Das ottonische Reich und der Islam - Der Umgang mit der islamischen Welt in Politik, christlichem Denken und Geschichtsschreibung


Seminararbeit, 1997

16 Seiten, Note: 1


Leseprobe


- Inhaltsverzeichnis -

I. Einleitung

II. Hauptteil
1. Westeuropa und der Islam bis zum 10. Jahrhundert
1.1 Die Ausbreitung des Islam im Mittelmeerraum
1.2 Militärische Auseinandersetzungen
1.3. Handel und kultureller Einfluß des Islam
2. Das ottonische Reich und der Islam
2.1 Diplomatische Beziehungen zum Hof von Córdoba
2.2 Die theologische Einordnung des Islam
2.3 er Islam in der ottonischen Geschichtsschreibung
3. Die Darstellung des Islam bei Liutprand von Cremona
3.1 Die Beschreibung der islamischen Völker
3.2 Strafe und Gerechtigkeit Gottes
3.3 Apokalypse

III. Schlußbetrachtung

IV. Bibliographie

Das ottonische Reich und der Islam

Der Umgang mit der islamischen Welt in Politik, christlichem Denken und Geschichtsschreibung

I. Einleitung

In der sächsischen Kaiserzeit galt die alte Aufteilung des Mittelmeerraums zwischen dem latei- nischen Westen und dem byzantinischen Osten schon lange nicht mehr, denn seit dem 7. Jahr- hundert hatte sich mit der islamischen Welt ein dritter bedeutender Machtkomplex gebildet, der vom vorderen Orient aus rasant nach Westen expandierte und sich dabei bald auch in Westeuropa bemerkbar machte. Zur Zeit Ottos I. erlebte Spanien seine Blütezeit unter der Herrschaft der islamischen Umaijaden, Sizilien gehörte, wie viele andere Mittelmeerinseln zur arabischen Welt, und in Nordafrika waren die mächtigen Fatimiden an der Macht, die immer wieder bis nach Italien vordrangen. Spätestens, nachdem Otto in der Mitte des 10. Jahrhun- derts seine Herrschaft in Italien gefestigt hatte, wurde die Begegnung mit der islamischen Welt also unvermeidbar.

Welche konkreten Berührungspunkte gab es zwischen dem ottonischen Reich und der islamischen Welt? Wie ging man auf politischer Ebene mit der 'unbekannten Macht' um und wie nahm das Abendland den Islam als Kultur und Religion wahr?

Mit diesen Fragestellungen wird sich die vorliegende Arbeit in Grundzügen beschäftigen. Als Quelle dient dabei die zeitgenössische Historiographie - hier Ausschnitte aus den Werken Wi- dukinds von Corvey, Hrotsviths von Gandersheim, Thietmars von Merseburg und Liutprands von Cremona.

"Was nun den Islam anbelangt, so sind seine Beziehungen zur Christenheit des Mittelalters erst seit ganz kurzer Zeit Gegenstand ernsthafter Studien", stellt R. SOUTHERN1 1981 fest, ein rela- tiv neuer Forschungsbereich also, der an Literatur noch nicht allzuviel 'Verwertbares' hervor- gebracht hat.

Der erste Teil dieser Arbeit wird sich einführend mit den Berührungspunkten Westeuropas und des Islam im 7.-10. Jahrhundert beschäftigen, d.h. kurz die Ausbreitung des Islam im Mittel- meerraum und die daraus folgenden militärischen Auseinandersetzungen mit dem Westen skiz- zieren und auch auf Handelsbeziehungen und kuturellen Austausch eingehen. Auf diese Basis baut der zweite Teil auf, der die Beziehungen des ottonischen Reiches zur islamischen Welt näher charakterisieren soll. Auf der einen Seite wird es dabei um diplomatische Kontakte zum Hof von Córdoba gehen, genauso findet aber auch die theoretische Einordnung des Islam durch die zeitgenössische Theologie Eingang in die Betrachtung. Den Schwerpunkt der Arbeit bildet schließlich die Analyse der ottonischen Geschichtsschreibung bezüglich des Islambildes, das sie überliefert. Die Schriften einiger sächsischer Autoren werden unter diesem Gesichtspunkt eher überblicksartig vorgestellt, während das Werk des italienischen Bischofs, Diplomaten und Geschichtsschreibers Liutprand von Cremona in einem eigenen Kapitel genauer auf die Darstellung des Islam hin untersucht wird.

II. Hauptteil

1. Westeuropa und der Islam bis zum 10. Jahrhundert

1.1 Die Ausbreitung des Islam im Mittelmeerraum

Die schnelle territoriale Expansion2 des frühen islamischen Staates um Medina setzte schon bald nach dem Tod Mohammeds im Jahre 632 ein und richtete sich in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts zunächst nach Osten. Das Vordringen in den Mittelmeerraum wurde um 650 möglich, als der Khalif Uthman ibn Affan3 mit dem Bau einer Flotte begann, um die byzantini- sche Kontrolle im östlichen Mittelmeer anzufechten. Von Ägypten aus gab es Vorstöße nach Zypern (649) und in die Ägäis, 674 war erstmals Byzanz bedroht. Gleichzeitig trieben die is- lamischen Herrscher die Expansion auf dem nordafrikanischen Kontinent voran und drangen auf diese Weise noch im 7. Jhdt. bis zum Atlantik vor, ohne dabei - abgesehen von einigen Überfällen auf Sizilien (u.a. 652) - mit Westeuropa in Konflikt zu geraten.

Erst im Juli 710 überquerte ein arabischer 'Spähtrupp' die Straße von Gibraltar und wagte Vorstöße nach Südspanien; die "Invasionsarmee"4 mit insgesamt ca.12000 Mann setzte ein Jahr später über und begann mit der gezielten Eroberung der iberischen Halbinsel. Nachdem sie 711 den Westgotenkönig Roderich vernichtend geschlagen hatten, trafen die arabischen Eroberer auf dem Weg nach Norden kaum auf Widerstand, und so konnten sie bis 715 alle wichtigen Städte Spaniens besetzen und das neu eroberte Gebiet zu einer Provinz des arabi- schen Khalifats machen. Die Einnahme Siziliens, die zweite große islamischen Eroberung in Westeuropa, setzte erst mehr als hundert Jahre später ein, als in Nordafrika die Aghlabiden an die Macht kamen. Sie wurden in einem sizilianischen Streitfall 827 zu Hilfe gerufen und nutzten die Gelegenheit, um die Insel nach und nach zu besetzen. Sardinien und Korsika gerieten 827 bzw. 850 für einige Jahrzehnte in arabische Hand.

1.2 Militärische Auseinandersetzungen

Nachdem die Westgoten 711 geschlagen worden waren, brachte die weitere Eroberung Spaniens kaum militärische Auseinandersetzungen mit sich. Zum einen wurde mit dem Sieg über Roderich auch die Zentralverwaltung seines Reiches zerstört, was den organisierten Widerstand gegen das Vordringen der Araber erschwerte, zum anderen verstanden es die Invasoren auch geschickt, lokale Machthaber über Verträge zu ihren Verbündeten zu machen und damit weitere Zusammenstöße zu vermeiden.5

Läßt man die Kämpfe, die es bei sporadischen Beutezügen gegen sizilianische Städte im 7. Jhdt. gegeben haben muß (s.o.), außen vor, gerät die Schlacht von Tours und Poitiers als weiterer großer militärischer Zusammenstoß zwischen Christen und Muslimen in den Blickpunkt. Schon um 720 überschritten die Araber die Pyrenäen und wagten Vorstöße bis in das Rhônetal und nach Südwestfrankreich. Unter der Führung Abd ar-Rahman al-Ghafikis gelangte im Jahre 732 ein solcher Feldzug bis nach Tours/ Poitiers, wo die Araber von Karl Martell vernichtend geschlagen wurden. Die Niederlage in dieser Schlacht, "eine der entscheidenden...der Weltgeschichte"6, zwang die Muslime zum Rückzug aus Zentralfrankreich und setzte ihnen quasi "die Grenze, jenseits derer sich Raubzüge nicht mehr lohnten"7.

Zusammenstöße in Italien gab es erst seit dem Beginn des 10. Jahrhunderts, nachdem Sizilien von den Aghlabiden nahezu vollständig erobert war und als Ausgangspunkt für Vorstöße auf das italienische Festland - bis nach Kalabrien, Apulien, Benevent und Rom8 - dienen konnte. Liutprand von Cremona beschreibt derartige Überfalle der 'Punier', die eher den Charakter von Beutezügen hatten und keine systematische Besetzung des Landes wie etwa im Falle Sizi- liens darstellten, in seiner Antapodosis9. Daneben fanden auch immer wieder Überfälle der Sarazenen aus Freinet, einem Seeräubernest in der Provençe, auf oberitalienische Siedlungen statt.

Alles in allem waren die Araber trotz des Schreckens und der Verwüstungen, die sie in den betroffenen Gebieten hinterließen, eine von vielen äußeren Gefahren, derer man sich erwehren mußte; sie stellten ein "Problem des Mittelmeerraums"10 dar, und entsprechend erfuhren sie von Otto I. keine besondere militärische Aufmerksamkeit. Erst Otto II. intervenierte im Jahre 982. Der Feldzug, den er nach Unteritalien unternahm, richtete sich allerdings primär gegen die byzantinische Besetzung der entsprechenden Gebiete, das Vorgehen gegen die sarazenischen

Plünderungen in der gleichen Gegend scheint eher ein 'Nebeneffekt' gewesen zu sein.11 Die Sarazenenschlacht von Kap Colonne am 13. Juni 982 endete jedoch in einer Niederlage für Otto, der viele seiner Mitstreiter verlor und selbst unter widrigen Umständen fliehen mußte.12 Die Raubzüge der Araber setzten sich danach noch bis ins 11. Jahrhundert fort.

1.3. Handel und kultureller Einfluß des Islam

Die Handelsbeziehungen zwischen Westeuropa und der arabischen Welt lassen sich in zwei wesentliche Formen unterscheiden, nämlich in die Beziehungen 1) der islamisch besetzten Ge- biete Europas, also Spanien und Siziliens, und 2) des übrigen Europa zum islamischen Reich. Spanien und Sizilien wurden mit ihrer Eroberung in die islamische Welt eingegliedert, sie nah- men recht schnell die kulturellen und politischen Merkmale der arabischen Zivilisation an und wurden auch wirtschaftlich in die "Freihandelszone des islamischen Reiches"13 eingebunden. Textilindustrie, Kunsthandwerk und Luxusgüterproduktion, aber auch die von den Arabern durch Bewässerungssysteme und neue Kulturpflanzen intensivierte Landwirtschaft garantierten einen schwunghaften Handel mit der arabischen Welt und mit Byzanz, der die iberische Halb- insel zum "Wirtschaftszentrum des Okzidents"14 machte. Zwischen dem christlichen Europa und den Arabern entwic??kelten sich die Handelsbeziehungen dagegen nur langsam. Erste Kontakte entstanden im 9. Jahrhundert zwischen arabischen Seefahrern und italienischen Städ- ten wie Amalfi, Pisa und Venedig; doch umfangreichere und stabilere Formen nahm der Han- del erst in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts an.15 Westeuropa lieferte dabei Rohstoffe - hauptsächlich Holz zum Schiffbau und Erze für die Metallgewinnung - und Sklaven, aus der arabischen Welt kamen im Gegenzug Gebrauchs- und Luxusgüter. Der Seehandel wurde über Spanien und die aufstrebenden italienischen Hafenstädte abgewickelt. WATT attestiert dieser Handelsbeziehung "...eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Kolonialhandel des 19. und 20. Jahrhunderts..."16 - mit Europa in der Rolle der Kolonie.

Die Westeuropäer außerhalb Spaniens kamen in der Zeit vor den Kreuzzügen mit der is- lamischen Kultur vor allem über diese Handelsbeziehungen in Berührung. Die arabische Le- bensweise mit ihrem gehobenen Lebensstandard, der städtischen Kultur und dem verfeinerten Lebensstil war attraktiv und wurde, ohne nach den Ursprüngen zu fragen, in vielen italienischen Hafenstädten ab dem späten 10. Jahrhundert übernommen.17 Eine bewußte Auseinanderset- zung mit der islamischen Kultur und Religion fand im ottonischen Reich aber offenbar nicht statt. Wenn Otto I. auf die Initiative des spanischen Khalifen zu Gesandtenaustausch und Dialog nur halbherzig eingeht (s.unter 2.1), zeigt er damit eine "fehlende Neugier am geistig Fremden"18, die wohl stellvertretend für die Einstellung der meisten seiner Zeitgenossen ist.

2. Das ottonische Reich und der Islam

2.1 Diplomatische Beziehungen zum Hof von Córdoba

Das Khalifat von Córdoba, seit 756 unabhängig von arabischen Reich, erlebte ab der Mitte des 10. Jahrhunderts unter dem Omaijaden Abd ar-Rahman III. seine militärische, kulturelle und wirtschaftliche Blüte, war also genau zu der Zeit ein beachtenswerter politischer Faktor im westlichen Mittelmeerraum, als auch Otto I. in der italienischen Politik eine wichtige Rolle zu spielen begann. In Córdoba erkannte man offensichtlich früh, daß sich Berengar von Ivrea in Italien nicht würde halten können, und schickte schon 950 eine Gesandtschaft an den Hof Ot- tos, seines potentiellen Nachfolgers.19

Dieser Versuch der Kontaktaufnahme wurde am ottonischen Hof allerdings gründlich miß- verstanden, denn das Begleitschreiben, das die Gesandten aus Córdoba überbrachten, stuften die ottonischen Gelehrten als Werk der Gotteslästerung ein. Zwar war der Brief zweisprachig abgefaßt und um Höflichkeit bemüht, doch erregten Koranverse, die stellenweise zitiert wur- den, unbeabsichtigterweise das Mißtrauen der ottonischen Gelehrten, die im Umgang mit der islamischen Kultur und Religion völlig unerfahren waren.20 Das Antwortschreiben wurde also mit der Absicht verfaßt, die 'religiösen Irrtümer' des Khalifen zu korrigieren, es beinhaltete deshalb wahrscheinlich - entsprechend der zeitgenössischen Polemik - heftige Anfeindungen gegen den Propheten Mohammed und seine Lehre.21 Daß es nicht zum Eklat kam, ist der Besonnenheit der spanischen Seite zu verdanken. Man sorgte dafür, daß der Khalif den bri- santen Brief offiziell nie erhielt, und schickte den mozarabischen Bischof Reccemund von Elvira an den ottonischen Hof, um ein neues, für Córdoba akzeptables Schreiben zu erwirken. Schließlich kam es erst 956 in Córdoba zu Gesprächen zwischen dem Khalifen und dem otto- nischen Gesandten Johann von Gorze, die aber offenbar keine weitreichenden politischen Konsequenzen hatten22. Diesem ersten, wenig fruchtbaren Austausch folgten zwar mindestens drei weitere Gesandtschaftswechsel, auch diese blieben jedoch ohne nennenswerten Erfolg.

Dabei erscheint der Khalif durchaus bemüht in seiner Absicht, sich Otto zu nähern23 - es war der sächsische Kaiser, der auf diese Annäherung nur halbherzig einging. Welche Gründe mag man am ottonischen Hof für diese Zurückhaltung gehabt haben ? Zum einen setzte sich das Bild, das die Entscheidungsträger des Ottonenreiches über den córdobre- ser Khalifen im Kopf hatten, aus Vorurteilen zusammen: die Legende um den Märtyrer Pela- gius, der 925 von Abd ar-Rahman III. hingerichtet worden war, hatte sich zu einer Vorstellung vom Khalifen als heidnischer Gewaltherrscher, Unterdrüc??ker der christlichen Minderheit und perverser Unhold verdichtet24. Seine Religion disqualifizierte ihn als Bündnispartner zu- sätzlich, denn das Wissen über den Islam war im Ottonenreich dürftig und ließ Raum für allerlei Polemik, die die Muslime als "barbarische, sexuell ausschweifende Götzendiener" bzw. "ge- fährliche Häretiker"25 titulierte. Auf der anderen Seite hatte man wohl auch kein Interesse dar- an, einen Austausch mit Córdoba zu nutzen, um neue Erkenntnisse über den Islam zu gewin- nen. Die These P.E. SCHRAMMS von einer Art 'übersteigertem Selbstbewußtsein' des lateini- schen Westens im 10. Jahrhundert26 würde für eine gewisse Arroganz gegenüber einer nicht- christlichen Kultur sprechen, genauso aber werden geographische Entfernung und sprachliche Barrieren27 ihren Teil dazu beigetragen haben, daß das ottonische Reich und das Khalifat von Córdoba sich in politischen Dingen fremd blieben.

2.2 Die theologische Einordnung des Islam

War bisher eher vom 'praktischen Umgang' der lateinischen Christen mit der islamischen Welt die Rede, d.h. von militärischer Konfrontation, wirtschaftlichem Austausch und politischen Beziehungen, so soll im folgenden das 'theologische Problem Islam', d.h. der Umgang der christlichen Kirche und ihrer Denker mit der fremden Religion, beleuchtet werden. "Welche Rolle in der Geschichte hatte die Vorsehung ihm [dem Islam] zugedacht ?"

R. SOUTHERN28 formuliert damit die Frage, die auch die theologische Betrachtung des Islam bis ins 11. Jahrhundert geprägt haben dürfte. Das Judentum und verschiedene Häresien konn- ten von den Theologen mit den zur Verfügung stehenden Mitteln, der Bibel und der christlichen Tradition, interpretiert werden; ihnen hatte die göttliche Vorsehung demnach eine dem 'wahren' Christentum klar untergeordnete Rolle zugewiesen.29 Der Islam aber stellte die christlichen Denker vor ein Problem: da das Wissen über ihn äußerst dürftig war, konnte man sich dem Phänomen nicht nähern, es nicht einordnen. Die 'unbekannte Religion' schien christliche Züge zu besitzen, so z.B. den Glauben an die Allmacht eines Gottes, an die Unsterblichkeit der Seele und an die Schöpfung, gleichzeitig aber widersprach sie der christlichen Überlieferung in wichtigen Glaubensgrundlagen.30 Ohne Priester und Sakramente und mit undurchschaubaren Riten31 glich der Islam dem Heidentum, doch auf der anderen Seite brachte er eine heilige Schrift (die man wiederum auch nicht wirklich kannte) und große, im Abendland bewunderte Denker wie Avincenna und Averroes hervor.

Derartige Widersprüche müssen die christlichen Theologen, die fest in ihrem eigenen Weltbild verankert waren32 und sich in andere Denksysteme schwerlich hinein versetzen konnten, un- glaublich verwirrt haben, und wahrscheinlich fielen deshalb die Versuche, den Islam zu erfas- sen, so unterschiedlich aus. Die einen interpretierten - in der Tradition der frühmittelalterlichen byzantinischen Theologie - den moslemischen Glauben als christliche Häresie und Mohammed als Ketzer und versuchten, den Islam in ihr Weltbild einzuordnen, indem sie z.B. die Ursprünge der Sarazenen im alten Testament suchten.33 Die spanische Märtyrerbewegung dagegen be- zeichnete den Islam als Verschwörung gegen das Christentum und sah in Mohammed den Antichrist und Vorboten der Apokalypse34, für wieder andere schließlich waren die Muslime in Gestalt der Sarazenen nicht mehr als heidnische Götzendiener und gewalttätige Barbaren, die sich einen Zauberer und Scharlatan zum Propheten gemacht hatten35.

Die Tatsache, daß derartige Einordnungsversuche stattfanden, darf aber nicht darüber hinweg täuschen, daß das Interesse der Christen an der fremden Religion insgesamt gering war. Es wurden kaum Versuche übernommen, neues Wissen über den Islam zu erlangen36 ; man ver- ließ sich auf das, was Pilger aus Jerusalem oder spanische Christen berichteten und dichtete seinen Teil dazu: die Folge waren abenteuerliche Geschichten über Mohammeds angeblich so verwerflichen Charakter und über einen islamischen Lebensstil der hemmungslosen Genuß- sucht und der sexuellen Freizügigkeit, der den christlichen Vorstellungen von Anstand und Mo- ral aufs Schärfste widersprach. Offenbar verbanden sich Unwissen, Ignoranz, Vorurteile und Verunsicherung zu einem verschwommenen Bild vom Islam, das erst im 12. Jahrhundert, mit dem Beginn der Kreuzzüge, als eindeutiges Feindbild an Schärfe gewann.

2.3 er Islam in der ottonischen Geschichtsschreibung

Das Gesamtbild, das im ottonischen Reich vom Islam - als militärische Macht, als Kulturraum und als Religion - existierte, läßt sich wohl am besten nachvollziehen, wenn man sich mit der Darstellung des Islam in der Geschichtsschreibung beschäftigt.

Die Geschichtsschreiber hielten das fest, was man in ihrer Zeit und in ihrem Umfeld für wichtig, d.h. für schriftlich zu fixieren und an die Nachwelt weiterzugeben, erachteten. Die Tatsache, daß die Historiographen nur eine kleinen Teil der Gesellschaft, nämlich die geistliche Führungsschicht, repräsentieren und ihre Werke mitunter stark an bestimmte Interessen gebunden waren, sollte dabei allerdings nicht vergessen werden.

- Widukindi res gestae Saxonicae

Der Titel deutet es eigentlich schon an: Widukind von Corvey (* im 925, † nach 973) schreibt die Geschichte der Sachsen (bis 973), und entsprechend tauchen fremde Völker nur auf, sofern sie sächsische Angelegenheiten betreffen - die islamischen Völker haben dies im Berichtszeitraum scheinbar recht wenig getan, jedenfalls werden sie kaum erwähnt. Die Sarazenen tauchen zum ersten Mal im dritten Buch der Sachsengeschichte auf; hier werden sie in einem Atemzug mit anderen Völkern genannt, die Gesandtschaften an den Hof Ottos I. senden und Geschenke überbringen.37 Widukind ist fasziniert von den exotischen Gaben und den unbekannten Tieren, "welche die Sachsen nie gesehen hatten"38, geht aber nicht näher auf den kulturellen oder religiösen Ursprung ihrer Überbringer ein.

Als militärischer Faktor werden die Sarazenen nur dann erwähnt, wenn zusammenfassend aufgezählt wird, wen der sächsische Kaiser besiegt hat: "So verließ er dann Italien mit großem Ruhm, da er den König der Langobarden gefangengenommen, die Griechen überwunden und die Sarazenen besiegt hatte..."39 ; "...und sie von Feinden befreit, die übermütigen Feinde, Awaren, Sarazenen, Dänen, Slawen,..."40. Militärisch stellen die Sarazenen nach Widukinds Darstellung also eine Gefahr unter vielen dar, die sich um nichts - schon gar nicht um die Religion - von den anderen unterscheidet.

- Hrotsvith von Gandersheim: Pelagius-Legende

Die sächsische Kanonisse Hrotsvith (* um 953, † nach 973) betreibt mit ihren 'Legen-den' zwar zunächst einmal Hagiographie, doch fließt in ihre Heiligengeschichten auch ein gutes Stück Zeitgeschehen und vor allem zeitgenössisches Denken mit ein. So schildert sie in der Pelagius-Legende neben dem Leidensweg des spanischen Märtyrers auch die politischen und religiösen Zustände im maurischen Spanien.

In der Pelagius-Legende erhalten bereits die moslemischen Eroberer Spaniens die Züge von Gewaltherrschern, Götzendienern und Feinden der Christenheit: "...da ergriff der Barbaren- führer...zuchtlos und heidnischem Götterkulte untergeben...mit roher Gewalt die alleinige Herrschaft"41 ; die Sarazenen insgesamt gelten als tüc??kisch und unbezähmbar42. "Ruchloser als seine Vorfahr`n, den fleischlichen Lüsten ergeben"43, so wird dann Abd ar-Rahman III. beschrieben, der üble Pläne gegen die Christen spinnt und schließlich ins Feld zieht, "um den christlichen Stamm zu vernichten"44. Der junge Pelagius wird dem Herrscher als galizische Geisel vorgeführt, und als er sich den "widernatür-lichen [päderastischen] Neigungen" Abd ar-Rahmans als überzeugter Christ standhaft widersetzt, wird er vom wütenden Sarazenen auf grausame Weise hingerichtet.45

Hrotsvith läßt in ihre Darstellung nahezu alle populären Vorurteile einfliessen - vom Götzen- kult bis zur moralischen Verworfenheit des Islam und der Brutalität seiner Anhänger. Na- türlich überzieht sie dabei stark - schließlich gilt es, Pelagius im Kontrast zu einem besonders schlechten Khalifen als außergewöhnlich charakterstark, erhaben und glaubensfest darzustel- len. Sie muß dazu aber auf ein bereits verbreitetes Islambild zurückgreifen, um den ge- wünschten Effekt zu erzielen.

- Thietmar von Merseburg: Chronik

Thietmar von Merseburg (* 975, † 1018) schreibt seine Chronik über die sächsische Kaiserzeit um 1012 zur Zeit Heinrichs II., also ca. 50 Jahre später als Widukind. Nach einer kurzen Erwähnung der Eroberung Jerusalems durch die "Sarazenen"46, schildert der Autor im dritten Buch das Vorgehen Ottos II. gegen die plündernden Sarazenen in Italien47. Obwohl Otto die Schlacht bei Kap Colonne (982) verliert, bleibt Thietmar in der Darstellung der Kämpfe relativ sachlich, d.h.er versucht keineswegs, die Sarazenen besonders negativ darzustellen - sie bleiben ein rein militärischer Feind.

Erst in der Schilderung des Kampfes Papst Benedicts gegen die Sarazenen in der Lombardei (1016) wird ein anderes Bild erzeugt: die Sarazenen, die die Stadt Luna erobern, werden als gewalttätig beschrieben48 ; sie stehen als "Feinde Christi" und Hasser Gotes49 da, wohl auch, um die Frömmigkeit des Papstes auf der anderen Seite hervorzuheben.

Zusammenfassend ist festzustellen: solange allgemeine - vor allem militärische - Geschehnisse geschildert werden, kommt den Muslimen in Verkörperung der Sarazenen keine besondere Rolle zu. In Verbindung mit religiösen Themen aber werden die Sarazenen gerne als 'Gegenpol zum Christentum' dargestellt und unter Zuhilfenahme von gängigen Vorurteilen als Gottesfeinde, Heiden und Gewaltherrscher beschrieben.

Die oben erwähnten Geschichtsschreiber haben dazu noch eines gemeinsam: sie lebten und schrieben in Sachsen und damit vom Islam und der militärischen Gefahr, die er darstellte, weit entfernt. Diese räumliche und damit auch gedankliche Ferne war wohl der entscheidende Grund dafür, daß in ihren Werken "die Sarazenen eine verhältnismäßig bescheidene Rolle spielen"50.

3. Die Darstellung des Islam bei Liutprand von Cremona

Der Bischof, Diplomat und Geschichtsschreiber Liutprand von Cremona (* ca. 920, † um 970) dagegen kam aus Italien und befaßte sich in seinem Hauptwerk, dem " Liber An- tapodosis", schwerpunktmäßig mit der italienischen und byzantinischen Geschichte des 9. und 10. Jahrhunderts. Für ihn bedeuteten die Überfälle der 'Sarazenen aus Freinet' auf oberitalieni- sche Städte und die Eroberungszüge der 'Punier' aus Nordafrika/Sizilien nach Süditalien weit mehr als für die nordeuropäischen Historiographen, denn das ganze fand in seinem unmittelba- ren Lebensumfeld statt. Wie er aus dieser Perspektive die islamischen Völker, die nach Italien eindringen, wahrnimmt, beschreibt und einordnet, soll im Folgenden untersucht werden.

3.1 Die Beschreibung der islamischen Völker

Um es vorweg zu nehmen: auch Liutprand bietet keine wesentlich genauere Darstellung der islamischen Völker in ihrer Religion und Kultur. Die Sarazenen oder Punier tauchen in seiner Antapodosis nur dann auf, wenn sie auf ihren Raub- und Eroberungszügen bis nach Italien oder Südfrankreich kommen und damit in den Wahrnehmungsbereich eines südeuropäischen Geschichtsschreibers vordringen. Der Anlaß für die Beschreibung der islamischen Völker sind also immer militärische Auseinandersetzungen, und so nennt Liutprand vordergründig auch nur die Merkmale der Sarazenen bzw. Punier, die sie als militärische Gefahr charakterisieren.

So kommen in Liutprands Beschreibung die spanischen Sarazenen, die Mitte des 9. Jahr- hunderts den Ort Garde-Freinet in der Provençe erobern, nachts unbemerkt an Land, wählen einen schwer zugänglichen Ort als Versteck und durchstreifen später heimlich die Umge- bung51. Sie handeln im Verborgenen und sind damit als Gefahr (wie auch als Träger einer fremden Kultur!) schwer zu durchschauen. Liutprand bezeichnet die Eindringlinge im Folgen- den auch als "schlau" und "treulos"52, denn sie machen sich die Zerstrittenheit der Provençalen geschickt zu Nutze, um ihre eigenen Interessen auf äußerst gewalttätige Weise53 durchzuset- zen. Diese Bild verfestigt Liutprand, wenn im zweiten Buch der Antapodosis einen ihrer Raub- überfälle nach Oberitalien und den Schrecken, den sie dabei verbreiten, beschreibt.54 An dieser Stelle werden die Freinet-Sarazenen klar von den "Sarazenen aus Afrika" un- terschieden - Liutprand besitzt hier ein relativ differenziertes Bild von der arabischen Welt. Die Afrikaner oder Punier, wie die Eindringlinge in Unteritalien später auch genannt werden, be- deuten quasi noch eine Steigerung gegenüber den Piraten aus Freinet, denn sie setzen sich für längere Zeit am Mons Garelianus fest, um von dort aus gegen die umliegenden Städte zu zie- hen.55 Die Trennung der Eindringlinge nach Herkunft wird zwar beibehalten, das Bild, das Liutprand von Sarazenen und Puniern zeichnet, gleicht sich jedoch zunehmend an. Vom schlimmen und gottlosen Sarazenenführer ist da die Rede56, vom Raubzug der Punier nach Genua und ihren Gewalttaten dort57 und von der Verwüstung des norditalienischen Gebirgs- landes durch die Sarazenen. In seinem Schmähgedicht gegen die Berge faßt Liutprand selbst zusammen, was er von den islamischen Völkern hält: sie sind in seinen Augen nichtswürdig, blutrünstig, räuberisch und brutal.58

3.2 Strafe und Gerechtigkeit Gottes

Liutprand befaßt sich mit den Sarazenen bzw. Puniern nicht nur, weil die Ereignisse es erfor- dern, sondern es geht ihm bei den Beschreibungen der Sarazenenüberfälle auch darum, in der Geschichte Beweise für die Gerechtigkeit Gottes zu finden.59 Der Gedanke, die Sarazenen könnten ein Werkzeug Gottes zur Bestrafung der Sünden sein, wurde als ein Versuch, sie in das Weltbild einzuordnen (s. auch 2.2), in der christlichen Theologie bereits seit dem 8. Jahr- hundert verfolgt60, und offenbar war diese Idee auch zu Liutprands Zeit noch weit verbrei- tet61.

Schon in der Vorrede zum ersten Buch, den 'methodischen Vorüberlegungen' zum Gesamt- werk wenn man so will, befaßt sich der Bischof Liutprand ausgiebig mit der Gerechtigkeit Gottes. Als theoretische Untermauerung seiner Aussagen führt er Bibelzitate an, den 'prakti- schen Beweis' aber soll ein Beispiel aus der Geschichte liefern.62 So beschreibt er im Folgen- den den Einfall der Sarazenen in Freinet und interpretiert die Verwüstung, die sie dort anrich- ten, als Strafe Gottes für den Haß und die Rachsucht der Provençalen untereinander63. Die Sarazenen dienen Gott als Instrument seiner - in diesem Falle strafenden - Gerechtigkeit. Ge- nauso erweist es sich für König Hugo als fatal, daß er seine Chance zur Vernichtung der Sara- zenen in Freinet nicht nutzt, sondern sie als Bündnispartner im Kampf gegen Berengar wirbt. Die Sarazenen sollen Hugos Widersacher den Weg über die Alpen versperren, dabei nutzen sie ihre Stellung aus, um Pilger und andere Reisende zu ermorden.64 Die Schuld an den Vor- fällen wird Hugo zugeschrieben, und daß er Berengar schließlich unterliegt und kurz darauf stirbt, betrachtet Liutprand als weiteren Beweis für Gottes Gerechtigkeit.65 An dieser Stelle sind die Sarazenen zwar nicht selbst Instrument der Strafe, aber in gewisser Weise Anlaß für Hugos große Sünde .

Den guten Menschen und gläubigen Christen, so der Umkehrschluß aus der Bestrafung der Sünder, hilft der gerechte Gott, gerade auch im Kampf gegen die 'Sarazenenplage'. Die erfolgreiche Vertreibung der Punier vom Mons Garelianus, so Liutprands These, gelingt den "Christgläubigen" nur mit Gottes Unterstützung66, und auch gegen den Sarazenenüberfall auf Acqui hilft Gottes Beistand67.

3.3 Apokalypse

Liutprand äußert sich in seiner Antapodosis zwar nie direkt zu der Religion der Sarazenen bzw. Punier, er deutet jedoch mehrmals ihren fremden Glauben an. Auf der einen Seite ordnet er ihnen dabei einen eigenen Gott zu, den er vom christlichen Herrn unterscheidet68, genauso bezeichnet er sie aber auch als "impius", also ungläubig bzw. gottlos69. Er gibt damit in gewis- ser Weise das 'Einordnungsproblem' wieder, das in seiner Zeit den theologischen Umgang mit dem Islam prägte (s. auch 2.2).

Als weiteres Motiv der zeitgenössischen Theologie nimmt Liutprand die Deutung des Islam als Vorzeichen der Apokalypse auf, auch, wenn dies eher unterschwellig geschieht. Spanische Theologen wie Eulogius und Paul Alvarus hatten im 9. Jahrhundert in Rekurs auf die Offenbarung des Johannes und das Buch Job die Auffassung verbreitet, die Herrschaft des Islam und die damit verbundene Unterdrückung der Christen in Spanien sei eine Vorbereitung auf das endgültige Auftreten des Antichrist und auf das Ende der Welt, und diese Idee wirkte noch im 10. Jahrhundert weiter.70

Liutprand arbeitet sie ein, indem er einen Überfall der Punier auf die Stadt Pavia als "deutliches Vorzeichen des bevorstehenden Untergangs"71 bezeichnet. Ob sich diese Andeutung nur auf den Untergang dieser Stadt, oder aber auf das Ende der Welt bezieht, ist unklar; jedenfalls klingt hier eine unheilbringende Funktion der Punier an, die als apokalyptisches Vorzeichen gedeutet werden kann. Verfolgt man diesen Gedanken weiter, treten auch die Überfälle der Sarazenen in ein anderes Licht: sie kommen quasi aus dem Nichts, sie sind unvorhersehbar und kaum abzuwenden, und die Verwüstungen, die sie anrichten, sind fatal - durchaus eine Parallele zur Vorstellung von den Apokalyptischen Reitern. Es bleibt aber fraglich, ob diese Assoziation tatsächlich von Liutprand beabsichtigt ist.

III. Schlußbetrachtung

Der Islam drang sehr schnell bis in den europäischen Wahrnehmungsbereich vor und stellte das Abendland damit unvorbereitet vor die Aufgabe, einen völlig neuen politischen, militäri- schen, kulturellen und religiösen Faktor 'theoretisch' in sein Weltbild zu integrieren und 'prak- tisch' mit drastisch veränderten Gegebenheiten im Mittelmeerraum umzugehen. Dabei bedeute- te der Islam für das ottonische Reich zunächst einmal nur eine weitere militärische Gefahr, die Italien bedrohte, mit der islamischen Kultur und Religion setzte man sich nur zögerlich ausein- ander.

Da die Kontakte des Ottonenreiches mit der arabischen Welt jenseits kriegerischer Aus- einandersetzungen waren nur spärlich waren - der Handel kam erst gegen Ende des zehnten Jahrhunderts in Schwung, kultureller Austausch im engeren Sinne fand kaum statt und auch auf politisch-diplomatischer Ebene tat sich wenig - blieb das Wissen über den Islam begrenzt. Infolgedessen und aufgrund der wenig erfolgreichen Einordnungs-versuche der Theologie fand ein sehr verzerrtes Bild von der fremden Kultur Eingang in das Denken, und es gab offenbar auch wenig Bemühungen, dieses Bild zu begradigen oder zu erweitern. Für die, die darüber nachdachten, stellte der Islam etwas Fremdes dar, das den christlichen Werten und der christ- lichen Tradition direkt widersprach und damit per se etwas Schlechtes, Perverses oder zumin- dest Suspektes sein mußte - im gewissen Sinne ein 'Gegenpol zum Christentum'.

Tatsache ist aber auch, was die Geschichtsschreibung eigentlich am deutlichsten zeigt: für den größten Teil den ottonischen Reiches bedeutete der Islam wenig, denn nördlich der Alpen kam man mit seinen Vertretern erst gar nicht in Berührung: weder suchten einen die Sarazenen auf ihren Raubzügen heim, noch trieb man mit der arabischen Welt direkt Handel. Den Islam als Religion und Kultur nahm man, wenn überhaupt, als sehr entferntes Phänomen der wahr, das man entweder wenig beachtete oder aber nach Bedarf 'interpretierte' (à Hrotsvith).

Italien dagegen ragte schon allein geographisch ins Einflußgebiet der islamischen Reiche: eine ständige Bedrohung, wie Liutprand sie darstellt, einerseits, Gelegenheit zu Handel und 'Kultur- transfer' - im begrenztem Maße (s. 1.3) - andererseits. Trotz dieser Nähe fand eine eigenstän- dige Auseinandersetzung mit der fremden Religion augenscheinlich nicht statt - auch Liutprand von Cremona verläßt bei seinen Einordnungsversuchen des Islam als Strafe Gottes bzw. Vor- ahnung der Apokalypse auf ältere Deutungsmuster. Es ist anzunehmen, daß die Nähe zur islamischen Welt eher ein praktisches Problem darstellte - man hatte mit den Überfällen der islamischen Völker (Sarazenen/ Punier) umzugehen oder nutzte ihre Anwesenheit, um Handel zu treiben, richtete sich im Umgang mit dem Islam also nach der jeweiligen Situation und weniger nach komplizierten theologischen Überlegungen.

IV. Bibliographie

1. Quellentexte

- Liutprand von Cremona: Liudprandi Liber Antapodosis - Liutprands Buch der Vergeltung.
- Widukind von Corvey: Widukindi res gestae Saxonica - Widukinds Sachsengeschichte. beide in: Quellen zur Geschichte der sächsischen Kaiserzeit, hrsg. von A. Bauer und R. Rau, 4. Aufl., Darmstadt 1992. (= Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, Bd. 8)
- Thietmar von Merseburg: Chronik. Neu übertr. und erl. von W. Trillmich, 5. Aufl., Darmstadt 1974. (= Ausgewählte Quellen zur dt. Geschichte des Mittelalters, Bd. 9)
- Hrotsvith von Gandersheim: Hrostvithae Opera. Mit Einleitungen und Kommentar von H. Homeyer. Paderborn 1970.

dt. Übersetzung: Hrotsvitha Werke in deutscher Übertragung. Mit einem Beitrag zur frühmittelelterlichen Dichtung von H. Homeyer. München/Paderborn/ Wien 1973.

2. Sekundärliteratur

- Daniel, Norman: Islam and the West. The Making of an Image. 2., Aufl., Oxford 1993.

- ders.: The Arabs and Mediaeval Europe. 2. Aufl, London/ New York 1979.

- Donner, Fred M.: Islam, Conquests of. In: Dictionary of the Middle Ages, Bd. 6, 1985, 566f.

- Gauss, Julia: Toleranz und Intoleranz zwischen Christen und Muslimen in der Zeit vor den Kreuzzügen. In: Saeculum 19, 1968, 362-389.

- von Grunebaum, G. E.: Der Islam im Mittelalter. Zürich/Stuttgart 1963.

- Rotter, Ekkehardt: Abendland und Sarazenen. Das okzidentale Araberbild und seine Entstehung im Frühmittelalter. Berlin/ New York 1986. (= Studien zur Sprache, Geschichte und Kultur des islamischen Orients, Bd. 11)

- Schieder, Theodor: Handbuch der europäischen Geschichte, Bd.1: Europa im Wandel von der Antike bis zum Mittelalter, hrsg. von Th.Schieffer. 3. Aufl., Stuttgart 1992. - Schramm, Percy Ernst: Kaiser, Rom und Renovatio. Leipzig/Berlin 1929. (= Studien der Bibliothek Warburg, hrsg. von Fritz Saxl, Bd. 17,1)

- Southern, Richerd W.: Das Islambild des Mittelalters. Stuttgart u.a. 1981.

- Sutherland, Jon N.: Liutprand of Cremona, Bishop, Diplomat, Historian. Studies of a Man and his Age. Spoleto 1988.

- Walther, Helmut G.: Der gescheiterte Dialog: Das ottonische Reich und der Islam. In: Orientalische Kultur und europäisches Mittelalter, hrsg. von A. Zimmermann. Berlin 1985. (= Miscellanea Mediaevalia, Bd. 7)

- Watt, G. Montgomery: Der Einfluß des Islam auf das europäische Mittelalter. Berlin 1988. (= Kleine kulturwissenschaftliche Bibliothek, Bd. 4)

[...]


1 Southern, Richard W.: Das Islambild des Mittelalters. Stuttgart u.a. 1981. (künftig zit. als: Southern: Islambild.)

2 Es wird darauf verzichtet, jede der folgenden Aussagen einzeln zu belegen, da es sich um historische Fakten, d.h. reines "Handbuchwissen" handelt. Wenn nicht gesondert angegeben, vgl.:

- Donner, Fred M.: Islam, Conquests of. Dictionary of the Middle Ages, Bd. 6, 1985, S. 566-574.
- Kinder/ Hilgemann: Frühes Mittelalter/ Islam I+II. dtv-Atlas zur Weltgeschichte, Bd. 1, 27. Aufl., München 1993, S. 135ff.
- Schieder, Theodor (Hrsg.): Handbuch der europäischen Geschichte, Bd.1: Europa im Wandel von der Antike zum Mittelalter, hrsg von Th. Schieffer. 3. Aufl., Stuttgart 1992, S. 1001-1012. (künftig zit. als: HEG.)

3 In der Literatur wird die Transkription arabischer Namen und Begriffe in Lateinische Buchstaben sehr unterschiedlich gehandhabt, was sich, da die Umschreibungen übernommen werden, auch in dieser Arbeit widerspiegelt. Tritt ein Name häufiger auf, wird die Schreibweise angeglichen.

4 Watt, W. Montgomery: Der Einfluß des Islam auf das europäische Mittelalter. Berlin 1988, S. 12. (künftig zit. als: Watt: Einfluß.)

5 Vgl. Watt: Einfluß, S. 12.

6 Ebd., S. 17.

7 Ebd., S. 18.

8 Vgl. Liutprand von Cremona: Antapodosis II 44-50.

9 Vgl. ebd., IV 4-5:

10 Daniel, Norman: The Arabs and mediaeval Europe. 2. Aufl., London/ New York 1979, S. 54. (künftig zit. als: Daniel: Arabs.)

11 Vgl. Thietmar von Merseburg: Chronik III, 20.

12 Vgl. Ebd., III 21.

13 Vgl. Watt: Einfluß, S. 24-25.

14 Vgl. HEG, S.1019f.

15 Watt: Einfluß, S. 26.

16 Ebd., S. 27.

17 Vgl. Ebd., S. 35-36.

18 Walther, Helmut G.: Der gescheiterte Dialog: Das ottonische Reich und der Islam. In: Orientalische Kultur und europäisches Mittelalter, hrsg. von A. Zimmermann. Berlin 1983. ( = Miscellanea Mediaevalia, Bd. 7), 22-40, S. 43. (künftig zit. als: Walther: Dialog.)

19 Vgl. Walther: Dialog, S.21.

20 Vgl. ebd., S 26.

21 Vgl. Daniel: Arabs, S. 66.

22 Zum genauen Ablauf und Inhalt der Gespräche vgl. Walther: Dialog, S. 37f. und Daniel: Arabs, S. 67ff.

23 Vgl. Walther: Dialog, S. 33 und Daniel: Arabs, S. 65

24 Vgl. Hrotsvitha von Gandersheim: Opera, "Pelagius". Die Darstellung der sächsichen Kanonisse dürfte dem Denken ihrer Zeitgenossen durchaus entsprechen bzw. es entsprechend geprägt haben. Zur Sicht des Islam in der otton. Geschichtsschreibung siehe auch 2.3.

25 Walther: Dialog, S. 27.

26 Vgl. Schramm, Percy Ernst: Kaiser, Rom und Renovatio. In: Studien der Bibliothek Warburg, hrsg. von Fritz Saxl, 17,1, Leipzig/Berlin 1929, S.44-86.

27 Vgl. von Grunebaum, G.E.: Der Islam im Mittelalter. Zürich/Stuttgart 1963, S. 46. (künftig zit. als: von Grunebaum: Mittelalter.)

28 Southern: Islambild, S. 10.

29 Vgl. ebd., S. 12.

30 Zu Widersprüchen und Übereinstimmungen bei den religiösen Grundprinzipien von Christentum und Islam vgl. Gauss, Julia: Toleranz und Intoleranz zwischen Christen und Muslimen in der Zeit vor den Kreuzzügen. In: Saeculum 19, 1968, 362-389, S. 378-389.

31 Vgl. Rotter, Ekkehart: Abendland und Sarazenen. Das okzidentale Araberbild und seine Entstehung im Frühmittelalter. Berlin/ New York 1986. (= Studien zur Sprache, Geschichte und Kultur des islamischen Orients, Bd 11, neue Folge) S. 247ff. (künftig zit. als: Rotter: Sarazenen.)

32 Vgl. Daniel, Norman: Islam and the West. The Making of an Image. 2.,überarb. Aufl., Oxford 1993, S. 98.

33 Vgl. Southern: Islambild, S. 19; Rotter: Sarazenen, S. 252ff.

34 Vgl. Southern: Islambild, S. 22f.

35 Vgl. Watt: Einfluß, S.73f.

36 Vgl. Southern: Islambild, S. 10.

37 Widukind von Corvey: Widukindi res gestae Saxonicae III 56: "Unde plurimos legatos suscipit, Romanorum scilicet et Graecorum Sarracenorumque, per eosque diversi generis munera..."

38 Ebd., III 56: "...animalia Saxonibus antea invisa..."

39 Ebd., III 75: "...capto rege Longobardorum, superatis Graecis victisque Sarracenis..."

40 Ebd., III 75: "...ab hostibus eos liberasse, superbos hostes Avares, Sarracenos, Danos, Sclavos..."

41 Hrotsvitha von Gandersheim: Hrotsvithae Opera. Passio sancti Pelagii, V. 32ff.: "Ductor barbaricae gentis...Vir sat perversus, vita rituque profanus..."

42 Ebd., V. 24: "perfida Saracenorum gens indomitorum"

43 Ebd., V. 73: "Deterior patribus, luxu carnis maculatus..."

44 Ebd., V. 117: "Pergeret ut gentem secum delere fidelem..."

45 Vgl. ebd., V. 227- 289.

46 Thietmar, Chronik II 25: "Nam Saraceni Ierusolimam tunc invadentes nil reliquere victis..." - Gemeint ist der Sieg der Fatimiden beim Ramla 969 -

47 Ebd., III 20.

48 Ebd., VII 45: "...et cum potentia ac securitate fines illius regionis inhabitant et uxoribus incolarum abutuntur."

49 Ebd., VII 45: "...ut inimicos Christi..."; "Respexit tandem Deus gemitu piorum placatus et odientes se fugavit..."

50 Southern: Islambild, S. 20.

51 Liutprand von Cremona: Liudprandi Antapodosis I 3: "noctu egressi villamque clam ingressi", "clam circumquaque perlustrant"

52 Ebd., I 4: "Saracenos, non minus callidos quam perfidos..."

53 Ebd., I 4: "Saeviunt itaque, exterminant, nil reliqui faciunt."

54 Ebd., II 43: "vicinas non mediocriter laniabant"; "Tantus enim timor invaserat universos..."

55 Ebd., II 44-54.

56 Ebd., IV 4: "Sagittus Saracenus pessimus impiusque"

57 Ebd., IV 5.

58 Ebd., V 11: "...et servare malos...Sanguine qui gaudent hominum, Iuvat et vivere rapto."

59 Vgl. auch Sutherland, Jon N.: Liutprand of Cremona, Bishop, Diplomat, Historian. Studies of a Man and his Age. Spoleto 1988. S. 59ff. (künftig zitiert als: Sutherland: Liutprand.)

60 Vgl. Rotter: Sarazenen, S. 262.

61 Vgl. Sutherland: Liutprand, S. 58.

62 Liutprandi Antapodosis I 1-2.

63 Vgl. ebd., I 4.

64 Vgl. ebd., V 16f.

65 Ebd., V 31: "Rex Hugo cum divinam animadversionem declinare... non posset..."

66 Ebd., II 46: "convertit Deus corda Christicolum..."; II 54: "Deo miserante, Poenorum nec unus quidem superfuit."

67 Vgl. Ebd., IV 4.

68 Ebd., I 4: "Quia Deus suus vendidit eos et Dominus conclusit illos." (kursiv im Original)

69 Ebd., IV 4.

70 Vgl. Southern: Islambild, S. 22f.

71 Liutprand, Antapodosis V 5.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Das ottonische Reich und der Islam - Der Umgang mit der islamischen Welt in Politik, christlichem Denken und Geschichtsschreibung
Note
1
Autor
Jahr
1997
Seiten
16
Katalognummer
V95232
ISBN (eBook)
9783638079112
Dateigröße
389 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Reich, Islam, Umgang, Welt, Politik, Denken, Geschichtsschreibung
Arbeit zitieren
Svenja Kunze (Autor:in), 1997, Das ottonische Reich und der Islam - Der Umgang mit der islamischen Welt in Politik, christlichem Denken und Geschichtsschreibung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95232

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