Nachhaltig ethische Investments. Ein ESG-Kriterienkatalog zur Vereinheitlichung globaler Nachhaltigkeitsratings für das Kapitalanlagemanagement von Versicherungsunternehmen


Bachelorarbeit, 2020

87 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einführung
1.1. Notwendigkeit
1.2. Aktuelle Trends

2. Theoretischer Hintergrund
2.1. Begriff der Nachhaltigkeit
2.2. Was ist ESG
2.3. Investment im Kontext der Nachhaltigkeit
2.3.1. Definition und Bedeutung nachhaltiger Investments
2.3.2. Anlagegrundsätze
2.3.3. Performance-Boosting und Risikomanagement

3. Interessengruppen
3.1. Rahmenbedingungen der Politik
3.2. Anforderungen der Privatinvestoren
3.2.1. Methodik
3.2.2. Ergebnisse
3.3. Anforderungen der Kapitalanlageunternehmen
3.3.1. Methodik
3.3.2. Ergebnisse

4. Schwachpunkte bisheriger Ansätze

5. Kriterienauswahl
5.1. Themenfelder im Fokus
5.2. Ausschlüsse

6. Ergebnisse: Kriterienkatalog und Datenquellen
6.1. Umwelt
6.2. Soziales
6.3. Unternehmensführung

7. Diskussion

8. Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

A. Studienauswertung Privatinvestoren

A.1. Studienergebnisse inkl. ESG-Einordnung

A.2. Vereinheitlichte Ausschlüsse

A.3. Vereinheitlichte Environment-Themen

A.4. Vereinheitlichte Social-Themen

A.5. Vereinheitlichte Governance-Themen

B. Umfrageergebnisse Unternehmensbefragung

B.1. Umfrageergebnisse

B.2. graphische Auswertungen

B.3. Vereinheitlichte Ausschlüsse

B.4. Vereinheitlichte Environment-Themen

B.5. Vereinheitlichte Social-Themen

B.6. Vereinheitlichte Governance-Themen

C. Ergebnis-Zusammenführung

C.1. ESG-Themen

C.2. Ausschlüsse

C.3. ESG-Themen kombiniert

C.4. Ausschlüsse kombiniert

Abbildungsverzeichnis

2.1. CSR Pyramide (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Carroll & Buchholtz (2011)

3.1. MDGs (Quelle: MagHoxpox (2017)

3.2. SDGs (Quelle: United Nations (2015)

3.3. Investoren-Einordnung (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Wage- mans et al. (2013)

5.1. SDG Wedding-Cake Modell (Quelle: Stockholm Resilience Centre (2016)

5.2. Zusammenführungs-Ergebnis für den Bereich Environment (Quelle: eigene Darstellung)

5.3. Zusammenführungs-Ergebnis für den Bereich Social (Quelle: eigene Darstellung)

5.4. Zusammenführungs-Ergebnis für den Bereich Governance (Quelle: eigene Darstellung)

5.5. Zusammenführungs-Ergebnis der Ausschlüsse (Quelle: eigene Darstellung)

6.1. ESG-Auswertung inkl. Rating (Quelle: eigene Darstellung)

Abkürzungsverzeichnis

AUM Assets under Management

BaFin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht

BiC Best in Class

CBDR Common but Differentiated Responsibilities

CSR Corporate Social Responsibility

ESG Environmental, Social and Governance

EU Europäische Union

GDV Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft

GMO gentechnisch modifizierter Organismus

KV G Kapitalverwaltungsgesellschaft

NPS Net Promoter Score

PRI Principles for Responsible Investing

SDG Sustainable Development Goals

SRI Social Responsible Investing

TEG Technical Expert Group on Sustainable Finance

UN United Nations

UNFCCC United Nations Framework Convention on Climate Change

UNGC United Nations Global Compact

1. Einführung

„Der heutige Mensch ist der Natur gefährlicher geworden, als sie ihm jemals war“. (Hans Jonas)

Unsere Umwelt ist gefährdet und die Erhaltung von Natur, Boden, Wasser und Luft stellt heutige und zukünftige Generationen vor eine der elementarsten Herausforderungen der Menschheit.

Der zukünftige Erfolg hängt dabei wesentlich von zwei Faktoren ab:

Zum Ersten bedarf es einer Einsicht der Notwendigkeit vergangenes Handeln, in ökologischer wie auch in ökonomischer Hinsicht, zu ändern sowie besser an künftige Anforderungen anzupassen und zum Zweiten ist es wichtig den Status quo zu kennen und somit bisherige Fortschritte einschätzen zu können.

1.1. Notwendigkeit

Durch Ereignisse wie das Deepwater Horizon Ölunglück im Golf von Mexiko (Stein 2014, S. 8), dem Dammbruch von Bento Rodríguez in Brasilien (Taubald et al. 2019, S. 198) oder das Atomunglück in Fukushima (Coulmas & Stalpers 2011) wird dem Menschen nicht nur seine Verletzlichkeit, sondern auch die enorme Verantwortung für sein eigenes Fortbestehen und das des gesamten Ökosystems vor Augen geführt.

Die Prägnanz der Herausforderung ist vielen bereits bekannt. In einer Umfrage der Europäischen Kommission zum Thema Klimawandel, gaben 93 % der Befragten an, dass das Thema Klimawandel ein ernsthaftes Problem ist (European Commission 2019). Jedoch fühlen sich nur ca. 30 % in diesen Bereichen auch gut informiert und können den Wandel und die getroffenen Gegenmaßnahmen selbst einschätzen (CFI 2010), was unter anderem an einer fehlenden gesellschaftlichen Definition des Begriffs Nachhaltigkeit liegt (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) 2018).

Auch für Millennials und die Generation Z sind die Themen Klimawandel, Klimaschutz und Naturkatastrophen die Hauptbedenken für die Zukunft (Deloitte 2019). Ein positiver Einfluss der Produkte und dem Umgang von Unternehmen mit Umwelt sowie Gesellschaft ist für die junge Generation der Hauptgrund, sich mit diesen überhaupt zu beschäftigen und im Falle eines negativen Einflusses auch das Unternehmen samt seiner Produkte zu meiden (Deloitte 2019). Der Druck auf die Unternehmen durch die Gesellschaft wird dabei zunehmend größer. Die Mehrheit verlangt, dass Unternehmen Nachhaltigkeitsaspekte in ihrer täglichen Arbeit berücksichtigen sollen (Bank of America 2019).

Seit einiger Zeit ist eine Verlagerung des Nachhaltigkeitstrends von Konsumgütern hin zu Investitionsgütern sichtbar. Acht von zehn Investoren zeigen sich hierbei interessiert am Thema nachhaltiges Investieren (Morgan Stanley 2019, S. 1).

Eine Umfrage unter aktiven Investoren hat ergeben, dass ca. 80 % ihre persönlichen Wertvorstellungen auf ihre Aktivitäten in der Kapitalanlage übertragen und Ethik für sie eine wichtige Rolle spielt (Allianz Life Insurance 2019; Morgan Stanley 2019; UBS 2020). In diesem Kontext bestätigt jeder zweite Finanzberater, dass seine Kunden von ihm Informationen über nachhaltige Investitionen erwarten und über aktuelle Entwicklungen zu diesen auf den Finanzmärkten informiert werden möchten (HSBC 2019, S. 10).

Kapitalverwaltungen nehmen diese Entwicklung ebenfalls war und treiben den Nach- haltigkeitstrend voran. Als wichtigste Treiber werden hierbei Kunden und Mitarbeiter angegeben (HSBC 2019; KPMG International Cooperative 2020), was wenig verwundert, da ein Großteil der Interessenten den Begriff ESG entweder noch nie gehört hat oder nicht weiß, welche Themen damit angesprochen werden (Allianz Life Insurance 2019). Zudem wirkt das Thema nachhaltiges Investieren zu komplex und undurchsichtig auf einige, weshalb Finanzberater als Informationsquelle und Kompetenzstelle aufgesucht werden (UBS 2020; Umweltbundesamt 2017).

Versicherungsunternehmen bilden dabei, neben Banken, die größten Kapitalsammelstellen deutscher Investoren (Deutsche Bundesbank 2019). Deutsche Versicherer verfügen über ein Investitionsvolumen von ca. 1.350 Mrd. EUR, was ungefähr dem Vierfachen des deutschen Bundeshaushalts entspricht und haben durch die Höhe der Anlagesummen einen großen Einfluss an den Kapitalmärkten (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) 2018, S. 7). Mit 5,1 Mrd. EUR Anlagekapital verkörpern sie gleichzeitig eine der wichtigsten Finanzierungsquellen für erneuerbare Energien und unterstützen somit bedeutend die Energiewende (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) 2018, S. 5).

Speziell Versicherungsunternehmen nehmen hierbei nicht nur aufgrund des Anlagevo- lumens eine wichtige Rolle auf den Finanzmärkten ein, sondern auch auf Grundlage des ethischen Gedankens hinter dem Versicherungsprinzip. Versicherungsunternehmen dienen einem öffentlich sozialen Zweck, dem Ausgleich finanzieller Schäden und der Übernahme existenzbedrohender Risiken. Somit haben Versicherer per se eine besondere Verantwortung gegenüber ihren Kunden sowie der gesamten Öffentlichkeit und sollten daher eine Zukunfts- sicherung, unter anderem durch ökologische Nachhaltigkeit, als elementares Ziel verfolgen (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) 2018, S. 5).

Zudem gehört für Versicherungsunternehmen eine positive Reputation und ihr Unterneh- mensimage zu den wichtigsten, schutzbedürftigen immateriellen Vermögenswerten. In diesem Rahmen gilt spezielle Vorsicht im Umgang mit den Interessen und Wünschen der Kunden (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) 2018, S. 12 ff.), welche das Thema Nachhaltigkeit von den Versicherern zunehmend erwarten (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) 2018; HSBC 2019; Newsweek Vantage 2018).

Auch der regulatorische Druck sich mit dem Thema Nachhaltigkeit zu beschäftigen nimmt zu. Verschiedenste nationale und internationale Abkommen zielen auf mehr Nachhaltigkeit der Unternehmen und eine verantwortungsvollere Kapitalanlage ab. Befragungen von Betrieben haben dabei ergeben, dass regulatorischer Druck einer der Haupttreiber zur Implementierung von Nachhaltigkeitszielen zusätzlich zu ökonomischen Zielen ist (Newsweek Vantage 2018; HSBC 2019; AON 2019).

1.2. Aktuelle Trends

“One of the clear trends ... is how rapidly responsible investing is evolving and becoming mainstream” (AON 2019, S. 12).

Der Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit wird von allen Seiten angetrieben. Kunden, Mitarbeiter, Politik und die Eigenmotivation der Unternehmen drängen immer weiter hin zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Natur und Mensch (HSBC 2019, S. 7).

Allerdings ergibt sich eine Lücke zwischen bereits vorhandenen Richtlinien, um Nachhal- tigkeit zu messen, und der Motivation diese umzusetzen (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) 2018, S. 8). Investoren, Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGen) und andere Serviceanbieter wollen jedoch nicht auf eine regulatorische Lösung war- ten, sondern treiben das Thema nachhaltige Kapitalanlagen selbst voran. So entstand 2006 die Investoreninitiative ’Principles for Repsonsible Investing’ (PRI), welche sich vor allem der Einhaltung und Umsetzung von Nachhaltigkeitskriterien verschrieben hat (Newsweek Vantage 2018, S. 16). Die Einschreibungen zur PRI-Initiative belegen das Interesse. Was 2006 mit 100 Teilnehmern begann, entwickelt sich bis heute zu über 3.000 aktiven Teil- nehmern und über 90 Billionen EUR an Assets under Management (AUM) (PRI 2019, S. 5 ff.; Newsweek Vantage 2018, S. 12). Im Jahr 2015 wurden zusätzlich die Sustainable Development Goals (SDGs) ratifiziert und spezifizieren 17 Ziele, die bis 2030 erreicht werden sollen. Darunter zählen bspw. Bekämpfung von Armut, Hunger, Geschlechterungleichheit und auch verstärkter Umweltschutz (Newsweek Vantage 2018, S. 19). Im selben Jahr haben sich mit der Paris-Vereinbarung 198 Länder unter der UNFCCC dem Ziel verpflichtet, bis 2050 die globale Erderwärmung zu bekämpfen und die Treibhausgasemissionen um 70 % zu reduzieren (Teske 2019, S. 474 f.; Newsweek Vantage 2018, S. 19).

Auch die Europäische Union (EU) startete 2018 eine Initiative und veröffentlichte einen Nachhaltigkeitsplan mit dem Ziel bis 2030 die Treibhausgasemission um 40 % zu senken. Dafür seien 180 Mio. EUR jährliche Investitionen notwendig, die vor allem aus dem Privatsektor kommen und in ESG konforme Anlagen fließen sollen (Newsweek Vantage 2018, S.19; Europäische Kommission 2020).

Die Investitionspläne der Politik finden bei Investoren Zuspruch. In einer Umfrage zum Thema Investitionsverhalten ergab sich, dass im Jahr 2019 ca. 70 % der Befragten Nachhaltigkeit in ihrem Portfolio berücksichtigen (AON 2019, S. 7) und 97 % der Investoren ESG-Kriterien als zunehmend relevanter werdend einstufen (AON 2019, S. 6; Newsweek Vantage 2018, S. 32; HSBC 2019, S. 7). Auch Börsenunternehmen haben diesen Trend erkannt und veröffentlichen vermehrt Nachhaltigkeitsberichte, um auf die Erwartungen der Investoren zu reagieren. Im Jahr 2017 konnten bereits mehr als 85 % der Unternehmen solch einen Bericht vorlegen (Bank of America 2019, S. 9).

Die deutsche Versicherungswirtschaft folgt ebenfalls dem Trend. Nachhaltigkeit wird dabei unter anderem durch Investitionen in erneuerbare Energien umgesetzt, die seit 2012 mit 0,8 Mrd. EUR auf über 5 Mrd. EUR in 2017 stiegen.

Ende 2017 verpflichteten sich Versicherungen, welche die Hälfte der deutschen Gesamtkapi- talanlage repräsentieren, zur Einhaltung der PRI und somit auch zur Berücksichtigung von ESG-Kriterien in ihrer Kapitalanlage. Eine Umfrage des GDV ergab, dass 75 % aller deut- schen Versicherer bereits ESG-Kriterien nutzen, auch wenn sie noch nicht dazu verpflichtet sind (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) 2018, S. 9).

Die aktuelle Entwicklung, national und global, unterstreicht deutlich: nachhaltiges Inves- tieren wird der neue Standard (Scholtens & Sievänen 2012; Busch et al. 2015; LGT Capital Partners 2018, S. 7).

Es gibt jedoch noch deutliche Barrieren. Aufgrund einer fehlenden, allgemein bekannten Definition von nachhaltigen Investments, Unklarheiten über die Anwendung von ESG- Kriterien und fehlende Transparenz bei bereits bestehenden Verfahren ist die Verwirrung bei Investoren groß. Anbieter können, durch nicht vorhandene Standards, ESG-Kriterien nach Belieben anwenden und dabei Kriterien vernachlässigen, Toleranzen beliebig bestimmen oder Bewertungsmaßstäbe und Ausschlüsse willkürlich einführen. Durch eigens entwickelte Rechenverfahren, die kompliziert und unverständlich auf den Kunden wirken, schaffen Rating-Agenturen eine hauseigene Bewertungsmethode, welche in der Grundlage nur durch sie selbst anwendbar ist (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) 2018, S. 19).

Ziel dieser Arbeit soll es sein, Klarheit in die Thematik der nachhaltigen Kapitalanlage zu bringen. Hierfür wird zuerst systematisch die Entstehung des Nachhaltigkeitsgedanken in Kapitel 2 aufgearbeitet. Mittels einer Definition des Begriffs Nachhaltigkeit in Kapitel 2.1 soll in Kapitel 2.3 beleuchtet werden, was unter einem nachhaltigen Investment verstanden wird, was ESG bedeutet und welche Rolle ESG-Kriterien bei der Kapitalanlage spielen. Es werden gängige praktische Anwendungen des nachhaltigen Investierens erläutert und der Einfluss auf Performance sowie Risikomanagement untersucht. Durch eine Analyse der Bedürfnisse sowie Motive von Politik, Privatinvestoren und KVGen sollen in Kapitel 3 Anforderungen an eine universelle Lösung zur Bemessung von nachhaltigen Investitionen erarbeitet, sowie Schwachpunkte bisheriger Ansätze in Kapitel 4 aufgedeckt werden. Es soll die Frage geklärt werden, ob sich die Interessen von Politik, Privatinvestoren und Unternehmen harmonisch vereinbaren lassen. Der Hauptfokus dieser Arbeit wird auf der Erstellung eines universellen ESG-Kriterienkatalogs in Kapitel 5 und 6 liegen, welcher die Anforderungen von Politik, Investoren und KVGen vereint und dabei sowohl auf Einzelkriterien und mögliche Ausschlüsse, als auch auf mögliche Quellen zur Datenbeschaffung für diese eingeht. Durch diesen Kriterienkatalog soll es in Zukunft Investoren und KVGen, wie bspw. Versicherungen, möglich sein, nachhaltige Investments zu finden, zu bewerten und transparent mit in Investitionsentscheidungen implementieren zu können, bei gleichzeitiger Nachvollziehbarkeit für alle direkt oder indirekt Beteiligten, wie bspw. Kunden.

2. Theoretischer Hintergrund

In Rahmen dieses Kapitels sollen die theoretischen Grundlagen für folgende Kapitel gelegt werden. Hierbei sollen Begriffe wie Nachhaltigkeit und nachhaltige Investments definiert und der ESG-Ansatz erläutert werden. Ebenfalls wird auf die praktische Umsetzung und bisherige Ansätze im Rahmen der nachhaltigen Investments eingegangen und der Einfluss dieser auf die Performance eines Investors analysiert. Durch die Aufarbeitung aktueller Literatur und Studien wird ein theoretisches Fundament für kommende Ausarbeitungen und praktische Teile gelegt, sowie das Thema in den aktuellen wissenschaftlichen Kontext eingeordnet.

2.1. Begriff der Nachhaltigkeit

In der Gesellschaft herrscht Unklarheit über die genaue Bedeutung des Begriffs Nachhal- tigkeit. In der Literatur gibt es über 70 Begriffserklärungen, welche die Suche nach einer universellen und eindeutigen Definition schwierig gestalten (Brugger 2010, S. 12).

Das Grundkonzept der Nachhaltigkeit ist tief verankert. Seit Jahrtausenden leben Natur- völker nach dem Prinzip der ökologischen Ausgeglichenheit, indem sie nur so viel aus der Natur entnehmen, wie diese wieder unbeschadet reproduzieren kann (Brugger 2010, S. 13).

Die erste Aufzeichnung in der Literatur ist die Forstverordnung eines Klosters im Elsass aus dem Jahr 1144. Demnach sollte nicht mehr Holz aus dem Reservat entnommen werden, als im natürlichen Zyklus der Regeneration nachwachsen kann, um eine dauerhafte Nutzbarkeit des Waldes zu garantieren (Brugger 2010, S. 14).

Im 19. und 20. Jahrhundert hielt der Nachhaltigkeitsgedanke auch in anderen Bereichen der Wirtschaft Einzug. Seither gilt als bekannteste Definition die sogenannte Brundtland- Definition, welche Nachhaltigkeit wie folgt beschreibt:

„Eine nachhaltige Entwicklung [ist], welche den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten zukünftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen“ (World Commission 1987, S. 8).

Die Schaffung dieser Definition diente jedoch lediglich als generelles Leitbild für ökonomi- sche und ökologische Entscheidungen. Folglich entstanden Zweifel an der Umsetzbarkeit einer starren, unflexiblen Begriffsdefinition von Nachhaltigkeit (Schramade 2016, S. 96). Ein Widerspruch gründet auf der Annahme, dass Unternehmen, hier vor allem Aktienunter- nehmen, nicht nachhaltig sein können, da ihr Ziel eine möglichst zeitnahe Generierung von Wert für die Shareholder ist. Um dies zu erreichen, werden Unternehmen dazu gedrängt verschwenderisches sowie rücksichtsloses Wachstum anzustreben und gleichzeitig jeglichen Einfluss durch Gesellschaft oder Politik auf das Unternehmenshandeln zu unterdrücken (Gray 2010, S. 57).

Ein Kontrast bietet das Konzept des Corporate Citizenships, welches das gesellschaftliche Engagement und die Verantwortung (CSR) eines Unternehmens beschreibt (Habisch et al. 2007, S. 3 ff.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.1.: CSR Pyramide (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Carroll & Buchholtz (2011))

Demnach formt der wirtschaftliche Erfolg nur die Basis des unternehmerischen Handelns und von der Gesellschaft wird zudem die Einhaltung rechtlicher Rahmenbedingungen gefordert. Ohne diese beiden Ebenen ist ein Unternehmen nicht überlebensfähig. Zu den substanziellen Ebenen kommt eine ethische Verantwortung hinzu, welche von der Gesellschaft erwartet wird. Im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit ist es hierfür notwendig, nicht gegen etablierte ethische oder moralische Grundsätze zu verstoßen. In letzter Instanz sollte ein Unternehmen philanthropische Ziele verfolgen und somit gemeinnützige Verantwortung übernehmen. Handlungen auf dieser Ebene, bspw. Spenden, sind nicht zwingend erforderlich, werden gesellschaftlich jedoch erwünscht und positiv aufgenommen (Wolfgang 2012, S. 84 ff.; Carroll & Buchholtz 2011, S. 37 ff.).

Der Nachhaltigkeitsgedanke lässt sich vor allem als ethische Verantwortung einordnen, wobei die Brundtland Definition als weitgehend gesellschaftlich akzeptiert gilt. Ein Unter- nehmen sollte demnach eine Berücksichtigung der ersten drei Ebenen als wesentlich für sein Fortbestehen ansehen, da eine Erfüllung dieser gleichzeitig auch die Beachtung von Stakeholder-Interessen und somit den Grundstein für langfristigen Unternehmenserfolg darstellt (Habisch et al. 2007, S. 4 ff.; Wolfgang 2012, S. 84 ff.).

2.2. Was ist ESG

ESG setzt sich aus drei Teilbereichen zusammen und steht für Environmental, Social and Governance. Es sollen somit gezielte Kriterien aus den Bereichen Umwelt, Soziales und der Unternehmensführung dazu eingesetzt werden, den Nachhaltigkeits-Grad eines Unternehmens oder eines Investments zu bestimmen (Robeco 2020).

ESG-Kriterien bilden damit einen möglichen Weg, um nachhaltige Investments zu finden und zu bewerten. ESG ist nicht der erste Ansatz, sondern eine Weiterentwicklung bereits bestehender Methodiken, wie dem der ’Socially Responsible Investments’ (SRI) (Schramade 2016, S. 97).

Da die reine Benennung der Bereiche zu uneindeutigem Verständnis bei Investoren führt, war eine schärfere Abgrenzung notwendig, was genau unter den einzelnen Begriffen zu verstehen ist.

Environmental steht im Kontext für den Einfluss eines Unternehmens auf jegliche lebenden sowie nicht-lebenden Ökosysteme. Darunter zählen auch jegliche Ressourcen des Systems wie Luft, Wasser oder Land/Erde. Hierbei soll vor allem in Bezug auf den Nachhal- tigkeitsbegriff das Ökosystem nur insofern beeinflusst werden, wie es von selbst ausgleichen oder schadlos anpassen kann (Bank of America 2019, S. 2; Allianz Life Insurance 2019, S. 3; Bundesverband Alternative Investments e.V. 2018, S. 5 ff.).

Social zielt auf den Umgang des Unternehmens mit Arbeitnehmern, Kunden und der allge- meinen Öffentlichkeitsarbeit ab. Es geht vor allem um Themen wie Reputation, Vertrauen und Förderung des Humankapitals, um so ein langfristiges Fortbestehen des Unternehmens zu sichern (Bank of America 2019, S. 2; Allianz Life Insurance 2019, S. 3; Bundesverband Alternative Investments e.V. 2018, S. 5 ff.).

Governance umschreibt die Unternehmensführung und implementiert damit, wie das Unternehmen als System funktioniert, rechtliche Rahmenbedingungen einhält und wie Teile des Unternehmens untereinander sowie nach außen kommunizieren. Im Fokus stehen hier Fragen danach, ob das Unternehmen prinzipienbasiert und verantwortungsvoll arbeitet, wie die Aufsicht strukturiert ist und in welcher Form der Umgang mit Stake- und Shareholdern geregelt ist. (Bank of America 2019, S. 2; Allianz Life Insurance 2019, S. 3; Bundesverband Alternative Investments e.V. 2018, S. 5 ff.).

Was bedeutet nachhaltiges Investieren mittels ESG und wo beginnt es? „ESG-Integration bedeutet, dass Kapitalanleger in ihrer Analyse einzelner Investitionen der strategischen und taktischen Allokation sowie über den ganzen Portfoliomanagement- Prozess hinweg, systematisch ESG-Aspekte berücksichtigen“ (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) 2018, S. 24 Z. 55 ff.).

ESG-Investieren ist demnach ein allumfassender Prozess, der vor der tatsächlichen Investition mit der Auswahl beginnt und über ein kontinuierliches Rebalancing mittels ESG-Kriterien bis hin zum Abstoßen und damit Enden der Investition führt (Bundesverband Alternative Investments e.V. 2018, S. 22).

Implementierungen von ESG-Kriterien in Portfolios kommen mit einer Vielzahl von Umsetzungsmöglichkeiten einher, die es den Investoren erleichtern sollen, Unternehmen, Branchen oder ganze Länder miteinander zu vergleichen. In den kommenden Kapiteln wird auf die verschiedenen Ansätze detaillierter eingegangen und aufgezeigt, wo Schwachpunkte und Verbesserungspotenziale bestehen.

2.3. Investment im Kontext der Nachhaltigkeit

Wie der Nachhaltigkeitsbegriff Einfluss auf Geld und Wirtschaft hat, wurde bereits früh untersucht. Seine Wurzeln liegen in religiösen Motiven, nach denen Christen, Juden und Muslime seit jeher von Teilhaben an bspw. Alkohol, Tabak oder Glücksspiel absehen (Ziolo & Sergi 2019, S. 129). In einem Werk über die Verwendung von Geld und seinen Einfluss verbindet der Engländer John Wesley 1787 wirtschaftliche mit religiösen Motiven und erklärt, dass Geld nicht in Güter fließen darf, die dem Menschen schaden oder ihn sogar töten können, solange es nicht absolut notwendig sei. Wesley, Begründer der methodistischen Bewegung, stellt damit auch soziales Engagement als Ziel der personellen und finanziellen Verantwortung in den Vordergrund (Green et al. 2012, S. 1265 ff.; Brechtel 2018, Kap. Die Methodisten).

Mit dem Pioneers Fund wurde 1928 der erste öffentlich zugängliche Investmentfonds aufgelegt, der bewusst Investitionen in die Tabak-, Glücksspiel- und Alkoholindustrie vermied (Amundi Pioneer Asset Management 2020).

Begründet durch die Konsequenzen des Kalten Krieges, des Vietnamkriegs und der Ölkrise folgten weitere Öko-, Ethik- und Entwicklungsfonds (Wolfgang 2012, S. 68 ff.). Mitte des 20. Jahrhunderts entwickelte sich parallel der CSR-Gedanke, durch den nun auch Unternehmen und ihre Geschäftspraktiken in den Fokus rückten. Unternehmen, die an der Herstellung von Waffen beteiligt waren, ihre Mitarbeiter ungerecht behandelten oder in Krisengebieten negativ auffielen, wurden gezielt von Investmententscheidungen ausgeschlossen (Ziolo & Sergi 2019, S. 129).

Durch diverse Naturunfälle, wie das Seveso-Unglück 1976 oder die Nuklearkatastrophe in Tschernobyl 1986, wurde das Bewusstsein für ökologische Nachhaltigkeit intensiviert und wird durch den Treibhauseffekt und die Klimaerwärmung zunehmend verstärkt (Nachhalti- ges Investment 2020, Abs. 6).

Die Weltkommission der United Nations (UN) für Umwelt und Entwicklung schuf 1987 mit dem Brundtland-Bericht erstmals ein einheitliches Grundverständnis, was eine nachhaltige Entwicklung ist und vereinte damit natürliche, soziale und ethische Ansätze vorheriger Bewegungen zu einem mondialen Leitbild der Nachhaltigkeit (Dusseldorp 2017, S. 48).

Dem Leitbild und der Bewegung folgten Organisationen, welche sich regional für die Umsetzung spezifischer Grundsätze in der Kapitalanlage einsetzen, wie das European Sustainable Investment Forum (Eurosif) oder das amerikanische Forum for Sustainable and Responsible Investment (US SIF) (Eurosif 2020). Ziel dieser Organisationen ist es ein globales Netzwerk zu errichten, um Interessenvereinigungen zu erschaffen, Wissen und Unterstützung zu liefern, sowie Synergien mit Wirtschaft und Politik zu entwickeln.

Dem unterstützend konnten mit den SDGs und ESG-Kriterien anfängliche Ziele und Qualitätsmerkmale von nachhaltigen Investments modelliert werden, welche in Zukunft sukzessive in die Praxis übernommen werden sollen (Ziolo & Sergi 2019, S. 129).

2.3.1. Definition und Bedeutung nachhaltiger Investments

Eine Definition des Begriffs ‚Nachhaltigkeit‘ wurde im Kapitel »2.1 Begriff der Nachhal- tigkeit« als Handlungsprinzip beschrieben, nach dem eine Generation Ressourcen nur in einem gewissen Maße verbrauchen soll, sodass kommende Generationen diese Ressource in gleicher Art und Güte nutzen können (World Commission 1987, S. 8).

Nach der Definition des Begriffs ’Nachhaltigkeit’, bleibt eine Bestimmung von ’Investition’ offen, um zu einem Terminus von ’nachhaltigen Investments’ zu gelangen.

Eine Investition als solche ist die „langfristige Bindung finanzieller Mittel in materiellen oder in immateriellen Vermögensgegenständen“ (Gabler Wirtschaftslexikon 2018, Z. 1 ff.). Zur Spezifizierung wird in kommenden Kapiteln die Finanzinvestition explizit im Mittelpunkt stehen. Diese hat im Vergleich mit anderen Investitionsarten meist ein finanzielles Motiv, also die Vermehrung des eingesetzten Kapitals (Schulte 2013, S. 11 f.). Sie zeichnet sich durch die Ausprägung als Forderungs- und/ oder Beteiligungsrecht aus, wobei für Forderungsrechte Darlehen oder Anleihen und für Beteiligungsrechte Aktien- oder Investmentanteile als bekannteste Beispiele genannt werden können (Schulte 2013, S. 12).

Führt man beide Definitionen zusammen, so kann man von einer nachhaltigen Finanzin- vestition sprechen, wenn Kapital mittel- oder langfristig an den Märkten so investiert wird, dass durch das Investment bzw. den Einfluss dessen heutige Bedürfnisse an Ressourcen befriedigt werden, ohne den Bedarf zukünftiger Generationen an diesen einzuschränken und gleichzeitig das Ziel eines positiven finanziellen Mehrwertes für den Investor verfolgt wird (Eigendefinition).

Bisher wurde bei Finanzinvestitionen das Gewinnziel als Hauptziel genannt. Dies ent- spricht nicht vollumfänglich der Praxis, da sowohl monetäre als auch nicht-monetäre Ziele verfolgt werden können (Block 2010, S. 2). Zwar fallen monetären Zielen wie Rendite oder Gewinn in der Investitionstheorie besondere Bedeutungen zu und stellen somit oft den Haupttreiber eines Investitionshandelns dar (Block 2010, S. 3), dennoch gibt es auch Motive, welche nicht auf finanzielles Interesse zurückzuführen sind. Im Bereich der Kapitalanlagen wird bei nicht-monetären Zielen der Wunsch nach SRI immer bedeutender (Stahl 2012) und formt damit einen klaren emotionalen Faktor, welcher mit in die Investitionsentscheidung einfließt. Auch Prestigemotive sind in diesem Rahmen zu nennen (Kreikebaum & Rimsche 1961; Breitmayer et al. 2018). Die Gründe hierfür sind vielfältig. So neigen Investoren dazu, Investments aufgrund von kürzlichen Nachrichten zu treffen (Availability Bias) und somit bspw. aktuell beliebte Werte zu bevorzugen (Baker & Puttonen 2017, S. 110 ff.). Solche irrationalen Entscheidungen werden meist dadurch bestärkt, dass der Investor bewusst nach positiven Nachrichten des betreffenden Wertes sucht, um seine Entscheidung zu bestätigen bzw. zu bekräftigen (Framing & Confirmation Bias). Eine Studie zeigte, dass auch das soziale Umfeld einen Einfluss auf das individuelle Investorenverhalten hat, das sogenannte Social Bias (Baker & Puttonen 2017, S. 109). Die Präsenz bestimmter Investmentthemen im gesellschaftlichen Kontext, sowie die Bestärkung von Handlungsideen durch Gesprächs- partner führen dabei zu einem verstärkten Social Bias (Baker & Puttonen 2017, S. 109). In Verbindung mit einer übermäßigen subjektiven Begeisterung gegenüber eines Investments (bspw. des Unternehmens oder eines Produkts) (Lindblom et al. 2017, S. 97 f.) und dem Wissen, dass Investoren durch bestärkten Social Bias zu einer Überschätzung der eigenen Fähigkeiten neigen (Overconfidence Bias) (Breitmayer et al. 2018), kann dies zu einem Investment führen, welches überwiegend auf Grundlage irrationaler emotionaler Motive getroffen wird.

Im Kontext des Social Bias kommt es bei starkem Einfluss von Investoren auf andere Investoren zu kollektiven Marktaktivitäten, die als Herdenverhalten (Herding Behavior) in Investitionsentscheidungen verstanden werden und sich zu einem ’Hype’ auf den Fi- nanzmärkten entwickeln können (Lindblom et al. 2017). Das Unternehmen Beyond Meat beispielsweise, dessen Aktienkurs innerhalb von 2 Monaten um über 250% anstieg, wurde von Experten in Folge als emotionaler Wert ohne rationale Substanz gewertet (The Motley Fool 2019) oder auch Tesla und Nikola Motors, zwei Unternehmen aus dem Bereich der Kraftfahrzeugindustrie, deren Aktienwert von Analysten als irrational eingeschätzt wird, da Fundamentaldaten wie Umsatzzahlen oder Unternehmensgewinn die Börsenkurse nicht rechtfertigen (Shefrin 2017; Börse ARD 2020). Alle Beispiele haben Folgendes gemeinsam: Sie sprechen gesellschaftlich relevante und aktuelle Themen an, sind medial omnipräsent und führen zu emotionalem Commitment bei Investoren.

Nicht-monetäre Motive sind demnach zweifelsfrei ebenfalls von Bedeutung, wenn es um Investitionsentscheidungen geht. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass nicht-monetäre Ziele kein Primärziel einer Investition widerspiegeln, sondern als Nebenbe- dingungen in die Entscheidungsfindung mit eingehen (Block 2010, S. 2 f.) und daher das Gewinnziel im Fokus steht.

2.3.2. Anlagegrundsätze

Weltweit gibt es über 43.000 handelbare Aktien1 (World Federation of Exchanges 2020). Ein großes Anlageuniversum aus dem Investoren wählen können, um sich ein, an die eigenen Interessen angepasstes, Portfolio von Investments zusammenzustellen. Um hierbei nachhaltig zu investieren ist ein entsprechendes System notwendig, um die (Stand Mai 2020) Anzahl an potenziellen Investments zu begrenzen bzw. Fokuspunkte zu setzen.

Hierzu gibt es verschiedene Varianten. Ein erster Schritt ist die Screening-Methode. Dafür wird auf Grundlage verschiedener, vorher festgelegter Kriterien ein Kontinent, Land oder eine Branche nach Unternehmen durchsucht, die bestimmten Kriterien entsprechen oder diese gezielt nicht erfüllen (Michelson et al. 2004, S. 3; Wagemans et al. 2013, S. 240 f.; Bierbaum 2010, S. 293).

Das negative Screening ist die häufigste angewendete Methode bei Investoren. Hier entscheidet sich der Investor im Vornherein, welche Ausschlusskriterien auf Grundlage seiner Moralvorstellung gelten sollen, dies formt die sogenannte Ausschlussliste (Scholtens & Sievänen 2012, S. 607; Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) 2018, S. 20). Ausschlusslisten können vielfältig eingesetzt werden. So können ganze Länder oder Branchen ausgeschlossen werden, um beispielsweise Unternehmen der Alkohol-, Tabak- oder Waffenindustrie zu exkludieren oder bestimmte Krisengebiete zu vermeiden. Es kann auch nach dem gezielten Verstoß gegen bestimmte Einzelkriterien gefiltert werden, um beispielsweise Unternehmen mit Kontakt zu Kinderarbeit oder Korruption auszublenden (McKinseyCompany 2017, S. 7).

Hierbei muss eine tiefere Differenzierung vorgenommen werden, da sich Ausschlusslisten in der Strenge ihrer Ausprägungen unterschieden. Ein Ausschluss kann daher vorgenommen werden, wenn nur gegen ein bzw. zwei Kriterien verstoßen wird (Simple Screening) und stellt damit die am häufigsten angewendete und gleichzeitig strengste Screening-Methode dar (Schaefer 2014, S. 3). Ein Ausschluss beim Verstoß gegen drei oder mehr Kriterien (wertbasiertes Screening) ist ebenso möglich wie eine Überprüfung auf Verstöße gegen spezifische ESG Kriterien (ethisches Screening) (Schaefer et al. 2015, S. 7; Steiauf 2017, S. 59).

Anzumerken sei ebenfalls das normenbasierte Screening, bei welchem gezielt nach der Einhaltung nationaler und internationaler Standards wie den OECD Richtlinien geprüft wird. Diese Methode verfolgt somit indirekt auch den Ausschlussgedanken (Schaefer 2014, S. 3; Steiauf 2017, S. 59).

Die zweite Form des Screenings ist das positive Screening mittels Positivlisten. Hierbei legt der Investor, auf Grundlage seiner Moralvorstellungen, Kriterien fest, die eine Kapitalanlage erfüllen muss, um als potenzielles Investment zu gelten.

Dieser Ansatz wird vor allem bei regionalen oder branchenspezifischen Vergleichen genutzt, um Unternehmen herauszufiltern, die bestimmte Anforderungen erfüllen sollen und diese besonders hervorzuheben (Kumar et al. 2019, S. 4; Gesamtverband der Deutschen Versiche- rungswirtschaft (GDV) 2018, S. 21; Scholtens & Sievänen 2012, S. 607; Bierbaum 2010, S. 293).

Weit verbreitet ist die Nutzung des Pioneer-Screenings als Teil des positive Screenings. Ziel ist es hierbei, unter Nutzung spezifischer Kriterien, Titel zu finden, die sich ökologisch/sozial besonders stark positionieren (Böttcher 2014, S. 133) und somit bspw. Kandidaten für bestimmte thematische Investments zu finden (Steiauf 2017, S. 60).

Ein weiteres Verfahren des positiven Screenings ist das Best-in-Class Screening (BiC). Hierbei wird nicht mehr nur nach der absoluten Erfüllung bestimmter Kriterien gefiltert, sondern ein relativer Vergleich der potenziellen Investments vorgenommen. Es werden dabei keine Titel im Vornherein ausgeschlossen, sondern die ganzheitliche Masse durchsucht (Schaefer et al. 2015, S. 8). Ziel ist es dabei das Investment zu finden, welches den Krite- rien am besten entspricht (Bierbaum 2010, S. 294). Dies gelingt, indem jedes Kriterium gewichtet in eine Endbewertung der Titel einfließt (Scoring) und somit am Ende eine Liste entsprechend der Scorings entsteht (Rating) (Schaefer et al. 2015, S. 8). Aus dieser können nachfolgend gezielt die besten Titel gewählt werden und somit Unternehmen gefördert wer- den, welche sich stark mit den ESG-Themen identifizieren (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) 2018, S. 22; Sustainable Business Institute 2014, S. 17 f.; Scholtens & Sievänen 2012, S. 607).

Dieses Verfahren kann ebenfalls vielfältig verwendet werden. Zum einen zur vertieften Aus- wahl nach einem bereits durchgeführten positiv bzw. negativ Screening, als eigenständige Methode oder zur Auswahl eines Investments aus einem vorher ausgeschiedenen Bereich. Letzteres wird vor allem dann durchgeführt, wenn das Klumpenrisiko in einem Portfolio zu hoch ist und die Investments nicht genügend diversifiziert sind (Bierbaum 2010, S. 294).

Bei der Nutzung von Screening Methoden ist der Investor nicht eingeschränkt. Sie können kombiniert oder separat angewendet werden. Eine Anpassung ist hierbei bspw. in der Toleranz der Kriterien möglich, indem etwa Unternehmen mit einem maximalen Anteil von 5 % ihrer Tätigkeit an Rüstungsexporten noch als akzeptabel deklariert werden oder beim BiC Ansatz in die 4 ökologischsten Unternehmen einer Branche investiert wird.

Im Rahmen dieser Methodiken haben es sich einige Unternehmen zur Aufgabe gemacht, sich eigens entwickelte Ratings aufzuerlegen und dem Investor so den Vergleichsaufwand zu erleichtern.

Bekannte Anbieter für Nachhaltigkeits-Rankings sind RobecoSAM, MSCI, Ecovadis, Su- stainalytics und ISS Governance. Jeder dieser Anbieter hat eine eigene Strategie entwickelt, um Unternehmen zu kategorisieren, analysieren und zu bewerten.

RobecoSAM nutzt hierfür einen Fragebogen, den betreffende Unternehmen selbst ausfül- len. Jede Antwort muss dafür auf einer Skala von 0 bis 100 Punkten abgegeben werden. Freitext-Antworten werden von RobecoSAM’s Mitarbeitern geprüft und ebenfalls als Punkt- zahl eingeordnet. Einzelfragen werden zu Kriterien gebündelt (bspw. Energienutzung), welche in die Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Sozial eingeordnet werden. Hierbei hat die Frage jeweils ein bestimmtes Gewicht am Kriterium und das Kriterium eine festgelegte Gewichtung an der Dimension. Die Drei ESG-Dimensionen erlauben eine maximale Punkt- zahl von 100, wobei die ökonomische Dimension mit 38 möglichen Punkten den beiden Dimensionen Ökologie (27 Punkte) und Soziales (35 Punkte) überwiegt. Es werden hierbei allgemeine und branchenspezifische Kriterien genutzt. Branchenübergreifend allgemein werden im Bereich Ökonomie hierbei der Verhaltenskodex, Corporate Governance, Richtig- keit des Jahresabschlusses und Risiko-/ Krisenmanagement bewertet. Im Bereich Ökologie steht die Umweltpolitik und die Umweltberichterstattung im Vordergrund. Für die soziale Dimension werden Corporate Citizenship, Personalentwicklung, Arbeitsqualität, soziale Berichterstattung und Mitarbeitergewinnung sowie -bindung betrachtet. Wie genau die Kriterien qualitativ gemessen werden und was sie detailliert beinhalten, wird dem Investor nicht ersichtlich. Die Bewertungen können in einem Portal eingesehen und Unternehmen miteinander verglichen werden. Hierfür nutzt RobecoSAM den BiC Ansatz mit einer 10 % Akzeptanzgrenze (RobecoSAM AG 2018, 2015).

MSCI nutzt eine ähnliche Strategie zur Bewertung. Es gelten auch hier die drei ESG- Kategorien, die jeweils in Unterkategorien wie bspw. Klimawandel, Corporate Behavior oder Humankapital aufgegliedert werden. Den jeweiligen Unterkategorien liegen dann Kriterien wie Kohlenstoffemission, Steuertransparenz oder Personalentwicklung zugrunde. Die Krite- rien werden auch hier unterschiedlich stark gewichtet, je nach prognostiziertem Einfluss auf die Branche und der Dauer der Beeinflussung. Wie genau eine mögliche Gewichtung aussieht, erfährt der Investor nicht. Die Daten zur Bewertung werden hierbei aus Befragungen der Unternehmen, sowie aus bereits vorhandenen Datensätzen wie bspw. Unternehmensberich- ten gewonnen. Ziel ist eine finale Einordnung auf einer Punkteskala von 0,0 bis 10,0, welche sich abschließend visuell in einer Buchstabenwertung von CCC (am schlechtesten) bis AAA (am besten) widerspiegelt (MSCI 2019b,a).

Der Anbieter Sustainalytics nutzt ein abgewandeltes Verfahren zur Einstufung von Nach- haltigkeit. Hierbei wird ebenfalls eine Punkteskala von 0 bis 100 angewendet. Es werden jedoch keine Kriterien als positiv bewertet, sondern das potenzielle Risiko des jeweiligen Kri- teriums auf das Unternehmen eingeschätzt. Hierzu werden ebenfalls ESG Kriterien genutzt. Ähnlich dem MSCI Ansatz bilden konkrete Unterkriterien zusammengefasst Oberkriteri- en, die mit einer bestimmten aggregierten Gewichtung in das Gesamtergebnis einfließen. Als wichtigste Punkte gelten hier Corporate Governance, Business Ethics, Humankapital oder auch Produkt- und Umweltpolitik. Diese werden jeweils in mehrere Unterkriterien unterteilt, wie z.B. Finanzielles Reporting, Korruption, Arbeitsbedingungen oder Nutzung erneuerbarer Energien. Da es im Ansatz von Sustainalytics um die Einschätzung von Risiken auf das unternehmerische Handeln geht, können gezielte Kriterien ausgeschlossen werden, insofern das Risiko nicht vom Unternehmen ausgeht. Als Beispiel führt Sustainalytics hierbei Ölunternehmen an, welche Kohlenstoffemissionen nur indirekt beeinflussen können. Als Quellen werden Unternehmenspublikationen und -berichte, sowie Befragungen der einzelnen Unternehmen herangezogen. Die Unterkategorien werden als Rohdaten mit einer bestimmten Gewichtung zu einem Ergebnis der Oberkategorie bspw. Corporate Governance zusammengefasst und auf einer Skala wiedergegeben. Hierbei wird der Zahlenwert in eine Risikokategorie (unerheblich, gering, mittel, hoch oder stark) einsortiert. Diese Oberkate- gorie wird ebenfalls gewichtet aufsummiert und ergibt eine Wertung zwischen 0 und 100 Punkten, die ebenfalls einer der vorher genannten Risikokategorien entspricht und somit das Gesamtergebnis ergibt. Diese Ergebnisse sind über ein Portal des Anbieters aufrufbar, welcher diese vor allem zur Nutzung des BiC Ansatzes empfiehlt (Sustainalytics 2018, 2020, 2019).

Ecovadis nutzt zwar den etwas älteren Corporate Social Responsibility Ansatz, integriert in diesen dennoch eine Anzahl von ESG Kriterien. Hierfür werden die Oberkategorien Umwelt, Soziales, Ethik und nachhaltige Beschaffung genauer betrachtet und durch Oberkriterien wie Produktionswirtschaft, Produkte, Human Resources, Menschenrechte, Geschäftsethik und Lieferanten verfeinert. Diese werden ebenfalls tiefer gehend analysiert und beinhalten Kriterien wie bspw. Biodiversität, Produktlebenszyklus, Korruptionsbekämpfung oder Ar- beitsbedingungen. Auch hier werden branchenspezifisch Kriterien ausgeschlossen, insofern ein Unternehmen dieses Kriterium nicht erfüllen kann oder keinen Einfluss darauf hat. Die Kriterienerfüllung wird in einer Farbskala einsortiert, die von rot (none) über orange (basic), hellgrün (standard), grün (comprehensive) zu dunkelgrün (exceptional) führt. Jede Farbe spiegelt dabei eine Punktzahl wider (0, 25, 50, 75, 100), welche das Unternehmen in den Kriterien sammeln kann. Je nach Branche werden die Oberkategorien unterschiedlich stark in die Gewichtung einbezogen und ergeben schlussendlich ein Gesamtergebnis auf einer Skala von 0 bis 100, wobei diese erneut in Farben sortiert wird. Ziel ist es, bei dieser Bewertung durch eine möglichst einfache visuelle Farbdarstellung, den BiC Ansatz schnell für den Nutzer greifbar zu machen. Die Daten hierzu werden aus verschiedensten Quellen generiert, unter anderem einem Unternehmensfragebogen, offiziellen Unternehmensberichten und Kunden- sowie Mitarbeiterbefragungen (EcoVadis 2020, 2017, 2018).

ISS Oekom nutzt ebenfalls den ESG-Ansatz zur Unternehmensbewertung. Hierfür wird zuerst eine Industrie Klassisfikations Matrix genutzt, um die ESG-Gewichtung zu bestimmen. Eingeordnet wird hierbei zweidimensional in die Umwelt-Relevanz (y-Achse) und die Soziale- und Unternehmerische-Relevanz (x-Achse). Je nach Einordnung werden nachfolgend die Kriterien der einzelnen ESG-Dimensionen gewichtet. ISS Oekom betont hierbei den Fokus auf Materialität, indem für jede Branche vier bis fünf Schlüsselthemen (bspw. nachhaltige Kreditvergabe bei Banken) festgelegt werden und mit über 50 % Einfluss in die Endwertung eingehen. Die verbleibenden Prozente zur Endwertung werden, je nach Klassifikations- Matrix, auf die Bereiche ESG aufgeteilt. Hierbei legen ’Branchen-Spezialisten’ die zu nutzenden Kriterien fest, die für den Nutzer in der Auswertung nicht unmittelbar ersichtlich sind. Ungefähr 100 Kriterien sollen pro Unternehmen insgesamt in die Bewertung einfließen.

Die gewichteten Kriterien fließen in die Endwertung ein (Absolutes Rating), welche sich 12- teilig aufspaltet. Von D- (sehr schlecht) über C (mittel) zu B (gut) und A (außergewöhnlich). Jede Buchstabenkategorie teilt sich hierbei in drei Teile auf und formt damit eine sekundäre Aufteilung (B-, B, B+). Hervorzuheben sei bei ISS Oekom der ’Decile Rank’, welcher eine relative Bewertung zur Branche abbildet. Hierzu wird von ISS Oekom eine Prime Schwelle festgelegt, die sich auf das absolute Ranking bezieht. Erreicht ein Unternehmen diese Prime Schwelle, erreicht es gleichzeitig einen hohes Decile Ranking und positioniert sich damit als High-Performer der Branche. Am Decile Rank kann somit das Unternehmen branchenweit eingeordnet werden. Diese Einordnung zeigt gleichzeitig ein Ziel von ISS Oekom, die Einbringung des BiC Ansatzes, mittels des Decile Rankings. ISS Oekom bezieht ebenfalls kontroverse Themen mit in die Wertung ein. Genannt werden Alkohol, Tabak, Nuklear, Felle, fossile Brennstoffe, Tierversuche, Glücksspiel, Pestizide, Chlor- und Kohlenwasserstoff, GMOs, Pornografie und Waffen. Bewertet werden diese abhängig vom Umsatz des Unternehmens an diesen Themen bzw. inwiefern das Unternehmen Einfluss auf die Bereiche hat (bspw. bei Kooperationen mit Unternehmen der genannten Themen). Daten zur Wertung, sowohl für ESG-Themen als auch für Ausschlüsse, werden von den Unternehmen geliefert und aus Berichten gewonnen. Bei kontroversen Themen betont ISS Oekom die Transparenz, da Quellen von Spezialisten bewertet und nachfolgend verwendet werden (ISS-Oekom 2018, 2019b,a).

2.3.3. Performance-Boosting und Risikomanagement

In vorhergehenden Ausführungen wurde das Gewinnmotiv als finanzielles Ziel einer Investi- tion hervorgehoben. Daher stellt sich die Frage, ob die Berücksichtigung von Nachhaltig- keitskriterien in der Kapitalanlage unter Performance-Gesichtspunkten überhaupt sinnhaft ist.

Eine Studie ergab, dass unter Asset-Managern 70% der Befragten von einem positiven Einfluss durch Nachhaltigkeitskriterien auf die Performance ausgehen. Weiterführend denken fast 80%, dass ESG-Kriterien zu Risikominimierung führen können (Newsweek Vantage 2018, S. 24).

Im Bereich der Risiken kann die Nutzung von ESG-Kriterien zweifachen Einfluss ha- ben: Bei Unternehmen selbst kann eine Harmonisierung von Unternehmensstrategie und Nachhaltigkeitszielen zu einem schärferen Risikomanagement führen. Zum einen wird durch die Einhaltung von wirtschaftlichen, gesetzlichen sowie ethischen Punkten die Gesellschaft adressiert und vermittelt so die Wahrnehmung einer sozialen Verantwortung (Wolfgang 2012, S. 84 ff.). Zum anderen kann gezieltes Risikomanagement für die Zukunft betrieben werden, indem etwa Reputations- oder Imagerisiken vorgebeugt werden (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) 2018, S. 14). Dass dies nicht nur der Theorie, sondern auch der Praxis entspricht, zeigt eine Forschungsarbeit der Uni Hamburg. Bei einer Betrachtung von über 8.000 europäischen Unternehmen wurde der Einfluss von ESG- Kriterien auf verschiedene Risikotypen untersucht. Es zeigte sich, dass die Berücksichtigung ökologischer Faktoren, das idiosynkratische Risiko eines Unternehmens senken kann. Die Beachtung sozialer Faktoren kann unternehmensübergreifend sowohl das idiosynkratische, als auch das systematische Risiko der gesamten Branche günstig beeinflussen (Sassen et al. 2016).

Bezogen auf Unternehmen kann es demnach sinnvoll sein, ESG-Kriterien zur Risikomini- mierung zu nutzen. Dies stützend legte die BaFin in einem Rundschreiben, den von ihr beaufsichtigten Unternehmen, eine Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken nahe und hob diese ebenfalls positiv hervor (BaFin 2019b).

Bei Investoren steht vor allem ein positiver Return on Investment (RoI) im Fokus. Risiko- management bedeutet in diesem Zuge, die Vermeidung negativer Investitionsergebnisse und gleichzeitig der Versuch der Gewinnmaximierung durch gezielte Investitionsentscheidungen (McKinseyCompany 2017, S. 3; Bruns & Meyer-Bullerdiek 2020, S. 210 ff.).

Ersteres kann durch die Nutzung von ESG-Kriterien ähnlich positiv beeinflusst werden, wie bei Unternehmen selbst. Durch die Sicherstellung der Einhaltung von Standards, Regularien und globaler Vereinbarungen kann das Unternehmensrisiko und somit gleichzeitig das Investitionsrisikio gesenkt werden (Sassen et al. 2016). Portfolioanalysen unterstützen dies mit dem Ergebnis, dass die Aktienkurse von Unternehmen mit hohen ESG-Ratings eine geringere Volatilität aufweisen, als Vergleichswerte mit niedrigem ESG-Rating und deuten somit auf einen geringeren Beta-Wert hin (Chong & Phillips 2016, S. 75). Der Beta-Wert kommt aus der Finanztheorie, genauer dem Capital-Asset-Pricing-Model, und beschreibt die Abhängigkeit einer Aktie vom Gesamtmarkt. Ein hoher Beta-Faktor bedeutet, dass sich eine Aktie simultan (bei β =1) oder stärker als der Markt (bei β >1) bewegt (Mondello 2015, S. 83 ff.). Die Verwendung von ESG-Kriterien kann hierbei positiv auf den Beta-Faktor wirken und ihn senken, was zu einem schwankungsärmeren Portfolio beim Investor führen kann (Alessandrini & Jondeau 2019). Eine Studie während der Corona-Krise unterstützt dies mit dem Fakt, dass nachhaltige Fonds vom 01.01.2020 bis zum 01.05.2020 durchschnittlich 10,6 % Wertverlust aufwiesen gegenüber 11,4 % Wertverlust bei globalen Aktienfonds (Finanzen Verlag GmbH 2020, S. 32).

Das zweite Ziel, eine positive Rendite, steht ebenfalls im Fokus des Investors und wurde in der Vergangenheit häufig flankiert. Das Argument, dass Investoren durch die Beachtung von Nachhaltigkeitskriterien einen Performanceverlust hinnehmen müssen, ist nicht nur unrichtig, vielmehr Gegenteiliges ist der Fall. Eine Untersuchung fand heraus, dass Unternehmen mit hoher Mitarbeiterzufriedenheit nicht nur ihre Kosten innerhalb des Unternehmens senken können, sondern auch den Shareholder-Value steigern konnten (Edmans 2010). Eine weitere Studie führte einen Portfoliovergleich über einen 8-Jahres Zeitraum durch. Hierbei wurden mittels BiC Ansatz die besten und schlechtesten Unternehmen aus dem Bereich Ökologie ermittelt und in jeweilige Effizienz- und Ineffizienz-Portfolien sortiert, wobei das Portfolio mit ökologisch-effizienten Unternehmen eine signifikant bessere Performance aufwies als das mit ökologisch-ineffizienten Unternehmen (Derwall et al. 2004).

Eine Auswertung von über 2.000 Studien zum Thema ESG-Performance, konnte eine positive Korrelation zwischen der Nutzung von ESG-Kriterien und der Portfolio-Performance von Investoren feststellen (Friede et al. 2015, S. 225). Darüber hinaus gibt es Studien, welche einen positiven Alpha-Faktor bei der Berücksichtigung von ESG-Kriterien feststellen konnten.

Der Alpha-Faktor, genauer Jensen-Alpha, kommt ebenfalls aus der Finanztheorie sowie dem Capital-Asset-Pricing-Model und beschreibt, inwiefern ein Investment eine Benchmark (meist den Markt als solchen) out- (bei α >0) oder underperformen (bei α <0) kann (Franzen & Schäfer 2018, S. 219 ff.). Bereits zwischen 1980 und 1990 konnte ein positives Alpha durch die Verwendung von Nachhaltigkeitskriterien festgestellt werden (Baker & Nofsinger 2012, S. 444 ff.). Eine aktuelle Studie des globalen Aktienmarktes konnte, unter Einbeziehung des MSCI World Index, ein positives Alpha für das aufgestellte ESG-Portfolio und somit eine Überrendite durch ESG-Kriterien gegenüber dem ungefilterten Markt feststellen (Nagy et al. 2016). Dies unterstützt die Ergebnisse einer Studie zwischen nachhaltigen Fonds und globalen Aktienfonds auf 5-Jahres Sicht, wobei die nachhaltigen Fonds mit +16,3 % Wertentwicklung den globalen Aktienfonds mit +13,7 % Wertzuwachs deutlich überlegen waren (Finanzen Verlag GmbH 2020, S. 32).

Es wurde ersichtlich, dass die Nutzung von ESG-Kriterien eine Überrendite, bei gleichzei- tiger Risikominimierung für Investoren bringen kann. Die Beachtung von Nachhaltigkeit bei der Kapitalanlage stellt somit ein effizientes Instrument in der Portfolioallokation des Investors dar.

3. Interessengruppen

Um eine harmonische Einführung von Nachhaltigkeitskriterien in die Wirtschaft und eine langfristige Verankerung von Sustainable Finance in allen Branchen zu gewährleisten, sind alle Beteiligten zum Handeln aufgefordert.

Als deutlicher Einflussfaktor gelten hierbei die Unternehmen selbst, welche sich sowohl als Mitverursacher aktueller ESG-Probleme sehen müssen, als auch eine entscheidende Triebkraft aktueller Nachhaltigkeitsentwicklungen darstellen (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) 2018, S. 12). Umfragen belegen, dass Unternehmen sich dieser Lenkungswirkung durchaus bewusst sind und bereits eine intrinsische Motivation zeigen, ESG-Themen in ihre Unternehmenswerte aufzunehmen (HSBC 2019, S. 7).

Eine weitere Interessengruppe stellen Investoren und Kunden der betreffenden Unterneh- men dar (ebenda, S. 7). Ihnen kommt eine bedeutende Rolle zu, da jedes Investment in ein Unternehmen gleichzeitig auch ein Miteigentum und damit Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung darstellt (Sustainable Business Institute 2014, S. 13). Investoren repräsentie- ren somit eine Art Verbindungsglied zwischen Realwirtschaft und Gesellschaft und agieren in Form eines Dolmetschers, um als aktiver Investor Einfluss auf das unternehmerische Handeln zu nehmen, ohne dieses wirtschaftlich zu gefährden (ebenda, S 13; PwC 2020).

Als dritte Interessengruppe gilt der Staat als regulatorisches Organ der Wirtschaft, genauer gesagt die Politik. Diese kann über Richtlinien, Verordnungen und sonstige rechtliche Instrumente, die Wirtschaft sowie ihre Teilnehmer zu bestimmten Entwicklungen lenken und begrenzt beeinflussen (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) 2018, S. 13). Die Politik legt somit den gesetzlichen Rahmen der Wirtschaft fest, was Unternehmen sowie andere ökonomische Akteure in ihrem Handeln steuern kann und somit einen gewissen Antizipationseffekt hervorruft. Dies ist Unternehmen bereits klar, denn sie sehen Regulatoren als einen klaren Treiber der nachhaltigen Entwicklung und Einflussfaktor auf ihr unternehmerisches Handeln (HSBC 2019, S. 7).

In den folgenden Abschnitten sollen die Rahmenbedingungen und Anforderungen der ge- nannten drei Interessengruppen genauer beleuchtet und erläutert werden, um die Grundlage für einen kongruenten ESG-Kriterienkatalog zu schaffen.

3.1. Rahmenbedingungen der Politik

Bereits 1972 wurde in Stockholm diskutiert, ob die Menschheit Gefahr läuft, sich ökologisch selbst zu sabotieren. Auf der UN Konferenz in Rio de Janeiro 1992 wurde dieses Thema ausführlich erläutert und 178 Länder einigten sich darauf, nachhaltige Entwicklung als zentrales Zukunftsziel in die Agenda 21 aufzunehmen (Rogall 2002, S. 37 ff.). Ergebnis der Konferenz waren „Common but Differentiated Responsibilities“ (CBDR), welche im Kern Umweltschutz, Bekämpfung von Armut und die Finanzierung entsprechender Maßnahmen vereinten (All Together in Dignity to Overcome Poverty (ATD) Fourth World 2014). Jedes Land sollte diese Ziele, differenziert nach ihrem Entwicklungsstand, anstreben und andere Länder dabei unterstützen (Bundesverband Alternative Investments e.V. 2018, S. 8; Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung o.J.).

Eine Arbeitsgruppe bestehend aus UN, Weltbank und IWF einigte sich im Jahr 2000, anknüpfend an den CBDRs, auf acht zentrale Entwicklungsziele, die sogenannten Millennium- Entwicklungsziele (Millennium Development Goals, kurz MDG’s)(United Nations 2015; Martens & Obenland 2017, S. 8; Bundesverband Alternative Investments e.V. 2018, S. 8). Neben bereits bestehenden ökologischen Zielen wurden nun auch soziale Ziele wie Geschlech- tergleichheit und Krankheitsbekämpfung mit auf die Agenda gesetzt (siehe Abbildung 3.1) (Martens & Obenland 2017, S. 8 f.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3.1.: MDGs (Quelle: MagHoxpox (2017))

Einer der bedeutendsten Schritt geschah im September 2015 (FNG 2020). Aufbauend auf der Rio Konferenz, der vorher genannten Brundtland Definition und den beschlossenen MDG’s einigte sich die Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN), bei einem erneuten Treffen, auf die „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“, dessen Kern die Sustainable Developement Goals (SDG’s) sind und eine Erweiterung der bisherigen MDG’s darstellen (siehe Abb. 3.2)(Martens & Obenland 2017, S. 10 ff.).

Die SDGs beziehen sich damit nicht mehr nur auf ökologische und soziale Kriterien, sondern berücksichtigen ebenfalls unternehmerische Aspekte (Martens & Obenland 2016). Damit tat sich ein großer Schritt in Richtung globalisierter Nachhaltigkeit, da die MDGs sich primär auf Entwicklungsländer bezogen. Durch die Erweiterung des Zielkatalogs von 8 auf 17 Aufgaben konnte dieser fortan für alle Länder der Welt angewendet werden und deklarierte somit alle Länder mit einem gewissen Entwicklungsbedarf auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit (Martens & Obenland 2017, S. 10 ff.).

Auf Grundlage der SDGs wurden im Laufe der Zeit ESG-Kriterien entworfen, welche sich selbstständig und ohne bisherige rechtliche Umsetzung etabliert haben. Die SDGs können demnach als übergeordnetes Ziel und die ESG-Kriterien als Lösungsweg bzw. Messinstrument der SDGs betrachtet werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3.2.: SDGs (Quelle: United Nations (2015))

Im Januar 2016 bildete die EU-Kommission die Expertengruppe ’High Level Expert Group’ (HLEG), die Konzepte zur Förderung des nachhaltigen Finanzwesens innerhalb der EU entwickeln soll (Europäische Kommission 2018b, S. 2). Ebenfalls sollen sie eine einheitliche Taxonomie entwickeln, um übergreifende Kriterien zur Kategorisierung nach- haltiger Investitionen zur Verfügung zu stellen, sowie Unternehmen und EU-Institutionen beratend zur Seite zu stehen. (HSBC 2019, S. 16). Diese Expertengruppe wurde im Juni 2018 durch die ’Technical Expert Group on sustainable finance’ (TEG) abgelöst, welche sich detaillierter mit der Entwicklung eines Taxonomie-Entwurfs beschäftigte (Technical Expert Group on sustainable finance 2020b).

Im März 2018 traf die EU-Kommission eine Vereinbarung, um neue Regeln für Vorausset- zungen nachhaltiger Investments aufzulegen, welche noch konkret formuliert werden müssen (FNG 2020). Unter anderem gelang eine Einigung darauf, SDGs und das Paris-Abkommen mit einzubeziehen, ESG-Faktoren zu integrieren und die Berichtspflichten von Unternehmen gesetzlich zu regulieren (Europäische Kommission 2018b, S. 2 ff.). Es sollen zukünftig breite Auswirkungen auf das Finanzwesen eintreten und so u. a. eine Pflicht zur Einbeziehung von Nachhaltigkeit in die Geeignetheitsprüfung bei Kapitalanlagen durch die MiFIDII und strengere Berichtsanforderungen bei Unternehmen unter Einbezug von ESG Kriterien geben (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) 2018, S. 10 f.; Europäische Kommission 2018a, S. 13). Dies soll bis spätestens 2030 umgesetzt werden.

Ein weiterer wichtiger Schritt ist die einheitliche Definition des Begriffs „Green Bond“ und die Entwicklung eines speziellen ECO-Labels für Investments, um Greenwashing zu verhindern. Die im Juni 2018 eingesetzte TEG bekam das Ziel, neben einer Kriterienfest- legung für nachhaltige Tätigkeiten, auch einen expliziten ’Green Bond Standard’ (GBS) zu entwerfen. Die TEG, bestehend aus 35 Mitgliedern der Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Wirtschaft und Finanzen, veröffentlichte im März 2019 die erste Version eines EU-GBS, der nach öffentlichem Feedback überarbeitet und im Juni 2019 als finales Entwurfsmodell an die Europäische Kommission übergeben wurde (Technical Expert Group on sustainable finance 2020b). Sinn und Zweck der EU-GBS soll eine (Re-) Finanzierung von ’Green-Projects’ innerhalb der EU sein und somit Investitionen gezielt in Nachhaltigkeitsprojekte zu lenken. Die EU-GBS flankieren somit nicht nur den Emittenten einer Investition, sondern darüber hinaus auch das zu finanzierende Projekt sowie die Reporting-Pflichten aller Beteiligten (Technical Expert Group on sustainable finance 2020b).

Im Juni 2019 veröffentlichte die TEG weiterführend ihren Entwurfsvorschlag zur EU Taxonomie für nachhaltige Aktivitäten (Technical Expert Group on sustainable finance 2019b). Es wurde deklariert, welche Tätigkeiten als nachhaltig durch die EU eingestuft werden.

Im Dezember 2019 einigten sich EU-Parlament und EU-Rat auf eine Übernahme dieser Taxonomie (Technical Expert Group on sustainable finance 2020a). Dies gilt als Start eines europaweiten einheitlichen Vorgehens, in Sachen nachhaltiger Investitionen. Laut Taxonomie muss eine Investition bzw. ein wirtschaftliches Handeln mindestens eines der vereinbarten sechs Ziele treffen (ebenda, S. 2):

1. Klimaschutz
2. Anpassung an den Klimawandel
3. Nachhaltige Nutzung von Wasser- und Meeresressourcen
4. Kreislaufwirtschaft
5. Verhütung von Verschmutzung
6. Gesundes Ökosystem Sowie dabei (ebenda, S. 2):
1. Keines der anderen Umweltziele negativ beeinflussen
2. Bestimmte „technische Evaluierungskriterien“ erfüllen
3. Mit einem „Mindestschutz“ für Arbeitnehmer vereinbar sein

Die vorherigen Regeln und Kriterien sollen ab Dezember 2021 bzw. Dezember 2022 in die Praxis umgesetzt werden (FNG 2020).

Aktuell wird an den Rahmenbedingungen zur konkreten Umsetzung der Maßnahmen gearbeitet. So entstanden Ende 2018 erste Konsultationspapiere zur Integration von Nach- haltigkeitsrisiken in MiFID II, Fragebögen zur Definition von Ecolabel für Finanzprodukte und Verordnungen über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten (ebenda).

Der Umsetzung eines Ecolabels für Finanzprodukte kommt eine besondere Rolle zu, da das EU-Ecolabel seit 1992 Verbraucher unterstützt, um mittlerweile rund 70.000 umwelt- freundliche Produkte/Dienstleistungen zu finden und so aktiv gegen Umweltverschmutzung vorzugehen (BMU 2020). An einer entsprechenden Erweiterung des bisherigen Ecolabel- Katalogs wird aktuell gearbeitet (European Commission 2016). Ein vollendeter Katalog mit Anforderungen und Kriterien zur Einstufung als nachhaltiges Finanzprodukt soll vor- aussichtlich Ende 2021 vorgestellt werden (FNG 2020). Im Juni 2020 wurden hierzu bereits erste Entwürfe besprochen, die einen vorläufigen Blick auf die Rahmenbedingungen zulassen.

Ausgeschlossen werden sollen demnach alle Aktivitäten in Verbindung mit (European Commission 2020a, S. 10 ff.):

- Erschließung und Gewinnung von Kohle, Gas, Rohöl
- Verarbeitung von Kohle, Gas, Rohöl
- Stromgewinnung durch fossile Brennstoffe
- Müllentsorgung ohne Material- oder Energierückgewinnung
- Herstellung von, in der EU unerlaubten, Pestiziden
- Herstellung von Industriegasen mit hohem Einfluss auf die globale Erwärmung
- illegale Abholzung
- Tabak Herstellung jeder Instanz
- Waffenherstellung inkl. -handel
- Pornographie
- Verletzungen der Rechte von Minderheiten und indigenen Gemeinschaften

Anzumerken sei hierbei die gültige Toleranzgrenze. Ein Unternehmen gilt nur dann als exkludiert, wenn die vorherigen Tätigkeiten mehr als 5% des Gesamtgewinns der Unternehmung ausmachen (ebenda, S. 11).

Oben genannte Ausschlüsse wurden in einem ersten Vorschlag hervorgebracht. Weiterfüh- rend wurden in einer Erweiterung durch die EU vertiefte Anforderungen für Ausschlüsse einzelner Wirtschaftsbereiche angemerkt.

Umwelt (ebenda, S. 21 ff.):

1. Agrikultur (Ausschluss von:)

- Pestiziden
- Unternehmen mit Kontakt zu GMOs (ohne Annex II Risk Management Zertifi- zierung)
- Unternehmen mit landwirtschaftlichen Produkten, welche auf abgeholztem Land, ohne Pest-Management oder in Gebieten mit Wasserknappheit angebaut werden

2. Forstwirtschaft (Ausschluss von:)

- Unternehmen mit Verbindung zu oder Praktizierung von illegaler Rodung
- Unternehmen ohne gültige FLEGT/ CITES Lizenz oder Rodung von Wäldern mit hoher Biodiversität bzw. hoher Kohlenstoffbindung

3. Energiesektor (Ausschluss von:)

- fossiler Energiegewinnung jeder Art
- Atomenergie oder Aktivitäten zur Unterstützung des nuklearen Lebenszyklusses

4. Abfallwirtschaft (Ausschluss von:)

- Müllentsorgungsanlagen ohne Mülltrennung zur Wiederverwendung, Energieer- zeugung oder Recycling
- Deponien mit Sickerwasser- und Methangasausscheidung

5. Herstellungsindustrie (Ausschluss von:)

- Unternehmen, welche mit der Herstellung von Gasen beschäftigt sind, die we- sentlich zur globalen Erwärmung oder zum Abbau der Ozonschicht beitragen
- Bergbauarbeiten jeder Art

6. Verkehrswesen (Ausschluss von:)

- Unternehmen welche nicht mindestens ein ’Zero and Low Emission Vehicle’ anbieten (<50g CO2/km)
- Unternehmen, welche Kleintransporter anbieten, deren CO2 Emission nicht mindestens durchschnittlich 5% unter dem offiziellen Emissionsziel liegt

Soziales (European Commission 2020b, S. 26 ff.):

1. Unternehmen jeder Art (Ausschluss bei:)

- Nichtachtung von Menschenrechten, Landesrecht und Regularien in allen Ländern mit Firmensitzen und aus denen Rohstoffe beschafft werden
- Verletzung oder Teilhabe an der Verletzung von Menschenrechten
- Missachtung der Vereinigungsfreiheit und Recht auf Tarifverhandlungen
- nicht-Gewährleistung der Beseitigung aller Formen von Zwangs- und Pflichtarbeit
- Verbindung zu Kinderarbeit
- Diskriminierung in Bezug auf Beschäftigung und Beruf
- Erpressung, Korruption oder Bestechung, sowie bei nicht ausreichender Präven- tion dieser

Unternehmen (ebenda, S. 28 ff.):

1. Unternehmen jeder Art (Ausschluss, wenn:)

- keine Richtlinien zur Einbindung von Compliance in die Geschäftstätigkeit vorgewiesen werden
- das Management unzureichende Fähigkeiten aufweist soziale Risiken zu identifi- zieren, bewerten, verhindern und beseitigen
- keine guten Corporate Governance Praktiken vorgewiesen werden

Damit wird ersichtlich, dass die Politik sich im Aufbau an den ESG-Kriterien orientiert und nach den Kernthemen von ESG ihre Verordnung strukturiert, sowie bereits tiefergehende Punkte detailliert berücksichtigt (bspw. Verkehrswesen).

Die oben genannten Rahmenbedingungen, sowie die Vereinbarung der SDGs können als Grundlage der zukünftigen Nachhaltigkeitsbewegung gesehen werden und formen somit die aktuellsten Rahmenbedingungen der Politik im Bereich Sustainable Finance.

3.2. Anforderungen der Privatinvestoren

Auf dem Weg von Sustainable Finance sind Privatinvestoren und Kunden von Finanzdienst- leistern mit die stärkste Kraft und treiben Unternehmen auf dem Weg zu nachhaltigem Investieren immer weiter an (KPMG International Cooperative 2020, S. 22). 85 % der Investoren sind demnach interessiert an nachhaltigem Investieren, unter Millennials sind es bereits 95 % (Morgan Stanley 2019, S. 2; UBS 2020, S. 14).

Bezogen auf die Motive von Privatinvestoren bei nachhaltigen Kapitalanlagen zeigen diese, neben finanziellen Motiven, auch eine starke Verbindung zu moralischen Motiven. Eine Studie hat ergeben, dass Investoren ein ethisch nachhaltiges Portfolio einem unethischen Portfolio vorziehen. Dabei reagieren sie auf nachträgliche Informationen zur Überperformance des nicht gewählten Portfolios weniger stark, als bei umgekehrter Auswahl (Rubaltelli et al. 2015).

Die Frage nach der Einordnung von Privatinvestoren auf dem Finanzmarkt ist bei Weitem nicht trivial und hängt besonders von den individuellen Beweggründen des Investments ab.

Eine vereinfachte Einordnung kann wie folgt vorgenommen werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3.3.: Investoren-Einordnung (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Wage- mans et al. (2013)

[...]

Ende der Leseprobe aus 87 Seiten

Details

Titel
Nachhaltig ethische Investments. Ein ESG-Kriterienkatalog zur Vereinheitlichung globaler Nachhaltigkeitsratings für das Kapitalanlagemanagement von Versicherungsunternehmen
Hochschule
Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin
Note
1,3
Autor
Jahr
2020
Seiten
87
Katalognummer
V950098
ISBN (eBook)
9783346299048
Sprache
Deutsch
Schlagworte
nachhaltige Investments, Nachhaltigkeit, Kapitalanlage, ESG, SRI, Sustainability, sustainable Investment
Arbeit zitieren
Philipp Sbresny (Autor:in), 2020, Nachhaltig ethische Investments. Ein ESG-Kriterienkatalog zur Vereinheitlichung globaler Nachhaltigkeitsratings für das Kapitalanlagemanagement von Versicherungsunternehmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/950098

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