Stereomikrofonie


Hausarbeit, 1997

39 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Das verwendete Equipment
2.1 Die Mikrofone
2.1.1 Besonderheiten einiger verwendeter Mikrofone
2.1.1.1 Schoeps CMC 53 (MK3)
2.1.1.2 Schoeps CMC 58 (MK8)
2.1.1.3 Neumann KM 86
2.1.1.4 Neumann SM 69 fet
2.2 Die Mikrofonkabel
2.3 Stative und Mikrofonhalterungen
2.4 Das Mischpult
2.4.1 Der Richtungsmischer
2.5 Der Meßverstärker
2.6 Der DAT Recorder
2.7 Die Abhöreinrichtung
2.7.1 Die Abhörlautstärke

3. Stereofone Prinzipien

4. Der Aufnahmeraum

5. Das Ensemble
5.1 Die Johanneskantorei
5.2 Das Kammerorchester Gießen
5.3 Die Solisten

6. Die Aufstellung des Ensembles

7. Die Anordnung der Mikrofone
7.1 Das Stereohauptmikrofon
7.2 Die Stützmikrofone
7.2.1 Stereofone Stützmikrofone
7.2.1.1 Stützen der Gesangssolisten
7.2.2 Monofone Stützmikrofone
7.2.2.1 Stützen der 1. Violinen
7.2.2.2 Stützen der 2. Violinen
7.2.2.3 Stützen der Violen
7.2.2.4 Stützen der Celli
7.2.2.5 Stützen der Baßgruppe (Kontrabaß und Fagott)
7.2.2.6 Stützen der Hörner
7.2.2.7 Stützen der Oboen
7.2.2.8 Stützen der Trompeten
7.2.2.9 Stützen der Pauken
7.2.2.10 Stützen des Chores

8. Die Mischung
8.1 Einpegeln der Mikrofone
8.2 Pegel zum Band
8.3 Panoramisierung der Mikrofone
8.3.1 Panoramisierung des Stereohauptmikrofons
8.3.2 Panoramisierung der Stützmikrofone
8.4 Einstellen der Lautstärkeverhältnisse
8.5 Anspruch an eine Mischung

9. Digitale Schnittbearbeitung
9.1 Musikalische Pausen
9.2 Dramaturgische Pausen
9.2.1 Generalpausen mit Fermate
9.2.2 Pausen zwischen den Stücken
9.2.3 Pausen zwischen den Szenen
9.2.4 Pausen zwischen den Teilen
9.3 Die Standardpause
9.4 Formatierung und PQ-Editing

10 Vergleich

11 Häufig gemachte Fehler
11.1 Falscher Einsatz von Stützmikrofonen
11.2 Nicht angemessene Basisbreite
11.3 Falscher Raumeindruck durch schlechte Hallbalance
11.4 Fehlende oder ungeeignete Schnitte
11.5 Entzerrer, Psychoakustikprozessoren, Dynamikeinheiten

12. Erläuterungen zu den beiliegenden CDs

13. Eigene Stellungnahme
13.1 Ein Wort zur Monokompatibilität

14. Schlußbemerkung

Anhang

CD1 und CD2 Literaturliste

Abbildungsverzeichnis

Erklärung

Hiermit erkläre ich, daß ich die folgende theoretische Arbeit alleine und ohne Hilfe Dritter angefertigt habe. Das bestätige ich mit meiner Unterschrift.

Wartenberg, den 14.2.1997

Für den Praxisteil der Aufnahme unterstützte mich Rainer Gutberlet mit der Bereitstellung der technischen Geräte und der Mikrofone.

Die Fotographien und die Anfertigung des Mikrofonplans nach meinen Vorlagen stammen von Jörg Pelka.

1. Einleitung

In der folgenden Abhandlung möchte ich die Problematik der stereofonen Aufnahmetechnik klassischer Werke in Theorie und Praxis näher erläutern. Ich habe mich für dieses Thema entschieden, weil gerade im semiprofessionellen Bereich viele vermeidbare Fehler zu beobachten sind, die aus Unwissenheit zu unbefriedigenden Ergebnissen führen. Um den vorgegebenen Rahmen der Arbeit nicht zu sprengen, werde ich mich hauptsächlich auf die Dokumentation einer eigens hierfür angefertigten Aufnahme konzentrieren. Es handelt sich hierbei um die Teile IV bis VI des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach. Ausführende sind die Gießener Johanneskantorei und das Kammerorchester Gießen unter der Leitung von Prof. Ritter. Das Konzert fand am 5.1.1997 in der Johanneskirche in Gießen statt. Zwischen dem letzten Gottesdienst und dem Beginn des Konzertes lag leider nur eine halbe Stunde, um die Mikrofone aufzubauen und einzupegeln. Das hatte zur Folge, daß am Tag vorher bereits alles in der Sakristei aufgestellt und vorbereitet wurde, sodaß nur noch Ständer und Kabel positioniert und die Mikrofone aufgesteckt werden mußten. Eine unumgängliche Notwendigkeit bei großen Aufnahmen ist, sich mit dem Notenmaterial bereits vorab auseinanderzusetzen, vor allem dann, wenn wie bei vorliegender Aufnahme kein Mehrspurgerät zur Verfügung steht, damit interpretatorische und damit künstlerische Fehler in der Mischung weitestgehend vermieden werden können. Ein oder mehrere Besuche der Proben, sowie ein eingehendes Gespräch mit dem Leiter des Ensembles, sind Grundvoraussetzung für ein gelungenes Recording. Eine Aufnahme ist die Interpretation von Musik mit technischen Mitteln, deshalb sollte die Intension des Komponisten genauso bekannt sein, wie die Interpretation des Dirigenten.

Danken möchte ich besonders Rainer Gutberlet für seine Unterstützung, ohne die ich diese Aufnahme nicht hätte anfertigen können. Mein Dank gilt auch dem Ensemble und Prof. Ritter. Die Fotos und Zeichnungen stammen von Jörg Pelka; auch hierfür vielen Dank.

2. Das verwendete Equipment

Als Regieraum diente ein als Ü-Wagen eingerichteter Opel Astra Caravan (Abb. 1). Über die beiden jeweils 120m langen Multicores waren die Stageboxen mit dem Mischpult verbunden, auf dessen Besonderheiten noch eingegangen wird, da es sich um einen Eigenbau von Dipl. Ing. R. Gutberlet handelt. Vor allem die integrierten Richtungsmischer sollen genauer beleuchtet werden.

2.1 Die Mikrofone

Für eine zufriedenstellende Aufnahme ist es erforderlich, besonders gute Wandler zu verwenden. Das gilt für das Hauptmikrofon genauso wie für die Stützen.

Kondensatormikrofone bieten sich aufgrund ihrer Eigenschaften sehr gut an, denn sie verbinden Linearität mit großer Empfindlichkeit Für alle Mikrofone, die nicht die Grenzflächentechnik nutzen gilt, daß sie, wenn sie verfärbungsfrei aufnehmen sollen, so klein wie möglich sein müssen, um das natürliche Schallfeld nicht zu stören. Für die vorliegende Aufnahme wurden folgende Mikrofone verwendet:

4 Neumann KM 84 (Nierencharakteristik)

6 Neumann KM 86 (umschaltbar)

2 Neumann U 89 (umschaltbar)

1 Neumann SM 69 (umschaltbar, Koinzidenzmikrofon XY, MS)

1 Schoeps CMC 55(MK5) (umschaltbar)

1 Schoeps CMC 58(MK8) (reine Acht)

1 Schoeps CMC 53(MK3) (reine Kugel)

Entscheidend für den Erfolg ist die Auswahl einer der Situation angemessenenRichtcharakteristik des Mikrofons, um auch wirklich nur das aufzunehmen, was erwünscht ist. So sollten Stützmikrofone immer zu einem gewissen Grad gerichtet sein, um benachbarte Instrumentengruppen ausblenden zu können. Es empfiehlt sich mit den Charakteristiken zu experimentieren, wenn noch keine große Erfahrung damit vorhanden ist.

Eine Aufnahme ist immer nur so gut, wie die Mikrofone, die verwendet werden, denn sie liefern das Signal, mit dem weitergearbeitet werden muß.

2.1.1 Besonderheiten einiger verwendeter Mikrofone

Damit später verstanden wird, warum welches Mikrofon wie eingesetzt wird, möchte ich hier einige Fakten erwähnen, die nicht unbedingt aus der Bezeichnung und Richtcharakteristik einzelner Mikrofone hervorgehen. Außerdem soll hier auch auf grundlegende Aspekte der Kapseleigenschaften eingegangen werden, welche die spätere Mikrofonauswahl vor Ort erleichtern.

2.1.1.1 Schoeps CMC 53 (MK3)

Dieses Kondensatormikrofon ist ein echter elektrostatischer Druckempfänger, was bedeutet, daß er einen idealen Frequenzgang bei tiefen Frequenzen hat. Da die Ausgangsspannung bei Kondensatorwandlern proportional zur Membranauslenkung ist, gibt es prinzipiell keine untere Grenzfrequenz.

Bei hohen Frequenzen, bei denen das Mikrofon nicht mehr klein gegenüber der Wellenlänge ist, bleibt die Kugelcharakteristik nicht erhalten, sodaß eine mehr oder weniger ausgeprägte Richtwirkung auftritt. Dadurch werden hohe Frequenzen bei schiefwinkligem Schalleinfall und im diffusen Schallfeld weniger stark übertragen, als bei axialer Beschallung. Deshalb sind zwei Grundtypen von Druckempfängern erforderlich, einer für den sehr direkten, gerichteten Gebrauch im Nahfeld und einer für die Anwendung weit außerhalb des Hallradius.1

Im vorliegenden Falle habe ich die diffusfeldentzerrte Kapsel MK3 benutzt, die sich damit besonders gut als M-Mikrofon bei einem MS-Stereohauptmikrofon eignet.

2.1.1.2 Schoeps CMC 58 (MK8)

Hierbei handelt es sich um eine reine Achtercharakteristik. In der Kapsel ist nur eine Membran, die einen echten akustischen Dipol bildet. Damit ergibt sich eine ideale Acht, die im Gegensatz zur Doppelmembran, die nur zur Acht zusammengeschaltet ist, über das gesamte Frequenzspektrum konstant bleibt. Das ist auch der Grund, warum ich dieses Mikrofon als S-Mikrofon bei MS-Anordnungen verwende und bei der Aufnahme beim Stereohauptmikrofon für den S-Anteil eingesetzt habe.

2.1.1.3 Neumann KM 86

Beim KM 86 handelt es sich um ein System mit umschaltbarer Charakteristik (Niere - Kugel - Acht). Besonderes Interesse gilt hier jedoch der Acht, welche bei diesem Mikrofon anders ist, als bei Doppelmembranmikrofonen. Im KM 86 befinden sich zwei Kapseln vom Typ KK 84, also keine Doppelmembrankapsel, welche aufgrund des mechanischen Versatzes beim gegenphasigen Zusammenschalten eine etwas breitere, von oben platte Richtcharakteristik erreichen. Damit wird bei solcher Beschaltung ein größerer Aufnahmewinkel erreicht, der breiter ist, als der der bei diesem Mikrofon mathematisch nahezu idealen Nierencharakteristik. Das bietet die Möglichkeit bei zu hohen Übersprechungen einzelner Instrumentengruppen das KM 86 auf Acht umzuschalten, um so eine größere Ausblendung (Nullstelle der Acht) zu erreichen, da die Nullstelle dieser besonderen Acht aufgrund vermehrter Phasenauslöschungen von seitlich einfallendem Schall größer ist, als die der Nierencharakteristik. Ein weiterer Vorteil des KM 86 liegt darin, daß es sich bei dieser Acht nicht um einen Gradientenempfänger handelt, sodaß sich kaum ein Baßabfall bemerkbar macht, wie er bei reinen akustischen Dipolen entsteht.

Speziell diente mir dieser Umstand bei vorliegender Aufnahme, den Chor von den unmittelbar davorstehenden Bläsern abzugrenzen, indem die Hauptaufsprechrichtung schräg von oben auf die Bläser zeigte und die Nullstelle zum Chor. Die zweite Hälfte der Acht zeigt dann in Richtung Decke und gibt nur ein wenig Raumklang hinzu. Oft ist dieses Verfahren die letzte Möglichkeit, Mikrofone sauber voneinander zu trennen.

2.1.1.4 Neumann SM 69 fet

Um den Effekt und die Funktionsweise dieses Mikrofons besser verstehen zu können, möchte ich an dieser Stelle einige wissenswerte Grundlagen von Koinzidenzmikrofonen erläutern. Da die Intensitätsstereofonie ausschließlich auf der Ausnutzung von richtungsabhängigen Intensitätsunterschieden beruht, müssen die Mikrofonkombinationen für Intensitätsstereofonie vor allem der Bedingung genügen, daß sich zwischen den beiden Systemen keine Phasendifferenzen ausbilden können. Das wird theoretisch nur von unendlich kleinen Systemen erreicht, die in einem Punkt vereinigt sind. Mit zwei auf einer senkrechten Achse angeordneten Mikrofonsystemen kommt man zu sehr brauchbaren Ergebnissen, den Koinzidenzmikrofonen. In der praktischen Ausführung sind das zwei dicht übereinandergestellte identische Mikrofonsysteme mit umschaltbarer Richtcharakteristik, die sich außerdem noch in der horizontalen Ebene zwecks Einstellung des Versatzwinkels zwischen den Hauptempfindlichkeitsachsen gegeneinander verdrehen lassen. Das Neumann SM 69 fet läßt einen Versatzwinkel von bis zu 2700 zu.

Bei Koinzidenzmikrofonen kommt als einziges richtungsabhängiges Intensitätsmerkmal die Richtcharakteristik in Frage. Deshalb treten Intensitätsunterschiede zwischen den beiden Mikrofonausgängen auch nur dann auf, wenn entweder die Richtcharakteristiken der beiden Mikrofone verschieden sind, oder die Hauptachsen gleicher Charakteristiken in verschiedene Richtungen weisen. Innerhalb dieser Randbedingungen sind mit den drei Grundcharakteristiken Kugel, Niere und Acht eine große Zahl von Kombinations- und Variationsmöglichkeiten erreichbar.2

Außerdem ist beim SM 69 fet interessant, daß die Möglichkeit besteht, die Umschaltung der Richtcharakteristik von Kugel bis Acht in elf Stufen über die Polarisationsspannung fernzusteuern, was es zu einem universell einsetzbaren Mikrofon macht.

2.2 Die Mikrofonkabel

Den Kabeln wird oft eine zu geringe Bedeutung beigemessen, obwohl allgemein bekannt ist, daß auf dem Übertragungsweg vom Mikrofon zum Vorverstärker mit sehr geringen Spannungen gearbeitet werden muß. Mitunter müssen sehr lange Kabelwege zurückgelegt werden, so daß Einstreuungen zu hörbaren Störungen führen können. Diese sich unter anderem als Rauschen und Knacken bemerkbar machenden Verzerrungen kann man durch hochwertige Kabel mit guter Abschirmung mindern. In der Praxis hat sich gezeigt, daß Kabel, deren Adern miteinander verdrillt sind und dieser Strang mit einem Räusenschirm umgeben ist, der sich in entgegengesetzter Richtung der Verdrillung um die Längsachse des Kabels dreht, den Ansprüchen genügen. Die Verdrillung der Adern bewirkt bereits eine gewisse magnetische Abschirmung, und der Schirm schützt vor elektrischen Einstreuungen. Eine Besonderheit liegt noch im Anschluß. Während die Pins eins bis drei durchverbunden werden, wird der Schirm auf Masse gelegt. Dies geschieht auf beiden Seiten. Auf der Kupplungsseite wird der Schirm zusätzlich noch mit Pin 1 verbunden.

Kabel sind grundsätzlich so zu verlegen, daß daraus keine Stolperfallen entstehen und durch Unachtsamkeit ganze Stative umgerissen werden können. Deshalb sollte man sie am Ständer befestigen und auch am Boden mit gut sichtbarem Klebeband fixieren. Bei Livemitschnitten von Konzerten sollte man auf dezente Kabelfarben zurückgreifen, damit das Erscheinungsbild für den Zuhörer nicht getrübt wird. Ausreichend viele schwarze Kabel sollten also auf jeden Fall zum Equipment zählen!

Es gibt eine elegante Lösung, anfällige Kabelwege zu verkürzen, indem man den Vorverstärker so nahe wie möglich an das Mikrofon heran bringt. Das setzt jedoch eine Fernsteuerbarkeit des Mikrofonvorverstärkers voraus. Die Deutsche Grammophon hat dieses System in Zusammenarbeit mit Yamaha noch perfektioniert. So wird nach der Vorverstärkung des Signals nach kurzem Kabelweg bereits digitalisiert, sodaß schon vor der Stagebox nur noch digitale Signale übertragen werden. Das System heißt 4D-Recording und überzeugt durch unglaubliche Präsenz und Durchsichtigkeit. Es ist jedoch extrem kostspielig, sodaß es auf absehbare Zeit nur den ganz großen Firmen zur Verfügung stehen wird.

Bei meiner Aufnahme wurden Kabel der Firma Neumann wie oben beschrieben verwendet. Desweiteren kamen zwei Kabelrollen ALD 380 der Firma Schill zum Einsatz, die mit Siemenssteckern ausgestattet als Multicore fungierten. Die Gesamtkabellänge vom Mikrofonausgang bis zum Vorverstärker im Mischpult betrug ca. 130m.

2.3 Stative und Mikrofonhalterungen

Stative müssen den Mikrofonen zu ihrer optimalen Position verhelfen. Das setzt eine ausreichende Stabilität voraus, damit selbst Mikrofone mit großem Eigengewicht ihre Stellung behalten und die Gelenke nicht unter deren Last nachgeben. Außerdem müssen Stative standfest sein, damit auch im Falle eines versehentlichen Remplers eines Musikers Verletzungen und Mikrofonschäden vermieden werden.

Sind die Ständer sehr nahe bei den Musikern postiert, so empfiehlt es sich, Spinnen oder Shockmounts zu verwenden, um Übertragungen von Berührungen durch Körperschall zu verhindern.

2.4 Das Mischpult

Das Mischpult ist das zentrale Gerät im Regieraum. Hier laufen alle Signale zusammen, und die Mischung wird erstellt. Im Falle der beiliegenden Aufnahme handelt es sich um einen Eigenbau von Dipl. Ing. R. Gutberlet. Es verfügt über 18 Eingangskanäle, die direkt auf die Stereosumme gehen. Die ersten sechs Kanäle sind zu drei Richtungsmischern zusammengefaßt, auf die später genauer eingegangen wird. Die Vorverstärkung beträgt 65 dB, die auch im Grenzbereich noch sehr rauscharm erfolgt. Auf Ausspielwege und Routingmöglichkeiten wurde genauso verzichtet, wie auf einen umfangreichen Entzerrer, der sich auf Baß- und Höhenbearbeitung beschränkt.

Wichtig ist es, sich das Pult kanalweise und nach Instrumentengruppen zu beschriften, damit Korrekturen schnell vorgenommen werden können. Das war besonders bei der vorliegenden Aufnahme wichtig, da die Mischung direkt und live auf DAT gebracht werden mußte.

2.4.1 Der Richtungsmischer

Mit dem Richtungsmischer können Signale von Stereomikrofonanordnungen wie XY und MS in ihrer Richtung und Basis eingestellt werden. Man spart gerade bei MS-Signalen das manuelle Dekodieren und somit einen Kanal. Besonders interessant, ja fast unentbehrlich, ist der Richtungsmischer bei der Panoramisierung von Stereostützmikrofonen, denn nur so kann man die Richtung des Stützsignals optimal der Basis des Hauptmikrofons anpassen. Ins Auge fallen bei der Betrachtung besonders die Regler Breite (Basis) und Richtung, die den Stereokanal von den Monokanälen hauptsächlich unterscheiden. Die Funktionsweise geht relativ klar aus den beiden folgenden Abbildungen (Abb. 2 und 3) hervor.3

2.5 Der Meßverstärker

Auch bei dem Meßverstärker, der eingesetzt wurde, handelt es sich um einen Eigenbau. In der Frontplatte sind zwei Bargraph-Anzeiger der Firma RTW integriert, wobei einer (RTW 1109) der Aussteuerungsmesser nach DIN 45 406 bzw. IEC 268-10 1974 (Peak Programm Meter, Typ 1) ist und der andere ein digitaler Aussteuerungsmesser (RTW 1152 EBU), der den Pegel off-Tape von DAT zur Anzeige bringt und sein Signal direkt von der EBU-Schnittstelle bekommt.

Außerdem ist ein analoger Korrelationsgradmesser und eine Matrix, die es erlaubt zwischen Mono, Stereo, Mono L, Mono R und invertiertem Stereobild hin- und herzuschalten, integriert. Weiterhin kann man noch Mono-Mitte und Mono-Seite in den Abhörweg schalten. Wichtig zu erwähnen ist noch die Möglichkeit, die Phase zu tauschen.

Eine solche Einrichtung nennt man Stereoabhöreinheit.

2.6 Der DAT Recorder

Verwendet wurde ein professioneller portabler DAT Recorder vom Typ Fostex PD 2. Besonderes Interesse gilt den hervorragenden integrierten Wandlern und der Tatsache, daß alle Arten von Timecode generiert und gelesen werden können. Weitere Features sind die AES/EBU- Schnittstelle, die auch S/PDIF-Format lesen kann.

Prinzipiell sollte man die Auto-ID Funktion ausschalten, um zu vermeiden, daß bei jeder Pause eine neue Tracknummer vergeben wird. Wichtig ist, alle manuell vergebenen Tracks auf einem Track-Sheet zu dokumentieren, um sich die Arbeit am Schnittplatz erleichtern zu können. Bei Aufnahmen unter Studiobedingungen ist diese Tatsache noch wichtiger, da hier oft mehrere Takes aufgenommen werden, die geeignet zusammengeschnitten werden sollen.

2.7 Die Abhöreinrichtung

Ohne eine qualitativ hochwertige Abhöreinrichtung läßt sich keine zufriedenstellende Mischung erstellen. Deshalb habe ich den vom IRT empfohlenen Referenzkopfhörer STAX SR l Pro in Diffusfeldentzerrung bei meiner Aufnahme verwendet, um das gesamte Spektrum ausreichend beurteilen zu können.

Als empfehlenswert erachte ich, mehrere verschiedene Kopfhörer zu verwenden, um sich nicht auf ein Klangbild festzulegen. In meinem Falle war das Modell K 240 von AKG und ein alter Sennheiser Kopfhörer im Einsatz.

Anders als bei Popproduktionen ist es bei Stereoaufnahmen von Vorteil, über Kopfhörer zu mischen, da sie einfach eine bessere Durchsichtigkeit zulassen als Lautsprecher. Bei Mehrspurmischungen, bei denen durch die beliebige Reproduzierbarkeit mehr Zeit zur Verfügung steht als bei Zweispuraufnahmen, greife ich auch gerne auf Lautsprecherwiedergabe zurück, um die Qualität des Raumeindrucks zu testen, der hier meistens weniger stark ausgeprägt ist. Leider war in unserem Regiewagen kein Platz und sicherlich nicht die passende Akustik vorhanden, um zusätzlich gute Boxen zu installieren. Doch ist bei der Verwendung von Kopfhörern Vorsicht geboten, denn sie bergen die Gefahr der In-Kopf-Lokalisation von Schallquellen, was nur durch ausreichende Hörerfahrung und qualitativ hochwertige Kopfhörer (STAX SR l Pro Diff., AKG K 1000) zu vermeiden ist.

2.7.1 Die Abhörlautstärke

Die Wahl der richtigen Abhörlautstärke ist ein Thema für eine eigene Facharbeit und hängt von vielen Größen ab. Hörerfahrung erachte ich als wichtigstes Kriterium für die Abhörlautstärke, das gilt aber nur in Verbindung mit dem vertrauten Equipment. Ich empfehle während der Mikrofonprobe einen Pegel zu suchen, mit dem man das gesamte Stück ermüdungsfrei wird hören können und sich zu markieren. Danach sollte man die Abhörlautstärke variieren, um aber immer wieder zur markierten Stelle zurückzukehren. Während der Aufnahme fährt man mit diesem Verfahren fort und kann sich so ein genaueres Bild über die Mischung machen.

3. Stereofone Prinzipien

Stereofonie heißt übersetzt "räumlicher Schall". Aufnahmen in dieser Technik gewinnen an Klangfülle und Räumlichkeit gegenüber monofonen. Stereofone Aufnahmen sind solche, die die Illusion vermitteln, als ob der Hörer sich im Aufnahmeraum befände; die also die räumliche Dimension des Klangbildes übertragen.

Zur räumlichen Dimension gehören sowohl die Positionen der Schallquellen im Raum, als auch ihre Ausdehnung und Entfernung.

Es ist bekannt, daß das stereofone beziehungsweise Richtungshören auf zwei Effekten beruht. Erstens auf Laufzeitunterschieden zwischen den Ohren und zweitens auf Intensitätsunterschieden, die durch Schallbeugung durch den Kopf selbst hervorgerufen werden.

Um solche Gegebenheiten abbilden zu können, sind mindestens zwei Übertragungskanäle vonnöten, also auch mindestens zwei Mikrofone. Im Laufe der Zeit entwickelte man verschiedene Techniken der Mikrofonanordung, um das Ziel einer räumlich klingenden Aufnahme zu erreichen.

Die Tatsache, daß stereofones Hören auf des Menschen Zweiohrigkeit beruht, legt die Verwendung eines Kunstkopfes nahe. Mit ihm erreicht man eine kopfbezogene Stereofonie, welche die originalgetreuste Abbildung ermöglicht. Das rührt daher, daß am Kunstkopf die gleichen Eigenschaften des Schallfeldes anliegen, wie am Kopf des Hörers. Der große Nachteil dieses Systems ist jedoch, daß die Qualität nur über Kopfhörer zu erreichen ist und es somit für die Lautsprecherwiedergabe praktisch ungeeignet ist.

Um gute Ergebnisse auch über Lautsprecher zu erzielen, muß man ein Verfahren der raumbezogenen Stereofonie wählen. Sie strebt an, das Schallfeld des Aufnahmeraumes im Wiedergaberaum zu reproduzieren.4 Die Lokalisierung der Schallquellen erfolgt wie beim natürlichen Hören durch Instensitäts- und Laufzeitunterschiede zwischen den Übertragungskanälen. Schallquellen, die zwischen den Lautsprechern geortet werden, nennt man Phantomschallquellen.

Stereofone Aufnahmen haben den Anspruch, auch ohne nennenswerte Klangeinbußen in mono abgehört werden zu können. Hierbei spricht man von Monokompatibilität. Bei nicht kompatiblen Aufnahmen kann es zu kammfilterartigen Frequenzgängen mit deutlich hörbaren Klangverfärbungen kommen.

4. Der Aufnahmeraum

Die Johanneskirche in Gießen wurde 1803 gebaut und mußte nach dem Krieg fast komplett neu errichtet werden. Sie besteht aus einem ca. 50 m langen und 25m breiten Hauptschiff und nur einem Seitenschiff auf der linken Seite, was den Grundriß unsymmetrisch macht. Die Höhe der Decke liegt bei etwa 20m. In den 60er Jahren wurde das Gebäude innen renoviert, was einen Nachhall von über fünf Sekunden zur Folge hatte. Aus diesem Grunde hat man die rechte Seitenwand mit einem Absorber ausgestattet, sodaß man auf eine annehmbare Nachhallzeit für Gottesdienste und Konzertaufführungen kam. Als Vorteil kann man werten, daß die letzte Innenrenovierung schon so lange zurückliegt, denn durch den Staub, der sich im Laufe der Zeit überall festgesetzt hat, wird eine enorme Höhendämpfung erreicht, die auch spitze Stimmen und Instrumente verhältnismäßig weich klingen läßt. Man muß jedoch darauf achten, daß die Brillianz der Mischung nicht verloren geht, was durch geschicktes Aufstellen der Mikrofone erreicht wird. Durch die Größe des Raumes ist der Klang des Ensembles schön weich und ausgeglichen, auch wenn im hinteren Zuschauerbereich ein leichter Baßabfall zu bemerken war.

Auch wenn diese Kirche als Aufnahmeraum relativ unproblematisch ist, so ist es eine absolute Notwendigkeit, sich mit den Eigenschaften des Raumes vertraut zu machen. Ich empfehle jedem, der eine solche Aufnahme vorbereitet, nicht mit technischen Hilfsmitteln wie Real Time Analyzern (RTA) und Meßmikrofonen den Raum zu beurteilen, sondern mit einem Assistenten in einer ruhigen Stunde allein einige einfache, aber aussagekräftige Tests zu machen. Als erstes ist hier das schon legendäre Händeklatschen zu nennen, was einen klaren und vor allem auditiven Eindruck der Nachhallzeit vermittelt. Später positioniert man den Assistenten dort, wo später der Chor und das Orchester Aufstellung nehmen werden und bittet ihn erst laut und deutlich artikuliert zu sprechen; am besten einen Text mit vielen Konsonanten. Während er spricht, schreitet man den Raum nun ab und konzentriert sich auf das Verhältnis von Direktschall und Reflexionen, auf Sprachverständlichkeit und Höhenverluste. Man beginnt den Rundgang an der Stelle, wo man das Stereohauptmikrofon aufzustellen plant und endet auch dort. Nach dem gesprochenen Text sollte der Test noch einmal mit Gesang in verschiedenen Stimmlagen wiederholt werden, um eventuelle Raumresonanzen zu ermitteln. Diese Methode bringt für ein geübtes Ohr wesentlich mehr wertvolle Informationen als irgendwelche ablesbaren Werte eines RTA. Bei der Chor- und Orchesterprobe ist dieser Test unbedingt zu wiederholen, um den Eindruck, den man vom Raum gewonnen hat, gegebenenfalls zu korrigieren oder noch zu verstärken

5. Das Ensemble

5.1 Die Johanneskantorei Gießen

Die Kantorei der Johanneskirche umfaßte an diesem Abend 73 Chorsänger, die sich für das Weihnachtsoratorium von J. S. Bach zu vier Stimmen (Sopran, Alt Tenor, Baß) aufgestellt hatten. Wie bei allen Laienchören liegt das Problem eines ausgewogenen Chorklanges in der Übermacht der Frauenstimmen, insbesondere Altistinnen, und weiterhin in einer Unterbesetzung der Männerstimmen, hier fehlt es vor allem an Tenören. Leider fehlen dem Chor auch jugendliche Stimmen, was sich vor allem in hohen Sopranstellen zeigt, wie zum Beispiel im ersten Chorstück des fünften Teils.

Die Chorproben, die etwa ein halbes Jahr in Anspruch nahmen, leitete Prof. Gottlob Ritter.

5.2 Das Kammerorchester Gießen

Das Kammerorchester Gießen besteht aus einem Stamm von 20 Musikern, die in etwa der Streichergruppe entsprechen. Hinzu kamen für diese Aufführung noch 14 weitere Gastmusiker, sodaß man sich bei einem Orchester von 34 Musikern sehr genau die Mikrofonanordnungen überlegen mußte, um nicht einzelne Instrumente zu betonen, wo es nicht erforderlich ist.

Die Probeleitung hatte ebenfalls Prof. Gottlob Ritter.

5.3 Die Solisten

Gerade in den dargebotenen Teilen IV bis VI spielen die Solisten eine große Rolle, sodaß die Aufführung von deren Qualität maßgeblich abhängt. Vor allem der Solotenor sollte eine einfühlsame Stimme in den Rezitativen an den Tag legen, denn hauptsächlich hier wird der Inhalt des Stückes vermittelt. Oft gibt es nur eine Probe mit den Solisten, weil sie den Veranstalter viel Geld kosten. Diese Probe sollte man auf keinen Fall versäumen, um gerade im Sopran eventuelle Übersteuerungen bei der Aufnahme ausschließen zu können.

Monika Frimmer: Sopran

Erika Hedrich: Alt

Klaus Herrlich: Tenor

Thomas Wiegand: Baß

6. Die Aufstellung des Ensembles

Die Musiker nahmen im Altarraum Aufstellung. Für den Chor , der eine rundfunkübliche Aufstellung einnahm, sodaß die Männerstimmen in einem nach vorne spitzzulaufenden Dreieck standen, wurden Podeste hinten um den Altar aufgebaut, und einige Frauenstimmen bildeten eine geschlossene Reihe vor dem Altar. Das Orchester hatte seinen Platz unmittelbar vor dem Chor im Altarraum. Genaue Positionen sind der Zeichnung hierfür zu entnehmen, auf der auch der Mikrofonanordung vorgegriffen wird (vgl. Abb. 4).

Problem der räumlichen Gegebenheiten war der große Weihnachtsbaum, der rechts außen neben dem Altar stand und einen kleinen Teil des Chores verdeckte. Die Folge war, daß der gesamte Chor weiter nach links rückte, was auf der Aufnahme auch zu hören ist. Ebenfalls auffällig ist der minimal größere Hallanteil auf der linken Seite, der das Ergebnis des asymmetrischen Grundrisses der Johanneskirche ist.

7. Die Anordnung der Mikrofone

Das wie ich meine wichtigste Kriterium für eine gelungene Aufnahme ist eine gut durchdachte Auswahl und Positionierung der zur Verfügung stehenden Mikrofone. Wie schon oben kurz erwähnt spielt hierbei die genaue Kenntnis des Verhaltens der Wandler eine gewichtige Rolle; man muß wissen, daß für verschiedene Räume unter Umständen andere Mikrofone mit unterschiedlichen Richtcharakteristiken für eine identische Instrumentengruppe verwendet werden müssen. Auch interpretatorische Gesichtspunkte müssen bei Wahl und Anordnung eines Mikrofons berücksichtigt werden. Beispielsweise tendiere ich bei Bachwerken zu einem transparenteren Sound als bei einem Oratorium von Händel. Den Raumeindruck, den man bei den Proben und dem Testen der Raumakustik gewonnen hat, muß jetzt in die Mikrofonierung umgesetzt werden, um eine ausgewogene Klangbalance mit natürlichem Raumanteil aufnehmen zu können. Auf die Natürlichkeit einer Aufnahme möchte ich später separat eingehen.

7.1 Das Stereohauptmikrofon

Als Hauptmikrofon habe ich mich für die beiden Schoeps CMC 53 (MK3) und CMC 58 (MK8) entschieden und auf der Schoeps-Universalschiene UMS 20 als MS-Anordnug montiert (vgl. Abb.5). Der Ständer wurde unmittelbar hinter dem Dirigentenpodest aufgestellt und die Anordnung in etwa 3,30m Höhe und mit dem Galgen 0,5m vor dem Dirigenten positioniert. Die Hauptachse wurde leicht nach unten geneigt, damit die Hauptaufsprechrichtung des M-Mikrofons etwa auf die Mitte des Ensembles weist. Mit diesem Stereohauptmikrofon erzielt man durch die Verwendung des reinen Druckempfängers im M-Mikrofon einen vollen Klang, der nun als Grundlage für die Mischung dient, denn man darf nicht vergessen, daß Stützmikrofone nur das Klangbild des Stereohauptmikrofons unterstützen sollen.

Selbstverständlich gibt es viele andere Methoden der Stereomikrofonanordnug, die alle ihre Vor- und Nachteile haben. Ich habe mich für MS entschieden, da ich hierbei große Flexibilität der Basisbreite habe, ohne bei Änderungen jedesmal den Ständer abbauen zu müssen, da sie am Pult im Richtungsmischer vorgenommen werden können. Außerdem schlägt das MS- Verfahren für mich die Brücke zwischen gutem räumlichen Klangbild und Phasenstabilität. Doch ist auch gerade bei MS-Anordungen Vorsicht geboten, denn sie neigen bei schlecht korrelierten Signalen in der mittleren Basis zu einem instabilen Klangbild, das sich durch Inversionen bemerkbar macht. Im schlimmsten Fall kann es zum Springen der Phantomschallquelle führen.

7.2 Die Stützmikrofone

Um ein differenziertes und ausgewogenes Klangbild zu erreichen, kommt man bei großen Ensembles um den Einsatz von Stützmikrofonen nicht herum. Puristen werden sagen, daß eine natürliche Abbildung mit zusätzlichen Stützen nicht möglich ist, doch es gibt nicht den Punkt in einem Raum, an dem ein aufgestelltes Stereohauptmikrofon den Klangeindruck überträgt. Bei kleinen Ensembles mag das noch zutreffen, bei vorliegender Aufnahme hätte der alleinige Einsatz eines Hauptmikrofons bestenfalls Reportagecharakter, weil die Interpretationsmöglichkeiten der Stützmikrofone fehlen würden.

7.2.1 Stereofone Stützmikrofone

Im folgenden Abschnitt möchte ich der Vollständigkeit halber auf die von mir nicht oft erwendeten Stereostützen eingehen. Die Aufstellung von Stereostützmikrofonen wird außerordentlich stark von der Forderung nach Kompatibilität beeinflußt, sodaß man in diesem Zusammenhang die Stereo- und Monobelange sorgfältig abzuwägen hat. Wichtig für die Stereostützen ist eine gleichmäßige Erfassung und volle Ausnutzung des Aufnahmebereichs, und daß die Eckpunkte der Basis durch gute Kanaltrennung fixiert sind. Jetzt kann man unter Berücksichtigung der Lokalisation des Hauptmikrofons die Panoramisierung der Stütze vornehmen, die wesentlich schwieriger als bei monofonen Stützen ist. Ein Richtungsmischer leistet hier gute Dienste. Bei der Verwendung von Stereostützmikrofonen muß man besonders den Korrelationsgradmesser im Augen behalten.5

Eine andere Anwendungsmöglichkeit ist die Projektion abgesetzter Teilklangkörper des Ensembles in das Hauptklangbild (siehe Abb. 6). Hierbei muß auf eine besonders klare Trennung von Stereostütze und Stereohauptmikrofon geachtet werden, da es sonst zu Mehrdeutigkeiten kommen kann.6

Dem Anfänger sei jedoch geraten, von Stereostützen Abstand zu nehmen, da sie einen großen Erfahrungsschatz voraussetzten. Der erreichte Effekt ist dem Aufwand gegenüber eher gering einzuschätzen, sodaß man mit Monostützmikrofonen in den meisten Fällen ähnliche Ergebnisse erzielt.

7.2.1.1 Stützen der Gesangssolisten

Das einzige von mir zum Einsatz gebrachte Stereostützmikrofon diente dem Hervorheben der Gesangssolisten, da diese zu weit seitlich standen, um zufriedenstellend vom Stereohauptmikrofon erfaßt zu werden. Da den Solisten eine besondere dramaturgische Rolle zufällt, habe ich mich für eine XY-Anordnung mit dem Neumann SM 69 fet entschieden, das etwa in Halshöhe des kleinsten Sängers, in diesem Falle der Altistin, in 1,70m Entfernung aufgestellt wurde. Als Richtcharakteristik habe ich Hyperniere und einen Versatzwinkel von ca. 750 gewählt, da man später bei geeigneter Mischung das Resultat erzielt, daß die Solisten wirklich rechts vor dem Ensemble im Raum hervorgehoben werden. Beim Abhören mit guten Lautsprechern gewinnt man den Eindruck, daß die Gruppe vor den Boxen zu stehen scheint. Diesen Eindruck erzielt man nur in geeigneten Räumen und bei günstiger Aufstellung der Solisten zum Stereohauptmikrofon. Bildet dieses die Solisten nicht stark genug ab, so scheinen sie nicht zum Gesamtensemble zu gehören und werden isoliert wahrgenommen, was den Gesamteindruck empfindlich stört.

7.2.2 Monofone Stützmikrofone

Monostützen sollen wie ihre stereofonen Pendants dem Klangbild des Stereohauptmikrofons zu mehr Durchsichtigkeit und Brillianz verhelfen. Um das zu erreichen, darf man auf keinen Fall den Pegel der Stütze zu hoch wählen und auch die Panoramisierung, auf die später noch genauer eingegangen wird, muß mit Bedacht vorgenommen werden, um Mehrdeutigkeiten zu vermeiden. Diese kommen auch dann zustande, wenn die Kanalabgrenzung zwischen den Stützen nicht minimiert wird. Auf korrektes Ausblenden der benachbarten Instrumentengruppen ist also auf jeden Fall zu achten.

Leider ist im Livefall nicht immer die Zeit und vor allem nicht der rechte Platz vorhanden, die Stützmikrofone in die optimale Position zu bringen. Man kommt daher oft nur mit Kompromissen zum Ziel. Viele Laienmusiker fühlen sich durch die Mikrofone und Ständer in ihrer unmittelbaren Nähe irritiert, und es bedarf viel Überzeugung seitens der Toningenieurs. Kann kein Kompromiß gefunden werden, sollte man nicht auf seinem Stützmikrofon bestehen, sondern nach anderen Lösungen suchen, die Streit vermeiden. Auf keinen Fall jedoch sollte man sich von den Musikern die Aufstellung der Mikrofone vorschreiben lassen, da diese oft eine sehr einseitige Sichtweise der Situation haben und ihnen der theoretische Hintergrund der Aufnahmetechnik fehlt.

7.2.2.1 Stützen der 1. Violinen

Da die ersten Geigen meistens die Führung im Orchester haben, habe ich sie mit einem Neumann KM 86 Niere von oben aus ca. 1,90m gestützt, um mehr Bogenstrich und Höhen übertragen zu können, da diese orthogonal zur Instrumentendecke abgestrahlt werden und so nur unzureichend das Hauptmikrofon ansprechen.

7.2.2.2 Stützen der 2. Violinen

Da die Gruppe der 2. Geigen etwas kleiner war, als die der ersten Stimme, habe ich sie stärker stützen müssen als sonst üblich. Es ist unbedingt darauf zu achten, daß sie trotzdem weiter hinten im Raum lokalisiert werden müssen, um neben der Breite auch eine räumliche Tiefe erkennen zu können.

Auch bei der 2. Stimme kam ein Neumann KM 86 Niere in gleicher Weise wie bei den 1. Violinen zum Einsatz (Höhe ca. 1,90m).

7.2.2.3 Stützen der Violen

Die dritte Stimme, die hinter dem Cembalo oft untergeht, wurde zusätzlich mit einem Schoeps CMC 55 (MK5) Niere gestützt. Anders als bei den Violinen sollte man das Stützmikrofon nicht so hoch, dafür weiter weg aufstellen, denn die Viola produziert weniger Höhen als eine Geige, und die Formanten werden mehr nach vorne abgestrahlt. Deshalb habe ich das Mikrofon ca. 2m entfernt und nur 1,70m hoch angeordnet. Die Hauptachse des Mikrofons sollte wie bei allen Stützen nicht direkt auf ein Instrument zeigen. Das ist der Grund, weshalb ich sie relativ stark nach unten geneigt habe, um die Gruppe der Violen als Ganzes sanft zu stützen und sie gegenüber den benachbarten Instrumentengruppen von zweiten Violinen und Celli besser abgrenzen zu können.

7.2.2.4 Stützen der Celli

Diese Instrumentengruppe war schwierig in ihrer Gesamtheit zu stützen, da die nur wenigen Musiker weit verteilt waren. Verwendet wurde ein Neumann U89 Niere, da dieses sich hervorragend für die Tenor- und Baßgruppe der Streicher eignet und einen warmen Klangcharakter hat. Die Höhe beträgt etwa 2,10m und das Mikrofon wurde schräg zu den Musikern gerichtet.

7.2.2.5 Stützen der Baßgruppe (Kontrabaß und Fagott)

Wie bei den Celli wurde ein Neumann U 89 Niere verwendet. Höhe hier 1,90m und etwas weiter weg.

7.2.2.6 Stützen der Hörner

Beim Stützen der Bläser habe ich wie oben bereits beschrieben ausschließlich Neumann KM 86 Acht zum Einsatz gebracht, die 1,60m über den Instrumenten angeordnet wurden. Nachdem der Versuch mit Nierencharakteristik wegen zu hoher Übersprechungen des Chores gescheitert war, habe ich auf Achtercharakteristik umgeschaltet, die Nullstelle zum Chor und die Hauptachse zum zu stützenden Instrument gerichtet. Damit habe ich eine wesentlich bessere Abgrenzung zum Chor erreicht, auch wenn mehr Raumanteil von diesem Stützmikrofon übertragen wird.

7.2.2.7 Stützen der Oboen

Die Oboen wurden ebenfalls mit einem Neumann KM 86 Acht in der gleichen Weise wie die Hörner gestützt, doch kommt den Oboen im Weihnachtsoratorium dramaturgisch eine sehr wichtige Rolle zu. Sie sind deshalb mehr hervorzuheben, was nicht nur am Mischpult, sondern auch durch geeignete Mikrofonpositionierung geschehen kann (1,60m hoch schräg von vorne auf die Klappen). Leider traten damit die Klappengeräusche eines sich nicht in technisch einwandfreiem Zustand befindenden Instrumentes in den Vordergrund. Wie sich später herausstellte, fehlten an der einen Oboe zwei Korkpolster, die die Klappengeräusche dämpfen sollten.

7.2.2.8 Stützen der Trompeten

Die drei Trompeten kommen zwar gut über das Hauptmikrofon heraus, doch sind sie ohne Unterstützung zu räumlich und man kann sie schlecht lokalisieren. Deshalb wurde auch hier ein Neumann KM 86 Acht verwendet. Unbedingt ist darauf zu achten, daß das Stützmikrofon nicht zu direkt angespielt wird, was vor allem bei den Trompeten aufgrund ihres hohen Schalldrucks zu Übersteuerungen führen kann.

7.2.2.9 Stützen der Pauken

Rechts hinten standen die beiden Pauken, denen durch Aufstellen eines Neumann KM 86 Niere in 1.80m Höhe zu mehr Direktschall und Dominanz verholfen wurde. Auf die Achtcharakteristik konnte hier verzichtet werden, da der große Weihnachtsbaum den Chor ausreichend verdeckte.

7.2.2.2.10 Stützen des Chores

Der Chor wurde durch vier Neumann KM 84 gestützt. Bei der Mikrofonierung eines Chores muß man je nach Werk darauf achten, daß er nicht zu aggressiv und spitz klingt. Das kann passieren, wenn die Mikrofonstative nicht hoch genug ausgefahren werden, und die Hauptachse der Mikrofone zu stark auf die Sänger zeigt, sodaß man das Gefühl hat, der Chor stünde vor dem Orchester. Es ist daher empfehlenswert, wie in vorliegendem Falle die Mikrofone in einer Höhe von ca. 3,70m anzubringen und nur wenig zu neigen, damit die Sänger unter den Mikrofonen hindurch singen. Dadurch erreicht man eine weichere Abbildung des gesamten Chores, der bei geeigneter Mischung im Zusammenspiel mit dem Hauptmikrofon hinten im Raum zu stehen scheint. Die Aufnahme behält trotz Anwendung von Stützmikrofonen seine räumliche Tiefe, und das, obwohl keine Verzögerungsgeräte benutzt wurden, um die Laufzeit des Schalls zwischen den Stützen und dem Stereohauptmikrofon zu kompensieren.

Zur Verdeutlichung meiner Ausführungen habe ich noch einige Abbildungen, hinzugefügt. Die Aufnahmen entstanden bei der Generalprobe unmittelbar vor dem Konzertbeginn.

8. Die Mischung

Eine Aufnahme ist immer mehr, als die Signale der Mikrofone mit geeignetem Pegel auf Band zu bringen. Es bedarf deshalb auch der künstlerischen Fertigkeit, eine Mischung der Signale zu einem plausiblen Klangbild zu erstellen. Gerade wenn wie im vorliegenden Falle kein Mehrspurgerät zur Verfügung steht, darf man sich keine Fehler während des Mischens erlauben, da sie nicht mehr zu beheben sind.

8.1 Einpegeln der Mikrofone

Der Einpegelungsvorgang ist immer der erste Schritt, der zu tun ist, um das Pult mit dem optimalen Arbeitspegel der Vorverstärker betreiben zu können. Da aber das Musikmaterial äußerst komplex ist, muß genügend Aussteuerungsreserve einkalkuliert sein, damit Übersteuerungen bei großen Dynamikschwankungen vermieden werden. Rauscharme Mischpulte mit nicht zu kleinem Headroom sind daher zu bevorzugen. Der Eigenbau von R. Gutberlet, der von mir verwendet wurde, verfügt über einen Headroom von 10 dB.

8.2 Pegel zum Band

Um nur schwer zu beseitigende digitale Übersteuerungen vermeiden zu können, muß auch hier ein Headroom geschaffen werden. Das erreicht man dadurch, daß man einen Pegel anvisiert, der sich um -10 dB am PPM7 bewegt. Durch den großen Dynamikumfang eines Oratoriums in oben genannter Besetzung sind dann die Spitzenwerte erfahrungsgemäß bei etwa 0 dB zu erwarten. Bei der Aufnahme ist es wichtig den Überblick über die Partitur zu behalten, denn hier kann man sich Informationen über die zu erwartende Entwicklung der Dynamik in einem Stück holen. Sollte wider Erwarten doch eine digitale Übersteuerung auftreten, kann man sie manchmal mit einigen digitalen Schnittsystemen auf umständlichem Wege entschärfen. Bei meiner Aufnahme traten zweimal Übersteuerungen auf, einmal im Teil IV, Nummer 39 in der Sopranarie und einmal im Teil V, Nummer 51 im Terzett der Solisten. Auf die Art und Weise, wie diese Übersteuerungen bearbeitet wurden, werde ich im Kapitel der digitalen Schnittbearbeitung genauer eingehen.

8.3 Panoramisierung der Mikrofone

Um der Mischung einen räumlichen Eindruck zu geben, ist es sehr wichtig, der Panoramisierung besondere Aufmerksamkeit zu schenken und die Panoramapotis (Panpot)nicht einfach nur nach Gefühl zu benutzen. Die Richtungsinformationen einer Mischung muß den fehlenden optischen Eindruck einer Aufführung ersetzen, was nicht immer einfach zu bewerkstelligen ist. Spielen verschiedene Instrumente eine gleiche Melodie, so ist es oft besser, das Panorama der beiden so zu verändern, daß sie einzeln gut zu lokalisieren sind. Das trifft vor allem für Instrumente zu, die sehr nahe beieinander stehen oder sogar hintereinander. Mit geeigneter Panoramisierung der Signale ist eine schärfere Ortung zu erreichen. Vorsicht ist jedoch bei zu starkem Einsatz dieser Technik geboten, da es sonst zu Mehrdeutigkeiten zwischen zu stark panoramisiertem Stützmikrofon und dem Stereohauptmikrofon kommen kann.

8.3.1 Panoramisierung des Stereohauptmikrofons

Die Panoramisierung des Stereohauptmikrofons, die ich am Richtungsmischer vorgenommen habe, beinhaltet mehr als die bloße Richtungsinformation. Die Breite des Hauptmikrofons gibt die Stereobasis der gesamten Mischung vor und ist deshalb mit großer Sorgfalt zu vorzunehmen.

Um eine möglichst breite räumliche Ausdehnung zu erzielen, habe ich das MS-Mikrofon mit soviel Seitenanteil versehen, daß sich eine Korrelation von null ablesen ließ. Wenn dabei ab und zu der Zeiger knapp in den roten Bereich zuckt, ist das nicht weiter schlimm, denn das muß noch lange keine Klangveränderungen bedeuten. Mit diesem Ausgangsklangbild habe ich anschließend die Richtung der Stützmikrofone eingestellt.

8.3.2 Panoramisierung der Stützmikrofone

Schwieriger als beim Stereohauptmikrofon stellt sich die Panoramisierung der Stützmikrofone dar. Hier werden häufig die meisten Fehler gemacht, weil es durch falsches Benutzen der Panpots nach Gefühl zu einem verwaschenen Klangbild kommen kann. Im schlimmsten Fall kommt es zu Fehlabbildungen der Signale auf der Stereobasis.

Um ein Stützmikrofon exakt in seiner Richtung abzubilden, benötigt man das Hauptmikrofon. Dieses zieht man am entsprechenden Mischpultkanal auf und konzentriert sich auf die Richtungsinformation des zu stützenden Signals auf der Stereobasis. Jetzt mischt man das Stützsignal mit hohem Pegel dazu und merkt, daß die Phantomschallquelle zur Mitte hin auszuwandern scheint. Danach dreht man den Panpot des Stützsignals solange in die erforderliche Richtung, bis sich beide Signale auf der Stereobasis decken. Nach einer positiv ausfallenden Richtungskontrolle der beiden einzelnen Mikrofone ist das Stützmikrofon richtig panoramisiert, und man kann mit dem nächsten fortfahren, bis alle optimal mit der Richtungsinformation des Hauptmikrofons übereinstimmen. Die Panoramisierung ist eine zeitaufwendige Aufgabe, die aber keinesfalls aufgrund von Zeitdruck vernachlässigt werden darf. Wenn die Richtungsinformationen der Mikrofone stimmen, verändert sich die Korrelation auch nur wenig zu der, die vorher mit dem Hauptmikrofon eingestellt wurde.

8.4 Einstellen der Lautstärkeverhältnisse

Erst nachdem die Panoramisierung stimmt, kann man auch die Verhältnisse der Lautstärken ausreichend beurteilen. Um eine Ausgewogenheit zu erreichen, muß man in der Lage sein, den Klang mit seinem Gehör kritisch zu beurteilen, da die Anzeige eines Aussteuerungsmessers keinerlei Auskunft darüber geben kann. Ich möchte an dieser Stelle nochmals auf die lediglich unterstützende Aufgabe der Stützmikrofone hinweisen. Das bedeutet, daß das Stereohauptmikrofon den Hauptanteil der Mischung ausmachen soll, was bereits eine gute Position voraussetzt. Stützmikrofone sollen nicht zu hören sein, da sie sonst den Klangcharakter der Mischung zu direkt und aggressiv machen. Sind Stützmikrofone zu laut und nicht optimal in ihrer Richtung eingestellt, so geht der Eindruck der räumlichen Tiefe einer Aufnahme verloren, da die Tiefe eines Raumes hauptsächlich durch Laufzeitunterschiede erfahren wird. Diese Laufzeitunterschiede werden durch den Einsatz von Stützmikrofonen jedoch verfälscht wiedergegeben, da die Stützen wesentlich näher zur Schallquelle stehen, als das Setreohauptmikrofon. Daher muß man hier besonders mit Bedacht handeln, um den Raum erkennbar zu lassen. Stereofonie ist nicht nur die Raumausbreitung einer Schallquelle in der Breite, sondern auch in der Tiefe!

8.5 Anspruch an eine Mischung

Natürlich gibt es keine Patentlösung für eine Mischung, die für alle Musikrichtungen und Werke gilt. Ich möchte aber einige Grundregeln darlegen, nach denen ich bei meinen Aufnahmen arbeite. Diese sind sicherlich Geschmackssache, doch führen sie für mich in aller Regel zu befriedigenden Ergebnissen.

Immer wieder hört man die Forderung nach Natürlichkeit einer Aufnahme. Auch unter Toningenieuren kursiert das Verlangen, daß eine natürlich klingende Aufnahme anzustreben sei. Ich behaupte aber, daß es nicht die Authentizität eines aufgenommenen Schallereignisses gibt, sondern man als Verantwortlicher auf Plausibilität der Aufnahme achten sollte. Das soll bedeuten, daß es nicht den Punkt in einem Raum gibt, an dem ein aufgestelltes Stereomikrofon immer ein natürliches Klangbild liefert. Eine solche Aufnahme hat gerade bei großen Ensembles immer nur Reportagequalität, da die Möglichkeit der dramaturgischen Gestaltung völlig fehlt. Plausibilität bedeutet für mich, daß das Ereignis so auf Band gebracht werden sollte, daß es beim Abhören den Eindruck vermittelt, so geklungen haben zu können. Die Forderung nach natürlicher Klangbalance ist also nur bedingt realisierbar. Übergänge von Chor zu Orchester, Darstellung eines Sängers oder eines Instrumentes sind für mich zu einem gewissen Grad Interpretationsache. Mischungen, die für das eine Werk günstig sind, können für ein anderes gleicher Besetzung schlecht sein. Die Entscheidung hierüber liegt bei dem leitenden Toningenieur und steht in keinem Lehrbuch.

Bei aller künstlerischen Freiheit ist darauf zu achten, nicht über das Ziel hinaus zu schießen; Effekthascherei und Überinterpretation wären die Folge.

Man sollte bei der Produktion eines zusammenhängenden Werkes darauf achten, daß später alle Tracks im gleichen Klangbild erscheinen und nicht der Eindruck entsteht, die Aufnahme sei in verschiedenen Räumen erstellt worden. Ebenso ist auf ein gleichbleibendes Stereobild zu achten. Immer wieder kommt es vor, daß ein Track fast in Mono erklingt, der nächste jedoch eine Überbasis aufweist. Das hat nichts mehr mit Interpretation der Musik zu tun, sondern ist ein unentschuldbarer technischer Fehler. Bei solchen Produktionen entsteht ein unprofessioneller Eindruck. Der Kunde erwartet jedoch immer ein einwandfreies Ergebnis.

9. Digitale Schnittbearbeitung

Jede Liveaufnahme muß in meiner Meinung nach geschnitten werden, da sonst zu viele Störgeräusche und eventuelle Umbaupausen auf den Zuhörer der Wiedergabe ermüdend wirken. Digitale Schnittsysteme, die non-destructive arbeiten, bieten komfortable Möglichkeiten der nachträglichen Gestaltung eines aufgenommenen Werkes. Es hat sich gezeigt, daß ein kleiner zeitlicher Abstand von zwei bis drei Tagen zwischen Aufnahmetag und Beginn der Schnittbearbeitung gelegt werden sollte, damit man mit freiem Kopf und innerer Ruhe beginnen kann. In dieser Zeit ist es ratsam, sich mit dem geschichtlichen und gegebenenfalls theologischen Hintergrund auseinanderzusetzen. Man muß ein Werk von seiner Idee her verstanden haben, da man sonst nicht in der Lage ist, Pausen und Szenenabschnitte angemessen zu schneiden. Gut ist auch, wenn der Dirigent bei der Schnittbearbeitung anwesend ist, um mit ihm seine Vorstellungen zu verwirklichen, doch leider ist dieser Fall die Ausnahme.

Beim Schneiden der vorliegenden Aufnahme habe ich zwei verschiedene Systeme im Einsatz gehabt, wobei eines nur zum Herausrechnen der digitalen Übersteuerungen benötigt wurde. Es handelt sich hierbei um das 56K-System der Firma Turtle Beach. Es ist zwar schon sehr veraltet (noch vor der Verbreitung von Windows), hat aber einen entscheidenden Vorteil gegenüber einigen modernen Systemen. Man hat nämlich die Möglichkeit, digitale Übersteuerungen zu markieren, im Pegel herabzusetzen (2 dB reichen in der Regel aus) und mit einer Draw-Funktion abzurunden. Dadurch kann man die starken Verzerrungen einer digitalen Übersteuerung derart kaschieren, daß sie im Zusammenhang gehört nicht mehr auffallen.

Das Hauptsystem, welches verwendet wurde, ist das Schnittsystem SADIE Disk Editor V.2.2. Es bietet mir alle Features vom definierbaren Crossfade bis hin zu samplegenauem Schneiden, die für eine Bearbeitung komplexer klassischer Werke nötig sind.

Hauptaugenmerk beim Schneiden lege ich auf die Pausen. Ich unterscheide musikalische und dramaturgische Pausen.

9.1 Musikalische Pausen

Unter musikalischen Pausen verstehe ich die direkt in der Partitur notierten Generalpausen. Andere fallen nicht unter die Schnittbearbeitung einer Zweispuraufnahme, sehr wohl jedoch in die einer Mehrspurproduktion.

Sind in einer Generalpause Störgeräusche zu hören, so ist es ratsam, sie mit geeignetem Schnitt zu entfernen. Dabei ist unbedingt auf das fortlaufende Metrum des Stückes zu achten, da der Schnitt sonst hörbar ist. Denkbar wäre auch das Einfügen einer Standardpause, wie ich sie unten beschrieben wird. Auf keinen Fall kann man "digital null" in eine Pause einfügen, die zu stark mit Störgeräuschen belastet ist. Die plötzlich auftretende absolute Stille empfindet der Zuhörer sofort als unnatürlich und unangenehm.

9.2 Dramaturgische Pausen

Es gibt verschiedene Dramaturgische Pausen, die alle mit besonderem Gespür zu bearbeiten sind. Sie dienen der Interpretation des Stückes und der besseren Abgrenzung der Handlung. Grob unterscheide ich vier Arten der dramaturgischen Pause.

9.2.1 Generalpausen mit Fermate

Die Bearbeitung dieser Zäsuren im musikalischen Text ist äußerst heikel, da man damit direkt in die Interpretation des Dirigenten eingreift. Im Zweifel ist sie auch trotz starker Störgeräusche nicht zu schneiden!

9.2.2 Pausen zwischen den Stücken

Das gesamte Weihnachtsoratorium von J. S. Bach umfaßt 64 Stücke. Die von mir aufgenommen Teile beinhalten die Stücke 36 bis 64. Für meine Begriffe muß in jedem Fall eine Bearbeitung der Pausen zwischen einzelnen Stücken erfolgen, da gerade hier das Publikum oft hustet und Umblättergeräusche der Musiker überwiegen. An dieser Stelle sei noch eingefügt, daß zu hörendes Umblättern während der Stücke für mich kein Störgeräusch, sondern Bestandteil der Musik ist.

Die Pausendauer zwischen den Stücken sollte zwei Sekunden nicht überschreiten, da ihnen sonst zu viel Bedeutung zugemessen wird. Auf sauberen Fade-in und Fade-out ist selbstverständlich genauso zu achten, wie auf angemessene Crossfadezeiten zwischen Pause und Beginn beziehungsweise Ende eines Stückes.

9.2.3 Pausen zwischen den Szenen

Jetzt wird der Grund für die genaue Kenntnis des Inhalts der Komposition klar, denn die Szenen sind nicht explizit erwähnt und gehen nur aus dem Geschehen der Handlung hervor. Beim Weihnachtsoratorium ist es relativ einfach, da es sich um die allgemein bekannte Weihnachtsgeschichte aus der Bibel (Lukas beziehungsweise Matthäus, Kapitel 2) handelt. Es empfiehlt sich jedoch trotzdem, ein Neues Testament hervorzunehmen und den genauen Handlungsablauf zu studieren. Gerade für die unbekannteren Stellen, wie sie in den Teilen IV (Kantate am Neujahrstage, Lukas 2, 21), V (Kantate am Sonntage nach Neujahr, Matthäus 2,1) und VI (Am Feste der Erscheinung Christi, Matthäus 2, 2-4) vorkommen, sollte man sich die Zeit nehmen, auch die Querverweise zu lesen. Mit diesem Hintergrundwissen fällt einem mancher schwierige Schnitt wesentlich leichter.

Die Pausen zwischen den Szenen kann man etwas länger gestalten, sie sollten jedoch eine Obergrenze von drei Sekunden nicht überschreiten, um das Werk nicht auseinander zu reißen.

9.2.4 Pausen zwischen den Teilen

Hier tendiere ich zu etwas längeren Pausen. Da hier meine Tracknummern vergeben wurden, kann man diese anders gestalten, als die oben beschriebenen. Zwischen den Tracks muß nämlich "digital-null" liegen, sodaß jeder Anfang eines neuen Teils sauber aus der Stille heraus beginnen kann. Zu der Praxis der Trackvergabe möchte ich später noch einige Sätze erwähnen.

9.3 Die Standardpause

Oft ist es schwierig, Huster und andere Störgeräusche zwischen den Stücken zu beseitigen. Deshalb sucht man sich auf dem Originalband eine Pause heraus, die den Ansprüchen genügt und verwendet immer diese Standardpause, indem man sie zwischen alle Stücke und Szenen hineinschneidet.

Bei meiner Aufnahme war leider kein ausreichend langer, störgeräuschfreier Pausenabschnitt zu finden. Deshalb schnitt ich mir einen kurzen Abschnitt von einer halben Sekunde heraus, kopierte ihn mehrmals hintereinander und hatte so eine Pause akzeptabler Länge. Da aber jetzt etwaige Huster immer wiederkehrten, legte ich dieselbe Pause mit invertiertem Stereobild phasengleich über das Original. Anschließend überlagerte ich die Originalpause mit verschiedenen Phasenlagen des invertierten und originalen Stereobildes, bis jede Periodizität aus der so künstlich geschaffenen Pause verschwunden war. Das Resultat beschnitt ich darüber hinaus oberhalb von 6,3 kHz. Ergebnis ist eine Ambience einer großen schweigenden Zuhörermenge.

Jetzt ist es einfach, sich die benötigte Pausenlänge immer von der Stange abzuschneiden. Man muß nur auf einen angemessenen Pegel der Pause achten, welcher mit dem Schnittsystem schnell auf digitalem Wege angeglichen werden kann.

9.4 Formatierung und PQ-Editing

Um eine CD schreiben zu können, benötigt man einen PQ-Editor, der im SADIE-System integriert ist.

Viele professionelle Aufnahmen des Weihnachtsoratoriums halten für jedes Stück eine eigene Tracknummer bereit. Meiner Meinung nach ist es aber logischer, mit nur wenigen Tracknummern die Sinnabschnitte (Teile und Szenen) zu markieren und die einzelnen Stücke mit Indizes zu versehen. Viele CD-Player sind mittlerweile mit einer Indexerkennung ausgestattet, sodaß die Mehrheit der Konsumenten keinerlei Grund zur Beschwerde hat. Es ist sowieso eher unwahrscheinlich, daß nur einzelne Stücke zur Wiedergabe gebracht werden sollen, da sie ohne den Gesamtzusammenhang musikalisch nackt dastehen würden.

10. Vergleich

Um die verschiedenen Sichtweisen eines Werkes veranschaulichen zu können, möchte ich meine Aufnahme gerne mit einer Produktion der Polydor International GmbH Hamburg aus dem Jahre 1965 vergleichen. Verantwortlicher Tonmeister war Hans Weber und der Name des Toningenieurs war Hans Peter Schweigmann. Ausführende waren der Münchner Bachchor und das Bachorchester München. Als Aufnahmeraum diente der Herkules-Saal in München.

Nun ist es müßig, ein Laienensemble mit dem professionellen und weltweit bekannten Münchner Bachensemble zu vergleichen. Deshalb muß man sich von der musikalischen Qualität einmal ganz lösen, was für einen Musiker besonders schwierig ist. Oftmals beurteilt man nur die Leistung der Musiker. Es gibt ebenso viele sehr gute Aufnahmen von schlechten Ensembles, wie schlechte Aufnahmen von besonders guten Musikern. Hier möchte ich mir auch keine Kritik an der professionellen Aufnahme erlauben, sondern viel mehr versuchen,Unterschiede in der Interpretation aufzuzeigen. Weiterhin möchte ich Vermutungen über die Mikrofonierung und Mischung anstellen.

Nach langen Telefonaten und Briefwechseln mit der Deutschen Grammophon GmbH und dem Recording Centre Hannover bekam ich Kontakt mit dem sich inzwischen im Ruhestand befindenden Hans Peter Schweigmann. Von ihm konnte ich noch einige Informationen über die Aufnahme des Weihnachtsoratoriums mit Karl Richter im Februar 1965 erhalten. Leider existieren keine konkreten Mikrofonpläne mehr, Herr Schweigmann konnte aber aus seiner Erinnerung einiges rekonstruieren.

Aufgrund der damals verwendeten Technik ist mit maximal 12 Mikrofonen gearbeitet worden. Als Hauptmikrofon wurde eine AB-Anordnung mit einer Basis von ca. einem Meter gewählt. Aufgrund der großen Basis war die Richtcharakteristik aus Gründen der Monokompatibilität auf Niere festgelegt. Wie sich Herr Schweigmann erinnern konnte, kamen Nierenmikrofone der Firma Schoeps zum Einsatz. Links und rechts wurde jeweils eine Schoeps Niere als Streicherstütze aufgebaut. Der Chor wurde mit vier Neumann U67 Großmembranmikrofonen auf Nierencharakteristik gestützt, die alternativ bei Soloarien verwendet wurden, das heißt, daß die Solisten hinter dem Orchester und vor dem Chor positioniert waren. Die Holzbläser wurden interessanterweise mit einem Neumann SM 2 gestützt. Das gleiche System wurde auch bei der Unterstützung der Continuogruppe verwendet. Bei diesem Mikrofon handelt es sich um ein Kleinmembranstereomikrofon, welches damals neu war und häufig eingesetzt wurde. Damit waren die 12 Kanäle belegt, und es war nicht möglich, noch mehr Mikrofone einzusetzen. Gemischt wurde wie damals üblich direkt auf 2-Spur "Schnürsenkel". Weiterhin verriet mir Herr Schweigmann, daß die gesamte Aufnahme auf drängen von Herrn Richter und gegen den Widerstand der Tonmeister nachträglich mit einer Hallplatte verhallt wurde.8

Beim Hören dieser Aufnahme fällt als erstes der wesentlich rundere Sound auf, der von einer Position des Hauptmikrofons weit außerhalb des Hallradius herrührt. Vermutlich wurde eine breite AB-Anordnung (ca. 40 cm) mit zwei Kugeln gewählt. Besonderen Grund für diese Annahme habe ich beim Hören der Echokantate (Teil IV, Nummer 39), die mit einer echten zweiten Sopranstimme am anderen Ende des Aufnahmesaals realisiert wurde. Möglicherweise wurde auch eine spezielle Dreipunkttechnik mit drei Mikrofonen mit Kugelcharakteristik in einem gleichseitigen Dreieck von 1,50m Seitenlänge angewendet, um ein Loch in der mittleren Basis zu vermeiden. Diese Dreipunkttechnik war in den sechziger Jahren ein häufig eingesetztes Mittel der Stereoaufnahmetechnik und ist unter dem Namen Decca Tree bekannt (siehe Abbildung)9.

Denkbar wäre auch eine Faulkner-AB-Anordnung, bei der zwei Mikrofone in Achtercharakteristik wie eine AB-Anordnung auf einer Schiene acht Zoll (ca. 20 cm) auseinander angebracht werden (siehe Abbildung).10 Jedoch ist dann ein solches Klangbild wie auf vorliegender CD nur durch massiven Einsatz von Stützmikrofonen in der Baßgruppe realisierbar, da die Baßwiedergabe bei den einzusetzenden Mikrofonen mit Achtercharakteristik nicht ausreichend stark ist.11

Man kann bei Nummer 39 sehr gut den enormen Raumanteil der Aufnahme hören. Meine Aufnahme hingegen klingt um einiges direkter, was ich aus interpretatorischer Sicht der barocken Musik von Bach auch angemessener finde. Um einen direkten Vergleich zu ermöglichen, empfehle ich Track 1 und 2 auf CD2 nacheinander zu hören. Der Preis für den auf der Polydor Aufnahme erzielten runden und pompösen Sound liegt in der Vernachlässigung der Sprachverständlichkeit des Chores und der Solisten. Die Klangbalance zwischen Chor und Orchester ist für meinen Geschmack ebenfalls etwas zu stark zu Gunsten des Orchesters gegangen, worunter die Präsenz der in Bachwerken oft zu findenden Sechzehntelketten leidet. Ähnliches gilt für die Trompeten, die nicht besonders scharf lokalisiert werden können und stellenweise bei hohen Tönen in der Basis zu springen scheinen, was den Eindruck eines Einsatzes einer AB-Anordnung noch verstärkt. Um auch hier einen direkten Vergleich der beiden Aufnahmen zu ermöglichen, habe ich auf CD2 den Schlußchor des III. Teils, der als Zugabe gespielt wurde, neben den der Archiv Produktion gestellt. (CD2 Tracks 7 und 8)

Als Vorteil ist vor allem in den Rezitativen die Verwendung einer Orgel zu werten, was der Continuogruppe zu mehr Durchsetzungsvermögen verhilft, sich dabei aber weniger unangenehm in den Vordergrund drängt. Leider besitzt die Johanneskirche keine kleine Orgel und das Gießener Ensemble mußte auf das Cembalo zurückgreifen.

11. Häufig gemachte Fehler

In diesem Kapitel soll nun abschließend auf häufig zu beobachtende Fehler eingegangen werden. In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf eine erhältliche Aufnahme des gleichen Gießener Ensembles eingehen. Anhand dieser Produktion werde ich besonders auf fehlerhaftes Aufnehmen in Zusammenhang mit Kunstköpfen eingehen und einige Beispiele für oft zu beobachtende Fehler anführen. Dieses Kapitel soll nicht als herbe Kritik falsch verstanden werden, sondern vielmehr als gut gemeinten Rat für künftige Aufnahmen.

11.1 Falscher Einsatz von Stützmikrofonen

Da ich über die Verwendung von Stützmikrofonen bereits ausgiebig berichtet habe, möchte ich jetzt auf einen besonderen Fall eingehen; nämlich den Einsatz eines Kunstkopfmikrofons mit zusätzlichen Stützen.

Wenn man sich für die Aufnahme mit einem Kunstkopf entschieden hat, muß man sich darüber im klaren sein, daß die Lautsprecherwiedergabe immer nur ein Kompromiß sein kann, da eine Kunstkopfaufnahme eigentlich ausschließlich für Kopfhörerwiedergabe konzipiert ist. Diffusfeldentzerrte Kunstkopfmikrofone lassen jedoch in beschränktem Maße akzeptable Lautsprecherwiedergaben zu. Heikel wird eine Kunstkopfaufnahme erst, wenn Stützmikrofone zum Einsatz kommen, denn die Eigenschaften des Schallfeldes, das am Kunstkopf anliegt, sind nicht die gleichen, die am Stützmikrofon anliegen. Auf der mir vorliegenden Aufnahme wurde ein Kunstkopf der Firma Crown mit sechs verschiedenen Stützmikrofonen verwendet. Auf CD2 befinden sich zwei Tracks dieser Produktion, um für den Betrachter einen genaueren Höreindruck davon zu ermöglichen.

In den meisten Veröffentlichungen zum diesem Thema wird von Stützmikrofonen ganz abgeraten. Es ist aber grundsätzlich möglich Stützen einzusetzen, doch muß man sich eingehende Gedanken über die Entzerrung des Schallfeldes durch die Form der Ohrmuschel und des Gehörgangs machen. Ebenso spielen die Laufzeiten eine wesentlich größere Rolle als bei normalen Stützmikrofonen. Es muß also mit Verzögerungsgeräten gearbeitet werden, um den Laufzeitunterschied zwischen Stützen und Kunstkopf zu kompensieren. Aber die wichtigste Sache ist die Tatsache, daß man binaural stützen muß, um die Eigenschaften der Kunstkopfaufnahme zu erhalten. Das heißt, daß das Signal des Stützmikrofons zweimal am Mischpult anliegen muß, und zwar dem Abstand zu jedem Ohr einzeln entsprechend laufzeitkorrigiert. Es ist dabei unbedingt darauf zu achten, die Panoramapotis so einzusetzen, daß die beiden Stützkanäle hard left und hard right gepannt sind, da die Richtungsinformationen ausschließlich aus den Laufzeitunterschieden resultieren. Damit spart man sich das Panning der Stütze. Unter Toningenieuren nennt man dieses Verfahren panpotfreie Stützmikrofontechnik.

Macht man sich solche Gedanken im Vorfeld einer Aufnahme mit Kunstkopf nicht, so erhält man weder mit Kopfhörer noch über Lautsprecher einen zufriedenstellenden Höreindruck.

11.2 Nicht angemessene Basisbreite

Immer wieder hört man Aufnahmen, auf denen ein Ensemble ganz eng zwischen den Lautsprechern zu stehen scheint. Der Raumeindruck einer solchen Produktion ist in jedem Fall unbefriedigend, denn auch mit der Forderung nach Plausibilität ist dieser Sachverhalt nicht zu erklären. Ein großes Orchester und ein Chor haben in der Realität eine gewisse räumliche Ausdehnung, die man nicht durch ungeeignete Mischung vertuschen darf. Als Beispiel für eine unbefriedigende Abbildung habe ich ebenfalls zwei Tracks auf CD2 gebrannt, die auch Mehrfachabbildungen deutlich (vor allem in den Oboen) zeigen. Diese Mehrfachabbildungen resultieren aus der nicht sorgfältigen Panoramisierung der Stützmikrofone mit zu hohem Pegel.

11.3 Falscher Raumeindruck durch schlechte Hallbalance

Auf CD2 sind auch Beispiele für schlechte Hallbalance zu finden. Hier tritt sie besonders stark in den Vordergrund, da die geringe Stereobasis den Hall wie eine Fahne um das Nutzsignal herum erscheinen läßt. Interessant ist es, daß es sich bei dem Ensemble um das gleiche handelt, das sich für meine Aufnahme zur Verfügung gestellt hat. Sehr schnell verliert eine Aufnahme an Qualität, wenn das Ensemble zu direkt und aggressiv klingt. Das gleiche gilt auch für den umgekehrten Fall, daß eine Aufnahme zu indirekt und diffus erscheint. Beide Extreme sind zu vermeiden, um ein plausibles Klangbild zu erhalten.

11.4 Fehlende oder ungeeignete Schnitte

Hört man sich auf CD2 den Track 12 an, so fällt auf, daß die Pause zwischen der Einleitung und dem darauf folgenden Chorstück nicht geschnitten wurde. Ich bin aber der Meinung, daß jedes Störgeräusch so gut wie möglich entfernt werden muß, um dem Zuhörer einen optimalen Eindruck der Aufnahme zu vermitteln. Um das Problem zu verdeutlichen, habe ich auf CD2 den Track 9 mit dem ungeschnittenen Livematerial gewählt, um ihn direkt mit Track 10 vergleichen zu können, wo die selbe Stelle geschnitten vorliegt.

11.5 Entzerrer, Psychoakustikprozessoren, Dynamikeinheiten

Mit den oben genannten Geräten läßt sich während der Aufnahme, aber auch im Nachhinein der Klang entscheidend verändern. Ich persönlich versuche, durch geeignete Auswahl und Einsatz von Mikrofonen den Gebrauch dieser Geräte weitestgehend zu vermeiden. Selbst Entzerrer verwende ich oft erst am Schnittplatz, um so lange wie möglich das Originalklangbild zu halten. Von Psychoakustik- und Dynamikprozessoren halte ich ganz Abstand, um das Klangbild nicht zu verfälschen, was diese Geräte meiner Meinung nach tun. Gerade Anfänger gehen oft zu verschwenderisch damit um. Fehlerhaft aufgestellte Mikrofone können aber nicht mit technischen Hilfsmitteln zurechtgerückt werden. Vorsicht ist auch gerade bei stereobildverbreiternden Geräten geboten, da sie ernsthafte Phasenprobleme hervorrufen.

12. Erläuterungen zu den beiliegenden CDs

Meiner Arbeit liegen zwei CDs bei, damit die im Text theoretisch beschriebenen Phänomene auch gehört werden können und damit leichter begreifbar sind. CD1 enthält die geschnittene Fassung der Teile IV bis VI des Weihnachtsoratoriums von J. S. Bach. CD2 enthält Beispiele für Tatsachen, auf die ich im Laufe der Arbeit eingegangen bin.

Track 1 Echoarie (Nummer 39) in der Aufnahme der Polydor Archiv Produktion Track 2 Echoarie Aufnahme von Gießen Mit diesen beiden Stücken möchte ich den Unterschied der Hallbalance zwischen meiner Aufnahme und der Polydor Produktion aufzeigen. Bei diesem Stück ist das aufgrund der Komposition von Bach besonders gut zu hören. Leider konnte das Gießener Ensemble nicht auf einen zweiten Solosopran zurückgreifen, sodaß ein Mitglied des Chores aus dem Stimmenverband heraus die Echostimme übernahm. Somit war es mir nicht möglich, den Effekt des entfernten Echos so abzubilden, wie es auf der Archiv Produktion zu hören ist. Noch einmal möchte ich erwähnen, daß ich es als Vorteil empfinde, das Weihnachtsoratorium von Bach direkter zu mischen. Die Polydor Aufnahme ist mir persönlich zu diffus geraten, was auch die Absicht des Kirchenmusikers Bach, die Freude über Christi Geburt kompositorisch darzustellen, verschwimmen läßt.

Track 3 Evangelist (Nummer 37) in der Aufnahme der Polydor Archiv Produktion Track 4 Evangelist Aufnahme von Gießen

Die dramaturgische Gestaltung der Rezitative soll mit diesem Vergleich näher betrachtet werden. Auf beiden Aufnahmen ist es gelungen, dem Solotenor die nötige Präsenz und Fülle zu verleihen, die er für die Rolle des Evangelisten benötigt. Schön zu vergleichen ist auch die unterschiedliche Wirkung von Orgel und Cembalo, wobei ich die Orgel aufgrund ihrer reicheren Bässe bevorzuge. Aus musikalischer und historischer Sicht sei jedoch noch erwähnt,daß Orgel und Cembalo auch zu Bachs Zeiten bereits als austauschbar angesehen wurden.

Track 5 Arioso (Nummer 38) in der Aufnahme der Polydor Archiv Produktion

Track 6 Arioso Aufnahme von Gießen

Es handelt sich hierbei um ein Rezitativ des Solobasses mit anschließendem Duett mit dem Chorsopran. Hier kann man schön die Klangbalance zwischen dem Solisten und den Chorstimmen vergleichen. Wichtig ist, daß der Solobaß nicht zu mächtig gegenüber den Frauenstimmen erscheint, die nur ein Mezzopiano notiert haben. Auf meiner Aufnahme ist mir das nicht ganz zufriedenstellend gelungen.

Track 7 Chor (Nummer 35) in der Aufnahme der Polydor Archiv Produktion

Track 8 Chor Aufnahme von Gießen

Geht man davon aus, daß es sich bei der Polydor Produktion um eine Aufnahme unter Studiobedingungen handelt, so fällt mir die für meinen Geschmack zu einseitige Hallbalance zu Gunsten des Orchesters auf.

Track 9 Schnitt Pause zwischen Nummer 37 und 38 ungeschnitten

Track 10 Schnitt gleiche Stelle wie Track 9, doch hier mit eingefügter Standardpause

Track 11 Pause Die von mir produzierte Standardpause, die bei vielen Schnitten auf CD1 zu hören ist

Track 12 Beispiel Aus Josua von G. F. Händel Introitus Index 1 Erstes Chorstück "Ihr Söhne Israels"

Mit diesen beiden Stücken kann man sehr schön häufig gemachte Fehler erläutern. Es handelt sich um eine Aufnahme mit einem Kunstkopf als Stereohauptmikrofon und sechs Stützmikrofonen. Die Auswirkungen des unsachgemäßen Handhabens der Stützen wie in Kapitel 11.1 beschrieben wird, kann man hier sehr gut erfassen. Die Mehrdeutigkeiten, die hier stark auftreten, empfindet man als besonders unangenehm; sie trüben das ohnehin sehr schwammige Klangbild. Die erreichte Basisbreite der Aufnahme liegt sehr eng in der Mitte der Lautsprecher, sodaß man fast den Eindruck bekommt, man hätte es mit einer Monoaufnahme zu tun. Der Hallanteil, der um das eigentliche Musiksignal herumwabert und zu einem großen Teil aus digitalem Hall eines Yamaha Rev 7 Effektgerätes besteht, hat wiederum Überbasis. Das Gefühl, das sich beim Hören einstellt, läßt sich mit Druck auf den Ohren beschreiben.

13. Eigene Stellungnahme

Das Ziel meiner Arbeit ist es, einen Überblick über die Vorgehensweise und Lösung auftretender Probleme bei einer komplexen Aufnahme eines klassischen Werkes zu geben.

Ich habe bewußt die theoretischen Grundlagen der Stereomikrofonie in den Hintergrund treten lassen, um mich mehr der Dokumentation meiner Aufnahme widmen zu können, da ich die Theorie zu diesem Themenkomplex voraussetze. Selbstverständlich ist diese Facharbeit kein Rezept für künftige Aufnahmen, enthält aber einige Tips, die Entscheidungen vor Ort erleichtern können.

Die vorliegende Aufnahme ist sicherlich nicht mit dem hohen Standard professioneller Aufnahmen unter Studiobedingungen zu vergleichen, da in der Johanneskirche etwa 580 Zuhörer anwesend waren. Mit dem Klangbild und der Lokalisation der Phantomschallquellen bin ich persönlich trotzdem zufrieden und sehe meine Ausführungen zu diesem weitläufigen Thema bestätigt.

13.1 Ein Wort zur Monokompatibilität

Es ist sicherlich eine Berechtigte Forderung der Rundfunkanstalten, eine monokompatible Aufnahme anzustreben. Andererseits besteht dann die Gefahr, eine Produktion nach der Anzeige des Korrelationsgradmessers anzufertigen. Solche Aufnahmen klingen häufig zu technisch und musikalisch kalt. Wenn ein Stück eine Überbasis dramaturgisch erfordert, so bin ich stets bereit, eine Korrelation im negativen Bereich zu riskieren. Außerdem ist es ein Trugschluß anzunehmen, die Aufnahme sei nicht monokompatibel, wenn sich die Anzeige um null bewegt und ab und zu in den roten Bereich flackert. Vergleicht man die angezeigten Werte des Korrelationsgradmessers mit denen eines Stereosichtgerätes, so fällt auf, daß man laut Stereosichtgerät noch kompatibel ist, während sich der Korrelationsgradmesser bereits im negativen Bereich befindet.

In der heutigen Zeit hat die negative Korrelation auch ihre Schrecken verloren, da dem Verbraucher immer mehr Geräte in Stereotechnik zur Verfügung stehen.

14. Schlußbemerkung

Abschließend möchte ich nochmals meinen Dank an alle Beteiligten aussprechen, ohne die diese Arbeit nicht in vorliegendem Umfang hätte angefertigt werden können. Leider hatte ich keine Möglichkeit, eine Aufnahme unter Studiobedingungen anzufertigen. Die hier zur Verfügung stehende Zeit der Mikrofonpositionierung steht in keiner Relation zu der bei meinem Konzertmitschnitt. Ebenfalls schade ist es, daß ich keine Mehrspurmaschine einstzen konnte, um eine Mischung ohne Zeitdruck erstellen zu können. Das Ergebnis, welches auf CD1 zu hören ist, wird nicht kommerziell genutzt und es werden keine weiteren Exemplare auf CD erscheinen. Lediglich einige MCs werden interessierten Chormitgliedern und Musikern des Orchesters zum Selbstkostenpreis angeboten.

Literaturliste

Wuttke, Jörg, Altes und Neues zum Thema "Kondensatormikrofon mit Kugelcharakteristik", Manuskript eines Vortrages, Herausgeber: Firma Schoeps

Bertram, Karl, Ü ber den Umgang mit Stereo - Koinzidenzmikrofonen, Sonderdruck der Telefunken-Zeitung, Jahrgang 38 (1965),Heft 3/4

Dickreiter, Michael, Handbuch der Tonstudiotechnik, Band 1, 5. Auflage, K. G. Saur Verlag KG, München, 1987

Wendt, Karl, Das Richtungshören bei Zweikanalstereophonie, Rundfunktechnische Mitteilungen, Bd 8,.1964

Görne, Thomas, Mikrofone in Theorie und Praxis, Elektor Verlag, Aachen, 1994

Abbildungsverzeichnis

Seite 8, Abbildung 1, Blick in das Innere des Regiewagens, Jörg Pelka, 1997

Seite 16, Abbildung 2, Abb.6/21. Blockschaltbild des aktiven Richtungs- mischers, aus "Handbuch der Tonstudiotechnik", M. Dickreiter, S.377

Seite 16, Abbildung 3, Abb. 6/20. Richtungsmischer und Schaltungs- symbol, aus "Handbuch der Tonstudiotechnik", M. Dickreiter, S.376

Seite 23, Abbildung 4, Mikrofon- und Aufstellungsplan, Jörg Pelka und Ben Krug, 1997

Seite 25, Abbildung 5, Stereohauptmikrofon (CMC 53 und CMC 58 auf UMS 20), Jörg Pelka, 1997

Seite 27, Abbildung 6, Bild 11. Projektion abgesetzter Teilklangkörper, aus Sonderdruck der Telefunkenzeitung Jahrgang 38 (1965), Heft 3/4, S.10

Seite 33, Abbildung 7, Das Stereohauptmikrofon im Raum, Jörg Pelka, 1997

Seite 34, Abbildung 8, Aufstellung des Ensembles und der Mikrofone 1, Jörg Pelka, 1997

Seite 34, Abbildung 9, Aufstellung des Ensembles und der Mikrofone 2, Jörg Pelka, 1997

Seite 35, Abbildung 10, Blick auf die einige Mikrofone, Jörg Pelka, 1997

Seite 47, Abbildung 11, Abbildung 5.17 Decca Tree, aus "Mikrofone in Theorie und Praxis",

T. Görne, S.119

Seite 48, Abbildung 12, Abbildung 5.16 "Faulkner-AB-Anordnung", aus "Mikrofone in Theorie und Praxis", T. Görne, S.118

[...]


1 Aus einem Vortrag von Jörg Wuttke der Firma Schoeps aus der Serie Altes und neues zum Thema"Kondensatormikrofon mit Kugelcharakteristik"

2 vgl. Sonderdruck der Telefunken-Zeitung, Jahrgang 38 (1965), Heft 3/4, S.338-347, K.Bertram

3 vgl. Handbuch der Tonstudiotechnik, M. Dickreiter S. 376 Abb.6/20 u. S. 377 Abb.6/21

4 vgl. Handbuch der Tonstudiotechnik, M. Dickreiter S.275 ff

5 vgl. Sonderdruck der Telefunken-Zeitung, Jahrgang 38 (1965), Heft 3/4, S.338-347, K.Bertram

6 vgl. Das Richtungshören bei Zweikanalstereophonie, K. Wendt, Rundfunktechn. Mitt. Bd.8 (1964) H.3, S.171 ff.

7 PPM=Peak Program Meter

8 Diese Daten bekam ich über ein Telefonat mit Herrn Schweigmann und durch ein Fax der Deutschen Grammophon GmbH Recording Centre Hannover vom 28.1.1997

9 vgl. "Mikrofone in Theorie und Praxis", T. Görne, Elektor Verlag Aachen, 1994, S.119

10 vgl. "Mikrofone in Theorie und Praxis", T. Görne, Elektor Verlag Aachen, 1994, S.118

11 Die Vermutungen, die ich hier angestellt habe, liegen zeitlich vor dem Eintreffen der Daten der Deutschen Grammophon GmbH und Herrn Schweigmann. Ich halte es aber trotzdem für wichtig, daß der Leser meine Gedankengänge nachvollziehen kann.

Ende der Leseprobe aus 39 Seiten

Details

Titel
Stereomikrofonie
Hochschule
SAE Institute Frankfurt am Main  (Frankfurt am Main)
Veranstaltung
Veranstaltung
Note
1
Autor
Jahr
1997
Seiten
39
Katalognummer
V94928
ISBN (eBook)
9783638076081
Dateigröße
532 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Der Arbeit war eine angefertigte Aufnahme des W.O. beigelegt. Die CDs und die Grafiken sind aber in der Datei nicht erhalten. Ein Abbildungsverzeichnis gibt jedoch die Quellen der Grafiken an.
Schlagworte
Stereomikrofonie, Veranstaltung
Arbeit zitieren
Ben Krug (Autor:in), 1997, Stereomikrofonie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94928

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Titel: Stereomikrofonie



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