Die Nahost-Krise 1965 - Die Entscheidung des Bundeskanzlers Erhard vom 7. März 1965


Referat (Ausarbeitung), 1996

23 Seiten


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

1. Hintergründe der Nahost-Krise

2. Ein zerstrittenes Kabinett - auf der Suche nach dem Patentrezept
2.1 Die Kabinettsitzung vom 2. März 1965
2.2 Die Kabinettsitzung vom 4. März 1965
2.3 Die Kabinettsitzung vom 5. März 1965

3. Die Entscheidung Erhards vom 7. März 1965

4. Innenpolitische Wirkungen
4.1 Die deutsche Presse
4.2 Die Einstellung der westdeutschen Bevölkerung
4.3 Standpunkte in den Fraktionen
4.4 Nachdenken über die Hallstein-Doktrin

5. Die Regierung Erhard nach der Entscheidung
5.1 Birrenbach und die vorläufigen Verhandlungen
5.2 Besänftigungpolitik

6. DDR: Standpunkte und Reaktionen

7. Reaktionen arabischer Staaten

8. Westliche Positionen

9. Israels Position

Schluß

Literaturverzeichnis

Einleitung

Um die folgenreiche Entscheidung Erhards vom 7. März 1965 zu plausibilisieren, benötigt es der Vorgeschichte. Den Stein ins Rollen für die von Erhard gesetzte Zäsur im März brachte die Ankündigung Nassers Ulbricht einzuladen. Oder besser noch: Die am 26. Oktober 1964 in die deutsche Öffentlichkeit lancierten Waffenlieferungen.

Von da an versuchte der ägyptische Staatspräsident Nasser für sich größtmöglichen Nutzen zu ziehen. Einerseits bewirkte er die Einstellung der Waffenlieferungen an Israel, zum andern desavouierte er die Bundesregierung, indem er Ulbricht anschliessend nicht auslud. So schien es, als wenn Nasser bei dem va banque-Spiel gewinnen würde. Einerseits die Früchte der Kommunisten zu ernten (die hohen monetären Versprechungen Ulbrichts und der UdSSR), zum andern die Entwicklungshilfe der BRD ungeniert weiterzuverlangen. Daßdiese Taktik nicht aufgehen konnte, lag an verschiedenen Gründen. In den nachstehenden Kapiteln wird versucht die Gründe zu verdeutlichen.

Es war erst wenige Tage her, daßUlbricht die VAR verließ, und schon drohte in der Bundesrepublik aus einer außenpolitischen Krise eine innenpolitische zu werden. Endlich raffte Erhard sich dann zu der einschneidenden Erklärung auf. Mit dieser Entscheidung sollte die Politik der Sowjets zunichte gemacht werden; nämlich die Hallstein-Doktrin abzuwerten und die Gleichgültigkeit der westlichen Mächte gegenüber einer Aufwertung des ostzonalen Regimes vor aller Welt zu demonstrieren.

Zudem schuf die Situation neue politische Anforderungen. Zum erstenmal wurde die Hallstein-Doktrin öffentlich in Frage gestellt. Zum erstenmal in der Geschichte der BRD wurde aus einer außenpolitischen Entscheidungsschwäche heraus die Rolle des Bundeskanzlers hinterfragt.

So rettete Bundeskanzler Erhard mit dieser Entscheidung nicht nur sein Amt, sondern vermutlich auch die darauffolgenden Bundestagswahlen im Herbst 1965.

1. Hintergründe der Nahost-Krise

Durch die Agitation der westlichen Großmächte USA, England und Frankreich in der Suezkrise war ihr Bild im Nahen Osten nicht zum Besten bestellt. Die Möglichkeit auf die Politik im Nahen Osten konstruktiv mitzuwirken sank auf ein Minimum. Von nun an kam der Bundesrepublik Deutschland die Aufgabe zu westliche Interessen in der arabischen Welt zu vertreten. Ein Verlust bundesdeutschen Einflusses hätte unweigerlich zu einer "Sowjetisierung" geführt - waren die UdSSR und die DDR doch um einen Ausbau ihres Wirkungskreises emsig bemüht.

Lange Zeit führte die bundesrepublikanische Regierung eine Politik, die es vermied Veränderungen im Nahen Osten anzutreiben. Man fuhr mit dieser Politik gut - die wirtschaftlichen Kontakte wurden ausgebaut und die SBZ wurde nicht als eigenständiger Staat anerkannt. Einzig Israel wurde vernachlässigt - unverbindliche Versprechungen zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen wurden gemacht, aber nicht eingehalten. Im Prinzip also konnte die Regierung mit dem Status quo ante zufrieden sein.

Wie instabil der Lage war, zeigte die überraschende Einladung Nassers an den Staatsratsvorsitzenden der DDR Ulbricht, die am 27. Januar 1965 öffentlich bekanntgegeben wurde. Die Bundesregierung zeigte sich entsetzt. Erhard war außer sich, daßNasser mit den "Spaltern der deutschen Nation" paktierte, fürchtete man doch die internationale Anerkennung der DDR. Der Einladung Ulbrichts wurde um so mehr Gewicht verliehen, als Ägypten das erste Land außerhalb des Ostblocks war, das Ulbricht einlud1.

Von nun an beherrschte die Nahost-Krise den Tagesablauf im Kanzleramt, wie es bis dahin keine Einzelfrage getan hatte. Am 7. Februar drohte Ägypten im Falle der Fortsetzung des Waffengeschäfts mit einem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Bonn und einem Boykott der bundesdeutschen Wirtschaft durch die arabischen Staaten. Bonn kapitulierte schließlich und ging auf die Erpresserpolitik Kairos ein. Am 10. Februar verkündete Kairo den bundesdeutschen Waffenlieferungsstop. Naiverweise erhoffte Bonn sich mit dem Einlenken die Ausladung Ulbrichts - ein Affront, den Nasser niemals gewagt hätte; unterhielten doch Ägypten und der Ostblock intensive Handelsbeziehungen. Dazu kam, daßdie Sowjets mit allen Mitteln auf eine Anerkennung der SBZ drangen2.

Auch nützte es Bonn nichts mehr, daßman der ägyptischen Führung "dringlich und düster auf die unweigerlichen Folgen ihrer etwaigen Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Pankow aufmerksam machte." Nasser reagierte nur um so verbissener, ließer sogar für Ulbricht den roten Teppich ausrollen, die "Spalter-Hymne" abspielen und 21 Salutschüsse abfeuern. Nun kam die Regierung mit ihrer Hallstein-Doktrin in Bedrängnis3.

Zusätzlich zum diplomatischen Fiasko mit Kairo, wurden auch die Beziehungen zu Israel belastet. Hervorgerufen wurde dies durch den Einsatz deutscher Ingenieure in Kairo, der Uneinigkeit über die Verjährungsfristen von Mordtaten im Bundestag und dem Einstellen der Waffenlieferungen in Spannungsgebiete, resp. Israel. Die Einstellung der Waffenlieferungen erzürnte die Israelis besonders, da vertragliche Absprachen verletzt wurden und man durch die prekäre Lage im Nahen Osten auf Waffen angewiesen war.

Um das Verhältnis zwischen Israel und der Bundesrepublik wieder zu beruhigen, versuchte die Bundesregierung mit Shinnar, dem Leiter der Israel-Mission, über die Kompensation der Waffenlieferungen zu einer Lösung zu kommen. Die israelische Regierung aber bestand auf die Erfüllung des Vertrages. Als Dreingabe zu den bilateralen Spannungen wurden in Israel anti-deutsche Demonstrationen abgehalten. In den USA riefen jüdische Kreise zum Boykott deutscher Waren auf.

2. Ein zerstrittenes Kabinett - auf der Suche nach dem Patentrezept

Um den Druck auf Kairo zu erhöhen, beschloßErhard am 12. Februar daßdie Wirtschaftshilfe an Ägypten bei einem Besuch Ulbrichts eingestellt werde. Spätestens ab dem 17. Februar wurde die Kritik an Erhards Außenpolitik überdeutlich: Der SPD-Fraktionsvorsitzende Erler erklärte, daßes so aussähe, als hätte die Bundesrepublik gar keinen Bundeskanzler mehr, und das Vertrauenskapital schwinde dahin. Ähnliche Töne waren von der Presse zu hören. Der Ruf nach klaren Entscheidungen des Bundeskanzlers wurde immer stürmischer. Regierungssprecher von Hase führte den Zustand am 20. Februar in einer Kabinettsrede aus: Die BRD befinde sich in der schwersten Krise seit ihrem Bestehen; die arabischen Länder und wichtige jüdische Kreise seien gegen sie; im In- und Ausland habe die Regierung eine schlechte Presse4.

An den folgenden Tagen fanden Beratungen statt, wie man je nach protokollarischem Rang auf den Ulbricht-Empfang reagieren wolle. Adenauer und Hallstein teilten Erhard ihren Wunsch nach dem Abbruch diplomatischer Beziehungen mit Kairo mit. Es gab verschiedene Denkschulen, wie man auf die Lage im Nahen Osten reagieren sollte:

Die erste, insbesondere vertreten durch Bundeskanzler Erhard, ging davon aus, jetzt den schon lange fälligen Schritt zu tun, diplomatische Beziehungen mit Israel einzuleiten, ohne übertriebene Rücksicht auf die Proteste einzelner arabischer Staaten zu nehmen. Die zweite Denkrichtung sah als Zwischenlösung vor, Israel die Errichtung eines Generalkonsulats anzubieten, mit der Maßgabe, daßdieses nach einer zeitlich vorher zu fixierenden Zeitspanne automatisch in eine Botschaft umgewandelt werden sollte. Während dieser Zeit galt es, einen letzten Versuch zu machen, mit den arabischen Staaten zu einer Verständigung zu kommen. Sollte diese nicht erreichbar sein, so würde das Generalkonsulat endgültig in eine Botschaft umgewandelt werden. Die dritte Schule ging dahin, es bei der Errichtung einer der Kölner Mission entsprechenden Dienststelle in Israel zu belassen5. Sanktionen gegen Kairo sollten von dem Schlußkommuniqué Ulbrichts und Nassers abhängig gemacht werden.

Schließlich weilte Ulbricht vom 24. Februar bis zum 2. März in Kairo. Am 2. März wurde das Schlußkommuniqué veröffentlicht. Insgesamt vermittelte das Kommuniqué den Eindruck, daßes sich bei Ulbrichts Besuch um einen Staatsbesuch handelte und Nasser die DDR de facto anerkannt hatte6. Dadurch erfuhr die DDR internationale Aufwertung.

2.1 Die Kabinettsitzung vom 2. März 1965

So standen vom 2.,4. und 5. März im Mittelpunkt der Kabinettsitzungen die Nahost-Krise. Am 2. März plädierte Erhard für den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Kairo. Harriman, ein amerikanischer Staatssekretär, definierte Ulbrichts Visite keinesfalls als Staatsbesuch, lediglich als "auffällig". Insofern dürfe Bonn die diplomatischen Beziehungen mit Kairo nicht abbrechen; zudem schade dies der westlichen Position; "der Damm gegen den Kommunismus in jener Region würde brechen." Gleichfalls lehnte Wirtschaftsminister Scheel einen Bruch ab7. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Carstens, stellte die Isolierungspolitik der BRD gegenüber der SBZ in Frage: Die Deutschlandpolitik sei schwer mit der allgemeinen Entspannungspolitik zu vereinen und Bonn sei nicht bereit eine "Opferpolitik" durchzuführen. So könne man mit zwei-drei Milliarden Entwicklungshilfe den alten Modus vivendi wiederherstellen. Schröder als auch Regierungssprecher von Hase sprachen sich ebenfalls gegen einen Abbruch aus und für die Errichtung von Generalkonsulaten mit Israel8.

Große Teile der Medien forderten in diesen Tagen harte Konsequenzen, resp. den Abbruch diplomatischer Beziehungen zu Kairo9. Andere Zeitungen warnten vor diesem Schritt. Man erwartete eine Entscheidung. Erhard wurde kritisiert als aktionsunfähig, und "trotz guter Vorsätze zur Entscheidung unfähiger Bundeskanzler"10. In anderen Blättern wurde er als Hamlet bezeichnet oder gar der Rücktritt Schröders gefordert.

2.2 Die Kabinettsitzung vom 4. März 1965

Schröder trat für den amerikanischen Standpunkt ein. Er erklärte, daßNasser die SBZ nicht anerkannt habe, die Wirtschaftssanktionen genügen würden und daßauch die Amerikaner den Abbruch diplomatischer Beziehungen nicht guthießen, um Kairo nicht den Kommunisten zu überlassen. Erhard sprach sich für den Abbruch, also die Beharrung auf den Alleinvertretungsanspruch aus. Die Mehrheit im Kabinett vertrat seine Ansicht11.

Ähnlich waren auch die Fraktionen gespalten. Die CDU ohne einheitliche Richtung, die CSU wollte nur von den Alliierten unterstützte Schritte unternehmen, die FDP war gegen Abbruch, um der deutschen Wirtschaft nicht zu schaden. Und die SPD war zerstritten12.

Die Kabinettsitzung vom 4. März endete wieder einmal ohne Beschlußfassung. Am 5. März empfing Erhard den französischen, britischen und amerikanischen Botschafter. Jene rieten ihm trotz der hauchdünnen De-jure-Anerkennung Pankows von dem Abbruch ab. Der Westen müsse in den arabischen Staaten unter allen Umständen präsent bleiben, es müsse alles vermieden werden, was seinen Einflußschmälern könnte. Diese Warnung machte einige Minister noch unsicherer. Erhard konnte sich der Einsicht nicht verschließen, daßer vor einer Kabinettskrise stand13.

2.3 Die Kabinettsitzung vom 5. März 1965

Die Lage hatte sich verändert. Nun sprach sich eine Mehrheit von 12 zu 9 Stimmen gegen den Abbruch aus14. Die Gegner nannten drei Gründe: 1. Die Furcht vor dem Bruch mit anderen arabischen Staaten, 2. Einzug der SBZ in den Nahen Osten, 3. Der Druck der Alliierten bzw. McGhees.

Am 5. März suchte der Sonderbeauftragte Birrenbach Erhard auf. Birrenbach, der gerade aus New York zurückkehrte, berichtete ihm wie die deutsche Politik von politischen Persönlichkeiten jenseits des großen Teichs betrachtet wurde. So sei es für die westliche Welt wichtig, daßdie Bundesrepublik nicht durch den Abbruch diplomatischer Beziehungen durch die arabischen Staaten aus der gefährdeten Zone des Nahen Ostens als Faktor der Mäßigung ausgeschaltet werden würde. Birrenbach strebte zunächst nur die Errichtung eines Generalkonsulats mit Israel an, um nach der Beruhigung arabischer Staaten volle diplomatische Beziehungen aufzunehmen. Ansonsten fürchte er, daßdie arabischen Staaten in das Lager der Ostblockstaaten und der sowjetischen Besatzungszone abschwenken würden15. Erhard beauftragte Birrenbach in Verhandlungen die schrittweise Aufnahme diplomatischer Beziehungen anzubieten, gleichzeitig aber das Waffenabkommen umzuwandeln. Am 6. März flog Birrenbach in geheimer Mission nach Tel Aviv.

Im Anschlußan Birrenbachs Gespräch unterhielt Erhard sich mit Rainer Barzel, dem Fraktionsführer der CDU/CSU, der ebenfalls aus den USA zurückkehrte. Er setzte sich mit großem Nachdruck für die sofortige Einleitung diplomatischer Beziehungen mit Israel ein und verwies dabei auf seine Eindrücke in ausgedehnten Gesprächen mit führenden jüdischen Persönlichkeiten in den USA.

Am 6. März kam Erhard endgültig in Bedrängnis. Neueste Meinungsumfragen zeigten, daßer wegen seiner Unentschlossenheit krasse Einbußen in der Beliebtheitsskala hinnehmen mußte16.

Anschließend äußerten sich Schröder und Barzel und andere einflußreiche Politiker gegen den Abbruch mit Kairo, was Erhard vermutlich umstimmte. Einzig der Fraktionsvorsitzende der CSU, Straußstrebte diplomatische Beziehungen mit Israel an, wie auch den Bruch mit Kairo. Am 6. und am Morgen des 7. März wurde Erhard von führenden Unionspolitikern, von Barzel, Strauß, Dufhues und weiteren bestürmt über die Birrenbach-Weisung hinauszugehen, und noch am 7. März öffentlich zu erklären, daßBonn volle diplomatische Beziehungen mit Israel wünsche17. Sollte er dies nicht tun, drohte man mit Sanktionen: Von der Einberufung der Fraktion am Montag bis hin zu seiner Abwahl.

3. Die Entscheidung Erhards vom 7. März 1965

Unter diesem enormen Druck veröffentlichte Erhard am Sonntagmittag, dem 7. März 1965 ohne erneute Kabinettsitzung seine Entscheidung. Dies war das einzige Mal, daßBundeskanzler Erhard von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch machte. [Art. 65, GG] Die Erklärung beinhaltete fünf Punkte von unterschiedlicher politischer Durchschlagskraft. Die Kernpunkte waren18:

1. Ulbrichts Empfang in Kairo wird durch die Einstellung der Wirtschaftshilfe beantwortet.
2. Die Aufwertung der SBZ wird als unfreundlicher Akt angesehen.
3. Bonn strebt diplomatische Beziehungen mit Israel an.
4. Künftig werden keine Waffen mehr in Spannungsgebiete geliefert.
5. Man ist um den Abbau von Spannungen im Nahen Osten bemüht.

4. Innenpolitische Wirkungen

4.1Die deutsche Presse

Niemals vor seiner Amtszeit hatte Erhard eine so gute Presse wie nach seiner Entscheidung Israel anzuerkennen. Die Zeit war erleichtert, daßder Kanzler "die tagelangen und schließlich peinlich wirkenden Beratungen über die Bonner Nahost-Politik vorläufig abschloß."19 Die Welt kommentierte: "Erhard entschied nach den deutschen Interessen."20 Die Frankfurter Allgemeine Zeitung meinte: "Das ist eine Entscheidung, der wir aus Herzensgrund zustimmen." Die Regierung Erhard, eben noch zerbröselt und wackelnd, sei nun stabil. Die Erklärung sei für seine politische Entwicklung von Vorteil, verschaffe ihm Profil und sei gut für seine Wahlchancen. Ausdrücklich betont wird, daßdie Krise noch lange nicht ausgestanden sei21. Die Bonner Rundschau vertrat die Ansicht, die Bundesregierung habe mit Klugheit und Festigkeit gehandelt22. Bild schrieb: "Der Kanzler tat das Beste, was er tun konnte."23 Die Frankfurter Abendpost bemerkte, daß"die Bonner Ankündigung in weiten Kreisen als fühlbare Erleichterung empfunden [wurde]."24 Die Süddeutsche Zeitung empfand den jüngsten Entschlußder Bundesregierung als "richtig", ein Anlaß"darüber froh zu sein", sei er aber nicht. Begründet wird dies mit der zu langen Entscheidungssuche Erhards und mit mangelnder Selbständigkeit. Die Entscheidung Erhards sei schließlich auf Drängen verschiedener Mächte zustandegekommen25.

4.2 Die Einstellung der westdeutschen Bevölkerung

Die Entscheidung Erhards wurde von der Mehrheit der deutschen Bevölkerung unterstützt. Während sich im Februar 1965 erst 35% der Deutschen für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Israel aussprachen, waren es im März mehrheitliche 46%. Der Anteil der Gegner verringerte sich im selben Zeitraum von 37 auf 20%26. Infolgedessen brauchte Erhard die Deutschen von der Notwendigkeit dieser Entscheidung nicht erst noch überzeugen.

4.3 Standpunkte in den Fraktionen

In der Partei und Fraktion war man am Montag überrascht, verwundert und beleidigt. Dennoch gelang Zustimmung zu erreichen27. Der Vorsitzende der CDU/CSU- Bundestagsfraktion Barzel sagte die volle Zustimmung seiner Fraktion zu Erhards Entscheidung zu. Doch die Lager waren gespalten: Auf der einen Seite gab es FDP- Spitzenpolitiker, deren primäres Anliegen die guten Beziehungen zum Nahen Osten waren, nötigenfalls auf Kosten Israels. Das dokumentierte sich in ihrer Erklärung vom 8. März: "Das ganze deutsche Volk wünscht die Normalisierung unseres Verhältnisses gegenüber Tel Aviv. Der Weg dorthin ist freilich nicht leicht. Er wird möglicherweise nur in Stufen zu bewältigen sein."28

Auf der anderen Seite traten die Unionspolitiker Adenauer, Barzel, Strauß, Bundestagspräsident Gerstenmaier, Bundespräsident Lübke mit Erhard an der Spitze für ein bestmögliches Verhältnis zu Israel ein29. Straußwollte sogar noch einen Schritt weitergehen und auch die Waffenlieferungen an Israel fortsetzen.

Am Montag Abend, den 8. März stellte sich das Präsidium geschlossen hinter Erhards Entscheidung. Darin wird die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel ausdrücklich begrüßt und die Maßnahmen gegen die VAR gebilligt.

Als Reaktion auf Erhards Erklärung kritisierte die SPD, daßdie Entscheidung viele Fragen offen lasse und wie immer keine eigenen Ideen enthalte. Die Krise sei nicht überwunden und es würden neue Schwierigkeiten auftauchen.

Eine Woche nach der Erklärung Erhards verschärfte sich die innenpolitische Auseinandersetzung um die Nahost-Krise. Politiker der SPD forderten eine aktivere Wahrnehmung des Alleinvertretungsrechts, eine neue Schwerpunktbildung bei Wirtschaftshilfen, sowie eine Normalisierung der Beziehungen zu Israel30.

4.4 Nachdenken über die Hallstein-Doktrin

Am 10. März stellte Außenminister Schröder vor dem Bundestag erstmals offiziell die Hallstein-Doktrin in Frage. Schröder machte deutlich, daßihm daran gelegen sei, nicht automatisch an einen Abbruch der Beziehungen zu denken, wenn ein Land Pankow anerkenne. Man müsse den Einzelfall prüfen. Hierbei stimmten ihm Teile der CDU/CSU Fraktion zu. Die FDP begrüßte den Vorstoß. Ähnliche Forderungen stellten Vertreter ihrer Fraktion. Sie forderten die Aufweichung der Hallstein-Doktrin, den Verzicht des Alleinvertretungsanspruchs und die Hinnahme der SBZ als zweiten deutschen Staat. Teile der SPD sprachen sich für eine Modifizierung der Doktrin aus31.

5. Die Regierung Erhard nach der Entscheidung

5.1 Birrenbach und die vorläufigen Verhandlungen

Am Mittwoch, den 10. März 1965 kehrte Sonderbotschafter Birrenbach nach Bonn zurück. Er schilderte Erhard den Stand der Verhandlungen, resp. die Bedingungen der israelischen Regierung. Die israelischen Verhandlungspartner forderten die Erfüllung des Waffenlieferungsvertrages, einen neuen Wirtschaftshilfevertrag, die deutsche Botschaft in Jerusalem, militärische Sicherheitsgarantien, sowie die Verlängerung der Verjährungsfristen von Mordtaten. Aufgrund der hohen Forderungen waren "Bonns Diplomaten entsetzt: ´Die Juden verlangen immer viel zu viel´", hießes im Auswärtigen Amt (AA)32. So war mit Erhards Entscheidung noch lange nicht alles gelöst - doch durch diplomatisches Geschick kam es schließlich Wochen später zu einer zufriedenstellenden Lösung.

5.2 Besänftigungpolitik

Um die Reaktionen und Sanktionen der arabischen Welt zu vermindern betonte die Bundesregierung von Beginn an, daßsie sich bemühe, die Araber von "einer ausgewogenen deutschen Politik" zu überzeugen33. Außerdem wolle man die deutschen Botschafter zunächst nicht aus dem Nahen Osten abziehen. Das AA bemühte sich, den arabischen Staaten den Schritt zu erläutern und klarzumachen - u.a. mit dem Argument, daßFrankreichs Aktivitäten in Tel Aviv schließlich auch toleriert würden. Zu den angekündigten Sanktionen der Staaten der Arabischen Liga sagte Regierungssprecher von Hase, daßdie Regierung dies außerordentlich bedauern würde. Durch den Waffenlieferungsstop nach Israel wolle man besonders im Interesse der arabischen Staaten, Entspannung beitragen.

DaßKönig Hassan II. von Marokko seinen Besuch in Bonn absagte, wird versucht herunterzuspielen, bzw. den Schaden zu begrenzen indem das AA versicherte, daß"er seinen Besuch in Bonn nur aufgeschoben" habe.

An dem Tag, an dem die Knesset die Initiative Erhards annahm, apellierte von Hase noch einmal an alle arabischen Staaten, Verständnis für das deutsche Vorgehen zu haben. Zusätzlich zu diesen Beschwichtigungsversuchen schickte Bonn am 18. März Sonderbeauftragte in die arabischen Staaten, um dort für die neue bundesdeutsche Politik zu werben und Sanktionen abzumildern34. So versuchte Gerhard Stoltenberg in Khartum zu vermitteln, Carstens in Saudi-Arabien, Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier in Marokko.

6. DDR: Standpunkte und Reaktionen

In den letzten Jahren bemühten sich die kommunistischen Staaten um verstärkte Einflußnahme im Nahen Osten. Man versprach sich davon ideologische und ökonomische Vorteile, als auch internationale Anerkennung.

Während der Nahost-Krise bezog man klare Positionen - Feinde waren die Westmächte mit den zionistischen Juden an der Spitze. Durch den Westen aufgerüstet und wirtschaftlich gestärkt, sorge der Staat Israel unter den arabischen Staaten für Unruhe und verursache bewaffnete Konflikte35.

Die Erklärung Erhards wurde als "grobe Einmischung in die inneren Angelegenheiten Ägyptens" gesehen, außerdem als Versuch die Einheit der arabischen Staaten zu untergraben36.

Das Neue Deutschland bezeichnete die Entscheidung Erhards als "Erpresserpolitik". Erpresserpolitik deswegen, da Bonn den Abbruch diplomatischer Beziehungen und der Wirtschaftshilfen von der Anerkennung der DDR abhängig machte37.

Mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel würde der "westdeutsche Imperialist Israel als Speerspitze gegen das arabische Volk" richten. Israel, die "militärische Clique in Tel Aviv" würde so durch die BR-Politik unterstützt.. Das ND forderte ein Umdenken: Weg von der Hallstein-Doktrin, hin zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der DDR38. Nassers Tiraden gegen die Entscheidung Bonns wurde von der DDR mit Wohlwollen aufgenommen. Durch ähnliche Standpunkte erhoffte man von Erhards Entscheidung zusätzlich zu profitieren und den Einflußzu vergrößern.

Man ging so weit, der Bundesrepublik vorzuwerfen, Frieden und Sicherheit im Nahen Osten zu gefährden. Bonn sei heute in der arabischen Welt entlarvt, sehe sich 100 Millionen Arabern gegenüber - und bald dem gesamten Afrika39.

Der entscheidende Satz lautete: "Mit dem Verhalten der Regierung Erhard gegenüber der VAR und der offenen Unterstützung des Aggressors Israel scheint es vielen Arabern klar geworden zu sein, daßzu ihren gefährlichsten Feinden der westdeutsche Imperialismus gehört."40

7. Reaktionen arabischer Staaten

Der BeschlußErhards traf die Arabischen Staaten völlig unvorbereitet. Noch am Samstag war man in Kairo davon ausgegangen, daßdie Bundesregierung es bei wirtschaftlichen Sanktionen bewenden lasse. Dazu kam, daßSchröder erst eine Stunde vor der Bekanntgabe des überraschenden Entschlusses informiert wurde, er hatte also keine Möglichkeit die arabischen Missionschefs in Bonn hiervon zu unterrichten. Dieser Verstoßgegen diplomatische Gepflogenheiten verstärkte den Groll der arabischen Staaten noch zusätzlich41. Der Außenminister des Irak Talib eröffnete den "Angriff". Er bezeichnete Erhards Erklärung als einen feindseligen Akt, der sich mit der traditionellen deutsch-arabischen Freundschaft nicht in Einklang bringen läßt. Der sudanesische Informationsminister Mahmoud meinte, daßdie Entscheidung der Bundesregierung über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel "ein feindlicher Akt gegenüber den Arabern" sei42. König Hassan II. von Marokko widerrief sofort seinen geplanten Besuch in Bonn, da die Bundesregierung mit Israel diplomatische Beziehungen anknüpfen wolle.

In der Wahl der Beschimpfungen zeigte sich Nasser besonders phantasievoll. Er nannte die Bundesregierung "Blutsauger" (wegen der Zinsen der ihm gewährten Kredithilfe), "Neokolonialisten", "Imperialisten", "Menschen, die weder Ehre noch Gewissen besitzen."43 Dazu drohte Nasser, sich aller deutschen Schulen zu bemächtigen, sowie deutsches Vermögen zu beschlagnahmen. Weiterhin drohte er, daßam Tage nach der Anerkennung Israels durch Bonn 13 arabische Staaten Pankow anerkennen würden. Durch die Einberufung der Arabischen Liga versuchte er eine Einheitsfront des wirtschaftlichen Boykotts gegen die BR aufzurichten und "seine Glaubensbrüder zu Gesinnungsgenossen und Komplizen zu machen."44

Am 14. und 15. März tagten die Mitglieder der Arabischen Liga in Kairo, die von Nasser einberufen wurde. Die 13 arabischen Staaten konnten sich aber nur auf zwei Maßnahmen einigen. Erstens: sofort ihre Botschafter aus Bonn abzuziehen und zweitens, wenn die Bundesregierung Israel anerkennt die Beziehungen ganz abzubrechen. Während Tunesien, Libyen und Marokko sich in dieser Frage zurückhaltend äußerten, "mobilisierten" die VAR, der Irak und Syrien den Zorn der arabischen Völker: Am 16. März überfielen irakische Demonstranten die bundesdeutsche Botschaft in Bagdad und demolierten sie erheblich. In Beirut demonstrierten 10.000 Demonstranten gegen die Beschlüsse Bonns. In Kairo, Tripolis, Damaskus und Ramallah vereitelte die Polizei eine Reihe von Versuchen zu Überfällen auf Vertreter der Bundesrepublik45. Und in Tais wurde sogar am 17. März die westdeutsche Botschaft zerstört.

Es gab aber auch kritische Stimmen. Der tunesische Präsident Burgiba bemängelte Nassers Politik, auch andere arabische Staaten seien nicht bereit die Haltung der Bundesregierung drakonisch zu strafen. Viele arabische Staaten wollten nicht für Nassers Politik gerade stehen.

8. Westliche Positionen

Da die Amerikaner daran interessiert sind, einerseits zu Israel als auch zu Kairo gute Beziehungen zu unterhalten, schickte Präsident Johnson bereits am 24. Februar 1965 seinen Staatssekretär Harriman nach Israel. Dort sollte er sich einen Überblick über den Nahost- Konflikt beschaffen. Es war der erste Versuch der amerikanischen Regierung im Nahost- Konflikt zu vermitteln. Weitere Anstrengungen unternahmen die Amerikaner mit den langwierigen Konsultationen Erhards und seinen Ministern. Wie bereits erwähnt rieten die französischen, britischen und amerikanischen Botschafter Erhard von einem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Kairo ab, um den Nahen Osten nicht für kommunistische Einflüsse empfänglich zu machen.

Die Reaktion der britischen Regierung auf die Erklärung Erhards war leise und unspektakulär. Der britische Premierminister Harold Wilson begnügte sich in einer Pressekonferenz damit, den westdeutschen Plan eines Botschafteraustauschs zu begrüßen, ohne auf Einzelheiten einzugehen46.

Die amerikanische Presse begrüßte Erhards Entscheidung. Die vielen Konsultationen, Gespräche und Sitzungen der letzten vier Tage, das Kabinett-Spektakel, verdeutliche die Wichtigkeit der Entscheidung. Betont wird, daßes sich um eine klare und weitsichtige Entscheidung handle47.

Der Guardian schreibt dazu, daßdie westlichen Mächte die Einstellung Schröders teilen: Keinen Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit Ägypten, um ihren Einflußim Nahen Osten nicht zu verlieren48.

In einem Leitartikel der New York Times wird Erhard gelobt: Westdeutschlands Bundeskanzler Erhard habe sich mit seinem Angebot, volle diplomatische Beziehungen mit Israel aufzunehmen, als Staatsmann erwiesen. Er war auch klug, sich gegen den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zur Vereinigten Arabischen Republik zu entscheiden. Die Bonner Regierung hatte zuvor ihre Nahost-Politik völlig verpfuscht, indem sie der Erpressung Präsident Nassers nachgab und die letzten Waffenlieferungen an Israel einstellte. Ein Preis wird gezahlt, aber er sei ehrenhaft. Die Hallstein-Doktrin wurde weiter geschwächt. Die Wirkung der Entscheidung sollte sein, ein besseres Gleichgewicht der Kräfte in jenem Gebiet zu schaffen. Es war eine richtige Entscheidung49.

So wurde die Entscheidung Erhards in der westlichen Welt gefeiert und belobigt. Daßdamit der Nahost-Konflikt aber noch lange nicht beendet war, zeigt die Bemerkung eines westlichen Botschafters, der düstern sagte: Zwei Jahre eher, und ein "Showdown" zwischen Israel und den Arabern hätte abgewendet werden können, nun aber scheint es besonders akut zu sein50.

9. Israels Position

Die Beziehungen zwischen dem Staat Israel und der Bundesrepublik Deutschland waren besonders sensibel. Die Verbrechen, die in deutschem Namen an den europäischen Juden begangen wurden, kann man vor dem Hintergrund der Entscheidung Erhards nicht unerwähnt lassen. Durch den Holocaust verloren viele Israelis ihre Verwandten und ihre Heimat. Insofern stießdie Entscheidung Erhards mit Israel diplomatische Beziehungen anzustreben, auch auf großen Widerstand in der israelischen Bevölkerung.

Die israelische Regierung hingegen führte eine ´Realpolitik´. Sie wußte, daßdieses Angebot so schnell nicht wieder gemacht werden würde. Daßman die politische Vernunft vor die Ressentiments stellen müßte. Zudem belasteten die o.g. Ereignisse (1Kap.1) das deutsch- israelische Verhältnis. Das Angebot diplomatischer Beziehungen kam überraschend. Um aber aus dem deutschen Bestreben ein Angebot zu machen, forderte die israelische Regierung zunächst Punkt 3 der Erhard-Erklärung zu modifizieren: "anstreben" durch "anbieten" zu ersetzen, was dann auch im Telegrammaustausch vom 8. und 11. März geschah. Damit erst war das deutsche Angebot an Israel auf Aufnahme diplomatischer Beziehungen existent51. Bei führenden Vertretern Israels traf die Entscheidung Erhards auf Genugtuung. Ben Gurion nannte die Entscheidung einen "Wendepunkt"52.

Auch die israelische Regierung begrüte den plötzlichen EntschlußErhards. Doch die israelische Regierung versuchte die Gelegenheit auch zu einer sichtbaren Verbesserung der Situation des Landes zu benutzen, indem sie nicht nur den Wunsch aussprach, die Bundesregierung solle ihre Botschaft in Jerusalem einrichten, sondern darüber hinaus Forderungen stellte, deren Erfüllung auf bundesrepublikanischer Seite zunächst beinahe unmöglich war. So gingen die Forderungen von der Erfüllung des Waffenlieferungsvertrages, zur Wirtschaftshilfe bis hin zur Unterstützung der Bundesrepublik bei einem Assoziierungsabkommen an die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft.

Nach ersten Verhandlungen mit dem deutschen Sonderbotschafter Birrenbach ließMinisterpräsident Eschkol am 10. März verkünden, daßer bereit sei, das Angebot Erhards anzunehmen. Alles weitere läge in Erhards Hand. Gegen die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der BRD sprachen sich die linksextreme Mapam-Partei und die nationalistische Heruth aus. Die Heruth-Partei verlangte von der Bundesregierung als Bedingung für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen die Erfüllung des Waffenvertrags und die Rückberufung der "war scientists" aus Ägypten Die übrigen Parteien signalisierten Zustimmung oder wollten bei der Aufnahme keine Schwierigkeiten machen53.

Noch ehe die arabischen Außenminister zu einem einheitlichen Entschlußkamen (1Kap.7), ergriff Israel die Initiative. Am 14. März stimmte das israelische Kabinett nach einer vierstündigen Kabinettsitzung für die Annahme Erhards Angebot. Ein Grund für die Zustimmung war sicherlich die Zusage der Amerikaner für die stornierten deutschen Waffenlieferungen einzuspringen.

Am 16. März stimmte die Knesset ab. In der Abstimmung billigte das Parlament den Antrag zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der BRD mit 66 gegen 29 Stimmen bei zehn Stimmenthaltungen. Ministerpräsident Levi Eschkol begrüßte die Aufnahme diplomatischer Beziehungen und stellte die politischen und wirtschaftlichen Vorteile heraus die sich für Israel ergeben würden. Das Kapitel über den zaghaften Beginn der Normalisierung des Verhältnisses zwischen israelischen Juden und Deutschen konnte beginnen.

Schluß

Bilanziert man die Nachwehen, die sich mit Erhards Erklärung ergaben, kommt die Bundesrepublik dabei erstaunlich gut weg. Die Bundesregierung wurde nicht gezwungen die Hallstein-Doktrin anzuwenden - die arabischen Staaten verzichteten schließlich darauf ihre Drohung wahrzumachen und Pankow anzuerkennen. Daßdie Sowjets ihren Wirkungskreis nicht noch vergrößern konnten, war ein willkommener Nebeneffekt. Auch die Handelsbilanzen zwischen dem Orient und der bundesrepublikanischen Wirtschaft wurden kaum beeinträchtigt. Für Erhard selbst war die Entscheidung nur von Vorteil: Er gewann innenpolitisch an Profil und im Herbst sogar die Bundestagswahlen.

Und auch der deutschlandpolitische Schaden hielt sich in Grenzen, weil zehn der arabischen Staaten auf die am 12. Mai 1965 offizielle vereinbarte Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und dem Staat Israel zwar mit dem Abbruch der Beziehungen zu Bonn reagierten, jedoch Ost-Berlin weiterhin die Anerkennung versagten. Sie wußten nämlich nur zu gut, daßdie DDR der Entwicklungshilfe der Bundesrepublik langfristig nichts vergleichbares entgegenzusetzen hatte, und wollten es sich mit Bonn nicht ganz verderben.

Auch die Umstände unter denen die Entscheidung Erhards zustande kamen, sind von besonderem Interesse. Sie wurde ihm ja fast aufgezwungen, von einer Entscheidung freier Willensäußerung kann kaum die Rede sein. Pikant war die Einstellung seines Außenministers: stand sie hier diametral zu Erhards Auffassung. Wenn nötig sogar auf Kosten Israels. Sonst aber kam Erhards Erklärung vielen Wünschen entgegen. Diejenigen, die einen harten Kurs forderten, kam er wenigstens insoweit entgegen, als es nicht bei der harmlosen Einstellung der Wirtschaftshilfe für die VAR geblieben war; und die Vertreter eines weichen Kurses waren insoweit zufrieden, als es nicht zum Abbruch mit Kairo gekommen war. Es war und bleibt erstaunlich, daßsich Bonn schließlich zur Anerkennung gedrängt sah, weil der ägyptische Staatspräsident Nasser den DDR Staatsratsvorsitzenden Ulbricht zu einem offiziellen Besuch nach Ägypten eingeladen hatte und die Anerkennung der DDR durch dieses wichtige arabische Land drohte. Nasser sozusagen als ungewollter Initiator für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Israel.

Verwendet ein Historiker den Konjunktiv, gilt er als unseriös. Dennoch läßt es sich der Autor nicht nehmen einmal nachzufragen. Was wäre geschehen wenn Erhard die Erklärung während Ulbrichts Ägypten-Besuch veröffentlicht hätte? Wären die Reaktionen der Araber weniger heftig ausgefallen, da dies eine klare Trotzreaktion auf Nassers Affront gewesen wäre? Oder hätte Nasser die Gelegenheit beim Schopf gepackt und Ulbrichts SBZ direkt anerkannt? Der Autor vermutet letzteres. Erhard hätte früher handeln müssen, der 7. März war für eine Trotzreaktion zu spät.

Literaturverzeichnis

Abediseid, Mohammed: Die deutsch-arabischen Beziehungen - Probleme und Krisen, Stuttgart 1976

Birrenbach, Kurt: Meine Sondermissionen. Rückblick auf zwei Jahrzehnte bundesdeutscher Außenpolitik, Düsseldorf 1984

Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, Nr. 41, 9. März 1965

Deutschkron, Inge: Israel und die Deutschen. Zwischen Ressentiment und Ratio, Köln 1970

Ersil, Wilhelm: Außenpolitik der BRD 1949-1969, Berlin 1986

Gerstenmaier, Eugen: Streit und Friede hat seine Zeit. Ein Lebensbericht, Frankfurt / Main 1981

Osterheld, Horst: Außenpolitik unter Bundeskanzler Erhard 1963-1966. Ein dokumentarischer Bericht aus dem Kanzleramt, Düsseldorf 1992

Shinnar, Felix: Bericht eines Beauftragten. Die deutsch-israelischen Beziehungen 1951-1966, Tübingen 1967

Seelbach, Jörg: Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen als Problem der deutschen Politik seit 1955, Meisenheim am Glan, 1970

Vogel, Rolf: Deutschlands Weg nach Israel. Eine Dokumentation mit einem Geleitwort von Konrad Adenauer, Stuttgart 1967

Walichnowski, Tadeusz: Israel und die Bundesrepublik, Warschau 1968

Wolffsohn, Michael: Deutsch-israelische Beziehungen. Umfragen und Interpretationen 1952- 1983, München 1986

Zeitungen und Zeitschriften

Abendpost, Frankfurt/Main

Bonner Rundschau

Frankfurter Allgemeine Zeitung

Frankfurter Rundschau

Guardian

Herald Tribune

Neues Deutschland

Newsweek

New York Times

Das Parlament

Stuttgarter Zeitung

Der Spiegel

Süddeutsche Zeitung

Der Tagesspiegel

Die Welt

Die Zeit

[...]


1 vgl. Osterheld, Horst: Außenpolitik unter Bundeskanzler Erhard 1963-1966. Ein dokumentarischer Bericht aus dem Kanzleramt, Düsseldorf 1992, S. 152

2 ebd. S. 154

3 vgl. Gerstenmaier, Eugen: Streit und Friede hat seine Zeit. Ein Lebensbericht, Frankfurt / Main 1981, S. 503

4 vgl. Osterheld, Horst a.a.O., S. 158

5 vgl. Birrenbach, Kurt: Meine Sondermissionen. Rückblick auf zwei Jahrzehnte bundesdeutscher Außenpolitik, Düsseldorf 1984, S. 99

6 beide Staatschefs unterschrieben das Kommuniqué, die Errichtung eines ägyptischen Generalkonsulats in Pankow wurde zugesagt, Nasser versprach einen Gegenbesuch in der SBZ.

7 vgl. Osterheld, Horst a.a.O., S. 161

8 vgl. Seelbach, Jörg: Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen als Problem der deutschen Politik seit 1955, Meisenheim am Glan, 1970, S. 134f

9 vgl. Stuttgarter Zeitung und Der Tagesspiegel vom 3. März 1965

10 vgl. Nahost-Krise, Der Spiegel, 10. März 1965, Nr. 11, S. 25-26

11 vgl. Osterheld, Horst a.a.O., S. 164

12 ebd. S. 165

13 vgl. Abediseid, Mohammed: Die deutsch-arabischen Beziehungen - Probleme und Krisen, Stuttgart 1976, S. 195

14 vgl. Bonn will nicht mit Kairo brechen - Beziehungen zu Israel angestrebt, Süddeutsche Zeitung, 8. März 1965

15 vgl. Vogel, Rolf: Deutschlands Weg nach Israel. Eine Dokumentation mit einem Geleitwort von Konrad Adenauer, Stuttgart 1967, S. 182f

16 vgl. Osterheld, Horst a.a.O., S. 168

17 ebd. S. 168

18 vgl. Zur Lage im Nahen Osten, in: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, Nr. 41, 9. März 1965, S. 325

19 Strobel, Robert: Und Erhard entschloßsich doch, Die Zeit, 12. März 1965

20 Die Welt, 8. März 1965

21 vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8. März 1965

22 vgl. Bonner Rundschau, 8. März 1965

23 Bild, 8. März 1965

24 Abendpost, Frankfurt/Main, 9. März 1965

25 vgl. Süddeutsche Zeitung, 10. März 1965

26 vgl. Wolffsohn, Michael: Deutsch-israelische Beziehungen. Umfragen und Interpretationen 1952- 1983, München 1986, S. 52

27 vgl. Barzel, Rainer: Deutschland und Israel, in: Das Parlament, 45. Jg/Nr. 16, S.6, Bonn 1995

28 vgl. Bonn diskutiert Erhards Entscheidung, Süddeutsche Zeitung, 9. März 1965

29 vgl. Deutschkron, Inge: Israel und die Deutschen. Zwischen Ressentiment und Ratio, Köln 1970, S. 329

30 vgl. Die innenpolitischen Auseinandersetzungen verschärft, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. März 1965

31 vgl. Die Bundesregierung gibt sich im Nahost-Konflikt gelassen, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10. März 1965

32 vgl. Nahost-Krise, Der Spiegel vom 17. März 1965, Nr. 12, S. 27-42, S. 28f

33 Deutsche Botschafter in Nahost bleiben vorerst, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. März 1965

34 vgl. Deutschkron, Inge a.a.O., S. 334ff

35 vgl. Walichnowski, Tadeusz: Israel und die Bundesrepublik, Warschau 1968, S. XIIIff

36 vgl. Ersil, Wilhelm: Außenpolitik der BRD 1949-1969, Berlin 1986, S.225

37 vgl. Erhard-Kabinett hält fest an Erpresser Politik, Neues Deutschland, 9. März 1965

38 vgl. Hallstein-Doktrin ist bankrott, Neues Deutschland, 8. März 1965

39 vgl. Araberstaaten klagen Bonn einmütig an, Neues Deutschland, 12. März 1965

40 Die Protestwelle, Neues Deutschland, 18. März 1965

41 vgl. Seelbach, Jörg a.a.O., S. 137

42 Besorgnis in Bonn über das heftige Gebaren der Araber, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9. März 1965

43 vgl. Erpresser von Format, Frankfurter Rundschau, 11. März 1965

44 Sterner, Siegfried: Die arabischen Drohungen, Franfurter Allgemeine Zeitung, 13. März 1965

45 vgl. Walichnowski, Tadeusz a.a.O., S. 98ff

46 vgl. Deutschkron, Inge a.a.O., S. 331

47 vgl. New York Times, 8. März 1965

48 vgl. Guardian, 8. März 1965

49 vgl. New York Times, 9. März 1965

50 vgl. Newsweek, 8. März 1965, S. 24

51 vgl. Shinnar, Felix: Bericht eines Beauftragten. Die deutsch-israelischen Beziehungen 1951-1966, Tübingen 1967, S. 130

52 vgl. Stimmen der Genugtuung in Israel, Süddeutsche Zeitung, 9. März 1965

53 vgl. Herald Tribune, 10. März 1965

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Die Nahost-Krise 1965 - Die Entscheidung des Bundeskanzlers Erhard vom 7. März 1965
Veranstaltung
Politisches Seminar Bonn
Autor
Jahr
1996
Seiten
23
Katalognummer
V95204
ISBN (eBook)
9783638078832
Dateigröße
475 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nahost-Krise, Entscheidung, Bundeskanzlers, Erhard, März, Politisches, Seminar, Bonn
Arbeit zitieren
Alex Gruhler (Autor:in), 1996, Die Nahost-Krise 1965 - Die Entscheidung des Bundeskanzlers Erhard vom 7. März 1965, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95204

Kommentare

  • Gast am 3.3.2004

    Konfuses Zeug.

    Mann, so was konfuses! Absolut wirr geschrieben. Völlig unbrauchbar!

Blick ins Buch
Titel: Die Nahost-Krise 1965 - Die Entscheidung des Bundeskanzlers Erhard vom 7. März 1965



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