Kommunikation nach Goffman und Watzlawick


Hausarbeit, 2017

11 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Erving Goffman- Soziale Interaktion

3. Paul Watzlawick- Menschliche Kommunikation

4. Goffman und Watzlawick im Vergleich

5. Zusammenfassung

Literatur

1. Einleitung

Kommunikation ist ein unabdingbarer Bestandteil der Gesellschaft sowie im alltäglichen Umgang miteinander. Es ist ein Prozess der Übertragung von Nachrichten zwischen einem Sender und einem oder mehreren Empfängern. Diese Nachrichten können sowohl verbal als auch nonverbal übermittelt werden. Hierbei sind Sprache und Körpersprache, welche Mimik, Gestik, Blickkontakt und räumliche Distanz umfasst, von zentraler Bedeutung (vgl. Winter, 2013).

Im Rahmen des Seminars „Wissenschaftstheoretische Zugänge zum Körper (in der Pädagogik)“, dessen thematischer Schwerpunkt die Rolle des Körpers in der Gesellschaft einnahm, wurden verschiedene Soziologen sowie deren Ansätze thematisiert und analysiert.

In der vorliegenden Ausarbeitung werden die zentralen Thesen der sozialen Interaktion nach Erving Goffman dargelegt und mit den Axiomen von Paul Watzlawick verglichen. Hierbei gilt es die Frage: „Bestehen Berührungspunkte zwischen den Ansichten von Goffman und Watzlawick?“ zu beantworten. Der erste Abschnitt erläutert die Kommunikation aus Goffmans Perspektive. Watzlawicks Ansichten werden im zweiten Abschnitt thematisiert. Beide Soziologen wurden in den 1920er Jahren geboren und entstammen ähnlicher geografischer Herkunft, sodass diese Aspekte bei der Darstellung ihrer jeweiligen Werke nicht weiter untersucht werden. Anschließend werden die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der jeweiligen Interpretationen herausgearbeitet, wobei Watzlawick nicht nur als Soziologe, sondern vor allem als Psychotherapeut und Philosoph zu berücksichtigen ist. Die Zusammenfassung der Ergebnisse bildet den Schluss dieser Ausarbeitung.

2. Erving Goffman- Soziale Interaktion

Um Fragen nach sozialer Verständigung zu beantworten, bezieht sich Goffman auf die alltägliche direkte Interaktion, welche auch das zentrale Thema und den Grundgedanken seiner Werke bildet. Die von Goffman beschriebene Interaktion setzt eine vis-ä-vis- Situation voraus, wobei zwei oder mehr Individuen körperlich anwesend sein müssen, um aufeinander reagieren und miteinander agieren zu können. Hierbei achten die Interaktionsteilnehmer in erster Linie auf körperliche Signale und Informationen und sekundär auf die verbale Kommunikation. Durch den Austausch von verbalen und nonverbalen Informationen zwischen den Akteuren entsteht eine soziale Wechselwirkung, hier nehmen die Anwesenden abwechselnd die Rolle des Senders oder Empfängers ein. Durch wechselseitig aufeinander bezogene Handlungen verständigen sich die Akteure „auf eine bestimmte, gemeinsam definierte Situation“ (vgl. Stadelbacher, 2016, S.33).

Für die Gewährleistung einer erfolgreichen Verständigung müssen Bewegungen und Ausdrücke kontrolliert sowie die Interaktionsordnung gewahrt werden. „Die Ordnung ergibt sich dann durch ein (präreflexives) Interpretieren körperlicher Bedeutungen. Die körperliche Kommunikation ist elementar, weil sie unvermeidbar ist.“ (vgl. Stadelbacher, 2016, S. 33). Nach Goffman kann das Individuum aufhören zu sprechen, die nonverbale Kommunikation ist jedoch omnipräsent. Durch Mimik, Gestik und Optik kommuniziert der menschliche Körper und repräsentiert die soziale und personale Identität. Die Körpersprache bildet somit einen unabdingbaren Bestandteil der Verständigung und der Kommunikation (vgl. Stadelbacher, 2016). In unterschiedlichen sozialen Situationen wird eine spezifische Interaktionsordnung erzeugt. Diese Situationen können geplante oder ungeplante, flüchtige oder langfristige, gewünschte oder unerwünschte, öffentliche oder private Begegnungen sein. Der Mensch reagiert auf diese, indem die Körpersprache und das zu beobachtende Verhalten der beteiligten Personen, ihre Blicke, Gesten, Haltungen und sprachlichen Äußerungen, der jeweiligen Situation angepasst werden. Zusätzlich berücksichtigt der Mensch die allgemeinen Regeln sozialer Organisation wie zum Beispiel am Arbeitsplatz. Die Umwelt und das Umfeld wirken sich demnach auf den Menschen aus.

Goffman thematisiert den Einfluss der Außenwelt auf das Individuum, wobei er sich nicht auf den Menschen und ihre Situation, sondern die Situation und ihre Menschen bezieht. Neben den bereits erwähnten äußeren Einflüssen auf den Körper und die Kommunikation folgt der Mensch seinen Gewohnheiten, in Form von Habitualisierung sowie Kommunikationsidealen. Hinzukommen Interaktionsrituale, zeremonielle Ordnungen, Re­geln und Normen. Diese Faktoren organisieren, regulieren und reglementieren die Interaktion. Einige der Einflussfaktoren sind beispielsweise in Benimmbüchern oder Ähnlichem schriftlich fixiert. Zum größten Teil existieren sie jedoch im Alltagswissen der Interaktionsteilnehmer. Die Interaktionsordnung und die dazugehörigen Einflussfaktoren werden demnach nicht nur für Privatangelegenheiten genutzt, sondern sind vor allem gesellschaftlich bedingt (vgl. Alkemeyer, 2000). Aufgrund dessen beschreibt Goffman den menschlichen Körper, welcher für ihn eine zentrale Position einnimmt, nicht als individuell oder biologisch, vielmehr aber als Produkt der Gesellschaft. Durch die entstandene Außenperspektive auf den Körper, wird dessen Leiblichkeit zum Subjekt in der soziologischen Analyse. Im Rahmen der Interaktion wird der Körper als relevantes „Körperding“ erfasst und fungiert hierbei als Zeichen- und Bedeutungsträger sowie als „Agens sozialer Verständigung“ (vgl. Stadelbacher, 2016, S. 33). Interaktion muss sich nicht immer zwangsläufig an allgemein verankerte oder selbst angeeignete Regeln halten. Die Interaktionsteilnehmer haben die Möglichkeit, sich innerhalb der gegebenen Grenzen zu bewegen und somit eine Eigengesetzlichkeit zu entwickeln, welche die Individualität von Interaktion und Kommunikation fördert.

Nach Goffman erfüllt der menschliche Körper neben der Verständigung auch den Nutzen der Selbstdarstellung. Das Individuum entwickelt in sozialen Begegnungen ein Selbstbild und stellt sich in einer gewissen Rolle dar. „Bei Kontakt mit anderen Leuten verfolgt jeder Mensch, nach Goffman, bestimmte Verhaltens- und Darstellungsstrategien, die (ob bewusst oder unbewusst, intentional oder nicht-intentional eingesetzt) stets darauf abzielen, den anderen ein bestimmtes Image vorzuführen, das Aussagen über den eigenen Charakter, den eigenen Status, die eigenen Kompetenzen usw. beinhaltet und den anderen die Möglichkeit gibt zu ermitteln, was der Einzelne von ihnen erwarten wird und was sie von ihm erwarten können“ (vgl. Alkemeyer, 2000, S. 85). Hierbei werden Kleidung, Gesten sowie Körperhaltung, Sprechweisen und weitere Zeichen eingesetzt. Dieses gilt es anschließend mit der gegebenen Situation zu einem Gesamtbild zusammenzusetzen. Wenn die Produktion eines solchen Images, der Situation entsprechend und angemessen ist, haben andere die Möglichkeit, darauf zu reagieren. Die beschriebenen Zeichen und insbesondere Statussymbole liefern dem Gegenüber entscheidende Hinweise über den Interaktionspartner, welche wiedergeben, wie dieser behandelt werden möchte. Das Selbstbild des Einzelnen dient demnach nicht nur der Selbstdarstellung, sondern schafft vor allem die Bedingung der Kontaktaufnahme. Der Einzelne kreiert sein eigenes Image, welches für diesen als persönliches Eigentum, Ergebnis der Eigeninitiative oder auch als Sicherheit wahrgenommen wird. Vielmehr ist es jedoch ein soziales Image, das die Person nur besitzt, wenn die Interaktionsteilnehmer dieses durch Aussagen und Urteile bestätigen und somit anerkennen. Aufgrund dessen beschreibt Goffman das Image als „Zwangsjacke“ (vgl. Alkemeyer, 2000, S. 86), die ständige Bestätigung und Anerkennung durch andere verlangt und somit zur Verpflichtung für den Einzelnen wird. Darüber hinaus sei das soziale Image „nur eine Anleihe von der Gesellschaft; es wird einem entzogen, es sei denn, man verhält sich dessen würdig“ (vgl. Alkemeyer, 2000, S. 85). Die Selbstdarstellung des Körpers sollte zum einen die Persönlichkeit des Individuums wiederspiegeln, zum anderen sollte dieses Image gut gewählt sein, da die dauerhafte Aufrechterhaltung einer Fassade sich ungünstig auf die Interaktion auswirkt. Goffman vergleicht die Selbstdarstellung mit Begrifflichkeiten aus Theatersprache. Die Menschen wollen auf eine bestimmte Art und Weise wahrgenommen werden, wodurch sie eine Rolle einnehmen und dementsprechend handeln, sprechen und interagieren. Aufgrund der ständigen Inszenierung erscheint die Interaktion als Show (vgl. Alkemeyer, 2000).

Insgesamt schreibt Goffman dem Image des Einzelnen eine große Bedeutung zu, da diese ausschlaggebend für die Kontaktaufnahme und somit für den Verlauf der Interaktion ist. Hierbei nehmen die äußerlichen Einflüsse durch die Umwelt und die Situation eine zentrale Rolle ein. Die binnen der Interaktion entstehende Wechselwirkung von Sender und Empfänger sind für Goffman ebenfalls von großer Wichtigkeit.

3. Paul Watzlawick- Menschliche Kommunikation

Paul Watzlawick hat gemeinsam mit Janet H. Beavin und Don D. Jackson fünf Axiome der Kommunikation formuliert. Ein Axiom ist ein Grundsatz, der keines Beweises bedarf. Diese Grundsätze beschreiben, wie eng die verbale Kommunikation mit den Emotionen und der Beziehung der Interaktionsteilnehmer verknüpft ist.

Watzlawick bezeichnet den wechselseitigen Austausch von Mitteilungen zwischen zwei oder mehr Individuen als Interaktion. Hierbei werden Mitteilungen nicht nur verbal sondern auch nonverbal übermittelt. Die nonverbale Kommunikation wird als paralinguistisches Phänomen beschrieben, welches neben dem Tonfall und der Sprechgeschwindigkeit auch Pausen, Lachen sowie Seufzen, Körperhaltung und Ausdruckbewegungen umfasst. Die paralinguistischen Phänomene werden als Verhalten jeglicher Art bezeichnet und bilden durch ihren Mitteilungscharakter einen grundlegenden Bestandteil zwischenmenschlicher Interaktion, die nicht abgelegt werden kann. Folglich verhält und kommuniziert der Mensch immer. Der Versuch, dies durch Schweigen und Nichthandeln zu unterlassen, scheitert, da auch Schweigen und Nichthandeln andere Menschen beeinflussen. So teilt beispielsweise ein Mann im überfüllten Wartezimmer durch das Schließen seiner Augen den Anwesenden mit, dass er sich weder unterhalten möchte noch angesprochen werden will. Die Anwesenden reagieren richtig auf seine Mitteilung, indem sie den Mann in Ruhe lassen. Kommunikation muss demnach nicht absichtlich oder bewusst stattfinden, vielmehr kann diese auch durch gegenseitiges Verständnis entstehen. Unter Berücksichtigung der genannten Aspekte ergibt sich für Watzlawick das erste Axiom: Man kann nicht nicht kommunizieren (vgl. Watzlawick, Beavin & Jackson, 2011).

Das zweite Axiom umfasst die Inhalts- und Beziehungsaspekte der Kommunikation, wobei der Beziehungsaspekt den Inhalt bestimmt und dadurch als Metakommunikation bezeichnet wird. Der Inhalt und die Beziehung zwischen den Interaktionsteilnehmern bilden die grundlegenden Bestandteile einer Mitteilung. Hierbei erweist sich der Inhalt als Information. Wie diese Informationen des Senders letztlich vom Empfänger verstanden werden, wird durch den Beziehungsaspekt deutlich. Dieser „definiert also, wie der Sender die Beziehung zwischen sich und dem Empfänger sieht, und ist in diesem Sinne (s)eine persönliche Stellungnahme zum anderen“ (vgl. Watzlawick, Beavin & Jackson, 2011, S. 61). Zum Beispiel fragt Frau A Frau B, ob ihre Halskette aus echten Perlen besteht. Den Inhalt der Frage bildet das Ersuchen um Informationen über die Kette. Die Beziehung der beiden Frauen wird durch die Art und die Formulierung der Frage definiert. Tonfall, Gesichtsausdruck sowie die Situation spielen hierbei eine zentrale Rolle. Frau A kann demnach freundlich, voller Bewunderung oder aber neidisch beziehungsweise sogar abschätzig sein. Frau B hat nun die Möglichkeit, die Beziehung zu akzeptieren, abzulehnen oder diese neu zu definieren. In alltäglicher Interaktion findet die unbewusste Definition der zwischenmenschlichen Beziehung im Hintergrund statt und verläuft spontan. Nach Watzlawick werden binnen einer Interaktion durch den Inhaltsaspekt Daten vermittelt, die durch den Beziehungsaspekt aufgefasst werden. Somit findet die Kommunikation zum einen auf der Ebene des Gesagten und zum anderen auf der metakommunikativen zwischenmenschlichen Eben statt (vgl. Watzlawick, Beavin & Jackson, 2011).

Die nächste grundlegende Eigenschaft von Kommunikation ist die Interpunktion von Ereignisfolgen. Watzlawick beschreibt dieses Phänomen als subjektiv empfundenen Startpunkt innerhalb eines ununterbrochenen Mitteilungsaustausches zwischen den Interaktionsteilnehmern. Interpunktion wird weder als gut noch als schlecht bewertet, da sie Verhalten organisiert und somit einen wesentlichen Bestandteil menschlicher Beziehungen bildet. „Diskrepanzen auf dem Gebiet der Interpunktion sind die Wurzeln vieler Beziehungskonflikte“ (vgl. Watzlawick, Beavin & Jackson, 2011,S.67).Wie beispielsweise bei Eheproblemen, indem der Mann sich zurückzieht und die Frau Kritik äußert. Der Grund für das Zurückziehen des Mannes ist die Kritik der Frau. Die Frau hingegen kritisiert ihren Ehemann, weil dieser sich zurückzieht. Die Beteiligten nehmen nur die eigene Seite des Konflikts wahr und rechtfertigen ihr Verhalten als Reaktion auf die Vorwürfe und somit den vorangegangen Reiz des anderen. Der Streit gestaltet sich als ein zyklischer Wechsel von gegenseitigen Vorwürfen und Selbstverteidigung, wobei keiner die eigentliche Ursache für die Haltung des Gegenübers anerkennen möchte. Kommunikation ist demnach immer Reiz und Reaktion. Die daraus resultierende unendliche Oszillation der Interaktion, gilt es zu vermeiden. Das Dilemma der Interpunktion liegt folglich in der fälschlichen Annahme, dass sie einen Anfang habe. Aus historischer Sicht hat die Interpunktion einen tatsächlichen Ausganspunkt, an welchen sich die Beteiligten meist jedoch nicht mehr erinnern können. Watzlawick formulierte das dritte Axiom wie folgt: „Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktion der Kommunikationsabläufe seitens der Partner bedingt“ (vgl. Watzlawick, Beavin & Jackson, 2011, S. 69).

Das vierte Axiom beschreibt zwei Formen der menschlichen Interaktion. Die beiden Ausdrucksmöglichkeiten unterscheiden sich grundsätzlich in der Darstellung von Objekten, die wiederum zum Gegenstand von Kommunikation werden können. Zum einen werden Objekte durch Analogie und zum anderen durch Namen bezeichnet, wodurch sich eine Differenzierung in analoge sowie digitale Kommunikationsformen ergibt. Die analoge Form wird als dingartig beschrieben, da sie Beziehungen zwischen Objekten, Gesagtem und vor allem den Menschen kennzeichnet und somit zum Ausdruck bringt. Hierbei bedient sie sich aller nicht sprachlicher Elemente der Kommunikation sowie des im zweiten Axiom beschriebenen Beziehungsaspekts. Mithilfe der analogen

Kommunikation ist es dem Menschen beispielsweise möglich, sich in einem Land, dessen Sprache er nicht beherrscht, zu verständigen, da sich weitgehende Informationen durch „Beobachtung von Zeichensprache und allgemeinen Ausdrucksgebärden ableiten lassen“ (vgl. Watzlawick, Beavin & Jackson, 2011, S. 72). All dies würde beispielsweise beim bloßen Radiohören wegfallen, wodurch die Person nichts verstehen würde. Die analoge Kommunikation erstreckt sich demnach über einen historisch langen Zeitraum und besitzt eine allgemeine Gültigkeit. Die digitale Kommunikation hingegen ist wesentlich jünger und abstrakter. Das gesprochen Wort steht hier im Mittelpunkt und bildet die Grundlage für menschliche Errungenschaften, da sie der Übermittlung von komplexem Wissen dient. Auf diese Weise wird der Inhaltsaspekt der Kommunikation erfüllt. Die analogen und digitalen Kommunikationsformen bestehen nicht nur nebeneinander, sondern ergänzen sich in jeder Mitteilung. Eine Übersetzung von einer Form in die andere würde demnach einen wesentlichen Informationsverlust mit sich ziehen (vgl. Watzlawick, Beavin & Jackson, 2011). Watzlawick fasst die Wichtigkeit der beiden Kommunikationsformen im vierten Axiom zusammen: „Menschliche Kommunikation bedient sich digitaler und analoger Modalitäten. Digitale Kommunikationen haben eine komplexe und vielseitige logische Syntax, aber eine auf dem Gebiet der Beziehungen unzulängliche Semantik. Analoge Kommunikationen dagegen besitzen dieses semantische Potenzial, ermangeln aber der für eindeutige Kommunikationen erforderlichen logischen Syntax“ (vgl. Watzlawick, Beavin & Jackson, 2011, S. 78).

Das fünfte und somit letzte Axiom thematisiert die Beziehungsformen binnen der Interaktion. Hierbei gilt es die symmetrische Interaktion von der komplementären zu unterscheiden. Die symmetrische Beziehungsform strebt nach Gleichheit und der Minimierung von Unterschieden. Die Interaktionsteilnehmer verhalten sich spiegel­bildlich, wobei das Verhalten im Einzelfall irrelevant ist, da die Akteure in Stärken und Schwächen sowie in jedem anderen Verhaltensmuster gleichrangig agieren können. Die komplementäre Beziehungsform hingegen basiert auf der gegenseitigen Ergänzung der vorherrschenden Unterschiede. An dieser Stelle nehmen die Beteiligten zwei verschiedene Positionen ein. Ein Akteur übernimmt die primäre und dessen Gegenüber die sekundäre Stellung, wobei der Mittelpunkt der Beziehungsform durch den gesellschaftlichen und kulturellen Kontext bestimmt wird. Mögliche Beispielpaare sind: Mutter und Kind, Lehrer und Schüler sowie der Arzt und sein Patient. Die komplementäre Beziehung zwischen diese Paaren wird weder von der primären noch von der sekundären Stellung erzwungen, vielmehr beeinflussen sie sich gegenseitig, indem ein bestimmtes Verhalten vorausgesetzt 7 und gleichzeitig bedingt wird (vgl. Watzlawick, Beavin & Jackson, 2011). „Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch oder komplementär, je nachdem, ob die Beziehung zwischen den Partnern auf Gleichheit oder Unterschiedlichkeit beruht“ (vgl. Watzlawick, Beavin & Jackson, 2011, S. 81).

Zusammengefasst betont Watzlawick binnen der fünf Axiome immer wieder die zentrale Bedeutung der zwischenmenschlichen Beziehung. Der gemeinsame Nenner erläutert, warum es unmöglich ist in Zwei-oder-mehr-Personen-Situationen nicht zu kommunizieren und wie sich die pragmatische zwischenmenschliche Bedeutung der digitalen und analogen Kommunikationsmodalitäten äußert. Auch „der Begriff der Interpunktion beruht auf einer Weiterentwicklung des klassischen Aktion-Reaktion-Modells und seiner Anpassung an die Wechselseitigkeit der menschlichen Beziehungen“ (vgl. Watzlawick, Beavin & Jackson, 2011, S. 82). Schließlich unterliegen auch die symmetrische und komplementäre Kommunikation dem Beziehungsaspekt, indem die Interaktionspartner sich gegenseitig ergänzen und anpassen.

4. Goffman und Watzlawick im Vergleich

In den vorangegangenen Kapiteln wurden die zentralen Thesen von Goffman sowie die Axiome nach Watzlawick bezüglich der menschlichen Kommunikation erläutert. Auf dieser Grundlage bilden sich sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede heraus.

Die vis-ä-vis-Situation bildet sowohl für Goffman als auch für Watzlawick die Grundvoraussetzung für jegliche Art von Interaktion und Kommunikation. Durch die körperliche Anwesenheit von zwei oder mehr Individuen haben diese die Möglichkeit miteinander zu agieren. Hierbei sind beide Soziologen der Meinung, dass Informationen nicht nur verbal sondern vor allem nonverbal ausgetauscht werden. Der Körpersprache wird im Gegensatz zur verbalen Kommunikation eine unmögliche Vermeidung zu geschrieben, da der Mensch diese nicht ablegen und somit nicht nicht kommunizieren kann. Gestik, Mimik, Haltung und weitere paralinguistische Phänomen gelten demnach als elementarer und unvermeidbarer Bestandteil der zwischenmenschlichen Interaktion.

Neben der Verständigung wirkt sich die nonverbale Kommunikation nach Goffman auch auf die soziale und personale Identität aus. Der Mensch verfolgt bestimmte Verhaltens­und Darstellungsstrategien, um von seinen Interaktionsteilnehmern auf eine gewisse Art und Weise wahrgenommen zu werden. Diese Form der Selbstdarstellung entwickelt sich bis zum sozialen Image, welchem der Träger durch Statussymbole gerecht werden muss, um so die von der Gesellschaft zugeschriebene Rolle beizubehalten. Die Leiblichkeit des Körpers wird zunehmend zum Subjekt, wodurch eine Vergesellschaftung des Körpers erfolgt. Im Gegensatz dazu entfällt bei Watzlawick die Selbstdarstellung der Akteure, da diese durch den Beziehungsaspekt ersetzt wird. Hier gibt das Gegenüber eine persönliche Stellungnahme zum Anderen ab.

Allgemein schreibt Watzlawick dem zwischenmenschlichen Beziehungsaspekt innerhalb der Kommunikation eine zentrale Bedeutung und Wichtigkeit zu. Dieser bildet neben dem Inhaltsaspekt einen grundlegenden Bestandteil der Interaktion, da die Beziehung zwischen den Interaktionsteilnehmern letztlich darüber entscheidet, wie der Inhalt verstanden und aufgefasst wird. Auch die Interpunktion und somit das dritte Axiom nach Watzlawick wird durch die zwischenmenschliche Beziehung beeinflusst, indem die betroffenen Akteure der Beziehung eine individuelle Struktur geben und den Inhalt unterschiedlich auffassen. Hierbei kann ein Reiz entstehen, auf den wiederum eine Reaktion folgt. Durch den ständigen Wechsel von Reiz und Reaktion entwickelt sich der Kreislauf der Kommunikation. Der Beziehungsaspekt binnen Interaktionen gibt demnach nicht nur Auskunft über das Gegenüber, sondern dient auch der Interpretation von Inhalten und beeinflusst auf diese Weise das Verhalten der Interaktionsteilnehmer.

Für Goffman hingegen bestimmen die Situation, äußere Einflüsse sowie Regeln und Ordnungen das Verhalten der Akteure. Vor allem aber wird der Situation große Macht zugeschrieben, da die Menschen Teil dieser sind und gleichzeitig darauf reagieren. Diese Faktoren organisieren, regulieren und reglementieren die Interaktion. Einige dieser Einflussfaktoren sind schriftlich fixiert, andere wiederum existieren im alltäglichen Umgang zwischen den Interaktionsteilnehmern. Im Gegensatz zu Watzlawick, der jeder Interaktion durch den individuellen Beziehungsaspekt eine gewisse Eigengesetzlichkeit zuschreibt, wird hier die Kommunikation zunehmend von der Gesellschaft und der Situation geprägt.

Darüber hinaus erwähnt Watzlawick mit dem vierten und fünften Axiom weitere Bereiche der Kommunikation, welche bei Goffman nicht thematisiert werden: die analoge und digitale Kommunikation sowie die symmetrische und komplementäre Interaktion. Hier wird zum einen zwischen den nicht sprachlichen Elementen und dem gesprochen Wort differenziert und zum anderen erklärt, wie Interaktionsteilnehmer sich ergänzen oder aber danach streben, Unterschiede zu minimieren.

5. Zusammenfassung

Die Gegenüberstellung der Kommunikationstheorien nach Goffman und Watzlawick hat gezeigt, dass zwischen beiden Ansätzen eindeutige Berührungspunkte, aber auch gravierende Unterschiede bestehen. Zum einen beziehen sich beide Soziologen auf die Anerkennung und die Relevanz der vis-ä-vis-Situation. Zum anderen wird in beiden Fällen die nonverbale Kommunikation und die damit verbundene Körperlichkeit stärker betont und erläutert als die verbale Kommunikation. Da der Körpersprache eine unmögliche Vermeidung zugeschrieben wird, bekräftigen Goffman und Watzlawick das erste Axiom, dass der Mensch nicht nicht kommunizieren kann. Gestik, Mimik, Haltung sowie weitere paralinguistische Phänomene gelten demnach als elementarer und unvermeidbarer Bestandteil der zwischenmenschlichen Interaktion. Das erste Axiom und die damit verbundene Körperlichkeit bilden den zentralen Kern in Watzlawicks und Goffmans Arbeiten und sind zugleich das Fundament für weitere Annahmen der Soziologen. Darüber hinaus wird beiderseits eine Beeinflussung des Interaktionsverhaltens anerkannt, wobei diese auf unterschiedlichen Annahmen beruhen. So macht Goffman die Situation und äußere Einflüsse dafür verantwortlich, während Watzlawick mit dem Beziehungsaspekt argumentiert. Diese unterschiedlichen Erklärungen sind auf die jeweiligen Schwerpunkte der Soziologen zurückzuführen.

Insgesamt wurden bei dem Vergleich von Goffman und Watzlawick mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten deutlich. Im Kern sind die Ansichten beider Soziologen relativ ähnlich, entwickeln sich aufgrund der jeweiligen Schwerpunkte jedoch in unterschiedliche Richtungen. Unser heutiger „Kulturkreis ist von einem Menschenbild geprägt, in dem Vernunft ausschließlich an Denken und Sprechen gebunden ist“ (vgl. Böhle, F. & Weihrich, M., 2010, S. 8), wodurch die Annahmen von Goffman und Watzlawick aktuell und relevant sind. Sie machen deutlich, auf welche Weise Menschen aktiv mit ihren Interaktionspartner umgehen und kommunizieren. Der Körper wird hierbei zum Produkt und Produzenten der sozialen Kommunikation und rückt in den Mittelpunkt der zwischenmenschlichen Interaktion (vgl. Böhle, F. & Weihrich, M., 2010).

Ein möglicher Ausblick dieser Arbeit wäre ein weiterer Vergleich mit anderen Autoren wie Emilie Durkheim, Max Weber, Georg Simmel oder George Herbert Mead, die sich ebenfalls mit der Rolle des Körpers in der Gesellschaft beziehungsweise mit dem sozialen Handeln beschäftigen. Darüber hinaus wäre eine Auseinandersetzung mit dem Kritiker Gebhard Rusch, der in seinem Text „Strategische Grundlagen der Unternehmens­kommunikation“ das erste metakommunikative Axiom nach Paul Watzlawick kritisiert, indem er behauptet, man könne durch bloßes Unterlassen der Kommunikation tatsächlich nicht kommunizieren, eine zusätzliche Möglichkeit die vorliegende Ausarbeitung weiter auszuführen und aus einer anderen Perspektive zu erklären.

Literatur

Alkemeyer, T. (2000). Symbolischer Interaktionismus (Mead) und Symbolischer Interaktionismus und Ethnomethodologie (Goffman). In: Ders. : Zeichen, Köper und Bewegung. Aufführung von Gesellschaft in Sport. Berlin , S. 82-90

Böhle, F. & Weihreich, M. (2010). Zur Einführung. In: Die Körperlichkeit sozialen Handelns. Soziale Ordnung jenseits von Normen und Institutionen. Bielefeld: transcript Verlag, S. 7-10

Stadelbacher, St. (2016). Theoretische Berücksichtigung der Körperlichkeit in der interaktionistischen Soziologie. In: Die körperliche Konstruktion des Sozialen. Bielefeld: transcript Verlag, S. 28-35

Watzlawick, P., Beavin, J.H. & Jackson, D.D. (2011). Menschliche Kommunikation. Formen Störungen Paradoxien. Bern: Verlag Hans Huber. 12. Auflage, S. 58-60, 61-64, 65-70, 70-78, 78-81, 82

Winter, E. (2013). Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Kommunikation, URL http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/54937/kommunikation-v10.html

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Ende der Leseprobe aus 11 Seiten

Details

Titel
Kommunikation nach Goffman und Watzlawick
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
Note
1,7
Autor
Jahr
2017
Seiten
11
Katalognummer
V951163
ISBN (eBook)
9783346294326
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kommunikation, goffman, watzlawick
Arbeit zitieren
Linda Wieczorek (Autor:in), 2017, Kommunikation nach Goffman und Watzlawick, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/951163

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