Regierung und Verwaltung - Prinzipien, Aufgaben, Probleme


Seminararbeit, 2000

22 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Regierung
II.1. Formale Aspekte
II.2. Materielle Aufgaben und Funktionen

III. Verwaltung
III.1. Standort in der Staatsorganisation
III.2. Differenzierung der öffentlichen Aufgaben

IV. Regierung und Verwaltung
IV.1. Führung und Verselbständigung: Das Dilemma der Regierung
IV.2. Informalität als Antwort
IV.3. Externe Kontrolle

V. Schlußbetrachtung

VI. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Im Rahmen des Seminars über die verfassungsmäßigen Grundlagen der Bundesrepublik Deutschland, beschäftigt sich diese Hausarbeit mit zwei Aspekten der Exekutive: Zum einen steht im Kern der Beschreibung eines der zentralen Verfassungsorgane unseres Staates, nämlich die Regierung. Gefragt wird nach den im Grundgesetz festgelegten Kompetenzbeschreibungen und den organisatorischen Aspekten. Zur Beschreibung der Aufgaben bzw. Funktionen soll die rein staatsrechtliche Ebene ergänzt und mit weiterreichender Perspektive behandelt werden. Zum anderen befaßt sich die Arbeit mit der öffentlichen Verwaltung und deren Verankerung in unserer Verfassung, genauso wie mit einer differenzierteren Funktions- und Organisationsbeschreibung. Dies soll etwas ausführlicher geschehen als bei der Regierung. Nach dieser getrennten Herangehensweise ist dann auf das Verhältnis dieser beiden Komplexe einzugehen. Es ist dabei ansatzweise zu betrachten wie sich Anspruch der Verfassung und Verfassungswirklichkeit unterscheiden bzw. auch unterscheiden müssen. Entscheidende Fragen sind hier sicherlich die nach der Verwirklichung der Grundprinzipien unserer Verfassung wie z.B. Demokratieprinzip (daraus folgend Repräsentation) oder Rechtsstaatsprinzip. Die formalen Aspekte sollen also nicht eine tiefere Analyse verschleiern, sondern eine Reflexionsebene für Fragestellungen und Probleme darstellen, weshalb auf diesen formalen Teil nicht verzichtet wird.1 Als Arbeitsbegriffe bzw. Fragemuster dienen im Anschluß daran z.B. Macht, Herrschaft, Legitimität und Funktionalität.

Insgesamt gesehen orientiert sich diese Arbeit an einer mehr grundlegenderen, mehr formal ausgerichteten Sichtweise, die dann aber auch neben einem groben Überblick auch auf einzelne Problemfelder hinweisen will, die sich im Rahmen von Regierung und Verwaltung und deren Zusammenspiel ergeben. Sozusagen eine Mischung aus präskriptiver Staatslehre und Ansätzen politikwissenschaftlicher Hintergrundanalyse.

Zum Schluß dieser Vorbemerkungen noch ein Hinweis zur verwendeten Literatur: Die grundlegenden Forschungsarbeiten politikwissenschaftlicher Provenienz zum Thema Politik und Verwaltung stammen aus den späten 60ern und 70ern. Aktuelle Gesamtüberlegungen, gerade zum Bereich Regierungslehre, sind eher spärlich gesät. Deshalb bilden neben den im ständigen Prozeß der Aktualisierung befindlichen Lehrbüchern zum Staatsrecht die ,,älteren" Werke zur Regierungs- und Verwaltungslehre hauptsächlich Eingang in meine Ausführungen.

II. Regierung

II. 1. Formale Aspekte

2 Die Regierung ist in einer Demokratie, die nach dem klassischen Prinzip der Gewaltenteilung aufgebaut ist, die institutionalisierte Form der Exekutive im Politischen System. Die Regierung ist rein rechtlich betrachtet das vollziehende Organ im Regierungssystem der BRD. Ihr obliegt es, zu führen, zu leiten, zu steuern. Gesetzesentscheidungen zu treffen ist laut Gewaltenteilung Sache des Parlaments.3

Die organisatorische Seite der Exekutive ist im GG genau festgelegt und wird zusätzlich in der Geschäftsordnung der Bundesregierung (GOBreg) grundlegend verankert. Die Regierung bildet im großen Zusammenhang der Verfassungsorgane die staatsleitende Position, mit dem Bundeskanzler an ihrer Spitze. Dieser bestimmt die Richtlinien der Regierung und ist die zentrale Integrationsfigur der Exekutive (Art. 65 GG). Sie allein ist für die Umsetzung von Bundestag und Bundesrat gefaßten Beschlüssen und Gesetzen zuständig, erhält ihre Legitimation aber durch das Parlament und ist diesem gegenüber auch verantwortlich. Die Linie der Volkssouveränität zur Regierung wird also über die vom Volk gewählten Vertreter im Bundestag geschlossen. Neben der bereits schon erwähnten Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers ist die Ressortverantwortlichkeit der einzelnen Minister zu nennen (Art. 65 GG). Jeder Minister leitet seine Abteilung in eigener Regie und kann eben nur durch die Leitlinien des Kanzlers beeinflußt werden. Ein für die späteren Untersuchungen zur Verwaltung wichtiges Prinzip der Verfassung. Treten bei der Formulierung von Gesetzesvorhaben, die die einzelnen Ressorts überschneiden oder bei Einzelfallentscheidungen Konflikte auf, so entscheidet darüber laut GG die Regierung bzw. das Kabinett (Nur Minister plus Kanzler) als Kollektivorgan. Hier wurde jetzt in aller Kürze der Kompetenzkern der Regierung skizziert. Viel mehr als diese Rahmenbedingungen liefert das GG aber auch nicht. Dieser weite Rahmen ist aber auch notwendig, um im Zusammenspiel mit Parlament und der Öffentlichkeit an sich, den umfassenden Auftrag der Formulierung von Politikzielen und der Staatsleitung erfüllen zu können. Zudem sind mit den Prinzipien der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, dem Bundesstaat und der Sozialstaatlichkeit wesentliche Vorgaben zum Aufgabenbereich der Regierung und zum funktionsmäßigen Ablauf a priori vorhanden.

II.2. Materielle Aufgaben und Funktionen

4 Mit Führungsauftrag und Staatsleitung ist eine Regierung formal sicher richtig aber nicht zureichend genug beschrieben. Die legale Seite wird von einer faktischen begleitet. Regierung ist wesentlich mehr als den Primat der Exekutive inne zu haben.

Auch hier ist zuerst eine grobe Aufzählung von Regierungsfunktionen angebracht. Regieren bedeutet primär, daß öffentliche Aufgaben von der Regierung in einem ständigem Prozeß gewahrt werden.5 Die Ansprüche und Leistungserwartungen der Bürger müssen ständig befriedigt werden. Die rechtliche Ausformulierung ,,Staatsleitung" kann aber noch genauer ausdifferenziert werden. So besteht eine wichtiger Aufgabenkomplex darin, Impulse, Veränderungen oder auch Kritik aus dem gesellschaftlichen bzw. öffentlichen Bereich aufzunehmen, zu verarbeiten und ggf. darauf zu reagieren. Es kommt also darauf an, die ,,Inputs" in ,,Outputs" zu konvertieren.6 Dieser Prozeß ist aber eine Summe vieler verketteter Faktoren, die das eigentliche Regieren oder anders formuliert, die Kunst des Regierens, weit ab der institutionalisierten Regelungen ausmachen. Ein Element ist die Informationsbeschaffung als Vorstufe zur Entscheidungsfindung. Dazu müssen Informationssysteme im Inneren der Regierung (z.B. Verwaltung) und in der Systemumwelt (z.B. Gelehrtenmeinung, Presse, Lobbying) bestehen. Diese gesammelten Informationen müssen dann aufbereitet und verwertet werden. Diese Kenntnisse sind aber wiederum an eine vorhergehende Zieldefinition geknüpft. Es muß also klar sein, ob z.B. Bestehendes gewahrt oder Neues gewagt wird. Eine mit großen Problemen behaftete Regierungsaufgabe. Nur durch das Vorhandensein eines Zieles kann dementsprechend auch die Information gesammelt und verwertet werden.7

Alleine hier ist zu ersehen, daß hinter der Anforderung an die Regierung zu entscheiden und auszuführen eine Reihe von Funktionen wie Zieldefinition (programmatische Leitlinien), Informationsgewinnung, Informationsauswertung und Entscheidungsvorbereitung (auch Ausklammern von Alternativen) stecken, die alle das Regieren ausmachen.

Ein weiterer großer Funktionskomplex stellt die Ausführung von Entscheidungen bzw. vom Parlament verabschiedeten Gesetzen dar: Dieser sei hier nur kurz unter Begriffen wie Leitung und Kontrolle (Aufsicht über das Implementationsverfahren) und Organisationsgewalt gefaßt, auf die weiter unten genauer eingegangen wird. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß zwischen formalrechtlicher Definition von Regierung und praktischer Ausgestaltung von Regierungsfunktionen, dem ,,Regieren", eindeutig differenziert werden muß.

Gesellschaftliche Integration, Abwägung zwischen Pragmatismus und langfristiger Konzeptplanung, das Aushalten des Spannungsfeldes von Bestandspflege und Zukunftssicherung: Darauf kommt es an. Im Rahmen der wissenschaftlichen Debatte zeigt sich, daß Regierungsfunktionen gerade im Bereich Planung und Führung aufgrund der Komplexität und den steigenden Erwartungen vom sozio-ökonomischen Bereich an das politisch-administrative System, breit diskutiert wurden und werden.8

III. Verwaltung

III.1. Standort in der Staatsorganisation

Nachdem nun kurz auf die Stellung der Regierung im GG und deren Aufgaben und Funktionsbereiche eingegangen wurde, soll nun beleuchtet werden, wie die öffentliche Verwaltung (ÖV), zunächst als Ganzes, im GG verankert ist und wie ihr Standort darüber hinaus zu sehen ist.

Im GG selbst besteht durch die klassische Gewaltenteilung ein Bild der ÖV, in dem sie der Bundesregierung bzw. den Länderregierungen als reines Instrument zur Ausführung an die Hand gegeben wurde. Sie ist diejenige Instanz, die die beschlossenen Gesetze oder auch Verordnungen der demokratisch legitimierten Instanzen, Parlament und Regierung, in die Tat umzusetzen und auszuführen hat. Im GG wird dieses Handeln der Verwaltung, so wie alles staatliche Handeln, an Recht und Gesetz (Art. 20,3), sowie an die Grundrechte als unmittelbar geltendes Recht (Art. 1,3), gebunden. Besonders das hier zum Ausdruck kommende Prinzip der Rechtsstaatlichkeit ist ein zentraler Rahmen, welchen die Verfassung der Verwaltung und der in ihr handelnden Personen setzt. Willkür bei der Ausführung der legalen Herrschaft durch die ÖV9 soll gegenüber dem Bürger verhindert werden und ihm darüber hinaus Rechtssicherheit und Vertrauen gewährt werden. Weitere Ausführungen zur ÖV werden im GG bezüglich der Organisation getätigt. Es wird geregelt, daß die Landesverwaltungen prinzipiell die auf Bundesebene beschlossenen Gesetze durchführen. In den Artikeln 86 und 87 werden aber auch Voraussetzungen und Gegenstände einer bundeseigenen Verwaltung festgelegt wie z.B. Bundeswehrverwaltung oder auch Wasserstraßenverwaltung.10 Den Eindruck den man von der ÖV ausgehend vom GG bekommt festigt die Vorstellung einer klaren, abgrenzbaren Funktionentrennung zwischen Politik und anhängendem

Verwaltungsapparat. Auf der einen Seite steht die politische Führung, die wie oben gezeigt zwischen Status Quo und Zukunft agiert, und auf der anderen Seite der anstandslose, im Sinne von Max Weber neutrale und sachkenntliche Beamtenapparat.11 Eine Vorstellung also, die es eigentlich möglich machen müßte, ÖV genau zu definieren. Dies ist dennoch äußerst schwierig.12 Außerdem stellt sich auch die Frage, ob das überhaupt sinnvoll ist und nicht eher den Blick auf das faktisch zu Beobachtende verstellt und evtl. falsche Erwartungen weckt. Wird es dennoch getan, so können sich Negativdefinitionen wie z.B. daß Verwaltung das sei, was nicht Regierung ist ergeben13 oder Beschreibungen die davon ausgehen, daß Verwaltung der Regierung allein zugeordnet ist und der Judikative und Legislative ausgespart bleibt. Dabei vollzieht und trifft sie Entscheidungen im institutionell vorgegebenen Rahmen.14

Meiner Ansicht nach sind die im GG getroffenen Kompetenzzuweisungen und Organisationsprinzipien aber nicht hinreichend, um eine konkret festgelegte und institutionalisierte Form der ÖV auszumachen, die die Entscheidungs- und Vollzugswege von Regierung zu Verwaltung bzw. umgekehrt, charakterisieren und ein festes rechtliches Schema möglich machen.

III.2. Differenzierung der öffentlichen Aufgaben

Die Schwierigkeit, öffentliche Verwaltung in eine Definition zu packen, sowie deren mögliche Schwäche bei der Analyse von Fragen, die die Strukturen, Prozesse und Austauschbeziehungen von Regierung und Verwaltung betreffen, Anstöße zu bieten, macht es unumgänglich ÖV genauer zu differenzieren. So wird es ermöglicht, den Mantel der suggerierten Einheit der ÖV als ein Anhängsel des Zentrums der Staatstätigkeit zu lüften. Damit soll dann endlich derjenige Bezugspunkt herauskommen, der die ÖV in das Licht der Betrachtung von Führung, Kontrolle, Eigenmacht, etc. rückt.

Wirft man einen Blick auf die Geschichte deutscher Staatstradition, so ist augenfällig, daß die darin befindliche Verwaltung und deren Aufgaben sich mit dem Entwicklungsgrad der Staatsform und auch mit dem Selbstverständnis der Institutionen stark gewandelt hat.15

Bildeten im absolutistischen Staat die Felder äußere Sicherheit, innere Ordnung und Finanzwesen die Kernaufgaben von Staat, Politik und Verwaltung, so erwuchsen im Verlaufe des 19.Jhdts, auch durch die gescheiterte Bürgerrevolution von 1848, bis hin zur Gründung und Fortentwicklung der Bundesrepublik Deutschland immer mehr Anforderungen an den Staat. Er ist heute längst nicht mehr geprägt durch den Gegensatz Herrscher (Regierung & Verwaltung)16 und Beherrschte (Parlament). Ebensowenig sind Vorstellungen des liberalen Rechtsstaates in Form des Nachtwächterstaates heute in der politischen Grundordnung unserer pluralistischen Gesellschaft verbrieft. Der moderne Staat, der eigentlich in allen westlichen Gemeinwesen ausgeprägt ist, ist also ein Produkt geschichtlicher Entwicklung.17

Neue Attribute traten hinzu. So wird der Staat modernen Typus als arbeitender, bzw. Leistungsstaat charakterisiert.18 Weitere stehende Ausdrücke sind Wohlfahrtsstaat, Fürsorgestaat, etc., woraus aus der Befriedigung dieser Ansprüche erhebliche Schwierigkeiten erwachsen.19 Diese gesteigerte Komplexität, diese erhöhte Verflechtung im gesellschaftlichen System erschweren somit insgesamt das Regierungs- und Verwaltungshandeln.20

Um dieser ,,neuen" Situation staatlicher Tätigkeitsfelder, also auch Verwaltung, zu begegnen, muß natürlich differenziert und neu organisiert werden. Wobei nicht unbedingt die faktischen Änderungen gemeint sind, sondern eher die wissenschaftlich-analytischen, ohne dabei aber Prinzipien wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu vernachlässigen. Denn Kriterien wie Effizienz drängen allzu stark in das Betrachtungszentrum, was bei der Erfüllung von Leistungsansprüchen aber unumgänglich ist. Das gilt übrigens für beide, faktische und analytische, Ebenen.

Für eine in der wissenschaftlichen Debatte21 mittlerweile gängige Differenzierung öffentlicher Verwaltung sorgte Thomas Ellwein. Seine funktionale Differenzierung22 unterscheidet zwischen Ordnungsverwaltung, Dienstleistungsverwaltung, wirtschaftende Verwaltung, Organisationsverwaltung und politische Verwaltung. Während die ersten drei Idealtypen unmittelbar öffentliche Aufgaben erledigen und dem Bürger wohl am ,,nächsten" sind, die Organisationsverwaltung z.B. erst die Strukturen - Referate, Ämter, Personalrekrutierung - schafft, die öffentliches Handeln ermöglichen, ist die politische Verwaltung diejenige, deren Entfernung zur politischen Ebene am geringsten und mit ihr am intensivsten verbunden ist.23

Sie manifestiert sich äußerlich in der Ministerialbürokratie und ihr Freiraum zur freien Aktion ist beträchtlich größer als z.B. der der Ordnungsverwaltung. Somit ist festzuhalten: Was öffentliche Aufgaben anbelangt, so kommt für die folgenden Frage nach Führung und Kontrolle hauptsächlich die politische Verwaltung in Frage. Denn durch die schon erwähnte Nähe zu den verfassungsmäßigen Zentren der politischen Willensbildung und der Betonung von Planung und Vorbereitung wiegen Problemstellungen bezüglich Einflußnahme, Demokratie und Führung schwerer. Zugegeben, die anderen Typen der Verwaltung, die Ellwein auflistet bergen dieselben Probleme in sich, doch meiner Meinung nach sind sie durch den Gesetzesvorbehalt und dem bürokratischen Hierarchieprinzip besser in den Griff den zu kriegen, was aber keine endgültige Lösung impliziert. Nur soll darauf hier en detail nicht eingegangen werden.

IV. Regierung und Verwaltung

Bei der planenden Verwaltung gestaltet sich das Durchhalten von klaren rechtsstaatlichen Leitlinien viel schwieriger als bei den anderen Typen der öffentlichen Verwaltung und wirft die Frage bezüglich des herrschenden Demokratiegebotes in unserem politischen System auf. Gerade was den abstrakten Raum vor einer Entscheidung durch die demokratisch legitimierten Führungs- und Vollzugsinstanzen angeht. Denn diese wird maßgeblich durch die Arbeiten der planenden Verwaltung erledigt.

Um Mißverständnissen vorzubeugen: Es soll hier keine schwarzweiß Malerei betrieben werden. Daß die Bundesregierung einen solchen Apparat benötigt ist unbestritten. Daß die Vorstellung eines neutralen Staatsdieners besonders bei Themen wie Programmentwicklung, wo Erfahrung, Sachkenntnis und Kontakte in die gesellschaftlichen Umwelt hinein nötig sind, nicht haltbar und durchsetzbar ist, leuchtet ein. Nur, um mit Ellwein zu sprechen, genau hinter dieser Selbstverständlichkeit verbirgt sich das Problem.24 Die Rechtfertigung durch den Sachzwang, bzw. durch die normative Kraft des Faktischen, um den noch aufzuzeigenden übermäßigen Einfluß der Verwaltung auf den politischen Willensbildungsprozeß von Kritik loszueisen; bzw. um das voluminöse Administrationsgebilde und dessen Personal vor genereller Kritik abzuschirmen,25 dies ist das Zentrum einer Frage nach politischer Führung vor dem Hintergrund verfassungsmäßiger Annahmen.26 Worin genau liegen aber Probleme und mögliche Lösungsansätze?

IV.1. Führung und Verselbständigung: Das Dilemma der Regierung

Ein Problem politischer Führung27 ist, daß sie aufgrund der stets wachsenden Ansprüche bzw. des komplexen Umweltverhältnisses, mit ,,einfachen" Anweisungen an die Verwaltung nicht adäquat zu Rande kommt. D.h., die ausgewählten Steuerungsmittel der Regierung generieren selbst des Problem der einzufordernden Führungsleistung, die eben nicht nur Oberaufsicht bedeutet, sondern, wo nötig, auch substantiell sein soll.28 Stark vereinfacht gesprochen genügen bei der Sicherung des Bestehenden, also der laufenden Bewältigung konstanter Bedürfnisse, Anweisungen und Impulse des Typus ,,Wenn - Dann", sog.

Konditionalprogramme. Es können, immer idealtypisch, klare Vorgaben gemacht werden, die das Handeln der Verwaltung - sei es nun nah oder fern am politischen Geschehen verortet - anleitet. Sicher, ein Freiraum ist auch hier immer gegeben und auch notwendig.29 Die Vorgaben erfolgen von oben nach unten, ganz dem hierarchischen Prinzip folgend, aber dennoch mit bilateralen Kommunikationsprozessen, die zur besseren, effizienteren Erledigung dienlich sind. Bei solchen Konditionalprogrammen ist es auch möglich, die Verantwortung besser zu lokalisieren, was bezüglich der im GG niedergelegten Ministerverantwortlichkeit wichtig ist. Wenn nicht wenigstens ansatzweise erkennbar und nachvollziehbar ist, von wem die Initiative zur Entwicklung eines Programmes stammt, dann wird es für den Minister auch dementsprechend diffizil vor dem Parlament, der institutionalisierten Öffentlichkeit, zu seiner Verantwortung zu stehen und ihn kritikfähig zu halten. Auch können bei solchen Konditionalprogrammen die Kriterien der verlangten Rechtsstaatlichkeit besser eingelöst werden.

Die andere von Luhmann entwickelte Beziehung zwischen politischer Steuerungsinstanz und Verwaltung ist die des Zweckprogramms. Hier werden von der politischen Führung die Handlungsziele für ein Programm vorgegeben und zur Bearbeitung an die Ministerialbürokratie, aber auch weniger politisierte Verwaltungssektionen weitergeleitet. Soweit ergibt sich daraus noch kein zwingendes Problem für denjenigen, was hier ja beabsichtigt ist, der nach Zurechenbarkeit politischer Führung und dem Zusammenhang zum Postulat der repräsentativen Demokratie fragt. Solange die Führung dominiert und sich gegen die relativ dauerhaft etablierte Bürokratie auf Regierungsebene30 durchsetzen kann und geeignete Kontrollmechanismen zur Hand hat, um diesen Planungsprozeß sukzessive zu begleiten und korrigierend einzugreifen, solange kann man von einem ,,akzeptierte(n) Modell"31 sprechen, in dem die Verwaltung als unverzichtbares Instrument zu Bearbeitung stets wachsende Ansprüche fungiert. Immer auch unter der Berücksichtigung der systemerhaltenden Freiräume und Kontakte zu den verschiedenen Gesellschaftsbereichen, um Informationen zu akquirieren und den Austauschprozeß mit den von den Entscheidungen des Regierungs- und Verwaltungshandeln betroffenen Gruppen aufrechtzuerhalten.32 Dabei ergibt sich die Handlungsanleitung wie z.B. ,,Gemeinwohl" nicht durch normative Grundannahmen, sondern durch einen pluralistisch, demokratischen Prozeß.33

Zum Problem wird dieser ganze Themenkomplex erst dann, wenn sich die Verhältnisse umkehren und die Tendenzen einer Verselbständigung der (planenden) Verwaltung stärker werden. Diese ,,Vorbereitungsherrschaft der Verwaltung"34 gibt genauso Anlaß zur Besorgnis, wie die Tatsache, daß die Kontakte der Administration zu gesellschaftlichen, demokratisch nicht legitimierten Interessengruppen in Anonymität verfallen. Das wird von Ellwein treffend als die Nicht-Öffentlichkeit der Offenheit von Regierung und Verwaltung angesehen.35 Gründe für dieses ,,wirkliche Modell"36 von Politik und Verwaltung sind zum einen die schon erwähnte Stabilität der Verwaltung und der schon ganz zu Beginn erwähnte Faktor Information. Aufführen könnte man noch den eingeschränkten Zeithorizont der politischen Führung in Gestalt des Ministers und anderer politischer Beamter.37

Man kann also konstatieren, daß die notwendigen Ressourcen zum ,,Herstellen" von politischen Entscheidungen und zum Initiieren von Programmen alleine schon quantitativ in den Reihen der, im Modell ja nur angegliederten administrativen Ebene zu finden sind. Eigentlich sollten diese Ressourcen bei der politischen Führung zu finden sein. Zumindest der uneingeschränkte Zugriff nach dem Willen der Regierung muß stattfinden können. Diese wurde ja schließlich aufgrund ihres im Wahlkampf angebotenen Programms gewählt und mit der Staatsleitung beauftragt.38 Die Sachkenntnis und das Spezialistentum der

Verwaltungsbeamten, ohne Zweifel an deren Loyalität, läßt den politisch Verantwortlichen aber in ein Abhängigkeitsverhältnis geraten, aus dem schwer herauszukommen ist und was Gefahren für unserer demokratisches Verständnis mit sich bringt bzw. die Frage aufwirft, wie Demokratie durch diese Beschränkungen möglich ist.39 Die Quellen der Macht liegen quasi bei der Verwaltung. Sie kennt die Handlungsalternativen und besitzt die Kapazitäten und Routinen, das zu filtern, was im internen Verarbeitungsprozeß40 als nicht wünschenswert betrachtet wird. Dabei ist nicht unbedingt gleich mutwillige oder gar böse Absicht zu unterstellen. Dennoch wird sie zur eigentlich regierenden Instanz, denn laut Ellwein regiert ,,wer die Entscheidungsmöglichkeiten kennt und unter ihnen auswählt."41

Es muß also gefordert werden, daß die Regierung, gerade in ihrer Eigenschaft als politische Führung (ein anderer Teil dieser Führung wäre das Parlament) auf die Gewinnung von relevanter Information und auf die Entscheidungsphase in der selektiert und gefiltert wird eingreift. Dieses Steuerungskapazität und Führungsleistung wird aber zunehmend in Frage gestellt.42 Die Selbstführungstendenzen der Verwaltung sind äußerst evident und müssen deshalb vor demokratischer Perspektive und deren tragende Säulen wie z.B. Öffentlichkeit, Transparenz der Entscheidungsfindung als gefährlich eingestuft werden.43 Um es nochmals zu verdeutlichen und zuzuspitzen:

,,Eine Staatsgewalt (hier: Staatstätigkeit ), die nicht in lückenloser Ableitung auf die Wurzel demokratischer Legitimität zurückgeführt werden und von hier aus ihren Geltungsanspruch begründen kann, verfällt dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit."44

Eine Diskussion über den Geltungsanspruch der Verwaltung ist alleine aufgrund ihrer Unumgänglichkeit nicht zweckdienlich, aber die politische Führung, die die nachgeordneten Instanzen, im Prozeß der Planung sogar vorgeordnet (nicht formal), anleiten soll, muß am Defizit dieser entschiedenen Führung arbeiten. Es wundert nicht, daß technokratische Positionen45 hier leicht die Oberhand gewinnen können. Der Sachzwang regiert, und nicht die dafür legitimierten, sei es nun mittelbar oder unmittelbar, Repräsentanten des Volkes. Die Sachverhalte werden nach dieser Position aber automatisch den geeigneten Weg der Entscheidung zum Wohle der Gemeinschaft bestimmen. Für mich vor dem Hintergrund demokratischer Prinzipien eine äußerst fragwürdige Denkweise. Nicht so sehr weil man die oft unbestreitbare Lage der Dinge negiert oder sich falsche Vorstellungen von der Realität macht. Ein anderer Punkt stört hierbei. Diese skizzierte Position, welche dem politischen System alleine die Funktion der Konsensbildung und Legitimitätsbeschaffung46 zuweisen möchte, die Verwaltung aber aufgrund der attestierten Sachzwänge isoliert handeln läßt - Legitimitätsumsetzung - verkennt, daß eben diese Sachzwänge nicht einfach nur so aus der Entwicklung der Gesellschaft entstehen, sondern auch gezielt von organisierten Verbänden oder sonstigen Kräften im diffusen Feld sozio-ökonomischer Tätigkeit bewußt geschaffen werden können. Eine starke politische Führung muß meiner Meinung nach einfach existieren, denn ein solcher technischer Staat ist demokratiefremd.

Selbst dann, wenn man nicht von einer absoluten Demokratievorstellung ausgeht und jegliche Abweichung als unzulässig titulieren würde. Denn das Demokratie nicht um ihrer selbst willen existiert, sondern auch funktionieren muß ist gerade unter den aufgezeigten Schwierigkeiten moderner Staatstätigkeit selbstverständlich. Nur ist die Problematik zwischen funktionaler und normativer Sichtweise eben vorhanden und sollte auch von den Verantwortlichen wahrgenommen und in Angriff genommen werden. Deshalb braucht es eine starke politische Führung, die sich nicht als Marionette der Bürokratie benutzen läßt, sondern das Zepter, trotz aller zugegebenen und empirisch auch nachweisbaren Schwierigkeiten, wieder fester in die Hand nimmt. Das dies auch maßgeblich mit der Persönlichkeit des leitenden Politikers zusammenhängt, steht wieder auf einem anderen Blatt.47

Als Kernaussage könnte folgender Satz stehen: ,,Viele der beklagten Bürokratiesierungsphänomene sind Phänomene einer sich selbst überlassenen Bürokratie."48

Um so klarer sticht hier der resultierende Auftrag an die Regierungen, sei es nun auf BundesLänder- oder Kommunalebene, heraus.

Ergänzend möchte ich erwähnen, daß die Politiker auch an ihrem Bild, daß der Bürger von ihnen besitzt, nämlich in der Lage zu sein, nach belieben und ohne nennenswerte Schwierigkeiten regieren zu können, ändern sollte. Eine Relativierung ihres Einflusses auf die sozialen Umstände sich einzugestehen und trotzdem Führung zu reklamieren, daß wäre aus meiner Sicht wünschenswert. Damit dies sich durchsetzen könnte, müßte aber auch der Bürger dieses skizzierte Bild eines ,,angepaßten" Politikers akzeptieren und auch eventuelle Unwägbarkeiten bei langfristiger Planung hinnehmen. Es müßte auch einmal ausgehalten werden, im unsicheren Raum zu stehen, wenn die Regierung eine Änderung des Status Quo beabsichtigt und sich trotz Sachzwänge und Widerstände, auch innerhalb der Verwaltung, durchzusetzen willens ist. Sicher, ein schwacher Trost für alle die, die keine Kapazitäten besitzen, diese Phase des wie auch immer zu gestaltenden Umbruchs unbeschadet zu überstehen.

IV.2. Informalität als Antwort ?

49 In diesem Teil will ich noch kurz eine Seite des Regierens herausstreichen, die mit der Führungsthematik korreliert und evtl. auch Lösungsansätze bereithält: Die informale Seite. Diese könnte nämlich dazu beitragen, daß die geforderten Leistungen eines Ressortchefs bzw. Ministers, Kontrolle50 und Führung (kurz: Ministerverantwortlichkeit) entsprechend wahrgenommen werden können.

Als Beispiel der informalen Seite könnte die Abweichung vom formal festgelegten Dienstweg sein. Bildet ein Drängen auf diesen Dienstweg Rechtssicherheit, so hindert er auch evtl. an einem effektiven Handeln, was die Belange des leitenden Ministers betrifft, seinen Führungsanspruch durchzusetzen. Zum einen liegt die Aufgabe in einer gezielten Rücknahme des Prinzips hierarchischer Dienstanweisungsfolge darin, die zweifellos vorhandenen Querverbindungen und Informationskanäle innerhalb und zwischen den nachgeordneten Referaten und Abteilungen in einem Ministerium51 aufzuspüren. Dies könnte unter Zuhilfenahme politischer Verwaltungsbeamte wie dem Staatssekretär geschehen, um z.B. das beklagte Informationsdefizit der leitenden Ebenen zu verringern und selber wieder Impulse mit Durchsetzungsvermögen zu setzen. Klaus von Beyme faßt dieses Szenario in einer These zusammen und meint, daß gerade eine stärkere Politisierung der Verwaltung und eine Steigerung der informellen Einflüsse auf die Vorgänge eine Erhöhung der politischen Durchsetzungsfähigkeit mit sich bringt.52 Wird hier also, stark vereinfacht gesprochen, gefordert, daß mangelnde politische Führung und Steuerungskapazität durch einen Bruch fester Normen wie Rechtsstaatlichkeit wieder zurückgewonnen werden soll? Könnte durch eine zu starke Politisierung nicht wiederum die ansatzweise zu garantierende Neutralität der Verwaltung in Gefahr geraten? Wird hier nicht der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben? Um es richtig einordnen zu können bedarf es einer Klärung der Prämissen dieser These. Man müsse sich, so von Beyme, von einer juristischen Sichtweise lösen und eine sozialwissenschaftliche Perspektive einnehmen, welches das Spannungsverhältnis formal - informal anders begreift und Abweichungen von festen Regeln und Gesetzen nicht a priori als nicht hinnehmbare Widrigkeit ansieht.53 In der Sache einleuchtend gestützt wird diese Vorstellung von abweichendem Verhalten und Handeln in Regierung und Verwaltung durch Göttrik Wewer. Er führt aus, daß dieses Maß an Informalität in einem gesunden Verhältnis zur vorgegebenen legalen Satzung stehen muß. Zweitens verweist er darauf, daß innerhalb der Regierungspraxis Formales und Informales nicht gegeneinander ausgespielt werden darf. Generell sollte das Informale nicht mehr als Ergänzungscharakter besitzen und nicht das gesamte Tätigkeitsfeld der politischen Führung kennzeichnen.54

Es scheint wohl unumgänglich zu sein, daß den aufgezeigten Defiziten an Führung und Durchsetzung nicht ohne eine starke Trübung von angenommenen Prinzipien entgegengewirkt werden kann. Herr der Lage zu sein, bedeutet dann, die formalen Wege zu Gunsten von mehr Überblick und Konsensbildung zu verlassen. Natürlich ist das auch eine Frage der Sichtweise - juristisch oder sozialwissenschaftlich - die diese Trübungen mehr oder weniger stark bzw. als weniger störend empfinden läßt. Darüber hinaus weist dieses Dilemma auf die immer wieder auftauchende Grundproblematik zwischen Funktionalität und Vorgaben verfassungsmäßiger Prinzipien bzw. Stabilität und Ordnung sichernder Regeln hin. Dieser Zwiespalt soll in der Schlußbetrachtung nochmals aufgegriffen werden.

Eine konträre Position zu Beyme und Wewer setzt auf ein anderes Mittel, nämlich das der verstärkten Anwendung von Vorgesetztenautorität. Die Rückbesinnung auf tradierte Hirarchieprinzipien solle helfen eine lückenlose Verantwortungskette herzustellen, die es dem Minister möglich macht seiner Erfüllung der Verantwortungspflicht vor dem Parlament zu entsprechen.55 Die Eiserne Hand im Ressort, die alles weiß und alles kontrolliert. Aber auch hier liegt meiner Meinung nach eine negative Erscheinung auf der Hand. Eine starke, kompromißlose Führung könnte Gegenreaktionen der nachfolgenden Ebenen hervorrufen, die eine noch stärke Isolierung der planenden Einheiten verursachen, daß Dienst nach Vorschrift gemacht wird und der Informationsfluß noch zäher fließt. Auch diese Perspektive sieht nicht sehr verlockend aus.

IV.3. Externe Kontrolle

Im Bezug auf öffentliche Verwaltung spielt auch immer die Kontrolle einen wichtigen Punkt, der bei den bisherigen Erläuterungen nicht erwähnt wurde. Da die regierungsinterne Kontrolle sehr stark mit dem Problem der Führung zusammenhängt, möchte ich anstelle dieser Kontrolleinrichtung andere Möglichkeiten skizzieren

Das außerhalb der Regierung liegende formale Aufsichts- und Kontrollmaßnahmen nicht mehr effektiv greifen bzw. Schwachstellen aufweisen, soll noch abschließend an zwei Beispielen verdeutlicht werden. Zum einen kann man die Kontrolle der Verwaltung durch das Parlament als zunehmend unzureichend beschreiben. Gerade auf dem Gebiet der Kontrolle durch den jährlich zu verabschiedenden Haushaltsplan ist stark eingeschränkt. Schuld daran ist, daß die Vorgaben zu diesem von der Regierung vorzulegendem Plan aus der Verwaltung selbst stammen. Somit können Ziel- und Zwecksetzungen in eigener Verwaltungsregie gesetzt werden, welche im Parlament später schwerlich zu korrigieren sind und in Ausschußarbeiten kaum zu modifizieren sind.56 Nicht zuletzt trägt die Tatsache dazu bei, daß die Mehrheit des Parlaments mit der Regierung untrennbar verbunden ist und die Opposition keine Chance besitzt als ,,Volksvertreter" politischen Kontroll- und Führungsanspruch auf die Ministerialbürokratie geltend zu machen.57

Ein zweites Beispiel, daß im Ansatz eigentlich ganz vernünftig erscheint, ist die Errichtung einer parlamentarischen Bürokratie. Es würde hierbei eine zweite in Ansätzen so leistungsstarke Verwaltung aufgebaut, um das Parlament in die Lage zu versetzen, den Rückstand an Sachkenntnis aufzuholen und effektiv kontrollieren zu können. Der Parlamentarier könnte durch bessere Informationsstrukturen und Datenzugriff besser in Kenntnis gesetzt werden. Dieses Modell der Doppelhierarchie58 liefe allerdings Gefahr die ähnlichen Tendenzen zu entwickeln, wie sie im Regierungsapparat zu beobachten sind.

V. Schlußbetrachtung

Will man sich einen abschließenden Kommentar zu den gemachten Ausführungen erlauben, so konzentriert sich vieles auf das hoffentlich ersichtlich gewordenen Grundproblem: Der Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit des Regierungshandelns. Aufgrund der gezeigten Restriktionen ist man verleitet zu sagen, daß die Regierung den Auftrag zur Staatsleitung nur unter starken Einbußen an politischer Führungsmöglichkeit wahrnehmen kann. Die einzelnen Positionen und Alternativwege dazu wurden aufgezeigt. Muß man nun sein Idealbild staatlichen Handelns ausgehend von den Grundprinzipien unserer Verfassung der Wirklichkeit anpassen und sagen: Gut, es paßt nicht mehr und wir müssen uns der gegeben Situation beugen. Oder sollte man sich nicht viel eher auf diese Prinzipien rück besinnen und versuchen, die Wirklichkeit dem gewünschten Bild wenigstens wieder anzunähern? Ich denke das letzteres in Angriff zu nehmen ist, um die demokratischen Instanzen für den Bürger wieder akzeptabel zu gestalten, der sein Vertrauen in den demokratischen Weg der Willensbildung legt und auf die Kraft der politischen Führung setzt. Selbstverständlich unter der Berücksichtigung der vorhandenen Einschränkungen, die dann aber nicht verharmlost werden sollten, sondern offen angesprochen und problematisiert werden müßten. Nicht zuletzt gegenüber dem Bürger, der doch sehr stark von den normativen Prinzipien unseres Grundgesetzes ausgeht. Auch wenn Hennis dazu kritisiert, daß es ein deutsches Ideal sei, die Verfassung als Eisenbahnfahrplan zu betrachten59 - pünktlich und ohne Ausfall von Zügen -, und man einer Verfassung nicht zu viele materielle Regelung abverlangen sollte, so denke ich doch, daß Wert darauf gelegt werden muß zu wissen, wer die Züge steuert und, um im Bild zu bleiben, wohin sie fahren. Einige Minuten Verspätung sind dabei das geringste Übel. Nur so, wie die beschriebene Probleme dastehen, komme ich zu dem Schluß, daß der momentane Zustand, in dem die planende Verwaltung der Regierung die Handlungsmöglichkeiten beschneidet, einfach geändert werden muß. Welche Rolle die Führung dabei spielt, ist klar und deutlich angesprochen worden. Um das realitätsbezogen durchhalten zu können, schlage ich vor sich mit dem Bild von Demokratie anzufreunden, daß Ellwein skizziert. Nämlich, Demokratie als ,,regulative Idee"60 zu begreifen, in der Macht kontrollierbar und Teil eines kritischen Reflexionsprozesses sein muß. Eine Idee, der sich immer nur angenähert werden kann und das Maß der Entfernung der praktizierten Demokratie von dieser Idee als Grad der Beurteilung dient.

Die Entfernung von Regierung und (planender) Verwaltung ist momentan aber zu groß.

VI. Literaturverzeichnis

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Zeidler, Wolfgang: Der Standort der Verwaltung in der Auseinandersetzung um das Demokratieprinzip. In: von Oertzen, Hans-Joachim (Hrsg.): Demokratisierung und Funktionsfähigkeit der Verwaltung; Stuttgart, 1974, S. 23 - 45.

[...]


1 Auch wenn dies in der Politikwissenschaft zum Teil als ,,inhaltslos", ,,Knochen ohne Fleisch", etc. angesehen wird.

2 Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf vornehmlich juristische Literatur: Hesse, 1993, S.250ff.; Maunz/Zippelius, 1994, S.281ff.; Maurer, 1999, S. 463ff.; Püttner/Kretschmer, 1993, S.171ff. & S.205ff.

3 Die zunehmende Inadäquanz des klassischen Modells der Gewaltenteilung, Dualismus von Regierung und Parlament, zur Erklärung der Funktion der Staatsorgane ist evident. Vgl. z.B. Gabriel/Holtmann, 1996, S.204

4 Hennis spricht davon als den zentralen Kategorien bei der Analyse von moderner Staatstätigkeit. Vgl. Hennis, Aufgaben, 1999, S.155ff

5 Vgl. Hesse/Ellwein, 1997, S.292

6 Grundlage für dieses Begriffspaar bildet das politische Systemmodell von D.Easton. Vgl. Mayntz, 1978, S.36f.

7 Vgl. Ellwein, 1976, S.174ff.

8 Dazu exemplarisch Mayntz/Scharpf, 1973 oder Ellwein, 1966 u. 1976. Einen Überblick über die politikwissenschaftliche Debatte zur Regierung bzw. Regierungssystem bietet die Aufsatzsammlung von von Bandemer/Wewer, 1990. Dort bes. Murswieck,A.: Parlament, Regierung und Verwaltung. S. 149 - 158

9 Zur Thematik Bürokratie als Herrschaftsinstrument in einer legalen Herrschaft vgl. grundsätzlich Max Weber. Seine Ausführungen zu Herrschaft mit bzw. durch Verwaltung werden in fast allen grundlegenden Werken, die sich mit Verwaltung, deren Organisation und deren Funktionieren innerhalb der Demokratie befassen, rekonstruiert und z.T. auch kritisch erweitert. Das soll hier unterbleiben, um den Rahmen nicht zu sprengen. Vgl. aber dazu bes. Weber, 1980, S.551ff. Als Sekundärliteratur bes. Mayntz, 1968, S.27ff. u. Schäfer, 1987, S.44ff.

10 Daß die Landesverwaltungen als zentrale Umsetzungsinstanz im GG beschrieben werden erklärt sich aus der Tatsache, daß diese nach dem 2.WK schon vorhanden waren und eine neue, parallel dazu laufende Bundesverwaltung wie z.B. in den USA, nicht nötig war.

11 Vgl. Hesse/Ellwein, 1997, S.364

12 Ebd. S.339f.

13 v. Arnim, 1984, S.346

14 Vgl. Thieme, 1984, S.3f.

15 Zur Entwicklung allgemein vgl. z.B. Mayntz, 1978 und Ellwein 1966

16 In Klammern die institutionelle Ausprägung dieses Gegensatzes z.B. im Deutschen Reich ab 1871

17 Vgl. Ellwein, 1966, S.13

18 Vgl. Hennis, Aufgaben, 1999, S.144f.

19 Ebd., S.145

20 Vgl. Wittkämper, 1982, S.191

21 So z.B. Schmidt/Treiber, 1975; Mayntz, 1978; Gabriel/Holtmann, 1997.

22 Erläuterungen tabellarisch bei Hesse/Ellwein, 1997, S.343f., zuerst in Ellwein, 1966, S.115ff.

23 Vgl. ebd. S.122

24 Ebd. S.204

25 Dazu interessante Ausführungen vgl. Mayntz, 1978, S.55

26 Das wurde in der Einleitung als Reflexionsebene für empirische Beobachtungen angelegt.

27 Hier verstanden als Führung der Regierung.

28 Die folgende skizzierte Unterscheidung geht auf Niklas Luhmann zurück. Vgl. Luhmann, 1966. Sekundär dazu & andere Steuerungsmodelle bei Becker, 1989, S.528ff. und Mayntz, 1978, S. 56ff.

29 Mayntz spricht hier von einer ,,funktional notwendigen Selbständigkeit", 1978, S. 67. Auch in der neueren rechtswissenschaftlichen Handbüchern wird diesem Umstand Rechnung getragen und weniger im positivistischen Sinne argumentiert. Vgl. u.a. Maunz/Zippelius, 1994, S.327f.; Kretschmer/Püttner, 1993, S.16f.

30 Zum Problem der Dauerhaftigkeit der Verwaltung einerseits und demokratisch bedingten Wechsel von Regierung andererseits, vgl. Ellwein, 1966, S.212, sowie Böhret, 1983, S.15

31 Ebd. S.13

32 Die Außenkontakte werden als unumgänglich zur inneren Konfliktlösung angesehen. Vgl. dazu Schmidt/Treiber, 1975, S.146ff.

33 Vgl. Böhret, 1983, S.13f.

34 Ebd. S.7

35 Vgl. Ellwein, 1966, S.214. Zur These der Außensteuerung der Verwaltung, sog. ,,Agententheorie", vgl. Mayntz, 1978, S.70f.

36 Böhret, 1983, S.15

37 Zur versuchten Politisierung der Ministerialbürokratie, z.B. Beamte mit Parteibuch, Parlamentarischer Staatssekretär, vgl. Schmidt/Treiber, 1975, S.118ff.

38 Es sei hier nur am Rande bemerkt, daß selbst programmatischen Gedanken von Parteien, immer mehr pragmatische, überspitzt gesagt, verwaltungsfreundliche Untertöne beinhalten. So z.B. der eingängige Wahlslogan der SPD zur Bundestagswahl 1998: ,,Wir werden nicht alles anders machen, sondern vieles besser". (Hervorhebungen vom Verfasser)

39 Zu dieser Problematik schon Weber, 1980, S.836. Eine guten Überblick zu der Rezeption und Weiterentwicklung vgl. Häußermann, 1977, S.35ff.

40 Vgl. dazu als empirische Analyse zur Ministerialbürokratie Schmidt/Treiber, 1975

41 Hesse/Ellwein, 1997, S.294

42 Vgl. Schmidt/Treiber, 1975, S.127

43 Vgl. Ellwein, 1970, S.19f.

44 Zeidler, 1974, S.25

45 Überblick über einzelne Vertreter und Kritik, vgl. Ellwein, 1970, S.20ff.

46 Vgl. Luhmann, 1966 & Mayntz, 1978, S. 42, sowie im Kontext der Planungsorganisation Scharpf, 1973, S.12ff.

47 Vgl. Hesse/Ellwein, 1997, S.387.

48 Ebd., S.386. Zu Fragen der Selbstführung abseits demokratisch-institutioneller Fragestellungen äußert sich die Disziplin der Organisationssoziologie. Vgl. exemplarisch Mayntz, 1968.

49 Informal & informell werden synonym gebraucht

50 Hier verstanden als Richtungskontrolle, Alternativkontrolle, Zweckmäßigkeitskontrolle. Vgl. Wittkämper, 1982, S.193

51 Zum Aufbau eines Ministeriums und der Aufgabenwahrnehmung vgl. Schmidt/Treiber, 1975, S.122ff.

52 Vgl. v. Beyme, 1991, S.42f.

53 Vgl. ebd. S.31

54 Vgl. Wewer, 1991, S.24

55 So recht deutlich Zeidler, 1974, S.26

56 Vgl. Hesse/Ellwein, 1997, S.267ff.

57 Es wird von der Entmachtung der Parlamente bezüglich der Haushaltsplanung gesprochen. Ebd. S.269

58 Zum Konzept der Doppelhierarchie vgl. Mayntz, 1978, S.78f, sowie von Beyme, 1990, S.44

59 Vgl. Hennis, Verfassung, 1999, S.188f.

60 Vgl. Ellwein,1970, S.32ff

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Regierung und Verwaltung - Prinzipien, Aufgaben, Probleme
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2000
Seiten
22
Katalognummer
V95069
ISBN (eBook)
9783638077491
Dateigröße
473 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Regierung, Verwaltung, Prinzipien, Aufgaben, Probleme
Arbeit zitieren
Christopher Eble (Autor:in), 2000, Regierung und Verwaltung - Prinzipien, Aufgaben, Probleme, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95069

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