data Exchange System) verwiesen, die das Ziel hat, verschiedene Korpora in einer großen Datenbank zu integrieren. Hier sind im wesentlichen Daten aus Korpora von englischsprachigen Kinder zu finden, aber auch das Stern-Korpus und Korpora aus anderen Sprachen sind hier vertreten.25

4. Die Untersuchung

Die Grundlage der folgenden Untersuchung ist das bereits erwähnte Tagebuch Gvozdevs. Ausgehend von der These, dass Kinder zunächst konkrete, dann nicht-konkrete Wörter lernen, werden hier die Substantive untersucht, die im Alter von 0 bis 4 Jahren verwendet werden, In einem ersten Schritt wurden zunächst alle Substantive erfasst, die das erste Mal auftauchen und anschliessend in verschiedene konkrete und nicht-konkrete Kategorien einsortiert. Die konkreten Substantive lassen sich unterteilen in:

- belebtes Substantiv (Person)
- belebtes Substantiv (Tier)
- unbelebtes Substantiv (natürlich)
- unbelebtes Substantiv (Artefakt)

Die nicht-konkreten Substantive lassen sich unterteilen in:

- biplane Substantive
- ideelle Substantive
- abstrakte Substantive (oder Substantive durch Transposition).

Biplane Substantive bezeichnen die Substantive, die zwar sensomotorisch erfahren werden können, aber eine starke ideelle Komponente besitzen. So ist zum Beispiel der Gegenstand, den das Wort „Geld“ bezeichnet, durchaus konkret erfahrbar, aber im Gegensatz zu „Metallstück“ oder „Papierstück“ steckt in diesem Wort auch die Bedeutung, dass dieses Stück Metall oder Papier einen Wert besitzt, welches eine eindeutig ideelle Komponente des Wortes „Geld“ ist. Das Wort ist daher biplan; es besitzt (mindestens) eine konkrete und (mindestens) eine ideelle Komponente.

Ideell ist ein Substantiv dann, wenn es etwas bezeichnet, das nicht sensomotorisch erfahrbar ist; zumindest nicht in seiner Gesamtheit. Ein Beispiel hierfür ist das Wort „Stadt“. Eine Stadt kann nicht in ihrer Gesamtheit sensomotorisch erfasst werden. Wohl kann ein Haus angefaßt und auch gesehen werden, aber nicht die komplette Stadt, denn sie ist zu groß. Das Substantiv „Stadt“ stellt daher einen ideellen, also intellektuell erfassten Begriff dar. Dabei soll hier der prototypische Gebrauch gelten. Natürlich kann eine Stadt komplett aus dem Weltraum gesehen werden, aber es geht hier nicht um extra kompliziert herbeigeführte Umstände, sondern um den Normalfall. Auch Wörter wie „Zeit“ oder „Jahr“ sind ideelle Substantive, sie existieren nur aufgrund erdachter Kategorien. Um ideelle Substantive zu verstehen ist demnach eine intellektuelle Leistung notwendig.

Abstrakte Substantive sind insbesondere Substantive, die durch Transposition entstanden sind. Hierzu zählen insbesondere substantivierte Verben (das Lesen, das Schöne, etc.). Nach der Kategorisierung jedes von Ženja zuerst verwendeten Substantivs wurde das Tagebuch noch einmal nach den nicht- konkreten Substantiven durchsucht, um die Entwicklung gerade dieser „schwierigen“ Kategorien zu beobachten, von denen ja ausgegangen wird, dass Kinder sie erst später lernen würden. Es liegt also im ersten Schritt eine Liste mit verschiedenen Worttypen vor26, jedes Wort nur einmal und mit dem ersten Erscheinungsdatum versehen. Wichtig bei einer Kategorisierung ist, dass jedes Substantiv getrennt beobachtet wird, also aus Sicht der Erwachsenen- und aus der Sicht der Kindersprache. Ein im normalen Gebrauch ideelles Wort, kann von Ženja durchaus als ein konkretes Wort benutzt worden sein, weshalb jedes Wort in eine „Erwachsenenkategorie“ und in eine „Kinderkategorie“ einsortiert wurde. Anhand dieser Liste von Substantiven im Erstgebrauch, soll versucht werden, Thesen zu stützen oder in Frage zu stellen. Im zweiten Schritt wird nun eine Liste mit lauter Vorkommnissen27 erstellt, in der, sofern vorhanden, jedes nicht-konkrete Substantiv mehrmals erfasst ist; jeweils dann, wenn es von Ženja verwendet wird. Um vielleicht eine bestimmte Verteilung feststellen zu können, bietet sich eine Einteilung in folgende Kategorien an:

- ‚Eigenschaftssubstantive‘
- ‚Eindruckssubstantive‘
- ‚Gebäude- und Institutionssubstantive‘
- ‚Gruppensubstantive‘
- ‚Handlungssubstantive‘
- ‚Natursubstantive‘
- ‚Relationssubstantive‘
- ‚Symbolsubstantive‘

Aufgrund aller von Ženja genannten Substantive erscheint eine Einteilung in diese Kategorien sinnvoll. Interessant ist es im Folgenden zu beobachten, ab wann welche Kategorie von Ženja verwendet wird und welche er besonders gut zu verstehen vermag.28 Eine Schwierigkeit bei dieser Untersuchung stellt die Tatsache dar, dass es zum Gebrauch von konkreten Wörtern, etwa zum Gebrauch von Tierbezeichnungen u.ä. jede Menge Untersuchungen gibt, aber nicht speziell zu den nicht-konkreten Äußerungen. Zudem werden Kinder häufig auch im Alter von 5-8 Jahren, also ausserhalb meines Erforschungszeitraumes, beobachtet. Daher stehen die Ergebnisse sozusagen für sich.

5. Ergebnisse

Untersucht wurde Gvozdevs Tagebuch im Zeitraum von 1;07 bis 3;11. Innerhalb dieser Zeit äussert Ženja insgesamt 546 verschiedene Substantivtypen. 518 von diesen Substantiven sind beim Erstgebrauch für Ženja konkret (94,88%). In der Erwachsenensprache sind dieses 460 Wörter (84,25%). Diese Zahlen belegen noch nicht viel, sind aber ein Indiz dafür, dass Kinder in diesem Alter konkrete Wörter zuerst äussern und zudem kaum nicht-konkrete Wörter benutzen.29 Nicht-konkrete Wörter sind meistens für das Kind noch konkret. Von den 86 in der

Erwachsenensprache nicht-konkreten Substantiven sind nur 21 auch für Ženja beim Erstgebrauch nicht konkret.

In dem Alter, in dem Kinder die meisten Fortschritte beim Spracherwerb machen (ab etwa 2;07 bis 3;06), tauchen die für Erwachsene nicht-konkreten Substantive auch bei Ženja verstärkt auf. Er versteht sie hauptsächlich als konkrete Wörter.30 Auffällig bleibt, dass, obwohl er sie als Konkreta benutzt, sie dennoch erst ab 2;07 auftauchen. Die nicht-konkreten Wörter scheinen von Ženja also durchaus schon als komplexe Wörter erfasst worden zu sein, wenn sie das erste Mal auftauchen. Nur die Komponente, die es zu einem nicht-konkreten Substantiv werden lässt, wird noch nicht oder nur peripher erfasst. Dieses gilt insbesondere für die biplanen Substantive. Auffällig ist, dass der Unterschied zwischen Erwachsenen- und Kinderkategorie besonders bei dieser Kategorie sehr hoch ist (58 Erwachsenensubstantive : 6 Kindersubstantive, d.h., nur etwa ein Zehntel wird von Ženja sofort als biplan verstanden). Die zuerst benutzten rein ideellen Substantive, insgesamt 16, werden immerhin zu 50% von Ženja sofort als ideelle verstanden(16:8). Bei den abstrakten Substantiven sieht es ähnlich aus: 12:7. Möglicherweise hat es damit zu tun, dass es bei ideellen und abstrakten Substantiven keine Möglichkeit gibt, sie anders zu verstehen. Bei biplanen Substantiven besteht für das Kind beim Wortgebrauch immer die Möglichkeit, die konkrete Ebene zu motivieren. Will ein Kind jedoch ein rein abstraktes oder rein ideelles Wort benutzen, muss es entweder den Inhalt des Wortes tatsächlich begreifen, oder es plappert das Wort einfach nach. Eine beabsichtigte Anwendung eines abstrakten oder ideellen Substantivs erfordert also tatsächliches Verstehen. Dieses muss bei biplanen Substantiven nicht der Fall sein. Daher differiert die Kategorisierung zwischen Erwachsenen- und Kindersprache bei biplanen Substantiven sehr stark, aber bei ideellen und abstrakten Substantiven weniger.

Die Untersuchung der Häufigkeit des Auftauchens aller nicht- konkreter Substantive lässt weitere Thesen zu. So tauchen die 86 nicht-konkreten Substantive, die als einzelne Worttypen schon betrachtet wurden, nun 207 mal auf. Dabei ändert sich die Gesamtverteilung fast nicht. Von diesen insgesamt 207 geäusserten Substantiven sind 165 biplan, 22 ideell und 20 abstrakt. Interessant ist dabei, dass Ženja fast ein Viertel, nämlich 57 von 207 Substantiven, „richtig“ verstanden hat, also als Wort mit nicht- konkreter Komponente.

Bei der Einteilung in die genannten Substantivkategorien erscheint folgendes Ergebnis31:

a) 'Eigenschaftssubstantive' (Substantive, die eine Eigenschaft

bezeichnen):

- ???????? (Dummheit, Blödsinn - 2;10)

- ???? (Elend, Übel - 1;09)

- ???? (Kraft - 2;08)

- ??????? (Feuchtigkeit - 2;06)

- ??????? (ekelhaftes Zeug - 2;00)

Das Wort ???????? verwendet Ženja mit 2;10 (? «? ????? ???? ?????? ???, ? ?? ????? ???????: ???? ????? ?? ? ???? ???

??? ? -??. ???? ?????? ????? ?? [...] ??????? ?????? ??????????: ???????? ? ??????? . »)32 und mit 3;04 (? «?? ?????? ??? ??, ? ? ??? ?????? : ?? ??? ??????? ??: ? ? ? ? ? ???????? ?. ??? ???? ?????????? [...] ???, ? ??? ????? ????? ?? ???????, ? ??, ???????????? ?? ???, ?????? ??????: ? ? ?? ?? ???????? ?, ??? »)33 ; es liegt also fast ein halbes Jahr dazwischen. In ihrer jeweiligen Bedeutung scheint das Wort vollständig erfaßt worden zu sein, dennoch sind diese beiden

Vorkommnisse zuwenig, um sie als 100% verstanden anzusehen.

Bei ??????? ist es ähnlich: (2;00, ? « ??? ??????? ?. ????? ??? ??????, ?? ???????? ? ???? ????? ? ????????????.»)34 Der Verdacht des Nachgesprochenen liegt bei diesem Beispiel nahe. Mit 2;07 taucht es nochmal auf, hier ist der Eindruck noch deutlicher, dass Ženja es noch nicht verstanden hat (? Er bekommt einen Fisch aus Schokolade geschenkt: «?????? ? ??? ??? ???????????? ?????. ? ? ?????? ? ???????: ?????i

??????? ? ! ?? ????? ???????, ?? ? ????? ???????? ??

???????????? ????????? ??????? ????????: ???? ? ? ? ?.»)35

Alle diese Substantive verwendet Ženja zwar im richtigen Zusammenhang. Aber selbst Gvozdev stellt es im Tagebuch in Frage, daß sein Sohn sie richtig verstanden haben könnte. Vermutlich spricht er sie nur nach.

Einzusortieren sind diese Substantive entweder bei den abstrakten Substantiven, die durch Transposition gebildet werden (alle mit der -???-Endung) oder bei den ideellen Substantiven. Auch Clark geht davon aus, dass Kinder nicht vor dem 7. Lebensjahr Substantive mit dem Suffix „-????“ verwenden: „Not until age six or so do they coin any nouns [...] with the suffix -ost ‘ (analogous to English -ness).“36

b) ‚Eindruckssubstantive‘ (Substantive, die sich sehr stark auf einen

Eindruck und/oder auf ein Gefühl beziehen):

- ??? (Traum - 2;08)
- ??????? (Leidenschaft - 2;09)
- ?????? (Musik - 2;00)

??? verwendet Ženja mit 2;08 zum ersten Mal (? « ?????

?????? ?????. ???????, ??????????? ????? , ????? ??????.

?? ?????? ????? ?? ???????? ?????? ????? ?????????»)37. Ein paar Tage später wird deutlich, dass er den Sinn vom Wort „???“ noch nicht völlig erfasst hat (? « ? ????? ?????? ???i?. ??????? ?????. ???? ??????????: ??? ?? ?? ?????: ???????, ???????? ?? ???????: ??????. ?????? ???? ????? »).38 Ein halbes Jahr später scheint Ženja den Sinn verstanden zu haben, denn seine Äußerung zeigt diesmal, dass ein Traum für ihn nun tatsächlich etwas ist, was nicht real ist. Es ist zwar durchaus denkbar, dass er vorher schon eine Ahnung hat, was ein Traum ist. Jetzt aber ist es überdeutlich (3;04 ? « ? ?? ???? ?????,

??? ? ??? ? ???i?, ? ?????i? ? ? ???i?. ? ???????,

??????????, ??? ??? ???????? ? ????? ??????: ? ????? ??? ????? ??: ? ? ??? ???? ? ????. »).39 Die ideelle Komponente, daß scheinbar reale Bilder im Schlaf verarbeitet werden, die aber nicht der Realität entsprechen, kommt hinzu.40 ? ??? ?? ist für Ženja einfach etwas, was Geräusche macht. Die Geräusche sind für ihn sensomotorisch wahrnehmbar. Die ideelle Komponente, dass es sich dabei um bewußt konstruierte Geräuschgeflechte handelt, die auch als schön empfunden werden sollen, ist für Ženja noch nicht nachzuvollziehen. Zwar verwendet er das Wort mit 2;00 richtig für Musik, aber mit 2;01 wird deutlich: «?? ????? ???????? ???????: ? ?????

????????. »41

Alle Eindruckssubstantive haben eine starke ideelle Komponente, aber ebenso eine konkrete. Sie sind daher allesamt biplan. Einige empfindet auch Ženja als biplan, wie etwa ???. Allerdings ist es schwer zu beweisen, ob das Kind bereits die komplette

Biplanität, also sämtliche ideelle Komponenten erfaßt hat oder nicht.

c) ‚Gebäude-/Institutionssubstantive‘ (Substantive, die ein Gebäude oder eine Institution bezeichnen):

Diese Kategorie ist eine der größten nicht-konkreten Gruppen und umfaßt zu 99% biplane Substantive. Sie ist zudem eine der Kategorien, aus der Ženja schnell einige Wörter begreift:

- ?????? (Garten - 2;00)
- ????? (Laden, Geschäft - 2;01)
- ????? (Markt - 2;01)
- ??????? (Kirche - 2;01)
- ????? (Schule - 2;04)

? ????? hat er seit der ersten Verwendung als biplanes Wort in seinem Konzept und weiß sehr wohl, daß zu einem Garten auch der Obst- und Gemüseanbau dazugehört (? « ????? ????? ?????. ????? ? ????. ????? ? ????????. [...] ?? ??????? ?? ?? ??? ?? ???? ? ?? ?????, ??? ?????? ? ????????. ?????????? ???????? ?? ???? ?? ????, ? ? ??? ????? ?? ????. [...] ?????? ?? ????? ??????????? ????????? ? ???????????,...» 2;00)42 Diese Verwendung von «??????» setzt sich tatsächlich auch weiter fort. Dabei scheint es für Ženja unerheblich zu sein, ob die Rede vom eigenen oder vom fremden Garten ist. Er nimmt die

Funktion des Gartens wahr (? « ??? ??????! ??? ?????? ?????? ?????? ???? ????? ? ??????? ??????? ???????? ? ???????? ?? ??????. ?????? ?? ????? ?????, ????? ????, ??????? ??????? ?? ????????? ?? ????????? ? ??????.» 2;07)43 und kennt die Information, die den Garten von einem unbearbeiteten Stückchen Land unterscheiden (? auf die Frage nach dem Sommer und den damit verbundenen Ereignisse sagt

Ženja: « ????? ???, ??????, ?? ?????. ?????? ???? ?? ?

???????. » 3;00).44

Im Gegensatz dazu, wird ????? noch nicht vollständig als biplanes Wort erfasst: (? « ??? ????? ??. ?? ?????? ??????. ?

??????, ??? ? ?????? ????? ???. ?? ??? ?? ? ????????.» 2;05)45 Zwar scheint ihm die spezielle Lokalität bekannt zu sein, aber es ist nicht zu belegen, dass er den ideellen Sinn eines Ladens erfasst (? «?????? ? ???? ????? ???? ? ??????????: ? ??? ????? ??? ????? ?: ?????? ??: ? ? ?? ????? ? ???? - ? ???-?? ????? ??????? ???, ??? ???? ???????? ?? ????. ?: ????????. ??: ? ?????? ??????? ?: ??. ??: ? ??? ???? ?????? ????? ?? ?????? ???????? ? ?????? ?? ????????.» 3;08)46 Gerade das letzte Beispiel zeigt, dass Ženja zwar schon versteht was man beim Fleischer bekommen kann, aber der Verdacht drängt sich auch auf, dass ihm einige Typisierungen und Spezifizierungen noch nicht geläufig sind.47

????? ist dagegen eines der deutlichsten Beispiele, in welcher Weise Ženja biplane Wörter zunehmend begreift. (? « ????? ?????. » 2;01)48 Als konkreter Ort ist der Markt ihm bereits bekannt. Aber mehr als ein Ort wohin man gehen kann, ist es auch nicht. Mit 2;05 wird deutlich, was es auf dem Markt gibt (? » ? ? ???? ? ? ???? ?????? . ?? ????? ?? ???? ?? ???????? »)49 Die Komponente, daß es dort (vor allem) Lebensmittel gibt, hat er erfasst. Aber noch ist das Wort konkret und ideelle Komponenten nicht erwähnt. (? « ?????? ?? ????? ? ??????? ? ????. » 2;06)50 In diesem Zusammenhang, beim Spiel mit Puppen, wird deutlich, daß Ženja schon versteht, daß auf einem Basar die

Waren getauscht/gekauft werden und nicht einfach so mitgenommen werden. Hier erscheint das erste Mal die ideelle Komponente „Austausch“. Dass auch Rummel und Trubel ein wesentlicher Bestandteil von Markt ist begreift Ženja auch: (? « ? ????? ?? ?????? ????????? ? ?????? ????????. » ; 3;08)51 . ??????? ist eines der Wörter, welches zwar oft benutzt wird und bei dem auch permanent eine neue Komponente hinzukommt, aber die ideelle Seite dieses Gebäude ist für Ženja nicht zu erfassen.

? ???? ist der Arbeitsplatz des Vaters und der Ort, wo das Geld herkommt. Der Gedanke, dass dort irgendetwas wichtiges gelehrt werden könnte, kommt Ženja nicht.

Insgesamt lässt sich belegen, dass Ženja seine ersten biplanen Wörter in der Kategorie der Gebäude und Institutionen verwendet. Sie tauchen bei Ženja ab 2;00 auf, die erste Biplanität erfasst er ebenfalls mit 2;00. d) ‚Gruppensubstantive‘: (Substantive, die Kollektiva, Stoffnamen oder einfach Gruppierungen bezeichnen):

Gruppensubstantive sind fast alle biplan oder nur ideell, je nachdem ob es sich um eine Gruppe konkreter oder ideeller Objekte handelt. Biplan sind etwa

- ???? (Dinge - 2;06)
- ????? (Dreck - 1;10)
- ?????? (Geld - 1;10)
- ????????? (Medizin - 2;05)

???? kann alles bezeichnen - und das muss ein Kind erst einmal wissen (? « ? ??? ?? ??? ??? ????? » = Spielzeug, 2;10)52 Hier verwendet es Ženja in einem Kontext, der es für möglich erscheinen lässt, dass er dieses als Redensart aufgeschnappt hat. Die typische Verwendung für Kleidung taucht bei ihm mit 3;05 auf: (? « ? ??, ?? ?? ??????? ??????? ?? ??????, ? ?i? ?????-?? ??? »)53

????? hat für Ženja anfangs eine konkrete Bedeutung, nur das gefühlte „Geschmiere“ ist von Belang, nicht das dieser Begriff auf alles Dreckige angewendet werden kann. Auch die Unterscheidung zwischen beschmutzt und dreckig ist ihm nicht bekannt. (? 1;10: « ?????. ???????, ????????? ??????????? ????.»)54 Erst später kommt der Aspekt hinzu, dass es sich bei ????? um etwas nicht Schönes handelt. Mit 2;11scheint es aber bereits klar zu sein (« ...???????? ? ???? ?i??? ?????. ????

???? ????? ????? ? . » ) 55 Der ästhetische Aspekt, daß Dreck nichts Schönes ist, etwas was weggemacht werden oder vor dem man sich schützen muss, wird hier klar und somit auch die ideellen Komponente „unangenehm“.

?????? ist eines der Gruppensubstantive, an denen gut abgelesen werden kann, in welcher Weise Ženja neue Aspekte dazulernt. Mit 1;10 zeigt er auf einen Knopf und bezeichnet ihn als Geld56, eine Woche später ist es das richtige Geld auf das er zeigt (? « ????? ?????? ? ?????. ?, ?????????????, ?????? ?????????? ????, ??? ????? ??????.») .57 Aber er kommt noch nicht über die konkrete Verwendung hinaus, Geld ist für ihn ein „normaler“ Gegenstand, das den ideellen Aspekt des Tauschwerts noch nicht besitzt.58 Ab 2;08 kommt ein weiterer Aspekt hinzu, als Ženja mitbekommt, dass der Vater das Geld aus der Schule mitbringt, in der er arbeitet. Das Geld ist also nicht einfach immer im Hause, sondern kommt von irgendwoher. Dennoch ist Ženja noch nicht klar, dass es einen Zusammenhang zwischen der Arbeit und dem Geld geben könnte. Der ideelle Aspekt der Vergütung bzw. des Austauschs ist noch unklar (?

« ???, ?? ? ? ???? ?????? ????? ?????? ?? ????????,

??? ??? ??? ? ??? ??? ??????. ????????? ????? ???? ?

???????, ??? ????? ? ????? ?????????? ? ?????????.»)59 Mit 3;00 der erste Hinweis, dass Ženja Geld als biplanes Wort verstanden haben könnte (? «?? ??? ??????? ?????? ??????? ? ???????: ?????, ????? ?????? ?????????. ??: ?? ? ??? ???? ?

???????i ??????. »)60 Zwar ist vordergründig wieder ein bestimmtes Geldstück / Metallstück gemeint, aber ihm ist mittlerweile klar, dass man für Geld im Tausch etwas bekommt.61 Den genau definierten Wert kennt Ženja allerdings nicht. Dennoch ist dieses bereits eine biplane Wendung, da er den Sinn des Geldes (Geld geben - Gegenstand im Geschäft bekommen) begriffen hat, was auch im weiteren Verlauf der Aufzeichnungen Gvozdevs deutlich wird.62 Mit 3;06 kommt der ideelle Aspekt arm/reich dazu: (? « ???? ?? ????? ???????, ?? ?????

??????? ? ??????? »)63 Mehr als diese beiden ideellen Aspekte („Austausch“ und „Geld = reich“) kann Ženja aber nicht erfassen. Das Geld beispielsweise ein „allgemein akzeptiertes Mittel der Wertübertragung“64 ist und in unterschiedlicher Art und Weise auftritt (Schecks, Konto, etc.), wird erst später deutlicher.65 ????????? ist ein undeutliches Wort. Ženja benutzt es, aber es ist vielmehr die konkrete einzelne Pille, die er meint. Immerhin weiß er mit 2;11 schon, dass man Medizin in der Apotheke bekommt (? « ? ? ?????? ? ??? ???. ?????? ??

??????? ??? !»).66

Die oben genannten Gruppensubstantive sind als einzelne Gegenstände konkrete Gegenstände, wogegen z.B. · ???????? (Besonderheit, Seltsames - 3;00)

- ???? (Sache, Ding - 2;07)

ideell sind. Als einzelnes Ding sind sie entweder undifferenziert oder sensomotorisch nicht zu fassen. Diese Art von Gruppensubstantiv wird später und seltener benutzt als die biplanen, im Einzelnen konkreten Gruppensubstantive. ???????? taucht nur zweimal auf, ???? sogar nur einmal. Das ist zuwenig um eine allgemeingültige Aussage zu treffen.

e) ‚Handlungssubstantive‘: (Substantive, die eine Handlung bezeichnen):

Handlungssubstantive stellen eine für Ženja noch recht unwesentliche Gruppe von Substantiven dar. Meist werden sie aus Verben gebildet. Dazu gehören Substantive wie

- ?????? (Arbeit - 3;02)

- ???????? (Verzeihung - 2;06)

Letzteres Wort gehört zu den Abstrakta und wird von Ženja nur unverstanden nachgeplappert, während ?????? von ihm als rein konkretes Wort gebraucht wird. Das Verstehen von Arbeit als eine anstrengende Handlung, die einen auch ins Schwitzen bringen kann, die begreift Ženja bereits. Allerdings fehlt noch die ideelle Komponente des Zwecks der Arbeit (3;02 ? « ? ????. ????? ????? ? ? ?. ?????????? ????? ?. ? ????, ? ?? ???????? ?? ???? ? ??????.»).67

Handlungssubstantive tauchen sehr selten (insgesamt dreimal) ab 2;06 auf und werden von Ženja nur konkret oder gar nicht verstanden.

f) ‚Natursubstantive‘ (Substantive, die natürliche Gegebenheiten oder Ereignisse beschreiben):

Um Natursubstantive vollständig zu verstehen, ist ein Zusatzwissen nötig. Es handelt sich hierbei nicht um einfache, für jeden Menschen sensomotorisch erfahrbare natürliche Objekte, sondern um zwar sichtbare und zum Teil auch fühlbare, aber nicht direkt zu erfassende Objekte. Meist sind diese Objekte zu groß, wie etwa

- ?????? (Sonne - 1;08)
- ???? (Himmel - 2;11)
- ?????? (Stern - 2;08)

Himmelskörper sind für ihn einfach die sichtbaren Objekte am Himmel. Es wird ihm aber nicht klar sein, dass ein Stern ein Planet wie die Erde ist.68

?????? verwechselt Ženja lautlich zuerst mit ???? (1;08, S.19), dann ist es das helle Gebilde am Himmel, was er sehen kann (2;00, S.47), dann ist es ein personifiziertes Gebilde, was normalerweise am Himmel ist (2;08 ? « ???, ??? ?? ????? ??

? ?? ???? ?????? ? ???? ??????? ????? ????????? ???, ??????? ? ????, ??? ????????? ????, ? ??????? ? ??????????????? ????? ???»69 und «????? ? ???? ?????????? ?????? [...]: ???? ? ?????. ? ? ? ? ???i? - ????? ???? ?? ? ?? ??? ?????. »70 ). Es scheint ihm zwar langsam klar zu werden, dass die Sonne ein größeres und nicht zu fassendes Objekt darstellt - womit er dann auch die biplane Seite beachtet

(3;00, ? « ????? ??????? ?? ?????? ?? ???????. ? ??

?????? ???? ? ???i?. ??? ??? ? ??? ????? ?? ?????.»)71, aber die Sonne bleibt für Ženja personifiziert (? 3;03, « ??? ?????? ??? ???? ????????. »).72

In die Gruppe der Natursubstantive gehören auch die Jahreszeiten

- ????? (Frühling - 2;11)
- ???? (Sommer - 2;07)
- ????? (Herbst - 2;11)
- ???? (Winter - 2;04)

Die Jahreszeiten sind für ihn quasi Synonyme für „warmes Wetter und baden können“ (? ????) und „kaltes Wetter und rutschen können“ (? ????). Frühling und Herbst werden als Zwischen- oder Wechseljahreszeiten erst später erfasst.

Erscheinungen wie

- ???? (Licht - 3;06)

- ???? (Nacht - 3;04)

gehören ebenso in die Gruppe der Natursubstantive. Auch ???? und ???? erfordern zum vollständigen Verstehen

Zusatzinformationen, die Ženja noch nicht hat. Für ihn sind diese Worte gleichbedeutend mit hell oder dunkel.

Alle diese Natursubstantive sind biplan, werden aber von Ženja fast gar nicht ideell verwendet. Er geht meistens nur auf eine der konkreten Komponenten ein, etwa auf die (sichtbare) Form oder eine der unmittelbar spürbaren Eigenschaften. ???? steht etwa für einen konkreten Gegenstand (3;00 ? « ?????? ??? ???? ?

????? ? »)73 Sie tauchen bei Ženja mit 1;08 auf, die erste verstandene ideelle Komponente taucht mit 3;00 auf.

g) ‚Relationssubstantive‘: (Substantive, die eine Relation beschreiben oder aber nur durch eine Relationsbeziehung zu verstehen sind):

Die Relationssubstantive bilden die größte Gruppe der nicht- konkreten Substantive. Dadurch, dass diese Substantive nur durch einen Vergleich vollständig zu verstehen sind, werden sie biplan oder aber ideell. Unterscheiden kann man diese

Substantive in zeitliche, räumliche und skalierbare

Relationssubstantive. Zeitliche Relationen bezeichnen die

Substantive

- ???? (Tag - 2;08)
- ????? (Zeit - 2;11)
- ??? (Jahr - 3;00)
- ???????? (Feier - 2;07)
- ????, (Mittag - 2;05)
- ??? (Stunde - 3;05)

Anscheinend ist es für Ženja kein Problem eine zeitliche Relation herzustellen, denn alle diese Wörter verwendet er relativ schnell nach dem ersten Auftauchen als biplane Substantive (? ????, 2;09: « ?? ? ??? ????? ???? ??? ??????? ?? ?? ?????? »)74, (? ???, 3;00: « ??????? ??? ?? ????? ????? »)75. Allerdings räumt auch Gvozdev ein, dass nicht alles verstanden wird (? ??? 3;05: « ?? ???? ??????????. ? ????????? ??? ? ?????. [...] ??? ?? ?? ????? ?? «????» ?? «?????».»).76

Dieses entspricht Ženjas Verhältnis den räumlichen Relationssubstantiven gegenüber:

- ???? (Loch - 2;04)
- ??????? (Stückchen - 1;11)
- ???????? (Hälfte - 2;06)
- ???????? (Mitte - 2;05)

Die räumlichen Relationssubstantive benutzt Ženja zwar früher als die zeitlichen, jedoch erfasst er die ideelle Komponente, nämlich den Urzustand, der die Grundvorraussetzung zu dem benutzten Substantiv ist, nicht. (? 2;04, ????: « ????! ?????? ?? ???? ?????, ?????? ? ???? ????? ?????. ????? ? ??????? ??

? ??? ??, ?? ?? ???? ??????: ??? ????? »)77 und (? 3;04, ???????: « ???, ?????? ?? ????? ?????i?! ?????? ????! ???????? ???????? ????? ? ???????, ??????? ???? ? ???????? ???????.»)78

Skalierte Relationssubstantive bezeichnen konkrete Objekte, die ihren ausschliesslichen Zweck nur durch eine Skala oder Ereignis besitzen, wie etwa

- ????????? (Thermometer - 2;07)
- ????????? (Kalender - 2;09)
- ??????? (Kopeke - 3;09)
- ????? (Rubel - 2;08)
- ??????? (Geschenk - 2;00)

Diese Substantive sind biplan, da sie etwas vorraussetzen, ohne das das jeweilige Substantiv nicht zu verstehen ist. Es handelt sich hierbei um konkrete Substantive mit starken ideellen Komponenten. Wird die ideelle Komponente nicht verstanden, wird auch der konkrete Gegenstand nicht begriffen. Der Abstraktionsgrad ist bei diesen Substantiven sehr hoch, weshalb sie von Ženja auch nicht verstanden werden. (? 2;07, ?????????: «???? ????? ??? ????????? ??? ????????? (??? ????). ? ??? ???? ?? ??????? ???????? ????????. ?? ?? ????? ??????????, ??? ?? ?????? ?? ??? ????? ????????????, ? ?????? ?? ????????????, ? ??? ????: ? ? ???? ?????????? ? ????? ???? ???? ?: ???? ?????????. ?? ??????? ? ? ? ??? ????. »)79 Für Ženja ist dieses einfach ein Gegenstand, den er nicht mag. Das man an ihm Temperatur messen kann, ist ihm nicht deutlich. Ein Kalender ist für ihn eine Ansammlung von Papierstückchen, nicht mehr und nicht weniger: (? ?????????, 3;00: «??????? ???????????? ???????? ??? ???????, ?? ??????? ???? ???????. ??: ? ? ? ??? ???????? ?? ???? ??????? ?? ?????????.»)80

Die meisten Relationssubstantive tauchen einigermassen spät bei Ženja auf. Zeitliche Relationen scheint er dabei früher zu begreifen als räumliche oder skalierte Relationen.

h) ‚Symbolsubstantive‘: (Substantive, die einen sehr hohen

Symbolwert haben und bei denen es selbst bei Erwachsenen unklar ist, ob sie als Konkreta oder Nicht-Konkreta angesehen werden müssten. Die Lösung dieses Problems ist eine Glaubensfrage):

- ????? (Engel - 3;11)
- ??? (Gott - 2;04)
- ???? (Teufel - 2;10)

Diese Substantive werden von Ženja tatsächlich benutzt, haben aber alle die Eigenschaft, daß sie nur einmalig auftauchen und mit größter Wahrscheinlichkeit von ihm nur nachgesprochen werden, meist in einem phraseologischen oder sprichwörtlichen Zusammenhang.81 Diese Wörter werden entweder garnicht, allenfalls konkret aufgefasst.

6. Fazit

Anhand der Untersuchung Ženjas Sprachentwicklung von Geburt bis zum vierten Geburtstag wird deutlich, dass Kinder zuerst konkrete Substantive ihres unmittelbaren Lebensbereiches lernen und erst danach auch nicht-konkrete Substantive erlernen und begreifen. Dabei werden nicht-konkrete Substantive schon dann benutzt, wenn sie noch nicht völlig begriffen werden.

Bei biplanen Substantiven, die eine konkrete und eine nicht-konkrete Komponente aufweisen, wird zuerst die konkrete Komponente erfasst und das Substantiv auch in einem konkreten Sinne benutzt. Das vollständige Begreifen der nicht-konkreten Substantive oder der Komponenten von ihnen setzt erst im Laufe des vierten Lebensjahres ein und ist ein Prozess, der mit Abschluß des vierten Lebensjahres noch nicht beendet ist. Daher tauchen bei Ženja zwar schon einige an für sich biplane Substantive auf, die aber erst in der Erwachsenensprache ihre Biplanität vollständig erhalten. Diese Substantive tauchen bei Ženja hauptsächlich im Alter von 2;06 bis 3;06 auf, in der Zeit, in der der Vokabelspurt liegt.

Rein ideelle oder abstrakte Substantive werden von Ženja immerhin zur Hälfte gleich richtig erfasst. Dieses kann daran liegen, dass er keine Gelegenheit hat, eine konkrete Komponente zu motivieren. Eine konkrete Begrifflichkeit scheidet bei diesen Wörtern von vornherein aus. Bei diesen Substantiven lässt sich feststellen, dass sie entweder verstanden oder nachgeplappert werden.

Interessant ist es auch, dass sogenannte Überdehnungen fast nur bei konkreten Substantiven auftauchen. Das könnte damit zusammenhängen, dass alle nicht-konkreten Wörter einigermaßen unfähig sind Überdehnungen zu bilden. Hier geht es um konkret oder nicht-konkret. Lernt ein Kind diese Wörter muss es sie von vornherein im richtigen Kontext benutzen. Die konkreten Merkmale müssen in jedem Fall stimmen, sonst ist der Gebrauch eines nicht- konkreten Wortes unverständlich.82

Die Einteilung in verschiedene Substantivgruppen läßt erkennen, daß Gruppen, die viele ideelle bzw. abstrakte Komponenten besitzen, später begriffen werden, etwa die Gruppe der Symbole, der Eindrücke oder der Handlungen (Anteilsmäßig gering: Symbol: keine, Eindruck: ab 3;04 und Handlung: ab 3;02). Gruppen, die aber schon einige konkrete Komponenten besitzen, werden früher realisiert, wie etwa die Gebäude- und Institutionssubstantive (ab 2;00 und 2;06) oder Gruppensubstantive/Kollektiva (ab 2;07 und 3;00).

7. Literatur

- Augst, Gerhard (Hg.): Kinderwort. Der aktive Kinderwortschatz (kurz vor der
Einschulung) nach Sachgebieten geordnet mit einem alphabetischen Register (Theorie und Vermittlung der Sprache, Bd.1), Frankfurt a. M. 1984
- Charcenko, Vera Konstantinovna: Slovar‘ detskoj reci. Svyše 3500 slov, Belgorod 1994
- Claar, Annette: Die Entwicklung ökonomischer Begriffe im Jugendalter. Eine strukturgenetische Analyse (Lehr- und Forschungstexte Psychologie, Bd.37), Berlin/Heidelberg 1990
- Clark, Eve V.: The lexicon in acquisition (Cambridge studies in linguistics, Bd.65), Cambridge 1993
- Ehlich, Konrad (Hg.): Kindliche Sprachentwicklung. Konzepte und Empirie, Opladen 1996-
- Gvozdev, Aleksandr Nikolaevic: Ot pervych slov do pervogo klassa. Dnevnik naucnych nabljudenij, Saratov 1981
- Gvozdev, Aleksandr Nikolaevic: Razvitie slovarnogo zapasa v pervye gody žizni rebenka, (bearb. v. O. V. Djumina, u.a.), Saratov 1990
- Stern, Clara und Wilhelm: Die Kindersprache. Eine psychologische und sprachtehortische Untersuchung, Darmstadt

8. Tabellen

8.1.

Die folgende Tabelle erfasst alle von Ženja erstmalig geäusserten Substantivtypen, aufgeteilt in konkret, biplan, ideell und abstrakt. In der jeweiligen Altersspalte steht die Anzahl der Typen der jeweiligen Kategorie. ? steht dabei für Erwachsenenkategorie, ? für Kinderkategorie. Also nur da, wo auch bei ? eine Zahl ist, hat Ženja ein Substantiv sofort als ein zu der Kategorie gehöriges erkannt. Damit die Unterscheidung von Erwachsenen- und Kinderkategorie besser zu erkennen ist, sind die Spalten von Ženja gefärbt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[...]


1 Zu diesen theoretischen Überlegungen siehe Kapitel 2 dieser Arbeit.

2 Zu den theoretischen Überlegungen, welches Verfahren am sinnvollsten erscheint, siehe KlannDelius, Gisela in: Ehlich: Kindliche Sprachentwicklung, S.17.

3 „Am Anfang des Spracherwerbs, bei den 1-2jährigen Kindern, enthält eine Tagesaufnahme spontaner Sprechsprache in der Regel die Grundgesamtheit aller Wörter.“ Vgl. Wagner, Klaus R. in: Ehlich, S.51. Weiter über das Problem von Repräsentation und Statistik s. ebenda, S.51.

4 Vgl. Szagun: Sprachentwicklung beim Kind, S.99.

5 Vgl. ebenda, S.106

6 Szagun nennt die ersten Kategorien, aus denen ein Kind die ersten Wörter spricht: Menschen, Tiere, Spielzeuge, Kleidung, Nahrungsmittel, Körperteile,usw. „Das frühe Vokabular betrifft die Gegenstände und Personen, die sich im unmittelbaren Umkreis des Kindes befinden. Hiermit haben sie Erfahrung gemacht, und es ist dieses Wissen, das sie benennen. Wörter für Dinge, die ausserhalb der unmittelbaren Umgebung sind, werden später erworben.“ Vgl. ebenda, S.100. Diese Kategorien entsprechen in etwa denen bei Clark: The lexicon in acquisition, S.30/31.

7 Das kann im Einzelfall auch ein paar Monate früher oder später sein.

8 Ein Wort referiert immer nur auf ein Objekt in der Realität (=Denotat). Wort und Denotat sind zwei voneinander abgegrenzte Begriffe. Sprache referiert nur auf Denotata. Vgl. Wode: Einführung in die Psycholinguistik, S.134.

9 Wode führt beispielsweise an, dass ein Kind Wörter einer stehenden „Einrichtung [...] wie Wände, Decke oder Fenster“ anfangs nicht erlernt, sondern sich auf Dinge konzentriert „mit denen das Kind hantieren und es in sein Aktionsverständnis einbeziehen kann; die sich verändern können, aber wiedererkennbar bleiben.“ Vgl. ebenda, S.147.

10 Vgl. ebenda, S.147.

11 Objektpermanenz = absolute Orientierung an den Objekten, die sich in unmittelbarer Umgebung befinden und permanent vorhanden sind.

12 Vgl. ebenda, S.177.

13 Vgl. Szagun, S.101.

14 Vgl. Wode, S.14.

15 Vgl. Clark, S.13.

16 „Vom ersten Wort zur ersten Klasse. Tagebuch der wissenschaftlichen Beobachtungen.“ (Anm.: Alle Übersetzungen stammen, sofern nicht anders angegeben, vom Verfasser dieser Arbeit.)

17 „Entwicklung des Wortbestandes in den ersten Lebensjahren des Kindes“

18 Diese Schreibweise bezeichnet das Alter des Kindes, in diesem Fall 2 Jahre und 5 Monate.

19 Kategorien sind hier zum Beispiel: Bezeichnungen von Menschen, Tieren, Lebensmittel, Körperteile, Kleidung, Spielzeug, Haushaltsgegenstände, Gegenstände „ohne Haus“, also Dinge, die sich nicht in unmittelbarer Umgebung befinden, ferner Eigenschaften, Tätigkeiten, Menge, usw.

20 „Wörterbuch der Kindersprache“

21 Es läßt sich streiten, ob überhaupt die Rede sein kann von „richtig“ oder „falsch“ verwendeten Wörtern. Da Kinder gewisse Lernphasen durchlaufen, in denen sie gerade auch durch scheinbar „falsche“ Verwendung erst den kompletten Sinn eines Wortes erfassen lernen, ist es schwer von „falsch“ oder „richtig“ zu sprechen. Im allgemeinen werden diese Fälle „Überdehnung“ genannt, da eine Bedeutung aufgrund von gemeinsamen Eigenschaften auf ein anderes Objekt projiziert wird und weitere Differenzierungen noch nicht wahrgenommen werden. Vgl. Szagun S.106.

22 Eine ausführliche Übersicht ist zu finden bei Wagner: Kindersprachstatistik, S.83.

23 Stern, Clara und William: Die Kindersprache, Darmstadt 41987 (Original Leipzig 1928).

24 Gedruckt wurden lediglich die Teilkorpora von Frederik (8;07) und Roman (9;02). Die anderen Korpora sind bei CHILDES zu finden und liegen nicht gedruckt vor.

25 Eine Bibliographie des CHILDES ist im Internet unter der Adresse http://alaska.psy.cmu.edu/RIS/RISWEB.isa zu bekommen.

26 Oft ist auch von „types“ die Rede. Letztendlich sind es einzelne Lexeme. Zum Terminus vgl. etwa Wagner, S.20.

27 Dieses wird häufig mit „token“ bezeichnet: die quantitative Seite bei der Betrachtung eines Typs („type“ od. Lexem). Vgl. ebenda.

28 Gerhard Augst führte eine Untersuchung von Kindern im Vorschulalter durch und schuf folgende Kategorien: A: Begriffliche Gliederung (Das Sein, Bezogenheit, Quantität, Ordnung, etc.); B: Raum (Vorstellung, Abmessung, etc.); C: Stoff (Grundbegriffe, Unorganisches, Organisches); D: Geistesleben (Verstandesanlage, Erkenntnisgrad, Denkergebnis, etc.); E: Gebiete des Wollens (Willensanlage, Vollzug der Willenshandlung, Öffentliche Gewalt, etc.); F: Gefühlsleben (Gemütsanlage, Individuelle Gefühle, Gemeinschaftsgefühle, etc.). Diese Kategorien sind dann noch weiter aufgeteilt. Allerdings beziehen sich diese Kategorien auf Vorschulkinder, für Kinder in Ženjas Alter sind sie aber irrelevant, zumal aufgrund der vorhandenen Wörter Kategorien gebildet werden sollten und nicht die Wörter in bestehende Kategorien einsortieren werden sollten. Vgl. Augst: Kinderwort, S.2.

29 Vgl. bei Steins zum 3. Lebensjahr: „Alle Substantive sind noch konkreter Natur; sie sind Eigen-, Gattungs- und Stoffnamen.“ Stein, S.50.

30 Vgl. ebenda, S.108: „Seine [Sohn von Steins, 2;10] steigende Intelligenz bekundet sich in der Fähigkeit, abstraktere Beziehungen auszudrücken.“

31 Quellenangaben über die einzelnen Wörter, die Ženja benutzt hat, sind im Anhang in den Tabellen 8.2. und 8.3. auf S. 23 ff. zu finden. Angegeben ist jeweils das erste Auftauchen des Wortes bei Ženja.

32 „Ich bitte Vera Tee einzugießen und er fragt plötzlich: Soll ich dir eingießen? Ich habe gar keine Kelle. Soll ich dir mit der Kelle eingießen? [...] Etwas später fügt er hinzu: Blödsinn erzählst du! [an seine Adresse gerichtet]“. Vgl. Gvozdev 1981, S.140.

33 „Er zieht die Schuhe aus und ich frage ihn: Was soll der Unsinn? Er: Ich mache Blödsinn. Dabei grinst er. [...] Dann, ich liege nach dem Mittagessen auf dem Bett, beugt er sich zu mir runter und flüstert listig: Jetzt machst du Blödsinn, oder? “ Vgl. ebenda, S.180.

34Das ist ekelhaftes Zeug. Als man ihn auszieht tritt er in Dreck und sagt dieses.“ Vgl. ebenda S.58.

35 „Jetzt gab ich ihm den abgebrochenen Schwanz. Er packte ihn aus und sagte: Welch ekliges Zeug! Aber als er abbiss, wiederholte er, mit stiller Freude über die Lösung dieses nicht schweren Rätsels: S üß igkeit... “ Vgl. ebenda, S.106.

36 „Vor dem sechsten Geburtstag bilden sie keine Wörter [...] mit dem Suffix -ost ‘.“ Vgl. Clark, S.168.

37Ich habe schlecht geträumt. Sagt er mit traurigem Tonfall, als er morgens aufwacht. Aber insgesamt versteht er die Bedeutung dieser Äußerung nicht.“ Vgl. Gvozdev 1981, S.117.

38Ich habe schlecht geträumt. Sagt er morgens. Vera fragt: Was hast du denn geträumt: von Pferden, von Kühen? Er sagt: Nichts. Nur einen Traum.“ Vgl. ebenda, S.119. Das entspricht etwa der Äusserung: « ??? ??????? ??? ???? ??????????: ??????? ? ??????.» („ Ich habe heute zwei Träume geträumt: einen grünen und einen gelben. “) Vgl. Charcenko, S.204.

39Ich habe geträumt, dass ich mit Tolja, Volodja und Nadja unterwegs war. Ich hatte natürlich den Verdacht, dass er das ausgedacht hatte und stellte ihm die Frage: Und wann war das? Er: Das war, als ich schlief “ . Vgl. Gvozdev 1981, S.183

40 Szagun stellt aufgrund verschiedener Versuche dar, dass schon Dreijährige zwischen Realem und Erdachtem unterscheiden können. Vgl. Szagun, S.153.

41 „Als es klopfte, sagte er: Musik spielt.“ Vgl. Gvozdev 1981, S.66.

42Ich gehe jetzt in den Garten. Ich werde graben und etwas gießen. Im Garten war er nie und hat auch nie gesehen, wie man gräbt und gießt. [...] Gespräche der Erwachsenen darüber gab es nicht und mit ihm schon gar nicht. [...] D.h., er nimmt seine Umgebung sehr aufmerksam wahr...“ Vgl. ebenda, S.59.

43Erzähl vom Garten! Schon länger als ein Monat fordert er morgens im Bett eine Erzählung über einen Spaziergang zum Garten. Wenn er alleine spielt, erzählt er jetzt oft Bruchstücke aus den gehörten Erzählungen und Märchen.“ Vgl. ebenda, S.105.

44Blätter,Äpfel und Pilze. Gurken wachsen im Garten. “ Vgl. ebenda, S.152

45Sie sind alle im Laden. Er will einen Apfel. Ich sage ihm, dass doch sogar schon die Blätter abgefallen sind. Darauf antwortet er dieses. Vgl. ebenda, S.91.

46 „Er dreht in der Hand ein Stück Seife und fragt: Und woher nehmen die das Fett? Ich: Wieso? Er: Um Seife zu machen. Ich habe ihm irgendwie mal erzählt, dass man Seife aus Fett macht. Ich: Das kaufen die. Er: Beim Fleischer? Ich: Ja. Er: Und aus was macht man Fett? Aber dann ist er abgelenkt und erwartet auch keine Antwort mehr.“ Vgl. ebenda, S.215.

47 Der gesamte Komplex von wirtschaftlichen Zusammenhängen ist erfasst worden in der Arbeit von Claar: Die Entwicklung ökonomischer Begriffe im Jugendalter, siehe dort S.67.

48 „ Er ging zum Markt “ Vgl. Gvozdev 1981, S.68.

49Wohin gehen wir - zum Markt etwa?Äpfel kaufen? “ Vgl. ebenda, S.93.

50Gehen wir zum Markt zum Fleisch handeln. “ Vgl. ebenda, S.100.

51 „ Die Männer auf dem Markt treiben die Gauner mit Fäusten zusammen. “ Vgl. ebenda, S.211.

52Ich fahre noch ein paar Dinge holen. “ Vgl. ebenda, S.135.

53Mama, der Koffer mit vielen Sachen ist schwer, aber ohne Sachen nicht. “ Vgl. ebenda, S.196.

54Dreck. Sagt er, seine beschmutzte Hand zeigend.“ Vgl. ebenda, S.26.

55Zum Herlaufen muss man durch den Dreck. Mama kauft dir Stiefel. “ Vgl. ebenda, S.151.

56 Vgl. ebenda, S.27.

57Papa hat Geld stibitzt. Ich öffnete tatsächlich den Schreibtisch, wo das Geld liegt“ Vgl. ebenda, S.31.

58 Vgl. auch ebenda, S.39 (1;11), S.46 (2;00), S.127 (2;09).

59Papa, nach dem Mittagessen gehen wir beide Geld holen, weil wir kein Geld haben. Einige Zeit vor diesem Ereignis hatte ich gesagt, dass ich in die Schule fahre, um mich nach dem Gehalt zu erkundigen.“ Vgl. ebenda, S.121.

60 „Auf seine Frage, ob ich ihm nicht das Spielzeug kaufen könnte, antwortete ich: Wenn ich Gehalt bekommen habe. Er: Wir haben aber doch das rote Geld (ein veraltetes Geldstück).“ Vgl. ebenda, S.157.

61 « ???????? ?????! » („ Zwanzig Geld “). Geld bezeichnet noch das bestimmte Geldstück - daher ist es auch noch zählbar. Vgl. Charcenko, S.46.

62 Vgl. Gvozdev 1981, S.194 (3;05)

63Wenn wir reich werden, dann haben wir Geld? “ Vgl. ebenda, S.204.

64 Vgl. Szagun, S.156.

65 Vgl. dazu auch die Untersuchung von Claar.

66Wir waren in der Apotheke. Warum? Um Medizin zu holen !“ Vgl. Gvozdev 1981, S.148.

67 „ Ich klettere. Klettere hinauf zum arbeiten. Die Arbeit ist zuende. Ich liege, er klettert auf mich rauf und zappelt herum.“ Vgl. ebenda, S.170.

68 Dementsprechend taucht das Wort „Erde“ (? ??? oder ?????) auch nicht bei Ženja auf.

69Papa, warum ist die Sonne heute nicht aufgestanden? Er kommt nach dem morgendlichen Tee in unser Zimmer, schaut aus dem Fenster in den trüben Himmel und sagt dieses mehrere Male unzufrieden.“ Vgl. ebenda, S.119.

70 „Sieht durchs Fenster die aufgehende Sonne [...]: Schon wieder die Sonne. Was soll das? - Die Sonne steht doch den ganzen Tag auf. “ Vgl. ebenda, S.124.

71Lass uns heute in der Sonne baden. Erst bereiten wir alles vor und dann machen wir das. Zwei Tage bade ich ihn bereits im Hof.“ Vgl. ebenda, S.160.

72Welch eine listige Sonne !“ Vgl. ebenda, S.225.

73 „ Warum brennen alle Lichter “ (Im Deutschen kann Licht Plural sein, aber nicht im Russischen), vgl. Charcenko, S.194.

74Bleibst du den ganzen Tag bei uns? Gehst du nicht weg? “ Vgl. Gvozdev 1981, S.130.

75Letztes Jahr haben wir Melone gegessen. “ Vgl. ebenda, S.157.

76 „Wir sind früh aufgewacht. Ich bin um fünf Uhr aufgewacht. [...] Er selbst kennt weder „fünf“ noch „Uhr.““ Vgl. ebenda, S.193.

77Ein Loch! ruft er aus vollem Hals, als er bei mir einen nackten Zeh sieht. Nachdem ich ihn im Hausschuh versteckte, beginnt er zu schreien: Wo ist das Loch? “ Vgl. ebenda, S.86. Das entspricht den Beobachtungen von Ehepaar Stern, siehe dort S.35.

78Papa, schau mal, was für ein Stückchen! Donnerwetter! Er bringt mir ein halbes Brot und spricht, mich nachahmend, so, wie ich es in ähnlichen Situationen tue.“ Vgl. Gvozdev 1981, S.187.

79 „Vera sagt mir, dass ich ihm [Ženja]das Fieberthermometer geben soll (ohne ihn). Ich rufe ihn zu mir, dass er sich auf meinen Schoss setzt, um Bilder anzusehen. Aber er hat sofort kapiert, dass ihm nicht nur einfach so etwas Gutes widerfahren soll und errät jetzt auch, worum es sich handelt: Man darf das alles nicht nur wegen des Thermometers aufführen: Mama wird schimpfen. Ich sitze bei dir auf dem Schoss. “ Vgl. ebenda, S.109.

80 „Tat’jana Sever’janovna brachte ihm ein Brötchen mit, auf dem ein Stück Papier war. Er: Was ist das für Papier? Ist dir das verdreckt im Kalender.“ Vgl. ebenda, S.155.

81 « ? ???? ?? ??? ??? ?????????? » („Und wenn uns Gott nicht faulenzen lässt?“), vgl. Charcenko, S.13. Ein gutes Beispiel, wie sehr Redensarten von Kindern wörtlich genommen und in ihre eigene Sprache übertragen werden. 4 1987 (Original Leipzig 1928)
- Szagun, Gisela: Sprachentwicklung beim Kind, Weinheim6 1996
- Wagner, Klaus R. (Hg.): Kindersprachstatistik (Kindersprache, Bd.6), Essen 1992
- Wode, Henning: Einführung in die Psycholinguistik. Theorien, Methoden, Ergebnisse, Ismaning 1988

82 Vgl. Szagun: „Überdehnung scheint nur bei einigen Wörtern stattzufinden. Andere dagegen scheinen dagegen von Beginn an wie bei Erwachsenen gebraucht zu werden.“ S.107

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Die Verwendung nicht-konkreter Substantive bei Kindern bis 4 Jahren
Hochschule
Universität Hamburg
Note
1,3
Autor
Jahr
1999
Seiten
29
Katalognummer
V95734
ISBN (eBook)
9783638084123
Dateigröße
419 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verwendung, Substantive, Kindern, Jahren
Arbeit zitieren
Henning Koepp (Autor:in), 1999, Die Verwendung nicht-konkreter Substantive bei Kindern bis 4 Jahren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95734

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Die Verwendung nicht-konkreter Substantive bei Kindern bis 4 Jahren



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden