Die römische Malerei (200 v.Chr. - 500 n.Chr.)


Referat / Aufsatz (Schule), 1999

7 Seiten


Leseprobe


DIE RÖMISCHE MALEREI

(200 v.Chr. - 500 n.Chr.)

Die Wandmalerei verschafft uns tiefe Einsichten über den Geschmack und die kulturellen Interessen der samnitischen Patrizier in Pompeji. Sie breitet ein ganzes Programm aus, in dem sich die Weltanschauung der Auftraggeber widerspiegelt.

Die Wandmalerei in Pompeji, die sich natürlich im Laufe der Zeit gemäß den Entwicklungen und Ansprüchen der Gesellschaft veränderte, wurde von August Mau in vier unterschiedliche Stile gegliedert, deren Numerierung von I bis IV sich durchsetzte und deren jeder sich auf eine bestimmte Epoche der Stadtgeschichte bezieht.

DER I. STIL

Der I., auch "strukturell" genannte Stil beherrscht unbestreitbar die samnitische Zeit. Als wahrhaft internationale künstlerische Ausdrucksform, die sich in den verschiedensten Kunstgattungen auswirkt, ist er so gut wie überall in der hellenistischen Welt verbreitet. Seine Hauptaufgabe ist zunächst die Verkleidung der oft aus dürftigen Materialien in bescheidener Technik errichteten Mauern durch eine Stuckschicht, die als Teil einer sorgfältig durchdachten architektonischen Struktur aufwendig aus sorgsam behauenen Steinblöcken erbaut wurde. (Stuck ist eine gut formbare, schnell erhärtende Masse aus Gips, Kalk, Sand und Wasser, die so bearbeitet und bemalt wird, daß der Eindruck einer Wand erweckt wird.) Infolgedessen stößt man auf Beispiele dieses I. Stils besonders häufig in den Häusern der nicht den ganz so großen Aufwand pflegenden Reichen, woraus man schließen kann, daß diese Art der Dekoration besonders geschätzt war bei den zwar Wohlhabenden, aber nicht unbedingt den sehr Reichen. Doch kann man hier auch schon ein neues Phänomen verfolgen: Die Malerei, die ursprünglich eine architektonische Struktur vortäuschen sollte, verselbständigt sich und bildet ganz unabhängig eine originale Formensprache aus, die sich von der Illusion zur Allusion, also zur Andeutung oder Anspielung entwickelt.

Die pompejanischen Handelsherren befuhren die Meere des hellenisierten Orients und hatten Kontakt mit Kunst und Kultur hochentwickelter Gesellschaften. Sie waren natürlich daran interessiert, dank ihres Handels reich zu werden, aber es ging ihnen auch darum, einen neuen Lebensstil einzuführen. Doch sie konnten zwar ihre Häuser vergrößern und sie den prachtvollen Wohnsitzen der Stadtherrscher vergleichbar machen, der dortige Glanz des Marmors blieb ihnen aber versagt. Man ließ sich also die Imitation des Marmors einfallen, indem man Stuck in den Tönen von Serpentin, Cipollin, und anderen wertvollen Marmorarten färbte und auch die Äderungen und Streifen nachahmte. Farbe und Effekt des Marmors verbinden sich mit strenger, absolut geometrischer Gestaltung der aufgemalten Scheinarchitektur, bei der über einem dunklen Sockel eine Basis aus großen Platten oder Quader-Vorderfronten aufsteigt, über der wiederum kleinere Rechteckquader in regelmäßigen horizontalen Lagen aufgeschichtet sind. Diese Malereien gehen über die Ecken hinweg von einer Wand zur anderen über und erzeugen durch ihren verhüllenden Charakter einen bewußten Abstand zur Realität, die typisch werden wird für die weiteren Stile der pompejanischen Wandmalerei. Über den rechteckigen Blöcken schließt ein stark vorspringendes Gesims aus weißem Stuck die oft sehr hohe Wand an, über dem noch eine gemalte Scheinloggia aufragen kann mit Halbsäulen aus Stuck. Alle diese Elemente, die den repräsentativen Charakter des Ganzen hervorheben sollen, unterstreichen die Höhenwirkung und sind eine wichtige Ergänzung der tatsächlichen Architektur. In den beiden Peristylen des Hauses des Fauns zum Beispiel sind die Streifen rechteckiger Quader eingefaßt von Wandpfeilern (Stuck-Halbsäulen), die, über die ganze Höhe angeordnet, im rhythmischen Widerspiel mit den Säulen des Portikus einen Eindruck von Ausdehnung des Raumes vermittelt, in dem sich bereits die Vorliebe für perspektivische Täuschungen angekündigt, die so typisch sein wird für den II. Stil. Im selben Atemzug scheint die Dekoration der Friese mit Weinlaub und Weinranken, welche die wirklich im Garten vorhandenen Blumen und sonstigen Pflanzen ergänzt, das pulsierende Leben der Natur verlängern zu wollen, das man nun in die Mauern des Hauses hereinholen konnte.

DER II. STIL

Die Wandmalerei vermittelt uns nun ein Abbild des verfeinerten Lebensstils in der Villa, der, aus Rom übertragen, mehr war als eine Mode - er wurde zur Leidenschaft. Die römische Aristokratie führt in Pompeji einen neuen Dekorationsstil ein, der ebenso typisch für diese Periode ist wie die neue, als "Opus quasi reticulatum" bezeichnete Art der Mauerung, bei der man die polygonal zugeschnittenen Tuffsteine in gleichmäßigen Reihungen mit Mörtel verband.

Der II. Stil der seine Wurzeln im hellenistischen Orient hat, setzt in der römischen Welt die Tendenzen fort, die sich schon in der Architektur des I. Stils ankündigten. Nun aber ist er allein auf die Malerei beschränkt, um auf Mauern Säulen, Portiken und Umrahmungen zu zaubern und damit die Illusion einer Erweiterung des Raumes über die Wände hinaus zu schaffen, die sich aufzulösen scheint, dank der aufgemalten Scheinarchitekturen, die sich bevölkern mit Menschen und Tieren und Zubehör aller Art und oft auch symbolischen Charakter. So entstehen regelrechte Miniaturbühnen, auf denen Personen in Lebensgröße geheimnisvolle Mysterienhandlungen darstellen oder in Szenen auftreten, die für den heutigen Betrachter, selbst wenn er ihnen nüchtern und distanziert gegenübersteht, getreue Abbilder des damaligen Lebens sind. Rechtlich und auch faktisch zu römischen Bürgern geworden, drängen die Pompejaner ungeduldig nach Aneignung der Kultur und Weltanschauung der Hauptstadt und lassen sich anregen von den neuen Kunstauffassungen der weltbürgerlichen römischen Aristokratie, die sich ihren Landstrich zur bevorzugten Erholungsregion erkoren hat. Man strebt danach, die "realistische und optische Täuschung" mit ihren Scheinarchitekturen zu nutzen, um den Räumen mehr Weite zu verleihen. Während bisher die Wand bewußt verdeckt wurde durch die aufgemalten Architekturteile, die möglichst real wirken sollten, spielt sie jetzt als Vordergrund eine wichtige Rolle, indem sich zwischen den aufgemalten Fassaden tiefe Ausblicke auf perspektivische Säulenreihen, auf Hintergrundarchitekturen und Landschaften öffnen, die sich in der Ferne verlieren. Durch die gemalte Fiktion öffnen sich die Räume zur äußeren Welt, die so Zugang ins Haus erhält und sich den Blicken ebenso darbietet wie bei den echten Aussichten durch Fenster der Landhäuser.

DER III. STIL

Schon während der letzten Jahre der republikanischen Zeit hatte der II. Stil erhebliche Veränderungen erlebt, die ihn bei der Architekturdarstellung mehr und mehr vom Realismus zum Illusionismus mit Effekten der optischen Täuschung geführt hatten. Die Strukturen wurden zurückhaltender und schienen nun eher eine eigentlich malerische Dimension anzunehmen statt der bisherigen Reproduktion der Realität. Die perspektivischen Ansichten von Bauten und Kolonnaden in der Mitte der bemalten Wand machen nun "eigentlichen Bildern" Platz, und die Scheinarchitekturen werden zunehmend zu einer Art von Umrahmung. Während man vorher die Wand durch illusionistische Spielereien sozusagen verschwinden lassen wollte, wird sie nun zum Träger für selbständige ornamentale und phantastische Darstellungen, in denen die Säulen sich in Pflanzenstengel oder ähnliches verwandeln, während die Flächen unterteilt und gegliedert werden.

Die Komponenten und Bedeutungen der Dekorationsmuster jener Malerei, deren Aufgabe es war, Häuser so auszugestalten, daß sie den Rang und die gesellschaftliche Stellung des Besitzers veranschaulichten, waren nun allgemein geläufig. Die Malerei kann also nun auf die beschreibende Darstellung der Realität verzichten und sich darauf beschränken, diese anzudeuten, wofür sie eine eigene, rein symbolische Ausdrucksweise entwickelt. Jeder Betrachter ist sich jetzt der allegorischen Bedeutung einer Säule bewußt, und diese muß nun nicht mehr realistisch dargestellt werden, damit ihre Funktion auf der Wand klar erkennbar wird. Die Malerei kann nun, befreit von der Tyrannei der Architekturimitation, einen eigenständigen bildnerischen Weg verfolgen.

So entsteht und verbreitet sich der III. Stil, überaus erfindungsreich und vielleicht der schönste von allen. Einer präzisen dekorativen Vorgabe folgend, wird die Wand nun in drei Zonen geteilt den Sockel, das Mittelfeld und die Oberzone. Auch bei den vorhergehenden Stilen ergab sich diese Gliederung schon logisch, doch nun wird sie zum streng verbindlichen Kanon. Jede Wand für sich, deren Zusammenspiel mit den anderen nur noch formell und im Hinblick auf die Gesamtwirkung berücksichtigt wird, gewinnt nun ein Eigenleben. Die Architekturen in der Mittelzone, der wichtigsten, öffnen sich zur Mitte hin und formen eine Ädikula, die nur noch als Rahmen den Blick lenken soll auf eine große figürliche Darstellung, im allgemeinen der griechischen Mythologie entnommen, dem Brennpunkt der Gesamtdekoration und der Ort, an dem ein Spezialist für solche Gemälde sein ganzes Talent beweisen kann. Diese Gemälde, die von den Motiven her oft in allen Räumen eines Hauses vom gleichen Themenkreis bestimmt sind, gehören zum schönsten, was uns an antiker Malerei erhalten blieb. Diese Malereien beeindrucken uns trotz einer gewissen Kühle im Ausdruck durch die Kraft ihrer Farben, die dargestellten Szenen, ihre Gesamtauffassung und die Welt, die sie heraufbeschwören und verschaffen uns nicht ästhetischen und geistigen Genuß, sondern eher emotionellen und intellektuellen von einer seltenen Eindringlichkeit.

In der Oberzone werden die Architekturen miniaturenhaft und drücken mit ihren arabesken-, ranken- und volutenförmigen pflanzlichen Elementen, die jetzt bestimmender Bestandteil des dekorativen Repertoires werden, die bewußte Ablehnung realer Gestaltung aus. Dem jetzigen Zeitgeschmack entsprechen schlichte ornamentale Kompositionen mit kleinen Landschaftsbildern oder Stilleben, Masken oder Phantasiefiguren; was immer die Vorstellungskraft hervorbringt, ist harmonisch eingefügt in einen streng und rationell gegliederten Gesamtrahmen.

Ägypten scheint in den Träumen der Pompejaner einen bevorzugten Platz eingenommen zu haben mit den Geheimnissen seiner jahrtausendealten Gottheiten, die sich schon seit langem der römischen Götterwelt zugesellt haben, und seinen von Pygmäen und exotischen Tieren bevölkerten Niluferlandschaften. Als unerschöpfliche Quelle der Innendekoration ist Ägypten nicht nur zur Mode geworden, sondern fast schon zur Besessenheit.

DER IV. STIL

Im III. Stil war in der Endphase bereits eine gewisse Tendenz zur Überladung der Wanddekoration spürbar. Die Elemente der das Mittelbild umrahmenden Ädikula verwandeln sich allmählich zu schmalen ornamentalen Feldern in denen dann wiederum durch gemalte Architekturen Effekte der Perspektive und der Öffnung geschaffen werden, während gekurvte und gewellte Linien, welche die Illusion gewölbter oder gehöhlter Formen erwecken sollen, mehr und mehr die ganze dekorierte Fläche erobern. In der Oberzone. die gleichwohl weiterhin sozusagen unabhängige Miniaturarchitekturen zeigt, wagt man sich jetzt an immer kompliziertere Perspektiven und an figürliche Darstellungen wie Masken, geöffnete Türen oder kleine Gemälde, die sich dort in immer merkwürdigeren Kompositionen ohne Rücksicht auf Logik oder Zusammenhang ausbreiten. Im IV. Stil verstärken sich diese Tendenzen noch. Die Seitenstreifen der Mittelzone "öffnen sich" zu Architekturperspektiven, die den Blick weit über die Wand hinaus führen. Gelegentlich wird die ganze Wand zu einer Art von Bühne für komplizierte, phantastische architektonische Spielereien, die nicht mehr das geringste zu tun haben mit den ,,realistischen" Scheinarchitekturen des II. Stils. Die Farben werden aggressiv, und die Farbkontraste zwischen den verschiedenen Wandzonen die sich bisher auf harmonische Gegenüberstellungen gedämpfter Hintergrundtöne beschränkten - werden nun grell und heftig. Die ornamentalen Motive, ausgeführt mit der Sorgfalt von Miniaturen und einer fast schon manischen Detailversessenheit, häufen sich und durchdringen einander in einer Überfülle, die die Angst vor der Leere spüren lassen. Im Mittelpunkt der jeweiligen Dekoration ziehen in der Luft schwebende oder in Medaillons gesetzte Personen, die Aufmerksamkeit auf sich. Dabei steht die neue Darstellungsweise dieser Gemälde in absolutem Gegensatz zur überladenen Dekoration auf den Bordüren dieser

"Bildteppiche", die so typisch ist für den IV. Stil. Denn eine gewisse Flüssigkeit des Pinselstrichs, eine gewissermaßen "impressionistische" Malweise, die sorgfältige Verwendung von Schatten zur Betonung der Körperformen machen diese Szenen sehr lebendig. Überdies sorgen die Pinselstriche und Farbflecken, vor allem in den Landschaften, im Wechsel von Licht und Schatten für Hell-Dunkel-Effekte, die einen Eindruck von Tiefe vermitteln.

All diese so ungemein vielfältigen Strömungen finden ihren Ausdruck im herkömmlichen Kompositionsrahmen und bestehenden Kanon. Dabei findet man häufig auch in einfacheren Wohnstätten Wandmalereien, wenn auch gröber und weniger aufwendig. Diese verzichten auf komplizierte Ornamente zugunsten schlichter Bildflächen in bestimmten Grundtönen, die kleinformatig mit stereotypen Motiven nach Vorlagen aus der griechischen Tradition bemalt werden, die ständig wiederholt werden.

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Details

Titel
Die römische Malerei (200 v.Chr. - 500 n.Chr.)
Autor
Jahr
1999
Seiten
7
Katalognummer
V94875
ISBN (eBook)
9783638075558
Dateigröße
368 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Malerei
Arbeit zitieren
Eva-Maria Nell (Autor:in), 1999, Die römische Malerei (200 v.Chr. - 500 n.Chr.), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94875

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