Globalisierung


Hausarbeit, 2000

16 Seiten


Leseprobe


0 Einleitung

Meine Intention für die Wahl dieses Themas für meine Zwischenprüfungsarbeit ergab sich aus seiner Aktualität und aus der persönlichen Betroffenheit des einzelnen, da wir an einem Punkt angelangt sind, wo die Folgen der Globalisierung für jeden Menschen - mag er sich dessen bewußt sein oder nicht - an der eigenen Haut spürbar sind. Ich reagiere damit lediglich auf die mir jeden Tag begegnende Ohnmacht meiner Mitmenschen, die globale Situation zu erkennen oder gar daraus ihre Konsequenzen zu ziehen. Ich werde also versuchen, der allgemeinen Resignation zu begegnen, indem ich die Situation von verschiedenen Seiten beleuchten und mögliche Alternativen erarbeiten werde, für deren Realisierung es sicher einer umfassenden Entwicklung im Bewußtsein der Menschen bedarf, deren Existenz und Annahme jedoch vielleicht eine positivere Perspektive bietet.

Ich werde mich in meiner Arbeit im Wesentlichen auf die politischen und soziologischen Aspekte der Globalisierung der kapitalistischen Marktwirtschaft beziehen, obwohl auch andere Faktoren - vor allem Wirtschaft und Umwelt - oft derart damit verflochten sind, daß man nicht umhin kann, auch jene Bereiche zu tangieren. Eine vollständige Abhandlung über dieses Thema würde jedoch den Rahmen meiner Arbeit sprengen, deshalb werde ich mich darauf beschränken, die Ursachen sowie die heutigen Ausmaße der Globalisierung hinreichend zu beleuchten, bevor ich die Möglichkeiten politischer Partizipation seitens staatenunabhängiger Nichtregierungsorganisationen (Non-Goverment-Organisations = NGO's) anhand der Beispiele von Greenpeace und Amnesty International und eventuelle Auswege aus dieser Situation behandle.

1.Was heißt ,,Globalisierung"?

An erster Stelle ist hier anzumerken, daß im Laufe der letzten Jahrhunderte nahezu alle politischen Formen - man denke beispielsweise an die Zielvorstellungen einer ,,One Nation" seitens der Kommunisten und der Anarchisten - und viele Religionen - vor allem im nahen Osten sind Politik und religiöser Fundamentalismus untrennbar miteinander verwoben - den Anspruch einer ,,Globalisierung", d.h. einer globalen Ausbreitung hatten, die wiederum in vielen Fällen die Ausgrenzung bzw. Unterdrückung anderer, konträrer Systeme beinhalten sollte. Die uns heute beschäftigende ,,Globalisierung" bezieht sich jedoch allein auf die weltweite Expansion der kapitalistischen Marktwirtschaft. Welche anderen ,,Globalisierungen" diese künftig vielleicht einmal nach sich ziehen wird, ist heute schwer abzuschätzen.

Eine Theorie der Globalisierung existiert gegenwärtig noch nicht, was unter anderem zur Folge hat, daß die Meinungen über deren Umfang sowie über zeitliche und ökonomische Ausmaße stark differieren.

Ein erster ,,Globalisierungsschub" war bereits Mitte bis Ende des letzten Jahrhunderts zu beobachten in Form von gewaltsamer Ausbreitung des Kapitalismus in den Entwicklungsländern, gestützt auf eine inflationäre Entwicklung der Kommunikationstechnik und gekennzeichnet durch den Aufbau einer weltweiten Infrastruktur und die aggressive, von Kriegsmaschinerie unterstützte Ausbeutung der Ressourcen der betroffenen Länder. Um die dem Prozeß der Globalisierung innewohnende Risiken und Zerstörungspotentiale diskutieren zu können und da der Begriff ,,Globalisierung" in starkem Maße zunehmend gebraucht wird und seine Semantik unklar ist, bedarf es einer begrifflichen Klärung.

,,Von Globalisierung wird erstens gesprochen, wenn es darum geht, die globale Reichweite der Umweltrisiken zu charakterisieren. Umweltschäden sind weder räumlich begrenzt noch zeitlich umkehrbar, weder klassenbezogen noch an den Ort ihrer Entstehung gebunden. [...] Zweitens wird unter ,,Globalisierung" die expansive Eroberung der Entwicklungsländer durch das Wohlstandsmodell verstanden, in deren Verlauf traditionelle Kulturen verschwinden, die Systeme einer kapitalistischen Marktwirtschaft und einer formalen Demokratie sich ausbreiten und die Einbindung der weniger entwickelten Wirtschaften in den von den Industriemächten dominierten Weltmarkt erzwungen wird. [...] Drittens bedeutet ,,Globalisierung" die Rückwirkung jener Expansion der Industriestaaten in die Entwicklungsstaaten - eine zunehmende Weltmarktintegration und Wettbewerbsfähigkeit der neu industrialisierten Schwellenländer [...]." (HENGSBACH 1997, S. 4)

Hengsbach als Ökonom wirft den Politikwissenschaftlern und Soziologen allerdings vor, daß es sich bei der ,,Globalisierungsdebatte" um ein subjektives Deutungsmuster handle, das sich von der Wirklichkeit abhebe und daß Urteile aufgrund statistischer Daten über die Ausmaße der weltwirtschaftlichen Verflechtungen sowie über die daraus zu ziehenden Konsequenzen mit äußerster Vorsicht zu fällen seien. (Vgl. HENGSBACH 1997, S. 3) Dem stehen allerdings harte Fakten entgegen: Weltweite Rationalisierung von Arbeitsplätzen, eine sich vertiefende Kluft zwischen an globaler wirtschaftlicher Konkurrenzfähigkeit orientierten Regierungen versus um die eigene Existenz bangendes Volk, globale ökologische Katastrophen, welche schon lange nicht mehr national zu bewältigen sind, eine weltweit steigende Armut, für deren Ausmaße die starken West-Ost- und Süd-Nord-Bewegungen ein deutliches Zeichen setzen, ein sich auflösender Sozialstaat in den Teilen der Welt, in denen eine Form von institutionell abgesicherter sozialer Verantwortung des Staates gegenüber dem Volk einmal erreicht worden ist und zuletzt die sich häufenden Kriege, geschürt durch wirtschaftliche Interessen einflußreicher Großmächte. Weitere Beispiele dafür, daß die wirtschaftliche Globalisierung zugunsten großer Konzerne auf Kosten eines großen Teils der Menschheit geht, wären hier problemlos anzuführen.

In diesem Sinne ist die Globalisierung eine Tatsache, die eine produktive Reaktion fordert, wenn der Prozeß auch zu vielschichtig ist, um in klaren Linien umrissen werden zu können.

1.1 Voraussetzungen für eine Globalisierung der kapitalistischen Marktwirtschaft

Die Voraussetzungen für eine Globalisierung des Kapitals setzen sich zusammen aus einem äußerst komplexen Netz einzelner Faktoren, die hier nicht alle Platz finden; ich werde mich jedoch bemühen, die wesentlichen Bedingungen bzw. Ursachen zu erläutern. Eine grundlegende Voraussetzung für eine weltweite Ausbreitung des Kapitalismus ist die Revolution der Kommunikationstechnik und der Infrastruktur. Ohne neue Seewege, Eisenbahn, Dampfboote und schließlich hochentwickelten Flugmaschinen einerseits und die Entwicklung von Telegraph, Telefon bis hin zu abstrakten, ortsunabhängigen Konferenzräumen im ,,Cyberspace", in denen über das Internet ,,online" rund um die Uhr auf dem Weltmarkt gehandelt wird andererseits wäre es unvorstellbar, den Planeten organisatorisch praktisch auf die Größe eines westeuropäischen Nationalstaates zu miniaturisieren. Auch die Regionalisierung der Weltwirtschaft in wenige Zentren hat hier eine wesentliche Ursache.

Die Globalisierung als zerstörender und rekonstituierender Prozeß traditioneller wirtschaftlicher und politischer Herrschaftsstrukturen in heutigem Ausmaß hat eine weitere wesentliche Ursache in der seit den siebziger Jahren andauernden Krise des Fordismus in den westlichen Industriestaaten. Dieser war unter der Hegemonie der USA vor allem charakterisiert durch tayloristische Massenproduktion, Massenkonsum, Staatsintervention mit dem Ziel wirtschaftlichen Wachstums und Vollbeschäftigung sowie den Aufbau des Sozialstaates.

Die genauen Ursachen der Krise des Fordismus können hier nicht erläutert werden, wenn auch eine wachsende Internationalisierung des Kapitals einen wesentlichen Teil dazu beigetragen hat. Die kapitalistische Reaktion bestand in einer ,,umfassenden Politik der Flexibilisierung und der Deregulierung. [...] Für das internationale Kapital wurde es dadurch [...] leichter, sich über alle nationalen Grenzen hinweg dahin zu bewegen, wo die Anlagemöglichkeiten am profitabelsten sind." (HIRSCH 1995, S. 37)

Der Nationalstaat hatte während des Fordismus durch eine demokratisch relativ beeinflußbare Regierung und die institutionelle Gewährleistung eines Mindestmaßes bourgeoiser Lebensart

- wenn auch hauptsächlich in den Ballungszentren - für das zuvor deklassierte Proletariat gewissermaßen seinen Höhepunkt erfahren, obwohl die sehr freizügig gewährten Leistungen des Sozialstaates oft zu Lasten der Arbeiterklasse und vor allem der ländlichen Bevölkerung gingen.

Als in den achtziger Jahren die Profitrate allmählich zu sinken begann und die Staatsverschuldung stieg, schwenkte man vom Keynesianismus um auf die sog.

,,Angebotspolitik", d.h. die gezielte Verbesserung der Produktionsbedingungen, u.a. durch staatliche Investitionen in die Unternehmen. Die zu diesem Zweck aufgewendeten Gelder wurden jedoch zu großen Teilen nicht, wie beabsichtigt, für die Schaffung neuer bzw. die Erhaltung alter, weniger rentabler Arbeitsplätze im jeweiligen Land angelegt - was einer der Gründe für das Scheitern der sozialdemokratischen Regierung der Bundesrepublik Deutschland Anfang der achtziger Jahre war - sondern flossen in jene Länder, in denen Zweigstellen und Produktionsstandorte der subventionierten Unternehmen arbeiteten. Im Kontext eines sich verhärtenden wirtschaftlichen Konkurrenzkampfes auf dem Weltmarkt bestanden die Verbesserungen der Produktionsbedingungen in erster Linie in der Auslagerung der Produktion in kostengünstige Länder mit billigen, wenn auch wenig qualifizierten Arbeitskräften, was die Situation auf den eigenen Arbeitsmärkten stark verschlechterte. Die folgende neokonservative Regierung erweiterte den ökonomischen Handlungsspielraum der Unternehmen und lockerte die Möglichkeiten staatlichen Zugriffs auf das sich zusehends flexibilisierende Kapital. Die Folgen: Eine sich zusehends vermindernde Besteuerung der Unternehmen zu Lasten der Staatsbürger, da, wie am jüngsten Beispiel der Bundesrepublik Deutschland deutlich wurde, die entstandene Lücke in den Steuereinnahmen durch eine entsprechende Mehrbelastung der Bürger und Kleinunternehmen zu schließen versucht wurde.

Vor allem in Deutschland war es in erster Linie die neokonservative Bewegung, welche die politische Irritation der Menschen dahingehend ausnutzte, die kulturelle von der ökonomischen Sphäre abzukoppeln, indem unter Beschwörung traditioneller Wertvorstellungen und Kritik am Massencharakter rückhaltlos für die Entfesselung der Marktkräfte eingetreten wurde, wenn auch vehement das Gegenteil behauptet wurde.

Im Verlauf der sich ausbreitenden Globalisierung verhielten sich die Industrieländer zudem äußerst widersprüchlich: ,,Repräsentanten eines neu industrialisierten Schwellenlandes in Lateinamerika beschreiben das widersprüchliche Verhalten der Industrieländer, die erst private Geschäftsbanken angeregt haben [...] Kredite zu geben, damit sie diese im Verlauf einer wachsenden Weltmarktintegration mit Exporten zurückzahlen könnten, gleichzeitig jedoch die eigenen Märkte [...] abriegelten." (HENGSBACH 1997, S. 4) Als weitere Voraussetzung für eine Globalisierung der kapitalistischen Marktwirtschaft ist der Zusammenbruch der Sowjetunion als Bollwerk des Realsozialismus unbedingt zu nennen, deren kapitalistische Restrukturierung den Weg zu einem fast weltweiten Kapitalismus ebnete.

Der somit eingeleitete Umbruch weltweiter ökonomischer, politischer und gesellschaftlicher Machtstrukturen zwingt zu einer gründlichen Revision überkommener politischer Konzepte. (Vgl. HIRSCH 1995, S. 37)

1.2 Auswirkungen und Gefahren der Globalisierung

Die von US-Präsident Bush anläßlich des zweiten Golfkrieges und nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ausgerufene ,,neue Weltordnung", d.h. die Idee der ,,One Nation" unter kapitalistischen Bedingungen wurde in den Medien allseits als die Basis für weltweite Demokratie und Verwirklichung der Menschenrechte propagiert - was gewissermaßen ein Widerspruch in sich ist, da sich Kapitalismus, wie uns die Erfahrungen der letzten hundert Jahre lehren, nur durch die Ausbeutung anderer entwickeln kann.

,,Inzwischen wird allerdings immer deutlicher, daß eher diejenigen Recht haben, die in der neuen Weltordnung vor allem ein globales Chaos sehen, in dem unterzugehen scheint, was an Demokratie, Wohlfahrt und sozialer Sicherheit wenigstens in einigen Teilen der Welt einmal erreicht worden war" (HIRSCH 1995, S. 37), auch wenn sich diese sozialstaatlichen Errungenschaften auf die politischen und ökonomischen Zentren der westlichen Industriestaaten beschränkten und strukturell an die Ausgrenzung und Unterdrückung der Peripherie gebunden waren.

Die wachsende Flexibilisierung des internationalen Kapitals verschärft die Konkurrenz der Nationalstaaten auf dem Weltmarkt. Die Globalisierung des Kapitalismus scheint an einem Punkt angelangt zu sein, an dem die einzelnen Länder entweder gezwungen sind, sich und ihre Politik den wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Zwängen des globalen Wirtschaftskrieg unterzuordnen, um somit die Dynamik des Weltmarktes zu verstärken, oder aus den internationalen wirtschaftlichen Vernetzungen ausgeschlossen werden.

Die oberste Prämisse der Nationalstaaten ist also der verzweifelte ,,Kampf um die Sicherung von Privilegien und gegen eine politisch wie sozial desaströse Peripherisierung sowohl im nationalen wie im regionalen und internationalen Rahmen." (HIRSCH 1995, S. 38) Die fortschreitende Entnationalisierung der multinationalen Konzerne, die die Nationalstaaten auf dem Weltmarkt praktisch zu Einzelhändlern degradieren, bringt auch nationale Sozialsysteme ins schwanken, die sich an den Einkommen des Staates, d.h. der nationalen Unternehmen orientieren. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Brisanz der nach wie vor aktuellen ,,Standortdebatte" durchaus verständlich, wenn sie auch am falschen Punkt ansetzt, da

a) der Nationalstaat einem Wirt gleichkommt, der das internationale Kapital über seine Schwelle locken muß, um die wirtschaftliche Prosperität zu gewährleisten und
b) sich ,,selbst aus den internationalen Konkurrenzbedingungen des westdeutschen Kapitals

[...] keineswegs die Notwendigkeit zum Abbau der Sozialleistungen ableiten [läßt], wenn man gerade die Produktivitätsvorteile in Betracht zieht, die [...] ein entwickeltes Sozialsystem" (HIRSCH 1990, S. 185) mit sich bringt.

Diese Entnationalisierung einst nationaler Unternehmen revidiert auch die These jener Ökonomen, die ,,in den wachsenden Einkommen und Vermögen der Deutschen die Vermutung bestätigt [sehen], daß der Weltmarkt allen daran beteiligten Ländern Vorteile bringt" (HENGSBACH 1997, S. 4), da die Gewinner des weltweiten Wirtschaftskrieges die Inhaber bzw. Verwalter der multinationalen Konzerne, d.h. des internationalen Kapitals sind. Ein Blick auf die steigende ,,neue Armut", auf die ständig im Rahmen des weltweiten Rationalisierungsprozesses steigenden Arbeitslosenzahlen - vor allem in den osteuropäischen Ländern - und die Tatsache, daß ,,es längst nicht mehr eine marginalisierte Minderheit ist, die die Lasten dieser wirtschaftlichen Entwicklung zu tragen hat" (HIRSCH 1995, S. 38) läßt darauf schließen, daß dies nicht ausschließlich die Konsequenzen einer unfairen Verteilung innerhalb der nationalen Gesellschaften sind.

,,Worldwide Sourcing" als Grundlage für einen weltweiten Rationalisierungsprozeß ist das Zauberwort des internationalen Kapitals; d.h. ,,eine Strategie [...] der flexiblen Inanspruchnahme und Kombination unterschiedlicher Produktionsstandorte im Rahmen komplexer Unternehmensnetzwerke" (HIRSCH 1995, S. 37) im Kontext einer Auslagerung der Produktion in billige Produktionsländer mit einer möglichst guten Infrastruktur zu den benötigten Ressourcen.

Die Grundlage für eine solche Allmacht des Kapitals und die Verwirklichung jener Strategie des ,,Worldwide Sourcing" ist die Ausnahme des Menschen aus dem Globalisierungsprozeß. Jener bleibt gefangen in seinen nationalen Herrschaftsstrukturen und Gesellschaftsformen, was gewährleistet, daß z.B. in südostasiatischen Ländern weit billiger produziert werden kann als in Deutschland, wo die Reste einstmals mächtiger Gewerkschaften und politischer Organisation für einen Westeuropa entsprechenden Mindestlohn eintreten, der allerdings im Kontext der Öffnung nach Osten durch den Zustrom billiger Arbeitskräfte zusehends fällt. Zudem läßt die Pluralisierung des Weltkapitalismus - gegenwärtig dominiert von der aus Nordamerika, Westeuropa und dem pazifischen Raum bestehenden ,,Triade" -, unter dessen Dynamik sich die bestehenden Machtkonstellationen immer schneller ändern - sowohl der Niedergang der US-Hegemonie als auch die Tatsache, daß ,,Blöcke, Staaten und Reiche [...] auseinander[brechen] und die übriggebliebenen Teile versuchen, sich in neue Kooperations- und Abhängigkeitszusammenhänge einzuordnen" (HIRSCH 1995, S. 37) sind hervorragende Beispiele dafür - und die extrem hohen wirtschaftlichen Wachstumsraten der kürzlich industrialisierten Schwellenländer, wie etwa Taiwan, darauf schließen, daß auch die momentane wirtschaftliche Vormachtstellung Westeuropas alles andere als gesichert ist. Hinzu kommt, daß ,,die reale `Völkergemeinschaft' [...] in ihren existierenden Formen derzeit nicht mehr als ein konfliktorischer Verband von Herrschafts- und Unterdrückungsapparaten [ist]." (HIRSCH 1995, S. 40) Dies sorgt dafür, daß die internationalen Staatsorganisationen wie die EG oder die UN nur dann aktiv werden können, ,,wenn sie in Übereinstimmung mit den Interessen der Großmächte handeln." (HIRSCH 1995, S. 40)

Zudem scheinen jene Zusammenschlüsse, die einer institutionell abgesicherten demokratischen Legitimation und Kontrolle entbehren, ebenso abhängig von den weltweit agierenden ,,transnationalen Unternehmen" als eigentliche Akteure der Globalisierung zu sein, wie die einzelnen Nationalstaaten. (Vgl. HENGSBACH 1997, S. 6) ,,So können Konzernleitungen einzelne Unternehmen oder Betriebe in verschiedenen Ländern gegeneinander ausspielen, damit diese sich gegenseitig unterbieten. Der Konzern [...] erzeugt die Illusion einer paritätischen Marktbeziehung, während in Wirklichkeit die Situation eines ungleichen [...] Tauschs vorliegt [...]. Eine vergleichbare Ausbeutungssituation kann die Konzernleitung auch gegenüber nationalen Regierungen herstellen." (HENGSBACH 1997, S. 7)

Die Möglichkeiten staatlichen Zugriffs auf das nun nicht mehr staatliche Kapital werden durch den Umstand der Flexibilisierung drastisch beschnitten, was die Möglichkeiten staatlicher Beeinflussung auf die Produktionsbedingungen und Strategien der weltweit agierenden Konzerne stark vermindert. Der Trend scheint dahin zu gehen, daß sich jene Unternehmen weiter von den Nationalstaaten ablösen werden.

Der keynesianische Interventionsstaat des Fordismus scheint durch den internationalen Wettbewerbsstaat im globalen Wirtschaftskrieg des Postfordismus abgelöst zu sein, welcher vor allem davon charakterisiert ist, daß die Mobilisierung aller produktiven Kräfte in der internationalen Konkurrenz zur entscheidenden politischen Maxime wird. Dieser fällt jede Politik einer materiell abgestützten sozialen und politischen Integration zwangsweise zum Opfer. Und auch wenn einige Ökonomen den Begriff ,,Globalisierung" mit Vorsicht benutzen, da ,,die Reichweite der internationalen Handelsverflechtung [...] nicht global [ist]" (HENGSBACH 1997, S. 5), so zählt doch die weltweite Unterwerfung der Nationalstaaten unter das kapitalistische System mit all seinen Zwängen und auf wirtschaftlicher Macht aufbauenden Hierarchien.

Das oft angeführte Argument, daß nur 20 % der Güter international gehandelt werden und sich 1990-1994 87 % des Welthandels auf die Weltregionen Nordamerika, Westeuropa und einen Teil Asiens (Japan, China und die ,,Tigerstaaten") konzentriert haben, wird durch den Umstand relativiert, daß Exporte durch Direktinvestitionen in die jeweiligen Produktionsländer ersetzt werden. Dies hat zur Folge, daß ein Teil der Güter nicht mehr international gehandelt, sondern am Ort der Nachfrage direkt produziert wird. (Vgl. HENGSBACH 1997, S. 5)

Der Dezentralisierung der Produktionsstandorte tritt nun eine Gegenbewegung in Form einer Trustbildung auf dem Dienstleistungssektor entgegen, indem sich - vor allem in Amerika - Rechtsanwaltskanzleien, Versicherungsunternehmen und ähnliche Dienstleistungsunternehmen zu großen Konzernen zusammenschließen, was den Konkurrenzdruck auf dem Arbeitsmarkt dementsprechend erhöht.

Wie oben bereits ausgeführt, geht es in dem Prozeß der Globalisierung einzig und allein um die Sicherung bzw. den Ausbau globaler wirtschaftlicher Machtstrukturen. Dabei werden kulturelle Unterschiede der verschiedenen Teile der Weltbevölkerung nivelliert mit dem (propagierten) Ziel einer homogenen Weltgesellschaft. Was aber aus der Diskussion weitgehend ausgeklammert ist, sind die Umstände einer solchen Gesellschaft. Die ,,aus der Beschränkung seiner ökonomisch-sozialen Spielräume resultierende `Aushöhlung' des Staates und die fortschreitende Ausdifferenzierung der politischen Entscheidungsebenen [zugunsten des Diktats der Standortpolitik] bedeutet [...] notwendigerweise zugleich eine Aushöhlung der Demokratie." (HIRSCH 1995, S. 38) Hinzu kommt die systematische Zerrüttung und Spaltung der einst homogenen Klasse der Lohnabhängigen, um relevanten sozialen und solidarisch unterstützten Ansprüchen bereits im Keim entgegenzuwirken.

Der Mensch scheint seinen Status als Subjekt der Geschichte an die für die wirtschaftliche Entwicklung notwendige Technik abgetreten zu haben.

Die uns bekannte formale Demokratie wurde jedoch im nationalen Rahmen gegen national wirkende Zwänge und Herrschaftsstrukturen erkämpft und verliert in ihrer derzeitigen Form international ihre Gültigkeit. Dies wird besonders deutlich an der Beschaffenheit der EG oder der UN, deren Politiker aus der im jeweiligen Land mehr oder minder ausgeprägten formalen Demokratie auf einem schon weit weniger demokratischen Weg in die internationale Institution gewählt wurden. Zudem wird die ,,Entsprechung von `Volk' und `Regierung', d.h. die allen bürgerlichen Demokratietheorien zugrundeliegende Vorstellung eines relativ einheitlichen Volkes, dem eine eigenständig handlungsfähige und damit demokratisch beeinfluß- und kontrollierbare Regierung gegenübersteht, [...] mehr und mehr zur Illusion." (HIRSCH 1995, S. 39)

Hinzu kommt, daß bei einer fortschreitenden weltweiten Nivellierung der politischen und sozialen Systeme die Modelle westeuropäischer Sozialstaaten sich auf dem Weltmarkt behaupten müssen. Es gilt also, die internationalen Politiken davon zu überzeugen, daß, wie oben bereits erwähnt, ein funktionierendes Sozialsystem auch weltwirtschaftlich große Vorteile in sich birgt.

Das ideologische Gepräge der ,,neuen Weltordnung" ist wesentlich bestimmt durch die rücksichtslose Aggressivität der treibenden Mechanismen, von weltweiten Katastrophen nicht nur ökologischer Natur, extremen Ausbrüchen von Nationalismus, Rassismus und religiösem Fundamentalismus als Konsequenz der schwindenden Identität und Homogenität der Völker, einer in erschreckendem Maße zunehmende ,,Politikverdrossenheit" der Menschen, u.a. ein Resultat des Überschusses an präsentierter (kontrollierter) Information - in Deutschland äußerte sich dies u.a. in den abnehmenden Zahlen der Wahlbeteiligung -, (gerechtfertigtem) Mißtrauen gegenüber politischen Aktivitäten und zunehmenden Kriegen und Menschenrechtsverletzungen. Letzteres zwingt weniger mächtige Nationalstaaten immer wieder in neue Bünde und Abhängigkeitsverhältnisse, um die politische und wirtschaftliche Prosperität, oder zumindest ein gewisses Mitspracherecht zu konservieren. Die ,,Selbstnationalisierung" jener, die von Marginalisierung, Peripherisierung und der Zerrüttung der nationalen Wirtschaft - vor allem der Kleinbetriebe - betroffen sind mittels ethnisch-nationalistisch oder religiös konstruierter ,,Identitäten", um wenigstens die Illusion einer Zugehörigkeit in den sich verschärfenden politischen und ökonomischen Kämpfen aufrechterhalten zu können, ist ein entscheidender Faktor im internationalen Wirtschaftskrieg geworden. (Vgl. HIRSCH 1995, S. 39) Dies wird besonders deutlich anhand der Entwicklung der ,,neuen Rechten" in Deutschland und Frankreich.

,,Es gilt [also] zu erkennen, daß das Funktionsprinzip des sich globalisierenden Kapitalismus vor allem darin liegt, im globalen Maßstab Konkurrenzen zu mobilisieren, Völker, Klassen und Regionen [im Wettkampf] gegeneinander auszuspielen und politisch-soziale Ungleichheiten zu vertiefen. Ein sich verhärtender Konkurrenzkampf der `Wettbewerbsstaaten' wird letztendlich nur Verlierer kennen." (HIRSCH 1995, S. 40) Die Gewinner dieses globalen Spieles sind allerdings sehr viel leichter auszumachen als die vielfältigen Verlierer: Es sind dies die Führenden Menschen der internationalen Banken und der großen, weltweit agierenden Konzerne. Die finanzielle Abhängigkeit selbst der mächtigen Nationalstaaten von der Weltbank spielt weite Teile politischer und wirtschaftlicher Macht in die Hände jener, die aus der Ausbeutung aller ihre Vorteile ziehen. So auch die weltweite wirtschaftliche Macht der Ölkonzerne, welche existierende Projekte und Technologien blockieren, die auf der Basis alternativer Energie die ökologischen Schäden zumindest stabilisieren, wenn auch nicht bereinigen könnten.

Natürlich bringt die Globalisierung auch gewisse Vorteile für die Menschen mit sich, die ebenfalls einer Erwähnung bedürfen. So ist z.B. die enorm schnelle Entwicklung des technischen Fortschritts nicht zuletzt privater Forschung mächtiger Konzerne geschuldet; richtig eingesetzt könnte diese Technik (z.B. Antriebe auf Wasserstoffbasis) die ökologischen, ökonomischen, gesellschaftlichen und sozialen Strukturen durchaus entspannen. Weiterhin besteht die Möglichkeit umfangreicher Bildung u.a. durch das Internet und Reisen aufgrund fortgeschrittener Infrastrukturen.

Dennoch wiegen diese ,,Vorteile" wenig angesichts der Risikoproduktion und der Zerstörungspotentiale auf allen Ebenen.

2. Nichtregierungsorganisationen (,,NGO"'s) im Prozeß der Globalisierung

Aufgrund der steigenden Abhängigkeiten der nationalen (und internationalen) Regierungen von den globalen wirtschaftlichen Zwängen treten international arbeitende, staatenunabhängige Nichtregierungsorganisationen immer mehr in den Vordergrund. Vor allem größere und renommiertere Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen wie Greenpeace und Amnesty International haben bereits, teils durch medienwirksame Aktionen, teils durch die Ergebnisse ihrer Arbeit in den vergangenen zwanzig Jahren die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit in verstärktem Maße auf sich gezogen und so schon wiederholt nationale und internationale Politiken bewegt, ihren Kurs (zumindest in Ansätzen) zu ändern.

Jedoch ist auch hier Vorsicht anstelle der häufig gepflegten Euphorie angebracht, da viele NGO's ,,in Wirklichkeit kaum dem Prinzip autonomer Selbstorganisation [gehorchen], sondern [...] eher Quasi-Staatsbürokratien dar[stellen], die eng mit den staatlichen Apparaten verflochten und finanziell von ihnen abhängig sind." (HIRSCH 1995, S. 41) Zudem sind auch jene Organisationen ökonomischen Zwängen unterworfen und von spezifischen Interessenlagen geprägt.

Dennoch bieten diese Organisationen einen Ansatz, fehlende internationale Kontrollorgane zumindest ansatzweise zu ersetzen und dort für Menschenrechte und Solidarität einzutreten, wo die Politik sich auf die weltwirtschaftlichen Machtpositionen konzentriert. Das Prinzip autonomer Selbstorganisation und Kooperation auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene ist der entscheidende Ansatz, sich auf lange Sicht von den herrschenden politischökonomischen Machtstrukturen abzulösen, kulturelle Unterschiede und regionale Besonderheiten zu pflegen und produktiv einzusetzen.

Sowohl Greenpeace als auch Amnesty International sind demokratisch strukturierte, international arbeitende und anerkannte Organisationen, die sich aus Beiträgen der Mitgliedschaft und Spenden finanzieren und deren Mitglieder politisch aktiv sein wollen, ohne sich parteipolitisch engagieren zu müssen. Beide akzeptieren keinerlei Gelder von bestimmten politischen Fraktionen, um eine politische Unabhängigkeit zu gewährleisten. Die Mittel, und damit die Möglichkeiten der Organisationen - in der Bundesrepublik Deutschland unterstützen ca. 20 000 regelmäßige Förderer und ca. 40 000 Spender die Arbeit von Amnesty International (AI), was 1994 ca. Zwei Drittel der Gesamteinnahmen von 12,6 Mio. DM ausmachte (Vgl. AI 1996, S. 57)- gewähren diesen beiden Beispielsorganisationen Unabhängigkeit von an staatliche Förderungsgelder gebundene Ansprüche und damit relative politische Neutralität.

Beide Organisationen konzentrieren ihre Aktivitäten auf ,,ausgewählte Bereiche und Kampagnen [...]. Nur wenn die Organisation ihre Energien bündelt, ist effektives und erfolgreiches Arbeiten möglich." (GREENPEACE 1996, S. 5) Auf der Basis moderner Kommunikationstechnik umspannen sie den Globus in ähnlicher Weise wie das wirtschaftliche Netz.

3.Welche Möglichkeiten der politischen Partizipation existieren für ,,NGO"'s?

Greenpeace als wohl weltweit bekannteste Nichtregierungsorganisation bezieht seinen Einfluß auf die Politik vor allem durch aufsehenerregende Aktionen, die durch starke Öffentlichkeitsarbeit weltweit publik gemacht werden und auf diese Weise nationale Regierungen öffentlich unter Druck setzen. Die Glaubwürdigkeit der Vorwürfe und Aktionen wird unterstrichen durch wissenschaftliche Arbeit, wie entnommene Bodenproben, und vor allem unermüdlichen persönlichen Einsatz ohne direkten Nutzen für die Beteiligten. Gerade die durch Luxus, Konsum und Informationsüberschuß geprägten und gesättigten Völker der westlichen Industriestaaten haben in erstaunlichem Maße auf Aktionen reagiert, die z.B. zum Boykott bestimmter mächtiger internationaler Ölkonzerne aufgerufen haben. Auf diesem Weg hat die Organisation u.a. 1982 einen Beschluß des IWC (Internationale Walfangkommission) über einen Walfangstopp ab 1986, 1983 einen Beschluß der ,,London Dumping Convention", für zehn Jahre keinen Atommüll mehr im Meer zu versenken, 1991 den Ausstieg der Firma Hoechst aus der FCKW-Produktion ab 1995 und 1995 auf dem Klimagipfel in Berlin die Erklärung des Ölkonzerns Shell, die Bohrplattform ,,Brent Spar" nicht im Meer zu versenken erreicht. (Vgl. GREENPEACE 1996, S. 26 ff.) Natürlich bleibt unklar, inwiefern die Konzerne und Regierungen ihre Interessen im Untergrund weiterverfolgen, jedoch wurde, wenn auch kurzzeitig, eine kritische Öffentlichkeit mobilisiert, ohne die der Druck der Organisation wahrscheinlich untergegangen wäre. Weiterhin hat Greenpeace ,,bei zahlreichen internationalen Konferenzen [...] inzwischen offiziellen Beobachterstatus" (GREENPEACE 1996, S. 4) und somit einen gewissen, wenn auch geringen Einfluß auf nationale und internationale politische Entscheidungen.

Das Wirkungsgebiet von Amnesty International erstreckt sich mehr auf die in vielen Nationalstaaten herrschende Diskrepanz zwischen offizieller internationaler Anerkennung der Menschenrechte und der von Folter und herrscherlicher Willkür gezeichneten Praxis. Die Entstehung der Organisation ist also als ,,Reaktion auf die politische Einäugigkeit [zu bewerten], mit der Menschenrechtverletzungen wahrgenommen wurden" (AI 1996, S. 9), da zuvor überwiegend Fälle bekanntgemacht wurden, die Aggressionen gegenüber bestehenden Feindbildern schürten. Ebenso wie Greenpeace setzt AI auf eine durch die Revolution der Kommunikationstechnik unterstützte internationale Öffentlichkeit, die ein wichtiger Faktor für die Durchsetzung der Menschenrechte auf globaler Ebene ist.

Natürlich kann eine solche Organisation nur das Bewußtsein für Menschenrechte zu fördern; ausschlaggebend ist auch hier der Druck der Öffentlichkeit Mittels der Medien, da ,,Regierungen auf ihr Ansehen in der Weltöffentlichkeit bedacht [sind und] nicht als Verächter der Menschenrechte dastehen [wollen]." (AI 1996, S. 32)

Auch wenn die durch langfristige und aufwendige Aktionen erzielten Resultate hinsichtlich der an die Globalisierung gebundenen Zwänge als nichtig erscheinen mögen, so ist es doch das Engagement, die internationale Kooperation, die Kontinuität und die Öffentlichkeitsarbeit, welche den entscheidenden Ansatzpunkt eines alternativen Handlungsmusters markiert haben.

4. Schluß

Alternativen scheinen in einer solchen Situation schwer vorstellbar und noch schwerer zu realisieren. Die Organisation der Menschen in politisch unabhängigen NGO's für Menschenrechte und globale Gleichheit wäre dennoch ein nicht zu unterschätzender Weg, um eine Übergangsform, bzw. Ein Modell demokratischer Partizipation zu formen, welche die nationalen Grenzen sprengt, die nicht auf Diskriminierung und Ausgrenzung von Fremden beruht und die Menschenrechte nicht auf Staatsangehörige beschränkt. Ein weiterer wichtiger Ansatzpunkt, die sich augenblicklich stabilisierenden Machtstrukturen zu durchbrechen, ist die strukturelle Veränderung der ökonomischen Verhältnisse. Diese sind es, die ,,soziale Strukturen und Vergesellschaftungsformen, politische Institutionen und Kräfte, Konsummuster und Moden, Entwicklung und Krisen der Gesellschaft wesentlich bestimmen." (HIRSCH 1990, S. 177).

Dies kann jedoch nicht, wie die verschiedenen Modelle eines Realsozialismus gezeigt haben, durch Verstaatlichung der Produktionsmittel und Zentralverwaltungswirtschaft erreicht werden, da dies leicht zu einer Zusammenballung wirtschaftlicher und politischer Macht führen kann, die sogar die vorherrschenden Konstellationen im entwickelten Monopolkapitalismus in den Schatten stellt. (Vgl. HIRSCH 1990, S. 179) Zudem wurden die meisten noch existenten Modelle eines Realsozialismus kürzlich durch den kurzfristig weit attraktiveren Kapitalismus ersetzt und restrukturiert.

Es ist festzustellen, daß die sich in der Praxis durchaus unterscheidenden Formen des Kapitalismus im zwanzigsten Jahrhundert eine erstaunliche Resistenz gegen Krisenerscheinungen aufweisen. So sind auch die Hoffnungen vieler, das kapitalistische System würde spätestens nach der schweren Krise in den siebziger Jahren zusammenbrechen, bzw. zu einer humaneren Struktur gezwungen werden, gescheitert, da die ökonomischen Mechanismen ,,zunächst einmal nur den immer wieder auftretenden Zwang zu einer tiefgreifenden Reorganisation seiner Produktions-, Ausbeutungs- und Vergesellschaftungsverhältnisse" (HIRSCH 1990, S. 178) bewirken. Daraus erwächst die Erkenntnis, daß der Kapitalismus keinen selbstzerstörerischen Mechanismen unterliegt, sondern von außen her in seine Schranken verwiesen werden muß, daß aber die dementsprechenden Handlungsformen immer wieder den sich ständig verändernden Formen des Kapitalismus angeglichen werden müssen.

Hirsch sieht einen weiteren, durchaus relevanten Ansatz darin, daß ,,der heutige Kapitalismus weit davon entfernt [ist], auch nur annähernd dem Modell einer `reinen' Marktwirtschaft zu entsprechen. [...] Die hoch konzentrierte und staatsinterventionistische Ökonomie ist gekennzeichnet durch Monopolpreisbildung, Tarifverträge, ein verzweigtes Dickicht von Subventionen, von administrativen Produktions- und Marktkontrollen [...] Das heißt, die kapitalistischen Verhältnisse sind bereits in hohem Maße politisch vermachtet und überformt." (HIRSCH 1990, S. 181)

Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß überzeugende Alternativen fehlen. Es muß also in erster Linie darum gehen, den Kapitalismus dahingehend zu modifizieren, daß er politisch und sozial besser reguliert wird, bevor langfristig eine globale Bewegung weg von kapitalistischen Zwängen und Herrschaftsstrukturen anvisiert wird, die wiederum nicht nur erhebliche materielle Opfer, vor allem seitens der Industrieländer, sondern auch tiefgreifende Veränderungen in den Vorstellungen von Staat, Selbstverantwortung und Demokratie fordern wird.

Dies setzt aber voraus, daß die ,,historischen Leistungen des `sozialdemokratischen' Staatsreformismus, der `Sozialstaat' in einem umfassenderen Sinne nicht zerschlagen, sondern weiterentwickelt und gestärkt wird." (HIRSCH 1990, S. 181)

Effektive, demokratisch und politisch besser organisierte Gewerkschaften sind in dieser Entwicklung um so wichtiger, je weniger auf eine homogene Arbeiter- bzw.

Arbeitnehmerklasse gesetzt werden kann und je mehr ein Konkurrenzverhalten innerhalb der Klasse geschürt wird. Die vielfältigen Interessen zu berücksichtigen und in eine demokratische Politik einfließen zu lassen bedarf einer umfassenden konzeptionellen und organisatorischen Neuorientierung. Hinzu kommt, daß eine solche Neubestimmung von Arbeits(teilungs)verhältnissen nicht vor bestehenden Familienstrukturen, Geschlechterverhältnissen, Wohnformen und Lebenszusammenhängen halt machen darf. Es gilt also, um Freiheit, Wohlfahrt und Menschenrechte in globalem Maßstab zu kämpfen. Dem sich globalisierenden Kapital muß eine ebenso internationale, weltweite Demokratiebewegung entgegengestellt werden, ,,die die Schranken der traditionellen, bürgerlichen Demokratie durchbricht, die nicht mehr nationalstaatlich eingezwängt ist und nicht mehr auf der strukturellen Diskriminierung und Ausgrenzung der `Fremden' beruht, nicht mehr demokratische und Menschenrechte auf Staatsangehörige beschränkt." (HIRSCH 1995, S. 40) Jene neue Form der weltweiten Demokratie bedarf jedoch der umfassenden Entwicklung neuer institutioneller Formen, welche die nationalstaatlichen Herrschaftsverhältnisse, wenn schon nicht auflösen, so doch zumindest lockern. Da es jedoch kein Musterbeispiel für demokratisch-politische Institutionen jenseits des Nationalstaates gibt, muß eine weitreichendere Form der institutionellen Absicherung gegenüber herrscherlicher Willkür geschaffen werden, die den Grundstein für eine globale Ausbreitung in sich trägt, die sich zunächst einmal in den unumgänglichen herrschenden ökonomischen und politischen Herrschaftsverhältnissen und gleichzeitig gegen deren Mechanismen und Zwänge entwickeln muß.

Deshalb muß die im nationalen Rahmen erkämpfte Demokratie auf staatsübergreifender Ebene neu definiert, theoretisch formuliert und praktisch umgesetzt werden und die demokratischen Prozesse müssen vom Institutionensystem abgekoppelt werden, wenn sie sich auch zugleich in ihm und emanzipatorisch gegen es entwickeln müssen. Unter den gegebenen Umständen, unter kapitalistischen Bedingungen, ist eine One Nation friedlicher und demokratischer Art eine Utopie.

Deshalb kann sich der Kampf um Demokratie weder auf die Verbesserung des in dieser Hinsicht ausgedienten Nationalstaat, noch auf die Konstruktion eines Weltstaates beziehen. Auf lange Sicht gilt es, den historischen Begriff des ,,Staates" überhaupt zu überwinden.

5. Bibliographie

ALTVATER, ELMAR/MAHNKOPF, BIRGIT: Grenzen der Globalisierung. Verl. Westfälisches Dampfboot, Münster 1996.

AMNESTY INTERNATIONAL (AI): Eine Information über Amnesty International, Hrsg. AI, Sektion der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl., Bonn 1996.

GREENPEACE: Themen/Hintergründe/Informationen. Hrsg. Greenpeace e.V., Hamburg 1996.

HENGSBACH, FRIEDHELM: ,,Globalisierung" aus wirtschaftsethischer Sicht. In: Aus Politik und Zeitgeschichte (Beilage zur Wochenzeitung ,,Das Parlament"), Bd. 21/97 vom 16.05.1997, Hrsg. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1997, S. 3 - 12.

HERKOMMER, SEBASTIAN: Das Dilemma der Konservativen - eine Chance für die Linken? In: Sozialismus, Heft 5, 1988, S. 25 - 37.

HIRSCH, JOACHIM: Der ,,nationale Wettbewerbsstaat" - Globalisierung des Kapitals und die Zukunft der Demokratie. In: Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft (SPW), Ausgabe 5/95, Heft 85, 1995, S. 37 - 41.

HIRSCH, JOACHIM: Kapitalismus ohne Alternative? VSA-Verlag, Hamburg 1990, S. 176-191.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Globalisierung
Hochschule
Technische Universität Berlin
Autor
Jahr
2000
Seiten
16
Katalognummer
V94713
ISBN (eBook)
9783638073936
Dateigröße
468 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Globalisierung
Arbeit zitieren
Johannes Mory (Autor:in), 2000, Globalisierung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94713

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Globalisierung



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden